Regenerative Modellregion Harz

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Regenerative Modellregion Harz
Landkreis als Vorreiter
Regenerative Modellregion Harz
Abschlussbericht
Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter den Förderkennzeichen 0325090A, 0325090B,
0325090C, 0325090D, 0325090E, 0325090F, 0325090H,
0325090I, 0325090J, 0325090K, 0325090L gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den
Autoren.
Herausgeber:
Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik
(IWES)
Bereich Energiewirtschaft & Netzbetrieb
Königstor 59
34119 Kassel
www.iwes.fraunhofer.de
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nur auszugsweiser Verwertung dem Fraunhofer IWES bzw. dessen
Auftraggeber vorbehalten.
Foto Titelseite:
RegenerativKraftwerk Harz GmbH & Co KG
Kassel, Dezember 2012
Vorwort
Die Zukunft beginnt im Harz
In den letzten vier Jahren wurde im Forschungsprojekt Regenerative Modellregion
Harz an der Zukunft des Energiesystems gearbeitet. Hierzu wurden neue Technologien und Geschäftsmodelle für ein Internet der Energien entwickelt und im Landkreis Harz getestet. Diese Technologien und Geschäftsmodelle werden benötigt, um
die Umstellung auf eine erneuerbare und größtenteils dezentrale Energieversorgung
sicher und kostengünstig zu gestalten.
18 Konsortialpartner bildeten das Projektkonsortium des im November 2008 gestarteten Projekts. Dazu kommen noch vier assoziierte Partner. Diese decken dabei
alle wichtigen Sparten im Bereich der Energiewirtschaft ab. Viele Partner sind seit
Jahren im Landkreis Harz aktiv oder sogar dort ansässig.
Das Budget des Projekts betrug 16 Mio. €. Das Bundesumweltministerium trug zehn
Mio. € Fördergelder zum Projekt bei, die restlichen sechs Mio. € haben die Partner
aus Eigenmitteln finanziert.
Der Abschlussbericht liefert eine ausführliche Beschreibung der Projektarbeiten.
Dabei erhält der Leser einen Einblick darin, wie zukünftig Erzeuger, Speicher, Lasten
und die Netze mit Hilfe einer entsprechenden Informations- und Kommunikationstechnik intelligenter betrieben werden können. Der Abschlussbericht beginnt mit
einer Kurzzusammenfassung, die für jedes Kapitel des Berichts die wichtigsten Erkenntnisse in einem Absatz zusammenfasst.
Weiterführende
Informationen
erhalten
Sie
z.T.
auf
der
Homepage
www.RegModHarz.de und bei den einzelnen Partnern.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß und viele Erkenntnisse beim Lesen des Abschlussberichts.
Florian Schlögl
Projektkoordinator
Inhaltsverzeichnis
1
Kurzzusammenfassung .................................................................. 1
2
Projektziele und –struktur ............................................................. 10
2.1
Ausgangspunkt, Motivation .......................................................10
2.2
Ziele ....................................................................................10
2.3
Projektstruktur und Veröffentlichungskonzept...............................12
2.4
3
2.3.1
Projektphasen ........................................................... 12
2.3.2
Veröffentlichungskonzept ............................................ 13
2.3.3
Demonstrationsvorhaben ............................................. 15
RegModHarz-Architektur ..........................................................18
Informations- und Kommunikationstechnik ....................................... 21
3.1
3.2
3.3
Virtuelles Kraftwerk .................................................................21
3.1.1
Das virtuelle Kraftwerk im Kontext des Gesamtsystems ....... 21
3.1.2
Architektur der Software des virtuellen Kraftwerks............. 21
3.1.3
Leitwarte .................................................................. 24
3.1.4
Energiemanagement ................................................... 27
3.1.5
Feldtest des virtuellen Kraftwerks .................................. 32
Anlagenanbindung .................................................................34
3.2.1
Anforderungen .......................................................... 35
3.2.2
Architektur................................................................ 36
3.2.3
PowerBridge, Idee, Umsetzung, Plattformen .................... 37
3.2.4
Datenmodell ............................................................. 39
3.2.5
Registry .................................................................... 43
3.2.6
Sicherheit ................................................................. 43
3.2.7
Standardisierung........................................................ 44
3.2.8
Angeschlossene Anlagen .............................................. 45
3.2.9
Zusammenfassung und Erfahrungen............................... 45
Kundenanbindung ..................................................................45
3.3.1
Smart Meter/MUC-Kombination ..................................... 46
3.3.2
BEMI (Bidirektionales Energiemanagement Interface) ......... 46
3.3.3
Schaltboxen .............................................................. 48
3.3.4
Angebundene Haushalte .............................................. 48
3.3.5
Zusammenfassung und Erfahrungen............................... 49
3.4
4
3.4.1
Herausforderung / Zielsetzung ....................................... 50
3.4.2
Umsetzung................................................................ 51
3.4.3
Bereiche ................................................................... 53
3.5
Prognoseinformationssysteme ...................................................58
3.6
Dezentrale Einsatzoptimierung mit energyTRADE ............................61
Erzeugung ................................................................................. 63
4.1
Potenziale im Landkreis Harz.....................................................63
4.2
Prognosen .............................................................................65
4.2.1
Preisprognose ............................................................ 65
4.2.2
Wind- und PV-Leistungsprognosen ................................ 71
4.3
Szenarien ..............................................................................79
4.4
Marktzugang für erneuerbare Energien ........................................89
4.5
Direktvermarktung an Großhandelsmärkten .................................92
4.6
4.7
5
Marktplattform .......................................................................49
4.5.1
Direktvermarktung über einen Poolkoordinator ................ 92
4.5.2
Werkzeuge zur Simulation der Vermarktung ..................... 96
4.5.3
Ergebnisse aus der Simulation der Vermarktung ................ 99
4.5.4
Praktische Erfahrung aus der Vermarktung einer
Biogasanlage........................................................... 114
Strategien zur dezentralen Stromversorgung ............................... 117
4.6.1
Selbstversorgung Landkreis Harz .................................. 118
4.6.2
Bürgerbeteiligung an der Stromerzeugung ..................... 124
4.6.3
Direktbelieferung von Endkunden am Beispiel des
Windparks Druiberg .................................................. 130
4.6.4
Selbstversorgung eines Haushalts mit Solarenergie .......... 134
Steuerung von Biogasanlagen ................................................. 135
4.7.1
Simulation der Steuerung einer Biogasanlage ................. 136
4.7.2
Feldtest Biogasanlage ............................................... 139
Kunden ................................................................................... 141
5.1
Vermarktungsstrategie Regionaler Haushaltskundentarif ............... 141
5.2
Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag .......... 148
5.3
Industrielles Lastmanagement ................................................. 157
5.4
E-Kfz.................................................................................. 161
6
Netz ....................................................................................... 166
6.1
6.2
6.3
6.4
7
Bestandsaufnahme ............................................................... 166
6.1.1
Erhebung von Netzdaten ........................................... 166
6.1.2
Analyse des Netzbetriebes .......................................... 169
Netzsimulationen ................................................................. 172
6.2.1
Lastflussanalyse für die Leitszenarien ........................... 172
6.2.2
Freileitungsmonitoring in 110 kV –Teilnetzen ................ 174
6.2.3
Netzsicherheitsmanagement ....................................... 179
6.2.4
Blindleistungsbereitstellung und Spannungshaltung
durch Erzeuger auf der Mittelspannungsebene ............... 183
6.2.5
Analyse der Netzzuverlässigkeit ................................... 188
PMU-Feldtest ....................................................................... 191
6.3.1
Überblick ................................................................ 191
6.3.2
Aufbau der Messeinheiten .......................................... 192
6.3.3
Installation des PMU –Messsystems im 110 kV-Netz......... 192
6.3.4
Datenübertragungskonzept ........................................ 193
6.3.5
Darstellung der Messdaten ......................................... 195
Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse ........................... 196
6.4.1
Simulation und Regionenvergleich ............................... 196
6.4.2
Netzseitig geltende Normen und Standards für ein
virtuelles Kraftwerk .................................................. 199
Schlussfolgerung / Ausblick / Empfehlungen ..................................... 201
7.1
7.2
Empfehlungen ..................................................................... 201
7.1.1
Vermarktung an der Strombörse EPEX SPOT sowie
bilaterale Lieferverträge............................................. 202
7.1.2
Dynamische Tarife .................................................... 204
7.1.3
Sondermodelle zur Direktbelieferung von Endkunden ...... 206
7.1.4
Vermarktung am Regelenergiemarkt ............................. 207
7.1.5
Weitere Marktbereiche .............................................. 208
7.1.6
Biogasanlagen ......................................................... 208
Ausblick .............................................................................. 210
8
Literatur.................................................................................. 216
9
Anhang ................................................................................... 221
1 Kurzzusammenfassung
Projektziele und Struktur
Mit dem Förderprogramm E-Energy des BMWi und des BMU waren in sechs Modellregionen Geschäftsmodelle (GM) und Technologien für das IKT-basierte Energiesystem der Zukunft zu entwickeln. Dazu wurde im Projekt Regenerative Modellregion
Harz (RegModHarz) ein virtuelles Kraftwerk (VK) aus verschiedenen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern im Landkreis (LK) Harz entwickelt. Die dazugehörige Vermarktung von erneuerbaren Energien (EE) wurde untersucht und neue Werkzeuge
zur Unterstützung des Netzbetriebs wurden erprobt. Es wurde im Projekt gezeigt,
dass durch die Koordination von Erzeugern, Speichern, Verbrauchern und dem Netz
eine Versorgung mit elektrischer Energie mit einem maximalen Anteil von erneuerbaren Energien möglich ist.
Virtuelle Kraftwerke
Virtuelle Kraftwerke steuern und vermarkten Erzeuger, Speicher und Verbraucher
und übernehmen damit eine zentrale Aufgabe im zukünftigen Energiesystem. Die
zunehmende Dynamik und Komplexität der Energieversorgungsstrukturen stellt
hierbei neue Anforderungen an Architektur, Skalierbarkeit und Flexibilität der technischen Lösungen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei zum einen die Vielzahl der Schnittstellen zu verteilten Kommunikationssystemen dar, wie z.B. Märkten, Energieanlagen, Händlern und Prognoseanbietern. Zum anderen gewinnt das
aktive, optimierte Management dezentraler Erzeuger, Speicher und Verbraucher an
Bedeutung. Unter Berücksichtigung der Projektziele und der energiewirtschaftlichen
Rahmenbedingungen wurde eine Mehrschicht-Architektur entwickelt, die ein generisches Anlagen- und Energiemanagement unterstützt. Diese Architektur wurde
in Form eines funktionsfähigen virtuellen Kraftwerks umgesetzt und erfolgreich in
Feldtests betrieben. Die technische Realisierung hat sich hierbei als leistungsfähige
Plattform erwiesen.
Anbindung von dezentralen Anlagen an das virtuelle Kraftwerk
Die kommunikative Anbindung dezentraler Energieanlagen unterliegt grundsätzlich
anderen Randbedingungen als die Anbindung großer Kraftwerke: statt 100%iger
Verfügbarkeit muss mit einer eingeschränkten Erreichbarkeit gerechnet werden;
statt firmeneigener abgeschotteter Netze kann der Datenverkehr über das Internet
erfolgen; statt einer jahrelangen Stabilität einer einmal aufgebauten Infrastruktur
sind ständige Änderungen und täglich dazukommende Anlagen zu beherrschen.
1
Web-Service Technologien bieten dafür eine breite Palette von Lösungen. In Verbindung mit dem etablierten Kommunikationsstandard IEC 61850 ist hiermit eine
sichere und flexible Anbindung dezentraler Energieanlagen realisierbar. Der Einsatz
einheitlicher Datenmodelle für unterschiedliche Anlagentypen ermöglicht dabei
dem virtuellen Kraftwerk eine weitgehende Abstraktion von spezifischen Details der
unterschiedlichen Anlagen.
Anbindung von Haushaltskunden
Neben den Erzeugungsanlagen gibt es auch in den Haushalten Potenzial zur Flexibilisierung. Durch intelligente Verschiebung von Verbräuchen können die Fluktuationen aus EE ausgeglichen werden. Dazu wurden die Haushalte kommunikationstechnisch angeschlossen und mit einem Energiemanagementsystem (BEMI - Bidirektionales Energiemanagement Interface) versehen. Bei einem Feldtest wurden in
der ersten Phase die vorhandenen Ferraris-Zähler der Feldtestteilnehmer durch
Smart Meter ersetzt. Das Smart Meter speichert viertelstündlich die Stromverbrauchswerte und stellt zwei Schnittstellen zum Auslesen zur Verfügung: Eine GPRSSchnittstelle und eine LAN-Schnittstelle. Über die GPRS-Schnittstelle wurden im
ersten Feldtestteil die Gewohnheiten der Feldtestteilnehmer bezüglich ihres Stromverbrauchs erfasst. Im zweiten Feldtestteil erhielten die Teilnehmer das Bidirektionale Energiemanagement Interface (BEMI), welches über schaltbare Funksteckdosen
(ZigBee) zwei Hausgeräte ansteuert. Das BEMI ist per LAN oder WLAN mit dem Router
und dem Smart Meter des Feldtestteilnehmers verbunden und hat darüber Zugriff
auf das Internet und den Gesamtstromverbrauch. Über die Internetverbindung wird
der Preisstufenverlauf empfangen, der als Eingangsgröße für die Berechnung der
Einsatzpläne benötigt wird. Die technische Umsetzung des Feldtests erwies sich als
sehr anspruchsvoll. Das Funktionieren des prinzipiellen Konzepts, nämlich der gezielten Beeinflussung des Verbrauchs, konnte nachgewiesen werden.
Bereitstellung von Informationen durch die Marktplattform
Im zukünftigen Energiesystem mit einer Vielzahl dezentraler Anlagen müssen alle
Akteure transparent und einfach einen Überblick über die wesentlichen Kennzahlen
der Stromversorgung wie Erzeugung, Verbrauch und Preise erhalten. Die interaktive
Marktplattform in RegModHarz ermöglicht einen einfachen Zugang zu Transparenzinformationen zur Stromversorgung in der Modellregion sowie zu relevanten
Marktinformationen. Die Nutzer der Plattform erhalten stündlich aufgelöste ISTWerte und Prognosen zu Strombedarf und Stromerzeugung je Anlagentyp sowie die
räumliche Anlagenverteilung, dazu Marktpreise und Preisprognosen mit erzielbaren
Erlösen durch die Vermarktung der erzeugten Energie. Zusätzlich wird aktuell über
2
die Preisstufen des zeitdynamischen RegModHarz-Tarifs informiert und die Feldtestkunden erhalten einen persönlichen Bereich, über den sie ihr Stromverbrauchsverhalten auswerten und die Anteile bezogener elektrischer Energie je Preisstufe
und je Erzeugungsanlagentyp nachvollziehen können. Ergänzend wird eine persönliche monatliche Verbrauchsabrechnung mit entsprechenden Auswertungen generiert. Die Marktplattform stellt durch die Transparenz einen wichtigen Baustein für
die Integration der Akteure in die Energiewende dar.
Prognosesysteme
Das in RegModHarz erarbeitete Gesamtkonzept basiert in wesentlichen Teilen auf
dynamischen und vorausplanenden Energiemanagementkomponenten (z.B. virtuelles Kraftwerk, BEMI). Diese Komponenten agieren dabei in zentralen Kernprozessen vorhersagegestützt. Die notwendigen Prognosen werden in RegModHarz durch
Prognoseinformationssysteme zur Verfügung gestellt, welche als energiewirtschaftliche Basisdienste modelliert wurden. Das erarbeitete Konzept der Basisdienste ermöglicht die einfache und leistungsfähige Integration von Prognosen in den relevanten Energiemanagementkomponenten, da sowohl moderne energiewirtschaftliche Standards und erarbeitete Erweiterungen, als auch serviceorientierte Architekturkonzepte verwendet wurden.
Potenziale für erneuerbare Energien im Landkreis Harz
Zum Erreichen der Klimaschutzziele ist ein weiterer Ausbau der EE notwendig. Das
gilt auch für den LK Harz, vor allem wenn man berücksichtigt, dass eine ländliche
Region wie der LK Harz in Zukunft Ballungsräume mitversorgen muss. Das Ausbaupotenzial für erneuerbare Energien liegt im LK Harz bei maximal 13,0 TWh. Dieses
Potenzial reicht aus um den gesamten Bedarf an elektrischer Energie von circa 1,3
TWh zu decken und darüber hinaus noch elektrische Energie zu exportieren. Selbst
wenn alle PKW-Nutzer im LK Harz auf Elektroautos umsteigen würden, was zu einem zusätzlichen Strombedarf von 291 GWh führen wird, und der gesamte Wärmebedarf im LK Harz von jährlich circa 2,8 TWh elektrisch gedeckt, würden die Potenziale ausreichen. Das größte Potenzial bietet die Windenergie, wobei dieses Potenzial nur erschlossen werden kann, wenn die Eignungs- und Vorrangflächen im
Landkreis Harz vergrößert werden. Hier ist die Politik gefordert, die entsprechenden
Rahmenbedingungen zu setzen.
Prognosen für erneuerbare Energien, Last, Wärme und Preise
Prognosen stellen beim Betrieb eines VK ein zentrales Element dar. Sowohl bei der
Vermarktung als auch beim Netzbetrieb sind Prognosen der Einspeisung, des Ver3
brauchs, des Wärmebedarfs aber auch Prognosen der Börsenpreise notwendig. Im
Rahmen des Projekts wurden Lastprognosen, Wärmebedarfsprognosen und räumlich hochaufgelöste Erzeugungsprognosen entwickelt. Bei Erzeugungs- und Lastprognosen handelt es sich um operationelle Prognosen für den Betrieb des VK aber
auch um historische Prognosen, die für Untersuchungen im Rahmen der Simulationen notwendig sind. Vor allem für die auf Wetterdaten basierenden Prognosen gilt:
Je kleiner das Vorhersagegebiet und je länger der Vorhersagehorizont, desto ungenauer werden die Prognosen. Innertägige Kurzfristprognosen schaffen die Möglichkeit, im Intraday-Handel die vortägige Vermarktung nach den Folgetagsprognosen
zu korrigieren.
Szenarien und Szenariendaten
Um die Herausforderung zu ermitteln, die der Umbau des Energiesystems mit sich
bringt, werden verschiedene zeitliche Phasen betrachtet. Drei Leitszenarien in RegModHarz ermöglichen die Vergleichbarkeit der Forschungsprozesse und -ergebnisse:
(1.) Referenzsituation im Jahr 2008, (2.) Annahme für das Jahr 2020 sowie (3.) Szenario einer 100%-Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Im 100%-Szenario
versorgt die Modellregion nicht ausschließlich sich selbst, sondern beteiligt sich mit
einem angemessenen Anteil an der 100%-EE-Stromversorgung Deutschlands; die
Betriebsführung der flexiblen Energieanlagen (Erzeuger, Speicher, Verbraucher)
richtet sich nach den überregionalen Großhandelspreisen. Die gewählten Szenarien
sind ein wichtiger Baustein für die Erarbeitung von zukünftigen Herausforderungen
und Lösungen bei der Energiewende.
Marktanalyse
Als Grundlage für die Entwicklung der Geschäftsmodelle waren die Marktbedingungen und Zugangsvoraussetzungen zum Strommarkt zu analysieren. Die für RegModHarz wesentlichen Großhandelsmärkte sind die Spot- und Regelleistungsmärkte.
Die Erkenntnisse aus den Analysen fließen auch in die Empfehlungen zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens mit ein. Wesentliches Kriterium für eine Beurteilung der Märkte ist, dass für die neuen Marktteilnehmer ein Marktzugang besteht und eine Refinanzierung für die fluktuierend einspeisenden Erzeuger und flexiblen Energieanlagen möglich ist. Die Stromgestehungskosten bei dem überwiegenden Anteil der EE-Erzeuger liegen noch über den Marktpreisen und sie erhielten
bis Ende 2011 eine marktpreisunabhängige feste Vergütung. Die Energiewende
wird nur dann gelingen, wenn es möglich ist, EE-Erzeuger marktorientiert und zugleich ökonomisch mit geringen Risiken zu betreiben. Um neuen Akteuren die
Marktteilnahme zu ermöglichen, muss die Transparenz der Märkte erhöht werden.
4
Direktvermarktung von erneuerbaren Energien an Großhandelsmärkten
Bei der Vermarktung von EE-Strom erfordern die besonderen Eigenschaften der jeweiligen Energieträger ein angepasstes Vorgehen. Dabei ist es entscheidend, ob es
sich um fluktuierende Erzeuger wie Windkraftanlagen oder flexible Erzeuger wie
Biogasanlagen handelt. Eine besondere Herausforderung bietet die Einsatzplanung
von Biogasanlagen, da hier der Füllungsgrad der Gas- und Wärmespeicher Grenzen
setzt. Es wurden zeitreihenbasierte Simulationsrechnungen für komplexe virtuelle
Kraftwerke und frei definierbare betriebswirtschaftliche Strategien entwickelt, die
die Entwicklung von Werkzeugen für die Marktintegration der erneuerbaren Energien ermöglichen, z.B. wurde ein Verfahren zur gleichzeitigen Optimierung der Angebote am Spot- und Regelleistungsmarkt oder auch ein Verfahren zur marktorientierten Auslegung flexibler EE-Anlagen mit KWK entwickelt. Unter den derzeitigen
Bedingungen sind keine generell neuen Geschäftsmodelle neben dem EEG wirtschaftlich.
Regionale Direktvermarktung von erneuerbaren Energien
Im Rahmen des Projekts wurde versucht, zusätzliche regionale Vermarktungsmöglichkeiten zu finden. Eine Belieferung der Haushaltskunden der Modellregion mit
dem Anlagenportfolio der Modellregion Harz gemäß Grünstromprivileg § 39 EEG
2012 war nicht wirtschaftlich darstellbar. Eine Fallstudie zur Versorgung von Haushaltskunden durch einen Windpark der Modellregion zeigte, dass auch dies in der
Regel nicht wirtschaftlich ist. Als ergänzendes zentrales Geschäftsmodell für die Beteiligung der Bürger an der Energiewende wurde im Laufe des Projekts die Beteiligung an Stromerzeugung und -vertrieb durch die Bürger der Modellregion identifiziert und untersucht. Durch das regionale Zusammenführen von Verbrauchern und
dezentralen EE-Erzeugern sowie durch intelligente Beteiligungsmöglichkeiten lässt
sich eine Beteiligung der Bürger an der Stromversorgung mit der kommunalen Daseinsvorsorge verbinden. Dies kann einen wesentlichen Faktor für die Akzeptanz
des Ausbaus der erneuerbaren Energien darstellen.
Steuerung von Biogasanlagen
Im Zuge der Energiewende hin zu einer 100%-Versorgung aus erneuerbaren und
zum Großteil fluktuierenden Energiequellen werden schnell regelbare Erzeuger zum
Ausgleich der schwankenden Einspeisung aus Wind und PV einen hohen Stellenwert
einnehmen. Im Rahmen des Projekts wurden hierzu mit Matlab Simulink Simulationen zum technischen Betrieb flexibilisierter Biogasanlagen durchgeführt. Des Weiteren wurde untersucht, wie die Anlagensteuerung und das Energiemanagement
5
erfolgen können. Für das Energiemanagement wurden mit Hilfe der Software energyPRO Betriebsfahrpläne errechnet, die zum einen die erzielbaren Markterlöse und
zum anderen die Restriktionen des flexiblen Biogasanlagensystems berücksichtigen.
Bei einer Demonstration wurden beide Simulationen miteinander gekoppelt und
das Gesamtsystem von Anlage, Anlagensteuerung und Energiemanagement präsentiert. Ebenso wurde das Simulationsmodell der Biogasanlage über die PowerBridge
direkt mit der Leitwarte des virtuellen Kraftwerks verbunden, um die Umsetzbarkeit
des Betriebs der Biogasanlage mit Einbindung in das virtuelle Kraftwerk zu untersuchen. Im zweiten Schritt erfolgte die Umsetzung an realen Biogasanlagen. Es
zeigt sich, dass die technische Umsetzung nach dem heutigen Stand der Technik
problemlos durchführbar ist. Im Rahmen eines Feldversuchs erfolgte die Direktvermarktung einer Biogasanlage entsprechend dem Marktprämienmodell am DayAhead Markt, Intradaymarkt und Day-After Markt.
Stromvertriebsstrategie Regionaler Haushaltskundentarif
Zur Untersuchung neuer Vermarktungsmöglichkeiten wurde ein Stromtarif zur direkten Belieferung der Haushaltskunden mit regional erzeugtem EE-Strom durch
die Vertriebe vor Ort konzipiert. Dabei soll nicht nur eine Energiebilanz über das
Jahr ausgeglichen, sondern das Verbrauchsprofil viertelstündlich im Portfolio gedeckt werden. Dabei wird die Wirkung der flexiblen Stromerzeugung aus Biogasund KWK-Anlagen sowie verschiedener Speichertechnologien auf das Zusammenspiel mit der volatilen Stromerzeugung untersucht. Die Verwertung von überschüssigen Energiemengen ist eine wesentliche Randbedingung für die Einsatzplanung
der Anlagen. Der Tarif bezieht die Möglichkeit der Lastverlagerung bei den Haushaltskunden mit ein.
Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag
In einem zukünftigen Energiesystem mit einem hohen Anteil fluktuierender Erzeuger ist es notwendig, auch das Flexiblitätspotenzial der Haushalte zu erschließen.
Die Verschiebung der Haushaltslasten soll durch einen preisdynamischen Tarif angereizt werden. Die Funktionsfähigkeit eines solchen Anreizsystems sollte bei einem
Feldtest nachgewiesen werden. Der Feldtesttarif orientiert sich an der Stromvertriebsstrategie „Regionaler Haushaltskundenstromtarif“ (s. Kapitel 5.1). Der Anreiz
zur Lastverschiebung erfolgt durch ein neunstufiges Bonus-Malus-System. Die Bildung der Preisstufen erfolgt anhand der prognostizierten Residuallast der Modellregion als Führungsgröße. Simulationen haben gezeigt, dass das Verhältnis zwischen
installierter Leistung von Wind und PV und durchschnittlicher Stromverbrauchsleistung einen grundlegenden Einfluss auf die Verteilung der dynamischen Bonus- und
6
Maluszeiten hat. War im Jahr 2008 noch das Verbrauchsmuster in der Modellregion
preisstufenbestimmend, so hat im 100%-Szenario das Einspeiseverhalten von Wind
und PV den überwiegenden Einfluss auf die Abfolge der Bonus- und Maluszeiten.
Das Bonus-Malus-System bietet folgenden Vorteil: Die Preisspreizung und damit der
Anreiz zur Lastverschiebung ist unabhängig von der Stromlieferung durch den Vertrieb und kann sich somit gänzlich nach dem Bedarf der Netzbetriebsführung richten.
BEMI-Feldtest
Am zweiphasigen BEMI-Feldtest nehmen 43 Haushalte teil. In der ersten Phase haben Smart Meter/MUC-Kombinationen viertelstündlich den Stromverbrauch gemessen – für die Erfassung der Stromverbrauchsgewohnheiten der Teilnehmer bei konstantem Strompreis über den Tag. In der zweiten Feldtestphase gibt der RegModHarz-Tarif mit seinen neun Preisstufen Anreize, den Stromverbrauch zu Zeiten der
Malusstufen zu vermeiden und in Zeiten der Bonusstufen zu verlagern. Die Verlagerung für zwei Hausgeräte erfolgt automatisch über das BEMI. Mithilfe des BEMI und
der RegModHarz-Marktplattform haben die Teilnehmer die Möglichkeit, ihren
Stromverbrauch und ihren virtuellen Kontostand zu analysieren.
Auswirkungen von Elektrofahrzeugen auf den Netzbetrieb
Elektrofahrzeuge mit ihren mobilen Speichersystemen versprechen ein erhebliches
Potenzial zur Lastverlagerung. Die zeitliche und räumliche Verteilung der Fahrzeuge
im virtuellen Kraftwerk hängt unter anderem von Nutzergruppe und Wochentag ab.
Auf Basis von statistischen Nutzungsszenarien wurde ein Simulationstool entwickelt, das die Zahl der Elektrofahrzeuge ermittelt, die zur Ladung bereit stehen, und
die Energiemenge, die in die Batterien der Fahrzeuge geladen werden kann. Für
das Jahr 2020 werden in der Modellregion 2780 Elektrofahrzeuge prognostiziert.
Die daraus resultierende Spitzenleistung von 10,7 MW ist verträglich mit der Kapazität des Netzes. Eine Herausforderung ist die Kopplung der Ladung der Fahrzeuge
an die Verfügbarkeit erneuerbar erzeugter Energie.
Bestandsaufname des elektrischen Netzes im Landkreis Harz
Die Herausforderungen, die durch den Ausbau der EE auf die Netze zukommen, machen neue Wege der Netzbetriebsführung notwendig. Grundlage für die Entwicklung solcher neuer Netzbetriebsführungskonzepte ist die genaue Kenntnis des Netzzustandes.
Dazu
wurden
Erzeugungszeitreihen
basierend
auf
Langzeit-
Wetterprognosen und Lastzeitreihen basierend auf Snapshot-Messungen an wichtigen Knoten (Umspannwerken) erstellt. In den zusätzlich durchgeführten Power
7
Quality-Messungen konnten mit dem Stand 2010 keine Verletzungen der Norm DIN
EN 50160 festgestellt werden. Darüber hinaus wurde ein Konzept für die Bilanzierung des Systems mittels eines virtuellen Anschlusspunktes entwickelt sowie die
RegModHarz-Leitszenarien als Grundlage für die Untersuchungen im Rahmen des
Gesamtprojekts definiert.
Auswirkungen von Versorgungsszenarien auf das elektrische Netz
Mit Hilfe von Netzsimulationen wurde ermittelt, wie sich der Zubau von EE auf das
Verteilungsnetz des LK Harz auswirkt. Dazu wurde ein Netzmodell generiert, welches über 2000 Knoten sowie über 2000 Leitungsverbindungen beinhaltet und die
Spannungsebenen 10, 15, 20, 30 sowie 110 kV umfasst. Im nächsten Schritt wurde
dieses in eine professionelle Simulationsumgebung überführt. Die Simulation
ergab, dass der im Szenario für 2020 angenommene Zubau von EE vom Netz verkraftet werden kann. Bei dem Einsatz von Freileitungsmonitoring könnte das untersuchte Verteilungsnetz (n-1)-sicher betrieben werden. Elektrofahrzeuge haben
hinsichtlich ihrer Batterieladung in dem angenommenen Durchdringungsgrad von
2.780 Fahrzeugen (Jahr 2020) im LK Harz keinen wesentlichen Einfluss auf die Stabilität des elektrischen MS/HS-Netzes. Die resultierende Nichtverfügbarkeit des Netzes liegt im bundesdeutschen Durchschnitt. Durch den für 2020 angenommen Zubau würde sie sich erhöhen. Das kann durch Reduzieren der Schaltzeiten kompensiert werden.
Feldtest mit Phasor Measurement Units
Phasor Measurement Units (PMU) ermöglichen sowohl die GPS-genaue Erfassung
von Spannungsbeträgen und –winkeln sowie Strombeträgen und –winkeln als auch
die Erfassung der Netzfrequenz. Dies ist eine Grundlage zur präzisen Erfassung des
Netzzustandes. In einem Feldtest wurde erprobt, inwieweit PMU zur Netzbetriebsführung beitragen können. Im Hochspannungsverteilungsnetz der E.ON Avacon AG
wurden zehn PMU an ausgewählten Standorten installiert. Zur Übermittlung der
Messdaten wurde eine Kommunikationsinfrastruktur zur sicheren Messdatenerfassung, -visualisierung und -speicherung entwickelt. Zur Visualisierung der
momentanen PMU-Messdaten ist eine Visualisierungssoftware erarbeitet worden,
die mit drei Autorisierungsgraden den Zugriff auf die Darstellung unterschiedlicher
Messdaten erlaubt. Es erfolgte eine Optimierung des Messsystems, in dem die Messdatenverarbeitung und -visualisierung durch die Software „Siguard PDP“ parallel
realisiert wurde. Mit dem Feldtest wurde nachgewiesen, dass eine OnlineMessdatenerfassung synchronisierter Messwerte im 110 kV–Netz möglich ist, welche
einerseits mit Hilfe einer Datenbank zur weiteren Netzzustandsberechnung nutzbar
8
sind und dem virtuellen Kraftwerk aktuelle Informationen zum Lastfluss zur Verfügung stellen können.
Übertragung der Netzuntersuchungen auf andere Regionen
Die Zuverlässigkeit elektrischer Netze wird hauptsächlich durch den Vermaschungsgrad und Automatisierungsgrad beeinflusst, daher sind die Ergebnisse aus bestimmten Netzen nicht direkt auf andere Netze übertragbar. Der Einfluss der erneuerbaren Energien auf die Zuverlässigkeit eines Netzes muss gesondert und unter
Berücksichtigung der vorherrschenden Topologie für jedes Energienetz individuell
analysiert werden. Dieses Ergebnis wurde im Vergleich der Versorgungssituation
innerhalb eines Ballungsgebiets, eines ländlichen und städtischen Netzes, unter
Variation der Einfluss nehmenden dezentralen Erzeugungsanlagen an einem
Benchmarknetz ermittelt. Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien verschlechtert
generell (ohne Betrachtung des Inselbetriebs mit Speichertechnologien) die Zuverlässigkeit, wenn die Betriebsmittel nicht an die veränderten Bedingungen angepasst werden.
Empfehlungen zur Anpassung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
Zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende ist eine weitere Verbesserung der
Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien notwendig. Dabei muss
darauf geachtet werden, dass die notwendige Rechts- und Investitionssicherheit
für die jeweiligen Akteure gewahrt wird. Auf Basis der in RegModHarz untersuchten
Geschäftsmodelle sind Empfehlungen zur Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Märkte erarbeitet worden. Die Empfehlungen zielen auf
eine verbesserte Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien ab. Es
zeigt sich, dass die bisherigen Marktbedingungen auf die konventionelle Energieerzeugung abgestimmt sind und eine umfangreiche Markttransformation notwendig
wird. Zukünftig werden sich die Marktmechanismen an den dezentralen und fluktuierenden Erzeugern ausrichten müssen.
9
2 Projektziele und –struktur
2.1 Ausgangspunkt, Motivation
Die Elektrizitätswirtschaft ist im Umbruch begriffen. Die endlichen Ressourcen fossiler Energieträger, der Klimawandel und die Gefahren der Atomenergie machen einen Umstieg auf erneuerbare Energien unabwendbar. Bei erneuerbaren Energien
handelt es sich größtenteils um dezentrale Anlagen, oftmals mit einem fluktuierenden Einspeiseverhalten. Diese Eigenschaften stellen neue Herausforderungen an die
Elektrizitätswirtschaft.
Für diese Herausforderungen sollten im Rahmen der Förderinitiative „E-Energy –
IKT basiertes Energiesystem der Zukunft“ Lösungen gefunden werden. Die Lösungen
lagen dabei in der Entwicklung von Geschäftsmodellen und Technologien für ein
„Internet der Energie“ bzw. Smart Grid. Smart Grid steht für die Zusammenführung
von elektrischen Erzeugern, Verbrauchern, Speichern und Netzen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie, wodurch die Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit der Stromversorgung erhöht werden
soll.
Die Regenerative Modellregion Harz (RegModHarz) ist eines von sechs Forschungsprojekten im Rahmen der Förderinitiative E-Energy des BMWi und des BMU. Der
Schwerpunkt des vom BMU geförderten Projekts RegModHarz lag auf der Integration
der erneuerbaren Energien. Hierfür bietet sich der Landkreis Harz besonders an, da
der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in der Region ungefähr doppelt so hoch ist als im Bundesdurchschnitt.
2.2 Ziele
Das übergeordnete Ziel war es, zu zeigen, dass durch die Koordination von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch mit einem maximalen Anteil erneuerbarer Energieträger eine stabile, zuverlässige und verbrauchernahe Versorgung mit elektrischer Energie möglich ist.
Darunter gab es drei Leitziele, die sich an dem energiepolitischen Dreieck orientierten. Das energiepolitische Dreieck besteht aus den Aspekten Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit. Die drei Leitziele, die im Folgenden
beschrieben werden, finden sich auch in der Systemarchitektur wieder.
10
Märkte
VK Harz
Lieferanten
Netzbetreiber
Abbildung 1: Systemarchitektur des Projekts RegModHarz
Aufbau einer funktionsfähigen Leitstelle zur Steuerung des virtuellen Kraftwerks
Harz
Virtuelle Kraftwerke bestehen aus einer Zusammenschaltung verschiedener dezentraler Energieeinheiten, wie Biogasanlagen oder Windkraftanlagen, die zentral von
einer Leitstelle aus überwacht und gesteuert werden. Auch die Bereitstellung von
Prognosen der volatilen Erzeuger erfolgt über die Leitstelle. Virtuelle Kraftwerke erleichtern die Markt- und Netzintegration von dezentralen Energieeinheiten. Über
die Leitstelle des virtuellen Kraftwerks Harz (VK Harz) wurden einzelne Betriebsführungskonzepte realisiert, indem die angeschlossenen Anlagen über die Leitstelle
gesteuert wurden. An das VK Harz wurden nur Anlagen angeschlossen, deren
Wirkleistung zentral über die Leitstelle gesteuert werden konnte, wie z.B. Biogasanlagen, eine Brennstoffzelle oder ein Windpark.
Vermarktung des im VK Harz erzeugten Stroms
In Simulationen wurde die Vermarktung des im virtuellen Kraftwerk Harz erzeugten
Stroms untersucht. Ein Schwerpunkt lag dabei auf den verschiedenen Direktvermarktungsmodellen im EEG, die u.a. eine Vermarktung des Stroms an der deutschen Strombörse (EPEX) und an den Regelleistungsmärkten erlauben. Weiterhin
wurde ein regionaler, innovativer Stromtarif konzipiert, dessen dynamischer Strompreis sich an der Vortagsprognose der Residuallast im Landkreis Harz orientiert. Der
regionale Strom wird dabei aus erneuerbaren Anlagen im VK Harz erzeugt und von
den Lieferanten eingekauft, die diesen Strom an ihre Kunden weitergeben. Hierbei
ist wichtig, dass die Kunden der Lieferanten nicht zentral in ihrem Verbrauchsver11
halten gesteuert werden können, sondern nur über Anreize, wie preisdynamische
Tarife, zu einem bestimmten Verbrauchsverhalten angeregt werden können. Dieser
Tarif wurde für 43 Testhaushalte im Landkreis Harz in einem Feldtest erprobt.
Haushaltskunden, die zu preisgünstigen Zeiten Strom beziehen, verwenden einen
hohen Anteil Strom aus erneuerbaren Energien.
Netzmonitoring und Systemdienstleistungen zur Unterstützung des Netzbetriebs
Durch ein verbessertes Netzmonitoring im Verteilnetzbereich können die Netze sicherer und wirtschaftlicher betrieben werden. Hierzu wurden im Landkreis zehn
Phasor Measurement Units (PMU) installiert. Dadurch konnten zeitlich synchronisierte und hochpräzise Messungen durchgeführt werden, die auf den Netzzustand
schließen lassen und somit den Netzbetreiber bei der Betriebsführung der Netze
unterstützen. Des Weiteren wurde untersucht, wie dezentrale Energieeinheiten Systemdienstleistungen, wie z.B. Regelleistung, bereitstellen können.
2.3 Projektstruktur und Veröffentlichungskonzept
2.3.1 Projektphasen
Das Projekt gliedert sich in fünf Phasen, die logisch aufeinander folgen. Weil ein
Abarbeiten dieser Phasen der Reihe nach zu lange dauern würde, aber auch weil es
Rückwirkung späterer Phasen auf vorhergehende gibt, überlappen sich die Phasen.
So kann es sich z.B. bei den Simulationen herausstellen, dass die Konzepte nicht
hinreichen und nochmals angepasst werden müssen.
1. Problemanalyse, Technologiebeschreibung, Konzeptentwicklung: Zunächst
wurden in Zusammenarbeit mit den Partnern die Projektziele (s. Kapitel 2.2)
konkretisiert. Grundlage für die Erarbeitung der Konzepte bildete eine umfassende Analyse der gegenwärtigen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen und des Standes der Technik. Es wurde darauf geachtet, Konzepte zu
entwickeln, die nicht rein technikgetrieben sind, sondern die sich auch innerhalb der gegenwärtigen und vorauszusehenden Bedingungen umsetzen
lassen. In diese Phase fällt auch das Zusammentragen und Aufbereiten der
Daten und die Erstellung von für alle Partner grundlegenden Szenarien, den
so genannten Leitszenarien (s. Kapitel 4.3). Hier wurde auch die RegModHarz-Architektur entworfen (s. Kapitel 2.4).
2. Modellbildung und Simulation: In dieser Phase ging es darum, Rechenmodelle von verschiedenen Teilen des Energieversorgungssystems zu bilden.
Das betrifft neben den elektrischen Netzen (s. Kapitel 6.2) des Landkreises
Harz auch verschiedene Erzeuger, Verbraucher und Speicher und deren Interaktion mit den Märkten (s. Kapitel 4.5). Die Simulationen dienten sowohl
12
dazu, die in der ersten Phase erarbeiteten Konzepte zu verifizieren, als auch
als Grundlage für die Demonstrationen und Feldversuche (s. Kapitel 2.3.3).
3. Softwareentwicklung und Implementierung: In der dritten Phase wurden
die in den ersten Phasen entwickelten und verifizierten Konzepte umgesetzt.
Es wurde die Software des virtuellen Kraftwerks (s. Kapitel 3.1) und die Anbindung verschiedener Anlagen entwickelt, implementiert, getestet und integriert. Für die Feldtests mit den BEMI (s. Kapitel 5.2) und den PMU (s. Kapitel 6.1.1) wurden außerdem die technischen Vorrichtungen installiert,
konfiguriert und in Betrieb gesetzt.
4. Verifikation, Demonstration, Pilotphase: Diese Phase beinhaltet die Durchführung der Feldtests zu BEMI, PMU und virtuellem Kraftwerk. Daneben wurden ausgewählte Projektergebnisse in Form von ShowCases (s. Kapitel 2.3.3)
bei Messeauftritten und anderen Veranstaltungen auf anschauliche Art präsentiert.
5. Ergebnisauswertung, Analyse und Schlussfolgerungen: Bereits von einer
recht frühen Projektphase an wurden immer wieder Workshops durchgeführt, um die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse des Projekts herauszuarbeiten. Die Ergebnisse dieser Phase sind die Infoblattbroschüre
(RegModHarz, 2012b), der Abschlussbericht und vor allem die darin enthaltenen Empfehlungen (s. Kapitel 7.1).
2.3.2 Veröffentlichungskonzept
Das im Rahmen dieses Projekts entwickelte und umgesetzte Veröffentlichungskonzept identifizierte vier Zielgruppen:
1. Wissenschaftsgemeinschaft: Neben Wissenschaftlern im In- und Ausland,
die sich auf ähnlichem Gebiet bewegen, fallen hierunter auch die Wissenschaftler in den eigenen Häusern.
2. Verwerter: Hierbei handelt es sich um Personen oder Institutionen, die für
die Verwertung der Projektergebnisse notwendig sind; d.h. zum einen potenzielle Partner, mit denen Projektergebnisse zur Produktreife entwickelt
werden können, oder potenzielle Kunden für die aus den Projektergebnissen
entstehenden Produkte und Dienstleistungen.
3. Öffentlichkeit: Da das Projekt aus öffentlichen Mitteln gefördert wurde und
einen starken regionalen Bezug hatte, wurden auch die allgemeine Öffentlichkeit und besonders die Einwohner des Landkreises Harz im Veröffentlichungskonzept berücksichtigt. Dabei wurde von einem technisch Interessierten mit gewissen Vorkenntnissen, etwa auf Abiturniveau, ausgegangen.
4. Fördergeber: Bei dieser Zielgruppe handelt es sich neben den direkt beteiligten Ministerien BMU und BMWi sowie dem Projektträger PtJ auch um wei13
tere Politiker, die an der Vergabe von Forschungsmitteln beteiligt sind. Bei
dieser Zielgruppe ging es vor allem darum zu zeigen, dass die Mittel sachund fachgerecht eingesetzt wurden.
W
V
Ö
F
Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften
x
Teilnahme wissenschaftliche Kongresse im In- und Ausland
x
x
Teilnahme an Fachgruppen der Begleitforschung
x
x
Teilnahme an E-Energy-Jahreskongressen
x
x
x
x
ShowCases (s. Kapitel 2.3.3)
x
x
x
Messen
x
x
x
Marktplattform
x
x
x
Fachkongresse
x
Projektwebseite
x
x
x
Broschüre mit allgemeiner Beschreibung des Projekts
x
x
x
Infoblätter und die daraus produzierte Abschlussbroschüre
x
Veranstaltungen (Auftakt-, Halbzeit-, Abschlusstreffen)
x
x
x
x
Arbeitspaketberichte
x
x
Abschlussbericht
x
x
Zwischenberichte gemäß Nebenbestimmungen der Zuwendung
Kontaktstelle im Landkreis Harz
x
x
x
Tabelle 1: Differenzierte Ansprache der Zielgruppen (W = Wissenschaftsgemeinschaft, V =
Verwerter, Ö = Öffentlichkeit, F = Fördergeber)
Die Begleitforschung hat Fachgruppen eingerichtet, bei der sich Vertreter der EEnergy-Projekte zu verschiedenen Themen austauschen. Dabei handelt es sich um
folgende Themen:

Systemarchitektur

Interoperabilität

Recht

Marktentfaltung
Neben diesem fachlichen Austausch war es auch Aufgabe der Begleitforschung, Projektergebnisse an eine breite Öffentlichkeit zu bringen. Dies geschah in Form von
14
Jahreskongressen, die sich vor allem an Politik und Entscheidungsträger richteten,
und Messeauftritten, bei denen neben den Ergebnissen der E-Energy-Projekte
weitere Institute und Unternehmen präsent waren.
Die Projektwebseite (http://www.regmodharz.de/) diente in erster Linie dazu, das
Projekt für eine breite Öffentlichkeit zu präsentieren. Neben einer einfachen Beschreibung des Projekts und der Präsentation der Partner werden vor allem Projektergebnisse in allgemein verständlicher Form zur Verfügung gestellt. Neben verschiedenen Medien (Filme, Bilder, Präsentationen, Broschüre) werden auch die
Kurzzusammenfassungen der Arbeitspakete und Infoblätter veröffentlicht.
Bei den Infoblättern handelt es sich um die Darstellung verschiedener, für das Projekt relevanter Themen. Diese Themen werden von den verschiedenen Partnern in
allgemein verständlicher Form auf einer Seite dargestellt. Zum Projektende werden
diese Infoblätter zusammen mit einer Projektbeschreibung und den wesentlichen
Projektergebnissen zu einer Broschüre verarbeitet, die die Projektinhalte für den
interessierten Laien zugänglich macht.
2.3.3 Demonstrationsvorhaben
In der Demonstrationsphase sollen verschiedene Aspekte unseres zukünftigen Energiesystems auf anschauliche Art präsentiert werden. Die Möglichkeit, sich diese Demonstrationsvorhaben anzusehen, besteht bei folgenden Gelegenheiten:
Transparenz durch eine internetbasierte Marktplattform
Auf einer Webseite können die Akteure und Verbraucher des Landkreises Harz verschiedene Informationen erhalten und auswerten. Dabei handelt es sich z.B. um
die aktuelle und historische Erzeugung je Anlagentyp und den Verbrauch in der
Modellregion. Außerdem können Kunden in einem nur für sie zugänglichen Bereich
ihren Verbrauch ansehen und analysieren. Daneben wird auch darüber informiert,
wie man mit Lastverschiebung im Haushalt die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Anlagen besser nutzen kann, z.B. mit Hilfe des „Innovativen regionalen
Stromtarif aus erneuerbaren Energien“, bei dem man einen flexiblen Tarif erhält,
der von Anlagen aus der Region erzeugt wird.
Steuerung von erneuerbaren Erzeugern von einer Leitwarte
Verschiedene Erzeuger im Landkreis Harz werden mit Hilfe von Kommunikationstechnik zu einem sogenannten virtuellen Kraftwerk verbunden. Auf diese Weise
können sie von einer zentralen Leitwarte aus gesteuert werden. Damit ergeben sich
neue Möglichkeiten, die Anlagen als Gesamtheit zu überwachen und zu steuern.
15
Mit der Leitwarte sollen verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten für erneuerbaren
Strom gezeigt werden, z.B. die Bereitstellung von regionalem erneuerbarem Strom
oder wie man mit Hilfe von Prognosen der Stromerzeugung aus Wind und Sonne
erneuerbare Energie an überregionalen Märkten verkaufen kann.
Mehr Informationen über das elektrische Netz durch Phasor Measurement Units
Das elektrische Netz wurde ursprünglich ausgelegt, um den Strom von großen zentralen Kraftwerken zum Verbraucher zu befördern. Durch die Zunahme von erneuerbaren Erzeugern wird der Strom von vielen kleinen Anlagen produziert, das Netz
wird auf andere Weise verwendet als ursprünglich vorgesehen. Das stellt die Netzbetreiber vor neue Herausforderungen. Es soll eine Möglichkeit gezeigt werden, wie
man durch den Einsatz neuartiger Messgeräte, den so genannten Phasor Measurement Units (PMU), den Netzzustand besser erfassen kann. Dazu werden einige PMU
im Netz verteilt angebracht. Die Messwerte werden mit Hilfe von GPS (Global Positioning System) exakt synchronisiert, d.h. sie werden auf die Mikrosekunde genau
zur gleichen Zeit abgelesen. Dadurch kann unter anderem ermittelt werden, in
welche Richtung der Strom im elektrischen Netz fließt.
Dynamische Einbindung dezentraler Energieanlagen
In Zukunft wird es notwendig sein, die vielen kleinen Stromerzeuger wie Windturbinen oder PV-Anlagen zu überwachen und zu steuern. Da es sich um sehr viele
Anlagen handelt, kann man das nicht für jede Anlage individuell tun. Dazu wurde
im Projekt ein Gerät entwickelt, mit dem man Anlagen jeder Zeit an ein virtuelles
Kraftwerk anschließen kann. Dabei ist wichtig, dass die kommunikationstechnische
Anbindung der Anlagen möglichst einfach und einheitlich ist (Plug & Play). Damit
ist gewährleistet, dass die Anlagen auf kostengünstige und einfache Weise angeschlossen werden können und dass auch die Geräte unterschiedlicher Hersteller
miteinander kommunizieren können. Grundvoraussetzung dabei ist es, dass die
neuesten Sicherheitsvorkehrungen berücksichtigt werden. So muss zum Beispiel
sichergestellt werden, dass niemand die Kommunikation abhören oder gar stören
kann. Man muss sich darauf verlassen können, dass der Partner, mit dem man
kommuniziert, auch der ist, für den er sich ausgibt, und es muss sichergestellt werden, dass technische Störungen der Kommunikationsverbindung nicht den Betrieb
des virtuellen Kraftwerks gefährden.
Flexible Stromproduktion mit Biogasanlage
Im Gegensatz zu elektrischer Energie aus Wind- und PV-Anlagen kann die Stromproduktion von Biogasanlagen gesteuert werden. Das ist wichtig, um die Versorgung der Verbraucher bei einer 100%-Energieversorgung durch erneuerbare Energien sicherzustellen. So ist es aufgrund der höheren Stromgestehungskosten bei
16
Biogasanlagen im Vergleich zu Windkraftanlagen nicht sinnvoll, Biogasanlagen laufen zu lassen, wenn sich ohnehin viel Strom aus Windkraft im Netz befindet. Besser
ist es, die Biomasse, die man zur Gaserzeugung verwendet, für Zeiten mit wenig
Wind- und Sonnenstrom aufzuheben.
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann die Anlage mit einem zusätzlichem
Gasspeicher und einem zusätzlichen Motor zur Stromerzeugung ausrüsten. Dadurch
hat man die Möglichkeit, den Motor für einige Stunden abzustellen. Das in der Zwischenzeit angesammelte Gas kann man dann später mit erhöhter Leistung in Strom
umwandeln und die Stromproduktion bedarfsorientiert durchführen. Je nach Bedarfsprofil der ausgekoppelten Wärme wird zudem ein Wärmespeicher erforderlich.
Man kann aber auch die Gasproduktion selbst steuern. Je nachdem welche Stoffe
man in welchen Mengen in den Fermenter gibt, kann die produzierte Gasmenge
erhöht oder verringert werden. So kann man z.B. mit der Zugabe von leicht abbaubaren Substraten, wie Zuckerrübenschnitzeln, Fetten, Zucker oder Weizenschrot die
Gasproduktion innerhalb von einer Stunde um bis zu 1,9 % der BiogasanlagenNennleistung erhöhen. Hierdurch ließen sich die Einspeiseschwankungen im Wochenverlauf, aber auch saisonale Schwankungen ausgleichen.
Die Wirtschaftlichkeit der Flexibilisierung von Biogasanlagen wurde im Rahmen von
Simulationen für eine Biogasanlage im Harz entsprechend dem Marktprämienmodell in Kombination mit der Flexibilitätsprämie untersucht.
Elektrofahrzeuge laden Energie aus lokaler erneuerbarer Erzeugung
Elektrofahrzeuge haben anstelle eines Tanks mit Benzin eine Batterie als Energiespeicher. Diesen Speicher kann man verwenden, um erneuerbaren Strom optimal
zu nutzen. Die Zeit in der die Fahrzeuge nicht bewegt werden, z.B. nachts, kann zur
Lastverschiebung genutzt werden. Das Fahrzeug wird nicht unmittelbar nach Anschluss an die Steckdose geladen, sondern dann, wenn z.B. viel Windstrom vorhanden ist. Gesteuert wird dies über den Preis für den Strom: Ist viel Strom vorhanden und/oder es wird wenig verbraucht, so ist der Preis niedrig und umgekehrt. Mit
Hilfe von Prognosen kann so ausgerechnet werden, wann der günstigste Zeitpunkt
zum Laden des Fahrzeugs ist. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass das
Fahrzeug auch vollständig geladen ist, wenn es am nächsten Morgen gebraucht
wird.
Haushaltsfeldtest
Der Anteil des Haushaltsstromverbrauchs am Gesamtstromverbrauch in Deutschland
beträgt ca. 25 % (VDE, 2012). Um im Haushalt Lastverschiebungspotenziale zu he-
17
ben, werden Feldtesthaushalten ein preisdynamischer Tarif und ein Energiemanagementsystem zur automatischen Ansteuerung von Hausgeräten zur Verfügung gestellt. Vorab wird bereits das bisherige Stromverbrauchsverhalten bei konstantem Stromtarif erfasst.
Während des Feldtests werden Daten gesammelt und die Teilnehmer zu ihren Erfahrungen befragt, um das Potenzial und die Umsetzbarkeit von Lastmanagement
im Haushalt sowie Verbesserungen angeben zu können.
VK-Feldversuch
Virtuelle Kraftwerke überwachen und steuern dezentrale Energieanlagen, um eine
vorgegebene Last zu decken und/oder eine möglichst vorteilhafte Vermarktung zu
realisieren. Hierfür werden die verbundenen Anlagen auf Basis ihrer Eigenschaften
und Kosten bestmöglich miteinander kombiniert. Das Energiemanagement greift
hierbei permanent auf Onlinedaten der Anlagen zu, um optimal auf Änderungen im
Anlagenportfolio reagieren zu können. Dies ermöglicht es, z.B. auf Anlagenausfälle
zu reagieren, indem sofort andere Anlagen entsprechend hochgeregelt werden.
Für die Realisierung dieses Konzepts bedarf es einer Softwarearchitektur, die rund
um die Uhr zur Verfügung steht, um jederzeit die Überwachung sowie eine optimale
Steuerung und Vermarktung sicherzustellen. Der Feldversuch des virtuellen Kraftwerks adressiert genau diese Anforderung. Mit der im Projekt RegModHarz entwickelten Softwarearchitektur wurde über einen Zeitraum von mehreren Monaten der
dauerhafte Online-Betrieb eines Kombikraftwerks realisiert (s. Kapitel 3.1.5).
2.4 RegModHarz-Architektur
Aufbauend auf den Projektzielen und den aktuellen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurde die RegModHarz-Architektur entwickelt. Die Architektur
und die darin enthaltenen Rollen orientieren sich an den bestehenden energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus wurden auch neue Rollen
definiert (z.B. Poolkoordinator), denen in einer zunehmend dezentralen und fluktuierenden Stromversorgung voraussichtlich eine besondere Bedeutung zukommen
wird.
18
Betreiber
Marktplattform
Betreiber
Regelleistungsmarkt
Betreiber
EPEX Spotmarkt
Märkte
Poolkoordinator
EnergieAM
Lieferant
Pooling
Betreiber
steuerbarer DEE
Betreiber indirekt
steuerbarer DEE
Anlagen
Verteilnetzbetreiber
Übertragungsnetzbetreiber
REH
VK Harz
Netz
Abbildung 2: Darstellung der RegModHarz-Architektur. Abgebildet sind die Rollen, die in vier
Ebenen (Märkte, Pooling, Anlagen und Netz) eingeteilt sind.
Der Betreiber des EPEX Spotmarktes gehört zur ersten Ebene Märkte. Dieser betreibt
den Day-Ahead- und Intraday-Markt. Der Betreiber des Regelleistungsmarkts gehört ebenfalls zu dieser Ebene. Er betreibt die Märkte für die verschiedenen Regelleistungsarten. Die letzte Rolle in dieser Ebene ist der Betreiber der Marktplattform.
Diese Rolle wurde speziell für das Projekt entwickelt, da der Betreiber der Marktplattform die RegModHarz Marktplattform betreibt, die u.a. Transparenzinformationen zur Stromversorgung im LK Harz bereitstellt.
Auf der zweiten Ebene Pooling befindet sich zum einen der Lieferant. Der Lieferant
ist für den Vertrieb von Elektrizität zuständig. Zum anderen befinden sich der
Poolkoordinator und der Energieanlagenmanager auf dieser Ebene. Beide Rollen
wurden für das RegModHarz Projekt neu konzipiert. Der Energieanlagenmanager
betreibt die Leitwarte, über die die dezentralen Energieeinheiten (DEE) gesteuert
und überwacht werden. Der Poolkoordinator ist der Stromhändler, der Angebote
erstellt und darauf aufbauend Fahrpläne für die DEE ermittelt. Der Poolkoordinator
und der Energieanlagenmanager sind in einem Kästchen dargestellt, da sie zusammen ein virtuelles Kraftwerk (VK) betreiben können und auch in Personalunion als
VK-Betreiber auftreten können. Eine Besonderheit der RegModHarz Architektur ist,
dass an das VK bzw. den Energieanlagenmanager nur direkt steuerbare DEE angeschlossen werden können. Steuerbare DEE sind Einheiten, bei denen der Betreiber
die Kontrolle über die Wirk- und Blindleistungssteuerung an einen Dritten abgibt.
Diese Einheiten können somit direkt vom VK bzw. Energieanlagenmanager gesteuert werden. Bei indirekt steuerbaren DEE steuert der Betreiber die Wirk- und Blindleistung. Durch Anreizsysteme, wie z.B. preisdynamische Tarife, kann der Betreiber
19
jedoch beeinflusst werden. Die indirekte Steuerung über Anreizsysteme ist eine
Kompetenz des Lieferanten, die direkte Steuerung ist hingegen eine Aufgabe des
VK.
Auf der dritten Ebene befinden sich die Betreiber indirekt steuerbarer DEE und Betreiber steuerbarer DEE. Warum diese Unterscheidung getroffen wurde, wurde bereits im vorherigen Absatz erläutert.
Auf der letzten Ebene Netz befinden sich der Übertragungsnetzbetreiber und der
Verteilnetzbetreiber. Diese sind für den Betrieb, die Wartung und den erforderlichen Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze verantwortlich.
Des Weiteren gibt es Rollen, die für das Projekt wichtig sind, die hier jedoch nicht
abgebildet sind. Hierzu zählen u.a. die Prognosedienstleister, die Prognosen für die
Windstromerzeugung oder die Last bereitstellen.
20
3 Informations- und Kommunikationstechnik
3.1 Virtuelles Kraftwerk
3.1.1 Das virtuelle Kraftwerk im Kontext des Gesamtsystems
Das virtuelle Kraftwerk (VK) bzw. (Virtual Power Plant) besteht aus einer zentralen
Serveranwendung, Datenbank und grafischen Benutzeroberfläche (Leitwarte). Über
eine Kommunikationsinfrastruktur ist das virtuelle Kraftwerk mit einer Vielzahl von
Energieanlagen verbunden (siehe Abbildung 3). Die Prognosen (Erzeugung, Last,
Preise) werden durch externe Prognoseanbieter der Leitwarte zur Verfügung gestellt. Im virtuellen Kraftwerk erfolgt die Verwaltung der eingehenden und ausgehenden Daten und die Einsatzplanung für alle angeschlossenen Energieanlagen.
Die grafische Benutzeroberfläche der Leitwarte (VPP-Frontend) ist über webbasierte
Techniken mit dem VPP-Backend verbunden. Der Datenaustausch zwischen Backend und Frontend erfolgt über den Standard IEC 61970, ergänzt um proprietäre
Datenformate. Damit können von einer beliebigen, vom Backend räumlich getrennten, Arbeitsstation aus alle Funktionalitäten zur Einbindung, Überwachung
und Einsatzplanung der Anlagen aufgerufen werden.
Abbildung 3: Virtuelles Kraftwerk und wesentliche Kommunikationspartner
3.1.2 Architektur der Software des virtuellen Kraftwerks
Die grundlegende Gestaltung der Software des virtuellen Kraftwerks wird gemäß
dem
Model-View-Controller-Architekturmuster
(Modell-Präsentation-Steuerung)
als klassische Drei-Schichten-Architektur realisiert. Diese Schichten und ihre beinhalteten Komponenten werden im Folgenden vorgestellt:
21
Abbildung 4: Virtuelles Kraftwerk und wesentliche Kommunikationspartner
Die Präsentationsschicht (View) enthält die Leitwarte (VPP-Frontend) des virtuellen
Kraftwerks, welche die Benutzerinteraktionen mit dem Energieanlagenmanager
und dem Poolkoordinator sowie die grafische Darstellung der Daten übernimmt.
Hierbei können mehrere der JavaFX-Instanzen parallel mit dem zentralen Datenbus
des virtuellen Kraftwerks kommunizieren.
Die Anwendungsschicht (Controller) beinhaltet das VPP-Backend, welches die Geschäftslogik und Datenverarbeitung des virtuellen Kraftwerks enthält. Als technologische Basis der Komponente wurde Java EE verwendet, da diese Plattform ein
Standard-Framework für verteilte Mehrschichtanwendungen ist. Alle dort enthaltenen Komponenten, mit Ausnahme des zentralen Datenbusses, können aufgrund
ihrer Funktionalitäten den entsprechenden Aufgaben der Rollen Poolkoordinator
oder Energieanlagenmanager zugeordnet werden (siehe Abbildung 4):

22
Die Anlagenüberwachung/steuerungs-Client (DER Monitor/Control Client) ist
für das Versenden der Fahrpläne an die dezentralen Energieanlagen und das
Erfassen der zu überwachenden Daten zuständig. Die externe Kommunikation erfolgt per SOAP Webservice. Grundlage hierfür ist die WebserviceMapping der IEC 61400-25-4 auf Basis des Datenmodells IEC 61850. In der
Architektur des virtuellen Kraftwerks kann eine beliebige Anzahl von Instanzen dieser Komponente gleichzeitig existieren. Dies ermöglicht eine hervor-
ragende Skalierbarkeit der Anwendung bezüglich der Einbindung von erneuerbaren Erzeugern, Speichern und Verbrauchern.

Das Anlagenregistrierungs-System (DER Registration System) ist dafür zuständig, das virtuelle Kraftwerk bei der EBXML Registry anzumelden (Suscription). Nach erfolgter Anmeldung kann auf Verbindungsdaten der Anlagen,
die sich ebenfalls bei der Registry anmelden müssen, zugegriffen werden.
Bei einer neuen De-/Registrierung von Anlagen wird diese Komponente von
der EBXML Registry informiert. Die Kommunikation erfolgt per SOAP Webservice.

Über das Anlageninformationssystem (DER Information System) kann das
virtuelle Kraftwerk externen Komponenten, wie z.B. Prognosesystemen, anlagenspezifische Informationen, wie gemittelte Leistungsmesswerte aller
angeschlossenen Anlagen, zur Verfügung stellen. Diese werden unter anderem für Windleistungskurzfristprognosen benötigt. Die Kommunikation erfolgt per SOAP Webservice.

Auf Grundlage der an den Strommärkten angenommenen Gebote, sowie
zwischenzeitlich aktualisierter Prognosen und eventuellen Störungsmeldungen einzelner Anlagen werden vom Anlagenfahrplanmanagement (DER
Schedule Management) die Berechnungen der Fahrpläne initiiert und überwacht.

Das Energiemanagement (Energy Management) ermittelt auf Grundlage von
Erzeugungs-, Verbrauchs- und Preisprognosen sowie den technischen
Randbedingungen, wie z.B. Speichergrößen, Wirkungsgraden, Anfahrverhalten und Grenzkosten der angeschlossenen Anlagen und Speicher, auf Basis
einer gemischt-ganzzahligen linearen Optimierung Fahrpläne für alle einzelnen Anlagen und stellt diese dem Anlagenfahrplanmanagement und dem
Handelsmanagement zur Verfügung. Hierbei wird eine weitere OptimiererKomponente (Optimizer) benötigt.

Das Handelsmanagement (Trading Management) ermittelt auf Grundlage
der vom Energiemanagement berechneten Fahrpläne Gebote für die Strommärkte. Pro Stromprodukt kann ein eigenes Energiemanagement verwendet
werden.

Der Marktanbindungs-Client (Market Client) stellt sicher, dass vom Handelsmanagement erstellte Angebote auf dem jeweiligen Markt eingereicht
werden und informiert sich anschließend über ausgeführte Gebote. Im virtuellen Kraftwerk wurde diese Komponente nicht benötigt, da kein realer
Energiehandel vorgesehen war.
23

Der Prognose-Client (Forecast Client) stellt dem virtuellen Kraftwerk verschiedene Arten von Leistungsprognosen und Preisprognosen zur Verfügung,
indem er diese bei externen Prognosedienstleistern nachfragt. Diese umfassen unter anderem die Photovoltaik- und Windleistungsprognose für die an
das virtuelle Kraftwerk angeschlossenen Anlagen. Die Zuordnung von Prognosen zu angeschlossenen Anlagen erfolgte noch nicht vollständig automatisch. Die Kommunikation wurde per SOAP Webservice umgesetzt.

Der zentrale Datenbus (Data-Bus) des virtuellen Kraftwerks stellt allen Komponenten ihre jeweils benötigten Daten zur Verfügung. Die lose Kopplung
der Komponenten gewährleistet eine gute Erweiterbarkeit, Modularisierung
und Skalierbarkeit des Gesamtsystems.
In der Datenhaltungsschicht (Model) wurde im Projekt eine zentrale Datenbank
verwendet. Dabei handelt es sich um die relationale Datenbank ORACLE 11g.
3.1.3 Leitwarte
Abbildung 5: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Topologie
24
Abbildung 6: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Vermarktung
Abbildung 7: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Meldungen
25
Abbildung 8: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Übersicht
Die grundlegende Architektur des virtuellen Kraftwerks wurde in Kapitel 2.4 bereits
beschrieben. Die Leitwarte (VPP-Frontend) ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle
des virtuellen Kraftwerks, die auf Basis des Rich Client Frameworks JavaFX 2.1 realisiert wurde. Für die Marktrollen Energieanlagenmanager und Poolkoordinator stellt
sie alle wichtigen Informationen des virtuellen Kraftwerks bereit und ist die Schaltstelle für Verwaltungs- und Steuerungsaktionen.
Basis der Funktionalitäten sowie des Layouts der Benutzeroberfläche waren Aufgaben der in RegModHarz definierten Rollen des Energieanlagenmanagers und
Poolkoordinators. Das virtuelle Kraftwerk integriert diese beiden Rollen. Für die
Umsetzung der Leitwarte wurden besonders aussagekräftige Anwendungsfälle
(engl. Use Cases) der beteiligten Rollen betrachtet. Diese Anwendungsfälle wurden
verwendet um Kernaussagen des Projekts in Form von sogenannten ShowCases (s.
Kapitel 2.3.3) zu demonstrieren.
Die Aufgabe des Energieanlagenmanagers ist die Überwachung und Verwaltung der
in das virtuelle Kraftwerk eingebundenen Energieanlagen. Der Energieanlagenmanager wird bei der dynamischen Einbindung von Anlagen durch die Leitwarte unterstützt. Über die Topologie-Ansicht kann er in Echtzeit die technischen
Daten der Anlagen und die Fahrpläne überwachen. Auf unvorhergesehene Abweichungen vom Planzustand (z.B. Anlagenausfall) reagiert das virtuelle Kraftwerk
weitestgehend autonom. Der Energieanlagenmanager kümmert sich um die Störungsbehebung durch den Anlagenbetreiber. Werden durch Störungen im virtuellen
26
Kraftwerk Marktaktionen erforderlich, so werden diese durch den Poolkoordinator
(s.u.) durchgeführt.
Die ebenfalls neue Rolle des Poolkoordinators ist für die Energievermarktung verantwortlich. Seine Aufgabe ist die kritische Prüfung der Plausibilität von Energiemengen und –preisen sowie der zugehörigen Anlagen-Fahrpläne. Um ihn bei diesem Prozess zu unterstützen, wird durch das virtuelle Kraftwerk ein, auf Basis der
verfügbaren Informationen, optimales Gebot für die Strombörse EPEX SPOT berechnet. Dieses Gebot wird in der Leitwarte zur Prüfung durch den Poolkoordinator angezeigt, der es bestätigen oder ablehnen kann.
Das VPP-Backend arbeitet zwar weitgehend autonom, jedoch ist für bestimmte Ereignisse eine Interaktion mit dem Betreiber erforderlich. Im Sinne der DIN »Leittechnik« wird der Bediener beim Leiten bestimmter Prozesse im Hinblick auf festgelegte Ziele unterstützt. Komplexe technische Systeme, wie z.B. virtuelle Kraftwerke, werden im Normalbetrieb zwar überwacht, es findet jedoch keine aktive Einflussnahme des Leitwarten-Personals statt. Erst beim Auftreten von Fehlern oder
anderen interaktionsbedürftigen Ereignissen wird eine Entscheidung abgefragt. Ziel
der Leitwarte ist die Unterstützung des Bedieners beim Finden der passenden Reaktion auf ein vorliegendes Ereignis, indem z.B. unterstützende Informationen angezeigt werden.
Im Projekt RegModHarz stand bezogen auf die Leitwarte nicht nur die Darstellung
der informationstechnischen Prozesse des virtuellen Kraftwerks im Vordergrund,
sondern auch das Vermitteln von relevanten Zusammenhängen und das Aufzeigen
von Herausforderungen und Lösungen. Mithilfe der ShowCases werden wichtige
Situationen demonstriert. Der erste ShowCase zeigt, dass durch das umgesetzte
»Plug-in your plant«-Prinzip die beteiligten Marktrollen dezentrale Energieanlagen
einfach in ein virtuelles Kraftwerk einbinden können. Ein weiterer ShowCase beschäftigt sich mit dem Energiemanagement, welches den Kern des virtuellen Kraftwerks bildet. Es muss mithilfe von Optimierungsalgorithmen sowohl Lastdeckung
mit erneuerbarem regionalem Strom für Haushaltskunden als auch optimale Vermarktung an der Strombörse sicherstellen. Die Darstellung der Ergebnisse in Form
von Fahrplänen und Geboten ist Aufgabe der Leitwarte. Der dritte ShowCase soll
anhand von historischen Daten die Wichtigkeit von Erzeugungsprognosen, Speichermöglichkeiten sowie kurzfristigem Handel verdeutlichen.
3.1.4 Energiemanagement
Das Energiemanagement ist ein wesentlicher Bestandteil des virtuellen Kraftwerks.
Die Aufgabe des Energiemanagements ist es, aufgrund von Anlagenzustands- und
27
Prognoseinformationen und einer ausgewählten Strategie, Fahrpläne für die einzelnen angeschlossenen Anlagen und damit einen Gesamtfahrplan für das virtuelle
Kraftwerk zu berechnen. In Abhängigkeit der Strategie können auch Regelleistungsvorhaltungen Ergebnisse des Energiemanagements sein.
Eine wesentliche Anforderung im Projekt war der Umgang mit unterschiedlichen
Anlagentypen, die durch ein generisches Datenmodell modelliert und in das virtuelle Kraftwerk eingebunden wurden. Dabei musste beachtet werden, dass sich neue
Anlagen zu jeder Zeit bei diesem registrieren bzw. vorhandene Anlagen aus dem
virtuellen Kraftwerk deregistriert werden konnten. Im Unterschied dazu können
Anlagen auch zeitweise durch Abbruch der Kommunikationsverbindung nicht mehr
erreichbar sein, was als weitere Anforderung zu beachten war. Weiterhin sollten
unterschiedliche Szenarien, vorgegeben von den im Projekt definierten Geschäftsmodellen 1 und 3, durch das Energiemanagement behandelt werden können. Alle
genannten Situationen müssen unter engen zeitlichen Restriktionen behandelt
werden können. Dies bedeutet, dass ein Angebot für ein Day-Ahead Angebot einerseits möglichst mit aktuellen Informationen versorgt werden soll, andererseits aber
auch vor dem Market Clearing berechnet werden muss. Aus diesem Grund bleiben
für die Berechnung nur wenige Minuten, wenn aktuelle Prognose und Messwerte in
das Energiemanagement mit aufgenommen werden sollen. Es ist davon auszugehen, dass die besten Ergebnisse eines Energiemanagements auf Basis aktuellster
Prognosen und Messwerte erzeugt werden können.
28
Abbildung 9 : Transformation der Eingangsdaten in das generische Datenmodell des Energiemanagements
Als Schnittstelle des Energiemanagements zum Datenbus dient ein generisches Datenmodell zur Repräsentation der Eingangsdaten (siehe Abbildung 9). Das Modell
basiert auf dem in Kapitel 3.2 vorgestellten Vorschlag zur Erweiterung der IEC
61850, enthält allerdings die für ein Energiemanagement zusätzlichen, notwendigen Informationen über die Kosten des Anlagenbetriebs sowie Prognoseinformationen der Anlagen. Die Anlagendaten werden aus dem IEC 61850 Logical Device über
die Anlagensteuerungskomponente beschafft. Die Kosten werden über die aus der
Datenbank hinterlegten Vertragsinformationen zu jedem Vertragspartner des virtuellen Kraftwerks entnommen. Die Prognoseinformationen werden von Prognoseanbieter über Prognoseinformationssysteme bereitgestellt. Im VPP-Backend werden
alle Informationen aggregiert und dem Energiemanagement in dieser internen Datenstruktur bereitgestellt. Für das Energiemanagement ist die Herkunft der Informationen nicht relevant. So kann z.B. für einen Windpark die Primärenergieprognose von einem Prognoseanbieter kommen, bei einer Biogasanlage dagegen über
die Datenmodellerweiterung IEC 61850. Damit ist es möglich, auch zum heutigen
Zeitpunkt unbekannte Anlagentypen, nach diesem Muster in das Energiemanagement zu integrieren.
29
Abbildung 10: Aufbau des Energiemanagements
Um unterschiedliche Wege der Vermarktung sowie Geschäftsmodelle im virtuellen
Kraftwerk zu unterstützen wurde eine Architektur mit austauschbaren Strategien
gewählt (siehe Abbildung 10). Strategien sind nach dem gleichnamigen Muster innerhalb des Energiemanagements austauschbar und bestimmte Strategien nach
dem Composite Muster kombinierbar (Gamma et al. 2004). Für den Feldtest wurden
Strategien für Day-Ahead und Intraday-Vermarktung sowie jeweils eine Kombinationsstrategie für die Versorgung von Kunden mit dem Regio Strom Harz Produkt (s.
Kapitel 5.1) implementiert.

30
Die Day-Ahead Implementierung optimiert die Gewinne am Day-Ahead
Markt aufgrund der Restriktionen des Anlagenparks und einer Preisprognose.
∑
(
)
{

Die Intraday-Vermarktungsstrategie bildet auf Basis aktueller Wind- und
PV-Prognosen (also aktueller Daten im generischen Datenmodell), der bereits verkauften Menge an Strom auf dem Day-Ahead Markt und einer Preisprognose für den Intraday-Markt Angebote zum Ausgleich der Day-AheadPrognosefehler.
∑
(
)
(
{

)
Die Strategie zur Bedarfsdeckung des Produkts Regio Strom Harz sorgt dafür,
dass nur Strom vermarktet wird, der nicht bereits für die Lastdeckung für die
Regio Strom Harz Kunden benötigt wird.
(
)
{
Die Regio-Strom-Harz-Strategie ist dabei nicht allein nutzbar, sondern benötigt
eine der anderen Strategien, um die für die Kunden nicht benötigte Energie zu
vermarkten.
31
3.1.5 Feldtest des virtuellen Kraftwerks
Der Betrieb des virtuellen Kraftwerks der Regenerativen Modellregion Harz wurde
durch zwei Feldtests evaluiert. Der eine Feldtest repräsentiert den Betrieb des virtuellen Kraftwerks über die gesamte Entwicklungszeit, von der ersten Beta-Version
bis zum aktuellen Stand der Software beim Verfassen dieses Abschlussberichts. Der
andere Feldtest repräsentiert den zweiwöchigen Betrieb des virtuellen Kraftwerks
währenddessen ausschließlich reale, erneuerbare, fluktuierende und steuerbare
Energieanlagen angeschlossen waren. In den folgenden zwei Absätzen werden die
beiden Feldtests und deren Eckpunkte etwas näher beschrieben.
Entwicklungsbegleitender Feldtest
Der entwicklungsbegleitende Feldtest des virtuellen Kraftwerks begann mit dem
Rollout der ersten Beta-Versionen von Serversoftware und Leitwarte im Januar
2011 und lief bis zum Verfassen dieses Abschlussberichts im Juli 2012. Schritt für
Schritt wurden Anlagen verschiedener Typen (Wind, Blockheizkraftwerk, Photovoltaik usw.) an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen. Zur Hannover Messe im April
2011 hatten das virtuelle Kraftwerk und die Leitwarte ihre erste Bewährungsprobe,
die sie mit Bravour bestanden, indem sie eine Woche lang stabil die dutzendfache
dynamische Registrierung einer Demonstrationsanlage ermöglichten, jedoch noch
einen eingeschränkten Funktionsumfang aufwiesen. Während der Weiterentwicklungsphase, begleitet von Neustarts des virtuellen Kraftwerks in jeweils neuen Versionen, wurde der Bestand der angeschlossenen Anlagen sukzessive erweitert und
erreichte kurz vor der Hannover Messe im April 2012 die finale Ausbaustufe. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt 25 Energieanlagen eingebundenen (21 reale und
4 simulierte) und die verwaltete Nennleistung belief sich auf bis zu etwa 120 MW
Erzeugung und 40 MW Last (3 x Wind [1 x simuliert] / 2 x PV / 3 x Biogas [2 x simuliert] / 5 x BHKW / 1 x Brennstoffzelle / 9 x NEA / 1 x PSW [1 x simuliert] / 1 x Industrielast). Das Energiemanagement im virtuellen Kraftwerk vermarktete am simuliertem EPEX Day-Ahead und Intraday Markt von April 2012 bis Juli 2012 eine gesamte
Energiemenge von rund 29 GWh Strom und erzielte damit einen Umsatz von rund
2,7 Millionen Euro (auf Basis von historischen EPEX Marktdaten aus 2008).
Feldtest des virtuellen Kraftwerks Harz
Dieser Feldtest stellt eine Teilmenge des oben beschriebenen entwicklungsbegleitenden Feldtests dar und dauerte 14 Tage, von Donnerstag, den 21. Juni
2012, bis Donnerstag, den 05. Juli 2012. In diesem Zeitraum waren ausschließlich
reale erneuerbare fluktuierende und steuerbare Energieanlagen im virtuellen
Kraftwerk eingebunden. Ziel dieses Feldtests war es, den Dauerbetrieb eines echten
32
virtuellen Kraftwerks mit verschiedensten angeschlossenen realen Energieanlagen
exemplarisch zu demonstrieren. Es wurden auf Basis der Optimierungsergebnisse
Fahrpläne für die Anlagen berechnet und durch die Anlagen umgesetzt und die
Energiemengen am simulierten EPEX Markt gehandelt. Während dieses Feldtests
wurden etwa 80 MW Erzeugungsnennleistung von insgesamt 6 Energieanlagen verwaltet und es waren folgende Anlagentypen eingebunden: 2 x Wind / 2 x PV / 1 x
Biogas / 1 x Brennstoffzelle. Der 14-tägige Feldtest wurde störungsfrei durchgeführt
und es wurden rund 3,3 GWh Strom vermarktet, was einem Umsatz von etwa
250.000 Euro entspricht (auf Basis von historischen EPEX Marktdaten aus 2008).
Erkenntnisse aus dem Feldtest bezogen auf das Energiemanagement
Im Feldtest lief das Energiemanagement störungsfrei. Die steuerbaren Anlagen
konnten vom Energiemanagement, unter Berücksichtigung der verschiedenen
Prognosen, bestmöglich eingeplant werden. Ein Lauf des Energiemanagements
dauerte dabei etwa zwei Sekunden. Eine vermutete Laufzeitproblematik war somit
nicht erkennbar. Eine nähere Analyse muss allerdings noch die Skalierbarkeit der
Lösung in der Praxis zeigen, weil typischerweise Optimierungsproblemgrößen in
einer Kraftwerkseinsatzplanung nicht linear mit der Anzahl der Anlagen wachsen.
Die Umsetzung der Strategie zur Bedarfsdeckung des Produkts Regio Strom Harz (Abschnitt 3.1.4) brachte einige interessante Fragestellungen auf. Die Randbedingung
des Optimierungsalgorithmus, in jedem Zeitschritt mindestens die Last zu decken,
führt automatisch dazu, dass ein angeschlossener Großspeicher (wie z.B. ein simulierter Pumpspeicher) nicht mehr über den Markt mit Strom geladen werden kann.
Damit wird der Speicher ausschließlich mit selbst erzeugtem Strom geladen. Das
führte in ersten Tests mit einem simulierten Pumpspeicher Wendefurth zu einem
nicht optimalen Betrieb des Speicherkraftwerks, weil durch den angeschlossenen
Anlagenpark die volle Flexibilität des Speichers aufgrund seiner Größe im Vergleich
zum restlichen Anlagenportfolio nicht ausgenutzt wurde. Aus ökonomischen Gesichtspunkten erscheint ein Speicher für einen reinen Ausgleichsbetrieb daher nicht
immer geeignet. Tiefergehende Analysen sind allerdings notwendig, um diese
Problematik detailliert zu untersuchen. Die prinzipielle Problematik ist dabei:
Sobald in einem Bilanzkreis (bei der Umsetzung des virtuellen Kraftwerks wird hier
davon ausgegangen, dass alle Anlagen in einem Bilanzkreis agieren) eine Versorgung von Kunden mit bestimmten Anlagen garantiert werden soll, kann kein Strom
für das Füllen von Speichern gekauft werden, weil:
33
1. nicht unterschieden werden kann, ob der Strom für das Füllen des Speichers
oder die Versorgung des Kunden genutzt wird, und
2. nicht sichergestellt werden kann, dass der Kunde nicht in einem der nächsten Zeitschritte mit der gekauften gespeicherten Energie versorgt wird.
Eine mögliche Abhilfe in diesem Szenario bildet eine Stromkennzeichnungspflicht,
die in einen Speicher geladene Energie eindeutig als „Grünstrom“ kennzeichnen
würde.
Die wesentliche Anforderung an das Energiemanagement, mit einem generischen
Datenmodell umgehen zu können, konnte gezeigt werden. Dabei wurde in mehreren Iterationen, das Datenmodell an die Anforderungen eines Energiemanagements
angepasst. Das umgesetzte Energiemanagement unterscheidet nun nicht mehr zwischen einer Biogasanlage mit einem Wärmespeicher und einem Gasspeicher und
einer Windkraftanlage. Alle Informationen der Anlagen werden über das generische
Datenmodell transportiert. Allerdings muss die Zusammenstellung des internen Datenmodells noch verbessert werden. So gibt es in der aktuellen Umsetzung noch
keine Möglichkeit, zu einer neu registrierten Anlage eine Prognose zu finden. Zu
den einzelnen Prozessen innerhalb des virtuellen Kraftwerks zur Erstellung eines
generischen Datenmodells für das Energiemanagement sind also noch weitere Arbeitsschritte notwendig.
Ein weiterer offener Punkt ist der Umgang mit der Möglichkeit, Windenergieanlagen
abzuregeln. In der aktuellen Implementierung wird das Energiemanagement an
dieser Möglichkeit aufgrund fehlender Attribute im Datenmodell gehindert.
Zusammenfassend ist eine erste Implementierung eines Energiemanagement Systems gelungen. Weitere Arbeiten sind allerdings notwendig, um während des Projekts neu aufkommende Anforderungen an Automatismen genauer zu untersuchen
und zu evaluieren.
3.2 Anlagenanbindung
Grundsätzliche Aussagen
Die kommunikative Anbindung dezentraler Energieanlagen unterliegt grundsätzlich
anderen Randbedingungen als die Anbindung großer Kraftwerke: statt 100%iger
Verfügbarkeit muss mit einer eingeschränkten Erreichbarkeit gerechnet werden;
statt firmeneigener abgeschotteter Netze wird der Datenverkehr über das öffentliche Internet erfolgen; statt einer jahrelangen Stabilität einer einmal aufgebauten
Infrastruktur sind ständige Änderungen und täglich dazukommende Anlagen zu
beherrschen.
34
Logical Node DVER
Die Vielzahl und Vielfalt unterschiedlicher dezentraler Energieanlagen lässt sich nur
beherrschen, wenn ein einfaches, einheitliches und standardisiertes Datenmodell
verwendet wird. Dieses soll Erzeugungsanlagen, Speicher und Verbraucher gleichermaßen als variable Energieanlagen beschreiben.
Als Basis für die Modellierung des Datenmodells wurde IEC 61850 gewählt. Die notwendige Modellierung eines abstrakten Modells ist dabei ein wichtiges Ergebnis,
das auch auf die Weiterentwicklung von IEC 61850 Einfluss hat.
PowerBridge
Für die Anbindung unterschiedlicher Anlagentypen über eine einheitliche Schnittstelle ist ein Gateway notwendig (die RegModHarz PowerBridge). Dieses konvertiert
nicht nur die unterschiedlichen Protokolle, sondern bildet auch die interne Sicht
auf die Anlage auf eine abstrahierte und einheitliche externe Sicht für das virtuelle
Kraftwerk ab. Eine solche Abbildung ist zwingend notwendig, um die technische
Komplexität auf Seiten des virtuellen Kraftwerks zu verringern, insbesondere aber
auch, um die internen geschäftlichen und betrieblichen Notwendigkeiten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen und von den Wünschen und Vorgaben des virtuellen Kraftwerks zu entkoppeln.
Angeschlossene Anlagen
Im Feldversuch werden sowohl reale Anlagen (Windpark, Blockheizkraftwerke mit
unterschiedlicher Betriebsführung, PV-Anlage, Biogasanlage, Brennstoffzelle) als
auch simulierte Anlagen (Pumpspeicherkraftwerk, Parkhaus mit Ladesäulen) und
Testanlagen (Umrichter-Teststand) an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen. Damit
kann die Eignung der RegModHarz-Architektur und der gewählten Umsetzung für
eine breite Vielfalt von Anlagen praktisch erprobt werden.
3.2.1 Anforderungen
Sowohl für die Kommunikationsarchitektur als auch für die eingesetzten Protokolle,
Datenmodelle und Komponenten gelten völlig andere Anforderungen als sie beispielsweise aus dem Umfeld der heutigen Energieautomatisierung oder Leitwartentechnik bekannt sind. Die folgende Liste beschreibt sowohl die daraus resultierenden Anforderungen als auch die Ansätze, die im Rahmen von RegModHarz zur Erfüllung dieser Anforderungen gewählt worden sind:

Die hohe Zahl dezentraler Energieanlagen erfordert eine möglichst kostengünstige Realisierung der Kommunikationsinfrastruktur. Die Kommunikation
35
soll deshalb weitgehend über die vorhandene Kommunikationsinfrastruktur abgewickelt werden. Dabei können DSL-Verbindungen oder Mobilfunktechniken ebenso zum Einsatz kommen wie dedizierte Leitungen. Aus diesem Grund wird eine IP-basierte Kommunikation eingesetzt, welche die darunter liegende Transportschicht abstrahiert.

Die Heterogenität der Anlagen muss bereits auf der Anlagenseite in eine
einheitliche, homogene Darstellung und Kommunikation umgesetzt werden. Dies betrifft sowohl die verwendeten Kommunikationsprotokolle als
auch die eingesetzten Datenmodelle. Hier spielt die RegModHarz PowerBridge eine zentrale Rolle. Sie abstrahiert die verschiedenen Anlagentypen
in ein einheitliches Datenmodell und macht dieses über eine standardisierte
Schnittstelle zugänglich. Als Datenmodell und Kommunikationsprotokoll
setzt RegModHarz dabei auf IEC 61850, wie es auch in der Normungsroadmap Smart Grid vorgeschlagen wird. Der Transport der Nachrichten erfolgt
über Web Services gemäß dem Standard IEC 61400-25-4, Annex A.

Die Dynamik der Systemkonfiguration, d.h. das häufige Hinzufügen oder
Wegnehmen von Anlagen, aber auch ihre wechselnde Erreichbarkeit oder
Betriebsbereitschaft erfordert Mechanismen, die solche Ereignisse automatisch erkennen und bearbeiten können. Dazu setzt die RegModHarz Architektur einerseits eine Registry ein, bei der sich neue Anlagen anmelden und
die der Leitwarte somit ein dynamisches, jederzeit aktuelles Bild der verfügbaren Anlagen zur Verfügung stellen kann. Die Leitwarte selbst ist außerdem
so ausgelegt, dass sie die Nichterreichbarkeit von Anlagen erkennen und
entsprechend reagieren kann.
3.2.2 Architektur
Die Architektur der Kommunikationslösung zur Anlagenanbindung entspricht einer
klassischen „Service oriented Architecture“ (SOA). Die nachfolgende Grafik illustriert
die Zusammenhänge:
Registry
Leitwarte
PowerBridge
Abbildung 11: SOA mit PowerBridge, Registry und Leitwarte
36
Die einzelnen Anlagen sind jeweils mit einer PowerBridge ausgestattet. Um die von
der jeweiligen Anlage zur Verfügung gestellten Energie-Dienste bekanntzumachen,
registriert sich diese bei der Registry und stellt dabei wichtige Kenndaten wie Eigentümer, Standort, Art der Anlage und maximale Leistung zur Verfügung. Die Registry führt somit eine Liste über die vorhandenen dezentralen Energieanlagen. Als
unabhängige Instanz kann sie diese Informationen einem oder mehreren virtuellen
Kraftwerken anbieten. Diese überprüfen nun, ob die neu hinzugekommenen Anlagen in das virtuelle Kraftwerk aufgenommen werden sollen. Ist dies der Fall, so
nehmen sie direkt Kontakt mit der PowerBridge auf. Die Registry ist also nicht mehr
in den operativen Betrieb eingebunden.
3.2.3 PowerBridge, Idee, Umsetzung, Plattformen
Die PowerBridge spielt eine zentrale Rolle im Gesamtsystem von RegModHarz. Als
Service Provider stellt sie die wesentlichen Dienste der dezentralen Energieanlagen
zur Verfügung. Durch die weitgehend einheitliche Abbildung der Eigenschaften von
ganz unterschiedlichen dezentralen Energieanlagen nach außen hin wird es erst
möglich, die heterogene Landschaft von Energieanlagen in einheitlicher Weise zu
verwalten und zu beeinflussen.
Das Gateway trennt aber auch die Verantwortungsbereiche des Anlagenbetreibers
und des VPP Betreibers (oder Netzbetreibers, …) voneinander und ermöglicht eine
klare Zuordnung von Zuständigkeiten.
Voraussetzung hierfür sind jedoch klare Spezifikationen der Schnittstellen und der
verwendeten Datenmodelle, da nur so die genannten Ziele erreicht werden können.
RegModHarz setzt dabei auf die Empfehlungen der Normungsroadmap Smart Grid
des DKE auf und definiert eine Kommunikationsarchitektur basierend auf der Standardreihe IEC 61850. In diesem Rahmen spezifiziert das Projekt ein einfaches Datenmodell, das eine generische Abbildung unterschiedlicher dezentraler Energiesysteme ermöglicht und dabei Erzeuger, Verbraucher und Speicher sowie deren Variabilität berücksichtigt. Für die Kommunikation setzt das Projekt das Web Service
Mapping gemäß IEC 61400-25-4 ein und setzt somit mit Web Services auf einen
Standard, der durch seine hohe Verbreitung, offene Standards und hervorragende
Tool-Unterstützung ideal für diesen Zweck geeignet ist.
Weiterhin besitzt die PowerBridge ein User Interface, das über einen Browser angesprochen werden kann. Es gibt Zugriff auf die Daten im Datenmodell und ermöglicht es, die PowerBridge bei der Registry zu registrieren oder zu deregistrieren.
37
Zur Anbindung an die Anlagen können unterschiedliche Device Adapter eingesetzt
werden. Diese setzen die anlagenspezifischen Protokolle und Datenstrukturen auf
das IEC 61850 Datenmodell um.
Zusätzlich können interne Algorithmen an das Datenmodell angebunden werden,
die z.B. Fahrpläne bearbeiten oder sonstige Operationen auf den Daten des Datenmodells vornehmen.
cmp Pow erBridge
IEC 61850 WebService
Browser UI
IEC61400-25-4
DataModel
UserInterface
DataModelBinder
DeviceAdapterInterface
AlgorithmInterface
Dev iceAdapter
MODBUS
Dev iceAdapter
IEC60870-5-101
Dev iceAdapter
other
MODBUS
IEC60870-5-101
other
Algorithm
ScheduleProcessing
Algorithm other
Abbildung 12: Struktur der PowerBridge
Die zentrale Komponente der PowerBridge ist das Datenmodell, das über einen SCL
Konfigurationsfile gemäß IEC 61850-6 konfiguriert wird. In diesem Konfigurationsfile sind auch die Vorbelegungen der Datenwerte festgehalten. Außerdem werden
dort Benutzerkennungen und die Zugriffsberechtigungen der Benutzer konfiguriert.
Eine weitere Komponente ermöglicht den Zugriff über IEC 61400-25-4 Web Services
auf das Datenmodell. Für den direkten lokalen Zugriff auf die Daten des Datenmodells steht außerdem ein User Interface zur Verfügung, das in strukturierter Weise
Zugriff auf die Daten erlaubt.
Zur Anbindung der PowerBridge an vorhandene Systeme der Energieanlagen steht
eine Reihe von sogenannten Device Adaptern zur Verfügung. Diese stellen die Im38
plementierung bestimmter Protokolle zur Verfügung, z.B. MODBUS oder IEC 608705-101. Der DataModelBinder stellt die Verbindung zwischen den Protokollen und
den Datenwerten des Datenmodells her. Weitere Adapter können als Bausteine
nach Bedarf hinzugefügt werden.
Der DataModelBinder kann außerdem in der PowerBridge realisierte Algorithmen an
das Datenmodell anbinden. Er stellt dazu die Verbindung zwischen einem vom Algorithmus spezifizierten Daten-Interface und den Datenpunkten des Datenmodells
her. Algorithmen können zyklisch aufgerufen oder durch die Änderung von Datenwerten getriggert werden.
Die PowerBridge wurde prototypisch auf verschiedenen Plattformen implementiert.
Dabei kamen sowohl ARM9-basierte Plattformen zum Einsatz als auch die Intel
Atom basierte Siemens NanoBox (Simatic IPC227D).
3.2.4 Datenmodell
Für das Projekt RegModHarz beschränken wir uns bewusst auf eine kleine Auswahl
an Logical Nodes. Diese Auswahl ist bei Bedarf aber beliebig erweiterbar und kann
sowohl durch bereits standardisierte als auch noch neu zu definierende Logical Nodes ergänzt werden. Basis ist – soweit verabschiedet – IEC 61850 ed2.0. An einigen
Stellen werden geringfügige Vereinfachungen vorgenommen.
Verwendet werden vier Gruppen von bereits standardisierten Logical Nodes:

Die beiden vorgeschriebenen LNs LLN0 und LPHD, die den Gesamtstatus des
Controllers beschreiben

Die LNs MMXU und MMTR für Messungen und Metering

Die LNs DSCH und DSCC für die Steuerung einer Anlage durch Fahrpläne

Die LNs DRCT und DRCC für den direkten steuernden Eingriff in eine Anlage
Zusätzlich wird ein neuer Logical Node DVER spezifiziert, der zur Beschreibung einer
variablen dezentralen Energieanlage dient. Bei der Spezifikation dieses Logical Nodes wurden hierbei mehrere Typen dezentraler Energieanlagen analysiert und untersucht, wie daraus eine gemeinsame abstrakte Beschreibung der Variabilität der
Anlage abgeleitet werden kann. Im Einzelnen wurden berücksichtigt:

Verschiebbare Lasten (z.B. Industriebetriebe)

Speicher (z.B. Batterie oder Pumpspeicherwerk)

Speicher mit Zielzustand (z.B. e-Kfz)
39

Speicher mit externem Zufluss (z.B. Biogasanlage mit Gasspeicher)

KWK-Anlage mit Wärmespeicher
Daraus wurde das nachfolgende Modell abgeleitet:
TargetCont
StartTm
TargetTm
Netz
ContPwrCtl
PwrCtlSteps
Erzeuger
Last
MaxWImp
MaxWExp
StorInflowCrv
StorInflow
MinStorLvl
Speicher
Füllstand
Ext. Zufluss
StorCap
StorCont
StorEff
Abbildung 13: Modell einer dezentralen variablen Energieanlage
Die nachfolgende Tabelle beschreibt die Attribute des Logical Nodes. M/O in der
letzten Spalte steht dabei für Mandatory/Optional (vorgeschrieben/optional):
40
Attribut Name
Attr. Typ
Erläuterung
M/O
MaxWImp
ASG
Maximum W Import
Maximale bezogene Wirkleistung, W
M
MaxWExp
ASG
Maximum W Export
Maximale gelieferte Wirkleistung, W
M
ContPwrCtl
SPG
Continuous Power Control
Kontinuierliche Leistungssteuerung, true = stufenlos, false = nur Stufen möglich (siehe
PwrCtlSteps)
M
PwrCtlSteps
CSG
Power Control Steps
Kurve mit Werten für die einzelnen Stufen,
mandatory, wenn ContPwrCtl = false. Nur die
y-Werte werden ausgewertet. Aufsteigend sortiert. Negative Werte für Leistungsbezug, positive Werte für Leistungslieferung.
O
StorCap
ASG
Storage Capacity
Speicherkapazität, Wh
M
StorCont
MV
Storage Content
Aktueller Speicherinhalt, Wh
M
StorEff
ASG
Storage Efficiency
Speicherladewirkungsgrad, Faktor 0…1
O
StartTm
TSG
Start Time
Startzeit
O
TargetTm
TSG
Target Time
Zielzeit
O
TargetCont
ASG
Target Content
Minimaler Ziel-Speicherfüllstand, Wh
O
MinStorLvl
SCA
Minimum Storage Level
Speicher-Füllkurve für jeweils minimalen Füllstand Wh (sec)
O
StorInflow
ASG
Storage Inflow
Konstanter externer Energie-Zufluss (positiv)
oder Verlust (negativ), W
O
StorInflowCrv
SCA
Storage InflowCurve
Kurve für den externen Energie-Zufluss oder
-abfluss über die Zeit
O
Tabelle 2: Attribute des Logical Nodes DVER
Die in IEC 61850 spezifizierten Datenobjekte (Logical Nodes, Data Attributes) enthalten in den meisten Fällen optionale Attribute. Zur konkreten Spezifikation eines
41
Datenmodells gehört deshalb nicht nur der Bezug zu einem standardisierten Logical
Node, sondern auch eine Festlegung darüber, welche der optionalen Attribute konkret eingesetzt werden.
Um diese Anforderung zu erfüllen, verwendet RegModHarz ein mehrstufiges Vorgehen:

Die Logical Nodes und ihre möglichen Attribute werden in einem UMLModell mittels Enterprise Architect dargestellt. Dieses Modell enthält alle
gemäß Standard zulässigen Attribute der im Projekt verwendeten Logical
Nodes.

Dieses Modell wird als XMI-Datei exportiert und in das CIMTool eingelesen.
Dieses eigentlich für CIM entwickelte Tool erlaubt in gewissen Grenzen auch
den Umgang mit 61850-Modellen. Mittels des CIMTools werden nun die im
Projekt konkret eingesetzten Attribute ausgewählt. Es entsteht eine XMLBeschreibung des Datenmodells.

Diese Beschreibung wiederum wird über eine XML-Transformation in eine
SCL-Beschreibung des Datenmodells überführt, wie sie in IEC 61850-6 vorgesehen ist.
Die SCL-Beschreibung dient dann als Grundlage für die konkrete Implementierung
des Datenmodells, z.B. im IKT Gateway.
IEC 61850
Enterprise
Architect
Datenmodell
(XMI)
CIMTool
XML (SQL,
XSD, Java)
Profil
(OWL)
XML
Transform
Datenmodell
Generelles
Datenmodell
 Standardisierung
(Projekt-)Spezifisches
Datenmodell
 Implementierung
SCL
IEC 61400
WSDL
IEC 61850 über
IEC 61400-25-4
Web Service
IKT
Gateway
binding.xml
Abbildung 14: Toolchain für die Darstellung und Umsetzung der Datenmodelle
Das IKT Gateway führt dann einerseits die konkrete Anbindung der Elemente des
Datenmodells an die spezifische Hardware der Anlage durch. Diese ist in der Datei
42
binding.xml spezifiziert. Andererseits stellt es das Datenmodell über IEC 6140025-4 konforme Web Services nach außen hin zur Verfügung.
3.2.5 Registry
Die Service Registry ist der zentrale Punkt, an dem die von den dezentralen Energieanlagen über die PowerBridge angebotenen Dienste und die an diesen Diensten
interessierten Akteure (Energieversorger, Netzbetreiber, Betreiber eines virtuellen
Kraftwerks, usw.) zusammenfinden. Die Service Registry macht die angebotenen
Dienste erst im System bekannt und ermöglicht die gezielte Suche nach geeigneten
Diensten basierend auf den unterschiedlichsten Kriterien.
Auch hier setzt RegModHarz auf eine standardisierte Lösung. Wichtig bei der Auswahl war aber auch die flexible Erweiterbarkeit und gute Skalierbarkeit der eingesetzten
Technologie.
Beide
Anforderungen
werden
von
der
ebXML
Re-
gistry/Repository erfüllt. Auch diese Technologie basiert auf Web Services und passt
somit gut in die gewählte Gesamtarchitektur.
3.2.6 Sicherheit
Die Kommunikation zwischen Leitwarte und PowerBridge ist stets Client-Server basiert. Dabei ist die PowerBridge der Server und die Leitwarte der Client.
Zum Aufbau einer verschlüsselten und vertrauenswürdigen Verbindung benutzt dabei der Server (also die PowerBridge) ein Server-Zertifikat, mit dem es sich dem Client (also der Leitwarte) gegenüber identifiziert. Der Client überprüft dieses Zertifikat
auf Vertrauenswürdigkeit und baut daraufhin eine verschlüsselte Verbindung zum
Server auf.
Damit der Client dem Server vertrauen kann, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

Der Client bekommt vorab eine Liste der Server Zertifikate aller PowerBridges
und legt diese in seinem Trust Store ab. Dies erfordert jedoch eine Erweiterung des Trust Store, sobald eine neue PowerBridge hinzukommt.

Eine Certificate Authority (CA) wird damit beauftragt, die Zertifikate für die
PowerBridges zu erstellen und zu signieren. Die Leitwarte nimmt lediglich
das Zertifikat der CA in ihren Trust Store auf. Sie vertraut damit automatisch
allen Zertifikaten, die diese CA signiert hat. Beim Hinzufügen einer neuen
PowerBridge ist damit auf Client-Seite kein Eingriff erforderlich. Die neue
PowerBridge muss lediglich sein Server-Zertifikat von der CA signieren lassen.
43
Die Rolle der CA könnte ein PowerBridge Betreiber übernehmen oder eine andere
Instanz, die für die Installation und den Betrieb der Gateways zuständig ist.
RegModHarz benutzt dieses CA-Modell, das nachfolgend noch einmal grafisch dargestellt ist:
<trusts>
CA
<signs>
<signs>
PowerBridge
<uses>
Cert
PowerBridge
<uses>
Cert
<signs>
PowerBridge
<uses>
Cert
Abbildung 15: Sicherheits-Architektur
3.2.7 Standardisierung
Die kommunikative Anbindung dezentraler Energieanlagen ist ein wichtiger Baustein im Smart Grid und eine Themenstellung, die auch im Rahmen der IEC TC57
aktiv bearbeitet wird. Dabei sind sowohl die Datenmodelle als auch die Kommunikationsprotokolle zu betrachten.
44

Zur Definition von Datenmodellen wurde von Siemens unter internationaler
Beteiligung die Task Force „MU DER“ (Multiple Use of Decentralized Energy
Resources) initiiert. Die RegModHarz Architektur und das RegModHarz Datenmodell wurden in diese Gruppe eingebracht.

Zur Definition geeigneter Kommunikationsprotokolle hat die IEC die Arbeit
an einem neuen Mapping von IEC 61850 auf Web Services aufgenommen,
die in einen neuen Standard IEC 61850-8-2 münden soll. Das von RegModHarz verwendete Mapping gemäß IEC 61400-25-4 ist dabei ein möglicher
Kandidat für diese neue Spezifikation.
3.2.8 Angeschlossene Anlagen
Für den Feldversuch wurden insgesamt 14 Anlagen über die PowerBridge an das
virtuelle Kraftwerk angeschlossen:

Windpark Druiberg 1 und 2 (zusammen ca. 70 MW)

Vier Blockheizkraftwerke der Halberstadtwerke (zwischen 400 kW und 2 MW)

Zwei große PV-Anlagen bei Halberstadt (zusammen ca. 2,5 MW)

Ein Blockheizkraftwerk in den Räumen von CUBE Engineering (15 kW)

Zwei Biogasanlagen, davon eine mit Gasspeicher

Eine Micro-Brennstoffzelle (1,5 kW)

Eine Simulation eines Maschinensatzes des Pumpspeicherwerks Wendefurth
(40 MW)

Ein Umrichter-Teststand zur Simulation einer steuerbaren Last (150 kW)
Damit wurde eine relativ große Bandbreite sowohl bezüglich der Leistung als auch
der Technologie der Anlagen erreicht. Konkret ansteuerbar, auch über einen längeren Zeitraum, waren dabei das Blockheizkraftwerk von CUBE, die Brennstoffzelle
und die Speichersimulation.
3.2.9 Zusammenfassung und Erfahrungen
Die im Projekt eingesetzte serviceorientierte Architektur zur Anbindung dezentraler
Energieanlagen hat sich auch im praktischen Einsatz im Feldtest bewährt. Die Modellierung solcher Anlagen durch ein einheitliches und abstraktes Datenmodell war
Voraussetzung dafür, dass ein so breit gefächertes Anlagenportfolio in einheitlicher
Weise in den Feldtest integriert werden konnte. An dieser Stelle sind aber auch
noch weitere Untersuchungen notwendig, um zu einem Modell zu kommen, das
einerseits abstrakt genug ist, um alle Anlagentypen einheitlich darzustellen, andererseits aber auch ausreichend Informationen enthält, um die Optimierungsstrategien eines virtuellen Kraftwerks zu unterstützen.
3.3 Kundenanbindung
Die Kundenanbindung erfolgte im Rahmen des RegModHarz-Haushaltsfeldtests in
zwei Phasen. In der ersten Phase wurden die in den Haushalten verbauten Ferraris-Zähler durch Smart Meter/MUC-Kombinationen ersetzt. In der zweiten Phase
wurde ein dynamischer Tarif angeboten und den Kunden ein IKT-Gateway für die
automatische Ansteuerung von zwei Hausgeräten zur Verfügung gestellt. Die installierten Komponenten sind in Abbildung 16 zu sehen.
45
Abbildung 16: Installierte Komponenten in den Haushalten
3.3.1 Smart Meter/MUC-Kombination
Da die bisher in den Haushalten verbauten Ferraris-Zähler den Stromverbrauch nur
immer weiter aufsummieren und keine Auskunft darüber geben, in welchem Zeitraum wieviel Strom verbraucht wurde, wurden die Ferraris-Zähler durch Smart Meter/MUC-Kombinationen ersetzt. Die Kombination aus einem Smart Meter und einem MUC (Multi Utility Communicator) speichert ohne weitere IKT-Ausstattung den
Stromverbrauch über einen Zeitraum von 33 Tagen viertelstündlich ab und liefert
somit ausreichend genaue Daten zur Erstellung der Verbrauchsprofile.
Durch den Einbau der Smart Meter/MUC-Kombinationen wurde das Ziel der ersten
Feldtestphase, das Erfassen des Stromverbrauchsverhaltens bei konstantem Strompreis über den Tag, erreicht, ohne weitere Komponenten installieren zu müssen.
Dazu wurden die viertelstündlich aufgezeichneten Daten des MUCs während des
gesamten Feldtests monatlich über eine GPRS-Verbindung ausgelesen.
In der zweiten Feldtestphase, in der zusätzlich das BEMI als IKT-Gateway installiert
wurde, wurde der MUC neben der monatlichen Auslesung über die GPRSVerbindung auch minütlich durch das BEMI über eine LAN-Schnittstelle ausgelesen.
Den Teilnehmern wurde so in Echtzeit ihr Stromverbrauchsverhalten visualisiert.
3.3.2 BEMI (Bidirektionales Energiemanagement Interface)
Mit dem BEMI (siehe Abbildung 17) wurde den Kunden ein IKT-Gateway zur Verfügung gestellt, welches durch die Ansteuerung von zwei Hausgeräten eine automatische Verlagerung des Stromverbrauchs hin zu Zeiten der günstigen Bonuspreisstufen
des dynamischen Tarifs ohne manuelle Geräteschaltungen bewirkt. Das BEMI stellt
46
die lokale Recheneinheit des dezentralen Energiemanagements dar und verwendet
den OGEMA-Standard (Open Gateway Energy Management Alliance).
Abbildung 17: BEMI (Bidirektionales Energiemanagement Interface)
Durch Vorgabe von Zeitfenstern durch den Nutzer werden Zeiträume festgelegt, für
die das BEMI optimale Einsatzpläne berechnet. So ist sichergestellt, dass z.B. Wäsche und Geschirr zum vorher festgelegten Zeitpunkt sauber und/oder trocken sind
und dem Teilnehmer keine Nachteile im Tagesablauf entstehen. Neben Waschmaschinen, Wäschetrocknern und Spülmaschinen werden auch Kühl- und Gefriergeräte automatisiert gesteuert und in ihren Strombezugszeiten optimiert.
Auf dem BEMI-Display werden die Tarifpreisstufen des aktuellen und des nächsten
Tags sowie die Einsatzpläne für die angeschlossenen Geräte angezeigt. Eine LEDTarifampel gibt Auskunft über die aktuelle Tarifpreisstufe.
Zusätzlich zum Display gibt es noch das BEMI-Portal, eine im BEMI integrierte WebOberfläche zur Anzeige des Stromtarifs, zur Darstellung und Bearbeitung der Einsatzpläne der gesteuerten Geräte, zur Auswertung der Leistungs- und Energieflüsse
sowie zur Konfiguration des Systems. Für die Einsatzpläne von Waschmaschine, Wäschetrockner und Spülmaschine gibt es die Möglichkeit, entweder das Gerät sofort
zu starten oder aber einen einmaligen oder täglichen Zeitraum für die Durchfüh-
47
rung des Programms vorzugeben, für den dann ein optimaler Einsatzplan berechnet
und das Gerät automatisiert angesteuert wird. Für Kühl- und Gefriergeräte werden
Temperaturober- und -untergrenzen festgelegt in deren Rahmen die Einsatzpläne
der Geräte optimiert werden. Die Übersicht über den Leistungs- und Energiebedarf
der angeschlossenen Geräte sowie des gesamten Haushalts wird für einen benutzerdefinierten Zeitraum in hoher zeitlicher Auflösung erstellt. Der Energiebedarf
wird als Jahres-, Monats- und Wochenübersicht dargestellt. Bei Kühl- und Gefriergeräten wird zusätzlich der Temperaturverlauf aufgeführt. Im Konfigurationsbereich
werden Schaltboxen angelernt und eine Verbindung zum MUC hergestellt.
Das im RegModHarz-Projekt eingesetzte BEMI beruht auf einem Basisgerät, welches
auch in anderen Projekten eingesetzt wird. Das BEMI wurde für die Anforderungen
im Harz angepasst und mit einem Display ausgestattet.
3.3.3 Schaltboxen
Die Ansteuerung der Hausgeräte geschieht über Schaltboxen. Für jeden Haushalt
standen eine Feuchtraumschaltbox, eine Schaltbox mit Anschlussmöglichkeit für
Temperatursensoren und zwei Temperatursensoren zur Verfügung.
Die Schaltboxen werden per Funk vom BEMI angesteuert (ZigBee-Standard). Neben
dem Zu- und Wegschalten der Spannung messen die Schaltboxen auch Leistung
und Arbeit. Die Ampelfarbe des Tarifs wird ebenfalls angezeigt. Kühl- und Gefriergeräte können nur an den Schaltboxen mit Anschlussmöglichkeiten für Temperatursensoren angeschlossen werden. Waschmaschinen, Wäschetrockner und Spülmaschinen können zusätzlich auch an den Feuchtraumschaltboxen angeschlossen
werden.
Die Schaltboxen haben zwei Betriebsmodi: „Automatik“ und „Dauer Ein“. Das Umschalten zwischen den Modi kann sowohl über das BEMI-Portal als auch direkt an
der Schaltbox über den dort integrierten Taster erfolgen. Zusätzlich gibt es bei
Schaltboxen, an denen Kühl- oder Gefriergeräte angeschlossen sind, noch den
„Notfall-Modus“, der sich beim Überschreiten festgelegter Temperaturgrenzen einschaltet.
Die eingesetzten Schaltboxen beruhen auf Serienprodukten, die durch einen Treiber
an das OGEMA-System angepasst wurden.
3.3.4 Angebundene Haushalte
Insgesamt wurden 46 Haushalte für die Teilnahme am Feldtest akquiriert. Bei diesen wurden im Zeitraum Januar bis Oktober 2011 Smart Meter/MUC-Kombinationen
installiert. Aus technischen Gründen konnten nur in 39 der 46 Haushalte BEMIs in48
stalliert und in Betrieb genommen werden. Das geschah im Zeitraum Februar bis
August 2012. Die Installation sowohl der Smart Meter/MUC-Kombinationen als auch
der BEMIs und Schaltboxen erfolgte durch die zuständigen EVUs.
3.3.5 Zusammenfassung und Erfahrungen
Da der Feldtest erst am 30. November 2012 endete, konnten über einen langen
Zeitraum Erfahrungen mit der Installation und dem Betrieb der Smart Meter/MUCKombinationen und der BEMIs gesammelt werden. Dabei zeigte sich, dass die technische Umsetzung des Feldtests sehr anspruchsvoll war. Trotzdem konnte das Funktionieren des installierten Systems nachgewiesen werden.
3.4 Marktplattform
Die interaktive Marktplattform als Webapplikation stellt komplexe Zusammenhänge
der Stromversorgung, des Stromverbrauchs, der Strommärkte und der entwickelten
Szenarien in der Modellregion auf möglichst transparente und leicht zugängliche
Art dar. Sie gliedert sich in verschiedene Bereiche, die sowohl inhaltlich als auch
konzeptionell auf die entsprechenden Zielgruppen abgestimmt sind. Neben den
allgemein zugänglichen Informationen bietet die Marktplattform einen zugangsbeschränkten Bereich für die Feldtestteilnehmer. Dieser Bereich bietet jedem Feldtestteilnehmer Informationen zum eigenen Verbrauch, den Anteilen bezogener
elektrischer Energie je Erzeugungsanlagentyp und eine monatliche Verbrauchsabrechnung mit entsprechenden Auswertungen zum eigenen Verbrauchsverhalten.
49
Abbildung 18: Startseite der RegModHarz Marktplattform (www.regmodharz-marktplatz.de)
3.4.1 Herausforderung / Zielsetzung
Die ursprüngliche Idee, über die Marktplattform Strom aus regionalen erneuerbaren
Erzeugungsanlagen an die regionalen Verbraucher zu vermarkten, wurde während
der Konzeptionsphase verworfen, da die derzeitigen Rahmenbedingungen weder
eine Handelsplattform ohne umfangreiche juristische und finanzielle Absicherung
noch ein funktionierendes Geschäftsmodell ermöglichen. Daher wurde als wesentliches Ziel und Anspruch die Transparenz für die Verbraucher und dezentralen Akteure, die technisch innovative Umsetzung und die Interaktion gesetzt. Eine Herausforderung an die Konzeption der interaktiven Marktplattform bestand in der
Diskrepanz, komplexe, sehr umfangreiche Datenmengen auf ansprechende und
leicht zugängliche Weise aufzubereiten und darzustellen, ohne den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren. Um die einzelnen Bereiche zu bestimmen und inhaltlich wie optisch aufzubauen, wurden die unterschiedlichen Zielgruppen und deren
Interessengebiete / Zugangsschwellen definiert und entsprechend adaptiert. Weiter
werden alle Informationen und Vermarktungsmöglichkeiten rund um die Erzeugung
je Anlagentyp und die Verbindung zum virtuellen Kraftwerk möglichst transparent
und aktuell dargestellt. Ergänzend dazu werden aktuelle Preisinformationen der
Strommärkte leicht verständlich dargestellt. Die zeitliche Auflösung der Daten ist
≤15 Minuten. Als Grundlage für die Transparenzinformationen auf der Marktplatt-
50
form dienen IST- und Prognosedaten zu Verbrauchsleistung und Erzeugungsleistung, die auf verschiedensten Kanälen in einer zentralen Datenbank des Fraunhofer
IWES zusammenlaufen. Sowohl für die performante als auch ansprechende Darstellung der Daten wurde eine geeignete Technologie gefunden, die sowohl „state-ofthe-art“ als auch zukunftssicher ist und sich im Browser, auch mit schwächerer Internetverbindung, gut implementieren lässt. Ein weiterer zentraler Punkt in der
Konzeptionsphase ist der hohe Daten-Sicherheitsanspruch an das Gesamtsystem
und speziell an die Verbindungen zum Datenbank- und Applicationserver des IWES.
Sowohl die zentrale Datenbank als auch der Server, auf dem die Applikationen der
Marktplattform laufen, befinden sich logisch und physikalisch an einem anderen
Ort als das Frontend, das GUI (Graphical User Interface, Nutzeroberfläche) der
Marktplattform. Um dem Anspruch an einfache Handhabung und redaktionelle
Pflege der Marktplattform gerecht zu werden wurde das Frontend mittels Content
Management System (CMS) umgesetzt.
3.4.2 Umsetzung
Die Basis zu Beginn der Umsetzung der Marktplattform sind die einlaufenden Daten
in die zentrale Datenbank und deren Format, Auflösung, Kontinuität und Konsistenz. Auf Grund dieser Bestandaufnahme und vorheriger Definition der BenutzerZielgruppen wurden die verschiedenen Ansichten der Marktplattform grob skizziert.
Um eine geeignete Technologie zur Darstellung der unterschiedlichen Anwendungen zu finden, wurde eine ausführliche Gegenüberstellung verschiedenster Technologien durchgeführt und für die Umsetzung das Google Web Toolkit (GWT) ausgewählt. Über diese Entscheidung kam es zur Kooperation mit der Uni Kassel, Fachbereich 16, FG Software Engineering, der schon mehrere Projekte mit dieser Technologie erfolgreich umgesetzt hatte.
Die große Herausforderung bestand in der logischen und physikalischen Trennung
der Systeme und darin, dass die GWT Komponenten auf dem Application Server des
IWES laufen, aber in dem GUI der Marktplattform, welches auf einem Server von
CUBE Engineering aufgesetzt wurde, angezeigt werden sollen. Dies stellt wiederum
ein zentrales Element für die Übertragbarkeit und die Verwertung der Marktplattform als Gesamtsystem dar, da diese Voraussetzungen und entsprechenden
Schwierigkeiten einem Aufbau als reales System entsprechen. Gespeist werden die
GWT Komponenten mit Daten aus der zentralen Datenbank, die auch in der IWES
Serverinfrastruktur liegt. Das Herstellen dieser Verbindungen zwischen den drei
Hauptkomponenten, eine entsprechende Verschlüsselung und Absicherung dieser
Verbindungen stellte sich als sehr anspruchsvoll, allerdings auch sehr realitätsnah
51
dar, da bei einer Übertragbarkeit des Systems sehr ähnliche Voraussetzungen herrschen würden. Um die entsprechend verschlüsselten Verbindungen herzustellen,
wurden ssl-Zertifikate und ssl-Tunnel eingesetzt. Zudem wurde die Domain
www.regmodharz-marktplatz.de gesichert, die entsprechend auf den Webspace in
der CUBE Serverlandschaft weitergeleitet wurde.
Auf dem CUBE Webserver ist Typo3 als Content Management System installiert und
eingerichtet worden, um eine redaktionelle Betreuung der Marktplattform durch
mehrere Personen zu gewährleisten und bestimmte Funktionen, z.B. eine Benutzerkontensteuerung für den zugangsgeschützten Verbraucherbereich sicherzustellen, ohne diese neu zu entwickeln.
Zum Test und als Redundanz wurde ein zweites Entwicklungssystem aufgebaut.
Fertig entwickelte und getestete Bereiche wurden in das Livesystem übertragen.
Durch das Testsystem wurde zum einen Ausfallsicherheit garantiert, zum anderen
fanden keine Testläufe in der Liveumgebung statt, was spätestens nach Anschluss
der Feldtesthaushalte an die Marktplattform essentiell war.
Die Transparenzinformationen zu Erzeugung, Verbrauch und dynamischem Stromtarif wurden als erstes Entwicklungspaket fertiggestellt. Die BEMIs, Smart Meter und
MUCs wurden mit Zeitverzögerung in den Testhaushalten installiert und an die Datenbank angebunden. Ein wichtiges Kriterium war die sichere Übertragung und
Speicherung der Verbrauchs- und Stammdaten der Feldtesthaushalte. Die Zugänge
der Verbraucher zum geschützten Bereich der Marktplattform wurden anonymisiert
mit der integrierten Benutzerverwaltung von Typo3 gelöst. An dieser Stelle bestand
die Herausforderung darin die Benutzerinformationen, die das Content Management System bereitstellt, an die GWT Komponenten auf dem entfernten IWES Server
verschlüsselt zu übertragen und sicher zu stellen, dass der Feldtestteilnehmer, der
sich einloggt, auch seine Verbrauchs- und Abrechnungsdaten dargestellt bekommt.
Durch Probleme der Konsistenz der Daten werden die Feldtesthaushalte erst seit
März 2012 nach dem dynamischen Stromtarif abhängig von der Residuallast der
Modellregion abgerechnet und können sich auf der Marktplattform die Abrechnungen und Auswertungen des Verbrauchsverhaltens ansehen.
Für die Feldtesthaushalte wurde eine Schulung zur Bedienung der Marktplattform
in Verbindung mit den BEMIs durchgeführt.
Für den Abruf der EPEX-Intraday- und Minutenreservepreise im Bereich „Markt“
wurden python Skripte entwickelt, die die benötigten Preisinformationen von den
Webseiten https://www.regelleistung.net und http://www.epexspot.com abrufen
52
und in einem weiterzuverarbeitenden .csv Format auf einem FTP Server abspeichern. Für die Darstellung und Verwendung auf der Marktplattform werden diese
Dateien via weiterer php Skripte in die zentrale Prognosedatenbank, CUBE intern
eingelesen.
3.4.3 Bereiche
Startseite
Die Startseite enthält eine Übersichtsgrafik des Landkreises Harz mit Platzhaltern für
die EE-Erzeugungsanlagen und dem virtuellen Kraftwerk in der Mitte. Somit wird
transparent dargestellt, wie viele EE Anlagen sich im Landkreis Harz befinden und
wie viele am virtuellen Kraftwerk angeschlossen sind. Im rechten Bereich erhält der
Betrachter die aktuelle Preisstufe des dynamischen Tarifs zur aktuellen Stunde, die
Zusammensetzung der Stromversorgung und den Verbrauch im Landkreis. Im Diagramm unten rechts wird die Ist-Erzeugung und die Prognose für die Erzeugung
und Verbrauch im Landkreis dargestellt. Alle Diagramme aktualisieren sich viertelstündlich.
Verbraucher
Der Verbraucherbereich ist via personalisiertem Login für die Feldtesthaushalte erreichbar und enthält zusätzliche Informationen für das Monitoring und die Auswertung ihres Stromverbrauchs in Zusammenhang mit der Einspeisung an erneuerbaren Energien. Der Login besteht aus der BEMI ID und einem kryptischen Passwort.
Nach dem Login erscheint das Dashboard, auf dem sich einzelne Widgets benutzerdefiniert anordnen lassen. Diese Art der Darstellung wurde gewählt, um einen einfachen übersichtlichen Zugang zu den einzelnen Inhalten des Verbraucherbereichs
zu bieten und einen schnellen Überblick über die wichtigsten Inhalte zu gewährleisten. Durch die Preis- und Erzeugungsprognosen wird dem Nutzer transparent
der Zusammenhang zwischen der Erzeugung erneuerbarer Energien im Harz und
der Preisstufenverteilung aufgeschlüsselt. Durch die Übersicht kann der Verbraucher
sein Nutzungsverhalten für den nächsten Tag planen und somit Last verlagern. Alle
Diagramme ermöglichen auch den Blick in die Vergangenheit oder die Darstellung
eines benutzerdefinierten Zeitraums.
53
Abbildung 19: Dashboard im Verbraucherbereich der Feldtestteilnehmer
Im Unterbereich Monitoring wird die Verbrauchskurve des Haushalts über die Preisstufenverteilung gelegt. Der Nutzer kann für jeden Zeitpunkt des erfassten Feldtests
nachsehen, wie viel Strom er zu welcher Preisstufe verbraucht hat. Der Untermenüpunkt Benchmark stellt die eigene Verbrauchskurve im Vergleich zur durchschnittlichen Verbrauchskurve aller Testhaushalte und zum H0-Standardlastprofil
dar. Die monatliche Verbrauchsabrechnung wird automatisiert erzeugt und steht
dem Verbraucher spätestens am fünften Werktag des Folgemonats online zur Verfügung. Die Abrechnung beruht nicht auf den live übertragenen Werten sondern auf
den Werten, die von dem geeichten Smart Meter gemessen und von der Firma NZR
ausgelesen und übermittelt werden. Bei der online Übertragung der Daten über das
BEMI kann es zu Ausfällen kommen. Diese Ausfälle dürfen keine Auswirkung auf die
Abrechnung und die Bestimmung der „Harztaler“ (fiktive Abrechnungseinheit während des Feldtests; 1 Harztaler = 1 Euro) haben.
Über ein Feedbacksystem im Unterbereich Kontakt können die Feldtestteilnehmer
Probleme melden und/oder Fragen stellen.
54
Die Verwendung des Verbraucherbereichs wird von der Forschungsgruppe Umweltpsychologie begleitet und ausgewertet.
Abbildung 20: Beispiel monatliche Verbrauchsabrechnung Feldtesthaushalt
Erzeuger
Die Karte des Erzeugerbereichs zeigt alle im Rahmen von RegModHarz erhobenen
EE-Anlagenstandorte im Landkreis Harz und deren installierte Leistung. Für diese
Anwendung wurde die Google Karte zu Grunde gelegt und die verschiedenfarbigen
55
Pins koordinatengenau gesetzt. In den Unterbereichen kann man sich die Einspeisung pro EE Erzeugungstyp und dessen Einspeiseprognose ansehen.
Abbildung 21: Überblick EE-Erzeugungsanlagen im Landkreis Harz
Markt
Der Marktbereich bietet dem Nutzer Transparenzinformationen zu den Preisen auf
den unterschiedlichen Strommärkten, hier beispielhaft am Day-Ahead Spotpreis
dargestellt. In diesem Diagramm werden die Day-Ahead Spotpreisprognosen mit
dem aktuellen gehandelten Spotpreis verglichen. Dieses Diagramm soll unter anderem die Genauigkeit der Prognose verdeutlichen. Diese Prognosewerte werden täglich von einem FTP Server, auf dem sie im .csv Format von unserem assoziierten
Partner price[it] GmbH (www.price-it.eu) bereitgestellt werden, automatisiert in
eine Datenbank übertragen.
56
Abbildung 22: Day-Ahead Spotpreisprognosen
Weiter laufen in den Marktbereich Informationen zu Minutenreserve- und Intradaymarkt ein. Die Intradaypreise werden stündlich via python Script von der
Website http://www.epexspot.com ausgelesen und auf einem FPT Verzeichnis abgelegt und entsprechend stündlich in die Datenbank geschrieben. In der Abbildung
22 werden Ist-Werte und Prognosen angezeigt. Die Prognose weicht entsprechend
stündlich von den Ist-Werten ab. Zusätzlich werden für jede Stunde noch die Handelsmengen via Mouse Over Tooltip angezeigt.
Das Verfahren zur Darstellung und Integration der Minutenreservepreise ist analog
zu den Intradaypreisen. Die Minutenreservepreise werden 1x pro Tag, ebenfalls via
python Skript von https://www.regelleistung.net abgerufen und auf einen FTP Server im .csv Format abgelegt. Pro Stunde werden der mittlere und höchste Leistungspreis erfasst und in die Datenbank geschrieben.
100%-EE Szenario
Das „100% Szenario" einer vollständigen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien wurde im Forschungsprojekt untersucht und wird auch auf der Marktplattform
in entsprechend aufbereiteter Form visualisiert. Um dem Nutzer ein Gefühl zu geben, wie sich der Ausbau erneuerbarer Energien in Richtung 100% Versorgung entwickeln kann, werden alle Grafiken und Diagramme der Marktplattform mit entsprechenden Faktoren skaliert und mit der aktuellen Zusammensetzung aus erneuerbaren Energien verglichen. Wichtiger Inhalt dieser Seite ist die flexible Biogasein57
speisung, die sich am Day-Ahead Spotpreis orientiert, was dieses Szenario deutlich
von den anderen untersuchten unterscheidet. Auch der Preisstufenverlauf des eingesetzten variablen Stromtarifs wird an Hand entsprechend untersuchter Faktoren
auf eine 100 % Stromversorgung durch erneuerbare Energien skaliert und mit dem,
aktuell im Feldtest eingesetztem Tarif vergleichen.
Abbildung 23: Spotpreisabhängige Biogaseinspeisung im 100% Szenario
3.5 Prognoseinformationssysteme
Die Modellierung des Gesamtsystems zeigt, dass Prognoseinformationssysteme ein
wichtiger Baustein für die Lösung der energiewirtschaftlichen Fragestellungen sind
und viele der wesentlichen Kernprozesse des Systems vorhersagegestützt arbeiten.
Da diese Informationssysteme in der Realität vielfältige Anforderungen erfüllen
müssen, verteilt und in heterogenen Umfeldern arbeiten, wurde eine allgemeine
servicebasierte Architektur erarbeitet und evaluiert, die es ermöglicht Prognoseinformationssysteme unter diesen Rahmenbedingungen effizient zu nutzen. Dabei
können grundsätzlich beliebig viele Instanzen von Prognoseinformationssystemen
von einzelnen Prognosedienstleistern innerhalb des Gesamtsystems bereitgestellt
werden.
58
Abbildung 24: Architektur des Prognoseinformationssystems
Der zentrale Datenbus (Data-Bus) des Prognoseinformationssystems stellt allen
Komponenten ihre jeweils benötigten Daten zur Verfügung bzw. liefert erzeugte
Daten an die Datenhaltungsschicht weiter. Der Prognosekern (Forecast Core) ist die
algorithmische Kernkomponente zur Prognoseberechnung. Die erstellten Prognosen
stellt der Prognoselieferant (Forecast Provider) durch SOAP Webservices zur Verfügung. Als Prognosedatenmodell wurde eine im Projekt Harz.EE-mobility entwickelte
Erweiterung der Norm IEC 61970-301 verwendet. Der Prognosemanager (Forecast
Manager) koordiniert die Prognoseerstellung, die Informations-Clients (Information
Clients) stellen dem Prognosesystem die notwendigen Eingangsdaten zur Verfügung. Dabei bindet der Client z.B. die Komponenten des Energieanlagenmanagers
als zentralen Lieferanten der Anlagendaten unter Verwendung der Norm IEC 61970301 an.
Bei der Windleistungsprognose werden z.B. numerische Wetterprognosen und gemessene Leistungsdaten von den Informations-Clients abgeholt. Anschließend
werden im Prognosekern die Vorhersagen mit Hilfe von neuronalen Netzen berechnet und dann durch den Prognoselieferant im Zieldatenformat über Webservices
bereitgestellt.
59
Abbildung 25: Energy Forecast: Erweiterung des IEC 61970-301
Ausgehend von den in Harz.EE-mobility entwickelten Prognosedatenmodellen wurde
diese
allgemeine
serviceorientierte
Architektur
erarbeitet.
Prognose-
informationssysteme wurden als energiewirtschaftliche Basisdienste modelliert.
Prognosen werden durch dieses Konzept als Grundinformationen für verschiedenste
Einsatzzwecke einfach, effizient und unter Einsatz zukunftsfähiger energiewirtschaftlicher Standards zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen ermöglicht u.a.
den Einsatz von Prognoseinformationssystemen im Kontext des Smart Grid. Durch
den erfolgreichen operativen Betrieb im Feldtest wurden die Prognosearchitektur
und die dafür verwendeten Datenmodelle evaluiert und gezeigt, dass die erarbeitete Lösung für verschiedene energiewirtschaftliche Problemstellungen wie z.B. virtuelle Kraftwerke und Elektromobilität (Harz.EE-mobility) sehr gut geeignet ist.
Angepasst an die Modellregion wurden Erzeugungsprognosen für Wind- und Solarenergie, Lastprognosen und Preisprognosen für den „Spotmarkt“ umgesetzt und
operativ betrieben.
Aus den Ergebnissen des Projekts ergeben sich weitere Forschungsfragen für zukünftige Prognoseinformationssysteme. Zum einen stellt sich die Frage, wie Prognoseinformationssysteme dynamisch und weitestgehend automatisiert in das Energiegesamtsystem eingebunden werden können. Zu untersuchen ist dabei einerseits, inwieweit prognosebasierte Systeme wie z.B. virtuelle Kraftwerke automatisiert die notwendigen Prognoseanbieter ermitteln und einbinden können. Andererseits muss erforscht werden, inwiefern Prognoseinformationssysteme selbst in
60
der Lage sind, die für ihre Prognose notwendigen Basisinformationen oder –dienste
automatisiert zu integrieren.
Als zweites zukünftiges Prognoseforschungsfeld wurde im Projekt die Erstellung von
probabilistischen Informationsdiensten wie z.B. probabilistischen Prognoseinformationssystemen und die Lösung der damit verbundenen IKT-Fragen identifiziert. Indem man beispielsweise Prognosen als statistische Information erforscht,
ergeben sich neue Möglichkeiten in Bezug auf Risikomanagement und energiewirtschaftliche Entscheidungsprozesse. Parallel dazu müssen IKT-Lösungen für probabilistische Informationssysteme entwickelt werden, um z.B. probabilistische Prognosen in Zukunft einsetzen zu können. Es gilt unter anderem, moderne energiewirtschaftliche Standards zu untersuchen und gegebenenfalls zu erweitern, um statistische Informationen abbilden zu können.
3.6 Dezentrale Einsatzoptimierung mit energyTRADE
Für den Betrieb von virtuellen Kraftwerken wurden verschiedene Strategien für deren Einsatz entwickelt. Dabei ist im Wesentlichen unter der zentralen und dezentralen Einsatzoptimierung zu unterscheiden. Bei der zentralen Einsatzoptimierung
werden alle Vermarktungsoptionen und Anlagentypen in einen Optimierer eingebunden und ein optimaler Vermarktungs- und Einsatzfahrplan erstellt. Bei einer
dezentralen Einsatzoptimierung an den Hauptmärkten wird jede Anlage einzeln
betrachtet oder Anlagen gleichen Typs werden zusammengefasst. Diese dezentrale
Einsatzoptimierung wird dann aggregiert und gemeinsam an den Märkten vermarktet, für die eine hohe Güte der Preisprognose vorliegt. Weitere Vermarktungsoptionen (z.B. Regelenergie) mit geringerer Prognosegüte werden dann nachrangig
berücksichtigt. Der Vorteil der dezentralen Einsatzoptimierung liegt an der zum Betreiber nahen Optimierung. So gibt es nicht einen Optimierer, der durch die hohe
Anzahl an gepoolten Anlagen entsprechende Rechnerleistung benötigt, sondern
mehrere Optimierer, die sogar dezentral auf verschiedenen IKT-Systemen integriert
werden können. So kann zukünftig auch die IKT zur Fernsteuerung die Einsatzoptimierung übernehmen. Weitere Vorteile liegen in der dezentralen Transparenz, da
der Anlagenbetreiber die Einsatzoptimierung für seine Anlage und die Auswirkungen bei Änderungen nachvollziehen kann, was deren Akzeptanz erhöht. Diese dezentralen Einsatzoptimier können kostengünstig für spezielle Anlagentypen entwickelt und implementiert werden. Die Betreiber werden dadurch unabhängiger von
den Vermarktern und können eigene kleinere Pools bilden.
61
CUBE hat in Kooperation mit EMD Deutschland eine Architektur für eine dezentrale
Einsatzoptimierung entworfen (siehe Abbildung 26). Diese wird für die Testumgebung bei einer dezentralen KWK Anlage implementiert und getestet.
Abbildung 26: dezentrale Einsatzoptimierung
62
4 Erzeugung
4.1 Potenziale im Landkreis Harz
Im Folgenden werden die Ausbaupotenziale für die verschiedenen erneuerbaren
Energien im Landkreis Harz hergeleitet. Des Weiteren wird abschließend kurz auf
die Speicherpotenziale eingegangen.
Zur Bestimmung der Ausbaupotenziale für die Windenergie wurde ein Windatlas mit
einem Raster von 1 km x 1 km für den Landkreis Harz erstellt. Anschließend wurden
die Potenziale in zwei Szenarien mit Hilfe der Software WindPRO 2 ermittelt. Zum
einen eine ausschließliche Nutzung der derzeit ausgewiesenen Eignungs- und Vorrangflächen, die bei der regionalen Planungsgemeinschaft Harz in Erfahrung gebracht werden können. Diese haben eine Gesamtfläche von 961,9 ha, was knapp
0,5 % der Landkreisfläche entspricht. Mit den verschiedenen im Projekt getroffenen
Annahmen, u.a. ein Abstand vom 4,5-fachen des Rotordurchmessers in
Hauptwindrichtung, ergibt sich ein Potenzial von 620,4 GWh. Die ausgewiesenen
Flächen sind im Vergleich zum Landesdurchschnitt und zu anderen Bundesländern
eher gering. Daher wurde in einem zweiten Szenario angenommen, dass die für die
Windenergie zur Verfügung stehende Fläche der nachhaltig nutzbaren Fläche für die
Bioenergie von 228,1 km² bzw. 10,8 % der Landkreisfläche entspricht. Daraus ergeben sich Potenziale von 11,7 TWh.
Bei den Ausbaupotenzialen der Solarenergie kann zwischen Schrägdachflächen und
Flachdachflächen unterschieden werden. Die Dachflächen im Landkreis Harz konnten mit Hilfe der ATKIS-Basis-DLM Daten für den Landkreis Harz bestimmt werden.
Aufgrund verschiedener Restriktionen, wie Ausrichtung, Denkmalschutz oder
Schornsteinen, wurden lediglich 32 % der Schrägdächer bei der Potenzialanalyse
berücksichtigt. Bei den Flachdachfächern wurden 25 % der Fläche betrachtet. Mit
einer installierten Leistung von 120 W/m² ergibt sich somit ein Dachflächenpotenzial von 946 MW. Zur Ermittlung der energetischen Potenziale wurden die SoDaGlobalstrahlungswerte genutzt (SODA, 2009). Die räumliche Auflösung der Daten
beträgt 5 km x 5 km. Bei der Berechnung wurde auch berücksichtigt, dass die nicht
nach Süden ausgerichteten Dachflächen eine geringere Vollaststundenzahl haben.
Dadurch ergibt sich ein Potenzial von 820,2 GWh. Aufgrund des bereits sehr großen
Potenzials der Dachflächen, von circa 66 % des Stromverbrauchs wurden keine
Freiflächenpotenziale untersucht.
Die Bewertung der Biomassepotenziale des Landkreises Harz basiert auf einer umfangreichen Studie der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH aus dem Jahr 2008
63
(LGSA, 2008) und auf zusätzlichen Daten der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (LLFG). Das Biomassepotenzial kann unter Berücksichtigung
holzartiger Biomasse, der landwirtschaftlichen Biomasse und biogenen Abfällen
ermittelt werden. Dieses Potenzial teilt sich dann auf den Food- und den NonFood-Sektor auf, wobei der Food-Sektor vorrangig ist. Der Non-Food-Sektor teilt
sich in die Bereiche stoffliche und energetische Nutzung, wobei die stoffliche Nutzung vorrangig ist. Das für die energetische Nutzung zur Verfügung stehende Biomassepotenzial reicht für eine elektrische Leistung von 101,4 MW und eine elektrische Energie von 539,1 GWh aus, wobei sich dieses Potenzial auf verschiedene
Technologien wie BHKW oder GuD-Kraftwerke und auf Vor-Ort-Verstromung oder
Einspeisung ins Gasnetz aufteilt.
Bei den Potenzialen für die Wasserkraft muss zwischen Laufwasserkraftwerken und
Speicherwasserkraftwerken
unterschieden werden.
Bei den Speicherwasser-
kraftwerken (Hydro, 2005) lagen zur Zeit der Potenzialerhebung noch drei Talsperren mit Ausbaupotenzialen von insgesamt 1,3 MW vor, die jedoch mittlerweile erschlossen wurden (TSB, 2009). Bei den Laufwasserkraftwerken ergaben sich nur geringe Potenziale von circa 0,6 MW (MHP, 1992). Es kann somit festgehalten werden,
dass die Wasserkraft im Landkreis Harz kaum Ausbaupotenziale aufweist, insbesondere im Vergleich zu den anderen erneuerbaren Energien. Gleiches gilt für die
Stromerzeugung aus der Tiefengeothermie. Dies kann zum einen damit begründet
werden, dass die Geologie im Landkreis Harz aufgrund fehlender Anomalien nicht
gut für diese Technologie geeignet ist (ENERKO, 2008). Zum anderen ergibt eine
nachhaltige Nutzung des gesamten terrestrischen Wärmestroms des Landkreises
Harz lediglich ein elektrisches Leistungspotenzial von 20 MW.
Erzeuger
Ende 2008
Techn. Potenzial
P [MW]
E [GWh]
P [MW]
E [GWh]
9,6
32,2
101,4
539,1
Wind
150,6
286,4
5886,0 (248,4)
11722,0 (620,4)
Solar
6,5
5,4
946,1
820,2
Wasser
7,2
22,1
8,8
28,9
0
0
0
0
171
327
6942,3 (1304,7)
13110,2 (2008,6)
Biomasse
Geothermie
Gesamt
Tabelle 3: Leistungs- und Energiepotenziale im Landkreis Harz. Bei den Werten in Klammern
beschränken sich die Windpotenziale auf die ausgewiesenen Eignungs- und Vorrangflächen
64
Interessant ist hierbei auch ein Vergleich der Flächeneffizienz der verschiedenen
Technologien, hinsichtlich des Potenzials für elektrische Energie. Diese liegt bei der
Windenergie bei 64,5 kWh/m² in Bezug auf die Parkfläche. Für die Solarenergie beträgt sie 32,6 kWh/m² und für die Bioenergie 1,0 kWh/m².
Die Potenziale von maximal 13,0 TWh und minimal 2,0 TWh für erneuerbare Energien im Landkreis Harz reichen aus, um den gesamten Strombedarf von 1,3 TWh zu
decken und darüber hinaus noch elektrische Energie zu exportieren. Das größte
Potenzial bietet die Windenergie, wobei dieses Potenzial nur erschlossen werden
kann, wenn die Eignungs- und Vorrangflächen im Landkreis Harz vergrößert werden. Hier ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Nutzung der Potenziale ist der
Ausbau der Stromnetze.
Darüber hinaus wurden die Potenziale für Speicher im Landkreis Harz untersucht.
Die Speicherkapazität der Pumpspeicherwerke kann dabei durch die Kopplung
zweier Talsperren von jetzt 0,6 GWh auf 2,2 GWh gesteigert werden. Durch die Umstellung aller PKW-Nutzer im Landkreis Harz auf E-Kfz ergibt sich ein Speicherpotenzial von 1,2 GWh. Das größte Potenzial bieten jedoch unterirdische Gasspeicher
in Form von Salzkavernen in den Salzkissen Huy und Großer Fallstein. Würden diese
als Methanspeicher genutzt werden, ergibt sich eine Speicherkapazität von 2,8 TWh
mit der der gesamte Jahresstromverbrauch im Landkreis Harz gedeckt werden
könnte.
4.2 Prognosen
4.2.1 Preisprognose
Bedeutung der Preisprognose: Mit zunehmenden installierten Wind- und PVAnlagenleistungen werden flexibel steuerbare Energieanlagen verstärkt kurzfristige
Leistungsschwankungen im Netz ausgleichen müssen. Dadurch gewinnt der kurzfristige Stromhandel an Bedeutung. Leitcharakter haben die Preise des Day-AheadSpotmarkts an der Strombörse EPEX (täglicher Handel über die 24 Stunden des Folgetages). Um betriebswirtschaftlich optimierte Fahrpläne für die flexibel steuerbaren Anlagen erstellen zu können, sind Prognosen der stündlichen Markträumungspreise am Day-Ahead-Spotmarkt (auch Market Clearing Preis, MCP) notwendig.
Anforderungen: Die Markträumungspreise sind mit möglichst geringen Abweichungen vorherzusagen, damit die Betreiber flexibler Anlagen die Stunden mit den
höchsten Erlösmöglichkeiten nutzen können. Erzeugungsanlagen werden zu Hochpreiszeiten betrieben, flexible Lasten und Speicher beziehen zu Niedrigpreiszeiten
65
Strom. Die Volatilität der Spotpreise erschwert die Prognose, besonders auch durch
den zunehmenden Einfluss des nur kurzfristig prognostizierbaren Anteils an Windund PV-Strom. Im Untersuchungsjahr 2008 lagen die häufigsten Preissprünge von
Stunde zu Stunde im Bereich zwischen 10 und 15 €/MWh (74 % der Stunden); auch
Preissprünge zwischen 15 bis 20 €/MWh traten häufig auf (13 % der Stunden). In
immerhin 12 % der Stunden waren die Preisunterschiede von einer Stunde zur
nächsten Stunde größer als 20 €/MWh und nur in 0,004 % der Stunden kleiner als
10 €/MWh.
Umsetzung in RegModHarz: Für den Feldtest und die Marktplattform wurde auf die
Prognose eines externen Dienstleisters zurückgegriffen. In 2009 wurde eine Marktrecherche durchgeführt. Vier kommerzielle Prognoseanbieter erklärten sich unter
Maßgabe der Anonymisierung dazu bereit, historische Prognosezeitreihen für eine
Evaluation der Prognosegüte zur Verfügung zu stellen (Untersuchungsjahr: 2008).
Dabei unterschieden sich die Leistungsangebote: Alle vier Prognose¬-anbieter boten Vorhersagen der täglichen Börsen-Indizes Phelix Base und Peak an. Mehrere
Anbieter prognostizierten bereits den MCP für jede Handelsstunde des kommenden
Tages. Prognosen mit mehrtägigem Horizont waren noch nicht Standard. Einzelne
Prognoseanbieter arbeiteten auf Basis aufwändiger Fundamentaldatenanalysen mit
hohem Personalaufwand, die anderen mit zeitreihen-basierten statistischen Methoden, noch ohne Einbindung von Wind- und PV-Einspeiseprognosen.
Die Evaluation der Prognosegüte erfolgte mit folgenden Untersuchungsschwerpunkten (Untersuchungsjahr 2008): 1. Folgetagsprognose für Phelix Base und Peak,
2. Mehrtagesprognose für den Phelix Base, 3. MCP-Prognose für den Folgetag, 4.
MCP-Prognose mit mehrtägigem Horizont, 5. Prognose für Stunden sehr hoher bzw.
niedriger Preise sowie 6. Prognose für Zeiten besonders hoher bzw. niedriger bundesweiter EEG-Einspeisung. Als Bewertungsmaß wurde jeweils der mittlere absolute
Fehler (MAE = Mean Absolute Error) einer Prognosezeitreihe verwendet. Absolute
Preisdifferenzen geben einen guten Eindruck über das mit der Prognose verbundene Preisrisiko. Als Referenzpreis galt der MCP.
Folgetagsprognose für den mittleren Tagespreisindex: Für den Phelix Base traten
je nach Prognoseanbieter Abweichungen >10 €/MWh an mindestens 30 Tagen und
höchstens 122 Tagen auf.
Stundengenaue MCP-Prognosen: Hier lag der MAE über den Zeitraum Februar bis
Dezember 2008 zwischen 7,21 und 10,35 €/MWh (11,0 bis 15,7 % vom jahresmittleren Referenzpreis von 65,76 €/MWh). Am größten waren die Prognoseungenauigkeiten generell zu den höherpreisigen Zeiten, die im Jahr 2008 zu den Mittags66
und Abendstunden auftraten. Zu Zeiten hoher Preisspitzen (MCP >97,5%-Quantil)
lagen die MAE-Werte bei allen Anbietern bei ca. 30 €/MWh. Zu Zeiten absoluter
Tiefpreise (MCP <2,5%-Quantil) lagen die MAE-Werte bei zwei Prognoseanbietern
bei 15,50 €/MWh und bei einem bei 20,50 €/MWh. Zu Zeiten niedriger bundesweiter EEG-Einspeisung (< 2,5%-Quantil) waren Abweichungen zwischen 11 und 14
€/MWh und zu Zeiten hoher EEG-Einspeisung (oberhalb des 97,5%-Quantils) waren
Abweichungen zwischen 10,50 und 15 €/MWh zu verzeichnen.
Preisprognosen mit mehrtägigem Prognosehorizont sind von besonderer Bedeutung für RegModHarz, da diese eine optimierte Einsatzplanung komplexer Anlagensysteme mit Wärme-, Gas- bzw. Stromspeichern erlauben. Es wurde untersucht,
wie sich die mittlere Abweichung mit dem täglich kürzer werdenden Prognosehorizont von sieben Tagen auf einen Tag vor Markträumung verringert. Dies erfolgte
sowohl für die jahresmittlere Abweichung als auch für diejenige im 97,5%-Quantil.
Bei den MCP-Mehrtagesprognosen nahm der jahresmittlere MAE mit abnehmendem
Prognosehorizont von Werten zwischen knapp 11 und 12,50 €/MWh auf Werte zwischen 7,21 und 10,35 €/MWh ab. Dabei war beachtlich, dass ein Anbieter den MCP
bereits fünf Tage zuvor mit einem geringeren jahresmittleren MAE als ein anderer
Anbieter einen Tag zuvor prognostizierte. Hierin dürfte sich der hohe Aufwand für
die Fundamentaldatenanalysen positiv bemerkbar machen. Die MAE im 97,5%Quantil lagen je nach Anbieter sieben Tage zuvor zwischen 35 und 40 €/MWh und
verringerten sich auf etwas über 25 €/MWh (mit Fundamentalanalyse) bzw. etwas
über 35 €/MWh (ohne Fundamentalanalyse). Die Prognose mit der besten MCPVorhersage-Performance liegt einen Tag zuvor für 78 % der Jahresstunden im Bereich von +/- 10 €/MWh und für 5 % der Stunden bei >20 €/MWh absoluter Abweichung. Mit siebentägigen Horizont erzielt diese Prognose in 60 % der Stunden eine
geringe Abweichung innerhalb +/- 10 €/MWh, wobei > 20 €/MWh absoluter Abweichung nur in 13 % der Stunden auftrat.
Ergänzende Untersuchung im Jahr 2012: Seit Januar 2012 bietet das EEG mit der
Marktprämie und der Flexibilitätsprämie den rechtlichen Rahmen und den finanziellen Anreiz für einen bedarfsorientierten Einsatz flexibilisierter Biogasanlagen.
Spotpreisprognosen werden benötigt, um die täglichen Betriebsfahrpläne zu berechnen. Eine konkret auf den Anwendungsfall zugeschnittene Evaluationsmethode
konnte anhand von Testzeitreihen dreier Prognoseanbieter über den Zeitraum
19.06. - 17.07.2012 erprobt werden. Hierzu wurde der bedarfsorientierte und betriebswirtschaftlich optimierte Fahrplanbetrieb einer beispielhaften Biogasanlage
mit zu lieferndem Wärmeprofil simuliert und die Spotmarkterlöse je nach eingesetzter Spotpreisprognose miteinander verglichen. Bei vorheriger Kenntnis des
67
Markträumungspreises wären theoretisch 8.321 € an EPEX-Erlösen erzielt worden
(Referenzwert), bei Verwendung der untersuchten Prognosen entsprechend -1,2 %,
-1,5 % bzw. -5,5 % weniger. Die erlös- und kostenseitigen Unterschiede des je
Preisprognose darstellbaren Fahrplanbetriebs lassen sich auf Basis der BHKWEinsatzzeitreihen (ursprüngliches BHKW plus Zusatz-BHKW mit höherem Wirkungsgrad) transparent analysieren.
Fazit: Bereits mit zeitreihenbasierten statistischen Methoden lassen sich verwendbare Prognosen erzielen. Einen Qualitätssprung erreichen Spotpreisprognosen,
wenn die Prognoseanbieter Fundamentaldatenanalysen durchführen. Grundsätzlich
unterliegen Prognoseverfahren einer raschen Weiterentwicklung, sodass für spätere
Jahre mit Anpassungen an aktuelle Entwicklungen in der Preisdynamik, aber auch
insgesamt verbesserten Prognosegüten zu rechnen ist. Steigende Anforderungen an
die Prognosemodelle ergeben sich aus dem zunehmenden Einfluss der Wind- und
PV-Einspeisung, die nur begrenzt stundengenau für die Folgetage prognostizierbar
ist und damit Prognosefehler herbeiführt. Spotpreisprognosen mit mehrtägigem
Prognosehorizont dürften zukünftig zunehmend interessant werden, denn sie können für komplexe Energieanlagensysteme genutzt werden, die über größere Mehrtagesspeicher verfügen (Wärme-, Gas- oder Stromspeicher) und in der Lage sind,
mehrtägige Windflauten auszugleichen bzw. Hochpreiszeiten am Spotmarkt gezielt
zu nutzen. Je nach Anwendungsfall der Preisprognose können unterschiedliche
Maßstäbe an die Prognosequalität zu stellen sein. Es zeigte sich, dass ergänzende
Betriebssimulationen gut geeignet sind, um für den konkreten Anwendungsfall die
Eignung bestimmter Preisprognosen zu überprüfen.
Stromlastprognose
Anwendungsfälle: In virtuellen Kraftwerken dienen Lastprognosen mit einem Prognosehorizont von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen sowohl der Umsetzung
von Geschäftsmodellen zur Versorgung von Kunden mit deren Bedarfsprofil, als
auch – in Verbindung mit Erzeugungsprognosen – zur Prognose der Residualen Last
im Portfolio oder im Stromnetz. Beim RegModHarz-Feldtest ist der Stromverbrauch
der Modellregion für die Stunden des Folgetages zu prognostizieren. Die Lastprognosewerte fließen in die Residuallastprognose der Modellregion ein, die wiederum
Grundlage für die Berechnung der Preisstufen des dynamischen Stromtarifs der
Feldtestkunden ist. Dies wird transparent auf der Marktplattform dargestellt.
Anforderungen an die Lastprognose für den Einsatz im IKT-basierten VK Harz sind:
Bereitstellung einer Folgetagsprognose und einer innertägigen Prognose, weitgehende Automatisierung, Prognosegüte entsprechend den Anwendungsfällen,
68
schnelle Rechenzeit bei Prognoseerstellung, Lernfähigkeit gegenüber strukturellen
Veränderungen im Lastverlauf, systematische Analysierbarkeit von Prognose-fehlern
aufgrund geringer Komplexität des Modells und kostengünstige und flexibel einsetzbare Lösungen.
Umsetzung in RegModHarz: Es wurden eine Datenbank-Anwendung und eine
Desktop-Anwendung eines autoregressiven Modells mit externen Variablen (ARX)
entwickelt. Die Datenbank-Anwendung wird im Feldtest eingesetzt. Dabei fließen
die in der Datenbank des virtuellen Kraftwerks erfassten Werte für den aktuellen
Stromverbrauch ein. Die Desktop-Anwendung kann als Modul in die Software energyPRO mit eingebunden werden, um dem Anwender die Möglichkeit der Prognoseberechnung für zeitreihenbasierte Betriebssimulationen zu bieten.
Übertragbarkeit des Modells: Eine konkrete Modellkalibrierung ist immer spezifisch
für die getroffene Auswahl von Regressoren (Einflussgrößen) und für das Prognosegebiet, aus dem die Lastmessungen stammen. Für ein anderes Gebiet / eine andere
Auswahl von Regressoren ist eine Neukalibrierung mit diesen Regressoren bzw. mit
Lastmessungen aus diesem Gebiet erforderlich.
Ergebnis / Qualität der Umsetzung: Das Lastprognosemodell kann nur den beschreibbaren Teil der Last prognostizieren, nicht aber zufällig auftretende Ereignisse, die nicht auf regelmäßigen Mustern basieren. Somit sind dem Lastprognosesystem Grenzen gesetzt, wenn es speziell darum geht, die Last weniger dominanter
Abnehmer zu prognostizieren, ohne dass diese weitere Informationen zum Strombezug mitliefern. Die Prognosequalität unterscheidet sich je nach Netzgebiet: Innerhalb des Landkreises Harz ist sie für das Netzgebiet der Halberstadtwerke besser
als für das der Stadtwerke Wernigerode und dort wiederum besser als für das der
Quedlinburger Stadtwerke (Median des relativen Prognosefehlers jeweils für Prognosehorizont 1 Tag, Kalibrierungszeitraum 2006-2007, Prognosezeitraum 2008:
Halberstadt 2,31 %, Wernigerode 2,40 %, Quedlinburg 2,62 %; 90%-Quantile entsprechend 6,32 %, 8,42 %, 8,76 %). Mit Abstand am besten ist die Prognosequalität jedoch für das Bundesgebiet als Ganzes (Median 1,57 %, 90%-Quantil 4,66 %).
Dies ist nicht überraschend, da sich auf dieser Ebene viele lokale zufällige Einflüsse
herausmitteln. Die Prognosefehler wachsen mit der Länge des Prognosehorizonts.
Dieses Wachstum des Fehlers verlangsamt sich jedoch mit zunehmendem Prognosehorizont; für Prognosehorizonte von drei bis fünf Tagen unterscheidet sich die
Verteilungsfunktion des Prognosefehlers kaum von der für zwei Tage. Auch bei innertägigen Prognosen wächst der Prognosefehler zunächst bei kurzen Prognosehorizonten recht rasch und dann allmählich nur noch langsam an. Innertägige Prog69
nosen sind in jedem Fall besser als mehrtägige. Dies entspricht insofern den Erwartungen, da bei innertägigen Prognosen im Rahmen der Autoregression zusätzlich
auf aktuellere Daten zurückgegriffen werden kann. Zusätzlich wird eine Abschätzung des Prognosefehlers angegeben, wobei ein Konfidenzniveau von 90 % oder
95 % gewählt werden kann. Sie beruht auf einer nach unterschiedlichen Zeiträumen differenzierten Analyse des Prognosefehlers im Kalibrierungszeitraum. Grundsätzlich ist jedoch zu betonen, dass keine präzise Vorhersage des Prognosefehlers
möglich ist, da prinzipiell keine deterministische Aussage über die zukünftige Entwicklung der vielfältigen Faktoren möglich ist, die den zeitlichen Verlauf der Last
beeinflussen.
Wärmebedarfsprognose
Anwendungsfall in RegModHarz: Eine Wärmelastprognose wird benötigt, um den
Wärmebedarf einer Verbrauchergruppe für die nächsten Tage abzuschätzen. So
kann eine bedarfsgerechte Erzeugung und Lieferung von Wärme oder Gas zur Wärmebereitung gewährleistet werden. Im virtuellen Kraftwerk werden Wärmeprognosen für die Kopplung der Versorgungssysteme von Strom und Wärme benötigt, um
einen optimierten stromorientierten Betrieb zu ermöglichen. Ein gekoppeltes Versorgungssystem bietet nicht nur hohe Effizienzpotenziale, sondern dient zudem der
Integration der fluktuierend einspeisenden erneuerbaren Energien. Werden Wärmespeicher und Wärmebedarfsprognosen eingesetzt, können flexibel steuerbare
Anlagen im gekoppelten Strom-/Wärmesystem – etwa BHKW, elektrische Boiler,
Gaskessel – stromorientiert gefahren werden und die raschen Wechsel in den Leistungsgradienten der fluktuierenden Stromerzeuger bedarfsorientiert ausgleichen.
Da gezielt Hochpreiszeiten für die Stromeinspeisung genutzt werden können, dient
die Wärmeprognose somit der wirtschaftlichen Optimierung des Betriebs. Für den
Einsatz in RegModHarz wurde ein flexibles und schnelles Verfahren für eine Abschätzung des Wärmebedarfs mit der Auflösung einer Stunde benötigt, das die
Temperaturprognose, Wärmelastgänge, Feiertage und den Wochenverlauf berücksichtigt.
Umsetzung in RegModHarz: Die Modellierung erfolgte auf Basis der in der kommunalen Versorgungsplanung anerkannten Standardlastprofilmethode nach BGW/VKU.
Die Abschätzung des jährlichen Gesamtwärmebedarfs der Modellregion erfolgte im
Rahmen einer Diplomarbeit. Dabei wurden die regionalen klimatischen Rahmenbedingungen, Bevölkerungs- und Gebäudestruktur, charakteristischen Verbräuche der
unterschiedlichen Verbrauchergruppen sowie Branchenzugehörigkeiten von Gewerbe- und Industriebetrieben berücksichtigt.
70
Qualität der Ausgabewerte: Die Genauigkeit der Wärmebedarfsprognose ist abhängig von der Qualität der Eingabedaten (Jahresbedarf und Kundengruppeneinordnung). Da thermische Systeme – besonders bei Einsatz von Wärmespeichern
– träge sind, sind Abweichungen im stündlichen Bereich unkritisch. Ein direkter
Vergleich von der Prognose und den Ist-Daten wurde nicht durchgeführt, da IstDaten nicht vorlagen. Bei der Anwendung im Realbetrieb fließen von den Betreibern von Wärmeversorgungssystemen historische Wärmelastprofile ein, die eine
Optimierung und Justierung der Prognose ermöglichen.
4.2.2 Wind- und PV-Leistungsprognosen
Anwendungsfälle in RegModHarz
Für die Energieproduktion aus Wind und Sonne können keine Fahrpläne erstellt
werden. Für die Vermarktung fluktuierender erneuerbarer Energien muss deshalb
auf Prognosen zurückgegriffen werden. Dazu werden prognostizierte Wetterdaten
unter Berücksichtigung der Anlagenparameter der Windturbinen bzw. PV-Anlagen
in Leistungsdaten umgerechnet. Es liegt in der Natur solcher Prognosen, dass sie
mit kürzerem zeitlichem Prognosehorizont besser werden. Das kann bei der Vermarktung auf verschiedene Weise berücksichtigt werden, z.B. durch eine mehrstufige Vermarktung auf dem Day-Ahead und Intraday-Markt. Auch beim Energiemanagement kann versucht werden, den Prognosefehler durch kurzfristig steuerbare
Anlagen zu minimieren.
Prognosen werden besser, je großräumiger die zu prognostizierenden Anlagen verteilt sind. Das stellt eine besondere Herausforderung dar, da wir uns auf die Betrachtung der im LK Harz vorhandenen Anlagen beschränken.
Basierend auf historischen Prognosedaten und Messdaten wurden für die Windleistungsprognose bereits vorhandene Prognosemodelle weiterentwickelt und angepasst und seitens der Solarprognose ein neues Modell entwickelt. Die für verschiedenen Simulationen ebenfalls notwendigen Ist-Zeitreihen wurden ebenfalls erstellt.
Datengrundlage
Anlagendaten: Im Rahmen des Projekts wurde eine Erzeugerliste (s. Kapitel 4.3)
erstellt, in der sämtliche Erzeugungsanlagen, die sich im Landkreis Harz im Jahre
2008 befunden haben, enthalten sind. Insgesamt befanden sich 2008 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 150,57 MW und PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von 10,36 MW im LK Harz
71
Abbildung 27: Geografische Verteilung der Windkraftanlagen (links) und der PV-Anlagen
(rechts) im LK Harz. Bei PV-Anlagen mit mehr als 30 kW wurde die installierte Leistung mit
dargestellt. (Stand 2008) (Quelle: https://maps.google.de/)
Leistungsmessdaten: Es standen Leistungsmessdaten für die zwei Windparks Druiberg (ab 01.01.2006) und Schwanebeck (ab 01.01.2007) zur Verfügung. Dabei
handelte es sich jeweils um Zählerdaten und SCADA-Daten. Erstere wurden für die
Ist-Zeitreihen, letztere für die Prognosen verwendet. Die Einspeisezeitreihen der
anderen Windparks wurden mithilfe eines Hochrechnungsalgorithmus erzeugt. Um
die Datenqualität zu erhöhen, wurden die Leistungsdaten auf folgende unplausible
Daten untersucht:

Grenzüberschreitung von Leistungswerten

Längerer Leistungsausfall

Signalhänger

Leistungsüberschuss bei niedrigen Windgeschwindigkeiten

Leistungsdefizit bei hohen Windgeschwindigkeiten
Als unplausibel erkannte Daten wurden manuell entfernt.
Für die Erstellung der Mess- bzw. Ist- Einspeisezeitreihen der Photovoltaik konnten
keine, bzw. nicht in ausreichender Menge, historischen Messdaten akquiriert werden. Deshalb war es notwendig die Ist-Werte zusätzlich zu den Vorhersagewerten
zu simulieren. Entsprechend wurde eine unterschiedliche meteorologische Datenbasis für die Ist– und Vorhersagewetterlage für die Koordinaten des Landkreises
Harz benötigt.
72
Meteorologische Daten: Die für die Windleistungsvorhersage notwendigen prognostizierten meteorologischen Parameter wurden von den numerischen Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienst (DWD) bezogen und für die Koordinaten des
Landkreises Harz extrahiert. Dabei handelt es sich um Wetterprognosen der Wettermodelle COSMO-EU und COSMO-DE.
Für die Prognose der eingespeisten Windleistung werden die Vorhersagen des Wettermodells verwendet, die mit dem aktuellsten Modelllauf des Wettermodells vorliegen. Verwendet werden die Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen auf
verschiedenen Höhen, die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit und der Luftdruck
auf Bodenniveau.
Als Datenbasis für die Ist– Werte der PV-Einspeisung wurden die von SODA zur Verfügung gestellten Globalstrahlungsdaten (SODA, 2009) verwendet, die aus Satellitenbildern von dem Satellit METEOSAT mit dem Verfahren Helioclim-3 (Rigollier,
2004) berechnet wurden. Für die Simulation wurden Daten mit einer räumlichen
Auflösung von circa 7 km x 7 km (Gitter des Cosmo-EU Modells des DWD) verwendet.
Für die PV–Prognosewerte wird die Einstrahlung auf Basis der kurzwelligen Bilanzstrahlungsprognose des DWD und einer Abschätzung des Boden-Albedo berechnet.
Zur Berücksichtigung des temperaturabhängigen Wirkungsgrads von PV-Modulen
(Halbleiter) werden Temperaturprognosewerte des Deutschen Wetterdienstes aus
dem Cosmo-EU-Modell sowie Temperaturreanalysewerte verwendet.
Prognosemodelle
Die Windleistungsprognosen wurden am IWES mit Modellen basierend auf künstlichen neuronalen Netzen (KNN) erstellt. Eine Beschreibung dieser Modelle ist in zu
finden (Biermann et al., 2005). Es wird dabei zwischen Folgetags- und Kurzfristprognosen unterschieden.
Folgetagsprognose: Windleistungsprognose für den folgenden Tag von 0:00 bis
23:00 Uhr. Als Wettermodell wird das COSMO-EU Modell verwendet. In Abbildung 28
ist der Prozessablauf zur Erstellung einer Folgetagsprognose schematisch dargestellt.
73
Abbildung 28: Prozessablauf bei der Erstellung der Windleistungsprognose aus der Wetterprognose für den Folgetag
Kurzfristprognose: Windleistungsprognose für die folgenden 1 - 8 Stunden. Wird
die Prognose z.B. um 0:00 Uhr erstellt wird die eingespeiste Windleistung für 1:00,
2:00,…,8:00 Uhr prognostiziert. Als Wettermodell wird das COSMO-DE Modell verwendet. In Abbildung 29 ist der Prozessablauf zur Erstellung einer Kurzfristprognose
schematisch dargestellt.
Abbildung 29: Prozessablauf bei der Erstellung der kurzfristigen Windleistungsprognose aus
der Wetterprognose
Die Berechnung der Windleistungsprognosen wird datengetrieben durchgeführt.
Sobald neue Eingangsparameter für das Prognosemodell verfügbar sind, werden die
neuen Windleistungsprognosen bestimmt. Damit werden die Folgetagsprognose mit
jedem neuen Modelllauf der Wetterprognose und die Kurzfristprognose zusätzlich
noch mit jeder neuen Windleistungsmessung neu berechnet.
Die PV-Leistungsprognose beruht auf physikalischen bzw. empirischen Modellen
für:
74

die PV Umrechnung auf die Modulebene

dem PV Modul

dem Wechselrichter

den verschiedenen Verlusten der Anlage (DC Kabel, AC Kabel, Verschmutzung…)
Als Eingangsdaten werden die globale horizontale Einstrahlung Gh(t), die diffuse
horizontale Einstrahlung Gdh(t), und die Außentemperatur Tamb(t) verwendet. Die
diffuse horizontale Einstrahlung wird auf Basis der globalen horizontalen Einstrahlung und der extraterrestrischen Einstrahlung mit dem Skartveit-Olseth (Skartveit,
1998) Verfahren ermittelt. Die Schritte der Berechnung sind in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt.
Abbildung 30: Verfahren zur Generierung der PV-Zeitreihen
Damit kann die Einstrahlung auf die Modulebene Gt(t) mit dem Perez-Modell (Perez,
1987) ermittelt werden (Block IRRAD). Mit dieser Einstrahlung sowie der Außentemperatur werden die PV Module mit dem HGB Modell (Beyer, 1998) simuliert (Block
PVGEN), woraus sich die Gleichstromleistung PDC (t) der PV Anlage ergibt. Im letzten
Schritt wird die Wechselstromleistung PAC(t) mit dem Schmidt-Sauer Modell berechnet (Schmidt, 1996).
Die PV-Modul-Verschmutzung und -Abschattung, Kabel-Verluste und andere Verluste werden durch einen Abschlag berücksichtigt.
Ergebnisse und Bewertung
Die Windleistungsprognose basiert auf der Windparkprognose für die Referenzwindparks Druiberg und Schwanebeck mit der anschließenden Hochrechnung auf
die unbekannten Windparks. Für die Prognose wird das Modell für die Folgetagsprognose und die Kurzfristprognose basierend auf künstlichen neuronalen Netzen
verwendet. Die Hochrechnung wird mit einem Modell basierend auf der Jahresenergie durchgeführt.
75
Bei der Kurzristprognose ist zwischen der Verfahrensweise Simulations- und Produktivbetrieb zu unterscheiden. Die Kurzfristprognose benötigt zeitnahe Windleistungsmessungen. Diese liegen als historische Zeitreihen für die Simulationsszenarien vor. Im produktiven Betrieb werden nur Windleistungsmessungen für den Windpark Druiberg erfasst. Daher basieren die produktiven Kurzfristprognosen für den
Landkreis Harz ausschließlich auf dem Referenzpark Druiberg. Abbildung 31 zeigt
beispielhaft den Verlauf der Folgetagsprognose und der Kurzfristprognose mit einer
Stunde Prognosehorizont für alle Windparks des LK Harz. Eine Ergebnisübersicht
über die Windprognosen befindet sich im Anhang (Abbildung 98 und Abbildung
99), Die wichtigsten Gütewerte sind in Tabelle 4 zusammengefasst.
Folgetagsprognose
Installierte Kapazität
RMSE
nRMSE
MAE
nMAE
Korrelationskoeffizient
Kurzfristprognose 1h
172,81 MW
172,81 MW
26,81 MW
16,53 MW
15,51%
9,56%
18,21 MW
10,83 MW
10,53%
6,27%
0 ,834
0,948
Tabelle 4: Gütewerte der Windleistungsprognose des Landkreises Harz für die Folgetagsprognose und die Kurzfristprognose mit einem Prognosehorizont von einer Stunde
76
Abbildung 31: Beispiel der Folgetagsprognose (grün) und der Kurzfristprognose mit einem
Prognosehorizont von einer Stunde (rot) für die Windleistungsprognose im Vergleich zur eingetretenen Windleistung (blau)
Der Prognosefehler der Windleistungsprognose für ein so kleines Gebiet wie den LK
Harz ist relativ groß im Vergleich mit der Prognose für Deutschland, bei der der
RMSE für die Folgetagsprognose bei circa 5 % liegt (Lange, 2011). Bei der Vermarktung von regionaler Windenergie kann dies, im Vergleich mit einem Portfolio dessen Windparks über Deutschland verteilt sind, zu erheblichen Nachteilen führen.
Eine Verbesserung der Prognosen für einzelne Windparks ist daher sinnvoll.
Darüber hinaus ist zu erkennen, dass die Prognosen mit einem Horizont von einer
Stunde deutlich besser sind, als die für den Folgetag. Damit können die Auswirkungen von Prognosefehlern beim Handel am Day-Ahead-Spotmarkt durch den Handel
auf dem Intraday-Markt verkleinert werden.
Aus den Einstrahlungsdaten, basierend auf METEOSAT-Satellitenbildern und den
Temperaturdaten aus den Reanalysedaten des DWD, wurden die Ist-Werte der PVEinspeisung simuliert. Im zweiten Lauf wurden dann aus diesen Daten und den
Cosmo-EU Daten des DWD die PV-Prognosezeitreihen erstellt. Der Verlauf dieser beiden Zeitreihen ist beispielhaft in Abbildung 32 für den LK Harz dargestellt. Die Ta77
belle 5 zeigt eine Übersicht über die wichtigsten Gütewerte der PV-Prognose für
den LK Harz und zwei Einzelanlagen.
10.357 kWp
PV Anlage Halberstadt
3.800 kWp
PV Anlage Dardesheim
132,24 kWp
841,94 k<Wp
354,50 kWp
12,01 kWp
8,13 %
9,33 %
9,09 %
-8,47 kWp
-1,20 kWp
-0,033 kWp
-0,082 %
0,032 %
0,025 %
0,898
0,877
0,877
Landkreis Harz
Installierte Kapazität
RMSE
nRMSE
MAE
nMAE
Korrelationskoeffizient
Tabelle 5: Fehlerabschätzung der Prognose und Ist–Werte für die PV–Einspeisung des Landkreises Harz und der beiden Anlagen in Dardesheim und Halberstadt
Es ist zu erkennen, dass die PV-Prognose für den gesamten LK Harz besser ist, als
die für einzelne Anlagen. Dies ist ebenfalls auf räumliche Ausgleichseffekte zurückzuführen. Zum Beispiel wirkt sich der Durchzug einer Wolke stärker auf eine einzelne Anlage aus, als auf die Gesamtheit aller Anlagen im LK Harz.

78
Die PV-Prognosen sind deutlich besser als die Windprognosen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die
PV-Prognosen für die Nacht immer korrekt sind. Tagsüber können durchaus
große absolute Fehler auftreten.
Abbildung 32: Darstellung der Ist- und Prognosezeitreihen der PV–Einspeisung des Landkreises Harz vom 10. – 20. Februar 2008
4.3 Szenarien
Für RegModHarz wurden Leitszenarien erarbeitet, um den fachübergreifenden Forschungsarbeiten einen einheitlichen Rahmen zu geben und Kompatibilität der Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Im Rahmen von Simulationsrechnungen wurden Analysen zur energieeffizienten und wirtschaftlich optimierten Betriebsführung
von Energieanlagen, zu Stromvermarktungsstrategien und zur Auslastung des
Stromnetzes durchgeführt.
Definition der Leitszenarien, Parameter und angenommenen Werte
Es wurde eine Auswahl an Szenarien getroffen, die es ermöglicht, Wege in Richtung
einer 100%-EE-Versorgung zu skizzieren:

Leitszenario 1: Referenzsituation im Jahr 2008

Leitszenario 2: EE-Ausbauszenario für das Jahr 2020

Leitszenario 3: Szenario einer 100%-Versorgung mit erneuerbaren Energien
(EE)
79
Diese drei Szenarien unterscheiden sich wesentlich in der installierten Wind- und
PV-Leistung.
Abbildung 33: installierte Wind- und PV-Leistung in den RegModHarz-Leitszenarien
In einem Nachschlagedokument (im folgenden „Leitszenariendokument“) sind die
Werte der relevanten Parameter mit den zugehörigen Annahmen, Herleitungen und
differenzierteren Einzelwerten dokumentiert. Die vollständige Datenbasis für die
Simulationen besteht im Verbund mit einer Erzeugungsanlagenliste und einem Paket an Viertelstundenzeitreihen. Die Erzeugungsanlagenliste enthält alle EEG- und
KWKG-Erzeugungsanlagen in der Modellregion mit technischen Daten, Anlagenstandorten und vergütungsrelevanten Informationen. Bei den Viertelstundenzeitreihen handelt es sich um Erzeugungszeitreihen, Lastzeitreihen (Netto- und Bruttostromverbrauch) und Preiszeitreihen. Dabei liegen Ist-Zeitreihen, Zeitreihen der
Folgetagsprognosen und teilweise innertägige Prognosen vor.
Parameter sind: (1) Installierte Leistung und Stromerzeugung erneuerbare Energien;
(2) Installierte Leistung und Stromerzeugung KWK und Biomasse; (3) Nettostromerzeugung; (4) Strom- und Gaspreise (Großhandel und Endkunden); (5) Nettostromverbrauch; (6) Jahreshöchstlast; (7) Speicherpotenzial; (8) Lastverlagerungspotenzial; (9) Erzeugungsverlagerungspotenzial; (10) Marktdurchdringung Smart Meter;
(11) Marktdurchdringung E-Kfz; (12) Bevölkerungsstruktur der Modellregion; (13)
Netzausbau; (14) IKT-Ausbau; (15) Konventioneller Kraftwerkspark sowie (16) Lufttemperatur/Klima. Sämtliche Werte beziehen sich auf die Modellregion Harz, die
anhand der politischen Kreisgrenzen des Landkreises Harz im Jahr 2008 definiert
wurde. Die Parameterwerte stellen Annahmen dar und sind nicht mit Prognosen
über eine zukünftige Entwicklung zu verwechseln.
80
Leitszenario 1 basiert auf Erhebungen und Schätzungen zur Ist-Situation im Jahr
2008. Für Leitszenario 2 (Jahr 2020) wurde je Parameter jeweils ein Wert zugrunde
gelegt, der eine als realistisch einzuschätzende Annahme darstellt. Das Leitszenario
3 stellt eine Vision für eine 100%-EE-Stromversorgung dar und baut auf weitreichenden Annahmen für eine mögliche Energieversorgungssituation auf. Die in den
Szenarien installierten Leistungen und erzeugten Strommengen sind in Tabelle 6
und Tabelle 7 zusammengefasst.
Leitszenario
Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3 (100%-EE)
20XX
Jahr
Wind
2008
2020
Teilszenario A
Teilszenario B
151 MW
248 MW
630 MW
630 MW
10 MW
90 MW
708 MW
708 MW
7 MW
9 MW
9 MW
9 MW
10 MW
20 MW
26 MW*
26 MW*
Biogas/-masse aus
Gasnetz
-
-
177 MW **
155 MW ***
Fossiles/EE Methan
14 MW (fossil)
23 MW (fossil)
-
336 MW ****
PV
Wasser
Biogas/-masse
Vor-Ort-Verstromung
Tabelle 6: Installierte Leistungen des Kraftwerksparks für die untersuchten Szenarien
81
Leitszenario
Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3 (100%-EE )
20XX
Jahr
2008
Wind
2020
Teilszenario A
Teilszenario B
311 GWh
620 GWh
1.404 GWh
1.404 GWh
PV
10 GWh
97 GWh
671 GWh
671 GWh
Wasser
22 GWh
29 GWh
27 GWh
27 GWh
Biogas/-masse
Vor-Ort-Verstromung
41 GWh
99 GWh
113 GWh*
113 GWh*
Biogas/-masse aus
Gasnetz
-
-
704 GWh**
418 GWh***
Fossiles/EE-Methan
84 GWh (fossil)
108 GWh (fossil)
-
908 GWh****
Tabelle 7: Erzeugte Strommengen des Kraftwerksparks für die untersuchten Szenarien
*
aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit flexibilisierter Verstro-
mung vor Ort (verdoppelte Erzeugungsleistung mit Volllaststundenzahl von ca.
4.350 h/a)
**
KWK aus unflexiblem Betrieb (Volllaststundenzahl von ca. 4.000 h/a) mit Bi-
omethan. Davon 418 GWh aus der Modellregion (Begrenzung durch Biomassepotenziale).
***
KWK aus flexiblem Betrieb (Volllaststundenzahl von 2.700 h/a) mit Biome-
than aus der Modellregion
****
KWK aus flexiblem Betrieb mit EE-Methan (Volllaststundenzahl von 2.700
h/a), weil bei einem KWK-Anteil wie in der UBA-Studie die erforderliche KWKLeistung 491 MW beträgt (Vgl. (Megersa, 2012)) und bei einem für Teilszenario B
angenommenem Potenzial an Biomethan von 155 MW der Rest durch EE-Methan
bereitgestellt werden muss.
Differenzierter Blick auf Leitszenario 1 (Jahr 2008)
Die Stromerzeugung in der Modellregion betrug in Summe 470 GWh (vgl. Tabelle 7).
Dies entspricht auf das Jahr bezogen rund 36 % des Stromverbrauchs von 1.300
GWh. Erneuerbar erzeugter Strom deckte 28 % des Stromverbrauchs, wobei Windund Solarenergie einen Anteil von 69 % an der Gesamterzeugung hatten
82
Der Stromverbrauch der Modellregion wurde für das Jahr 2008, inklusive Netzverlusten, auf 1.300 GWh beziffert – ohne den Industrieverbrauch aus Eigenerzeugung. Die Netzlast des Bruttostromverbrauchs (Nettostromverbrauch + Netzverluste)
bewegte sich zwischen 65 MW und 221 MW. In über 90 % aller Viertelstunden waren Stromimporte in die Modellregion erforderlich. Der Bedarf an Stromimporten lag
in der Jahressumme bei 850 GWh, exportiert wurden 20 GWh Strom. Die Stromexporte beziffern sich auf 4,5 % der Stromerzeugung. In knapp 8 % aller Viertelstunden des Jahres 2008 – dies entspricht der Dauer eines Monats – wurde im Landkreis Harz bereits mindestens so viel Strom erzeugt wie verbraucht. Allein die Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie deckte den Stromverbrauch in knapp 5 %
der Viertelstunden. Die Häufigkeitsverteilung der Residuallast der Modellregion
(hier berechnet als Leistungsdifferenz aus Bruttostromverbrauch minus Gesamterzeugung) macht deutlich, dass bereits im Jahr 2008 die maximale Überschussleistung mit 100 MW einen knapp halb so hohen Betrag aufwies, wie die Jahreshöchstlast von 221 MW.
Abbildung 34: Strombilanz und Residuallast im Landkreis Harz für Leitszenario 1
Differenzierter Blick auf Leitszenario 2 (Ausbauszenario bis 2020)
Auf eine nähere Beschreibung für das Leitszenario 2 wird an dieser Stelle verzichtet,
weil hierauf im Abschnitt 4.6.1 sowie 5.2 näher eingegangen wird. Deshalb werden in diesem Abschnitt nur die Strombilanz und die Häufigkeitsverteilung der Residuallast veranschaulicht.
83
Abbildung 35:Strombilanz und Residuallast im Landkreis Harz für Leitszenario 2
Differenzierter Blick auf Leitszenario 3 (100% erneuerbare Energien)
Dem 100 %-EE-Szenario wurde bewusst keine Jahreszahl in der Zukunft zugeordnet, da es eines unter vielen denkbaren Szenarien für eine 100%-EE Stromversorgung darstellt und weder mit einer Prognose, noch mit einer Zielvorgabe verbunden ist. Im Rahmen der Szenariodefinition wurden vereinfachte Annahmen getroffen. Der Ausbau von IKT und Smart Meter wird als flächendeckend und dynamische
Tarife als Standard angenommen. Der Wärmebedarf und die Bevölkerungszahl entsprechen denen für Leitszenario 2 (vgl. Tabelle 36 im Anhang). Für den jährlichen
Strombedarf wird das gleiche Niveau wie im Jahr 2008 angenommen. Dieses beträgt circa 1.300 GWh/a. Es wird berücksichtigt, dass der herkömmliche Stromverbrauch aufgrund von Effizienzsteigerungen abnimmt. Aufgrund von neuen Verbrauchern, wie z.B. durch den vermehrten Einsatz von elektrischen Wärmepumpen
und Kältemaschinen, wird die Effizienzsteigerung kompensiert.
Für eine Stromversorgung mit 100% erneuerbaren Energien werden zwei theoretische Fälle unterschieden: Eine 100%-EE-Stromversorgung als Inselsystem (leistungsautark) und mit Einbindung in das bundesweite Übertragungsnetz (energieautark). Durch die Einbindung in das Übertragungsnetz wird zum einen der überregionale räumliche Ausgleich der fluktuierenden Wind- und PV-Einspeisung ermöglicht, zum anderen wird das Flächenpotenzial der ländlich geprägten Modellregion
genutzt, um Ballungsräume mitzuversorgen. Auch bedarfsgerechte Stromimporte
aus den speziellen Potenzialen anderer Regionen werden möglich. Aus diesem
Grund wird nur die energieautarke Versorgung näher beleuchtet.
Die Definition des Erzeugungsmix erfolgte in Anlehnung an die UBA-Studie (UBA &
IWES, 2010). Grundlage für die Simulation war das Wetterjahr 2008. Dabei wurden
die technischen Potenziale der Energieträger (vgl. Kapitel 4.1) herangezogen. Die in
der UBA-Studie für die BRD angenommene installierte Leistung je erneuerbarer
Energiequelle wurde zur Skalierung auf die Modellregion mit einem Flächenbezugs84
faktor von 0,59 % multipliziert, sofern die flächenskalierte Leistung das technische
Potenzial nicht überschritt (vgl. Tabelle 33 im Anhang). Die installierte Leistung der
Windenergie konnte flexibel so weit nach oben justiert werden, bis die zu erzeugende Jahresstrommenge durch den Erzeugungsmix in der Modellregion gedeckt
wurde. Für die zu erzeugende Jahresstrommenge wurde festgelegt, dass sich die
Modellregion anteilig an der Bereitstellung des jährlichen Gesamtstrom-verbrauchs
der BRD beteiligt. Dazu wurde der ENTSO-E Wert für den Nettostromverbrauch der
BRD in 2008 mit dem Flächenbezugsfaktor multipliziert, was eine zu erzeugende
Jahresstrommenge von 2.920 GWh/a ergibt. Somit erzeugt die Modellregion das
2,25–fache des eigenen Jahresstrombedarfs. Aufbauend auf diesen Annahmen
wurde in einem ersten Schritt das Teilszenario A entwickelt. In diesem Teilszenario
A werden noch keine Speicher berücksichtigt. Des Weiteren werden die flexiblen
Biogas- und KWK-Anlagen nach der bundesweiten Residuallast als Führungsgröße
betrieben. Teilszenario A wurde von der Universität Magdeburg auf Netzverträglichkeit hin untersucht.
Im Projektverlauf sind auf Grundlage zusätzlicher Überlegungen erweiterte Annahmen getroffen worden, die es ermöglichen den jeweils aktuellen Kenntnisstand zu
nutzen, um die genannten Parameterwerte zu variieren und ein 100%-Szenario
mit besserer Umsetzbarkeit zu entwickeln (Teilszenario B).
Bei einer 100%-EE-Stromversorgung ist es zur möglichst effizienten Nutzung von
EE-Strom erforderlich, die Stromversorgung nicht isoliert zu betrachten, sondern
Verknüpfungen mit den anderen Verbrauchssektoren zu nutzen. Dadurch kann auch
die erforderliche Flexibilität des Stromversorgungssystems gesteigert werden. Bei
einer Vernetzung der Infrastrukturen kann das energiewirtschaftliche Potenzial von
Erzeugungs- und Lastmanagement (im Folgenden: Energiemanagement) und des
Gasnetzes als Stromspeicher (hier: Power-to-Gas) besser ausgeschöpft werden. Eine
mögliche Vernetzung der Infrastrukturen wird in Abbildung 36 veranschaulicht.
85
Abbildung 36: Vernetzung der Infrastrukturen
Aufbauend auf den beschriebenen erweiterten Annahmen wurde Teilszenario B
entwickelt. Hierbei wurde die Stromversorgung mit der thermischen Energieversorgung gekoppelt und der Einfluss eines Energiemanagements untersucht. Das Energiemanagement kann vor allem zur Glättung des Residuallastverlaufs (Zeitreihe der
noch zu deckenden Bedarfsleistung) eingesetzt werden, in dem flexible Erzeuger
möglichst zu Zeiten mit hoher Residuallast und flexible Lasten zu Zeiten mit niedriger oder negativer Residuallast eingesetzt werden. Hierdurch wird der Bedarf an
Strom aus teuren Spitzenlastkraftwerken/Stromspeichern oder der Import von Strom
aus anderen Regionen reduziert. Für das Energiemanagement wird in diesem Zusammenhang vor allem ein verstärkter Ausbau von thermischen Speichern (sowohl
Wärme- als auch Kältespeicher) angenommen. Bei den Simulationen der KWKAnlagen und Wärmepumpen wurden Wärmespeicher mit sechs Stunden sowie Kältespeicher mit zwei Stunden Speicherkapazität angenommen. Wärmespeicher dienen einer Entkopplung des Stromverbrauchs der Wärmepumpen sowie der Stromerzeugung in KWK-Anlagen vom Wärmebedarf und damit einer Flexibilisierung des
Stromversorgungssystems. Kältespeicher dienen in der Kühlperiode dazu, den
Strombedarf für die Klimatisierung zeitlich vom Klimatisierungsbedarf zu entkoppeln und bieten somit ein weiteres Lastverschiebepotenzial. Der Einsatz von Wärmespeichern ermöglicht neben der bedarfsgerechten Erzeugung auch eine Reduzierung der teillastbedingten Laufzeitrestriktionen von KWK-Anlagen. Diese Restriktionen können durch Zwischenspeicherung der nicht direkt gebrauchten Wärme aus
KWK-Anlagen umgangen werden, wodurch die KWK-Anlagen stromgeführt betrieben werden können. Hierdurch wird die jährliche Stromerzeugung aus KWKAnlagen im Vergleich zum Betrieb ohne Wärmespeicher erhöht.
86
Neben dem Energiemanagement sind Stromspeicher zur Bedarfsdeckung und Flexibilisierung des Stromversorgungsystems unumgänglich. Diese werden in unterschiedlicher Leistung und Speicherkapazität benötigt. Es gibt eine Vielzahl von
Speichertechnologien, die für die unterschiedlichen energiewirtschaftlichen Einsatzgebiete Vor- und Nachteile besitzen (vgl. (Sauer, 2006)). Im Rahmen des Forschungsprojektes soll eine Übertragbarkeit auf andere Regionen gewahrt werden,
sodass auch die untersuchten Speichertechnologien, etwa hinsichtlich ihrer Potenziale, für eine Übertragbarkeit geeignet sein müssen. In dem Szenario wird die
elektrochemische Stromspeicherung in Form von erneuerbarem Methan (Power-toGas) aus Wind- und PV-Erzeugungsspitzen als geeignete Form zur Stromspeicherung
betrachtet. Das Gas wird ins Gasnetz eingespeichert und in dezentralen KWKAnlagen und GUD-Kraftwerken rückverstromt. Diese Form der Stromspeicherung ist
etwa zum Ausgleich von längeren Windflauten geeignet.
Der Einsatz von Stromspeichern und die Ermittlung des Speicherbedarfs in der Modellregion erfolgen in Abhängigkeit der Strombilanz bzw. der Residuallast. Diese
entspricht der Differenz zwischen Last und fluktuierender/dezentraler Erzeugung in
der Modellregion. Zur Veranschaulichung des Einflusses von Energiemanagement
auf den Stromspeicherbedarf wird die Strombilanz und die Häufigkeitsverteilung
der Residuallast der Modellregion für Teilszenario A und B in Abbildung 37 und Abbildung 38 veranschaulicht.
Abbildung 37: Strombilanz und Häufigkeit der Residuallast im Landkreis Harz für
Teilszenario A
Abbildung 38: Strombilanz und Häufigkeit der Residuallast im Landkreis Harz für
Teilszenario B
87
Wie in Abbildung 37 und Abbildung 38 im Vergleich zu erkennen ist, wird durch
das Energiemanagement der notwendige Import aus anderen Regionen oder aus
Stromspeichern von 190 GWh auf 70 GWh reduziert. Hierbei wirkt sich vor allem die
um circa 80 % erhöhte Stromerzeugung aus KWK-Anlagen positiv auf die Defizitmenge bzw. Importstrommenge aus, weil durch die thermischen Pufferspeicher
auch in Zeiten mit sehr geringem Wärmebedarf Energie (Strom und Wärme) erzeugt
werden kann. Weiterhin ist in den Abbildungen zu erkennen, dass sich durch das
Energiemanagement die Überschüsse erhöhen. Diese können entweder exportiert,
gespeichert oder – bei Netzengpässen – abgeregelt werden. Aufgrund der angestiegenen Überschussmenge steigt auch die erforderliche Stromspeicher- und Netzkapazität, wenn die Überschüsse durch Speicherung oder Export nutzbar gemacht
werden sollen. Vorteilhaft ist eine Stromspeicherung in Form von aus Überschussstrom erzeugtem Methan im Erdgasnetz, das eine fast unbegrenzte Speicherkapazität aufweist. Hierdurch kann mehr Brennstoff für die flexible Rückverstromung in
KWK-Anlagen und Gaskraftwerken bereitgestellt werden. Als weiterer Nebeneffekt
ist noch zu erwähnen, dass durch die gestiegenen Überschüsse durch die Kopplung
von Stromversorgung und thermischer Versorgung auch die Volllaststunden der
Elektrolyseure zunehmen und diese sich somit schneller refinanzieren.
Die Ermittlung des Bedarfs an „Power-to-Gas“ (Leistung und Speicherkapazität) bei
einer energieautarken 100%-EE-Versorgung erfolgte mit dem Ziel, die in der Modellregion entstehenden Überschüsse aufzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt nutzbar zu machen, sofern Ex- und Importmöglichkeiten ausgeschöpft sind
(hier nicht aus Gründen der Netzkapazität, sondern aus Gründen der Konstellationen von Stromerzeugung und Strombedarf in Modellregion und BRD). Nachdem der
Strombedarf anderer Regionen durch den Export elektrischer Energie gedeckt ist,
gilt als Führungsgröße für die Einspeicherung der Energie der Jahresverlauf der negativen Residuallast der Modellregion. Für die Ausspeicherung ist hingegen der
Jahresverlauf der positiven Residuallast der Modellregion nach dem Import die
Führungsgröße, weil es energiewirtschaftlich sinnvoller ist Überschüsse aus anderer
Region zu beziehen, bevor Stromspeicher eingesetzt werden. Die Ausspeicherleistung entspricht hierbei der im Jahresverlauf maximal auftretenden Leistungsspitze
der positiven Residuallast. Die mindestens erforderliche Ausspeicherkapazität ergibt
sich aus dem Maximum der hintereinander auftretenden Stunden mit Defiziten und
der sich hieraus ergebenden Defizitmenge. Die Einspeicherleistung und die Einspeicherkapazität lassen sich nach der gleichen Methodik anhand des Verlaufs der negativen Residuallast ermitteln. Unter diesen Annahmen und bei der in (Megersa,
2012) näher beschriebenen Regelung für den Einsatz von Stromspeichern ergibt
88
sich der in Tabelle 8 zusammengestellte Bedarf an der Stromspeicherform „Powerto-Gas“. Bei den in der Tabelle angegebenen Werten für die Speicherkapazität
handelt es sich um Mindestwerte, die erforderlich sind, um die längsten Perioden
mit Windflauten (Ausspeicherkapazität) und Windüberschuss (Einspeicherkapazität)
auszugleichen.
Teilszenario A
Teilszenario B
Ausspeicherleistung
(Erzeugungskapazität
Gaskraftwerk)
230 MW
290 MW
Einspeicherleistung
(Leistung Elektrolyseur)
770 MW
930 MW
5.535 MWhel
(9.930 MWh CH4)*
2.850 MWhel
(4.750 MWh CH4)*
15.658 MWhel
(10.000 MWh CH4)**
15.040 MWhel
(9.600 MWh CH4)**
Ausspeicherkapazität
(CH4-Menge zur Überbrückung
von Windflauten)
Einspeicherkapazität
(erforderlicher Speichervolumen im Gasnetz)
Tabelle 8: Stromspeicherbedarf bei der energieautarken Versorgung der Modellregion
*
bei einer Rückverstromung in GuD-Kraftwerken mit einem Wirkungsgrad von
60 %
**
bei einem Elektrolyse- und Methanisierungswirkungsgrad von 80 % (64 %
Gesamtwirkungsgrad)
Durch den dezentralen Einsatz der Speichertechnologie „Power-to-Gas“ und der
Speicherung von Überschüssen im Gasnetz kann die Abregelung von EE-Strom reduziert werden, wenn z.B. aufgrund von Netzengpässen oder bundesweiten Starkwindphasen der Export in andere Regionen nicht möglich ist. Der somit nicht abgeregelte EE-Strom könnte für andere Verbrauchssektoren (Wärme/Verkehr) zur Verfügung gestellt werden, sodass durch „Power-to-Gas“ EE-Strom mehr und mehr zur
Primärenergie werden kann.
4.4 Marktzugang für erneuerbare Energien
Die Zugangsvoraussetzungen für Betreiber dezentraler erneuerbarer Energieanlagen
zum Strommarkt sind essenziel für die Marktintegration erneuerbarer Energien. Aus
diesem Grund erfolgte eine Untersuchung der Rahmenbedingungen für die Marktteilnahme. Relevante Großhandelsstrommärkte für RegModHarz sind die Spot- und
89
Regelleistungsmärkte. Die wesentlichen rechtlichen Rahmen-bedingungen stellen
dabei das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG)
sowie das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) mit jeweils angegliederten Verordnungen dar. Die mit den Gesetzesnovellen im Laufe des Projekts verbundenen
Neuerungen sind in techno-ökonomische Simulationen und in die Empfehlungen
zum Rechtsrahmen eingeflossen. Bei den im Rahmen des Projekts durchgeführten,
anwendungsbezogenen Untersuchungen und Simulationen wurden die beschriebenen Rahmenbedingungen für die Marktteilnahme vorausgesetzt. Die Untersuchungen münden in Empfehlungen zum Rechtsrahmen und zur Weiterentwicklung der
Märkte in Kapitel 7.2.
Wesentliches Kriterium für eine Beurteilung der Märkte und des rechtlichen Rahmens ist, dass für neue Marktteilnehmer der Zugang zu den Handelsmärkten gewährleistet ist und eine Refinanzierung der benötigten fluktuierend einspeisenden
und flexiblen Energieanlagen sicher gestellt ist. Das heutige EEG bietet eine funktionierende Grundlage für den Ausbau und die Entwicklung erneuerbarer Energieanlagen und die Geschäftskonzepte dezentraler Akteure im EEG, da es eine Bankfähigkeit und eine Planungssicherheit für Investitionen bietet und den Marktzugang
für neue Marktteilnehmer und Marktrollen ermöglicht. Zukünftig wird das Versorgungssystem zu großen Anteilen auf der fluktuierenden Einspeisung von Wind- und
Sonnenenergie basieren. Mit dem heutigen Preisfindungsmechanismus werden sich
Wind- und PV-Anlagen zukünftig nur schwer refinanzieren können. Des Weiteren
werden flexible Anlagen und Speicher benötigt, um Leistungsschwankungen auszugleichen. Für den Erlös der benötigten flexiblen Anlagen und Speicher bzw. zur Refinanzierung der Anlagenflexibilisierung ist am Day-Ahead-Spotmarkt die tägliche
Preisspreizung zwischen den Hochpreiszeiten und den Tagesmittelwerten entscheidend, denn der Mehrerlös, der durch die Vermarktung zu Hochpreiszeiten im Vergleich zur gleichmäßigen Stromeinspeisung erzielt wird, muss die Kosten decken
und einen angemessenen Zusatzgewinn ermöglichen. Diese Preisspreizung ist von
2008 bis 2011 deutlich gesunken, u.a. wegen der zunehmenden PV-Einspeisung
zur Mittagszeit, insbesondere in den Sommermonaten (vgl. hierzu auch Kapitel
4.5.3). Da sich auf dem Weg zur 100%-EE-Stromversorgung neue Anforderungen
an die Stromhandelsmärkte stellen werden, wird eine Markt-transformation unumgänglich sein.
Sollen erneuerbare Energien die tragende Säule im Stromversorgungssystem darstellen, ist es wesentlich, dass sämtliche EE-Anlagen Systemdienstleistungen bereitstellen und ein Zugang zu den Märkten besteht. Zur Marktöffnung hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) an den Regelleistungsmärkten die Angebotsblöcke verkürzt
90
und die Mindestleistungen gesenkt. Zudem wurde ein Anlagenpooling offiziell zugelassen. Wind- und PV-Anlagen können noch nicht am Regelleistungsmarkt teilnehmen, da z.B. noch nicht definiert ist, wie der Nachweis für die bereitgestellte
Regelleistung zu erfolgen hat.
Der Zugang zu Marktdaten, insbesondere Arbeits- und Leistungspreisen, könnte
weiter verbessert werden. Markttransparenz ist elementar für (potenzielle) Marktteilnehmer, um den Markt einschätzen, Geschäftsmodelle bewerten und das operative Geschäft wirtschaftlich durchführen zu können. Eine automatisierte Abrufbarkeit wichtiger Preissignale vereinfacht die Prozesse.
Um abschätzen zu können, ob sich eine Teilnahme an den Regelleistungsmärkten
lohnt, ist eine Analyse der erzielbaren Leistungs- und Arbeitspreise in Zusammenhang mit zeitreihenbasierten Simulationen, die auch die Opportunitätskosten beinhalten, Voraussetzung (s. Kapitel 4.5).
30 €
Minutenreserve Negativ MLP
[€/MW/Stunde]
25 €
Minutenreserve Positiv MLP
[€/MW/Stunde]
20 €
15 €
Sekundär-regelleistung Negativ
[€/MW/Stunde]
10 €
Sekundär-regelleistung Positiv
[€/MW/Stunde]
5€
0€
Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt
08 08 08 08 09 09 09 09 10 10 10 10 11 11 11 11
Primärregelung
[€/MW/Stunde]
Abbildung 39: Regelleistungspreise (Leistungspreise) im Vergleich (Monatsmittelwerte)
Hinsichtlich der Leistungspreise ist festzustellen, dass positive Regelleistung seit
2010, anders als noch im Jahr 2008, regelmäßig niedriger bepreist wurde als negative Regelleistung (siehe Abbildung 39). Die Preise für Minutenreserveleistung waren 2010 eingebrochen. Für negative Minutenreserve entwickelten sich die Preise
im Jahr 2011 teilweise wieder attraktiver. Negative Minutenreserve erreichte zu
Zeiten geringer Stromnachfrage (im Jahresmittel in den Blöcken 0 - 4 Uhr und 4 - 8
Uhr sowie sonntags) höhere Preise. Primärregelleistung ist höherpreisig als Minutenreserveleistung und Sekundärregelleistung. Bei der Primärregelleistung muss
jedoch berücksichtigt werden, dass die Kosten für die abgerufene Arbeit darin enthalten sind, da es keine Arbeitspreise gibt.
91
4.5 Direktvermarktung an Großhandelsmärkten
Die Direktvermarktung von Strom aus EEG-Anlagen an der Strombörse EPEX SPOT hat
mit der Einführung der Marktprämie (§ 33g EEG) am 1. Januar 2012 eine wesentliche Bedeutung für Anlagenbetreiber erhalten. Mit dem Ziel, die Markt- und Systemintegration der dezentralen Anlagen in das Stromversorgungssystemen in Zukunft fortzuführen, wird die Bedeutung der Direktvermarktung weiter zunehmen.
Im Projekt RegModHarz wurde die Direktvermarktung daher als zentrales Geschäftsmodell für den Betrieb von EEG-Anlagen gesetzt. Neben der Vermarktung der
erzeugten Energie wird auch die Vermarktung von Regelleistung verfolgt, da erneuerbare Energien auch zunehmend an der Bereitstellung von Systemdienstleistungen
beteiligt werden sollen. Ein wesentlicher Aspekt der Direktvermarktung ist der Zusammenschluss vieler dezentraler Anlagen in einem virtuellen Kraftwerk. Im Rahmen des Projekts wurde für die Modellregion Harz ein zentraler Poolkoordinator als
neuer Akteur definiert, der das virtuelle Kraftwerk organisiert und die Direktvermarktung der EEG-Anlagen übernimmt.
4.5.1 Direktvermarktung über einen Poolkoordinator
Neue Marktrolle des Poolkoordinators
Für die Teilnahme der dezentralen Anlagen an den Märkten ist ein Zwischenhändler
oder Dienstleister erforderlich, der eine Pooling-Funktion einnimmt, da so

die notwendigen Mindestangebotsgrößen erreicht werden können,

Aufwand und Risiko des Stromhandels auf viele Einzelanlagen verteilt werden,

Portfolios bedarfsgerecht zusammengestellt werden können und

für die Bereitstellung von Regelleistung die hohen Zuverlässigkeitsanforderungen eher erfüllt werden, da im Pool Reservekapazitäten leichter vorgehalten werden können.
Eine zentrale Rolle bei der Direktvermarktung von Energiemengen und Regelleistung des virtuellen Kraftwerks hat damit der Poolkoordinator. Er kann grundsätzlich
auf zwei Arten die Direktvermarktung unterstützen. Als Dienstleistung kann er u.a.
die Anmeldung der Anlagen bzw. den Wechsel in die Direktvermarktung, die Zustellung von abrechnungsrelevanten Daten an den Netzbetreiber und die Abrechnung
der Anlagen für den Anlagenbetreiber übernehmen. Des Weiteren kann er selbst
mit Strom handeln und einen eigenen Bilanzkreis bewirtschaften. Gemäß der Rollendefinition in RegModHarz hat der Poolkoordinator eine Händlerrolle inne. In
seinem Bilanzkreis kann er die dezentralen Anlagen zur Stromerzeugung, aber auch
92
Speicher und Verbraucher bündeln. Damit ermöglicht er folgende Ziele in RegModHarz:
1. Die Vertriebe erhalten regionalen Strom aus erneuerbaren Energien bedarfsgerecht für ihr Portfolio geliefert, um die Endkunden in der Region zu beliefern.
2. Die Anlagenbetreiber aus der Region erhalten einen Marktzugang und können Mehreinnahmen erwirtschaften.
3. Die Bereitstellung von Regelleistung durch die dezentralen Anlagen der Modellregion (wobei für fluktuierende Erzeuger Anpassungsbedarf im Präqualifikationsverfahren besteht).
Beziehung zwischen Poolkoordinator und Anlagenbetreiber
Zwischen dem Poolkoordinator und dem Betreiber der dezentralen Anlage besteht
eine vertragliche Bindung, die u.a. die Stromlieferung, die Vergütung und die Haftung regelt. Zur Vereinbarung der Stromlieferung und der Haftung bei Fahrplanabweichungen können drei mögliche Abnahmevereinbarungen zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Poolkoordinator unterschieden werden:
a) ungeregelte Abnahme
b) Fahrplanlieferung
c) Leistungsbereitstellung
a) Die ungeregelte Abnahme, bei der die gesamte erzeugte Energie so abgenommen
wird, wie sie gerade produziert wird, eignet sich vor allem für die Wind- und Solarenergie und für Laufwasserkraft. Die Verantwortung zur Planung bzw. Prognose der
Erzeugung und das Risiko von Prognoseabweichungen liegen dann beim Poolkoordinator. Die Vergütung des Stroms sollte mengenabhängig sein. Wenn die Höhe der
Vergütung vom Marktwert abhängt, liegt das Vermarktungsrisiko beim Anlagenbetreiber. Bei einer festen Vergütungshöhe (in Zusammenhang mit der Marktprämie)
liegt das Vermarktungsrisiko beim Poolkoordinator. Der Poolkoordinator kann durch
die Bündelung vieler großräumig verteilter Anlagen eines Energieträgers sowohl das
Vermarktungs- als auch das Prognoserisiko reduzieren.
b) Eine Fahrplanlieferung, bei der der Anlagenbetreiber nach kurzfristigen Vorgaben
bzw. einer längerfristigen festen Vereinbarung ein Lastprofil an den Poolkoordinator liefert, eignet sich vor allem für thermische Stromerzeuger (Biomasse, KWKAnlagen, Geothermie) und Speicher, insbesondere wenn eine flexible Lieferung
vereinbart wird. Die Haftung im Fall von ungeplanten Ausfällen muss geregelt wer93
den. Des Weiteren sollten Vertragsstrafen zumindest für signifikante Abweichungen
vom vereinbarten Lastprofil geregelt werden, um die Zuverlässigkeit der Lieferung
zu erhöhen. Die Vergütung des Stroms müsste eine finanzielle Absicherung des Anlagenbetreibers enthalten, da der Anlagenbetreiber sonst vom Vermarktungsgeschick des Poolkoordinators abhängig ist. Das Vermarktungsrisiko liegt damit beim
Poolkoordinator.
c) Die Leistungsbereitstellung bedeutet, dass der Poolkoordinator eine Änderung
des aktuellen Betriebszustandes mit unmittelbarer Gültigkeit bewirken kann, z.B.
im Rahmen der Vermarktung von Regelleistung. Der Poolkoordinator muss die Anlage so einplanen, dass die Leistung und Energie verfügbar ist und muss entsprechend einen Zeitplan für die Leistungsbereitstellung der Anlage erstellen. Der Anlagenbetreiber ist dafür verantwortlich, dass die vom Poolkoordinator geplante Leistung und Energie abrufbar ist. Eine Kombination der Leistungsbereitstellung mit
einer ungeregelten Abnahme (a) oder einer Fahrplanlieferung (b) ist erforderlich,
wenn z.B. Regelleistung mit Windenergie- oder Biogasanlagen vermarktet werden
soll. Eine Leistungsbereitstellung ohne Stromlieferung kann vereinbart werden,
wenn z.B. Regelleistung mit Notstromaggregaten oder mit Lasten, die den Strom
von einem anderen Händler bzw. Energieversorger beziehen, angeboten wird. Die
Vergütung ist entweder abhängig von der bereitgestellten Leistung oder wird in
Zusammenhang mit der Stromlieferung nach a) oder b) abgerechnet.
Aufgaben und Prozesse der Handelsabwicklung des Poolkoordinators
Sobald eine EEG-Anlage aus der EEG-Festvergütung in die Direktvermarktung wechselt, sind Prognosen, Energiehandel und Fahrplanmeldungen (siehe Abbildung 40)
maßgebliche Prozesse im Ablauf eines Handelstages.
94
Abbildung 40: Aufgaben eines Poolkoordinators bei der Vermarktung
Grundlage der Fahrplanmeldung des Händlers an den Übertragungsnetzbetreiber
(ÜNB) ist die gehandelte elektrische Energie. Die gehandelte Energie basiert auf
Prognosen z.B. für die Wasserkraft, die Wind- und Solarenergie sowie auf der sonstigen Planung der Stromerzeugung z.B. aus Biomasseanlagen und Speicherwasserkraftwerken. Bei flexibel einsetzbaren Anlagen, wie z.B. Biogasanlagen, wird ein
Energiemanagement auf Basis von Preisprognosen eingesetzt. Für den Bezug von
Prognosen und die sonstige Planung ist der Poolkoordinator (s.o.) verantwortlich.
Um eine Kurzfristprognose mit einer hohen Qualität zu erhalten, wird neben der
regelmäßigen Aktualisierung der Wetterprognosen ein Monitoring der Anlagen mit
einer regelmäßigen Übermittlung des Anlagenzustandes notwendig. Dieser Informationsfluss ist im Rahmen der EEG-Festvergütung nicht erforderlich und muss daher bei einem Wechsel in die Direktvermarktung technisch eingerichtet und personell betrieben werden. Auf Basis der verbesserten Kurzfristprognose können am
Intraday-Markt Ausgleichsmengen gehandelt und entsprechende Fahrplananpassungen dem ÜNB mitgeteilt werden. Eine signifikante Verbesserung bei der Vermarktung wird erzielt, wenn der Händler über geplante und ungeplante Ausfälle
vom Anlagenbetreiber unterrichtet wird. Geplante Anlagenstillstände können am
Vortag in die Vermarktung einbezogen werden. Aufgrund von (ungeplanten) Anlagenausfällen und Abweichungen der Erzeugung von der letzten Prognose entstehen
offene Lieferpositionen, die der Händler weiter ausgleichen kann. Neben dem Intraday-Handel, der eine Vorlaufzeit von 45 Minuten hat, kann dieser Ausgleich auch
rückwirkend am IntradayS-Markt erfolgen. Für die verbleibenden Abweichungen
muss monatlich eine MaBiS Bilanzkreisabrechnung mit dem zuständigen Übertra95
gungsnetzbetreiber durchgeführt werden. Dazu müssen täglich die abrechnungsrelevanten Erzeugungsdaten in viertelstündlicher Auflösung zwischen Verteilnetzbetreiber und Poolkoordinator ausgetauscht werden. Wegen der monatlichen Abrechnung der EEG-Festvergütung war dieser Datenfluss nicht notwendig und muss eingerichtet werden.
4.5.2 Werkzeuge zur Simulation der Vermarktung
energyPRO (kommerzielles Softwareprodukt von EMD International A/S)
Als zentrales Werkzeug für die techno-ökonomischen Simulationen und Analysen
des Anlagenbetriebs und der für RegModHarz definierten Geschäftsmodelle wurde
bei CUBE Engineering die Software energyPRO von EMD International A/S eingesetzt.
Für die Umsetzung der Simulationen wurden neue Anlagen- und Speichermodelle
sowie Algorithmen zur Analyse des Stromhandels gemäß den Rahmenbedingungen
im EEG 2012 entwickelt und in energyPRO eingebunden. Des Weiteren erfolgte die
Implementierung eines Algorithmus zum zeitgleichen Handel an verschiedenen
Märkten und der bilanziellen Deckung eines regionalen Strombedarfs. In den Simulationsberechnungen können Energieanlagen unterschiedlicher Art berücksichtigt
und mit benutzerdefinierten Betriebsstrategien versehen werden. Berechnungsgrundlage bilden – je nach Analysegegenstand – ganzjährige Zeitreihen zum
Strom- und Wärmebedarf sowie meteorologische Randbedingungen. Als ökonomische Parameter können sowohl Preiszeitreihen (z.B. Spot- oder Minutenreservemarkt), Tarifpreise als auch Festpreise für Energiemengen, Leistungsvorhaltung, Betriebsstunden, Startvorgänge oder CO2-Ausstoß berücksichtigt werden. Die Optimierung erfolgt iterativ in Abhängigkeit der ökonomischen Parameter und der gewählten Betriebsstrategie unter Berücksichtigung der Speicherfüllstände mehrere Tage
im Voraus.
Die Abbildung 41 zeigt eine optimale Betriebsweise unterschiedlicher Erzeugungsanlagen anhand einer Führungsgröße (hier die Residuallast der BRD als Strompreisreferenz) unter Berücksichtigung vorhandener Speicherkapazitäten.
96
Abbildung 41: Ausgabe der in energyPRO berechneten Fahrpläne im Zeitverlauf
RedSim (Simulationsumgebung von Fraunhofer IWES)
Die Simulationsumgebung RedSim (Renewable Energy Dispatch Simulation) wurde
zur Anlageneinsatzplanung entwickelt und in MATLAB implementiert. Mit der Simulationsumgebung werden optimale Fahrpläne von Anlagen für einen langen Betrachtungszeitraum berechnet. Damit können Untersuchungen u.a. die Wirtschaftlichkeit von Anlagen in der Vermarktung oder die Integration von erneuerbaren
Energien in ein Vertriebsportfolio durchgeführt werden.
Die Berechnung eines Fahrplans erfolgt in einer gemischt-ganzzahligen linearen
Optimierung. Zur Lösung der Optimierungsprobleme wird die Software IBM ILOG
CPLEX Optimization Studio eingebunden. Das Optimierungsmodell wird in Abhängigkeit der betrachteten Anlagen und deren Anwendungen aufgebaut.
97
Abbildung 42: Ablauf der Simulation in einer rollierenden Einsatzplanung
Es werden unterschiedliche dezentrale Anlagentypen und Anlagenkombinationen
unterstützt:

Wind- und Solarenergie, Laufwasserkraft (Planung basiert auf Prognosen)

Biomasseanlagen, KWK-Anlagen ggf. in Kombination mit Gas- und Wärmespeicher

Pumpspeicherwerke, elektrochemische Speicher, Power-to-Gas-Anlagen

elektrische und thermische Verbraucher
Der Anlageneinsatz wird entsprechend der Anwendung optimiert. Es können unterschiedliche Anwendungen den Anlagen zugeordnet werden:

Spotmarkt Strom und Gas

positive und negative Regelleistung

Profilglättung von (residualen) Lasten
In der Simulationsumgebung wird das Prinzip der rollierenden Planung angewandt.
Der Ablauf erfolgt chronologisch in Abhängigkeit der Simulationszeit. Zu jedem
Handlungszeitpunkt einer Anwendung wird für den Handlungszeitraum die Fahrplanberechnung durchgeführt (z.B. für die Auktion der Stundenkontrakte am Folgetag). Die Fahrplanoptimierung erfolgt mit einer zeitlichen Überlappung. Der zeitliche Horizont der regelmäßigen Optimierung entspricht dem Horizont der jeweils
verfügbaren Informationen (Prognosen). Der gesamte Fahrplan für den untersuchten Simulationszeitraum setzt sich aus den zuletzt berechneten Fahrplänen für jeden Zeitraum zusammen.
98
4.5.3 Ergebnisse aus der Simulation der Vermarktung
Anlagenportfolio der Modellregion
Um die Chancen und Risiken der verschiedenen Direktvermarktungsmöglichkeiten
näher untersuchen zu können, wurden im ersten Schritt die durchschnittlichen
EEG-Festvergütungssätze der verschieden Erzeuger für die Modellregion im Jahr
2008 ermittelt. Für das Anlagenportfolio des Landkreises Harz wurde ein durchschnittlicher Festvergütungssatz in Höhe von 18,68 ct/kWh errechnet. Demgegenüber lag der Marktwert der Erzeugung nach Day-Ahead-Spotmarktpreisen bei 6,87
ct/kWh. Der Marktwert entspricht jedoch nicht den Erlösen, die eine Vermarktung
nach Prognosen und der Abrechnung von Ausgleichsenergie beinhalten. Diese Differenzeinnahmen, sowie die Mehrkosten für Handel und Börsenanbindung sollen
nach dem EEG 2012 § 33g durch die optionale Marktprämie gedeckt werden. Die
folgende Tabelle zeigt eine Gegenüberstellung der EEG Festvergütungssätze und der
am Markt zu erzielenden Erlöse.
Erzeuger
Installierte
Leistung
[MW]
Wind
150,565
310.624
8,63
5,82
3,91
1,10
PV
10,357
9.817
42,48
8,06
35,58
1,16
Wasser
7,202
22.135
7,36
6,17
1,55
0,36
Biogas
5,715
31.442
17,53
6,60
11,24
0,31
Biomasse
3,863
9.650
17,4
7,68
11,22
1,50
Gesamt
177,7
383.668
Ø 18,68
Ø 6,87
Ø 12,70
Ø 0,97
Erzeugte
Energie
[MWh]
Vergütung EEG
Ø
[ct/kWh]
Erlös EEX Ø
[ct/kWh]
Marktprämien (MP) LK
Harz
[ct/kWh]
EEX + MP EEG
[ct/kWh]
Tabelle 9: EEG-Vergütung und Erlöse aus Direktvermarktung mit Marktprämie
Vermarktung der Windenergie
Direktvermarktung des Windanlagenportfolios in der Modellregion Harz
Die Vermarktung von Strom aus Windenergie erfolgt auf Basis von Einspeiseprognosen. Durch die Abweichung zwischen der prognostizierten und der tatsächlich erzeugten Energie innerhalb einer Viertelstunde entstehen Ausgleichsenergiekosten,
die ein finanzielles Risiko darstellen. Das Risiko kann durch Erhöhung der Prognosegüte reduziert werden. Die Prognosegüte erhöht sich durch die Vergrößerung der
räumlichen Verteilung des Anlagenportfolios und durch die Verkürzung der Vorlaufzeit von Prognosen. Mit dem Intraday-Handel auf Basis von Kurzfristprognosen
kann die vortägige Vermarktung, die auf Basis von Folgetagsprognosen erfolgt, kor99
rigiert werden. Das reduziert die Ausgleichsenergiemengen, die eine Risikoposition
bei den Handelskosten darstellen. Die eingesparten Kosten müssen mit den Kosten
für die Teilnahme am Intraday-Handel gegenübergestellt werden.
100
98,1%
-2,6%
Z%
90
Ø EPEX Erlöse [€/MWh]
80
70
60
103,2%
-3,2%
95,8%
-2,2%
98,9%
-2,5%
97,2%
+0,8%
98,5%
-1,4%
97,7%
-6,3%
93,6%
+0,8%
86,8%
-0,5%
Z%
88,6%
-4,4%
Z%
95,5%
-0,6%
50
85,2%
-2,4%
Z%
40
30
20
10
0
Jan
Feb
Mrz
Ø Börsenpreis
Apr
Mai
Jun
Jul
Ø EPEX Erlöse Windpark LK Harz
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Ø EPEX Erlöse Windpark BRD
Abbildung 43: Monatlicher Base-Preis, Marktwert des Windstroms aus bundesweiter Einspeisung und aus der Modellregion Harz 2008
Die Reduktion der Kosten für Ausgleichsenergie durch kurzfristigen Handel wurde
mit den im Projekt ermittelten Einspeise- und Prognosezeitreihen des Anlagenportfolios der Modellregion Harz untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Vermarktung nach Folgetagsprognosen (Bezugsjahr 2008) am Day-Ahead-Spotmarkt
Ausgleichsenergiekosten in Höhe von 2,6 Mio. € anfallen würden. Das entspricht
ca. 14 % der Einnahmen im Day-Ahead-Handel. Wenn der Intraday-Handel zur
Korrektur genutzt wird, reduzieren sich die Ausgleichsenergiekosten auf 0,71 Mio. €
(4 % der Einnahmen aus dem Handel). Durch eine Vergrößerung der Anzahl an
Windparks mit einer starken räumlichen Verteilung können die Kosten für die Ausgleichsenergie ebenfalls gesenkt werden. Durch die Nutzung des räumlichen Ausgleichseffekts verbessert sich die Prognosegüte. Die Ausgleichsenergiekosten nach
der regionalen Folgetagsprognose liegen im Vergleich zur Prognose für die Regelzone 50 Hertz (2008) um 4,7 Prozentpunkte höher.
Ein weiteres Risiko stellt die Berechnungsvorschrift der Marktprämie dar, weil der
Referenzertrag zur Feststellung der Höhe der Marktprämie auf der bundesdeutschen
Gesamteinspeisung basiert. Der Marktwert einer Teilmenge, z.B. innerhalb einer
Region, kann im Vergleich zum bundesweiten Marktwert höher oder niedriger sein.
100
In Abbildung 43 sind für das Szenariojahr 2008 die Höhe des durchschnittlichen
Börsenpreises, das Verhältnis des deutschlandweiten Referenzmarktwerts der
Windenergie zum durchschnittlichen Börsenpreis (obere Prozentangabe) und die
Abweichung des Referenzmarktwerts der Windenergie in der Modellregion Harz vom
deutschlandweiten Referenzmarktwerk dargestellt. Im Fall der Modellregion Harz
im Szenario 2008 ist der Marktwert der Windstromerzeugung geringer als im bundesweiten Vergleich. Die Bezüge aus der Marktprämie ohne der Managementprämie
belaufen sich auf 8.430.215 €. Zusammen mit den Markterlösen führt das zu Mindereinahmen von 3,65 % gegenüber der EEG-Einspeisevergütung.
Direktvermarktung von Wind-Speicher-Kombinationen
Die Vermarktung von Windenergie kann durch die Kombination mit einem Stromspeicher unterstützt werden. Ein Mehrwert kann prinzipiell auf zwei Arten entstehen: die zeitliche Verschiebung der Windstromeinspeisung in Stunden mit höheren
Preisen (a) und der Ausgleich von Prognoseabweichungen (b).
a) Bei der zeitlichen Verschiebung wird die Windstromeinspeisung während niedriger Preise durch das Laden des Speichers reduziert und während hoher Preise durch
das Entladen des Speichers erhöht. Die Höhe der Marktprämie ändert sich aufgrund
der Berechnungsvorschrift (s.o.) durch den Speicherbetrieb nicht. Der erzielte
Mehrwert entspricht demnach dem Marktpreisunterschied durch Laden und Entladen. Ein Speicher kann diesen Mehrwert auch ohne Kopplung an einen Windpark
generieren. Speicher und Windpark sind damit vollständig unabhängig voneinander am Markt. Wenn die Kombination von Speicher und Windpark an einem gemeinsamen Zähler stattfindet, entstehen zudem Nachteile: Der Speicher kann nur
so viel Energie laden, wie gleichzeitig (Viertelstunde) im Windpark erzeugt wird.
Damit kann der Speicher nicht vollständig am Markt ausgenutzt werden. Zudem
reduziert sich die eingespeiste Energie mit Vergütungsanspruch durch die Wirkungsgradverluste.
b) Beim Ausgleich von Prognoseabweichungen stellt der Speicher eine Leistung zur
Verfügung, die im Fall von Prognosefehlern spontan abgerufen wird. Den damit
erzielbaren Kostenersparnissen müssen Einnahmen durch eine anderweitige Nutzung des Speichers gegenübergestellt werden. Im Rahmen einer stochastischen Optimierung, bei der die Wahrscheinlichkeiten von Spotmarktpreisen, Ausgleichsenergiepreisen und Prognoseabweichungen einbezogen werden, können die Opportunitätskosten des Speichers am Spotmarkt bereits in der Einsatzplanung berücksichtigt werden. Ein weiterer alternativer Einsatzzweck von Speichern ist die Regelleistung. In (Hochloff, 2010) wurde für die Windenergie in der Modellregion Harz ge101
zeigt, dass in keinem Angebotszeitraum (Szenario 2008) ein finanzieller Vorteil entsteht, wenn der Speicher zum Ausgleich von Fehlern der Kurzfristprognose eingesetzt wird, anstatt zur Bereitstellung von Sekundärregelleistung.
Vermarktung der Solarenergie
Analog zur Direktvermarktung des Windanlagenportfolios im Landkreis Harz wurden
ebenfalls Untersuchungen im Hinblick auf die anfallenden Ausgleichsenergiekosten
für die Stromerzeugung aus den Photovoltaikanlagen durchgeführt. Für die Solarenergie war eine Folgetagsprognose für das Szenariojahr 2008 verfügbar. Eine Vermarktung der Solarenergie entsprechend der Folgetagsprognose am Day-AheadSpotmarkt führt zu Ausgleichsenergiekosten mit einem Anteil 0,5 % an den Börsenerlösen.
Der niedrige Anteil der Ausgleichsenergiekosten liegt auch an den hohen Börsenerlösen für die Solarenergie. Insgesamt ist das Marktpreisniveau in dem Szenario
2008 sehr hoch. Hinzu kommt ein hoher relativer Marktwert der Solarenergie durch
die hohe zeitliche Übereinstimmung der Spitzen der Solarenergieerzeugung und der
Strompreise. In den Folgejahren nimmt der relative Marktwert der Solarenergie ab
(siehe Abbildung 44). Aus der hohen installierten Leistung der Solarenergie folgt
eine hohe Einspeiseleistung in den Mittagsstunden. Da der EEG-Strom preisunabhängig im Börsenhandel angeboten wird, sinken die sonst üblichen Spitzenpreise
in der Mittagszeit stark ab.
102
140%
35
133%
125%
116%
114%
111%
30
109%
100%
100%
25
80%
20
60%
15
40%
10
20%
5
0%
0
Wertigkeit PV
installierte Leistung
installierte Leistung [GW]
relativer Wert [%]
120%
Linear (Wertigkeit PV)
Abbildung 44: Marktwert und installierte PV Leistung von Jan. 2006 – Jul. 2012
Vermarktung von Strom aus Biogasanlagen
Für die Untersuchung der steuerbaren Erzeugungsanlagen wurden Simulationen
einer existierenden Biogasanlage mit einer installierten elektrischen Leistung von
526 kW durchgeführt. Die erzeugte Jahresenergiemenge von 4.230 MWh wurde mit
einer EEG Festvergütung in Höhe von 16,24 ct/kWh vergütet. Hieraus resultieren
Einnahmen in Höhe von 686.964 €, die als Referenz für die folgenden Vermarktungsstrategien zu Grunde gelegt wurden.
Direktvermarktung mit Marktprämie
Die Marktprämie ist so konzipiert, dass die Mindereinnahmen an der Strombörse
sowie die erhöhten Kosten für den Mehraufwand und Handel, durch die Marktprämie (inkl. der Managementprämie) gedeckt werden. Die Marktprämie berechnet
sich aus der Differenz des individuellen EEG-Vergütungssatzes und dem durchschnittlichen Börsenpreisniveau. Die Stromerzeugung der betrachteten Biogasanlage verläuft annähernd konstant (Abbildung 45) mit 500 kW elektrischer Leistung.
Der Marktwert der Stromerzeugung im Day-Ahead-Handel entspricht trotz regelmäßiger, kurzfristiger Anlagenstillstände dem Phelix-Base-Preis, sodass über die
Marktprämie die gleichen Einnahmen generiert werden können, wie mit der EEGVergütung. Die Managementprämie in Höhe von 0,225 ct/kWh (2015) bis 0,3 ct/kWh
103
(2012) dient primär zur Deckung der Handelskosten (Ritter, 2011). Als Anreiz zur
Direktvermarktung erhalten Anlagenbetreiber 50 % bis 60 % von der Managementprämie. Das erhöht die Einnahmen für den Anlagenbetreiber um ca. 1 %.
250 Angebot von negativer Regelleistung ist eine weitere Möglichkeit Zusatzerlöse
Das
Spotmarktpreise
zu200erzielen. Die mittleren kumulierten Leistungspreise des Jahres 2011 betrugen
[€/MWh]
150
36.000
€/MW für Minutenreserve und 50.000 €/MW für negative Sekundärregelleis100
tung. Unter der Annahme, dass der Anlagenbetreiber ebenfalls 50 % bis 60 % der
50
Zusatzerlöse aus der Regelleistungsvermarktung erhält, kann der Ertrag der Anlage
0
um-50ca. 1,4 % bis 1,7 % bei Minutenreserve oder um 1,9 % bis 2,3 % bei Sekun01.Jan.
01.Feb.
01.Mar.
01.Apr.
01.May.
därregelleistung erhöht werden.
01.Jun.
01.Jul.
01.Aug.
01.Sep.
01.Oct.
01.Nov.
01.Dec.
Stromerzeugung
[MW]
0.5
0
01.Jan.
01.Feb.
01.Mar.
01.Apr.
01.May.
01.Jun.
01.Jul.
01.Aug.
01.Sep.
01.Oct.
01.Nov.
01.Dec.
Abbildung 45: Messreihe der Stromerzeugung einer Biogasanlage im Jahresverlauf
Direktvermarktung mit Markt- und Flexibilitätsprämie
Neben der Marktprämie wurde als zusätzlicher Bonus für die Biogasanlagen die Flexibilitätsprämie (§ 33i EEG) eingeführt. Damit wurde ein Anreiz geschaffen, in höhere bzw. zusätzliche BHKW-Leistung sowie Gas- und Wärmespeicherkapazitäten zu
investieren und die Anlagen gezielt in Zeiten mit höheren Strompreisen zu betreiben. Die Flexibilitätsprämie deckt dabei nur zum Teil die Kosten für die zusätzlichen
Anlagen. Der Rest der Kosten muss zusätzlich zum Referenzmarktwert durch eine
flexible, preisorientierte Betriebsweise erwirtschaftet werden. Im Folgenden wird
der Frage nachgegangen,
a) welche Erlöse durch die Optimierung der Einsatzzeiten erzielt werden können,
b) inwieweit zusätzliche Erlöse durch die Teilnahme am Regelleistungsmarkt erzielt werden können und
c) wie groß die zusätzliche Leistung sowie die Speicherkapazität im Optimum
dimensioniert werden müssen.
Der Einfluss der Punkte a) und b) wird anhand von Simulationsrechnungen mit der
Beispielanlage dargestellt, deren elektrische Nennleistung mit einem zweiten BHKW
104
von 526 kW verdoppelt wird. Die Gasspeicherkapazität wird für die Untersuchung
auf 15,4 MWh Speicherhub gesetzt. Die Kosten für diese Anlagenerweiterung liegen
nach (Rohrig, 2011) schätzungsweise bei 2,5 ct/kWh. Die Zahlungen aus der Flexibilitätsprämie würden bei 1,6 ct/kWh liegen. Demnach müssen ca. 0,9 ct/kWh an
zusätzlichen Erlösen erwirtschaftet werden um die Anlagenerweiterung zu finanzieren.
Der Einfluss der zusätzlichen Kapazität in Punkt c) wird anhand der Kosten für die
Anlagenerweiterung, den Einnahmen aus der Kapazitätskomponente und den optimierten Einnahmen der jeweiligen Anlagenkomposition dargestellt.
a) zusätzliche Erlöse durch die Optimierung der Einsatzzeiten
Die Marktprämie berechnet sich in Abhängigkeit der Differenz des EEGVergütungssatzes zum Durchschnittswert der Erzeugung. Als Durchschnittswert der
Erzeugung wird der Base-Preis angesetzt. Wenn mit der Erzeugung einer Anlage ein
höherer Durchschnittswert der Erzeugung erzielt wird, ergeben sich für den Anlagenbetreiber zusätzliche Erlöse. Diese müssen auch zur Finanzierung der Anlagenerweiterung beitragen. Ein höherer Durchschnittswert der Erzeugung ergibt sich,
wenn die Stromerzeugung überwiegend in Zeiten hoher Strompreise erfolgt, z.B.
nur in den Peak-Stunden. Bei einem konstanten 12-Stunden-Betrieb in den PeakZeiten anstatt eines konstanten 24-Stunden-Betriebs ergeben sich zusätzliche Erlöse entsprechend der Differenz zwischen Peak- und Base-Preisen (Tabelle 10).
2008
2009
2010
2011
2012*
Base-PeakDifferenz
1,36 ct/kWh
0,79 ct/kWh
0,65 ct/kWh
0,60 ct/kWh
0,47 ct/kWh
Optimierter
Wert der
Erzeugung
8,31 ct/kWh
4,95 ct/kWh
5,32 ct/kWh
5,98 ct/kWh
5,20 ct/kWh
Optimierter
Zusatzerlös
1,73 ct/kWh
1.06 ct/kWh
0,87 ct/kWh
0,87 ct/kWh
0,89 ct/kWh
Tabelle 10 Zusatzerlöse durch optimierten Anlageneinsatz im Vergleich zur Base-PeakDifferenz
* Angaben und Rechnungen bis einschließlich 20.09.2012
Die Stunden mit den 12 höchsten Preisen eines Tages liegen nicht vollständig in
den Peak-Zeiten. Mit einem an den Preisverlauf angepassten Betrieb können die
Zusatzerlöse gegenüber der Base-Peak-Differenz gesteigert werden. Eine Optimierung des Anlageneinsatzes kann die Betriebszeiten und den jeweiligen Lastpunkt in
105
einem Fahrplan so berechnen, dass der Erlös maximiert und die Speicherkapazität
bestmöglich ausgenutzt wird. Dabei können neben dem volatilen Preisverlauf auch
die Anfahrkosten und die Wirkungsgradkennlinie von Biogas-BHKW berücksichtigt
werden. Die in Tabelle 10 enthaltenen optimierten Erlöse wurden mit einer gemischt-ganzzahligen Optimierung mit einem Modell nach (Hochloff, 2011) berechnet, das mit der Modellierung der Wirkungsgradkennlinie nach (Carrion, 2006) erweitert wurde. Der Wirkungsgrad der BHKW der Beispielanlage wurden mit 0,41 bei
100 % Last, 0,39 bei 75 % Last und 0,35 bei 50 % Last angenommen. Die verwendeten
Strompreise
für
die
Jahre
2008
bis
2012
sind
die
Day-Ahead-
Spotmarktpreise der EPEX (bzw. EEX) für das Marktgebiet D/A. Es wurde eine konstante Biogasproduktion von rund 1220 kW chemische Leistung, die bei einem Wirkungsgrad von 0,41 eine konstante Verstromung mit 500 kW elektrische Leistung
ermöglicht, angenommen. Der optimierte Wert der Erzeugung und der Zusatzerlös
als Differenz aus optimierten Wert und dem Base-Preis sind in Tabelle 10 enthalten. Die Ergebnisse zeigen, dass mit der Einsatzoptimierung die Zusatzerlöse um
0,22 ct/kWh (2010) bis 0,42 ct/kWh (2012) gegenüber dem konstanten 12Stunden-Betrieb in Peak-Zeiten erhöht werden können. In den Jahren 2009 bis
2012, in denen die Base-Peak-Differenz deutlich unter 0,9 ct/kWh liegt, ist erst
durch den optimierten Betrieb eine ausreichende Finanzierung der Anlagenerweiterung möglich.
b) zusätzliche Erlöse durch die Teilnahme am Regelleistungsmarkt
Mit der Teilnahme am Regelleistungsmarkt können parallel zur geplanten Energieerzeugung und -vermarktung zusätzliche Einnahmen durch die Bereitstellung von
negativer und positiver Leistung erwirtschaftet werden. Die Flexibilität der Anlage
kann gleichzeitig am Spotmarkt und am Regelleistungsmarkt genutzt werden. Die
verfügbare Leistung und Energie einer Anlage (im Anlagenpark) kann für die jeweiligen Produkte angeboten werden und dabei die unterschiedlichen Preise der Produkte optimal ausnutzen. In einer Optimierung der Anlage am Spot- und am Regelleistungsmarkt beeinflussen damit die Preise und die Spezifikation der Produkte am
Regelleistungsmarkt auch das Spotmarktangebot. Am Minutenreservemarkt haben
die einzelnen Regelleistungskontrakte eine Blocklänge von vier Stunden, wodurch
die Anlage am Spotmarkt flexibel betrieben werden kann (siehe Abbildung 46).
106
[€/MW]
200
150
100
50
0
[MW]
1.5
positive Minutenreserve
negative Minutenreserve
Erzeugung BHKW 1
Erzeugung BHKW 2
Erzeugung BHKW 1
Erzeugung BHKW 2
Spotmarkt DayAhead
1
0.5
0
[MW]
1.5
pos. Minutenreserve
neg. Minutenreserve
1
0.5
0
[MWh]
20
Spotmarkt
Spot- und Regelleistungsmarkt
10
0
15.Jul
16.Jul
17.Jul
18.Jul
19.Jul
20.Jul
21.Jul
22.Jul
23.Jul
24.Jul
25.Jul
26.Jul
27.Jul
Abbildung 46: Ausschnitt aus dem optimierten Fahrplan einer Biogasanlage mit 2 BHKW und
einem Gasspeicher: Preise am Spot- und Minutenreservemarkt (oben), optimierter Fahrplan
nach Spotmarktpreisen (2. v. oben), optimierter Fahrplan nach Spot- und Minutenreservemarktpreisen (3. v. oben), vgl. des Gasspeicherfüllstands der beiden Optimierungen (unten)
Die Simulation der Einsatzplanung der Biogasanlage am Spot- und Minutenreservemarkt wurde mit dem vorgestellten Energiemanagement nach (Hochloff, 2012)
mit den Spotmarktpreisen des Day-Ahead-Handels und den mittleren Leistungspreisen der positiven und negativen Minutenreserve durchgeführt. In Abbildung 46
ist ein Ausschnitt vom 15. Juli bis zum 26. Juli 2011 des optimierten Fahrplans der
Biogasanlage dargestellt. In der oberen Grafik sind die Preise am Day-AheadSpotmarkt in stündlicher Auflösung und die mittleren Leistungspreise der negativen
und positiven Minutenreserve in vierstündiger Auflösung dargestellt. Die zweite
und die dritte Grafik stellen die Fahrpläne der Stromerzeugung der BHKW dar, in
der zweiten Grafik nach der Spotmarktoptimierung und in der dritten Grafik nach
der Spot- und Minutenreservemarktoptimierung. In der dritten Grafik ist zudem das
positive und negative Minutenreserveangebot der Anlage dargestellt. Die untere
Grafik enthält für die Optimierung am Spotmarkt und für die Optimierung am Spotund Minutenreservemarkt den Füllstand des Gasspeichers als chemische Energie des
Biogases. Der Vergleich der zweiten und der dritten Grafik zeigt, wie der Anlageneinsatz durch die Erlösmöglichkeiten am Minutenreservemarkt in Abhängigkeit der
Preise (hier insbesondere der negativen Minutenreserve) beeinflusst wird. Es werden die Preise der drei Produkte (Energie, positive und negative Regelleistung) in
107
einer geschlossenen Optimierung berücksichtigt. Das führt zu einem optimalen Angebot für die drei Produkte.
Die Zusatzerlöse aus der Optimierung am Spot- und Minutenreservemarkt (aus Tabelle 11) sind in Abbildung 47 im Vergleich zu den Zusatzerlösen aus der Optimierung am Spotmarkt (aus Tabelle 10) und der Base-Peak-Preisdifferenz der Spotmarktpreise dargestellt. Insgesamt führt die Vermarktung einer flexiblen Biogasanlage am Minutenreservemarkt nur zu geringen Zusatzerlösen, da über den täglichen
Unterschied der Spotmarktpreise wesentlich höhere Erlöse zu erzielen sind. Die optimalen Minutenreserveangebote fallen in Zeiten, in denen die Minutenreservepreise sehr klein sind. Trotzdem führen die geringen Preise noch zu einer Anpassung des optimalen Fahrplans, sodass noch die kleinen Minutenreservepreise mitgenommen werden können. Aus der Aufschlüsselung der Erlöse in Tabelle 11 ist zu
entnehmen, dass die Spotmarkterlöse geringer sind als in Tabelle 10, jedoch zugunsten höherer Gesamterlöse. Als Ergebnis der Optimierung stellt sich damit auch
heraus, dass es lohnender ist, eine Anlage flexibel zu betreiben als sie konstant
fahren zu lassen um Minutenreserve in den Zeiten mit höheren Preisen anzubieten.
Spotmarkt
Spotmarkt u. Minutenreserve
Base-Peak-Dif f erenz
Zusatzerlöse [ct/kWh]
2,5
2
1,5
1
0,5
0
2008
2009
2010
2011
2012
Abbildung 47: Zusatzerlöse aus der Optimierung am Spotmarkt bzw. der Optimierung am
Spot- und Minutenreservemarkt (Angaben und Rechnungen bis einschließlich 20.09.2012)
108
2008
Spotmarkt
2009
2010
2011
2012*
8,21 ct/kWh
4.77ct/kWh
5,24 ct/kWh
5,90ct/kWh
5,14ct/kWh
Positive
0,28 ct/kWh
Minutenreserve
0,11ct/kWh
0,04 ct/kWh
0,02ct/kWh
0,01ct/kWh
Negative
0,03 ct/kWh
Minutenreserve
0,32ct/kWh
0,07 ct/kWh
0,14ct/kWh
0,09ct/kWh
Summe
8,51 ct/kWh
5,20ct/kWh
5,35 ct/kWh
6,05ct/kWh
5,24ct/kWh
Zusatzerlös
1,93 ct/kWh
1,32ct/kWh
0,90 ct/kWh
0,94 ct/kWh
0,93ct/kWh
* Angaben und Rechnungen bis einschließlich 30.09.2012
Tabelle 11: Erlöse durch optimierten Anlageneinsatz am Spot- und Minutenreservemarkt
c) optimale Dimensionierung der zusätzlichen Leistung und Speicherkapazität
Die EEG-Flexibilitätsprämie ist der wesentliche finanzielle Anreiz, um die BHKWLeistung von Biogasanlagen zu erhöhen und mit Speicherkapazitäten zu ergänzen.
Die Flexibilitätsprämie fördert Anlagen, deren installierte Leistung die jahresdurchschnittliche Leistung („Bemessungsleistung“) bis zu einem Faktor 5 übertrifft (Grenze der Förderung bei 20 % Bemessungsleistung zur installierten Leistung). Der Aufwand der Flexibilisierung könnte sich bei sehr großen Anlagen signifikant erhöhen,
wenn z.B. aufwendigere Genehmigungsverfahren durchlaufen werden müssen, eine höhere Netzverträglichkeit geprüft werden muss und ggf. weitere Aufwendungen für die Anbindung an Strom- und Wärmenetze getragen werden. In Abbildung
48 sind die jährlichen Zahlungen aus der Flexibilitätsprämie (schwarze Linie) und
eine Schätzung der jährlichen Kosten (rote Linie) für die Flexibilisierung bis zu einem Faktor 5 der installierten Leistung zur Bemessungsleistung dargestellt. Aufgrund des degressiven Kostenanstiegs der BHKW und des linearen Anstiegs der Zahlung aus der Flexibilitätsprämie könnten nur bei sehr großen Zusatzkapazitäten die
Kosten bereits mit der Flexibilitätsprämie gedeckt werden.
109
200 €
150 €
100 €
50 €
Tsd.
- €
0
500
1000
1500
2000
Zusatz BHKW (kW)
Abbildung 48: Jährliche Erlöse aus der Flexibilitätsprämie und jährliche Kosten der Anlagenerweiterung in Abhängigkeit der zusätzlichen BHKW-Kapazität für eine 500 kW-Anlage
Als weitere Komponente zur Finanzierung der Anlagenerweiterung kommen die zusätzlichen Markterlöse hinzu. Aufgrund der Möglichkeit, die Anlage zeitlich flexibel
zu betreiben, können gezielt die Hochpreiszeiten am Strommarkt für den Anlagenbetrieb genutzt werden. Die Markterlöse sind abhängig von der zusätzlichen BHKWLeistung und von der Speicherkapazität (Gas- und/oder Wärmespeicher), da deren
Begrenzungen auch der Erzeugungsverlagerungsfähigkeit Grenzen setzt. Mögliche
Zusatzerlöse anhand der Spotmarktpreise des Jahres 2011 sind in Abhängigkeit der
Zusatzkapazität in Abbildung
49 dargestellt.
möglicher Zusatzerlös über dem Basepreis EEX (2011)
12
€/MWh
11
10
9
8
7
6
0%
100%
200%
BHKW-Größe
300%
400%
Abbildung 49: Zusatzerlöse mit den Spotmarktpreisen 2011 in Abhängigkeit der Zusatzkapazität
Wie die Simulationen anhand unterschiedlicher theoretischer Anlagenkonfigurationen gezeigt haben, bietet die Flexibilisierungsprämie in Verbindung mit den Zusatzerlösen am Strommarkt für Biogasanlagenbetreiber vielfach einen finanziellen
Anreiz zur Investition in bedarfsorientiert einsetzbare Erzeugungskapazitäten. Es
zeigt sich, dass die flexibilisierten Biogasanlagen die höchste Kosteneffizienz bei
der Erzeugungsverlagerung im Tagesrhythmus bieten. Gasspeicher erzielen die beste Wirtschaftlichkeit mit Speicherzeiträumen zwischen 6 und 20 Stunden.
Für die Investitionsentscheidung müssen die Anlagenbetreiber jedoch Risiko und
Wirtschaftlichkeit einschätzen können. Darüber hinaus hat der Anlagenbetreiber
110
ein Interesse daran, die betriebswirtschaftlich geeignetste Anlagenkonfiguration zu
nutzen. Die jeweiligen Kosten unterliegen einer großen Bandbreite und sind auch
von den Standortbedingungen abhängig. Daher muss eine sorgfältige Analyse für
den Einzelfall durchgeführt werden. In die Analyse müssen sämtliche Anforderungen an den Betrieb, wie z.B. ein zu lieferndes Wärmebedarfsprofil, einfließen. Um
auf Basis der erfassten Daten das wirtschaftliche Potenzial einer zu flexibilisierenden Anlage zu ermitteln, sind Betriebssimulationen über eine Schar denkbarer Anlagenkonfigurationen sehr geeignet. In diesen Simulationen auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Optimierung der Betriebsweise können technische und wirtschaftliche Restriktionen berücksichtigt werden.
Am Beispiel der Biogasanlage Zilly aus der Modellregion wurde die Wirtschaftlichkeit für mehrere Erweiterungsoptionen mit unterschiedlichen Zusatzkapazitäten
und unterschiedlichen Speichergrößen anhand der Spotmarktpreise des Jahres
2011 in Betriebssimulationen berechnet (siehe Abbildung 50). Die Bemessungsleistung blieb dabei unverändert. Die zu flexibilisierende Anlage mit 526 kW Leistung
erhält eine EEG-Festvergütung von 17,416 ct/kWh inkl. NaWaRo-Bonus und Formaldehydbonus (Referenzwert). Die Jahresbetriebsstunden lagen aufgrund geplanter und ungeplanter Ausfälle unterhalb des theoretischen Wertes von 8.760 Stunden. Die beim BHKW-Betrieb erzeugte Wärme wird derzeit nur für die Fermenterheizung und die Heizung der betriebseigenen Gebäude genutzt.
111
Abbildung 50: Betriebssimulation der flexibilisierten Biogasanlage Zilly in der optimalen
Konfiguration mit zusätzlichem BHKW von 1,4 MW und Wärmenutzung mit Wärmespeicher.
Die Simulationen zeigen, dass die Biogasanlage für den flexiblen Betrieb gut geeignet ist. Dazu muss die installierte Leistung durch zusätzliche BHKW heraufgesetzt
und der Biogasspeicher vergrößert werden. Es wurden verschiedene BHKW-Größen
daraufhin untersucht, welcher zusätzliche Ertrag zu erzielen ist. Dieser ist mit einem zusätzlichen 1,4 MW BHKW am größten. Gesamt wird somit eine installierte
Leistung von knapp 2 MW erreicht.
In Abbildung 51 sind für die Anlage mit dieser BHKW-Leistung die Spotmarkterlöse
nach Abzug der jährlichen Abschreibung der Investition und der Kosten für die unterschiedlich häufigen Anlagenstarts bei verschiedenen Größen des Biogasspeichers
dargestellt. Mit zunehmender Speicherkapazität steigen die potenziellen NettoZusatzerlöse bis einem Maximum bei ca. 3.000 m³ Speichervolumen an. Mit größeren Speichervolumina sinken wiederum die Netto-Zusatzerlöse.
112
Nettoerlös
Tsd. €/a
280
275
270
265
260
255
250
245
240
0
1.000
2.000
3.000
4.000
5.000
6.000
Biogasspeicher in m³
Abbildung 51: Markterlöse mit den Spotmarktpreisen 2011 in Abhängigkeit von Speicherkapazität und Investitionskosten.
Am Beispiel der Anlage Zilly zeigt sich weiterhin, dass die Flexibilisierung eine verbesserte Betriebssicherheit mit sich bringt: Zum einen ist ein Redundanz-BHKW
vorhanden, sodass das kontinuierlich produzierte Biogas weiter verstromt werden
kann, wenn eines der beiden BHKW ausfällt. Zum anderen können kleine Havarien
bei der Biogasproduktion besser ausgeglichen werden. Der in der ursprünglichen
Konfiguration sehr kleine Biogasspeicher leerte sich in einem solchen Fall sehr
schnell und die Stromproduktion musste gedrosselt werden. Sobald die Fermenterbiologie wieder verfügbar war, konnte diese verlorene Arbeit wegen der begrenzten BHKW-Leistung nicht wieder aufgeholt werden. Das ändert sich durch die
Flexibilisierung. Die Mängel in der Biologie könnten durch Erhöhung der biologischen Leistung zu anderen Zeiten wieder aufgefangen werden. Es kommt nicht
mehr zum Abfackeln von Biogas, wodurch eine bessere Ausnutzung des Substrats
möglich ist.
Auch Wärmelasten können durch die Flexibilisierung besser bedient werden, insbesondere wenn es sich um eine Biogasanlage mit mehreren BHKW an Satellitenstandorten handelt. Die zusätzlichen BHKW-Einheiten können dann vor allem an
den Standorten mit dem größten Wärmebedarf errichtet werden. Um die Flexibilität
zu erhöhen wird neben dem Wärmespeicher auch der Gasspeicher direkt am Satelliten-BHKW errichtet. Dadurch muss die Gaszuleitung nicht vergrößert werden.
Für die dargestellte Erweiterung der Biogasanlage Zilly sind Genehmigungen einzuholen. Im Rahmen der landwirtschaftlichen Privilegierung in § 35 BauGB kann eine
Vergrößerung der installierten BHKW-Leistung bis 2.000 kW Feuerungswärmeleis-
113
tung erfolgen (ca. 800-900 kWel), z.B. mit einem Zusatz-BHKW von 250 kW. Darüber hinaus ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Weiterhin muss
eine Genehmigung der Anlage nach BImSchG sowie eine Netzverträglichkeitsprüfung nach § 5 EEG beantragt werden. Die Kosten für den Anschluss an den Verknüpfungspunkt mit dem Stromversorgungsnetz muss der Biogasanlagenbetreiber selbst
tragen. Dazu gehört auch der Transformator, der bei größeren Leistungen in der
Regel nicht ausreichend dimensioniert ist.
Das bei der Modellierung, Simulation und Fallstudie gewonnene Know-how lässt
sich im Rahmen der Projektverwertung gezielt einsetzen, um Dienstleistungen für
Anlagenbetreiber zu entwickeln.
4.5.4 Praktische Erfahrung aus der Vermarktung einer Biogasanlage
Derzeit haben die meisten Biogasanlagenbetreiber in der Direktvermarktung eine
ungeregelte Abnahme mit dem Händler vereinbart. Für die im LK Harz vorhandene
Biogasanlage Zilly erfolgt die Direktvermarktung im Rahmen des Projekts über den
Händler in.power.
Der erzeugte Strom der Biogasanlage Zilly im Landkreis Harz (526 kW installierte
Leistung) wird seit dem 1. Mai 2012 im Rahmen des Forschungsprojekts mit Hilfe
der optionalen Marktprämie direkt vermarktet. Der Strom wird damit täglich am
Day-Ahead Markt der EPEX verkauft.
Die für den Handel notwendige Börsenzulassung sowie die Handelsanbindung ist
bei in.power GmbH eingerichtet. Eine umfangreiche IT-Infrastruktur für den Handel
wurde aufgebaut und entsprechende Prozesse zum Börsenhandel definiert. Von
großer Bedeutung ist dabei die komplexe Prognostizierung von fluktuierend erzeugenden Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Die Prognosen werden viermal täglich aktualisiert und ggf. mit Anlagenmeldungen von Betriebsführern nochmals
verfeinert. Den täglichen Handel setzen dann bei in.power tätige und von der
Strombörse ausgebildete Börsenhändler um. Bei einer Clearing-Bank wurden hohe
Sicherheitsbeträge hinterlegt, um die Handelsgeschäfte abzusichern. in.power hat
im operativen Vermarktungsprozess eine Reihe von Aufgaben, die - hier chronologisch gegliedert - zu bewältigen sind:
1. Erstellung des täglichen Handelsgebots (ggf. auf Basis von Prognosen) an der
EPEX SPOT bis 12:00 Uhr für den Folgetag mit Hilfe einer von der EPEX bereitgestellten Software.
2. Auswertung der Handelsergebnisse ab ca. 12:45 Uhr für den Folgetag.
114
3. Übermittlung des Erzeugungsfahrplans bis 14:30 Uhr an den betroffenen
Übertragungsnetzbetreiber für den Folgetag mit Hilfe einer von den ÜNB zur
Verfügung gestellten Software.
4. Gegebenenfalls Korrektur des Handelsgebots und des Fahrplans im sogenannten Intraday-Markt, wenn die Stromproduktion unterbrochen ist.
5. Gegebenenfalls Korrektur der gehandelten Mengen im sogenannten IntradayS (AfterDay)-Markt.
Sofern bekannt wird, dass die Biogasanlage nicht die zuvor angemeldete Energiemenge erbringt (z.B. auf Grund eines technisch bedingen Ausfalls), teilt der Anlagenbetreiber dies in.power umgehend mit. Wenn die Erzeugungsänderung nicht
mehr im Day-Ahead Handel berücksichtigt werden kann, müssen die nicht produzierten Mengen im Intraday-Markt zurückgekauft werden. Dies kann bis 45 Minuten vor der Lieferung durchgeführt werden. Hierbei sind meist höhere Preise als im
Day-Ahead Markt üblich, wodurch zusätzliche Kosten entstehen können. Gleichzeitig ist nicht zu 100 % gewährleistet, dass die benötigen Mengen für den entsprechenden Zeitraum angeboten werden, da die Liquidität des Intraday-Markts geringer ist als die des Day-Ahead Markts. Die vom Anlagenbetreiber gemeldeten Wartungsarbeiten bzw. Ausfälle sind also aus finanzieller und bilanzkreisvertraglicher
Sicht für in.power von enormer Bedeutung. Deshalb wurde auch regelmäßig Kontakt zwischen dem Anlagenbetreiber und in.power gehalten. Eine definierte Informations- bzw. Eskalationskette wurde mit dem Betreiber abgesprochen, um bei
Ausfällen die finanziellen Einbußen in ihrer Wirkung abzuschwächen.
Als problematisch zeigte sich bereits im Day-Ahead Markt der Umstand, dass Energiemengen immer nur in 0,1 MW-Schritten gehandelt werden können. Daher
konnten nicht 526 kW verkauft werden, sondern lediglich 500 kW. Für die verbleibenden 26 kW mussten von Beginn an Ausgleichsenergiekosten in Kauf genommen
werden. Dieses Mengen- bzw. Strukturrisiko liegt vollständig bei in.power. Darüber
hinaus hat sich gezeigt, dass bei der Stromproduktion der Biogasanlage Zilly trotz
der Eigenschaft eines steuerbaren Erzeugers teilweise erhebliche Schwankungen
aufgetreten sind (siehe Abbildung 52).
115
Abbildung 52: Stromproduktion der Biogasanlage Zilly im Juni 2012 (in kW)
So waren nicht nur Abweichungen im 100 kW-Bereich fast „normal“, sondern es
waren sogar mehrfach technisch bedingte mehrtätige Ausfälle mit vollständigem
Produktionsstillstand aufgetreten. Im Zeitraum vom 12. bis 15.06.2012 wurde gar
kein Strom produziert. Leider wurde in.power dieser Ausfall erst am späten Vormittag des 13.06. mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war die vollständige Produktionsmenge vom 12. Juni zwischen 11 und 24 Uhr (13 * 0,5 MWh = 6,5 MWh) bereits
gehandelt und konnte nicht mehr korrigiert werden. Auch der Zeitraum zwischen 0
und 12 Uhr war bereits vollständig „in die Ausgleichsenergie gelaufen“. Erst am
13.06.2012 konnten dann die Mengen für diesen Tag im Intraday-Handel korrigiert
werden. Es zeigte sich also, dass auch der Intraday-Markt in einzelnen Situationen
nicht ausreicht, um den Auswirkungen kurzfristiger Produktionsausfälle oder
-schwankungen entgegenzuwirken. Daher wurde bei in.power auch der Zugang
zum IntradayS-Handel eingerichtet, um auch am Folgetag Über- bzw. Unterdeckungen des Bilanzkreises auszugleichen und damit den Anforderungen aus dem
Bilanzkreisvertrag mit dem Übertragungsnetzbetreiber gerecht zu werden. Der Vertrag sieht u.a. vor, dass in.power als Bilanzkreisverantwortlicher dafür zu sorgen
hat, dass Abweichungen im Bilanzkreis korrigiert werden und eine ausgeglichene
Viertelstunden-Leistungsbilanz vorliegt. Im IntradayS-Markt wurden bereits mit
einzelnen Händlern (sog. „Counterparts“) entsprechende Rahmenverträge geschlossen, um nachträgliche Handelskorrekturen durchführen zu können.
Grundsätzlich ist die Direktvermarktung ein sehr effektiver Schritt für die Marktund Systemintegration der erneuerbaren Energien. Allerdings ist die Direktvermarktung von Biogasanlagen seitens des EEG 2012 momentan nicht sehr attraktiv. Die
116
gesetzlich festgelegte Managementprämie ist derzeit nicht ausreichend und müsste
von 3 €/MWh in 2012 um ca. 1 - 2 €/MWh erhöht werden, um die Risiken bei den
Händler abzuschwächen und gleichzeitig mehr Anlagenbetreiber für dieses Vermarktungsmodell zu gewinnen.
Die Erfahrungen beim Handel der Biogasanlage Zilly haben gezeigt, dass - obwohl
die Anlage im Vergleich zu Wind- oder Photovoltaik-Anlagen relativ gleichmäßig
produziert und keinen wetterbedingten Schwankungen unterworfen ist - beim
Handel stets Abweichungen zwischen gehandelten und produzierten Energiemengen bestehen. Dies hat wie beschrieben auch systemtechnische Gründe beim Handel am Spotmarkt der EPEX.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die heute noch nicht-flexibilisierte Stromproduktion
der Biogasanlage Zilly. Dies hat zur Folge, dass die Vermarktung der Strommengen
an der Börse noch nicht gezielt zu Hochpreiszeiten mit großem Strombedarf geschieht. Dem könnte mit einer Flexibilisierung entgegengewirkt werden, indem z.B.
durch den Zubau eines Gasspeichers an der Anlage die Stromproduktion verlagert
würde. Eine dadurch bedarfsgerechtere Produktion würde nicht nur bei der Entlastung der Netze helfen, sondern es auch dem Händler ermöglichen, höhere Erlöse zu
erzielen, die wiederum dem Anlagenbetreiber zu Gute kommen. Es ist daher anzustreben, zukünftig die Stromproduktion von Biogasanlagen zu flexibilisieren. Die
Direktvermarktung bietet mit der Flexibilitätsprämie (§ 33 i EEG 2012) bereits heute
einen gesetzlich geregelten Anreiz, bestehende Anlagen um Gasspeicher und andere Komponenten zu erweitern. Allerdings wird die Flexibilitätsprämie derzeit nur
bei ca. 15-20 Biomasseanlagen in Deutschland genutzt (ISI, 2012), da die wirtschaftlichen Anreize zu gering für den technisch erheblichen Aufwand sind. Bei der
Biogasanlage Zilly wäre der Einbau eines zusätzlichen Speichers grundsätzlich
denkbar. Dies würde den Integrationsgrad der Anlage in den Strommarkt nochmals
steigern und damit auch zur Flexibilisierung des Gesamtstrommarkts im Hinblick
auf Angebot und Nachfrage beitragen.
4.6 Strategien zur dezentralen Stromversorgung
Neben einer Direktvermarktung erneuerbar erzeugter Energie an Großhandelsmärkten wurden im Rahmen des Forschungsprojekts Strategien einer regionalen Vermarktung der dezentral erzeugten elektrischen Energie untersucht. In Abschnitt
4.6.1 wird betrachtet, inwiefern eine Versorgung der gesamten Modellregion Harz
aus lokaler Erzeugung möglich ist. Dabei wird die technische und wirtschaftliche
Machbarkeit einer Belieferung des Landkreises im Rahmen des Grünstromprivilegs
untersucht und angenommen, dass ein Stromlieferant das Gesamtportfolio der Mo117
dellregion führt. Daneben werden in Kapitel 4.6.2 gesellschaftsrechtliche Bürgerbeteiligungsmodelle an erneuerbaren Erzeugungsanlagen diskutiert. Aufgrund der
damit verbundenen Akzeptanzsteigerung bei der Bevölkerung wirken Bürgerbeteiliungsmodelle wie ein Motor für die Energiewende. Da es für die Endkunden attraktiv ist, den regional erzeugten Strom per Liefervertrag zu beziehen, wird eine
unmittelbare Belieferung in Abschnitt 4.6.3 aus gesetzlicher und wirtschaftlicher
Sicht am Beispiel des Windparks Druiberg diskutiert. Der direkte Eigenverbrauch von
Strom aus eigener Produktion beim Verbraucher (Prosumer) wird abschließend in
Abschnitt 4.6.4 anhand einer hauseigenen Solaranlage beleuchtet.
4.6.1 Selbstversorgung Landkreis Harz (technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen)
4.6.2 Bürgerbeteiligung an Stromerzeugung und –vertrieb
4.6.3 Direktbelieferung von Endkunden am Beispiel des Windparks Druiberg
4.6.4 Selbstversorgung eines Haushalts mit Solarenergie
4.6.1 Selbstversorgung Landkreis Harz
Der steigende Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung führt zu einer zunehmend dezentralen Energieversorgungsstruktur. Klein- und mittelständische Energieversorger setzen sich häufig auch in Zusammenhang mit einem hohen
energiepolitischen Engagement in Städten und Regionen das Ziel, höhere Investitionen in die erneuerbare Energieerzeugung zu tätigen und sich energiewirtschaftlich
unabhängiger zu machen. Der Anteil der eigenen Versorgung ist dabei eine zentrale
Bezugsgröße. Eine unmittelbare Integration der erneuerbaren Energien in Portfolios
von Energieversorgern wird auch mit dem Grünstromprivileg (§ 39 EEG) unterstützt.
Ein hoher Anteil an Windenergie erfordert ein hohes Maß an Absicherung im Portfolio, z.B. durch Optionen. Teilweise kann diese Absicherung durch eigene Erzeuger
und Speicher, die flexibel eingesetzt werden können, geleistet werden. Zudem
können diese Anlagen dazu beitragen, die Auflagen des Grünstromprivilegs einzuhalten, indem sie ergänzend zur volatilen Erzeugung eingesetzt werden.
Der Einfluss verschiedener flexibler Kapazitäten in Ergänzung zur volatilen Stromerzeugung wird im Folgenden aufgezeigt. Dazu wird im Rahmen der Modellregion die
gesamte Erzeugung und Last im Landkreis Harz in einem Bilanzkreis untersucht. Die
Residuallast, die hier die Differenz aus dem Stromverbrauch und der Stromerzeugung aus Windenergie, fester Biomasse, Photovoltaikanlagen und Laufwasserkraftwerken beschreibt, wird durch den Einsatz der flexiblen Kapazitäten geglättet. Zum
118
Vergleich einer regionalen mit einer deutschlandweiten Optimierung wird zusätzlich ein Anlageneinsatz berechnet, der die bundesweite Residuallast glättet. Der
Anlageneinsatz wird mit RedSim (vgl. Abschnitt 4.5.2) berechnet. Die Glättung der
Residuallast wird in einer Einsatzplanung über die Varianzminimierung der Residuallast realisiert. Dieses quadratische Optimierungsproblem wird durch ein lineares
Optimierungsverfahren angenähert (Hochloff, 2012).
Die Untersuchungen erfolgen anhand der drei Leitszenarien 2008, 2020 und 100 %
EE (vgl. Abschnitt 4.3). Für diese Szenarien werden je vier Konfigurationen untersucht, in denen der Anlagenpark zunehmend flexibilisiert wird. Die in den Konfigurationen (Kfg.) verwendeten Anlagentypen und deren Dimensionierung sind in Tabelle 12 enthalten. Es sind jeweils die elektrische oder thermische Nennleistung
PN,el bzw. PN,th oder die Speicherkapazität E vorgegeben. Die Größen sind z. T. abhängig von der durchschnittlichen Stromerzeugung PBiogas der Biogasanlagen bzw.
des gesamten Szenarios ̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅ und von der durchschnittlichen Wärmelast ̅ . Konfiguration 1 entspricht der Referenz ohne flexible Kapazitäten. In Konfiguration 2
werden die Biogas- und die KWK-Anlagen flexibilisiert sowie Wärmepumpen als
flexible Lasten in die Wärmeversorgung eingebunden. In Konfiguration 3 wird zusätzlich das Pumpspeicherwerk Wendefurth hinzugezogen. In Konfiguration 4 wird
eine Power-to-Gas-Anlage als flexibler Stromverbraucher integriert.
Typ
Komponente
Dimension
Biogas
Blockheizkraftwerk PN,el = ̅̅̅̅̅̅̅̅̅ x 2
Gasspeicher
E = PN,el x 6 h
KWK
Wärmespeicher
Eingesetzt
in Kfg.
2, 3, 4
E= ̅x6h
2, 3, 4
Wärmepumpe
PN,th = PKWK,th, Wärmekennzahl =
3,5
2, 3, 4
Pumpe
Pumpspeicherwerk Turbine
Speicher
PN,el = 2 x 36 MW
PN,el = 2 x 40 MW
E = 523 MWh,  = 71 %
3, 4
Power-to-Gas*
PN,el = ̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅ x 0,25
4
Druckelektrolyseur
Tabelle 12: Flexible Anlagen, Dimension der Komponenten und Szenarienkonfiguration
* Beschreibung der technischen Parameter in (Hochloff, 2012) bzw. (Härtel, 2012)
Ein zweiwöchiger Ausschnitt des berechneten Fahrplans für das Szenario 2020 ist in
der dritten Konfiguration in Abbildung 53 dargestellt. Die obere Grafik zeigt den
unflexiblen Stromverbrauch der Modellregion zuzüglich des Wärmepumpen- und
119
Pumpstromverbrauchs. Die mittlere Grafik zeigt die unflexible (Laufwasser, Biomasse, Photovoltaik, Wind) und die flexible Erzeugung (Biogas, KWK und PSW-Turbine).
In der unteren Grafik ist die Residuallast dargestellt. Die blaue Linie ergibt sich aus
der Differenz zwischen unflexiblem Stromverbrauch und unflexibler Stromerzeugung. Die Auswirkungen durch den Einsatz der flexiblen Kapazitäten sind anhand
der roten Linie zu erkennen, die die Differenz der gesamten Erzeugung vom gesamten Verbrauch darstellt.
200
P
Ver
[MW]
300
100
unregelbarer Verbrauch
PSW Pumpe
Wärmepumpen
0
300
Lauf wasser
Photov oltaik
Wind
P
Erz
[MW]
Biomasse
200
Biogas
100
KWK
PSW Gen
Residuallast [MW]
0
100
0
-100
Unf lexibler Ver. - unf lexible Erz.
-200
Mar-04
Mar-06
Mar-08
Mar-10
Gesamter Ver. - gesamte Erz.
Mar-12
Mar-14
Mar-16
Datum
Abbildung 53: Ausschnitt der Last-, Erzeugungs- und Residuallastprofile im Szenario 2020 in
Konfiguration 3 des Anlagenparks
Zur Auswertung der optimierten Zeitreihen wird der Anteil der Selbstversorgung am
gesamten Stromverbrauch (SVA) und der Anteil des Eigenverbrauchs an der gesamten Stromerzeugung (EVA) bestimmt (Schreiber, 2012a). Verglichen werden für die
verschiedenen Konfigurationen des Weiteren die maximalen und minimalen vertikalen Netzlasten, die auch als maximale Stromimporte in die Region und Stromexporte aus der Region bezeichnet werden können. Die berechneten Jahresbilanzen
werden in Abbildung 54 dargestellt.
120
1
0.8
0.8
Eigenverbrauch
Selbstversorgungsanteil
1
0.6
0.4
0.2
0
2008
2020
100 % EE
0.6
0.4
0.2
0
2008
2020
100 % EE
0
200
Konfiguration 1
Konfiguration 2
2008
Konfiguration 3
Konfiguration 4
Konfiguration 3, BRD
2020
100 % EE
-1000
-800
-600
-400
-200
positive und negative Residuallastspitzen [MW]
Abbildung 54: Residuallastspitzen, Selbstversorgungs- und Eigenverbrauchsanteil
Der Selbstversorgungsanteil in Szenario 2008 beträgt rund 35 %. Der im Landkreis
Harz erzeugte Strom wird dabei fast vollständig in der Region verbraucht. Das
Grünstromprivileg kann in diesem Szenario nicht angewendet werden, da der geforderte Mindestanteil von 50 % erneuerbare Energien vom Verbrauch im gesamten
Jahr verfehlt wird.
In dem 100 % EE-Szenario, das eine vollständige Energieversorgung Deutschlands
aus erneuerbaren Energien vorsieht, trägt der Landkreis Harz durch hohe Exporte
zur gesamten Stromversorgung bei. Der eigene Verbrauch der im Landkreis Harz erzeugten Energie sinkt dann auf 40 % und 50 % und wird nur mit der Hinzunahme
industrieller Lasten, wie z.B. einer Power-to-Gas-Anlage, signifikant erhöht. Durch
solche zusätzliche Lasten können die Spitzen der Exportleistung deutlich reduziert
werden. In Verbindung mit einer geringen Abregelung der Erzeugung lassen sich
hohe Kapazitäten für den Netzausbau einsparen (Schreiber, 2012b). Die Reduktion
der Exportspitzen ist zudem abhängig von der Betriebsweise flexibler Erzeugungskapazitäten und Speicher. Die Optimierung des Einsatzes nach der bundesweiten
Residuallast in den Szenarien 2008 und 2020 zeigt, dass dadurch die Exportleistung deutlich erhöht wird.
Beim Szenario 2020 beträgt der Selbstversorgungsanteil ca. 60 % im gesamten
Jahr. Der im Grünstromprivileg geforderte Mindestanteil von 50 % erneuerbarer
Energien wird im gesamten Jahr eingehalten. Die Einhaltung der Anforderung für
121
die einzelnen Monate (siehe Abbildung 55) hängt von der Nutzung flexibler Kapazitäten ab. In der Referenzkonfiguration ohne flexible Kapazitäten wird nur in sieben
Monaten der Anteil von 50 % erreicht. Durch die Flexibilisierung der Biogasanlagen
wird in acht Monaten der Anteil von 50 % erneuerbarer Energien erfüllt. Durch den
Einsatz des Pumpspeicherwerks liegt der Anteil in 10 Monaten des Jahres über 50
%. Der Mindestanteil von 20 % Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie wird
in allen Monaten eingehalten.
1
Selbstversorgungsanteil
Referenz
Flexible Biogasverstromung
PSW und flexible Biogasverstromung
0.5
0
Jan
Feb
Mar
Apr
May
Jun
Jul
Aug
Monat im Jahr 2020
Sep
Oct
Nov
Dec
Abbildung 55: Monatlicher Selbstversorgungsanteil in Abhängigkeit des Anlagenparks
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Versorgung des Landkreises Harz nach Grünstromprivileg
Auf Basis der obigen Mengenbetrachtung wird in der folgenden Tabelle 13 die Wirtschaftlichkeit des Grünstromprivilegs im Vergleich zu einer reinen Börsenbewirtschaftung untersucht. Im ersten Block sind dabei der Marktwert und der spezifische
Preis zur Börsenbewirtschaftung der Last aufgetragen. Die alternative Bewirtschaftung nach Grünstromprivileg mit den dazugehörigen Kosten ist im zweiten Block
der Tabelle dargestellt. Die benötigten EEG-Strommengen (Wind, PV, Biomasse und
Biogas) sind dabei mit der jeweiligen durchschnittlichen EEG-Vergütung (Leitszenario) bepreist. Die Energiekosten der Biogasanlage beinhalten bereits Zahlungen
über die Flexibilitätsprämie. Zum Vergleich ist der EPEX SPOT Marktwert des EEGStroms ebenfalls in der Tabelle aufgeführt. Im dritten Block der Tabelle ist die optimale PSW-Bewirtschaftung zur Einhaltung der vorgegebenen Prozentsätze dargestellt. Da die Stromproduktion im Landkreis Harz nicht vollständig und zu jeder Zeit
mit der Last übereinstimmt, sind noch Stromimporte und –exporte notwendig. Die
daraus resultierenden Kosten bzw. Erlöse sind im letzten Block aufgeführt.
122
Börsenbewirtschaftung
Energie
[MWh]
I
II
EPEX SPOT
Marktwert
[€]
Ø EEG Vergütung
[€/MWh]
Energiekosten
[€]
Last
1.242.600
87.960.000
70,79
Wind
620.110
36.523.000
58,90
80,63
49.999.469
PV
96.621
7.804.700
80,78
424,80
41.044.601
Wasser
29.014
1.801.800
62,10
73,60
2.135.430
Biomasse
15.567
1.197.100
76,90
174,00
2.708.658
Biogas
82.560
5.952.100
72,09
175,30
17.046.128
Pumpen PSW
101.750
8.247.900
72.424
12.477.000
III Turbinen PSW
Speicherbilanz
IV
EPEX SPOT
spez. Preis
[€/MWh]
Grünstromprivileg
4.229.100
Import
541.830
40.267.000
Export
113.740
5.756.100
Gesamtkosten
151.674.287
Tabelle 13: Mengen- und Kostenanalyse zur Versorgung des Landkreises Harz nach Grünstromprivileg
Aus den obigen Gesamtkosten lassen sich die in der folgenden Tabelle 14 aufgeführten Endkundenstrompreise für die Modelle mit und ohne Grünstromprivileg
ableiten. Die im EEG 2013 festgeschriebene maximale Reduktion um 2 ct/kWh reicht
jedoch nicht aus, um einen vergleichbaren Endkundenstrompreis zur reinen Börsenbewirtschaftung umzusetzen.
123
Endkunden-strompreis ohne
GP [ct/kWh]
Endkunden-strompreis mit
GP gemäß EEG 2012 [ct/kWh]
Energiekosten
7,079
12,206
Netznutzung
5,500
5,500
EEG-Umlage
3,592
1,592
KWK-Umlage
0,002
0,002
Stromsteuer
2,050
2,050
Sonderkundenumlage
0,151
0,151
Konzessionsabgabe
1,790
1,790
Mehrwertsteuer
3,831
4,425
Summe
23,99
27,72
Kostenbestandteile
Tabelle 14: Zusammensetzung des Endkundenpreises (LK Harz typisch für 2012) bei der Versorgung nach Grünstromprivileg
Zur Bewertung des Ergebnisses gilt es zu beachten, dass die zur Grunde liegenden
Börsenpreise aus dem Jahr 2008 im Jahresvergleich sehr hoch waren. Des Weiteren
wurden die operativen Kosten der Endkundenversorgung, des Handels (Gebühren,
Einrichtung, Personal), der Prognosen und Portfoliobewirtschaftung (Ausgleichsenergie) bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Eine Vertriebsmarge ist ebenfalls
in beiden Modellen nicht berücksichtigt worden. Abschließend lässt sich festhalten,
dass die Versorgung mittels Grünstromprivilegs unter den heutigen Rahmenbedingungen keine Alternative für den Landkreis Harz darstellt.
4.6.2 Bürgerbeteiligung an der Stromerzeugung
Neben den ökonomischen und technischen Belangen der erneuerbaren Energien,
setzt der Erfolg der Energiewende eine hohe Akzeptanz der Bürger voraus. Dies wird
umso wichtiger, als EE-Anlagen in der Fläche errichtet werden und damit eine Vielzahl an Bürgern vor Ort betreffen. Zahlreiche Beispiele belegen, dass eine offene
und weitreichende Einbindung der Bürger zu Beginn des Planungs-prozesses, wie
z.B. bei der Standortwahl und Dimensionierung der Anlage, genauso wie die Beteiligung Betroffener an der ökonomischen Wertschöpfung der Anlage die Akzeptanz
wesentlich beeinflussen. Für erfolgreiche Umsetzung der Energiewende gilt es deshalb, adäquate Beteiligungskonzepte zu entwickeln und zu praktizieren. Im Rahmen des Arbeitspakets Geschäftsmodelle wurden daher – ergänzend zur regionalen
Direktvermarktung – die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen
einer unternehmerischen Beteiligung von Bürgern an Energieprojekten anhand
ausgewählter Praxisbeispiele untersucht.
124
Abbildung 56: Bewertung von Beteiligungsmodellen
Grundlage der Studie bilden die Definition und Abgrenzung von Bürgerenergieprojekten sowie Bewertungskriterien einer optimalen Bürgerbeteiligung. Die Gegenüberstellung untersuchter Beteiligungsmodelle wurde anhand von Netzdiagrammen
visualisiert (vgl. Abbildung 56). Jede Netzachse zeigt unter Verwendung einer einheitlichen Skalierung die Ausprägung des analysierten Kriteriums für das jeweilige
Praxisbeispiel. Grundsätzlich gilt: je größer die von den Netzlinien umschlossene
Innenfläche, desto größer der Mehrwert der Beteiligungskonstruktion für die Bürger. Eine stärkere Ausprägung der Aspekte rechts der gestrichelten Linie zeugt von
einer Unternehmens-struktur, die verstärkt auf eine breite, regionale Beteiligung
setzt, während die Kriterien links der Linie den ökonomischen Nutzen des einzelnen Teilhabers betonen.
Bürgerenergieprojekte
Kennzeichnend für Bürgerenergieprojekte ist, dass betroffene Bürger mehrheitlich,
unternehmerisch und wirtschaftlich beteiligt sind und die Betreibergesellschaft ihren Sitz in der Standortregion der Anlage hat. Diese Voraussetzungen können u.a.
durch die Wahl einer geeigneten Rechtsform für ein Bürgerunternehmen, die Ausgestaltung demokratischer Entscheidungsstrukturen, die Anteilsausgabe mit niedriger Mindestbeteiligung und ein ausgewogenes Rendite-Risiko-Verhältnis erfüllt
werden.
Durch Bürgerenergieanlagen profitieren Bürger und Standortgemeinde von der
ökonomischen und sozialen Wertschöpfung, die durch den Anlagenbetrieb generiert wird. Regionale Wertschöpfungs-effekte ergeben sich dabei bei Planung, Installation, Betrieb, Wartung und Finanzierung erneuerbarer Energieanlagen und
den weiteren damit indizierten Werten wie der zusätzlichen Kaufkraft der regiona-
125
len Akteure. Diese entstehen durch die Nettogewinne beteiligter Unternehmen, die
Nettoeinkommen beschäftigter Mitarbeiter sowie zu entrichtende Steuerabgaben.
Für die Bürger ist es interessant, den vom Bürgerunternehmen produzierten Strom
direkt per Liefervertrag beziehen zu können. Dies ist derzeit allerdings nur in Sonderfällen wirtschaftlich umsetzbar (s. Kapitel 4.6.3).
Bürgerbeteiligungsmodelle
Für die Realisierung eines Bürgerenergieprojekts bedarf es der Gründung einer Betreibergesellschaft, an der sich Bürger als Mitunternehmer beteiligen. Die Wahl der
Rechtsform wirkt sich maßgeblich auf die Rahmenbedingungen der Beteiligung aus
und betrifft Verwaltungsaufwand, Mitspracherechte, Haftungsübernahme, Flexibilität bei Ein- und Austritten sowie Versteuerung der Unternehmensgewinne. Die Untersuchung praktizierter Bürgerbeteiligungsmodelle hat gezeigt, dass sich als
Rechtsform der Betreibergesellschaft sowohl die GmbH & Co.KG als auch die Genossenschaft eignen. Risikoarme, kleine Projekte wie z.B. PV-Anlagen lassen sich auch
unter dem Dach einer GbR verwalten.
a) Beteiligung als Gesellschafter einer GmbH & Co. KG
Als gängigste Rechtsform für Bürgerenergieparks hat sich seit den 90´er Jahren die
GmbH & Co. KG etabliert. Durch den Erwerb von Kommanditanteilen werden die
Bürger Miteigentümer der Anlagen, haften aber nur beschränkt im Falle möglicher
Verluste in Höhe ihrer Einlage. Üblich ist es, die finanziellen Mittel für Errichtung
und Betrieb in einen geschlossenen Fonds zusammenzutragen, der innerhalb eines
festgelegten Zeitraums gezeichnet werden kann. Die Einlage ist in der Regel über
eine feste Laufzeit gebunden. Ein Austritt aus der Gesellschaft ist somit meist nur
mit Verkauf der Anteile und notarieller Unterstützung möglich.
Die Rolle des haftenden Komplementärs der Kommanditgesellschaft wird von der
GmbH übernommen. Eine GmbH kann auch Komplementär mehrerer Kommanditgesellschaften sein. Meist sind die Initiatoren des Projekts auch Gesellschafter der
GmbH und somit berechtigt Geschäftsführung und Vertretung der Betreibergesellschaft zu übernehmen. Auch hier kann die Haftung der GmbH-Gesellschafter auf
deren Kapitaleinlage beschränkt werden. Die Mitverwaltungsrechte der Kommanditisten sind im Gesellschaftsvertrag vereinbart. Dabei wird das Stimmrecht meist in
Abhängigkeit der finanziellen Einlage vergeben. Für die Ausgabe von mehr als 20
Geschäftsanteilen, unterhalb einer Beteiligungssumme von 200 Tsd. Euro, ist ein
Verkaufsprospekt des Wertpapiers aufzusetzen. Dieser informiert den Anleger über
die Rahmenbedingungen und Risiken seiner Beteiligung. Vor dem öffentlichen An126
gebot des Anlageprodukts muss der Prospekt bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorgelegt und von dieser freigegeben werden. Der Herausgeber haftet dabei für die Richtigkeit des Prospektinhalts.
b) Beteiligung als Mitglied einer Energiegenossenschaft
Speziell wenn große Teile der regionalen Bürgerschaft flexibel an Projekten der
kommunalen Energie-wende beteiligt werden sollen, ist die Genossenschaft eine
geeignete Unternehmensform. Durch den Erwerb von Geschäftsanteilen werden die
Bürger Mitglieder und Miteigentümer der Gesellschaft. Ein- und Austritte sind
problemlos durch Beitrittserklärung bzw. Kündigung ohne notarielle Mitwirkung
oder Unternehmensbewertungen möglich. Steuerrechtliche Nachteile der Genossenschaft können im Vergleich zu Personengesellschaften durch die Ausgabe einfach besteuerter Darlehen an die Mitglieder vermindert werden. Sind die Mitglieder
der Genossenschaft auch zugleich deren Kunden und beziehen den gesamten oder
einen Teil ihres Stroms von den Energieanlagen der Genossenschaft, kann zudem
der steuerliche Vorteil einer Rückvergütung genutzt werden (vgl. § 22 KStG).
Unabhängig von der Einlagenhöhe erhält jedes Mitglied nach dem Prinzip „Ein
Mensch – eine Stimme“ Mitspracherechte. Dies ermöglicht die demokratische Einbindung vieler Bürger und stellt die Förderung aller Mitglieder über die Interessen
Einzelner. Genossenschaftlich organisierte Energieprojekte stehen daher in einem
übergreifenden Zusammenhang von Klimaschutz und kommunaler Lebensqualität.
Die Einbindung eines hohen Bevölkerungsanteils der Standortregion der Energieanlagen trägt maßgeblich zur Akzeptanz der erneuerbaren Erzeugungsanlagen bei.
Aus diesem Grund sind Bürgerenergie Genossenschaften für die CUBE Engineering
und in.power ein entscheidendes Geschäftsmodell für den Betrieb von erneuerbaren Erzeugungsanlagen.
c) Dachgesellschaften zur Finanzierung von Großprojekten
Hohe Investitionsvolumina, die Beteiligung eines großen Anteils der regionalen Bevölkerung sowie verschiedener Akteure oder auch die Nutzung kommunaler Flächen
mehrerer Gemeinden erfordern Geschäftsmodelle, die eine Einbindung unabhängiger juristischer Personen unter dem Dach einer Betreibergesellschaft ermöglichen.
Denkbare Konstellationen sind dabei eine GmbH & Co. KG als Dach-Gesellschaft, an
der sich Bürgerunternehmen als Kommanditisten beteiligen oder eine MetaGenossenschaft, deren Mitglieder einzelne Energiegenossenschaften sind. Der Unterschied der Unternehmensmodelle besteht in der steuerlichen Behandlung ihrer
127
Gewinne, ihrer verwaltungsrechtlichen Struktur und dem Stimmgewicht beteiligter
Bürger.
Ist die Dach-Gesellschaft eine GmbH & Co. KG, können mehrere Bürgerunternehmen über Kommanditanteile an Investition und Betrieb der Anlagen beteiligt werden. Auch Großinvestoren oder Kommunen – letztere je nach Landesrecht zur wirtschaftlichen Betätigung – können Anteile erwerben. Dabei sollte die Mehrheit in
der Hand der Bürger liegen. Andernfalls profitieren die Bürger zwar finanziell, erhalten aber nur geringen Einfluss auf Entscheidungen der Dachgesellschaft.
Die Meta-Genossenschaft eignet sich insbesondere für interkommunal angelegte
Energieprojekte zur Einbindung mehrerer regionaler Energiegenossenschaften in
einer übergreifenden Projektgesellschaft. Nach dem Genossenschaftsprinzip erhalten alle beteiligten Mitgliedsunternehmen unabhängig ihrer finanziellen Beteiligung eine Stimme bei Unternehmensentscheidungen der Generalversammlung.
Grundsätzlich könnten der Meta-Genossenschaft auch nicht-genossenschaftlich
organisierte Unternehmen, Privatpersonen oder Kommunen beitreten. Aus Bürger¬-Sicht ist darauf zu achten, dass die Stimmenmehrheit bei den Genossenschaften liegt, die regionale Bürger beteiligen.
Aus steuerrechtlichen Gründen – aber auch wegen den schlanker gehaltenen Verfahren zur Mitbestimmung – ist in vielen Fällen die GmbH & Co. KG als DachGesellschaft einer Meta-Genossenschaft vorzuziehen.
d) Bürgerbeteiligung am Risikokapital der Projektentwicklungsphase
Für den Erhalt einer Baugenehmigung von erneuerbare Energieanlagen sind – insbesondere bei der Projektierung von Windenergieanlagen – umfangreiche, kostenintensive Standortuntersuchungen und Gutachten durchzuführen. Die Kosten der
Planungsphase vor Genehmigungserteilung können nur bei einer positiven Bewertung des Vorhabens durch das zuständige Bauamt amortisiert werden. Im Vorfeld
der Genehmigung getätigte Zahlungen sind Risikokapital, dessen Finanzierung sich
in der Regel schwierig gestaltet. Es empfiehlt sich zu Beginn der Planung eine eigenständige Projektentwicklungsgesellschaft zu gründen, in die ein kleinerer Kreis
an Bürgern, der sich zukünftig an den Anlagen beteiligen möchte, Risiko-¬Anteile
einbringt. Als juristische Form der Gesellschaft eignet sich grundsätzlich eher die
GmbH oder die GmbH & Co. KG. Bei Genossenschaften hingegen besteht die Gefahr,
durch den Einsatz von Risikokapital, den gesetzlich verankerten Förderzweck der
Mitglieder zu verletzen.
128
e) Zusammenfassende Ergebnisse
Der Vergleich praktizierter Gesellschaftsmodelle hat gezeigt, dass Bürgerenergieprojekte sowohl ökonomischer als auch regional-sozialer Motivation sind. Dabei wurden die untersuchten Beteiligungsmodelle anhand entwickelter Bewertungskriterien hinsichtlich ihrer Eignung für eine Bürgerbeteiligung gegenübergestellt und die
Ergebnisse anhand von Netzdiagrammen visualisiert Abbildung 57 und Abbildung
58 zeigen – auszugsweise – die Bewertung zweier Bürgerwindgesellschaften, die
sich unter der Rechtsform der GmbH & Co. KG oder der Genossenschaft organisieren.
Die Untersuchung verschiedener Praxisbeispiele zeigt, dass die GmbH & Co. KG eher
die Umsetzung ökonomischer Interessen der Beteiligten (links der Linie) begünstigt,
wobei die Rechtsform der Genossenschaft eine gleichberechtigte, flexible Einbindung vieler Bürger auch mit kleineren Geldbeträgen vorsieht (Erfüllung regionalsozialer Aspekte rechts der Linie).
Abbildung 57: Beteiligungskonstruktion Ingersheim und Umgebung eG
129
Abbildung 58: Beteiligungskonstruktion RothaarWind GmbH & Co.KG
Eine gleichberechtigte Umsetzung ökonomischer und sozial-regionaler Interessen
gelingt in der Praxis nur schwer. Nur durch das Engagement und die Übernahme
von Planungsrisiken einzelner Initiatoren zu Gunsten der Gesellschaft können die
Potenziale eines Bürgerwindprojekts voll ausgeschöpft werden. Ehrenamt und
niedrige Geschäftsführungskosten sowie zeitintensive Informationsarbeit und
Transparenz
sind
Grundvoraussetzung
eines
hohen
Anteils
regional-
bürgerschaftlicher Beteiligung. Welches Beteiligungsmodell sich am besten für die
Umsetzung eines Bürgerenergieprojekts eignet, hängt daher auch von der Bereitschaft der Initiatoren und Bürger ab, Haftung für den Projekterfolg zu übernehmen
und Aufwand in einen größtmöglichen Gewinn für die Region zu investieren. Professionalisierung und Standardisierung der Projektierung sowie Vernetzung aktueller und zukünftiger Akteure einer demokratisch-solidarischen Energieversorgung
helfen die Verbreitung von Bürgerenergieprojekten voranzutreiben.
Neben der Beteiligung der Bürger als Eigentümer an erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen, wurden im Rahmen des Forschungsprojekts die rechtlichen und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Direktbelieferung der Teilhaber oder
naheliegender Haushaltskunden durch einen Windpark untersucht.
4.6.3 Direktbelieferung von Endkunden am Beispiel des Windparks Druiberg
Am Beispiel des Windparks Druiberg wurde untersucht, welche rechtlichen Möglichkeiten sich Windparkbetreibern bieten, den erzeugten Strom direkt an Haushalte
oder Gewerbe in der Region zu liefern. Die Wirtschaftlichkeit der untersuchten Modelle lässt sich, unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten der Windparkbetreiber, anhand eines marktfähigen Endkundenpreises beurteilen.
130
Dem Windparkbetreiber bieten sich neben der Direktbelieferung an den Endkunden
folgende Vermarktungsoptionen:
1. Einspeisung gemäß EEG-Festvergütung
2. Direktvermarktung an der Börse durch einen Stromhändler (mit EEGMarktprämie)
3. Vermarktung an einen Stromvertrieb zur Einbindung in ein Grünstromprodukt
4. Vermarktung von Regelleistung/Regelenergie
Zwischen 2008 und 2011 stellte der Bezug der EEG-Festvergütung die für den Betreiber von Windenergieanlagen wirtschaftlichste Vermarktungsoption dar. Zudem
war die Nutzung des Grünstromprivilegs gemäß EEG 2009 interessant, indem die
elektrische Energie an einen Anbieter eines Grünstromprodukts für Endkunden
vermarktet wird. Dies galt insbesondere für Anlagen, die gemäß EEG 2009 nur eine
geringe Grundvergütung erhielten. Mit der Novellierung des EEG 2012 ist die Vermarktung der Windenergie über einen Stromhändler an der Strombörse EPEX unter
Inanspruchnahme der Marktprämie die wirtschaftlichste Option für Anlagenbetreiber. Für die Vermarktung von Regelenergie konnten sich Windparkbetreiber im Projektzeitraum noch nicht präqualifizieren lassen (vgl. Kapitel 4.4 und 4.5). Die Belieferung von Haushaltskunden der umliegenden Kommunen mit Windstrom aus
eigenen Anlagen war im Regelfall nicht wirtschaftlicher als die genannten Optionen.
Die Herausforderung besteht in der Gestaltung eines attraktiven Endkundenpreises,
der dennoch die derzeit höheren Einkaufskosten des Grünstroms deckt. Es ist daher
zu untersuchen, in welcher Form Einsparungen der Kostenanteile des Grünstrompreises erzielt werden können. Ein vergleichbarer Haushaltskundenpreis setzt sich
2012, wie in Abbildung 59 dargestellt, aus den Kosten der Energieerzeugung, der
Netznutzung, des Energievertriebs, der EEG-Umlage, der KWK-Umlage, der Stromsteuer, der Sonderkundenumlage, der Konzessionsabgabe und der Mehrwertsteuer
zusammen.
131
Abbildung 59 : Typische Zusammensetzung des Haushaltskundenstrompreises im Jahr 2012
Im Allgemeinen wird eine Mindestkundenzahl, aufgrund einer entstehenden
Fixkostendegression, erforderlich sein. Unter bestimmten Voraussetzungen (s.u.)
ermöglichen die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Befreiung von Strompreisbestandteilen, wie der Stromsteuer, der EEG-Umlage und den Netznutzungsentgelten, auf Seiten der Endkunden. Der Gesetzgeber fördert hiermit die Einhaltung der
geforderten Bedingungen.
Grundsätzlich gilt: Wer Strom an Letztverbraucher liefert, hat die gesetzlichen Auflagen zur Energielieferung zu erfüllen, dies ist damit verbunden, Umlagen und
Steuern von Letztverbrauchern zu erheben und abzuführen (vgl. § 5 EnWG 2011).
Ein vollständiges Vertriebsunternehmen zu führen ist sehr prozess- und personalaufwändig und mit den erwirtschafteten Erlösen durch die Vermarktung des Stroms
eines Windpark an eine vergleichsweise kleine Kundenzahl, kaum eigenständig
umsetzbar. Alternativ dazu bestehen Versorgungsmodelle zur Vermarktung regionalen Windstroms in Kooperation mit Dienstleistern und Händlern. Werden Haushaltskunden ausschließlich „innerhalb einer Kundenanlage oder eines geschlossenen Verteilernetzes sowie über nicht auf Dauer angelegte Leitungen“ beliefert, unterliegen diese nach § 5 EnWG nicht den Pflichten von Energieversorgungsunternehmen bei Belieferung von Haushaltskunden. Als Kundenanlage wird eine Anlage
dabei nach § 3 Nr. 24a EnWG 2011 eingestuft, wenn diese für die Sicherstellung
eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität unbedeutend ist. Gemäß § 33a EEG gilt der Stromvertrieb an Dritte nicht als Direktvermarktung, wenn der EE-Strom vom Endkunden in „unmittelbarer räumlicher
Nähe zur Anlage“ verbraucht und nicht durch ein Netz der allgemeinen Versorgung
geleitet wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann daher der Endkundens-
132
trompreis angemessen niedrig gestaltet werden, indem Möglichkeiten genutzt werden, Stromsteuer, EEG-Umlage und/oder Netzentgelte einzusparen.
a) Befreiung von der Stromsteuer
Um von der Stromsteuer befreit zu werden muss mindestens eine der im § 9
StromStG aufgeführten Bedingungen erfüllt sein und vom zuständigen Hauptzollamt bescheinigt worden sein. Dies ist der Fall, wenn der Windparkbetreiber den
Strom aus Windanlagen mit jeweils bis zu 2 MW elektrischer Nennleistung erzeugt
und im „räumlichen Zusammenhang“ zu diesen entnimmt - entweder zum Selbstverbrauch oder durch Letztverbraucher. Für den „räumlichen Zusammenhang“ gibt
es keine festgelegte Definition, wobei bisher Entfernungen bis 4,5 km gerichtlich
anerkannt wurden (vgl. BFH, 20.04.2004 – VII R 44/03). Weitere Entfernungen bedürfen im Einzelfall der individuellen Prüfung durch das Hauptzollamt.
Weiterhin besteht eine Befreiung von der Stromsteuer für Strom aus erneuerbaren
Energieträgern, wenn dieser aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren
Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen
wird. Dabei muss dieser Tatbestand, laut einer Untersuchung durch energy consult,
nur bilanziell und nicht zeitgleich erfüllt sein. Dies ist mit hohen Investitionen und
Betriebskosten, sowie im Einzelfall der Prüfung durch das Hauptzollamt verbunden.
b) Befreiung von der EEG-Umlage
Gemäß Eigenstromerzeugerprivileg (§ 37 Abs. 3 EEG 2012) ist eine Befreiung von der
EEG-Umlage möglich, sofern der Windparkbetreiber den Strom im „räumlichen Zusammenhang“ zu der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht und die juristische
Person des Anlagenbetreibers mit der des Stromabnehmers identisch ist. Es kommt
nicht darauf an, wer Eigentümer der Stromerzeugungs-anlage ist, denn nach § 3
EEG 2012 ist Anlagenbetreiber, wer unabhängig vom Eigentum die Anlagen für die
Stromerzeugung nutzt. Hier gilt es im Einzelfall zu prüfen, in welchem Rahmen eine
Beteiligung an der Anlage seitens der Verbraucher ausreicht um das Kriterium der
Eigenerzeugung zu erfüllen.
Gemäß Grünstromprivileg (§ 39 EEG 2012) kann die EEG-Umlage auf 2,0 ct/kWh reduziert werden, sofern das Stromlieferportfolio anteilig 20 Prozent fluktuierende
Energieerzeuger in mindestens acht Monaten des Kalenderjahrs enthält. Derzeit
lässt sich dieses Modell nur für Anlagen in einer geringen Vergütungsstufe realisieren, um wettbewerbsfähig zu sein. Die Entwicklung im Jahr 2012 hat gezeigt, dass
nur eine geringe Zahl an Stromvertrieben diese Alternative nutzt.
133
c) Befreiung von den Netznutzungsentgelten
Sobald Strom durch ein öffentliches Netz geleitet wird, fallen Netznutzugsentgelte
beim Verbraucher an. Gemäß § 110 EnWG müssen Netznutzungsentgelte nur dann
nicht entrichtet werden, wenn der Strom innerhalb eines geschlossenen Verteilernetzes, in einem geografische abgegrenzten Gebiet, an Netzeigentümer, -betreiber
oder mit diesem verbundene Unternehmen verteilt wird. Ein Beispiel wäre ein Industrieunternehmen, das einen eigenen Windpark mit direktem Kabel, das nicht
über öffentlichen Grund geführt wird, anschließt. Ein Anlagenbetreiber hat die
Möglichkeit, beim Netzbetreiber vermiedene Netznutzungsentgelte einzufordern,
falls er die Anlage nicht in Direktvermarktung hat.
4.6.4 Selbstversorgung eines Haushalts mit Solarenergie
Die Vergütung der Energie aus Photovoltaikanlagen liegt in Deutschland mittlerweile unter den Stromtarifen für Privatkunden. Damit kann der Besitzer der Anlage seine Stromrechnung senken, wenn er den erzeugten Strom selbst verbraucht. Prinzipiell lässt sich der Eigenverbrauch durch den Einsatz von Speichern weiter erhöhen.
Bei überschüssiger Erzeugung wird der Speicher geladen und wieder entladen sobald die Erzeugung unter den Verbrauch sinkt. Diese Art des Speicherbetriebs macht
den Verbraucher bzw. Anlagenbesitzer im Bilanzkreis eines Energieversorgers
schwer kalkulierbar. Für einen koordinierten Speichereinsatz, der das Stromversorgungssystem unterstützt, besteht derzeit kein Anreiz.
Im Folgenden wird dieser unkoordinierte Speicherbetrieb mit einer vorausschauenden Speicherplanung verglichen. Der Anteil des selbst verbrauchten Stroms bleibt
durch diese Maßnahme unverändert. Der koordinierte Speicherbetrieb sieht vor,
das resultierende Stromprofil des Kunden zu glätten. Das resultierende Stromprofil
ist die Differenz aus dem Stromverbrauch des Kunden und der Stromerzeugung
durch die Photovoltaikanlage. Das geglättete Stromprofil ist für einen Energieversorger besser planbar. Zudem werden durch die Reduktion der Erzeugungsspitzen
die Spannungsprobleme im Niederspannungsnetz reduziert (Büdenbender, 2010).
Der Unterschied zwischen dem koordinierten und einem unkoordinierten Betrieb
wird anhand des eines real gemessenen, viertelstündigen Verbrauchs eines Haushalts in der Region Harz aufgezeigt. Für die Stromerzeugung der Photovoltaikanlage
wird eine simulierte Einspeisezeitreihe verwendet. Der Jahresertrag der Photovoltaikanlage entspricht dem Jahresverbrauch des Haushalts. Die Speicherkapazität ist so
gewählt, dass die maximale Erzeugungsleistung der Photovoltaikanlage über zwei
Stunden eingespeichert werden kann. Der koordinierte Speichereinsatz wird mit
RedSim berechnet. Ein einwöchiger Ausschnitt der beiden Betriebsweisen des Spei134
chers ist in Abbildung 60 dargestellt. Durch den koordinierten Speicherbetrieb lassen sich die Residuallastspitzen in ihrer Leistung senken und das Last- bzw. Einspeiseprofil des Endkunden glätten.
Durch die Kopplung der Photovoltaikanlage mit dem Speicher wird der Selbstversorgungsanteil des Haushaltes von 31 % auf 65 % gesteigert. Durch ein optimiertes
Speichermanagement lassen sich die maximalen Stromimporte und -exporte reduzieren, was das Stromversorgungssystem unterstützt aber bisher nicht vergütet
wird. Durch die momentan hohen Investitionskosten für den Speicher und die geringe Kostendifferenz zwischen dem Solarstrom und dem Stromtarif des Energieversorgers ist insgesamt der Betrieb eines Speichers noch nicht wirtschaftlich. Sobald
die Nutzung eines Speichers wirtschaftlich wird, sollte der Betrieb in ein virtuelles
Kraftwerk eingebunden werden. Damit kann der Speicher zusätzlich zur Funktion
im Haushalt für einen weiteren Beitrag im Energiesystem optimiert werden.
Residuallast [kW]
4
2
0
PV Erzeugung
-2
PV Eigenv erbrauch
Batterie laden
Batterie entladen
-4
Netzeinspeisung
Netzbezug
4
Verbrauch
Residuallast [kW]
Residuallast
2
0
-2
-4
Jul-17
Jul-18
Jul-19
Jul-20
Jul-21
Jul-22
Jul-23
Jul-24
Datum
Abbildung 60: Gekoppeltes Batterie-PV-System. oben: unkoordinierter Speicherbetrieb, unten: koordinierter Speicherbetrieb
4.7 Steuerung von Biogasanlagen
Im Rahmen des Projekts wurden mit Hilfe von Simulationen der Betrieb von Biogasanlagen und die Implementierung eines Einsatzoptimierungssystems innerhalb eines virtuellen Kraftwerks untersucht. Hierbei wurden die Auswirkungen des geänderten Betriebs auf die Wirtschaftlichkeit und auf die Anlagenkomponenten be-
135
trachtet. Des Weiteren wurde die Umsetzung der theoretisch erarbeiteten Erkenntnisse innerhalb von Feldtests an realen Biogasanlagen erprobt.
4.7.1 Simulation der Steuerung einer Biogasanlage
Entsprechend dem EEG 2012, mit der Möglichkeit zur Nutzung der Flexibilitätsprämie, wurde für die Simulationen eine flexibilisierte Biogasanlage betrachtet.
Die Simulationen wurden anhand eines Modells für eine Biogasanlage mit einer
500 kWel äquivalenten Gasleistung und einer installierten Erzeugungskapazität von
1 MWel durchgeführt. Als Substrat wurde hierbei eine Mischung aus Rindergülle,
Maissilage und Weizenschrot verwendet. Die Flexibilisierung der Anlage ermöglicht
ein Verlagerungspotenzial der Erzeugung von 12 Stunden.
Als Simulationsumgebung für die technischen Anlagenkomponenten wurde MatlabSimulink verwendet. Die Einsatzoptimierung bzw. das Energiemanagementsystem
wurde mit energyPRO realisiert. Der Datenaustausch der Inputparameter für die Generierung des optimierten Fahrplans erfolgte über eine xml-Schnittstelle, über
welche der Optimierungszeitraum, die Anlagenleistung sowie aktuelle Speicherfüllstände und –kapazitäten an das Energiemanagementsystem übermittelt wurden.
Der Austausch des optimierten Anlagenfahrplans, in dem ein Zeitstempel und die
dazugehörigen 1/4h Leistungswerte an den Biogassimulator übergeben wurden,
erfolgte über eine csv-Datei.
Für die optimierte Fahrweise der Anlage generiert das Einsatzoptimierungssystem
täglich einen Fahrplan für die drei Folgetage, basierend auf Strompreisprognosen,
den aktuellen Speicherfüllständen, der prognostizierten Biogaserzeugung und den
Anlagenparametern. Als Optimierungshorizont wurde ein Dreitageszeitraum für die
optimierte Gasspeicherausnutzung gewählt. Ein längerer Prognosehorizont ist nicht
sinnvoll, da die Temperatur- und Preisprognosen, die für die Optimierung eine entscheidende Rolle spielen, über einen längeren Zeitraum keine hinreichend genaue
Prognosegüte aufweisen. Für gewöhnlich ist die Prognosegüte umso höher, je geringer der Prognosehorizont ist. Wenngleich eine tägliche Optimierung erfolgt, wurde aus Gründen der Redundanz bei möglichen Störungen der Kommunikation zwischen dem Energiemanagementsystem und der Anlagensteuerung sowie den Einblick des weiteren Planungshorizonts für den Anlagenbetreiber, ein drei tägiger
Fahrplan generiert.
Der zyklische Ablaufplan der Optimierung kann dem folgenden Schaubild entnommen werden. Die tägliche Optimierung beginnt jeweils mit Eintreffen der erforderlichen Prognosen (oranges Feld).
136
Abbildung 61: zyklischer Ablaufplan der Optimierung für flexible Erzeugungsanlagen
Täglich nach Abschluss der Börsenvermarktung erhält der Anlagenbetreiber den
Fahrplan für den Folgetag ab 00:00 Uhr. Die folgende Grafik zeigt die Oberfläche
des Biogassimulators mit der Modellierung der Anlagenparameter sowie im unteren
Bereich die Einsatzoptimierungssoftware mit der grafischen Darstellung eines Dreitagesfahrplans in Abhängigkeit der Preisprognose.
137
Abbildung 62: Grafische Oberfläche eines Biogassimulators inkl. Energiemanagementsystem
Um den realen Betrieb der flexiblen Biogasanlagen und deren Einsatz in einem virtuellen Kraftwerk zu demonstrieren, wurde in einem weiteren Schritt das Simulationsmodell der Biogasanlage über eine Informations- und Kommunikationsschnittstelle (PowerBridge) an die Leitwarte des virtuellen Kraftwerks angeschlossen.
Die Simulation zeigt, dass das ausgewählte Konzept zur Steuerung der Biogasanlage
theoretisch machbar ist. Es konnte dargestellt werden, dass mit Hilfe der Statusmeldungen über die Anlagenleistung, die Gaserzeugung und den Gasspeicherfüllstand sowohl die Fahrplanerstellung als auch die fahrplangetreue Steuerung der
Biogasanlage realisierbar sind. Die Informationen über den aktuellen Gasspeicherfüllstand und der Gaserzeugung sind in diesem Zusammenhang für die Fahrplanerstellung wichtig, um sowohl ein Leerlaufen des Gasspeichers und dementsprechend
einer ungeplanten Leistungsreduktion des BHKW, als auch ein Überlaufen des
Gasspeichers zu vermeiden. Ist bei konstanter Biogasproduktion der maximale Füllstand des Gasspeichers erreicht, müsste das BHKW unplanmäßig gestartet werden.
Bei nicht ausreichender BHKW Leistung muss das Biogas abgefackelt werden, um
das überschüssige Biogas zu verbrauchen.
138
In der Praxis lässt sich der Energiegehalt im Gasspeicher nicht direkt messen, da die
meisten Biogasanlagen über keine entsprechende Messtechnik verfügen. Der Energieinhalt im Biogas kann hierbei über den Gasspeicherfüllstand, sowie den Methangehalt (CH4) im Biogas bestimmt werden. Hierzu muss eine Umrechnung des
Biogases in Norm m³ erfolgen. Häufig lässt sich die Gaserzeugung vieler Biogasanlagen nicht direkt messen, da das Biogas direkt aus dem Fermenter in die Gasspeicher ausströmt. Dieses wird im Kapitel 4.7.2 Feldtest Biogasanlage näher betrachtet.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die wirtschaftlichen Ergebnisse der
Simulationen werden im Kapitel 4.5.3 näher betrachtet.
4.7.2 Feldtest Biogasanlage
Im Rahmen des Feldtests wurden mehrere Biogasanlagen an die Leitwarte des virtuellen Kraftwerks angeschlossen, um die Umsetzbarkeit der Integration der Biogasanlagen in ein virtuelles Kraftwerk zu untersuchen.
Für die Kommunikationsschnittstelle zwischen den Biogasanlagen und dem virtuellen Kraftwerk, wurde die PowerBridge sowie ein Datenlogger der Firma Ewon verwendet. Der Datenlogger ist für die Kommunikation zwischen der SPS und der PowerBridge zuständig.
Hierzu wandelt der Datenlogger das Datenprotokoll der Biogasanlagensteuerung
(SPS) in ein Modbus TCP Protokoll um, welches von der PowerBridge gelesen werden
kann. Die PowerBridge ist für die Kommunikation zwischen der Anlage und der
Leitwarte des virtuellen Kraftwerks zuständig. Die PowerBridge ermöglicht sowohl
die Weitergabe der Messwerte, als auch die Eingabe unterschiedlicher Konfigurationsparameter wie z.B. Anlagenleistung und Gasspeicherkapazität, welche die Leitwarte für den Optimierungsprozess benötigt. Ebenso übernimmt die PowerBridge
die Steuerung der BHKW gemäß eines Fahrplans, welche sie von der Leitwarte des
virtuellen Kraftwerks erhält. Die technische Funktionsweise der PowerBridge wird
im Kapitel 3.2 Anlagenanbindung näher beschrieben.
Bei der Steuerung der Biogasanlage werden zuerst die gespeicherte Energiemenge,
die aktuelle Leistung und die erzeugte Gasmenge an den Energiemanager des virtuellen Kraftwerks übertragen. Dieser berechnet anhand der Anlagenkonfiguration,
der übermittelten Messdaten, der Prognosen des Börsenpreises und der eingespeisten Energie aus Windkraft- und PV-Anlagen den Fahrplan für die Biogasanlage und
leitet diesen an die PowerBridge weiter. Der Energiemanager ist im virtuellen
Kraftwerk softwarebasiert und funktioniert in der Regel autonom (s. Kapitel 3.1.4).
139
Die PowerBridge liest den Fahrplan und sendet entsprechend des Fahrplans über
den Datenlogger die Steuerbefehle an die Biogasanlagensteuerung. Der aktuelle
Fahrplan kann über die PowerBridge angesehen werden.
Die zur Fahrplanerstellung genannten Messgrößen (erhaltene Energiemenge im
Gasspeicher, Speicherkapazität etc.) stehen bei den meisten Biogasanlagen nicht
zur Verfügung, sodass diese berechnet werden müssen. Die dazu notwendigen Berechnungen werden in der PowerBridge durchgeführt.
Die Energiespeicherkapazität des Gasspeichers wird auf Basis des maximal möglichen Gasvolumens, des Drucks, der aktuellen Temperatur und des CH4-Gehaltes des
vorhandenen Biogases im Gasspeicher berechnet. Die Kalkulation der Kapazität des
Gasspeichers muss hierbei fortlaufend durchgeführt werden, da diese temperaturund druckabhängig ist und sich die Temperatur des Biogases im Laufe des Jahres,
aufgrund der geringen Isolierung des Biogasspeichers verändert. Beispielsweise
kann das Biogas bei starkem Wind oder im Winter kälter sein als im Sommer. Ebenfalls kann sich das Biogas im Gasspeicher durch eine hohe Sonneneinstrahlung auf
den Gasspeicher erwärmen. Dementsprechend schwankt die speicherbare Energiemenge im Gasspeicher.
Der Gasspeicherfüllstand wird meist im Verhältnis der derzeitig gespeicherten Gasmenge zur maximal möglichen speicherbaren Gasmenge angegeben. Zur Ermittlung
des Energiegehaltes des Gasspeichers wird die Gasspeicherkapazität mit diesem
Verhältnis multipliziert. Die Gaserzeugung wird im Projekt anhand des Gasauslaufs
aus dem Gasspeicher sowie dem Änderungsgradienten des Gasspeicherfüllstands
berechnet.
Die Versuche im Rahmen des Feldtests zeigen, dass eine Steuerung und Einsatzplanung der Biogasanlage mit Hilfe der ausgewählten Parameter und des Steuerungskonzeptes möglich ist.
140
5 Kunden
5.1 Vermarktungsstrategie Regionaler Haushaltskundentarif
Eine Geschäftsstrategie für die regionale Vermarktung von erneuerbare Energien
(EE)-Strom aus regionaler Erzeugung über einen Haushaltskundenstromtarif an
Kunden der Modellregion wurde entwickelt und die Umsetzbarkeit geprüft.
Herausforderung
Die Bürger der Region sollen die Möglichkeit bekommen, den innerhalb der Modellregion produzierten erneuerbaren Strom per Liefervertrag zu beziehen. Dies fördert
die Identifikation der Bürger mit dem in ihrer Region produzierten Strom und den
Energieerzeugungsanlagen. Dazu ist eine tragfähige Handelskette vom Stromerzeuger bis zum Endkunden zu konzipieren. Die zentrale Marktrolle liegt beim Vertrieb,
der den Haushaltskunden beliefert. Den Strom für die regionale Strommarke bezieht er über die neue Marktrolle des Poolkoordinators, einem Händler, der den
erzeugten erneuerbaren Strom der Modellregion im Pool vermarktet (s. Kapitel 4.5).
Abbildung 63: Beteiligte Marktrollen an der Stromlieferung
Charakteristika der entwickelten Vermarktungsstrategie
Anforderung aus Sicht der Energieeffizienz ist, dass die fluktuierende Einspeisung
aus Wind- und PV-Anlagen möglichst vollständig genutzt wird, da diese elektrische
Energie ohne den Einsatz von Brennstoff erzeugt wird. Die weiteren Energiemengen
sollen bedarfsgerecht aus flexibler Erzeugung bzw. Speichern der Modellregion bereitgestellt werden, wobei die Stromzukäufe von außerhalb auf ein Minimum zu
reduzieren sind.
Ein preisbewusstes Kundenverhalten soll kongruent dazu sein, dass die Kunden
vorwiegend Wind- und PV-Strom beziehen. Dies bedeutet, dass ein zeitlich dynamischer Tarif zu konzipieren ist, bei dem der Strombezug genau zu den Stunden
preisgünstig ist, zu denen Wind und PV einen hohen Anteil des Stromverbrauchs
141
decken. Dementsprechend ist Strombezug in den Stunden teurer, zu denen Energiebezug aus flexiblen Anlagen und Stromspeichern erforderlich wird.
Die Preisstufen werden auf Basis von Prognosen berechnet und den Haushaltskunden bereits am Vortag verbindlich übermittelt, damit sie ihren Stromverbrauch planen können. Die Prognosegüte begrenzt die Lastverlagerungsmöglichkeiten qualitativ. Prognosen sind auch in der Handelskette unumgänglich, da der Poolkoordinator an den Großhandelsmärkten agiert. Er poolt die regionalen Erzeugungsanlagen nicht ausschließlich für den regionalen Haushaltskundentarif, sondern vermarktet ebenfalls Energiemengen der regionalen erneuerbaren Stromerzeugung an
Großhandelsmärkten. An diesen deckt er auch Mindermengen. Somit sind die Prozessabläufe für die Bereitstellung des Haushaltskundentarifs auch an die Handelszeiten des Großhandels, hier des Day-Ahead-Spotmarkts gebunden, bei dem am
Vortag der Lieferung auf Basis von Einspeiseprognosen gehandelt wird.
Umsetzungskonzept für den Vertrieb
Der Vertrieb übermittelt den Haushaltskunden die Preisstufen verbindlich für jede
einzelne der 24 Stunden des Folgetags. Um eine differenzierte, an den Bedarf angepasste Lastverlagerung zu erreichen, sieht die Vermarktungsstrategie neun Preisstufen vor, wobei die mittlere Preisstufe 5 (gelb) dem üblichen Vertriebspreis (der
Kunden ohne preisdynamischen Tarif) entspricht. Die Preisstufen 1 bis 4 (grün) bedeuten einen in gleichgroßen Stufen vergünstigten und die Preisstufen 6 bis 9 (rot)
einen in gleichgroßen Stufen verteuerten Strompreis (vgl. auch Kap 5.2). Der Vertrieb übermittelt Transparenzinformationen an eine Marktplattform, sodass jeder
Haushaltskunde nachvollziehen kann, wie sich in jeder einzelnen Stunde die Preisstufe bildet und aus welchen Erzeugungsanlagen die bezogene elektrische Energie
in welchen Anteilen stammt.
Im Idealfall sind die Haushaltskunden jetzt aktiv in der Lage, preisbasiert Lastmanagement zu betreiben und je nach Verlauf der Preisstufen insgesamt mehr oder
weniger Strom über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu verbrauchen. Um den
Strombedarf richtig abschätzen zu können, werden Strombedarfsprognosen benötigt. Bei gelingender Aktivierung der Kundenreaktion wird der Haushaltskundenstromverbrauch selbst dynamisch, denn je nach Preisstufe und Verbrauch in den
vorhergehenden Stunden wird der Stromverbrauch unterschiedlich hoch sein. Der
Vertrieb errechnet am Vortag der Lieferung vor Handelsbeginn den prognostizierten
Strombedarf – und zwar als Matrix für jede Stunde für jede der neun möglichen
Preisstufen. Mithilfe dieser preisstufenabhängigen Stromverbrauchsprognose kann
der Vertrieb täglich – auf eigenes Risiko – eine Energiemengenbestellung beim
142
Poolkoordinator aufgeben. Die Preisdynamik kann prognostiziert werden, indem
mehrere Eingangsdaten zu jeder Zeiteinheit zeitnah in ein Prognosemodell einfließen: 1. Tag und Uhrzeit, 2. Preisstufe, 3. Stromverbrauch der belieferten Haushaltskunden, 4. Außentemperatur und 5. Sonder-ereignisse. Diese Parameter werden
für jede Stunde des Folgetags intelligent mit der Prognose der Außentemperatur
verrechnet. Das Prognosetool muss dabei berücksichtigen können, dass der Stromverbrauch jeweils auch von den vorherigen Stunden abhängig ist. Je nachdem,
welchen Strompreis der Poolkoordinator für die einzelne Stunde realisieren kann,
ist der prognostizierte Stromverbrauch größer oder geringer. Dies hat der Poolkoordinator bei der Belieferung des Vertriebs vertraglich zu berücksichtigen. Diese Form
eines Prognosemodells, das Preisdynamiken einbeziehen kann, geht über die im
Rahmen von RegModHarz entwickelte Lastprognose hinaus.
Für den Vertrag zwischen Vertrieb und Haushaltskunde ist eine Mindestlaufzeit von
einem Jahr empfehlenswert. Dies hat den Hintergrund, dass die dynamische Abfolge der Preisstufen von der fluktuierenden Stromeinspeisung aus Wind- und PVAnlagen abhängig ist. Während im Frühjahr regelmäßig Phasen mit hoher Windeinspeisung zu beobachten sind, und eine preisgünstige Stromlieferung möglich wird,
gibt es im Sommer mit hoher Wahrscheinlichkeit Flauten der Windenergieeinspeisung, was zu einem höheren Bedarf an Strom aus flexiblen Anlagen (teils mit
Brennstoffbedarf, teils mit Umwandlungsverlusten) und damit einem höheren
Strompreis führt. Zudem streben Anlagenbetreiber wie auch Vertrieb eine gesicherte
Abnahme bzw. Lieferung über in der Regel mindestens ein Jahr an.
In der beschriebenen Form ist mit dem Strombezug noch keine direkte Förderung
des Ausbaus von weiteren erneuerbaren Energie-Anlagen in der Modellregion verbunden. Für den Zeitraum vor der Netzparität der unterschiedlichen EE-Anlagen
wäre eine solche Ausbauförderung in der Praxis noch in den Stromtarif zu integrieren. Bei zertifizierten Ökostromanbietern ist dies derzeit Standard.
Umsetzungskonzept für den Poolkoordinator
Der Poolkoordinator berechnet iterativ, welche Mengen er zu welchen Preisen liefern kann und legt damit die Preisstufe fest. Eine iterative Vorgehensweise ist notwendig, da je nach Preisstufe, die der Poolkoordinator über das Erzeugungsportfolio der Modellregion realisieren kann, für eine bestimmte Stunde eine unterschiedlich hohe Nachfrage besteht.
Da die 100%-EE-Stromversorgung nicht nur in der Jahresbilanz, sondern auch in
der viertelstündigen Handelsbilanz erreicht werden soll, ist ein Portfolio zu bilden,
143
bei dem sich die verschiedenen Erzeugungsanlagen sinnvoll ergänzen. Wenn möglich gilt es, den – nunmehr variablen – prognostizierten Verbrauch mittels der
prognostizierten Wind- und PV-Einspeisung abzudecken. Mengen der Überdeckung
sind weiterzuverkaufen, entweder an Speicherbetreiber innerhalb der Region oder
an den überregionalen (Grünstrom-)Spotmärkten. Mengen der Unterdeckung sind
aus flexibler Erzeugung oder aus Speichern innerhalb des virtuellen Kraftwerks der
Modellregion bereitzustellen oder von überregionalen (Grünstrom-) Großhandelsmärkten bzw. aus anderen Bilanzkreisen hinzuzukaufen.
Da der Poolkoordinator die Liefermengen am Vortag auf Basis von Prognosen zusammenstellt, sind am Liefertag die sich aus den Prognoseabweichungen ergebenden Ausgleichsenergiemengen auf eigenes Risiko nachzuhandeln. Ein Management
von Rest- und Mindermengen wird notwendig. Gegenüber dem Vortag stehen innertägig verbesserte Einspeiseprognosen (Intraday-Prognosen) zur Verfügung. Da
am Vortag auf Basis der Day-Ahead-Prognosen bereits ein Handel mit Mengen der
Über- und Unterdeckung stattgefunden hat, gilt es innertägig die Differenz, die sich
im Portfolio zwischen Vortagsprognosen und innertägigen Prognosen ergibt, nachzuhandeln. Strombedarfsseitig kann innertägig – im Gegensatz zu den Erzeugungsprognosen – nicht mit verbesserten Prognosen gearbeitet werden. Dies liegt daran,
dass der Vertrieb seinen Endkunden die Preisstufen bereits am Vortag verbindlich
mitteilt und sich die Endkunden auf diese Preisstufen einstellen. Eine Teilnahme
am Intradayhandel ist allerdings sehr personalaufwändig und damit kostenintensiv. Der Pool-koordinator wird prüfen, ob es sinnvoll ist, im Nachgang nach dem
Liefertag am Afterday-Handel teilzunehmen, bei dem zwei Partner über eine spezielle Marktplattform Ausgleichsenergiemengen mit gegenseitigem Vorzeichen untereinander ausgleichen können.
Umsetzungskonzept für den Haushaltskunden
Für die Praxis gilt bei der Ausgestaltung eines dynamischen Tarifs und der dazugehörigen Soft- und Hardware bei den Haushaltskunden, dass die (Umwelt-) Psychologie als Grundlage für eine dauerhafte Motivation und Verhaltensänderung in
Richtung eines umweltgerechten Stromverbrauchsverhaltens zu berücksichtigen ist.
Transparente Informationen über das Stromversorgungssystem und zeitnahe Rückmeldung über das Verbrauchsverhalten sind in dem Maße erforderlich, wie dadurch
die Wirkungen des eigenen Handelns auf das Gesamtsystem zeitnah bewusst werden und in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden können. Zudem sind
Möglichkeiten zu eröffnen, die das tägliche Handeln auf einfache Weise ermöglicht.
Der Tarif muss einfach und ohne hohen Zeitaufwand verständlich und handhabbar
144
sein. Der Haushaltskunde dürfte im Alltag nur wenig Aufwand für ein manuelles
Management aufwenden, sofern der finanzielle Anreiz verhältnismäßig gering ist.
Automatisierte Management-, Steuerungs- und Visualierungssysteme, schalten je
nach Rahmenvorgabe des Kunden und aktuellem Preis eigenständig Verbrauchsgeräte im Haushalt ein und aus und ermöglichen so eine Reaktion auf den dynamischen Preis bzw. den entsprechenden Wind- und PV-Anteil der Bedarfsdeckung.
Ergebnisse der Untersuchungen zur entwickelten Vermarktungsstrategie
Die beschriebene Vermarktungsstrategie wurde auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft.
Ein Geschäftsmodell entsteht dann aus der Vermarktungsstrategie, wenn ein wirtschaftlich tragfähiges Produkt besteht, das attraktiv ist und nachgefragt wird. Attraktiv ist besonders die regionale Komponente. Die Bürger der Region bekommen
die Möglichkeit, den vor Ort produzierten Strom zu beziehen und werden am erzeugungskonformen Verbrauch des Wind- und PV-Stroms beteiligt. Dies fördert die
Identifikation der Bürger mit dem in ihrer Region produzierten Strom und den
Energieerzeugungsanlagen vor Ort. Die damit gesteigerte Akzeptanz von Energieerzeugungsanlagen unterstützt die Energiewende. Für den Feldtest wurde eine zeitweise reale Umsetzung angestrebt, bei der die gesamte Handelskette der regionalen Direktvermarktung in der Praxis vorgestellt werden sollte. Daraus hätte sich in
der näheren Zukunft als Verwertung aus dem Projekt heraus eine regionale Strommarke entwickeln können. Die Prüfung der Durchführbarkeit eines Vermarktungsfeldtests erfolgte frühzeitig im Projektverlauf, um Chancen für die nähere Zukunft
aufzuzeigen und eine Verwertung der Projektergebnisse mit vorzubereiten. Jedoch
war die Umsetzbarkeit nicht gegeben, da zum einen mehrere Prozesse bei den Akteuren noch nicht realisierbar waren, zum anderen aber auch die Zusatzkosten im
Rahmen des Forschungsprojekts nicht gedeckt gewesen wären. Basis der Prüfungen
waren eine intensive Zusammenarbeit mit den verschiedenen Marktrollen innerhalb des Konsortiums, vertiefende Recherchen zu Markt und Prozessabläufen sowie
Berechnungen mit einem Tabellenkalkulationsprogramm und Simulationen mit
energyPRO.
Wirtschaftliche Hindernisse
Der Endkundenstrompreis darf den Preis für konventionelle Stromprodukte nur um
einen geringen Premiumpreis für regionalen Ökostrom überschreiten, um am Markt
konkurrenzfähig sein zu können. In diesem Preissegment war der Strompreis jedoch
nicht kalkulierbar. Anlagenbetreiber liefern ihren EE-Strom nur dann an den
Poolkoordinator, wenn dieser etwas mehr zahlen kann, als der Anlagenbetreiber
auch anderweitig über die EEG-Vergütung (Festvergütung oder mit Marktprämie)
145
erzielt. Die Einnahmen aus dem Stromhandel wären dazu unter Berücksichtigung
aller Kosten (Belieferung des Kundenprofils, Vermarktung von Überdeckungs- und
Überschussmengen, Zukauf von Unterdeckungs- und Mindermengen, Ausgleichsenergiekosten, Marktanbindung, operatives Geschäft, zweiter Zählpunkt an den
Erzeugungsanlagen, Handelsmargen) zu gering gewesen. Bei Berücksichtigung aller
Kosten auf der Erzeugungsseite wäre der Strompreis derzeit für den Endkunden zu
hoch, um am Markt bestehen zu können. Eine große Zahl an Haushalten wäre zu
beliefern, um die notwendigen Mengeneffekte zur Deckung der operativen Kosten
zu erreichen. Die beobachtete vergleichsweise geringe Nachfrage nach vergleichbaren Produkten im Landkreis Harz lässt darauf schließen, dass ein Vertrieb allein nur
schwer eine solche Strommarke etablieren könnte, und dies nur im Verbund aller
Vertriebe in der Modellregion möglich wäre.
Voraussetzung für die Stromherkunft bei der Belieferung, nämlich der Rangfolge
nach (1.) Wind- und PV-Strom, (2.) bedarfsgerechte Erzeugung aus flexiblen Anlagen der Region und (3.) hinzugekaufte Strommengen von außerhalb der Region,
ist, dass auch die überregionalen Marktpreise diese Rangfolge wiederspiegeln. Der
Vorrang der erneuerbaren Energien muss also dementsprechend differenziert wirtschaftlich darstellbar sein. Für Wind- und PV-Strom dürfte langfristig gelten, dass
er am preisgünstigsten zu beziehen ist, denn sind die Anlagen einmal abgeschrieben, sind die Erzeugungskosten im Vergleich zu brennstoffbetriebenen Anlagen gering. Bei Windstrom zeichnet sich dies bereits jetzt ab. Damit wird die Umsetzung
dieser Vermarktungsstrategie langfristig denkbar. Für die Übergangszeit wäre zu
überlegen, in welcher Weise die Markt- und Handelsbedingungen angepasst werden können, damit die Wirtschaftlichkeit einer regionalen Vermarktungsstrategie
für Strom aus erneuerbaren Energien besteht.
Die mögliche Preisspreizung zwischen höchster und niedrigster Preisstufe des Endkundenpreises ist zu gering, um dem Endkunden einen ausreichend großen finanziellen Anreiz zum Lastmanagement im Haushalt zu bieten. Dies liegt daran, dass
nur die Energiekosten, also die unterschiedlich hohen Einkaufspreise für die elektrische Energie, im Zusammenwirken mit der Umsatzsteuer die Preisspreizung bestimmen. Die Stromgestehungskosten machen derzeit weniger als ein Viertel der
Stromkosten des Haushaltskunden aus und haben noch eine dem Zweck entsprechend geringe Volatilität. Die weiteren Preisbestandteile (EEG- und KWK-Umlage,
Stromsteuer, Netznutzungsentgelte, Konzessionsabgabe, Messkosten, Sonderabgabe
/ siehe Grafik weiter unten) lassen sich nicht flexibilisieren. Soll in der Übergangszeit, bis im Stromversorgungsystem sehr hohe Anteile fluktuierender EE zu hohen
Fluktuationen in den Erzeugungspreisen führen, ein dynamischer Haushaltskun146
dentarif mit ausreichendem finanziellen Anreiz umgesetzt werden, wäre zu überlegen, ob es möglich ist, die Preisspreizung anhand eines bundesweiten Flexibilisierungskontos für alle Vertriebe zu vergrößern. Aus diesem Konto würden – je nach
bundesweitem Anteil von Wind- und PV-Strom am bundesweiten Stromverbrauch –
je Lieferstunde für jede kWh, die an die Haushaltskunden geliefert wurde, Gelder
an die Vertriebe ausgeschüttet bzw. von den Vertrieben abgerufen. Die resultierende Preisdynamik bekäme damit allerdings einen finanziellen Anreizcharakter, der
sich am Gesamtsystem orientiert, nicht an der regionalen Erzeugung im Portfolio.
Je nachdem, wie die Vertriebsmarge ausgestaltet ist (fest - variabel), bedeutet der
dynamische Tarif, dass Vertriebe je nach Stromabsatz zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich hohe Erlöse zu verbuchen haben. Da der Grundbedarf der Haushaltskunden nur begrenzt zeitlich verlagerbar ist, dürfte sich dieses Risiko jedoch in
Grenzen halten.
Systemtechnische Hindernisse
Die Abrechnungssysteme bei den Vertrieben entsprechen noch nicht den notwendigen Voraussetzungen für den preisdynamischen Endkundentarif. Ein spezieller Tarif,
wie in RegModHarz entwickelt, lässt sich nicht in die bestehenden Abrechnungssysteme integrieren.
Haushaltskunden werden vom Vertrieb mit Hilfe von Standardlastprofilen in entsprechenden Bilanzkreisen geführt. Um eine Bilanzierung entsprechend des tatsächlichen Verbrauchsprofils zu ermöglichen, müsste bei jedem Haushaltskunden
eine mindestens viertelstundenscharfe Messung durchgeführt werden, was bis dato
nicht der Fall ist, da die im Haushaltsbereich überwiegend installierten Zähler nur
die verbrauchte Arbeit messen. Mit einer viertelstündlichen Leistungsmessung würde im zweiten Schritt die Verpflichtung für den Vertrieb einhergehen, den einzelnen
Kunden bzw. Gruppen sich ähnlich verhaltender Kunden täglich zu prognostizieren
und einen dementsprechenden Fahrplan an den Netzbetreiber zu senden. Dieses
Vorgehen, das der Belieferung von Industriekunden ähnlich wäre, ist jedoch bei
den geringen Verbräuchen der Haushaltskunden im Verhältnis zur Industrie derzeit
nicht rentabel. Zwar könnte der Vertrieb durch Anreize zur Lastverlagerung durch
die Endkunden möglicherweise die Energiebeschaffungskosten verringern, jedoch
würde diese Einsparung nicht ausreichen, um die mit der Abwicklung verbundenen
Kosten zu decken.
147
Weitere Hindernisse für eine Umsetzung im Feldtest
Für die Umsetzung im Feldtest kamen weitere Hindernisse hinzu: Zum einen wären
bindende Verträge zu den real zu tätigenden Stromlieferungen zwischen allen Beteiligten zu schließen gewesen (Anlagenbetreiber und Poolhändler, Poolhändler
und Vertriebe, Vertriebe und Haushaltskunden), was einen hohen Aufwand bedeutet, da alle betroffenen Konsortialpartner diese hätten prüfen und umsetzen müssen. Weiterhin bestand ein Konflikt in Vertragsbindungen der akquirierten Haushaltskunden für den Feldtest hinsichtlich ihres Strombezugs. Zudem waren die regionalen Vertriebe im Konsortium des Forschungsprojekts nicht beteiligt, sondern
ausschließlich die Netzbetreiber der EVU der Modellregion. Weiterhin wurden auch
für einen kurzzeitigen Feldtest Handelsrisiken identifiziert, die von einzelnen Konsortialpartnern zu tragen gewesen wären und die sich für die beteiligten Akteure
im Projekt als nicht verhältnismäßig herausstellten.
5.2 Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag
Geschäftsmodell und dessen Umsetzung im Feldtest
In einem zukünftigen Energiesystem kann es notwendig sein, das Flexibilitätspotenzial der Haushalte zu erschließen. Für den Feldtest wird ein preisdynamischer
Tarif als Anreiz zur Verschiebung von Haushaltslasten entwickelt und bei den Feldtest-Haushaltskunden erprobt. Dazu wurden Führungsgrößen, Handhabung, Zeiträume und notwendige Anreize ermittelt und für den Feldtest festgelegt. Der Feldtesttarif orientiert sich an der Stromvertriebsstrategie „Regionaler Haushaltskundenstromtarif“ (s. Kapitel 5.1), unterscheidet sich aber hinsichtlich der zentralen
Marktrolle. Die Haushaltskunden verbleiben bei ihren jeweiligen Stromlieferanten
und beziehen ihren Strom nach den dort bestehenden Tarifen. Der Netzbetreiber
bietet vertraglich einen zeitdynamischen Zusatztarif mit 9 Bonus-/Malusstufen an,
mit dessen Hilfe er bei den Haushaltskunden Anreize zu netzentlastendem Verhalten beim Strombezug setzen kann. Ziel ist eine Verlagerung der Endverbraucherlast
weg von Zeiten mit geringer prognostizierter Wind- und PV-Bedarfsdeckung hin zu
prognostizierten Stromüberschusszeiten. Verhält sich der Feldtestkunde systemgerecht, so deckt sich auch im Feldtest der Strombezug zu Bonuszeiten mit einem hohen Anteil von Wind und PV in der Bedarfsdeckung der Modellregion.
Die Feldtestkunden erhalten täglich um 14 Uhr verbindlich die Preisstufen für die
24 Stunden des Folgetages. Die 9 Preisstufen können stündlich wechseln. Als Führungsgröße wird beim Feldtest die Prognose der Residuallast der Modellregion verwendet, berechnet aus der Prognose der Stromverbrauchsleistung abzüglich der
Prognose der Wind- und PV-Einspeiseleistung. Der Verteilnetzbetreiber schreibt den
148
Haushaltskunden zu einer „Bonus-Zeit“ (Grüne Preisstufen 1 bis 4) einen Bonus auf
die verbrauchte kWh auf einem Kundenkonto gut. Bei Strombezug während einer
„Malus-Zeit“ (rote Preisstufen 6 bis 9) wird ein Malusbetrag je kWh abgezogen. Die
Preisstaffelung beträgt 4 ct/kWh zwischen allen Preisstufen. Die Preisspreizung des
Tarifs liegt demnach bei 32ct/kWh. Die mittlere Preisstufe 5 ist neutral. Bei einem
kontinuierlichen Strombezug mit gleichbleibender Leistung zu jeder Zeit gleichen
sich Bonus- und Maluszeiten innerhalb eines Jahres im Mittel annähernd wieder
aus, sodass ein Kontostand annähernd Null resultiert. Annähernd, da die prognostizierte Häufigkeitsverteilung bestimmter Situationen im Netz für die folgenden 12
Monate immer etwas von der späteren Beobachtung abweichen wird. Zudem erfolgt die Festlegung, welcher Wert der Residuallast zu welcher Preisstufe führt, anhand von Vergangenheitswerten der Residuallast in der Modell- bzw. Netzregion.
Die im Jahresverlauf variierende Menge der Windenergieeinspeisung beeinflusst
den monatlichen Anteil an Bonus- und Maluspreisstufen. Dementsprechend ist es
nicht sinnvoll, den Tarif mit monatlicher Möglichkeit der Kündigung vorzusehen.
Die monatlichen Unterschiede müssen sich im Jahresverlauf ausgleichen können.
Ein wesentlicher Vorteil der Umsetzung des dynamischen Tarifs durch den Verteilnetzbetreiber besteht darin, dass sich die Höhe des finanziellen Anreizes an der
Zielgruppe sowie am Bedarf nach Netzentlastung orientieren kann. Weiterhin muss
der Anreiz nicht innerhalb der – derzeit noch – engen Grenzen eines variablen
Energiebezugspreises umgesetzt werden. Für die (fernere) Zukunft kann allerdings
ab einem bestimmten bundesweiten Anteil erneuerbarer Energien mit einer hohen
Preisvolatilität an der Strombörse gerechnet werden, die zusammen mit der Mehrwertsteuer ggf. ausreichend hohe Anreize beim Endkunden setzen könnte.
Zentrales Element des Haushaltskunden-Stromtarifs ist die Transparenz. Über die
Marktplattform erfährt der Haushaltskunde zu jeder Zeit für jede aktuelle Stunde
und die Vergangenheit, welche Stromeinspeisung aus welchen Anlagen und welcher Strombezug in der Modellregion vorliegt und welche Werte prognostiziert werden. Über einen persönlichen Bereich werden weiterreichende Informations- und
Auswertemöglichkeiten bereitgestellt (s. Kapitel 3.4). Diese direkte Rückmeldung ist
wichtig, um die Motivation der Haushaltskunden für eine kontinuierliche Verhaltensänderung zu erzielen. Da für jede Stunde die Einspeisung der EE-Anlagentypen
im Netz der Modellregion transparent dokumentiert wird und der Haushaltskundenstromverbrauch mittels Smart Meter stündlich mitgeschrieben wird, können die
Haushaltskunden für jede Stunde auswerten, wie hoch der Anteil der aus dem Netz
bezogenen Strommenge je Erzeugertyp im Netz war.
149
Abbildung 64: Preisstufen bei der Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag
Abbildung 65: Grafischer Überblick zur tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Preisstufen
Simulation der Feldtestpreisstufen für die RegModHarz-Leitszenarien
Flexible Tarife werden mit steigendem EE-Ausbau mehr und mehr durch die EEEinspeisung bestimmt und weniger durch die Stromverbrauchslast. Diese Erkenntnis
wurde bei einer Simulation der Feldtestpreisstufen über die RegModHarzLeitszenarien (vgl. Kapitel 4.3) deutlich. Einen grafischen Überblick über die tagesund jahreszeitliche Verteilung der Bonus- und Maluszeiten gibt die obige Darstellung. Es sind drei Grafiken zum Vergleich nebeneinander gestellt worden, und zwar
von links nach rechts für Leitszenario 1, Leitszenario 2 und Leitszenario 3. In jeder
einzelnen Grafik wurden jeweils horizontal von links nach rechts (Spalten) die
150
Stunden des Tages (Ortszeit) aufgetragen; vertikal die Tage des Jahres dargestellt
(Zeilen). Da für alle Leitszenarien dieselben meteorologischen Daten als Basis genommen wurden, und sich nur die installierten Leistungen Wind und PV unterscheiden, kommen in allen drei Grafiken gleichermaßen die Starkwindphasen im
Frühjahr zum Ausdruck, unterbrochen von einzelnen Tagen mit geringer Windenergieeinspeisung.
Bei Leitszenario 1 sind die Preisstufen deutlich durch den Stromverbrauch bestimmt. Das Verhältnis aus prognostizierter Einspeiseleistung (Wind + PV) und prognostizierter Bruttostrombedarfsleistung ist in knapp 98 % der Viertelstunden des
Jahres kleiner eins. Bonuszeiten treten vor allem durchgängig nachts auf Maluszeiten vor allem durchgängig an den Wochentagen Montag bis Freitag. Im Jahresmittel
lässt sich eine Preisspitze am Vormittag zwischen sieben und zwölf Uhr und am frühen Abend zwischen 17 und 19 Uhr verzeichnen. Die mittlere Preisstufe beträgt an
Wochentagen fünf, an Wochenenden/Feiertagen vier. Jede fünfte Stunde des Jahres
fällt in eine anhaltende Maluszeit, die zwischen 14 und 18 Stunden lang dauert
und damit kaum Verlagerungsmöglichkeiten für Haushaltskunden bietet.
In Leitszenario 2 macht sich im Vergleich zu Leitszenario 1 die deutlich höhere installierte PV-Leistung bemerkbar. Das Verhältnis von Einspeise- zu Verbrauchsleistung ist noch in 84 % der Viertelstunden des Jahres kleiner eins, was im Umkehrschluss bedeutet, dass bereits in 16 % der Viertelstunden die prognostizierte Einspeiseleistung größer ist als die prognostizierte Strombedarfsleistung. Im Sommer
gelten zu den Mittagsstunden vielfach Bonuspreisstufen. Malusphasen über Tag
werden von mittäglichen Bonusphasen unterbrochen. Zwischen 11 und 16 Uhr ist
im jahresmittleren Tagesgang Preisstufe 4 (erste Bonusstufe) zu verzeichnen.
Preispeakzeiten sind weiterhin Vormittag und früher Abend, wobei die Peaks am
frühen Abend tendenziell stärker ausgeprägt sind. Was die Dauer durchgängiger
Bonus- und Maluszeiten in Leitszenario 2 anbetrifft, sind geringere Zeiträume häufiger als in Leitszenario 1 und die Häufigkeitsverteilungen der Bonus- und Malusstunden nähern sich aneinander an.
Leitszenario 3 zeichnet sich durch besonders hohe installierte Leistungen Wind und
PV und somit durch vielfach höhere Einspeiseleistungen im Verhältnis zur Verbrauchsleistung aus. Das Verhältnis von Einspeiseleistung zu Verbrauchsleistung ist
in 54 % aller Viertelstunden des Jahres größer gleich eins, aber immerhin noch in
46 % aller Viertelstunden kleiner 1. Im Vergleich zu Leitszenario 1 kehrt sich im
Sommerhalbjahr die Preisstufenverteilung im Tagesgang um: Während der Strahlungszeiten über den Tag sind aufgrund der hohen PV-Einspeisung vorwiegend Bo151
nuspreisstufen zu verzeichnen, in der Nacht hingegen vorwiegend Maluspreisstufen. Diese Preisstufenumkehr hat u.a. die Ursache, dass nach der Tarifgestaltung
alle Preisstufen ähnlich häufig im Jahr auftreten sollen. Somit „verdrängen“ die
sommerlich-mittäglichen Bonuspreisstufen die nächtlichen Bonuspreisstufen. Es
gibt keine Kraftwerke im 100%-EE-Szenario, die kontinuierlich Grundlast liefern
und somit nachts die Preise drücken. Die abendlichen Peakpreiszeiten sind vom
Sonnenstand abhängig und treten im Sommer später am Tag auf als im Frühjahr
und Herbst. In der Winterzeit können bei Windflauten ganztägig Maluspreisstufen
auftreten, gleichwohl aber auch ganztägig Bonuspreisstufen bei starker Windstromeinspeisung. Die am häufigsten anzutreffenden Zeiträume von Bonus- und
Maluszeiten betragen in Leitszenario 3 lediglich eine bis fünf Stunden. Bei den Bonuszeiten entsteht ein neuer Peak in der Häufigkeitsverteilung bei einer Dauer von
sieben bis zehn Stunden. Dies dürfte in der Dauer der PV-Einspeisung begründet
liegen, die bei sommerlichen Sonnenstunden bei der hohen installierten PVLeistung über Tag für längere Bonusphasen sorgt.
Aus diesen Erkenntnissen heraus wurde im Feldtest die Anlagenleistung des Leitszenarios 2 angenommen. Damit haben die Feldtestkunden realere Möglichkeiten
einer preisgetriebenen Lastverlagerung. In diesem Zusammenhang lohnt ein vergleichender Blick auf die grafische Darstellung der Residuallast der Modellregion in
Leitszenario 1, 2 und 3 (siehe Abbildung 66). Die grün bis rot abgegrenzten Bereiche stellen die Grenzen der 9 Preisstufen dar. Ganz links dunkelgrün dargestellt ist
Preisstufe 1, ganz rechts leuchtend rot Preisstufe 9. Die Häufigkeitsverteilung der
Residuallast macht deutlich: In Leitszenario 2 treten vermehrt Ereignisse mit einer
negativen Residuallast auf. Aufgrund der höheren installierten Wind- und PVLeistung bezogen auf den Strombedarf tritt bereits in knapp 22 % der Stunden eine
negative Residuallast auf – dies entspricht in der Summe einer Zeit von knapp drei
Monaten. Dadurch verschieben sich die Klassengrenzen für die Preisstufen im Vergleich zu Leitszenario 1, denn jede Preisstufe soll mit gleicher Häufigkeit im Jahr
auftreten. Bei Leitszenario 3 reicht die Skala von -450% bis 100% der maximalen
Residuallast. Die mittlere Preisstufe ragt bereits deutlich in die negative Residuallast hinein.
152
2,5%
2,0%
1,5%
1,0%
0,5%
0,0%
-100%
-80%
-60%
-40%
-20%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
-80%
-60%
-40%
-20%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
2,5%
2,0%
1,5%
1,0%
0,5%
0,0%
-100%
2,5%
2,0%
1,5%
1,0%
0,5%
0,0%
-450%
-400%
-350%
-300%
-250%
-200%
-150%
-100%
-50%
0%
50%
100%
Prozente der maximalen Residuallast
Abbildung 66: Residuallast der Modellregion in Leitszenarien 1, 2 und 3 (von oben) mit Klassengrenzen der Preisstufen
Ergebnisse aus der Durchführung des Feldtests
Der hier beschriebene preisdynamische Tarif wurde in Verbindung mit den in Kapitel 3.3 vorgestellten installierten Komponenten in 39 Testhaushalten erprobt. Ziel
war es, Erfahrungen mit dem Umgang des preisdynamischen Tarifs und des Lastmanagementsystems im normalen Tagesablauf zu sammeln. Dazu werden neben
der Erfassung der Daten durch die installierten Komponenten auch die Teilnehmer
zu ihren Eindrücken während des gesamten Feldtests befragt. Um einen Vergleich
zum Verhalten der Teilnehmer mit und ohne preisdynamischem Tarif zu haben,
wurde im ersten Feldtestteil nur das Stromverbrauchsverhalten der Teilnehmer erfasst. Erst im zweiten Feldtestteil wurde der preisdynamische Tarif angeboten und
das Energiemanagementsystem installiert.
Die Auswertung der Lastverschiebepotenziale aus den gesammelten Daten liegt zum
aktuellen Zeitpunkt noch nicht vor und wird im AP-Bericht zum Feldtest präsentiert.
153
Zu den Erfahrungen der Feldtestteilnehmer im Umgang mit dem preisdynamischen
Tarif und der installierten Technik existieren bereits Rückmeldungen. Im Anschluss
an eine Schulung zum BEMI, zur Marktplattform und zur sozialwissenschaftlichen
Begleitforschung im Juli 2012 wurde ein erstes Feedback gegeben. Hinsichtlich der
Einschätzung des Lastmanagement-Prinzips allgemein gab es folgende Rückmeldungen:

Die Teilnehmer können sich Lastmanagement im Alltag prinzipiell vorstellen.

Die erforderlichen Verhaltensänderungen dürfen nicht zu groß sein, um eine
Nutzung eines Energieverwaltungssystems in Privathaushalten zu bewerkstelligen.

Personen, die wenig Zeit in den eigenen Wohnräumen verbringen und tagsüber nicht manuell in die Abläufe des Gerätes eingreifen können, sehen sich
mit den aktuell nur bedingt für Lastmanagement geeigneten Geräten in einer schwierigen Situation.

Die Ausgestaltung der Anreize zur Nutzung eines Energieverwaltungsgerätes
sollten sorgfältig durchgeführt werden, da größere verlangte Verhaltensänderungen und Komfortverluste (laut den Teilnehmern) einen finanziellen
Anreiz benötigen (wie etwa tatsächliche flexible Tarife).

Die Einschätzung der Feldtestteilnehmer selbst lautet, dass allein durch Motive des Umweltschutzes und nachhaltigen Denkens nur sehr geringe Verhaltensänderungen anzuregen seien.

Um die langfristigen Ersparnisse, die durch Lastmanagement mit unterschiedlichen Stromtarifen erzielt werden können, attraktiv zu machen, sei
eine gute Marketingstrategie entscheidend.

In Kühlschränken, die bisher aus Gründen der Lebensmittelhaltbarkeit sehr
kühl eingestellt waren und denen nun für Lastmanagement ein Temperaturbereich zugewiesen wird, können im Kühlschrank sehr niedrige Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt herrschen, wenn der Temperaturbereich
nicht auch nach oben ausgeweitet wird.
Zur zukünftigen Entwicklung wurden von den Teilnehmern folgende Fragen gestellt:
154

Soll am Ende des Feldtests aus dem virtuellen Tarif ein echter Tarif werden?

Wie kann die Umsetzung von Lastmanagement im Haushalt in der Zukunft
aussehen?

Wie sinnvoll ist Lastmanagement für weiße Ware aufgrund der Entwicklungen zu immer sparsameren Geräten?
Den Sinn des Feldtests sehen die Teilnehmer vor allem darin, ein Bewusstsein für
den eigenen Stromverbrauch im Allgemeinen und für Lastmanagement im Speziellen zu schaffen.
Folgende konkrete technische Anmerkungen wurden von den Teilnehmern außerdem gemacht:

Das BEMI-Display wird intensiv genutzt, um einen Überblick über den Preisstufenverlauf und die Einsatzpläne angeschlossener Geräte zu erhalten.

Die Nutzung des BEMI-Portals über den PC ist wegen des erforderlichen
Hochfahrens des PCs aufwendig, wenn nur schnell der Einsatzplan für angeschlossene Geräte geändert werden soll.

Das BEMI-Display sollte um Funktionen wie die Bearbeitung der Einsatzpläne erweitert werden.

Das Umschalten der Schaltboxen vom Modus „Automatik“ in den Modus
„Dauer Ein“ und wieder zurück (zum Programmieren und Starten moderner
Hausgeräte erforderlich) ist sehr umständlich, vor allem bei Feuchtraumschaltboxen.

Das Prinzip der Ansteuerung der Verbraucher durch Schaltboxen funktioniert
nicht mit allen Geräten (programmierte Geräte starten nach Netzzuschaltung
durch die Schaltbox nicht ohne einen manuellen Eingriff).

Bei über Schaltboxen angesteuerten Kühl- und Gefriergeräten funktioniert
das Licht beim Öffnen der Tür nur, wenn die Geräte gerade kühlen.
Weitere Rückmeldungen stammen aus einem Fragebogen, der zwei Wochen nach
Installation der BEMIs an die Haushalte verschickt wurde. Von den 39 angeschriebenen Haushalten haben 25 den Fragebogen beantwortet und zurückgeschickt.
Unter anderem wurden die Teilnehmer zur BEMI-Nutzung befragt. Darauf antworteten 84 % der Feldtestteilnehmer, dass sie bereit wären, das BEMI auch nach
dem Feldtest zu nutzen. Auf die Frage, welche jährliche Einsparung sich durch die
BEMI-Nutzung einstellen müsste, antworteten die Teilnehmer wie in Abbildung 67
zu sehen (1 Harztaler = 1 Euro).
155
Was müssten die Haushalte jährlich in Euro einsparen,
um das BEMI dauerhaft zu nutzen?
28%
30%
25%
20%
20%
16%
16%
10-25 €
25-50 €
16%
15%
10%
5%
0%
0-10 €
50-100 €
Sonstiges
Abbildung 67: Jährliche Einsparung in Harztalern, wenn das BEMI weiter genutzt werden soll
Die Teilnehmer äußerten sich ebenfalls zur Startzeitverschiebung von Wasch- und
Spülmaschine (siehe Abbildung 68 und Abbildung 69). Die 22 Rückmeldungen zur
Waschmaschine und die 13 Rückmeldungen zur Spülmaschine lassen ein großes
Lastverschiebepotenzial im Zeitraum von sieben Stunden und mehr erkennen. So
kann bei zwei von vier Nutzungen der Waschmaschine und sogar bei drei von vier
Nutzungen der Spülmaschine die Startzeit um mindestens sieben Stunden verschoben werden.
Bereitschaft, Startzeit der Waschmaschine um die
angegebene Stundenzahl zu verschieben
80%
70%
54,5%
60%
50%
40%
30%
20%
22,7%
13,6%
9,1%
10%
0%
1-2 h
3-4 h
5-6 h
7 h oder länger
Abbildung 68: Bereitschaft zur Verschiebung der Startzeit der Waschmaschine
156
Bereitschaft, Startzeit der Spülmaschine um die
angegebene Stundenzahl zu verschieben
76,9%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
15,4%
20%
7,7%
10%
0%
1-2 h
3-4 h
5-6 h
7 h oder länger
Abbildung 69: Bereitschaft zur Verschiebung der Startzeit der Spülmaschine
5.3 Industrielles Lastmanagement
Die Herausforderungen, die im Rahmen der Integration steigender Anteile fluktuierender erneuerbarer Energien (FEE) wie Windkraft und Photovoltaik entstehen, werfen die Frage auf, welchen Lösungsbeitrag industrielles Lastmanagement leisten
kann. Die Zielsetzung der Universität Kassel und des Instituts dezentrale Energietechnologien im Rahmen des RegModHarz-Projekts ist es, mögliche Beiträge des
industriellen Lastmanagements zum Ausgleich von erneuerbaren Energien (EE) zu
untersuchen. Die Untersuchung bedarf erstens technischer Lösungsansätze mit geeigneten Prozessen, die ein sinnvolles Lastmanagementpotenzial zum Ausgleich
von EE haben, zweitens einer Entscheidung bzw. eines Entscheidungsalgorithmus,
der den Betrieb automatisch bestimmt, sowie drittens einer Ansteuerung der Anlagen, die von einer übergeordneten Stelle informationstechnisch erfolgt und im optimalen Fall einen Datenaustausch zwischen Anlage und Leitwarte erlaubt. Auf der
organisatorischen Ebene geht es um die Integration von Prozessverschiebungen
bzw. Lastmanagement in den gesamten Produktionsablauf unter der Maßgabe des
Vorrangs der Erfüllung der Produktionsziele. Neben technischen und organisatorischen Aspekten ist die Wirtschaftlichkeit erfolgsbestimmend. Hier sind insbesondere
monetäre Anreize für Flexibilität im Betrieb wie ein veränderlicher Arbeitspreis für
Strombezug zu nennen. Auf der Ausgabenseite der Unternehmen fallen Investitionskosten für die technische Ausstattung und im Rahmen der Vorbereitung und
Durchführung der Maßnahmen für den organisatorischen Aufwand an.
Lastmanagement in Industriebetrieben
Das untersuchte Lastmanagement bezieht sich hierbei rein auf den Teilaspekt der
zeitlichen Verschiebung von bestehenden elektrischen Verbrauchern ohne die
157
elektrischen Verbräuche zu verändern. Ein Konzept zur Einbindung von Industriebetrieben muss mit dem Verständnis der Prozesse und der einzelnen Prozessschritte, d. h. der Prozessparameter wie Leistung, Energie und Energieart beginnen. Bei
vielen Herstellungsprozessen gibt es unterschiedliche Prozesspfade, die an unterschiedlichen Produktionsstandorten parallel zueinander zur Anwendung kommen.
Dies gilt analog für Veredelungs- und Weiterverarbeitungsschritte. Die genaue Ermittlung von Lastmanagementpotenzialen erfolgt über eine Simulation. Das Ziel ist
es, existierende Lastverschiebungspotenziale zum Ausgleich von FEE zu ermitteln
und Möglichkeiten zur Erhöhung zu bestimmen. Die treibende Kraft ist ein finanzieller Anreiz zur Lastverschiebung. Die im Projekt verwendeten Daten der Projektpartner werden genutzt, um die Residuallast in der Modellregion Harz in flexible
Strompreise für industrielle Endkunden umzurechnen. Informationen zu Auslastung, Betriebsstunden und Leistung von Anlagen werden in der Simulation abgebildet und liefern zusammen mit der ebenfalls zeitlich aufgelösten Vorgabe von
Anreizen die gesuchten Verschiebungspotenziale. Soweit wie möglich werden Investitionskosten von Prozessmitteln und Speichern recherchiert bzw. je nach Datenverfügbarkeit abgeschätzt. Zur wirtschaftlichen Bewertung werden die entstehenden Kosten und die für eine flexible Betriebsweise notwendigen Anreize ins
Verhältnis gesetzt.
Simulation des Lastmanagements
Die Prozesse sind vielfältig und müssen unterschiedlich simuliert werden, je nachdem wie die technischen, ökonomischen und organisatorischen Randbedingungen
sind. Wenn ein Prozess kontinuierlich auf Maximalleistung laufen muss, gibt es
kein Lastmanagement-Potenzial. Die Leistung eines Prozesses, einer elektrischen
Last oder eines Prozessschrittes muss variabel wählbar sein, um Lastmanagement
(DSM) zu erlauben. Wenn der Sonderfall einer Abschaltung eingeschlossen ist, ist
der Prozess als diskontinuierlich zu betrachten. Die variable Leistung kann entweder durch eine Modulation oder durch An- und Abschaltung realisiert werden. Eine
weitere wesentliche Fallunterscheidung für die Modulation ist, ob die Leistung in
festen Schritten oder variabel geregelt werden kann. Darüber hinaus gibt es Fälle
mit Nebenbedingung wie z.B. eine Untergrenze oder die Verschiebbarkeit einer
Leistungsänderung, die aus organisatorischen, technischen oder finanziellen Gründen determiniert bzw. beschränkt sein kann. Die Dauer, über die das Erbringen einer Arbeit verschoben werden kann, ist ein wesentliches Kriterium für den Einsatz.
Die Verschiebbarkeit kann gelten für eine Woche oder Tage (Windenergieausgleich),
einen Tag (PV-Ausgleich) oder Stunden (Regelenergie). Analog zur Länge der Verschiebbarkeit des Betriebs oder der Abschaltung ist auch die Betriebs- oder Ab158
schaltdauer wesentlich. Ein weiteres Kriterium fragt nach, inwieweit durch Erhöhung von Leistung (Überdimensionierung) und Speicherkapazität das System für
Lastmanagement verändert werden kann. Die Verschiebbarkeit hängt in der Ausgangssituation von der Auslastung bzw. den Volllaststunden ab, die ihrerseits wesentlich von der Auftragslage des Unternehmens bestimmt werden.
Für eine Steigerung des Lastmanagements nehmen Materiallager für Zwischenprodukte und Speicher im Kontext der Energiewandlung von Strom in thermische Energie (z.B. Kältespeicher) eine besondere Rolle ein. Lager und Speicher bewirken eine
Entkopplung von Prozessschritten, d. h. anstelle einer zwingenden Abfolge zwischen aufeinanderfolgenden Produktionsschritten kann der Betrieb des einen Prozessschritts auch ohne den anderen aufrechterhalten werden. Die Pufferwirkung
ergibt sich aus der Speichergröße und Entnahmemenge je Zeiteinheit. Die untersuchten Branchen umfassen neben den großen Verbrauchern Papier-, Stahl-, Aluminium- und Zementindustrie auch Brauereien. In diesen Branchen kommen unterschiedliche materielle und thermische Speicher bereits zur Anwendung.
Ergebnisse
Es zeigt sich gegenüber früheren Studien, auf die Bezug genommen wurde, dass
durch ein Umdenken im Rahmen einer geänderten Zielsetzung Lastmanagementpotenziale für den Ausgleich von FEE durch industrielles Lastmanagement ausgebaut
werden können. Die Zielsetzung hat sich hierbei mehrfach gewandelt. Während im
Jahr 2012 in der Industrie ein durch Energiekosten motiviertes Lastmanagement
vergleichsweise selten stattfindet, spielte noch vor zwanzig Jahren das Ziel Spitzenlasten für kurze Zeiträume von Viertelstunden bis Stunden zu reduzieren eine wesentliche Rolle. Als Teil eines „smarten Gesamtsystems“ erfordert die wachsende
Leistung von Windenergie und PV in zunehmendem Maße die Nutzung industrieller
Potenziale für ein- bis mehrtägige Verschiebungen in hierfür geeigneten Teilprozessen der Produktion. Die Potenziale für Lastmanagement mit einer derartigen
Verschiebbarkeit liegen in den genannten Industrien mindestens in einer Größenordnung von 2 GW und 25 TWh/a. Das Verhältnis zwischen Energie und Leistung
zeigt, dass neben der Finanzierung von Speichern Anreize für eine Leistungserhöhung der lastmanagementfähigen Prozessschritte sinnvoll sind.
Die ökonomische Bewertung des Lastmanagements hat als wesentliche Annahme
die Vorgabe eines Stromtarifansatzes mit 9 Tarifstufen, der den Einfluss der FEE auf
die Restlast abbildet. Demgegenüber steht der Fall ohne Anreiz für eine flexible Betriebsweise. Auf der Ausgabenseite stehen neben betrieblichen Kosten zusätzliche
Investitionskosten für thermische und materielle Speicher und Leistungserhöhun159
gen für die Prozesse an. Die Höhe der verschiebbaren Energie ergibt sich aus der
Simulation auf Grundlage der verwendeten Tarifanreize. Ein weiteres Ergebnis ist
die Kosteneinsparung durch die Lastverschiebung und die Amortisationsdauer für
die Zusatzinvestitionen, wobei die notwendigen Anreize verändert und quantifiziert
werden, bis eine akzeptable Amortisationsdauer entsteht.
Die Kosten bzw. Einsparungen von Lastmanagement zum Ausgleich erneuerbarer
Energien werden für die bereits untersuchten industriellen Prozesse ermittelt. Der
Ausbau der Potenziale kann wirtschaftlich gestaltet werden. Im untersuchten 9 Tarifstufen-System bieten für Durchschnittsbetriebe der genannten Branchen mit einem vergleichsweise hohen Energiebedarf Preisunterschiede von unter 1 ct/kWhel je
Stufe einen ausreichenden Anreiz für Zusatzinvestitionen in flexible Instrumente
wie materielle Speicher. Die Preisunterschiede sind hierbei das Wesentliche für die
Wirtschaftlichkeitsberechnung und nicht die Höhe des Strompreises. Der durchschnittliche Strompreis liegt in der Größenordnung von 12 ct/kWh bei kleineren Betrieben. Der Strompreis großer Betriebe liegt deutlich darunter, wird aber im verwendeten Modell nie negativ. Betriebe mit einem vergleichsweise geringen Energiebedarf wie Brauereien benötigen Preisunterschiede in der Größenordnung bis zu
2 ct/kWhel. Die Situation in der Papierindustrie führt durch hohe Speicheranforderungen zu ähnlich hohen notwendigen Anreizen. Durch Forschung und Entwicklung
dürfte hier besonders hoher Spielraum für Kostensenkung bestehen. Als offensichtlich hat sich der Zusammenhang herausgestellt, dass je kleiner die Speicher sind,
desto mehr Produktion in höhere Tarifstufen verlagert werden muss. Eine optimale
Speichergröße nimmt in dieser Hinsicht mindestens 1/3 der Tagesproduktion in
Volllast auf. Speicher mit Produktionskapazität für einen ganzen Tag haben sich
gemäß den genannten Randbedingungen als sinnvoll erwiesen und noch größere
Speicher scheinen in der Zementindustrie darstellbar.
Zusammenfassung und Fazit
Es wurden für die ausgewählten industriellen Prozesse Papier-, Stahl-, Aluminiumund Zementindustrie, Brauereien Potenziale für die Integration von FEE ermittelt.
Im Vergleich zu den Leistungen erneuerbarer Energien sind nennenswerte Energiemengen mit relativ geringen Leistungen verfügbar. Technische Hindernisse spielen
keine Hauptrolle. In erster Linie fehlen politische Beschlüsse, die deutlich machen,
dass industrielles Lastmanagement kurz- bis mittelfristige Bedeutung bekommen
wird. Um zu einer Implementierung zu gelangen, müssen die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass ausreichende Anreize
gegeben werden, insbesondere für den Ausbau von Speicherkapazität und mög-
160
lichst gleichzeitig auch zur Leistungserhöhung. Das vordringliche Ziel der Industriebetriebe ist und bleibt es, die Einnahmeseite zu maximieren, d.h. die Produktionsprozesse optimal und mit maximalen Betriebsstunden laufen zu lassen. Demgegenüber bleibt das Interesse an der Senkung der Energiekosten bis auf Weiteres gering.
Es hängt sowohl von der jeweiligen Branche als auch von der einzelnen Maßnahme
ab, wie hoch der notwendige Anreiz sein muss, der eine tatsächliche Systemänderung und Lastverlagerung bewirken kann. Es sind nennenswerte Potenziale vorhanden und es würden wirtschaftliche Anreize in einem realistischen Rahmen ausreichen, um das vorhandene Potenzial zu aktivieren. Insofern gilt es, jetzt ausreichende Anreize und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
5.4 E-Kfz
Elektrofahrzeuge stellen eine Zukunftstechnologie sowohl für die individuelle Mobilität als auch für die Wirtschaftsverkehre dar. Die Batterien der Elektrofahrzeuge
speichern elektrische Energie in ihren Traktionsbatterien und sind für die Zeit des
Aufenthalts an Ladestationen (entweder öffentliche Ladestationen oder Ladeanschlüsse in den Nutzerhaushalten) mit dem elektrischen Versorgungsnetz verbunden. Innerhalb der Modellregion genutzte Elektrofahrzeuge speichern 20 bis 30
kWh und sind mit einer Anschlussleistung bis 11 kW an das Netz angeschlossen,
sodass sie sich für den Einsatz sowohl als steuerbare Lasten/Speicher als auch zur
Unterstützung des virtuellen Kraftwerkes eignen. Im Rahmen der Regenerativen
Modellregion Harz wurden verschiedene technische und wirtschaftliche Untersuchungen durchgeführt sowie darauf basierende Entwicklungen für die Einbindung
der Elektromobilität in das virtuelle Kraftwerk erprobt.
Nutzung von Elektrofahrzeugen als Speicher im virtuellen Kraftwerk (vehicle-togrid)
Elektrofahrzeuge stellen einerseits bei der Ladung einen Energiespeicher, der zu
füllen ist, dar und damit eine elektrische Last. Andererseits können entsprechend
ausgestattete Elektrofahrzeuge die gespeicherte Energie dem Netz kurzzeitig wieder
zur Verfügung stellen (Rückspeisung). Innerhalb des Projektes wurde die Nutzung
der Fahrzeugspeicher als gesteuerte Lasten, d. h. die Steuerung der Ladung der
Fahrzeuge angenommen und praktisch erprobt. Zunächst wurden innerhalb des
Projektes die Eigenschaften von typischen Antriebsbatterien (Bleibatterien, Lithium,
Natrium/Nickelchlorid) von Elektrofahrzeugen exemplarisch mittels eines Batterieteststandes (Abbildung 70) untersucht.
161
Abbildung 70: Prinzipieller Aufbau des Batterieteststandes
Den Batterietests wurden Norm-Fahrzyklen zugrunde gelegt (siehe Abbildung 71).
Unter Beachtung der Fahrzeugparameter wurden die zur Erreichung der entsprechenden Geschwindigkeiten notwendigen Leistungen berechnet.
Abbildung 71: links: Norm-Stadtfahrzyklus (NEFZ) nach EC 101, rechts: daraus berechneter
Leistungsverlauf
Unter Nutzung der aus den Fahrzyklen resultierenden Leistungsverläufe wurden die
Batterien Lade-/ Entladezyklen unterzogen. Diese geben eine dem Einsatz des
Fahrzeuges entsprechende Entladekurve wieder (siehe Abbildung 72). Die Batterien
wurden in Langzeittest getestet und ihre Eigenschaften evaluiert.
Abbildung 72: Verlauf der Batteriespannung (links) bei Entladung nach EC 101 (links) und
Zeitverlauf von Batteriespannung und -strom (rechts)
162
Elektrofahrzeuge unterliegen einer stochastischen Verteilung, die von vielen Parametern abhängt. Zur Berechnung der Fahrzeugverfügbarkeit wurde auf Basis der
Simulationssoftware MatlabSimulink ein Simulationstool erstellt (siehe Abbildung
73). Der Zustand des Fahrzeugs innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden wurde
mittels eines Fahrzeugtagesprofils definiert. Speicherkapazität, Energiebedarf und
Leistungsaufnahme des Fahrzeugs können somit ermittelt werden.
Abbildung 73: Simulationsschritte zur Ermittlung der Fahrzeugprofile
Nach Eingabe der Fahrzeugparameter und des Tagesnutzungsplanes wurden entsprechend der Verteilung der Startzeiten (siehe Abbildung 74) die Zeiten der Verfügbarkeit der Fahrzeuge zur Ladung und die entsprechend der Fahrstrecke, des
Energieverbrauchs und des Ladezustandes in den Batterien speicherbare Energie
zusammengefasst und Simulationen zu Grunde gelegt.
Abbildung 74: Verteilung der Startzeiten von Fahrzeiten nach Zweck der Fahrt
163
Im Ergebnis wurden daraus aggregierte Lastprofile berechnet, mit denen eine weitere Analyse bezüglich des Netzdienstes durchgeführt werden konnte. Die Lastprofile werden entsprechend des Anlasses der Fahrt in die Gruppen Freizeit, Einkauf,
Ausbildung, Arbeit und Sonstige eingeteilt und stehen den energiewirtschaftlichen
Berechnungen als Grundlage zur Verfügung.
Im Ergebnis der Untersuchungen ergibt sich unter Annahme von 2780 für das Jahr
2020 prognostizieren E-Kfz eine Spitzenleistung von 10,7 MW für das Laden der
Fahrzeuge. Die Netzverträglichkeit der Ladung der zugrunde gelegten Flotte von
Elektrofahrzeugen hängt dabei von der Verteilung der Fahrzeuge im Gebiet des virtuellen Kraftwerkes ab.
Kommunikationsinfrastruktur für die Elektromobilität und Anschluss an das virtuelle Kraftwerk
Voraussetzung für die Anwendung gesteuerter Ladeverfahren der Elektrofahrzeuge
ist das Vorhandensein einer Kommunikationsinfrastruktur zwischen Energienetz
und Fahrzeug. Dabei können sowohl kabellose (Bluetooth, WLAN) als auch leitungsgebundene Übertragungswege (CAN-Bus, Home-Plug-Powerline, PLC) verwendet
werden. Die unterschiedlichen Eigenschaften der Technologien sind in Tab. 1 dargelegt.
Technologie
Bandbreite
Verfügbarkeit
EMV
Wirtschaftlichkeit
+
+++
+++
+++
+++
++
++
+
+++
++
PLC
+
++
+
++
++
Bluetooth
+
+
+
++
+
+++
+
++
+++
++
CAN-BUS
Home-PlugPowerline
W-LAN
Eignung
Tabelle 15: Vergleich von Übertragungstechnologien zwischen Ladeinfrastruktur und Elektrofahrzeug
Bei der Kommunikationsinfrastruktur wird davon ausgegangen, dass sie die Anforderungen der DIN EN 61851 (Deutsche Fassung der IEC 61851), die eine Signalisierung von definierten Zuständen des Fahrzeuges vorgibt, grundsätzlich erfüllt. Zusätzlich werden die Kommunikationsschnittstellen des neuen Normenentwurfs IEC
15118 berücksichtigt.
Zum Anschluss von Elektrofahrzeugen an das virtuelle Kraftwerk wurde die Nutzung
vorhandener Ladeinfrastruktur untersucht und unter Nutzung des BEMI realisiert.
164
Die Ladeinfrastruktur gibt zu den tarif- oder befehlsbasierten Zeiten die Ladung
frei. Die Ladung der Fahrzeuge erfolgt über die fahrzeugseitige Ladetechnik.
165
6 Netz
6.1 Bestandsaufnahme
6.1.1 Erhebung von Netzdaten
Dieses Arbeitspaket diente der Vorbereitung der Simulationen u. a. des elektrischen
Netzes. Eine Ausrichtung der Berechnungen erforderte eine Analyse des Netzbetriebes, in der deren Randbedingungen definiert wurden. Somit wurde geklärt, welche
Informationen für die Untersuchungen ermittelt und deren Größen definiert werden mussten. Einführend sind als Basis die Daten des Untersuchungsgegenstandes
„elektrisches Netz“ in der Modellregion erhoben worden. Das bezog sich sowohl auf
die Struktur des Netzes mit den beteiligten Komponenten, die verschiedenen Spannungsebenen, die (Summen-)Lasten und Erzeuger in den Verteilnetzen der E.ON
Avacon AG, Mitnetz Strom GmbH (vormals envia Netz), Stadtwerke Quedlinburg,
Halberstadtwerke, Stadtwerke Wernigerode und Stadtwerke Blankenburg. In einer
Erzeugerliste sind u.a. Angaben zum Anlagenstandort mit geografischer Positionierung, installierter Leistung, Spannungsebene, Netzbetreiber, EEG-Anlagenschlüssel
und erzeugter Jahresenergie enthalten.
Erforderliche Verbrauchsdaten sowie relevante Informationen zu Erzeugungsanlagen wurden dem Leitszenariendokument entnommen. Die für die Simulation aufgearbeiteten Zeitreihen sind als 1/4h-Ganglinien mit UTC-Zeitstempel in ExcelTabellen im Rahmen des Leitszenariendokumentes (RegmodHarz, 2012a) verankert
worden.
Die Modellierung der Lasten erfolgte über Snapshot-Messungen an den relevanten
Umspannwerken. Aus diesen Messprofilen wurde nach Korrektur der Erzeugungsleistung in diesen Zeitabschnitten die Anteilsverteilung der im hinterlagerten Netz
befindlichen Lasten in der Unterteilung nach Standardlastprofilen vorgenommen
und mit Hilfe des Simplex-Algorithmus umgesetzt. Die Zielfunktion beinhaltet den
minimierten Fehler bei der Annäherung der Anteilsermittlung aus Standardlastprofilen im Bezug zur vorgegebenen Messung des Summenlastprofils. Somit wurde die
Anteilsverteilung an Standardlastprofilen für jede Region eines Umspannwerkbereiches festgelegt (siehe Abbildung 75). Um die Aufteilung der Anteile zu ermöglichen,
wurden die minimalen Entfernungen von Gebäuden in der Region zu den möglichen Anschlusspunkten (Sammelschienen) ermittelt. Diese Berechnungen erfolgten
auf Grundlage der Koordinaten der Gebäude, welche aus GIS Daten ermittelt wurden.
166
Die Niederspannungsebene wird in dem Modell nicht betrachtet. Sie ist in den
Netzebenen nur angegeben, um die sekundären Anschlusspunkte der Transformatoren zu erfassen, welche die Mittelspannungsebene mit der Niederspannungsebene verbinden. Insbesondere Lasten und Erzeugungsanlagen, welche im Niederspannungsnetz angeschlossen sind, wurden als konzentrierte Gruppe von Lasten
und Erzeugern an die geografisch nächstgelegene Mittelspannungssammelschiene
gekoppelt. Als Netzelemente sind in dem Simulationsmodell Leitungen, Sammelschienen, Knotenpunkte, Generatoren, Transformatoren und Netzeinspeisungen
berücksichtigt.
4,3%
Haushalt
30,6%
Gewerbe
65,1%
Straßenbeleuchtung
Nachtspeicher
Lastnachbildung mit Simplexmethode
1,2
1
Wirkleistung [p.u.]
0,0%
Anteilsverteilung der
Standardlastprofile für die
Lastnachbildung
0,8
0,6
Messung
Nachbildung
0,4
0,2
0
0
2
4
6
8
10 12 14 16 18 20 22
Zeit [h]
Abbildung 75: Beispiel für die Lastprofilaufschlüsselung mit Simplex-Algorithmus
Modelle aller Netzelemente wurden auf der Grundlage von Originaldaten der Netzbetreiber parametriert und im Anschluss daran anonymisiert (siehe Tabelle 16).
Element
Knoten/Sammelschienen
Synchronmaschinen
Netzeinspeisungen/Slackknoten
Anzahl
1921
187
4
Lasten
1852
Leitungen
1990
Zweiwicklungstransformatoren
25
Dreiwicklungstransformatoren
3
Tabelle 16: Übersicht über vorhandene Netzelemente
Im Anschluss an die Modellentwicklung wurden die Parameter entsprechend den
Leitszenarien im Netzmodell eingestellt. Aus der im Rahmen der Leitszenarien
(RegModHarz, 2012a) angelegten Erzeugungszeitreihen-Tabelle wurden Anteile der
territorial festgelegten ¼-Stunden-Zeitreihen (Erzeugungsprofile) übernommen. Ein
weiterer Anteil der Erzeugungsprofile wurde mittels gemessener Deutscher Wetter167
dienst-Profile für Wind und solare Einstrahlung in Gebieten des Harzes generiert.
Entsprechende Leistungskennlinien für Windkraft- und Photovoltaikanlagen (siehe Abbildung 76), ermittelt aus Messungen an der hauseigenen PV-Anlage sowie
anhand von Messdatenreihen eines Windparks, ermöglichten die Überführung in
Einspeiseprofile elektrischer Wirkleistung.
Abbildung 76: Leistungskennlinien für PV- und Windenergieanlagen (OvGU, 2009) (Enercon,
2012)
Die Parameter für die jeweilig gekoppelte Erzeugerleistung an den einzelnen Netzknoten wurden über die Standorte der Erzeugungseinrichtungen, welche aus den
vorhanden Daten der OvGU stammen, ausgewertet und den jeweiligen Netzknoten
zugeordnet.
Parametrierung gemäß Leitszenarien
Die zu Beginn des Projektes festgelegten Leitszenarien berücksichtigen u.a. die verschiedenen Durchdringungsgrade erneuerbarer Erzeugungsanlagen. Basis ist die
Situation im Referenzjahr 2008. Darauf Bezug nehmend, wurden Skalierungsgrade
(Tabelle 17) ermittelt und für ein Zukunftsszenario (Leitszenario 2 -2020) fixiert,
welche die Bewertung des künftigen Einflusses erneuerbarer Erzeugungsanlagen
auf das Netz in den theoretischen Betrachtungen möglich machten. Leitszenario 3
wurde während der Projektlaufzeit definiert und hatte in der Teiluntersuchung
„Lastflussanalyse“ aus chronologischen Gründen noch keine Relevanz. Für die
Netzsimulationen wurden die gemäß der Netzstruktur relevanten Erzeugungsanlagen berücksichtigt. Im Vergleich zu den im gesamten Landkreis Harz registrierten
Erzeugungsanlagen stellt dies einen geringeren Anteil dar. Daher ergeben sich für
die in der Simulation angesetzten Leistungen geringere Werte, als im Leitszenariendokument erwähnt. Die restlichen Anlagenleistungen entfallen auf die Netzgebiete
angrenzender Landkreise.
168
Installierte Leistung 2008 (MW)
Installierte Leistung 2020 (MW)
Biomasse
9,6
19,5
2,03
Photovoltaik
7,6
33,0
4,37
Wasserkraft
8,2
10,0
1,22
Windkraft
123,3
203,4
1,65
Gesamt
148,6
265,9
1,79
Energiequelle
Skalierungsfaktor
Tabelle 17: Installierte Leistung relevanter und erneuerbarer Erzeuger sowie deren Skalierung
(RegModHarz, 2012a)
Abbildung 77: Szenarienvergleich (SZ1…SZ3) hinsichtlich installierter Leistungen und erzeugbarer Energiemengen im relevanten Netzbereich (RegModHarz, 2008)
6.1.2 Analyse des Netzbetriebes
Power Quality Messungen
Die Untersuchung der Power Quality im Netz erforderte die Definition der wichtigen
Merkmale, ausgehend von relevanten Normen, wie der DIN EN 50160 (EN 50160,
2010), die als Messkriterien für eine Messkampagne zu Grunde gelegt wurden.
Ebenso ist die entsprechende Messnorm und der Abgleich geeigneter Messgeräte
nach der Power Quality Messnorm IEC 61000-4-30 vorgenommen worden. Die Messungen fanden im Niederspannungsnetz statt, deren räumliche Zuordnung an den
speisenden Mittelspannungsnetzen orientiert wurde. So wurde an Stationen gemessen, die an das gleiche Mittelspannungsnetz gekoppelt sind. Darüber hinaus
wurden auch Stationen berücksichtigt, die über andere Mittelspannungsnetze versorgt werden und nur eine gemeinsame Kopplung durch das Hochspannungsnetz
besitzen. Somit konnten gemeinsame Rückwirkungen detektiert werden, da zeitgleiche Messungen stattfanden. Gemessen wurde über einen Zeitraum von einer
Woche. Zur Maximierung der Genauigkeit erfolgte die Durchführung der Messungen
169
an Ortsnetzstationen (siehe Abbildung 78) über den Rahmen der Norm DIN EN
50160 hinaus, mit Messungen höherer Auflösung von 1 min statt 10 min. Unter
Einbeziehung der zeitgleichen Messung konnten Rückschlüsse auf die Entstehung
und Herkunft einiger Netzrückwirkungen gezogen werden. Die Untersuchung der
Spannungsqualität konnte eine stabile Situation im Niederspannungsnetz bestätigen. Sowohl Spannungshöhe, Flickerpegel und Frequenz liegen weit innerhalb der
zulässigen Grenzen, wie Abbildung 79 verdeutlicht.
Abbildung 78: Messanordnung bei PQ-Messungen
Abbildung 79: Übersicht von PQ-Parameter an den Ortsnetzstationen
170
Virtueller Anschlusspunkt
Die Betriebskoordinierung eines lokalen virtuellen Kraftwerks, das durch mehrere
Anschlusspunkte mit dem übrigen Netz verbunden ist, einschließlich OnlineBilanzierung sowie Betriebsparameterüberwachung, kann durch die Einführung in
das Steuerungskonzept eines virtuellen Anschlusspunktes – des sogenannten Virtual Point of Common Coupling (VPCC) verbessert werden. Es wurde hier das Konzept
des virtuellen Anschlusspunktes entwickelt. Die Idee des virtuellen Anschlusspunktes – VPCC ist technisch durch den Einsatz hochpräziser und synchronisierter Messungen mit Phasor Measurement Units (PMUs) realisierbar (Powalko et al., 2010).
Hinsichtlich der Kommunikationsinfrastruktur wurden folgende Eigenschaften der
Kommunikationsmittel untersucht:

Übertragungskapazität,

Übertragungsgeschwindigkeit,

vorhandene Verzögerungen,

Datensicherheit,

Verfügbarkeit.
Abbildung 80: Prinzipielle Transformation des virtuellen Anschlusspunktes im untersuchten
Netzgebiet sowie PMU-Anordnung
171
6.2 Netzsimulationen
6.2.1 Lastflussanalyse für die Leitszenarien
Im Rahmen der Netzuntersuchungen wurde das Hoch- und Mittelspannungsnetz
des Landkreises Harz mit Hilfe der Software PSS®SINCAL in ein Modellnetz überführt.
Hierbei sind die Netzstruktur nachgebildet sowie die lokalen Verbraucher und Erzeuger an das entsprechende Netz angeschlossen worden. Für Verbraucher wurden
Standardlastprofile verwendet, um somit Simulationen über einen längeren Zeitraum durchführen zu können, ohne auf eine direkte Verwendung von Messwerten
angewiesen zu sein. Diese Profile wurden dann mit entsprechenden Anschlussleistungen gekoppelt und auf die Sammelschienen der relevanten Knoten im Verteilungsnetz verteilt und parametriert. Den Erzeugungsanlagen sind Einspeiseprofile
zugeordnet worden. Zu diesem Zweck kamen je nach Art des Erzeugers spezielle
Einspeiseprofile zum Einsatz, welche die eingespeiste Leistung in Abhängigkeit von
den territorial vorherrschenden Wetter-/Klimabedingungen nachbildeten. Der Aufbau des Netzmodelles ermöglichte die im Anschluss beschriebenen Untersuchungen, wie z.B. die Implementierung des Freileitungsmonitorings oder des Netzsicherheitsmanagementsystems. Das modellierte Netz umfasst die Spannungsebenen
der Mittel- und Hochspannung. Die Niederspannungsebene wird in dem vorhandenen Modell auf Grund der Komplexität nicht betrachtet.
Als Ergebnis der Simulation des Leitszenarios 1 (2008) wurden sieben Leitungen
identifiziert, welche eine Auslastung von über 70 % aufwiesen. Die Knotenspannungen erreichten einen minimalen Grenzwert von 0,959 p.u. sowie einen maximalen Grenzwert von 1,046 p.u., (Tabelle 18). Alle Simulationsergebnisse zeigten
keine Grenzwertverletzungen im Sinne der Netzparametermerkmale, insbesondere
der Spannung, gemäß DIN EN 50160 (OvGU, 2009) auf. Während der veränderten
Belastungssituation des Netzes im Jahr 2020 konnten ebenfalls keine Grenzwertüberschreitungen der DIN EN 50160 ermittelt werden. Somit wäre unter diesem Kriterium bis zum Jahr 2020 unter den festgelegten Randbedingungen kein Netzausbau notwendig. Hinsichtlich der Grenze für die Leitungsauslastung von 70 %, gab
es mehrere Überschreitungen (Tabelle 19). Das betraf unter anderem die Anbindung
zweier Windparks an die Hochspannungsebene. Sollten diese im gleichen Maße wie
die anderen Windkraftanlagen ausgebaut werden, so würde eine Verstärkung der
Leitung L19 notwendig werden. Unter Berücksichtigung und Einhaltung der (n-1) –
Sicherheit wäre der partielle Netzausbau notwendig. Im Szenario 2020 stellte sich
in der Simulation eine minimale Knotenspannung von 0,97 p.u. und eine maximalen Knotenspannung von 1,04 p.u. ein, welche sich deutlich unter den Grenzwerten der DIN EN 50160 befindet.
172
Parameter
Anzahl der Knoten, bei denen U(<97% und >104%) [pro Jahr]
2008
2020
114
273
Maximale Auslastung [%]
1,046
1,058
Minimale Auslastung [%]
0,959
0,964
4756
377311
Gesamte Anzahl der Grenzwertverletzungen (<97% und >104%)
[pro Jahr]
Tabelle 18: Übersicht über die Ergebnisse der Knotenspannungen von Leitszenario I und II
(2008 und 2020)
Parameter
Maximale Überschreitungsdauer einer Leitung am Stück [h]:
2008
2020
19,25
17
7
4
Maximale Auslastung einer Leitung [%]:
89,13
83,94
Gesamte Anzahl der Überschreitungen (>70%) pro Jahr:
39180
4224
Anzahl der Leitungen die 70% Auslastung überschreiten:
Tabelle 19: Übersicht über die Ergebnisse der Leitungsauslastungen von 2008 und 2020
Im gesamten Jahr 2008 standen 0,337 TWh an möglicher Energie aus erneuerbaren
Energiequellen zur Verfügung. Als Exportleistung stand die dementsprechend überschüssige Leistung zur Verfügung, die aufgrund von fehlender Last generiert wurde.
Somit wurden jährlich etwa 0,67 GWh/a in die übergeordnete Spannungsebene
eingespeist. Dies entspricht etwa dem Anteil von 0,2 % der eingespeisten Energie
erneuerbarer Erzeugungsanlagen und verdeutlicht, dass die im LKH installierten EEA
im Jahr 2008 keinen großen Einfluss auf die überregionale Energieversorgung hatten. Der Energieexportbetrag von 0,67 GWh/a steht dabei einer importierten Leistung von 1.030 GWh/a gegenüber. Damit wurden etwa 76 % der vorhandenen Last
durch Netzimporte ausgeglichen. Im Umkehrschluss wurden demnach ca. 24 % der
Last durch EEA versorgt. Somit hat der LKH bereits im Jahr 2008 das Ziel der Europäischen Union (BMU, 2012), 20 % der Energie aus erneuerbaren Energien zu beziehen, erreicht.
Im Leitszenario II für das Jahr 2020 wurden 117,5 MW zusätzliche Leistung durch
EEA angenommen, sodass insgesamt 265,9 MW installiert waren. Das entspricht
einer Steigerung um ca. 79 %. Auf Grund der demografischen Entwicklung (RegModHarz, 2012a) im LKH reduzierte sich die vorhandene installierte Last des LKH
um 2,49 MW auf 309,49 MW (inkl. Bezugsleistung des Pumpspeicherwerkes (PSW)).
Der Jahresenergieverbrauch fällt mit 1,33 TWh/a etwas geringer aus als im Leitszenario I. Bei den Angaben zur Gesamtlast ist zu berücksichtigen, dass auch das
173
Pumpspeicherwerk mit 79 MW Leistungsbezug mit einbezogen wurde. Abbildung 81
zeigt die Leistungsimport- und Exportsituation des LHK. Der maximale Wert an eingespeister Leistung lag bei 193,66 MW zum Zeitpunkt 8492 (entspricht dem
28.3.2020 11:00 Uhr).
Abbildung 81: Leistungsexporte (negativ) und -importe (positiv) im Netzgebiet des LKH im
simulierten Leitszenario II (2020)
Davon wurden 99,74 MW durch die Lasten im LKH kompensiert und die übrige Leistung in das Übertragungsnetz exportiert (Abbildung 81, negative Peaks). Es wurden
ca. 15,26 GWh von den erneuerbar erzeugten 530 GWh aus dem LKH in das vorgelagerte Netz exportiert. Das entspricht einem Anteil von 2,9 %. Demnach wurden in
der Simulation des Leitszenario II 38,5 % der im LKH verbrauchten Elektroenergie in
der Region erneuerbar erzeugt.
6.2.2 Freileitungsmonitoring in 110 kV –Teilnetzen
Eine der im Projekt untersuchten Fragestellungen richtet sich auf die Steigerung der
Übertragungskapazitäten durch Freileitungsmonitoring (FLM). Zu diesem Zweck war
es erforderlich, den Einfluss von Wetterbedingungen auf die Stromtragfähigkeit von
Freileitungen zu bestimmen und die daraus resultierenden Potenziale abzuschätzen. In Abbildung 82 wird veranschaulicht, dass im Fall von niedrigeren Außentemperaturen bzw. Windeinfluss eine deutliche Zunahme der Leiterseilbelastbarkeit
einhergeht. Damit ist es prinzipiell möglich, zusätzliche Kapazitäten vorhandener
Freileitungen für die Integration erneuerbarer Energien zu nutzen. Die maximale
Strombelastbarkeit einer Freileitung wird in erster Linie durch den sicherheitsrele-
174
vanten Durchhang des Seils begrenzt. Mit steigender Strombelastung steigt auch die
Temperatur des Leiters.
Abbildung 82: Schematische Darstellung mit normrelevanten Einflussgrößen (links) sowie
Belastungsbeispiel mit und ohne FLM am Beispiel des CIGRÉ-Benchmarknetzes (rechts)
In Folge dessen dehnt sich das Material aus und der Abstand der Freileitung zum
Boden verringert sich, was eine Gefährdung von Personen, Fahrzeugen und Gebäuden zur Folge haben kann. Neben der Strombelastung hängt die Leitertemperatur
auch von den herrschenden Witterungsbedingungen ab. Diese Witterungsbedingungen und die maximal zulässige Leitertemperatur für Freileitungen sind in der
Norm DIN EN 50182 (DIN EN 50182, 2001) definiert. Für die Berechnung der Stromtragfähigkeit des Leiterseils wurde unter anderem eine Wärmebilanzgleichung aus
dem CIGRÉ-FLM-Modell (CIGRE WG, 1992) sowie gemessene Einflussgrößen wie
Windgeschwindigkeit und Umgebungstemperatur zu Grunde gelegt, wie die folgenden Gleichung zeigt. Diese besteht auf der linken Seite aus den Joule`schen Stromwärmeverlusten (PJ), Erwärmung durch Magnetisierung (PM), Solareinstrahlung (PS)
und Koronaverlusten (Pi) sowie der Kühlung durch Konvektion (PK), Abstrahlung (PJr)
und Verdampfung (PW) auf der rechten Seite.
Dazu wurde für ein Testsystem im Bereich der Verteilungsnetzebene die witterungsabhängige Ausprägung der Strombelastbarkeiten der Freileitungen der Spannungsebene 110 kV bestimmt. Die FLM-Untersuchungen berücksichtigen die (n-1)–
Sicherheit. Diese sagt aus, dass 60 % der thermischen Grenzleistung eines Leiterseils beansprucht werden kann. So wird sichergestellt, dass beim Ausfall einer parallel verlaufenden Leitung die zweite Leitung kurzeitig mit bis zu 120 % Auslastung sicher betrieben werden könnte. Es folgte die Lastflussanalyse mit der Auflösung von ¼-stündigen Werten über die Zeit von einem Jahr (jeweils Leitszenario I
und II) innerhalb des 110 kV –Netzes, in welche die FLM –Kriterien implementiert
wurden. Da zu der Zeit der Untersuchungen noch kein 100 % -Versorgungsszenario
175
BRD offiziell vereinbart wurde, beinhaltet diese Untersuchung ein 100 % -Szenario,
welches sich auf die Jahresenergiebilanz des Landkreises Harz bezieht.
Beispielhaft veranschaulicht ist die Leitung 6 (Abbildung 83, links), welche zusammen mit einem weiteren Parallelsystem einen Teil der Versorgung des LKH aus dem
Übertragungsnetz realisiert. Die typischen Schwankungen zwischen Stark- und
Schwachlastzeiten sind in den Spitzen der oben gelagerten Kurve zu erkennen. Die
höchste Strombelastung der Leitung liegt bei 0,66 p.u. der statischen Strombelastbarkeit, damit wird die Leitung bei Einhaltung des (n-1)-Kriteriums (0,6 p.u.) an
der Belastungsgrenze gefahren. Die obere Funktion beschreibt die witterungsabhängige Strombelastbarkeit der Leitung. Die Minima in der unteren Kurve sind auf
erhöhte Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen zurückzuführen. Steigt im
durch die Leitung 6 versorgten Netzgebiet die Einspeisung aus Wind, muss weniger
Leistung aus dem vorgelagerten Netz bereitgestellt werden. In Abbildung 83 (rechts)
ist die Häufigkeitsverteilung der Strombelastung (linke Kurve) und der Strombelastbarkeit (rechte Kurve) für den gleichen Zeitraum dargestellt. Hier wird deutlich,
dass der Großteil der simulierten Werte für die Strombelastungen der Leitung zwischen 0,25 und 0,6 p.u. außerhalb der Belastbarkeitsgrenze liegen.
Häufigkeit der Belastung [%]
2,5
Leiterstrom [p.u.]
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
1
673
1345
2017
Zeit [1/4 h]
2689
25
20
15
10
5
0
0,0
0,3
0,6
0,9
1,2
1,5
1,8
2,1
2,4
Leiterstrom [p.u.]
Abbildung 83: Strombelastung und Strombelastbarkeit der Leitung 6 (links) des Szenarios
2008 sowie deren Häufigkeitsdarstellung (rechts)
Die Auswertung der Berechnungen der Übertragungspotenziale ergab:
176

Für alle untersuchten 110 kV -Leitungen ist eine Erhöhung der Strombelastbarkeit gegenüber der statischen Auslegung möglich. Die jeweilige Erhöhung
der Strombelastbarkeit ist abhängig von den momentan herrschenden Witterungsbedingungen.

Insbesondere eignet sich das FLM bei hohen Anteilen von Windstrom, der
von einer Freileitung transportiert wird, was im Landkreis Harz häufig gegeben ist.

Die Strombelastbarkeiten konnten in der Simulation um rund 50 % gegenüber der statischen Auslegung der (n-1)-Belastungsgrenze gesteigert werden.

Die erreichten Potenziale sind stark von den Parametern und dem Standort
der jeweiligen Freileitung abhängig.

Zur technischen Umsetzung des FLM-Systems wird die indirekte Ermittlung
der Seiltemperatur vorgeschlagen, bei der aus umliegenden Wetterstationen
online die aktuelle Strombelastbarkeit der Freileitungen bestimmt und an
die Netzführung weitergegeben wird.

Die Realisierung eines FLM-Systems erfordert einen nicht unerheblichen
Aufwand. Erforderlich sind:
o Eine ausreichende Positionierung von Wetterstationen mit der Messung von Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Umgebungstemperatur,
Sonneneinstrahlung und Niederschlag,
o eine minutenscharfe und sichere online-Übertragung der Wetterdaten
zu einer Leitwarte,
o eine Prüfung und die Aufbereitung der Daten und Adaption der Messung an das bestehende Netzleitsystem.

Optional empfiehlt sich eine Temperaturmessung an den Leiterseilen der
ermittelten Engpässe im Netz.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung wurde das betrachtete Testsystem anhand
des 110 kV -Netzmodells simuliert. In drei Szenarien wurde die Erzeugung aus dezentralen Energieerzeugungsanlagen stetig gesteigert. Dabei konnte festgestellt
werden, dass ohne FLM zehn Freileitungen bei dem prognostizierten Anstieg der
EEA-Leistungen bis zum Jahr 2020 temporär überlastet wären.
Des Weiteren ergab die Auswertung der Lastflussanalyse aus den Simulationsszenarien:

Nach derzeitiger Netztopologie und steigender dezentraler Einspeisung wurden in den Simulationen partielle Überschreitungen der maximalen Leitungsbelastbarkeiten unter der Maßgabe der (n-1)-Sicherheit lokalisiert.
Basis, bezüglich der Leiterseilbelastbarkeiten, ist die zugrunde gelegte DIN
EN 50183.

Unter Einsatz des FLM konnte in den Simulationen festgestellt werden, dass
das untersuchte Verteilungsnetz bei dem bis zum Jahr 2020 erwarteten Anstieg der dezentralen Energieerzeugung (n-1)-sicher betrieben werden
177
kann,
Die mittels FLM erhöhten Strombelastbarkeiten der Freileitungen führen zu
keiner Verletzung der Spannungsqualität nach DIN EN 50160 im 110 kV –
Netz.
Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wurde die Einspeisung aus erneuerbaren
Energieerzeugungs-anlagen schrittweise im gesamten Netz erhöht. Das Beispiel in
Abbildung 84 zeigt die anhand des angewendeten CIGRÉ-Leiterseilmodells ermittelte Belastbarkeitsgrenze (roter Verlauf). Diese wurde für eine ausgewählte Leitung
in einem Zeitraum von einer Woche im Jahr 2020 (Leitszenario II) in Abhängigkeit
von den Witterungseinflüssen berechnet. Die Untersuchung der lokalisierten
Netzengpässe am Netzmodell ergab:

Die Anwendung des FLM würde den 110 kV -Netzbetrieb mit andauernder
Überschreitung der in der DIN EN 50182 festgelegten statischen Belastungsgrenze ermöglichen, wenn die klimatischen Bedingungen dafür erfüllt sind.

Mit FLM könnte die Grenzbelastbarkeit der Leiterseile je nach lokalem und
zeitlichem Fokus bis über 2 p.u. gesteigert werden.

Während des FLM-Betriebes konnte im Leitszenario II ab einer Erhöhung der
installierten Leistungen aus EEA von ca. 80 % (bezogen auf die im Leitszenario II installierten Leistungen der EEA) die (n-1)-Sicherheit nicht mehr
über den gesamten Zeitraum von einem Jahr und nicht mehr im ganzen
System festgestellt werden. Abbildung 84 zeigt beispielhaft die Sensitivitätsuntersuchung bei stufenweiser Leistungs-Anteilserhöhung der EEA sowie
die durch DIN EN 50182 und CIGRÉ-Seilmodell gegebenen Belastungsgrenzen sowie die jeweils zugehörigen (n-1)-Grenzen.
Die durchgeführten Simulationen des FLM mittels CIGRÉ – Seilmodell setzten eine
homogene Erfassung der Wetterdaten und -bedingungen am entsprechenden Ort
zur jeweiligen Zeit voraus. Im praktischen Einsatz können diese Voraussetzungen
nicht permanent zu 100 % erfüllt werden. Die Bedingungen variieren unter Umständen durch nicht vorhersehbare Einflüsse z.B. durch nicht vermeidbare Messfehler oder durch Windverschattungseffekte bei topografische Reliefänderungen, so
dass hier die empirisch Ermittlung eines Sicherheitsfaktors mit Hilfe eines Testsystems vorgeschlagen wird.
178
stufenweise Leistungserhöhung der EEA
3,0
Grenzbelastbarkeit mit FLM
2,0
(n-1)-Belastbarkeit mit
FLM
1,5
< 80% Erhöhung!
+180 %
EEG-Leistungserhöhung
+20 %
…..
Strom [p.u.]
2,5
1,0
Grenzbelastbarkeit
nach DIN EN 50182
0,5
Strombelastung Leitszenario II
0,0
0
24
48
72
96
120
144
168
Zeit [h]
Abbildung 84: Stufenweise Erhöhung der Einspeisung installierter EEA am Beispiel der Leitung 19 unter FLM-Einfluss innerhalb einer ausgewählten Woche im Leitszenario II (Jahr
2020)
Der Netzbetrieb mit Freileitungsmonitoring erfordert Überprüfungen und Anpassungsmaßnahmen im Bereich der Primär- und Sekundärtechnik. Insbesondere
müssen Verbindungs-, Schutz-, und Umspannwerkstechnik auf die Belastbarkeit
mit höheren Betriebsströmen ausgelegt werden. Gegebenenfalls müssen Komponenten ausgetauscht werden.
6.2.3 Netzsicherheitsmanagement
Das Netzsicherheitsmanagement (NSM) wie auch das Einspeisemanagement dienen
der Aufrechterhaltung der Netzsicherheit bei ungeplanten (BDEW, 2008) oder prognostizierten Netzengpässen (BMU, 2011), verursacht durch die Einspeisung erneuerbarer Energieanlagen (EEA). Die maximale Belastbarkeit, in diesem Falle der Strom
Imax, ist von der individuellen Belastbarkeit der Betriebsmittel abhängig. Die simulative Umsetzung des NSM bezieht das (n-1)-Kriterium ein und sieht einen Betrieb
der Erzeugungsanlagen vor, in welchem die eingespeiste Wirkleistung in Stufen von
100 %, 60 %, 30 % und 0 % beeinflusst werden kann. Die Untersuchung umfasst
nicht die Berücksichtigung der Netzverluste. Für EEA müssen ab einer installierten
Erzeugungsleistung von 0 kW Einrichtungen zur Reduktionsmöglichkeit der Einspeiseleistung installiert sein (BMU, 2011), wenn deren Erzeugungsleistung bis zu einer
Höhe von 100 kVA (laut VDE AR-N 4105) nicht generell auf 70 % reduziert ist (CIGRE
WG, 1992).Der eingesetzte NSM-Algorithmus basiert auf einem Effizienzvergleich
der von den Betriebsmitteln des Netzes übertragbaren Leistung mittels Sensitivi179
tätsanalyse zum Erreichen des optimalen Leistungsflusses. Das Kriterium der höchsten Effizienz, das dem Power Transfer Distribution Factor (PTDF) sehr ähnlich ist,
wurde in den Algorithmus implementiert. Demnach wird immer nur die effizienteste Leistungsbegrenzung angewendet. Ausgehend davon, dass eine Einspeisebegrenzung von einem anderen Generator ausgeglichen werden muss, um Erzeugung
und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten, werden immer jeweils 2 Generatoren
des gesamten Netzes zusammen getestet. Die dafür verwendete Gleichung gestaltet
sich wie folgt:
(
)[
[
]
]
(
)
[
]
mitΔpll als zu reduzierende Leistung auf der Leitung und Predispatched(i,j) als geänderte Leistung an den Knoten i und j. Für jedes mögliche Paar von Generatoren lässt
sich somit der PTDF nach der obigen Gleichung berechnen und es entsteht eine
Matrix mit allen möglichen Kombinationen. Die Kombinationen der Generatoren,
die keine Möglichkeit haben ihre Erzeugungsleistung zu erhöhen (z.B. Windparks),
werden entfernt. Aus den verbleibenden Generatorkombinationen wird nun das
Paar herausgesucht mit der höchsten Effizienz, also dem größten PTDF. Dieser Wert
repräsentiert die kleinste zu reduzierende Leistung an einem Generator zur Behebung des Leitungsengpasses. Mit Hilfe der verwendeten Simulationstools MATLAB
und PSS®NETOMAC wurde der NSM-Algorithmus in das 110 kV–Netzmodell der RegModHarz eingebettet. Im Leitszenario I sind 3,8 % der einspeisbaren Energie auf
Grund von Überlastungen nicht genutzt worden, was einer Jahresenergiemenge von
etwa 12,6 GWh/a entspricht. Dieser Anteil wuchs im Leitszenario II auf ca. 9,4 %,
entsprechend einer Energiemenge von 54,8 GWh. Tabelle 20 zeigt die installierten
Leistungen der EEA im untersuchten LKH-Netz in Abhängigkeit von den Leitszenarien.
Erzeugungsart
Installierte Leistung [MW]
2008
2020
100%-EE
Biogas
5,58
13,38
25,17
Biomasse
3,82
6,13
174,81
PV
7,56
33,03
520,24
Wasserkraft
8,15
9,97
9,97
123,29
203,39
515,85
Windkraft
Tabelle 20: Installierte Leistung der EEA im untersuchten Netz (RegModHarz, 2012a)
180
Im Hinblick auf die Windenergie sind nur am UW 18 Leistungsbegrenzungen notwendig gewesen. Die Windkraftanlagen in diesem Netzbereich können als Hauptursache für die auftretenden Überlastungen benannt werden. Im 100 % -Szenario
konnte von zeitgleich maximal 891 MW zur Verfügung stehender Einspeiseleistung
maximal 334 MW tatsächlicher Nutzleistung in das Netz eingespeist werden, was in
Abbildung 85 zu erkennen ist. Das vorhandene Netzmodell hatte keine ausreichenden Kapazitäten, um die erzeugbare Spitzenleistung aufzunehmen. In diesem Szenario beziffert sich der abgeregelte Energieanteil auf 42 % (siehe Abbildung 86)
was der Energiemenge von 1.003 GWh entspricht. Die theoretisch, durch erneuerbare Energiequellen erzeugbare Jahresenergie beläuft sich auf 2,45 TWh/a und hat
damit einen mehr als viermal höheren Wert als im Leitszenario II.
Abbildung 85: Summenleistung der Einspeisung installierter EEA im 100% -Szenario
Abbildung 86: Vergleich der Nutzung erzeugbarer Energie im Jahr 2008 und 100 % Szenario
In Zeiten der höchsten Exportleistung mussten 151,1 MW abgeregelt werden. So
waren in Situationen mit hoher Einspeisung aus EEA und gleichzeitiger Leistungseinspeisung aus dem PSW die zuführenden Leitungen zum UW 11 überlastet. Dar181
über hinaus mussten in den besagten Zuständen zum Teil mehr Leistung aus EEA
begrenzt werden, als das PSW zu Verfügung gestellt hatte. Im Durchschnitt wurden
pro betroffenen Zeitpunkt etwa 130 MW an Leistung begrenzt. Ca. 59 % der abgeregelten Energie betrafen die Wintermonate Oktober bis März. Dies ist auf das höhere Windaufkommen in diesen Monaten zurückzuführen. Tabelle 21 zeigt die ermittelten Ergebnisse zur Erzeugungsleistung, aufgeschlüsselt nach theoretischer,
nutzbarer und abgeregelter Leistung für die einzelnen Erzeugungstypen. Hier zeigt
sich deutlich, dass die Windkraft als größte installierte Erzeugungsart den meisten
Einfluss auf die Netzüberlastungen hatte. Abbildung 87 veranschaulicht die Situation der nutzbaren und via NSM gedrosselten Energiemengen hinsichtlich der dezentralen Erzeugung im LKH.
Vergleichsgröße
Szenario 1
2008
Szenario 2
2020
Szenario 3
100%-EE
Installierte Leistung [MW]
148,6
265,9
1246,1
Theoretische Energie [GWh/a]
337,6
582,4
2450,9
Nutzbare Energie [GWh/a]
324,9
527,5
1419,3
Abgeregelte Energie [GWh/a]
12,7
54,9
1031,7
Reduktion abger./theor.[%]
3,8
9,4
42,1
Tabelle 21: Zusammenfassender Vergleich der Szenarien
Abbildung 87: Jährlich nutzbare und durch NSM abgeregelte Energiemengen von EEA innerhalb der Leitszenarien
182
Es kann zusammengefasst werden:

Für die Annahme der 100 % Versorgung der BRD aus EEA kann die in Leitszenario 3 zu erbringende Jahresenergie aufgrund von notwendigen NSMEingriffen für das bestehende Netz nicht erreicht werden,

Die Photovoltaik hat aufgrund ihrer Erzeugungscharakteristik Integrationsvorteile, da Lastspitze und Erzeugungsspitze dicht zusammenfallen,

Anhand der Simulationsergebnisse wäre für ein 100 % -Szenario ein umfassender Netzausbau auf der 110 kV-Ebene und eine Erweiterung der Anschlussleistung an das Übertragungsnetz notwendig.
6.2.4 Blindleistungsbereitstellung und Spannungshaltung durch Erzeuger auf
der Mittelspannungsebene
Die Richtlinie für Anschluss von Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz (BDEW,
2008) erlaubt eine Spannungsanhebung von +2%*UN am Netzanschlusspunkt der
Erzeugungsanlage bei Einspeisung. Diese Spannungsanhebung hängt von den Netzparametern (Kurzschlussleistung SKV, Netzimpedanzwinkel ΨKV) und der eingespeisten Wirkleistung sowie der eventuell zusätzlich bezogenen Blindleistung ab. Tabelle
22 und Tabelle 23 zeigen die Spannungsänderung in Prozent der Nennspannung an
unterschiedlichen Netzanschlusspunkten (charakterisiert durch SKV und ΨKV) und in
Abhängigkeit der maximalen Einspeiseleistung (Pmax). Tabelle 22 zeigt die Ergebnisse für reine Wirkleistungseinspeisung (cosϕ=1) und Tabelle 23 für einen cosϕ von
0.95 untererregt.
Die technische Effektivität der Spannungsstützung durch Blindleistung ist höher,
wenn die Erzeugungsanlage am Anfang der Leitung bzw. direkt an Netztransformator angeschlossen ist (ΨKV=0,85°). In diesem Fall beträgt das Verhältnis ΔU/Δϕ 0,2
[%/Grad]. Ist die Erzeugungsanlage am Ende einer Leitung angeschlossen
(ΨKV≈40°), reduziert sich das Verhältnis ΔU/Δϕ auf 0,12 [%/Grad].
183
SKV/Pmax
[p.u.]
Netzimpedanzwinkel ΨKV [°]
40
50
60
70
80
85
10
8,66
7,40
5,93
4,28
2,48
1,55
20
4,27
3,62
2,86
2,01
1,10
0,63
30
2,84
2,40
1,88
1,31
0,70
0,39
40
2,12
1,79
1,40
0,97
0,51
0,28
50
1,70
1,43
1,12
0,77
0,41
0,22
Tabelle 22: Spannungsanhebungen in Prozent der Nennspannung am Netzanschlusspunkt
der Erzeugungsanlage bei Einspeisung nur der Wirkleistung (neutrale Einspeisung)
SKV/Pmax
[p.u.]
Netzimpedanzwinkel ΨKV [°]
40
50
60
70
80
85
10
6,34
4,58
2,68
0,68
-1,36
-2,37
20
3,05
2,15
1,18
0,17
-0,85
-1,35
30
2,01
1,40
0,75
0,08
-0,60
-0,94
40
1,50
1,04
0,55
0,04
-0,47
-0,72
50
1,19
0,83
0,43
0,03
-0,38
-0,58
Tabelle 23: Spannungsanhebungen in Prozent der Nennspannung am Netzanschlusspunkt
beim Bezug einer induktiven Blindleistung cosϕ=0.95 durch die Erzeugungsanlage (untererregter Betrieb).
In diesem Abschnitt werden Maßnahmen zur Begrenzung langsamer Spannungsanstiege durch dezentrale Energieerzeugungsanlagen (DEA) diskutiert. Dabei wird ausschließlich auf solche Maßnahmen zurückgegriffen, die gänzlich ohne Kommunikationstechnik auskommen (sogenannte dezentrale Maßnahmen) und bereits heute
gemäß (BDEW, 2008) von neu installierten Anlagen verlangt werden können. Die
vorgestellten Ergebnisse beruhen auf quasidynamischen Netzsimulationsrechnungen über den Zeitraum eines Jahres (minütige Auflösung), die anhand eines realen
Verteilnetzabschnitts durchgeführt wurden.
Die Netzdaten eines realen Mittelspannungsnetzabschnitts, welche von der E.ON
Avacon AG für die Untersuchungen zur Verfügung gestellt wurden, bilden die
Grundlage der Simulationen. Der schematische Aufbau des Netzabschnitts ist in der
untersuchten Strangkonfiguration in Abbildung 88 dargestellt. Im Umspannwerk
(UW) werden die Sammelschienen A und B von jeweils einem 25 MVA Transformator
aus dem vorgelagerten Hochspannungsnetz versorgt. An den beiden Sammelschienen befinden sich die Abgänge S1 bis S8. Das Netz wird als offenes Ringnetz betrie184
ben. Die jeweiligen Anschlussorte der DEA sind in der Netzgrafik ebenfalls schematisch dargestellt. Unterschieden wird hierbei zwischen einzelnen Windkraftanlagen
(WKA) und Blockheizkraftwerken (BHKW). WKA 8 (2 MW Nennleistung) wurde dieser
Untersuchung „künstlich“ hinzugefügt, um Spannungsüberhöhungen gezielt zu
provozieren. In Tabelle 24 ist die zum Zeitpunkt der Simulation lokal installierte
Erzeugungsleistung pro Strang aufgeführt (ohne WKA 8). Dabei wurde auch niederspannungsseitig angeschlossene DEA berücksichtigt.
Strang
Abbildung 88: Schematischer Aufbau des untersuchten Mittelspannungsnetzabschnitts.
Installierte Leistung [kW]
PV
WKA
Gesamtleistung
[kW]
BHKW
Gesamtleistung
[kW]
(PV = 80% Pn)
1
50,5
0
0
50,5
40,4
2
146,6
0
0
146,6
117,2
3
516,8
1410
500
2426,8
2323,5
4
39,4
0
500
539,4
531,5
5
138,5
0
0
138,5
110,8
6
9,1
0
0
9,1
7,3
7
207,8
1150
0
1357,8
1316,2
8
593,5
3230
526
4349,5
4230,8
1702,2
5790
1526
9018,2
8677,7
Σ
Tabelle 24: Übersicht der installierten Erzeugungsleistung im Netzabschnitt.
Während PV-Anlagen grundsätzlich immer über einen Wechselrichter an das öffentliche Netz angeschlossen sind, gibt es für Windenergieanlagen diverse Netzanschlusskonzepte. Tabelle 25 zeigt eine Übersicht der gängigsten Netzanschlusskonzepte und führt auf, welche Varianten sich zur Bereitstellung von Blindleistung eignen und somit theoretisch zur Spannungshaltung beitragen können (ASG = Asyn185
chrongenerator, SG = Synchrongenerator). Für die vorgestellte Untersuchung wurde
angenommen, dass alle DEA mit einem Anschlusspunkt am Mittelspannungsnetz
über ein Netzanschlusskonzept zur Blindleistungsbereitstellung gemäß Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. verfügen, welches die Bereitstellung
von Blindleistung erlaubt. DEA mit Anschluss am Niederspannungsnetz stellen keine
zusätzliche Blindleistung bereit.
Blindleistungsbezug
Kapazitiv
Induktiv
Blindleistungsbezug
dynamisch regelbar
NEIN
JA
NEIN
ASG mit Vollumrichter
JA
JA
JA
Doppelt gespeister
ASG
JA
JA
JA
SG mit Vollumrichter
JA
JA
JA
Direkt gekoppelter SG
JA
JA
JA
Photovoltaik mit
Wechselrichter
JA
JA
JA
Netzanschlusskonzept
Direkt gekoppelter
ASG
Tabelle 25: Unterschiedliche Netzanbindungskonzepte und deren Fähigkeit zur Bereitstellung
von Blindleistung zur Spannungshaltung.
Zur Bereitstellung der Blindleistung wurden in jeweiligen Szenarien ein fixer Verschiebungsfaktor (cosϕfix), ein Verschiebungsfaktor in Abhängigkeit der Einspeiseleistung (cosϕ(P)) und eine spannungsabhängige Blindleistungsbereitstellung (Q(U))
untersucht.
Um eine technische Bewertung der Effektivität der einzelnen Blindleistungsregelungskonzepte hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Reduktion der lokalen Netzspannung
über den Zeitraum eines ganzen Jahres durchführen zu können, sind realistische
Zeitreihen für Verbraucher und DEA zu hinterlegen. Die Einspeisezeitreihen der WKA
basieren auf realen Leistungsmessdaten in der untersuchten Region. Für die Blockheizkraftwerke existieren gemessene Einspeisemessdaten in 15 minütiger Auflösung für das Jahr 2008. Zur Simulation der PV-Einspeisung wurde auf real gemessene DC-Leistungsdaten einer Referenzanlage am Standort Kassel zurückgegriffen.
Die jeweiligen Ersatzlasten an den Ortsnetzstationen wurden entsprechend der von
ihnen repräsentierten PV-Leistung skaliert. Anhand der zu erwartenden Jahresmaximallast und dem zugehörigen Lastverlauf am Umspannwerk wurden den einzelnen Ortsnetzstationen Standardlastprofile zugeordnet und diese so skaliert, dass
186
die Summe der Leistungsflüsse am Umspannwerk einem vorgegeben Lastverlauf
entsprechen.
Die Bewertung der technischen Effektivität der einzelnen Maßnahmen erfolgt anhand der Vorgaben der DIN EN 50160 für „langsame Spannungsänderungen“. Abbildung 89 zeigt die maximalen 10 Minuten-Mittelwerte der Spannung an ausgewählten Netzanschlusspunkten im Mittelspannungsnetz mit und ohne die Anwendung zusätzlicher Methoden zur Spannungshaltung. Hierbei zeigt sich, dass ohne
einen Beitrag zur Spannungshaltung durch DEA, die 10 Minuten-Mittelwerte der
Netzspannung teilweise einen Spannungsgrenzwert von 1.07 p.u. (1.05 p.u. am
Umspannwerk + 0.02 p.u. über MS-Netz) deutlich übersteigen. Aufgrund der Möglichkeit weiterer Spannungsanstiege auf der Niederspannungsebene, kann eine
Verletzung der DIN EN 50160 Vorgaben für „langsame Spannungsänderungen“ für
dieses Simulationsszenario nicht ausgeschlossen werden. Um den Anschluss von
WKA 8 in der Praxis realisieren zu können, wären demnach kostenintensive Netzausbaumaßnahmen eine mögliche Alternative.
Es zeigt sich, dass durch die Anwendung der unterschiedlichen Maßnahmen zur
Spannungshaltung die maximalen Spannungswerte im Vergleich zu den Werten ohne zusätzliche Regelung deutlich reduziert werden können. Dieser Effekt könnte in
der Praxis die Notwendigkeit von Netzausbaumaßnahmen reduzieren, was bereits
in (Stetz et al., 2012a) und (Stetz et al., 2012b) vertiefend untersucht wurde.
Abbildung 89: Maximale 10 Minuten Mittelwerte des simulierten Jahres bei der Anwendung
unterschiedlicher Methoden zur Spannungshaltung.
187
ø alle DEA
WKA 8
Cosϕfix
99,85%
99,85%
Cosϕ(P)
99,91%
99,93%
Q(U)
99,97%
99,91%
Tabelle 26: Wirkleistungseinspeisung der DEA bei Blindleistungsbereitstellung im Vergleich
zum Szenario ohne Blindleistung.
Methode
Cosϕfix
Zusätzlich bezogene
induktive Blindenergie aller DEA
7.025 MVArh
Cosϕ(P)
4.069 MVArh
Q(U)
1.455 MVArh
Tabelle 27: Zusätzliche Blindenergie im untersuchten Netzabschnitt für den Zeitraum des
untersuchten Jahres.
Während die durch die zusätzliche Blindleistungsbereitstellung generatorseitig anfallenden zusätzlichen Verluste vernachlässigt werden können (vgl. Tabelle 26) ist
netzseitig eine Unterscheidung der einzelnen Maßnahmen erforderlich. Aus den
Arbeitsweisen der einzelnen Methoden kann geschlossen werden, dass zusätzliche
Netzverluste bei der Q(U)-Methode am niedrigsten ausfallen. Diese These wird
durch die Werte der jeweils über das Jahr zusätzlich bezogenen Blindenergie (summiert für alle DEA) gestützt (Tabelle 27). In Stetz et al., 2011 ist eine ausführliche
Beschreibung der Studie dargestellt.
6.2.5 Analyse der Netzzuverlässigkeit
Ein elektrisches Verteilnetz ist dann als besonders zuverlässig anzusehen, wenn
Versorgungsunterbrechungen (VU) beim Verbraucher selten auftreten und sich
sein, dass e
Netzbetreiber muss über die Kompetenzen und Mittel verfügen, diese bei Bedarf
sowie der Auswirkungen verschiedener Ausbauszenarien auf die Zuverlässigkeit der
Netze eignen sich probabilistische Methoden in besonderem Maße. Um die Zuverlässigkeit von Energienetzen beurteilen und vergleichen zu können, werden eindeutige und aussagekräftige Kennzahlen benötigt. International haben sich insbesondere drei Größen zur Beschreibung der Systemzuverlässigkeit bewährt:
188

Hu Unterbrechungshäufigkeit,

Tu Unterbrechungsdauer und

Qu Nichtverfügbarkeit.
Der rechnerische Zusammenhang zwischen den drei DISQUAL-Größen wird in der
folgenden Gleichung beschrieben:
Bei Versorgungsunterbrechungen in elektrischen Netzen handelt es sich um statistisch seltene Ereignisse. Will man die Zuverlässigkeit eines Netzes anhand von empirischen Beobachtungen bestimmen, ist daher ein sehr langer Betrachtungszeitraum notwendig, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Neben dem großen Zeitaufwand ergibt sich dabei außerdem das Problem, dass sich Erzeugung, Verbrauch
und Netztopologie während des Beobachtungszeitraums stetig weiterentwickeln
und somit historisch ermittelte Daten nur in begrenztem Umfang auf die aktuelle
Situation anwendbar sind. Aus den genannten Gründen ist es vorteilhaft, die Ermittlung der Zuverlässigkeit eines realen Systems mit Hilfe von Rechenmodellen
durchzuführen. Hierfür werden folgende Informationen benötigt:

Aufbau des zu betrachtenden Netzes,

Leistungsdaten für Einspeise- und Verbrauchsknoten,

Ausfallcharakteristiken und Zuverlässigkeitskennwerte der Einzelkomponenten.
Für die vorliegende Untersuchung wurde im Rahmen des Projektes RegModHarz mit
Hilfe der Simulationssoftware PSS®SINCAL eine Zuverlässigkeitsbetrachtung des
Hoch- und Mittelspannungsnetzes der E.ON Avacon AG im LKH vorgenommen, da
dort alle wesentlichen Parameter in Erfahrung gebracht werden konnten. Die Zuverlässigkeit des Netzes wurde im Ausgangszustand für das Jahr 2008 berechnet.
Relevante Lastdaten sind in Tabelle 28 gelistet. Bevor Zuverlässigkeits-Kenngrößen
berechnet werden konnten, war eine umfangreiche Betrachtung des Ausfall- und
Störungsgeschehens im Netz notwendig.
189
Parameter
2008
Jahreshöchstlast [MW]
Skalierungsfaktor
[p.u.]
2020
188,96
181,40
0,96
Nettostromverbrauch [GWh/a]
1102,76
1058,65
0,96
Nettostromerzeugung [GWh/a]
414,53
583,37
1,41
Tabelle 28: Ausbauszenarien2008 und 2020 innerhalb des EAV Netzes
Dabei wurden auch die Schutzkoordination und die Netzregelung berücksichtigt.
Darüber hinaus sind Lastflussberechnungen durchgeführt worden, um die Versorgungslage der einzelnen Verbraucher bei Ausfällen von Netzkomponenten zu bestimmen. Die Berechnung der Gesamtzuverlässigkeit des Systems basierte auf den
individuellen Zuverlässigkeitsparametern seiner Einzelkomponenten. Nach Abschluss der Zuverlässigkeitsberechnungen wurden die Zuverlässigkeitsdaten für alle
Komponenten ausgewertet, die im Verlauf der Simulation von Ausfällen betroffen
waren. Außerdem sind sogenannte Verbraucherergebnisse für alle Knoten mit angeschlossenen Lasten ermittelt worden. Bei der Vielzahl der Netzelemente und Lasten im untersuchten Netz ist eine solche Einzelauswertung jedoch nicht zielführend. Deshalb lassen sich auch aggregierte Werte für das gesamte Netz oder einzelne Netzbereiche anzeigen. Die Ergebnisse für die beiden Szenarien sind in Tabelle
29 dargestellt.
Größe
Worst-Case
Schaltszenario
2008
2020
Δ [%]
2008
2020
HU (1/a)
0,336
0,392
+ 16,6
0,336
TU (min)
930,1
932,1
+ 0,2
QU (min/a)
312,4
365,1
+16,9
Δ [%]
Best-Case
2008
2020
Δ [%]
0,333 - 0,7
0,106
0,103 - 2,3
97,1
97,5 + 0,4
307,3
316,8 + 3,1
32,6
32,5 - 0,3
32,5
32,7 + 0,7
Tabelle 29: Ergebnisse Leitszenarien I und II auf Basis unterschiedlicher Fallbetrachtungen
Der Best-Case beschreibt hier den Zustand der maximal möglichen Vermaschung
(alle Trennstellen im untersuchten Netz sind geschlossen), der Worst Case den Zustand der minimalsten Vermaschung (alle Trennstellen geöffnet). Im Schaltszenario
wird die Verbindungskontrolle bei der Störungsauswertung angewendet, die nur
die grafische Netztopologie hinsichtlich Unterbrechungen betrachtet. Je nach betrachtetem Szenario ergibt sich für 2020 ein Anstieg der Nichtverfügbarkeit von ca.
1 % bis 17 %. Mit einer Nichtverfügbarkeit von ca. 33 min/a liegt das Ergebnis des
Schaltszenarios 2008 im Bereich der Gesamtwerte für Deutschland (FNN, 2010). Als
Hauptgrund für die Zunahme wurde die Überlastung von Betriebsmitteln durch die
höhere installierte Erzeugungsleistung identifiziert. Diese Erkenntnis bedeutet
190
auch, dass sich der momentane Stand der Zuverlässigkeit durch rechtzeitigen Netzausbau zur Beseitigung zukünftiger Engpässe erhalten ließe. Als weitere wichtige
Einflussgröße auf die Zuverlässigkeit stellte sich die Möglichkeit und Geschwindigkeit der Zuschaltung von Trennstellen heraus. Hier lässt sich durch kurze Schaltzeiten eine deutliche Verbesserung der Störungsbeseitigung erreichen. In Tabelle 30
sind die veränderten Unterbrechungsindizes den jeweiligen Zuschaltzeiten der
Trennstellen gegenübergestellt.
Ausfall-Parameter
tS = 30 min
tS = 6 min
HU(1/a)
0,336
0,336
TU (min)
366,5
97,1
QU(min/a)
123,1
32,6
Tabelle 30: Zuschaltung von Trennstellen
6.3 PMU-Feldtest
6.3.1 Überblick
Ausgerichtet an der Topologie und mit dem Hintergrund der Messdatengenerierung
von Strom- und Spannungsbeträgen, deren Phasenwinkel zur Beobachtung des 110
kV-Netzes im virtuellen Kraftwerk sowie zur Erfassung und Visualisierung der momentanen Import- und Exportsituation wurden zehn ausgewählte Installationsorte
für die Phasor Measurement Units (PMU) festgelegt (Naumann et al., 2010). Ein
zentraler Netzknoten umfasst die Installation von 4 PMU, während an weiteren 3
Umspannwerken jeweils 2 PMU installiert wurden. Abbildung 90 zeigt die Anordnung der PMU in einer schematischen Darstellung.
191
Abbildung 90: Schematische PMU -Messstellenanordnung im Netz
6.3.2 Aufbau der Messeinheiten
Die Installation des Messsystems wurde in der Form eines modularen Konzepts umgesetzt. Dabei ist für jede PMU eine separate Peripherie zur Versorgung und Anbindung an die Messstruktur im Umspannwerk vorgesehen worden. Die in den Umspannwerken installierten Messeinheiten beinhalten:

Messgerät: SIMEAS R PMU,

Phasor Data Concentrator: Industrie-PC mit Netzwerkkarten,

GPS-Empfänger,

Kommunikationseinheit: UMTS-Router.
Da die Messeinheiten und deren Peripherie unterbrechungsfrei betrieben werden
müssen, um bei einem eventuellen Ausfall der 110 kV-Netzspannung weiter aufzuzeichnen, wurden die Netzteile der verwendeten Komponenten an die im Umspannwerk verwendete, batteriegepufferte Gleichspannung angepasst.
6.3.3 Installation des PMU –Messsystems im 110 kV-Netz
Folgende Anschlüsse wurden für jeden PMU-Messschrank zur Anbindung der Messeinheiten benötigt:
192

Versorgungsspannung (110 VDC bzw. 220 VDC),

Anbindung Spannungswandler (110 kV : 100 V) für 3 Außenleiter,

Anbindung Stromwandler (600 A : 1 A bzw. 600 A : 5 A),

GPS –Antennenanbindung,

UMTS –Antennenanbindung.
Nach erfolgreicher Installation der Messeinheit erfolgte der Testbetrieb (Zuschalten
der Komponenten), die Einkopplung der Messgrößen (Messstromkreise der Spannungs- und Stromwandler) sowie die anschließende Montage und Integration des
Messsystems im Umspannwerk (siehe Abbildung 91).
Abbildung 91: Aufbau und Installation der PMU-Messausstattung
6.3.4 Datenübertragungskonzept
Zur Erfassung der Messdaten wurde ein Übertragungskonzept erstellt (siehe Abbildung 92). Für den Abruf der gemessenen Daten wurde ein auf Matlab basierendes
Tool entwickelt, welches die Daten von der PMU auf die Festplatte des entsprechend
gekoppelten Phasor Data Concentrators schreibt. Diese Daten werden im 2Minuten-Takt gespeichert, welche eine Messauflösung von zehn Werten je Sekunde
beinhaltet. Im binären Format sind für jeden Zeitschritt Spannung und Strom der
drei Außenleiter sowie die Frequenz und deren Abweichung zur Nennfrequenz des
Netzes synchron gespeichert. Die 2-minütig gespeicherten *.bin-Dateien haben
eine Größe von jeweils etwa 67 kB. Aus Gründen der Zeitoptimierung bei der Datenübertragung wurde in einer Weiterentwicklung der Software die Speicherung der
eintreffenden Messdatenpakete verändert. Die Auslesesoftware ist mit der Programmiersprache C# neu programmiert worden, mit Hilfe derer die Messdateien
auf eine Größe von 10 MB limitiert sind. Diese Dateigröße ist ein Kompromiss zwischen Handhabbarkeit der Dateien und deren Anzahl pro Messzeitraum, da während eines Jahres Datenmengen von ca. 10 GB je PMU zu speichern sind. Das optimierte Kommunikationsschema ist in Abbildung 93 veranschaulicht. Die Speicherung der Daten erfolgt auf dem Phasor Data Concentrator vor Ort im Umspannwerk.
Parallel dazu wurde die Möglichkeit eingerichtet, ausgewählte Dateien auf einer
OvGU-internen Datenbank zur Visualisierung zu speichern und weiter zu verarbeiten. Die Verarbeitung bezieht sich hauptsächlich auf die Visualisierung der momentanen Messdaten. Von der OvGU-Datenbank ermöglicht eine Browser-Anwendung
193
mit Unterteilung in drei verschiedene Autorisierungsstufen den Zugang zu den Online-Messdaten der einzelnen PMU, bzw. des Verbundes der PMU.
Abbildung 92: Gesamtkonzept zur Datenübertragung im PMU-Messsystem
Abbildung 93: Kommunikationsschema der optimierten Datenübertragung
Dies wird z.B. durch Summierung der gemessenen Leistungen zur Darstellung im
relevanten Netzgebiet umgesetzt. Parallel zu dieser Methode der Darstellung wurde
auf einem PC der Messeinheiten das Programm Siguard PDP installiert.
Auf Grund der vier an einem Umspannwerk vorhandenen PMU konnten die jeweiligen PCs mit dem „Siguard-PC“ per LAN verbunden werden und die entsprechenden
Messwerte liefern. Mit Hilfe dieses Konstrukts ist es möglich, Vergleichsmessungen
vorzunehmen. Des Weiteren kann per Fernzugriff die Darstellung von autorisierter
194
Stelle aus vorgenommen werden. Die von Siguard PDP aufgezeichneten Daten werden bei Bedarf an die OvGU übertragen und zur Auswertung der Messungen genutzt. Ziel war die Erprobung, wie PMU den Betrieb eines virtuellen Kraftwerks unterstützen können.
6.3.5 Darstellung der Messdaten
Das konzipierte PMU-Messsystem dient unter anderem dem Zweck der Erfassung
von Messwerten, wie beispielsweise dem momentanen Lastfluss an den Koppelstellen des virtuellen Kraftwerkes zum vorgelagerten Netz. Diese Funktion soll der Online-Bilanzierung des Systems dienen. Zur Auswertung der gemessenen Daten ist es
notwendig, diese zielgerichtet zu erfassen. Die Aufbereitung der erfassten Daten
ermöglicht die Überwachung des Energieversorgungsnetzes durch die Darstellung
von prägnanten Netzgrößen, wie Strom- und Spannungswinkel sowie den jeweiligen Betrag und den damit berechenbaren Leistungen. Des Weiteren ist die Erfassung dieser Größen eine Voraussetzung für eine Zustandsabschätzung im untersuchten Netz (Guo et al., 2012). Eine Kenngröße für das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch im Gesamtsystem ist die Netzfrequenz. Hinzu kommt die Wirkund Blindleistung des Netzes sowie Spannungs- und Stromwerte. Da es beim Ablesen einzelner Messwerte aufgrund der ständigen Aktualisierung des Graphen und
der Vielzahl an Messwerten zu Schwierigkeiten kommen kann, werden aktuelle
Messwerte extra angezeigt.
Die Erstellung von Diagrammen erfolgt zu folgenden Messungen:

Frequenz,

Frequenzabweichung,

Spannung und Strom,

Wirk- und Blindleistung,

Phasenwinkel.
Drei Autorisierungsgrade können mittels Benutzer-Rollen festgelegt werden. Um
den Zugriff anhand dieser Rollen einzuschränken, wurde eine Website zur Anmeldung programmiert, die dem Besucher der Website mittels Benutzerkennung und
zugehörigem Passwort eine Rolle zuweist. Die Festlegung der Rollen erfolgt per
Websiteverwaltungs-Tool. Die Autorisierung der Benutzer geschieht über eine Anmeldeseite, wo auch die Registrierung neuer Benutzer möglich ist. Die jeweiligen
Menüs für die verschiedenen Rollen veranschaulicht Abbildung 94.
195
Abbildung 94: Menüs für unterschiedliche Benutzer-Rollen
Das Design der Website zur Messdatenvisualisierung ist in Abbildung 95 dargestellt
und orientiert sich an der Webpräsenz der Regenerativen Modellregion Harz. Die
Client-Anwendung sowie die Webapplikation zur Visualisierung wurden in der Programmiersprache C# geschrieben. Die Speicherung der Messdaten erfolgt mittels
einer zyklischen Datenübertragung auf einer Festplatte und zentral in einer SQLDatenbank nach einem speicheroptimierten Schema. Das entwickelte Programm ist
nicht nur auf den Einsatz zum Netz-Monitoring in der Regenerativen Modellregion
Harz beschränkt, sondern unter Berücksichtigung der benötigten Infrastruktur auch
universell einsetzbar.
Abbildung 95: Website zur Messdatenvisualisierung
6.4 Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse
6.4.1 Simulation und Regionenvergleich
Für die Untersuchung der Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse auf andere
Regionen, wurde die Netzzuverlässigkeit mit den Randbedingungen dieser Regionen in Verbindung mit dem CIGRÉ-Benchmarknetz bestimmt und anschließend mit
den Werten der untersuchten RegModHarz verglichen. Für die Untersuchung anderer Regionen sind sensible Daten zur Netzstruktur, Schutz, Erzeugung und Lasten
196
notwendig, die schwer zugänglich sind. Um abschätzen zu können, inwieweit eine
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Netzgebiete möglich ist, wurde angenommen, dass die Netze in anderen Regionen ähnlich strukturiert sind und die Zuverlässigkeit im gleichen Maße von der Netzstruktur, Vermaschungs – und Automatisierungsgrad beeinflusst wird.
Aus diesem Grund wurde für die Untersuchungen zur Übertragbarkeit das CIGRÉBenchmarknetz angepasst. Die Parameter (EEA-Anteile, Lasten usw.) für ausgewählte Regionen wurden entsprechend dieser Netzstruktur skaliert, in das Netz integriert und die Zuverlässigkeit berechnet. Damit wurde allein der Einfluss der EEA
bzw. der Lasten in ausgewählten Regionen auf die Zuverlässigkeit untersucht.
Die Regionen sollten den Ansprüchen der Repräsentativität genügen und dabei verschiedene Zusammensetzungen von erneuerbarer Energie und Lastintensität darstellen. Die ausgewählten Regionen und die zugehörigen Profildaten (Stand 2011)
sind in Tabelle 31 dargestellt.
Region
RegionenProfile
Elbe-Elster
Traunstein
Recklinghausen
Mannheim
ländliche Region
(RegModHarzähnlich)
hoher Anteil an
Windenergie
hoher Anteil an
PV
ländliche Region
hoher Anteil an
PV
geringer Anteil
an WE
Industrieregion
hoher Lastanteil
verhältnismäßig
geringer Anteil
an EE
Stadt
geringer Anteil EE
Einwohner im
113.030
170.614
626.864
Landkreis
Fläche
1.890
1.533,95
760,42
[km²]
Einwohner im
2.684.366
4.808.568
2.657.666
Netzgebiet
Solarenergie
141,377
69,693
51,926
[MW]
Windenergie
219,070
5,360
25,181
[MW]
Tabelle 31: Übersicht über die Daten der Regionen für die Berechnung
303.198
144,96
325.896
16,420
0,010
197
In den Untersuchungen wurde hauptsächlich das analytische Berechnungsverfahren
in Kombination mit einem Standard-Lastflussalgorithmus verwendet. Im Vergleich
der Regionen werden zum einen die Ergebnisse der vier Regionen und zum anderen die des CIGRÉ-Benchmarknetzes im Ausgangszustand ohne erneuerbare Einspeisung und die Region des Harzes analysiert. Die Ergebnisse sind in Abbildung 96
dargestellt. Es wurde ermittelt, dass die Werte der betrachteten Regionen untereinander marginale Abweichungen (kleiner 1 %) aufweisen. In Bezug zum CIGRÉBenchmarknetz hingegen sind größere Differenzen bis durchschnittlich 6 % bei allen Zuverlässigkeitskenndaten auffällig, was hauptsächlich auf die zusätzlich integrierten,
erneuerbaren
Einspeisungen
zurückzuführen
ist,
da
das
CIGRÉ-
Benchmarknetz das einzige Netz ohne erneuerbare Energieeinspeisung ist.
Abbildung 96: Nichtverfügbarkeit im Vergleich (auf das CIGRÉ-Benchmarknetz normierte Werte in Prozent)
Der Einfluss der Netzstruktur auf die Zuverlässigkeitsergebnisse wurde anhand einer
zusätzlichen Leitung untersucht. Aus den in Abbildung 97 dargestellten Ergebnissen
wird deutlich, dass die Erhöhung des Vermaschungsgrads zu einer geringeren
Nichtverfügbarkeit führt, wie auch bei den Zuverlässigkeitsuntersuchungen in der
Modellregion Harz deutlich wurde. Mit der zusätzlichen Verbindungsleitung (Bypass)
verbessert sich die Nichtverfügbarkeit in dem Maße, dass sogar im Vergleich zum
ursprünglichen CIGRÉ-Benchmarknetz eine Verbesserung eintritt. Beim Vergleich der
Region Harz ohne und mit Verbindungsleitung ist ein Abfall der Nichtverfügbarkeit
von ca. 12 % zu verzeichnen.
198
Abbildung 97: Nichtverfügbarkeit im Vergleich (CIGRE Benchmark-Netz, Region RegModHarz
mit und ohne Verbindungsleitung)
In den Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die Einbindung von erneuerbaren
Energien einen direkten Einfluss auf die Zuverlässigkeit des Testnetzes hat, allerdings konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen verschieden hohen Einspeisungen festgestellt werden. Es ließ sich feststellen, dass die Strukturdaten einer
Region einen wesentlichen Einfluss auf die Zuverlässigkeitsberechnungen haben.
Zusammenfassend zeigen die Untersuchungen, dass die Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse auf andere Regionen ohne Berücksichtigung der Netzstruktur
bzw. ohne eine Einbindung der Topologie der untersuchten Netze sehr wahrscheinlich zu abweichenden Ergebnissen führen kann. Aus diesem Grund muss der Einfluss der erneuerbaren Energien auf die Zuverlässigkeit eines Netzes gesondert und
unter Berücksichtigung der vorherrschenden Topologie für jedes Energienetz individuell analysiert werden.
6.4.2 Netzseitig geltende Normen und Standards für ein virtuelles Kraftwerk
Die Grundlage für den Aufbau eines virtuellen Kraftwerks bilden Normen und Standards. Im Fokus stehen aus der Sicht des elektrischen Netzes Anschlussbedingungen
für erneuerbare Energiequellen und Speicher sowie Standards zum intelligenten
Anschluss von Verbrauchern und Elektrofahrzeugen. Für den Anschluss erneuerbarer
Energien wurden folgende Richtlinien identifiziert:

für die Hoch –und Höchstspannung: Transmission Code 2007,

für die Mittelspannung: Distribution Code 2007, Technische Richtlinie „Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz“ 2008,

für die Niederspannung: Anwendungsregel VDE-AR-N 4105: „Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ 2011,
199

Individuelle Netzanschlussrichtlinien der Netzbetreiber mit definierten Anforderungen an Anlagen bzgl. des Verhaltens bzw. der Unterstützung des
Netzes.
In den o.g. Anschlussbedingungen ist unter anderem die Verpflichtung zu bestimmten Systemdienstleistungen verankert. Dazu gehören zum Beispiel die „Fault
Ride Through“-Fähigkeit, Verpflichtung zur Bereitstellung von Blindleistung aller
erneuerbarer Anlagen bis in die Niederspannungsebene sowie die Reduktion der
Wirkleistung linear zur Frequenz im Falle einer Frequenz größer als 50,2 Hz.
Für die intelligente Einbindung von Verbrauchern und Elektrofahrzeugen sowie deren Ladung sind neben dem Kommunikationsstandard IEC 61850 die in Tabelle 32
gelisteten Standards relevant.
Standard - E-KFZ
Beschreibung
IEC 61980
Induktive Ladung von Elektrofahrzeugen - Normentwurf
IEC 61851-1
IEC 61851-21/22
Konduktive Ladung von Elektrofahrzeugen: Anforderungen an die
Ladestationen und Verbindung zur Station
IEC 15118-1
Straßenfahrzeuge - Kommunikationsschnittstelle Fahrzeug zu
Stromnetz - Teil 1: Allgemeine Informationen und Anwendungsfälle
– Normentwurf
IEC 14543
Informationstechnik - Architektur für Heim-Elektronik-Systeme
IEC 62052-31
IEC 62053-22
IEC 62054-11
Wechselstrom-Elektrizitätszähler-allgemeine Anforderungen. Tarif –
und Laststeuerung
Tabelle 32: Beschreibung der geltenden Standards für E-Kfz
200
7 Schlussfolgerung / Ausblick / Empfehlungen
7.1 Empfehlungen
Auf Grundlage der im Projekt untersuchten regionalen und überregionalen Vermarktungsstrategien soll aufgezeigt werden, welche Hemmnisse abgebaut werden
sollten, um die Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien voranzubringen. Die Entwicklung einer konkreten Maßnahme, beispielsweise eines neuen
Anreizmodells oder einer Formulierung von Gesetzen, war nicht Inhalt dieses Arbeitspaketes. Stattdessen wurden Marktbereiche und Anreizmodelle benannt, die
unter Berücksichtigung ausgewählter Punkte weiterentwickelt werden sollen.
Ergänzend zur Umsetzung der im Folgenden detailliert beschriebenen Empfehlungen muss dringend eine Transformation des Marktes vorbereitet werden, um langfristig die heutigen Marktbedingungen und die Erfordernisse der erneuerbaren
Energien mit der gesamtgesellschaftlich höchsten Effizienz neu zu ordnen. Dabei
muss berücksichtigt werden, dass der Handel mit Instrumenten flankiert wird, die
eine Refinanzierung von neuen Investitionen in die Energieversorgung sicherstellen. Der Börsenhandel an der EPEX SPOT SE darf dabei nicht gegenüber anderen
Handelsformen und -plattformen benachteiligt werden, muss aber gleichzeitig einen Rahmen für die Markteinführung der erneuerbaren Energien bieten. Des Weiteren muss dabei berücksichtigt werden, dass insbesondere Wind- und Solarenergie zeitweise mit hoher Leistung einen großen Anteil der Nachfrage decken werden.
Zudem sollten externe Effekte in ein solches Marktsystem internalisiert werden.
Insgesamt kann dadurch ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden.
Um die Energiewende möglichst effizient und volkswirtschaftlich kostengünstig zu
gestalten, gilt es, die Potenziale zur Balancierung von Einspeisung und Verbrauch
durch Regelenergiebeiträge der Erneuerbaren, durch angebotsorientierte Lastverschiebung, Netzmonitoring, Mitnutzung von Wärme-, Verkehrs- und Gasnetzen sowie Ausbau der Netze möglichst in der Reihenfolge der volkswirtschaftlich geringsten Kosten auszuschöpfen. Dabei sollte zusätzlich berücksichtigt werden, inwieweit
Kombinationslösungen unter den vorgenannten Effizienzpozentialen auch zur gebietsweisen Vermeidung von Netzengpässen z.B. durch die Einrichtung von regionalen, virtuellen Kraftwerken (Kombikraftwerke) weitere Synergien und Kostenoptimierungen herbeiführen können. Mit Hilfe dezentral regelbarer Erzeuger sowie
der Steuerung von Lasten kann ggf. auch ein großer Beitrag zur Netzstabilität geleistet werden. Die Inhalte des vorliegenden Papiers wurden mit Hilfe von schriftlichen Stellungnahmen, Workshops und Telefonkonferenzen durch die Partner erar-
201
beitet. Die Vorschläge werden von den am Ende der Unterkapitel aufgeführten Konsortialpartnern empfohlen.
7.1.1 Vermarktung an der Strombörse EPEX SPOT sowie bilaterale Lieferverträge
Vermarktung mit Marktprämie
Empfehlung: Es muss eine gesicherte Vergütung zusätzlich zum Marktpreis erfolgen, wie z. B mittels der zum 01. Januar 2012 eingeführten Marktprämie.
Begründung: Ein wesentlicher Bestandteil für eine erfolgreiche Markteinführung
der erneuerbaren Energien ist die Teilnahme am Handel und den damit verbundenen Prozessen der liberalisierten Organisationsstruktur der Energiewirtschaft. Die
erzielbaren Erlöse aus der Vermarktung (z. B. im Börsenhandel) sind nicht ausreichend, um eine gesicherte Wirtschaftlichkeit der Anlagen zu gewährleisten. Unter
heutigen Marktbedingungen lässt sich der Handel von Strom aus EEG-Anlagen an
der Börse EPEX SPOT in der Regel nur mit Hilfe zusätzlicher Erlöse und Risikobegrenzungen umsetzen. Damit die Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen neben
dem System der EEG-Vergütung an einer Direktvermarktung teilnehmen können,
muss demnach eine gesicherte Vergütung zusätzlich zum Börsenpreis erfolgen, wie
z. B. mittels der zum 01. Januar 2012 eingeführten Marktprämie.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES]
Physikalische Grünstromprodukte an der Börse EPEX SPOT
Empfehlung: Es sollten physikalische (zeitgleiche) Grünstromprodukte für EEGStrom eingeführt werden, die die jeweilige Erzeugungsmenge mit Zeitstempel
und Anlagentyp handelbar machen.
Begründung: Vertriebe sollten befähigt werden, Grünstrom direkt einzukaufen,
nicht nur direkt von den Anlagen, sondern auch von liquiden Großhandelsmärkten.
Zu berücksichtigen ist, dass die Grünstrom-Qualität verloren geht, sobald EEGStrom
an
der
Börse
gehandelt
wird.
Es
sollten
eindeutige
Grünstrom-
Kennzeichnungen auch für EEG-Strom eingeführt werden, die die elektrische Energie differenziert mit Zeitstempel (z.B. in der Genauigkeit von 15-Minutenwerten)
und Anlagentyp handelbar machen.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering]
Vermarktung in Pools
Empfehlung: Die wettbewerbsfördernde Händlerstruktur (KMU) sollte erhalten
bleiben und weiter ausgebaut werden.
202
Begründung: Die Vermarktung verteilter Anlagen wird erleichtert, wenn die Anlagen gebündelt werden und einzeln angesteuert werden können. Hierzu sind eine
Steuerung und ggf. Kommunikationsschnittstellen notwendig, die häufig nicht
durch den Anlagenhersteller vorgesehen oder nicht für den Betreiber und Dritte
zugänglich sind. Das Ausgleichsenergierisiko, das sich aus fehlender Anlagenüberwachung und -steuerung ergibt, kann von großen Händlern aufgrund von Skaleneffekten mit einem geringeren Kostenaufwand je umgesetzter Energieeinheit abgedeckt werden als von kleinen- und mittelständischen Händlern (KMU). Besonders
für Letztere ergibt sich mit der Überwachung und Steuerung eine entscheidende
Verbesserung in der Vermarktung und damit eine Reduktion des Risikos. Ein geringeres Risiko für kleine Händler ergibt sich damit bereits, wenn die Anlagen eine
technische Ausstattung zur Steuerung und Kommunikation mitbringen. Deshalb ist
zu erwarten, dass besonders kleinere Händler die Überwachung und Steuerung der
EE-Anlagen vorantreiben. Auch aus diesem Grund sollte darauf geachtet werden,
dass diese Wettbewerb fördernde Händlerstruktur erhalten bleibt und weiter ausgebaut wird. Die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung dieser Informations- und Kommunikationstechnik müssen deshalb gewährleistet sein. Die
Kommunikationsschnittstelle sollte des Weiteren bestehende Kommunikationsstandards (z. B. der IEC) anbieten, damit Sonderlösungen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, Fraunhofer IWES]
Vermarktung an Energieversorger (Grünstromprivileg)
Empfehlung: Es sollte eine differenzierte Umlagenbefreiung eingeführt werden,
die sich an den Energieträgeranteilen an der Last, insbesondere den Anteilen an
fluktuierenden Erzeugern im Portfolio, orientiert.
Begründung: Neben der Börsenvermarktung ist die unmittelbare Belieferung von
Vertrieben, insbesondere klein- und mittelständischer Versorger, auf Basis bilateraler Stromlieferverträge ein wesentlicher Bestandteil der Energiewirtschaft. In diesem Marktsegment müssen erneuerbare Energien teilnehmen können. Auf Seiten
der Versorger besteht eine hohe Nachfrage nach Strom aus erneuerbaren Energien
im Portfolio. Dabei ist der Erhalt der Grünstromeigenschaft wesentlich, die allerdings bei der Vermarktung mit der derzeitigen Marktprämie verloren geht. Der direkte Vertrieb unter Beibehaltung der Grünstromeigenschaft wird derzeit nur durch
das sog. Grünstromprivileg und die damit verbundene Reduzierung der EEG-Umlage
gefördert. Mit dem Anstieg der EEG-Umlage im Jahr 2012 auf ca. 3,5 ct/kWh drohte
in Teilbereichen eine Überförderung des Grünstromprivilegs. Dies wurde durch die
203
Neuregelung zum 01. Januar 2012 verhindert. Allerdings führt das Grünstromprivileg mit der aktuellen pauschalen Begrenzung der Umlagenbefreiung auf 2 ct/kWh
jetzt nur noch ein Nischendasein, da nur eine begrenzte Zahl an EE-Anlagen mit
herabgestellter Vergütungsstufe auf dem Markt zur Verfügung stehen, die für dieses
Marktsegment bei der geringen Befreiung genutzt werden müssen. Es sollte eine
differenzierende Umlagenbefreiung entsprechend der Energieträgeranteile an der
Last, insbesondere der Anteile an fluktuierenden Erzeugern eingeführt werden, wobei die Herausforderung der viertelstundenscharfen Eindeckung mit erneuerbaren
Energien berücksichtigt werden muss. Daran sind dann auch die konventionellen
Akteure der Energiewirtschaft (z. B. Energieversorger, Stadtwerke) organisatorisch
und finanziell beteiligt. Als paralleler Vermarktungsweg zum Spotmarkthandel kann
damit eine Entwicklung von Stromprodukten aus erneuerbaren Energien und eine
Integration in die Energiewirtschaft angestoßen werden. Die freiwillige Zahlungsbereitschaft von Endkunden kann dazu genutzt werden, die EEG-Umlage zu reduzieren.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES]
7.1.2 Dynamische Tarife
Empfehlung: Die heute geltenden Standardlastprofile müssen weiterentwickelt
werden. Zudem dürfen die an eine Leistungsmessung gekoppelten Abrechnungsund Prognosevorschriften von Industriekunden nicht gleichermaßen für die Versorgung von Haushaltskunden gelten.§ 40 Abs. 3 EnWG ist dahingehend zu konkretisieren, dass alle Stromhändler mindestens einen zur Anreizung der Lastverschiebungspotenziale entsprechend der erneuerbaren Einspeisesituation ausreichend differenzierten und gespreizten dynamischen Tarif mit automatisierter
Systemführung auf Basis kundenseitig bestellter Nutzungsparameter anzubieten
haben.
Begründung: Im Rahmen des Projekts wurde ein Stromtarif zur direkten Belieferung der Haushaltskunden mit überwiegend regional erzeugtem EE-Strom durch die
Vertriebe vor Ort konzipiert. Die Bürger der Region bekommen die Möglichkeit, den
vor Ort produzierten Strom mittels eines dynamischen Tarifs zu beziehen und werden damit am erzeugungskonformen Verbrauch des Wind- und PV-Stroms beteiligt.
Die bei den Haushaltskunden angereizte Lastverlagerung kann zum Ausgleich der
fluktuierenden Einspeisung aus Wind und PV beitragen. Dazu muss die Tarifierung
allerdings auch eine ausreichende Preisspreizung nach oben und unten anbieten.
Dieses Modell kann ebenfalls für eine überregionale Versorgung mit dynamischem
Tarif angewandt werden.
204
Bei Berücksichtigung aller Kosten auf der Erzeugungsseite wäre der Strompreis derzeit für den Endkunden zu hoch, um am Markt bestehen zu können. Zudem ist die
Preisspreizung im Endkundenpreis, welche sich aus den unterschiedlich hohen Einkaufspreisen für Strom ergibt, derzeit zu gering, um dem Endkunden einen ausreichend großen finanziellen Anreiz zum Lastmanagement im Haushalt zu bieten.
Ebenfalls erfüllen die Abrechnungssysteme der Vertriebe noch nicht die notwendigen Voraussetzungen für einen preisdynamischen Endkundentarif. Haushaltskunden werden mit Hilfe von Standardlastprofilen in gesonderten Bilanzkreisen geführt. Um eine Bilanzierung entsprechend des tatsächlichen Verbrauchsprofils zu
ermöglichen, müsste bei jedem Haushaltskunden eine viertelstundenscharfe Messung durchgeführt werden. Nach geltender Rechtslage würde dies jedoch mit der
Verpflichtung für den Vertrieb einhergehen, den jeweiligen Kunden täglich zu
prognostizieren und einen entsprechenden Fahrplan an den Netzbetreiber zu senden. Des Weiteren ist nach heutigen Rahmenbedingungen die Abrechnung der
Netznutzungsentgelte bei einer Leistungsmessung um einen Leistungspreis zu ergänzen, wodurch der Endkundenpreis in Zeiten hoher Last extrem steigen würde.
Soll ein dynamischer Haushaltskundentarif entsprechend der Einspeiseprognose mit
ausreichendem finanziellem Anreiz umgesetzt werden, muss innerhalb der Strompreisbestandteile die Möglichkeit zur Flexibilisierung gestärkt werden. Im Rahmen
einer solchen Preisdynamik muss berücksichtigt werden, dass regionale Anreize
nicht deckungsgleich mit bundesweit benötigten Flexibilisierungen sein müssen.
Ein gegenseitiges Aufheben flexibler Strompreisbestandteile muss entsprechend
vermieden werden, um das sich aus der Lastverschiebung ergebende Potenzial zur
Senkung der Kosten des Gesamtsystems zu erschließen. Damit ein Vertrieb die Lastverlagerung des Haushaltskunden in der Energiebeschaffung für sich nutzen kann,
müssen die heute geltenden Standardlastprofile weiterentwickelt und ggf. durch
ein Verfahren ähnlich der Zählerstandsgangmessung ersetzt werden. Zudem dürfen
die heute an eine Leistungsmessung gekoppelten Abrechnungs- und Prognosevorschriften nicht gleichermaßen für die Versorgung von Haushaltskunden mittels
preisdynamischem Tarif gelten.
Insgesamt gesehen dürften durch ausreichend differenzierte und gespreizte dynamische Tarife bislang nicht erschlossene Lastverschiebepotenziale zur verstärkten
Balancierung der fluktuierenden erneuerbaren Energien mit der ebenfalls fluktuierenden Nachfrageseite gehoben werden können. Die Vorgaben in § 40 Abs.3 EnWG,
lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife anzubieten, sollte insoweit konkretisiert
werden, dass alle Stromhändler einen dynamischen, entsprechend der erneuerba-
205
ren Einspeisesituation ausreichend differenzierten und gespreizten Tarif anzubieten
haben.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES ]
7.1.3 Sondermodelle zur Direktbelieferung von Endkunden
Empfehlung: Eine Konkretisierung der Voraussetzungen zur Befreiung von Strompreisbestandteilen muss erfolgen.
Begründung: Das EEG ermöglicht den direkten Verbrauch der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien. Dieser Strom kann unter bestimmten Voraussetzungen von
Strompreisbestandteilen (z. B. Stromsteuer, EEG-Umlage oder Netzentgelte) befreit
werden. Durch die Befreiung von diesen Strompreisbestandteilen kann die Versorgung mit Grünstrom aus der unmittelbaren Region zu einem möglichen Geschäftsmodell werden, wenngleich es auch hier darauf zu achten gilt, dass das damit verbundene Stromversorgungsverhalten nicht zwingend deckungsgleich mit dem bundesweit benötigten Versorgungsprofil ist. Das damit verbundene Risiko gilt es zu
bewerten und dessen energiewirtschaftliche Auswirkungen weiter zu untersuchen.
Gemäß dem rechtlichen Rahmen sind je nach Einzelfall für die Inanspruchnahme
der Befreiung ausschlaggebend:

die unternehmerischen Beteiligungsverhältnisse an der Erzeugungsanlage

der Verbrauch im räumlichen Zusammenhang

die Nennleistung der Anlage sowie

der Anteil an erneuerbaren Energien in dem zur Belieferung genutzten Netz.
Die beschriebenen Merkmale sind im Gesetz nur unzureichend konkretisiert, weshalb die Erfüllung der Voraussetzung in jedem einzelnen Fall juristisch geprüft werden muss. Eine konkrete Definition der Voraussetzungen zur Befreiung von Strompreisbestandteilen ist daher wünschenswert:
206

Die Voraussetzungen sollten für die verschiedenen erneuerbaren Energieträger spezifisch geregelt werden.

Die Definition des „direkten“ Stromverbrauchs muss klarstellen, welche
Merkmale an den Verbrauch im räumlichen Zusammenhang und die Durchleitung und Entnahme aus einem Stromnetz geknüpft sind.

Die auf die jeweiligen Hauptzollämter verteilte Entscheidungsgewalt muss
einheitlichen Regeln unterliegen oder gebündelt werden.

Es muss klargestellt werden, ob die Befreiung von Strompreisbestandteilen
nur für den selbst erzeugten Strom oder für den gesamten verbrauchten
Strom und welche Zeitgleichheit (Tag/Monat/Jahr) gilt.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, Fraunhofer IWES.]
7.1.4 Vermarktung am Regelenergiemarkt
Empfehlung: Es muss dringend ein Verfahren festgelegt werden, wie Windkraftund Photovoltaikanlagen am Regelleistungsmarkt teilnehmen können.
Begründung: Damit ein Stromsystem mit hohem Anteil fluktuierender erneuerbarer
Energien effizient betrieben werden kann, müssen erneuerbare Erzeuger Systemdienstleistungen, wie die Regelleistung, bereitstellen. Von den drei Regelleistungsarten bietet sich vor allem die negative Minutenreserve für fluktuierende Erzeuger an, da es hier bereits eine größtenteils tägliche und nicht wöchentliche Ausschreibung gibt, wodurch bei der Angebotserstellung entsprechende Prognosen berücksichtigt werden können. Das größere Hindernis ist jedoch, dass es noch kein
explizit für fluktuierende Erzeuger definiertes Verfahren gibt, wie diese am Regelleistungsmarkt teilnehmen können. Dies betrifft vor allem den Nachweis der Regelleistungsbereitstellung und die Angebotserstellung.
Aus diesen Gründen sollte dringend ein Verfahren festgelegt werden, wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen am Regelleistungsmarkt teilnehmen können. Auch
sie müssen Systemdienstleistungen bereitstellen können, wenn ein Stromversorgungssystem mit hohen EE-Anteilen angestrebt wird. Es wird empfohlen, den
Nachweis relativ zur möglichen Ist-Einspeisung durchzuführen. Die mögliche IstEinspeisung entspricht der Leistung des Windparks, wenn dieser nicht abgeregelt
worden wäre. Die bereitgestellte negative Regelleistung entspricht dann der Differenz aus der möglichen Ist-Einspeisung und der realen Einspeisung. Des Weiteren
muss festgelegt werden, wie die Angebotsabgabe von Windkraft- und PV-Anlagen
ausgestaltet sein kann. Diese könnte beispielsweise auf probabilistischen Prognosen basieren, mit denen die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten einer Leistung bestimmt werden kann.
Weiterhin werden im Folgenden verschiedene Maßnahmen empfohlen, die mehr
Akteuren den Marktzutritt erlauben und dadurch den Wettbewerb erhöhen. Bei der
Primärregelleistung sollte die symmetrische Gebotsabgabe aufgehoben werden,
sodass getrennte Gebote für positive und negative Primärregelleistung abgegeben
werden können. Dies ermöglicht mehr Akteuren den Marktzutritt. Weiterhin sollten
die Vorlaufzeiten bei allen Regelleistungsarten auf einen Tag und die Produktlänge
der Regelenergie auf Zeitscheiben von einer Stunde gekürzt werden. Zugleich sollte
207
ein Arbeitspreismarkt mit kurzen Vorlaufzeiten (circa 45 Minuten) eingerichtet werden. Die Transparenz an den Regelenergiemärkten ist deutlich zu erhöhen. Neuen
Marktteilnehmern muss zur Prüfung der Geschäftsmodelle und zur Angebotsabgabe
der unkomplizierte und automatisierbare Zugang zu allen benötigten Daten ermöglicht werden. Dazu zählt die Bereitstellung von niedrigsten, mittleren und höchsten
Leistungs- und Arbeitspreisen auf aktuellem Stand, auch als Historie als csvdownload.
[Empfohlen von: in.power, Fraunhofer IWES, CUBE Engineering, RKWH]
7.1.5 Weitere Marktbereiche
Empfehlung: Die EEG-Umlagenbefreiung für priviligierte Letztverbraucher von 10
Mio. auf 1 Mio. kWh/a sollte rückgängig gemacht werden. Sie sollte zudem nur
dann greifen, wenn von den Begünstigten zumutbare Energieeffizienzmaßnahmen
umgesetzt werden.
Begründung: Im Rahmen der EEG-Umlagenwälzung sind Letztverbraucher ab einem
Verbrauch von 1 Mio. kWh/a, gestaffelt in drei Schritten (1 - 10; 10 - 100; >100
Mio. kWh/a), anteilig von der EEG-Umlage befreit. Die im Rahmen des EEG 2012
pauschal eingeführte Absenkung der Untergrenze von 10 auf 1 Mio. kWh/a sollte
rückgängig gemacht und ggf. – sofern mit geringem Aufwand umsetzbar – durch
eine branchenspezifische Umlagebefreiung ersetzt werden, die sich am tatsächlichen Bedarf der jeweiligen Branche im Rahmen des internationalen Wettbewerbs
orientiert. Dies hätte eine direkte Absenkung der EEG-Umlage zur Folge. Die EEGUmlagebefreiung für privilegierte Letztverbraucher sollte zudem nur dann greifen,
wenn wirtschaftlich zumutbare Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt werden.
Neben baulichen/technologischen Maßnahmen ist dabei auch das Potenzial zur
Lastverlagerung bzw. die Teilnahme am Regelenergiemarkt zu berücksichtigen. Der
daraus resultierende positive Systembeitrag würde folglich durch die Befreiung der
EEG-Umlage belohnt werden.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES ]
7.1.6 Biogasanlagen
Empfehlung: Erhöhung der Feuerungsleistung bei privilegierten Biogasanlagen
im Außenbereich
Begründung: Durch die BauGB-Novelle wurde bereits die zugelassene installierte
Anlagenfeuerungswärmeleistung von privilegierten Biogasanlagen im Außenbereich
auf 2.000 kW Feuerungswärmeleistung erhöht (§ 35 (1) 6.d. BauGB). Dies entspricht
in etwa einer elektrischen Leistung von 800 kW. Mit dieser Erhöhung ist allerdings
208
nicht eine Erhöhung der produzierten Strommenge verbunden, diese bleibt aufgrund der festgelegten maximal zulässigen Biogasmengen im Jahr von 2,3 Mio. m³
Biogas/a am privilegierten Standort bei einer elektrischen Bemessungsleistung von
ca. 500 kW/a.
Die verbleibende elektrische Zusatzleistung von ca. 300 kW definiert die maximale
Flexibilisierung der Anlage. Das EEG 2012 will deutlich höhere installierte Leistungen im Vergleich zur Bemessungsleistung anreizen. Im Ergebnis kann die im EEG
2012 erwünschte Flexibilisierung in den meisten privilegiert genehmigten Anlagen
nicht vollständig umgesetzt werden. Durch den Wegfall dieses Limits könnten BHKW
in frei gewählter Größe installiert werden, ohne dass die jährlich produzierte Biogasmenge wächst. Die politisch erwünschte Limitierung der Biogasproduktion an
einem privilegierten Standort kann über die Bemessungsleistung, über die Begrenzung der Fermentervolumina oder sonstige Regelungen des Baurechts zielgerichtet
erfolgen.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES]
Empfehlung: Erhöhung der Kapazitätskomponente verbunden mit Effizienzanforderungen für Anlagen mit einer hohen Wärmenutzung
Begründung: Bei der derzeitigen Regelung der Flexibiltätsprämie für Anlagen, die
Biogas zur Stromproduktion nutzen, ist die Nutzung der gleichzeitig produzierten
Wärme nicht vorgeschrieben. Dementsprechend werden über die Flexibilitätsprämie
eine Erweiterung des Gasspeichers sowie die Erweiterung der Erzeugungskapazität
angereizt. Im Regelfall wird es nicht wirtschaftlich sein, in große Wärmespeicher zu
investieren, um bei bedarfsorientierter Betriebsweise eine gleichzeitige Versorgung
von Wärmesenken sicherzustellen. Es gilt zu beobachten, inwieweit sich die Regelung für die Förderung der Wärmespeicher im Rahmen des KWK-G (Novelle 2012)
auswirkt. Es ist zu erwarten, dass die technischen Anforderungen für die Betreiber
so hoch sind, dass es eine weitere Unterstützung für die Wärmenutzung geben sollte. Dies wäre mit einer Erhöhung der Kapazitätskomponente verbunden und mit
Effizienzanforderungen für Anlagen mit einer hohen Wärmenutzung erreichbar.
Betreiber von Biogasanlagen, die diesen Weg gehen, erhöhen die Treibhausgasminderung pro eingesetzter Tonne Biomasse, was umweltpolitisch sehr zu begrüßen ist.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES ]
Empfehlung: Für die bedarfsorientierte Stromproduktion muss eine Klarstellung
des Anlagenbegriffs im EEG erfolgen
209
Begründung: Das EEG 2012 und dessen neue Regelungen zur Direktvermarktung
greifen zum Teil auf alte und neue Regelungen zum Anlagenbegriff zurück. Der Anlagenbegriff ist für die Ermittlung der Vergütungshöhe von entscheidender Bedeutung. Die aktuellen Diskussionen zeigen, dass es hier erhebliche Unklarheiten gibt,
in welcher Höhe der Strom aus bestimmten Anlagenkonzepten (z.B. bei einer Bestandsanlage, die mit neuen BHKW flexibel Strom erzeugen möchte) vergütet wird.
Aus Sicht der Forschungsnehmer sollte insbesondere für die bedarfsorientierte
Stromproduktion, die regelmäßig mit rechtlichen Unklarheiten beim Anlagenbegriff
konfrontiert ist, eine Klarstellung erfolgen.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, Fraunhofer IWES]
Empfehlung: Einführung einer regelmäßigen Prüfung, ob trotz der erfolgten Degression der Managementprämie Stromhändler die Direktvermarktung auf Biogasanlagen anwenden.
Begründung: Für steuerbare Anlagen wird die Managementprämie von 3 €/MWh im
Jahr 2012 auf 2,25 €/MWh im Jahr 2015 abgeschmolzen. Es gilt zu beobachten, ob
es kleinen bis mittleren Stromhandelsunternehmen gelingen wird, die Kosten in
dieser Zeit in diesem Maße zu reduzieren, oder ob die Reduzierung für diese Unternehmen geringer ausfallen muss. Eine derartige Degression unterstellt, dass ein
Unternehmen innerhalb weniger Jahre ein sehr großes Portfolio aufbauen kann,
was möglicherweise für neue, v.a. mittelständische Akteure auf diesem Markt wesentlich schwieriger ist als für etablierte Stromhändler. Darüber hinaus ist wiederum die für die Poolbildung zur Verfügung stehende Anzahl von Anlagenbetreiber/innen, die den produzierten EE-Strom direktvermarkten, stark von den erzielbaren Erlösen abhängig.
[Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES]
7.2 Ausblick
Die E-Energy-Initiative ist angetreten, um die Entwicklung von technischen und
wirtschaftlichen Lösungen für das Energiesystem der Zukunft zu fördern. Der
Schwerpunkt lag dabei auf der Rolle der IKT im Energiesystem, ein Bereich der heute allgemein als „Smart Grid“ bezeichnet wird. Obwohl in den E-Energy-Projekten
eine Reihe an Ergebnissen produziert und an Erkenntnissen gewonnen wurde,
können bei weitem nicht alle Fragen beantwortet werden, die die Umgestaltung
des Energiesystems aufwirft. Es ist daher eine wichtige Aufgabe der Projekte, eine
Orientierung zu bieten, wie die weitere Entwicklung aussehen kann. Damit kann
die notwendige Forschung gezielter angegangen werden.
210
Im Projekt wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten untersucht, um Flexibilitäten im
Energiesystem zu erschließen und dadurch vor allem die zunehmende Einspeisung
aus Wind- und Solarenergie zu integrieren. Diese Möglichkeiten liegen in der Beeinflussung des Lastverhaltens von Speichern, Verbrauchern und Erzeugern in den
Bereichen Elektrizität, Wärme und Mobilität. Darüber hinaus kann auch das Netz
durch eine verbesserte Betriebsführung, aufbauend auf einer Netzbeobachtung,
besser ausgenutzt werden. Forschungsbedarf besteht hierbei vor allem in zwei Bereichen. Wie kann die Interaktion zwischen diesen Flexibilisierungsmöglichkeiten
ausgestaltet sein und welche Flexibilisierungsmöglichkeiten sollten in welchem
Umfang erschlossen werden. Beide Fragestellungen sind hinsichtlich einer Optimierung des Gesamtsystems in Hinblick auf das energiepolitische Dreieck zu bearbeiten. Im Projekt RegModHarz wurden diese Fragestellungen untersucht und es wurden technische Lösungen entwickelt. Unsicherheiten bestehen weiterhin in den
Chancen der Technologien unter den Rahmenbedingungen der Märkte und Regulierung. Im Folgenden wird der weitere Forschungsbedarf für einzelne Maßnahmen
zur Erschließung von Flexibilitäten im Energiesystem beschrieben.
Virtuelle Kraftwerke
Im Projekt wurde ein virtuelles Kraftwerk entwickelt und erfolgreich getestet. Virtuelle Kraftwerke sind ein Instrument zur Markt- und Systemintegration dezentraler
Anlagen, wodurch sich diese marktkonform verhalten und dadurch auch zum Ausgleich der fluktuierenden Erzeuger beitragen. Daher ist eine vermehrte Nutzung
virtueller Kraftwerke wünschenswert. Weiterer Forschungsbedarf besteht hierbei in
den folgenden Punkten:

Standardisierung und Automatisierung der Vermarktung und Steuerung der
Anlagen für eine möglichst breite Palette von Anwendungsfällen. Das gilt
neben den Schnittstellen für die Anlagen auch für die Anbindung von Märkten und Prognosediensten (z. B. Wind-/Solarstromerzeugung, Preise, Wärmebedarf). Die Standards müssen den vollständigen Geschäftsprozessen genügen und offen sein für zukünftige Stromprodukte.

Identifizierung von regulatorischen und technischen Lösungen, um den
Ausbau virtueller Kraftwerke weiter voranzutreiben. Hierzu wurden bereits
Arbeiten in RegModHarz durchgeführt, die jedoch weiter geführt werden
sollten.

Bei der technischen Weiterentwicklung von virtuellen Kraftwerken müssen
die Sicherheit, die Zuverlässigkeit gegen Ausfälle einzelner Komponenten
(Anlagen, Kommunikation, Prognosen etc.) und die Skalierbarkeit im Vordergrund stehen. Im Zusammenhang der Skalierbarkeit sind auch Aggregati211
onsverfahren und Optimierungsverfahren weiter zu erforschen, insbesondere für komplexe Systeme mit einer großen Anzahl von Anlagen.

Verbesserung der Prognosen (Wärmelast, Preise, Last, Erzeugung) für eine
genauere Einsatzplanung. Hierbei ist es auch wichtig, Prognosen mit einem
möglichst langen Prognosehorizont zu haben, um z.B. die Biogaserzeugung
und die Speicherkapazitäten besser betreiben zu können.
Marktplattform
Das Kapitel 3.4 beschreibt die Konzeption und technische Umsetzung einer interaktiven, webbasierten Marktplattform. Diese ermöglicht unter anderem den Zugang
zu Transparenzinformationen zur Stromversorgung in der Modellregion und zu einem personalisierten Bereich für die BEMI-Feldtestkunden. Für Haushaltskunden
sollte zukünftig die Möglichkeit geschaffen werden, eine automatisierte Analyse des
Verbrauchs durchzuführen, um Effizienzpotenziale zu erkennen.
Die Marktplattform sollte weiterhin so weiterentwickelt werden, dass über sie
Dienstleistungen entwickelt und in Anspruch genommen werden können. Dabei
handelt es sich um Dienstleistungen, die vor allem den Betreibern kleinerer Anlagen die eigenständige Steuerung ihrer Anlagen ermöglichen, da sich diese oftmals
nicht über ein virtuelles Kraftwerk oder einen Händler steuern lassen wollen. Hierfür werden dezentrale Erzeugungsmanagementlösungen zur Einsatzoptimierung
benötigt, die kostengünstig und standardisiert an den verschiedenen Anlagen integriert werden können. Diese dezentralen Erzeugungsmanagementlösungen, die
wiederum in ein Pool von mehreren in ein virtuelles Kraftwerk verbunden werden
können, bedarf es weiter zu entwickeln und praktische Beispiele umzusetzen.
Dezentrale Energiesysteme
Die Interaktion dezentraler Energiesysteme mit dem Gesamtsystem muss weiterhin
intensiv erforscht werden. Dabei müssen die energiepolitischen Ziele berücksichtigt
werden, die bislang keinen Anhaltspunkt für die zukünftige Entwicklung von Städten, Regionen und Bundesländern liefern.
Die Auswertungen zu den Potenzialen für erneuerbare Energien haben gezeigt, dass
im Landkreis Harz mehr elektrische Energie erzeugt werden kann, als verbraucht
wird, wodurch der Landkreis Harz zum Exporteur erneuerbarer elektrischer Energie
werden kann. Ein Export elektrischer Energie ist auch wünschenswert, da sich Ballungsgebiete, im Gegensatz zu einer ländlichen Region wie dem Landkreis Harz,
nicht so einfach mit regional erzeugter erneuerbarer Energie versorgen können. Soll
der Landkreis Exporteur werden, ist hierfür jedoch u.a. ein Ausbau der elektrischen
212
Netze zu anderen Regionen notwendig. Diese Netzausbaukosten könnten durch ein
regionales Energiemanagement reduziert werden. Mit regionalem Energiemanagement ist die gezielte Beeinflussung des Leistungsverhaltens von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern im Landkreis Harz gemeint. Untersuchungen im Projekt
zeigten, dass ein regionales Energiemanagement zur Reduktion von Last- und
Rückspeisespitzen an der Koppelstelle zum Übertragungsnetz führt, was langfristig
zu einer wesentlichen Einsparung beim Netzausbau zur Folge hat. Insbesondere für
einen Planungshorizont über 2020 hinaus, mit sehr hoher Erzeugung in der Modellregion, wird diese Möglichkeit relevant. Es muss jedoch weiterhin erforscht
werden, ob dadurch tatsächlich Kosten für den Ausbau und Betrieb der elektrischen
Netze gespart werden können und welche Nachteile ggf. dem gegenüberstehen.
Dabei genügt nicht nur die Betrachtung einer einzelnen Modellregion. Die Möglichkeiten, die sich durch regionales Energiemanagement ergeben, müssen insgesamt
mit einer bundesweiten Netzausbaustrategie betrachtet werden.
Für die Umsetzung von dezentralen Versorgungsmodellen müssen alle Energiesektoren gleichermaßen berücksichtigt werden. Der Schwerpunkt des Projekts lag zunächst auf der Stromversorgung. Es wurden die Schnittstellen zur Wärmeversorgung
(KWK-Anlagen, Wärmepumpen, Brennstoffzellen), zum Gasnetz (KWK-Anlagen,
Brennstoffzellen, Power-to-Gas-Anlagen) und zur Mobilität (E-Kfz) betrachtet. Um
das Flexibilitätspotenzial, das sich aus der Kombination dieser vier Schnittstellen
ergibt, zu erforschen und später zu nutzen, müssen die Energiesektoren und -netze
als gekoppeltes System ganzheitlich betrachtet werden. Dabei muss die technische
Entwicklung und die Marktdurchdringung verschiedener Techniken ebenso berücksichtigt werden, wie bei den erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung. Modelle
müssen entwickelt werden, die solche Untersuchungen bewältigen können oder
eine gute Näherung abbilden. Ziel der Untersuchung wären dabei u. a. die Ermittlung der Auslegung solcher dezentraler Energiesysteme einschließlich notwendiger
Speicherkapazitäten, die Auswirkungen und das Potenzial von E-Kfz für das Lastmanagement und als Speicher und das Potenzial der Erzeugung und der Nutzung
von gasförmigen und flüssigen synthetischen Energieträgern (z. B. aus Elektrolyse,
Power-to-Gas, Power-to-Liquid) im Wärme- und Verkehrssektor.
Speicher
Im Projekt RegModHarz wurde gezeigt, dass Speichertechnologien einen Beitrag zur
Integration und Vermarktung der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie, leisten können. Der Marktzugang für neue Technologien stellt sich unter
heutigen Bedingungen nicht wirtschaftlich attraktiv dar. Mit den sehr hohen Antei-
213
len an erneuerbaren Energien in einem ländlichen Raum stellt sich zunehmend die
Frage nach dezentralen Versorgungskonzepten, die die Netze entlasten und die
Speicherung beinhalten. Die Rahmenbedingungen für solche Geschäftsmodelle und
somit auch für Speicher im dezentralen Zusammenhang sind noch nicht gegeben.
Lastmanagement
Im Kapitel 5.1 wurden verschiedene Aspekte der Versorgung der Feldtesthaushalte
mit einem zeitdynamischen Stromtarif aus erneuerbaren Energien und entsprechender Lastverschiebung untersucht. Weiterer Forschungsbedarf liegt in der
Op-
timierung des technischen Systems und der Tarifgestaltung. Auf Seiten des technischen Systems besteht Bedarf bei der Weiterentwicklung der Kommunikation sowohl zwischen den Endgeräten und der Haushaltsschnittstelle (BEMI) als auch zwischen der Haushaltsschnittstelle und dem Versorger. Dabei müssen vor allem die
Zuverlässigkeit und die Bedienbarkeit im Vordergrund stehen. Es müssen weitere
Erfahrungen mit dynamischen Tarifen gemacht werden, um mit noch zu entwickelnden Prognosen Flexibilitätsprodukte für die Lastverschiebung anbieten und
diese Lastverschiebung gezielter steuern zu können. Es können dann mit noch zu
entwickelnden Prognosen für die Lastverschiebung Flexibilitätsprodukte angeboten
werden. Für das Gewerbe, den öffentlichen Bereich und die Industrie sind die Lastflexibilisierungspotenziale zu untersuchen und ggf. geeignete Anreize und Techniken zu deren Erschließung zu entwickeln.
Netze
Es konnte mit Simulationen gezeigt werden, dass steigende Leistungen erneuerbarer Erzeugungseinheiten im untersuchten Verteilungsnetz mit dem Anstieg der
Nichtverfügbarkeit verbunden sind, wenn keine Maßnahmen zur Flexibilisierung im
Landkreis Harz ergriffen werden. Dadurch ergibt sich die Motivation zur weiteren
Nutzung der geschaffenen PMU-Messinfrastruktur für die Beobachtbarkeit des Verteilungsnetzes zum Zweck der Wahrung der Versorgungssicherheit. Hierfür werden
Algorithmen zur sicheren und zuverlässigen Führung sowie zum Schutz von zukünftigen Verteilungsnetzen benötigt. Zu diesem Zweck ist die Implementierung und
versuchsweise
Integration
eines
synchronen
Verteilnetz-Überwachung-und-
Management-Systems (S-VÜMS) erforderlich. Dieses beinhaltet ein Monitoring zur
Beobachtung des Netzzustandes, wodurch das Netz besser ausgenutzt werden
kann, u.a. für die Integration der erneuerbaren Energien.
Darüber hinaus gewinnen Systemdienstleistungen innerhalb der Verteilungsnetze
an Bedeutung. Die Erbringung der Serviceleistungen wird zukünftig sowohl inner-
214
halb des Verteilnetzes als auch für das übergelagerte Übertragungsnetz erwartet
und bedarf einer Konzeption und Erprobung. Daneben muss auch untersucht werden, wie verschiedene Flexibilisierungsmöglichkeiten (Lastmanagement in Haushalten, Speicher, gesteuertes Laden von E-Kfz, KWK etc.) den Netzbetrieb des Verteilungsnetzes unterstützen können.
Grünstromprodukte
In diesem Projekt wurden mögliche Geschäftsmodelle für Grünstromprodukte analysiert. Dabei zeigte sich, dass derzeit die Möglichkeiten für umsetzbare Modelle zur
Vermarktung von Grünstromprodukten stark eingeschränkt sind und dass hier kein
planbarer Rahmen für Energieversorger besteht. Daher besteht hier weiterer Forschungsbedarf. Dies gilt auch für die Fragestellung, in wie weit Versorgungsmodelle
auf Basis erneuerbarer Energien mit handelbaren Grünstromprodukten abgesichert
werden können.
Akzeptanz
Wie sich in Zusammenhang mit dem begleitenden SEC-Projekt gezeigt hat, ist die
Akzeptanz der Bevölkerung ein wesentlicher Treiber bzw. die fehlende Akzeptanz
eine Blockade für die Umsetzung der Energiewende. Die für die Energiewende notwendigen Installationen von neuen Anlagen und Netzen benötigen lokal die Akzeptanz der Bevölkerung. Sowohl die direkte wirtschaftliche Beteiligung der Bevölkerung und der lokalen Energieversorger an diesen Installationen, als auch die direkte eigene Nutzung der Stromerzeugung in den Regionen erhöhen die Akzeptanz
und tragen zu einer höheren regionalen Wertschöpfung bei. Die zukünftige Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien wird daher zunehmend dezentrale
Versorgungsstrukturen aufweisen. Für diese Transformation des Energiesystems und
damit auch der Marktbedingungen besteht weiterhin Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Das betrifft sowohl die Umsetzung von dezentralen Versorgungsmodellen als auch die Interaktion mit dem Gesamtsystem.
215
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Winkler, T.; Kroitzsch, J.: Intelligentes Batteriemanagementsystem für Elektrofahrzeuge. In: 5./6. IFF-Kolloquium, November 2008, Magdeburg
225
Abschlussarbeiten
Alm, V.: „Implementierung eines Network Security Management Systems in das
Netzmodell eines Verteilnetzes mit hohem Anteil regenerativer Erzeugung“; Diplomarbeit, 2012
Bouyraaman, Y. (2011): Analysis of the international control energy markets in
terms of the integration of renewable energy. Masterarbeit an der Uni Kassel.
Brudler, M. (2011): Reduzierung der residualen Last der Regenerativen Modellregion Harz durch einen netzgeführten Betrieb - Bestimmung optimaler Größen für
Wärmespeicher. Masterarbeit an der Universität Kassel und der CUBE Engineering
GmbH.
Direkvuttikul, K. (2010): Entwicklung eines Algorithmus zur Berechnung eines Regelleistungsangebots durch ein Virtuelles Kraftwerk. Master Thesis University Kassel.
Franz, O. (2010): Konzeptentwicklung für eine Benutzerschnittstelle zur Integration
von Elektrofahrzeugen in ein Energiesystem mit hohem Anteil erneuerbarer Energien. Masterarbeit an der Universität Kassel und am Fraunhofer IWES.
Gegelman, W.: "Phasor Measurement Unit basierte Monitoring-Applikation für Virtuelle Kraftwerke“; Masterarbeit, 2010
Härtel, P.: Speichermodellierung einer Vanadium Redox Flow Batterie und einer
Power-to-Gas-Anlage für die Einsatzoptimierung im Rahmen virtueller Kraftwerke,
Masterarbeit am Karlsruher Institut für Technologie und Fraunhofer IWES, 2012
Hennig, M.: „Zuverlässigkeitsanalyse in elektrischen Verteilungsnetzen mit einem
hohen Anteil regenerativer Erzeugung“; Diplomarbeit, 2011
Hettrich, A. (2012): Bürgerbeteiligung an Windenergieanlagen. Ein Vergleich unternehmerischer Beteiligungsmodelle. Bachelorarbeit an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der CUBE Engineering GmbH.
Jansen, M.: Bewertung von Mechanismen zur Bepreisung von Ausgleichsenergie
hinsichtlich der Systemintegration von Windenergie. Masterarbeit an der Universität
Flensburg und am Fraunhofer IWES.
Kraus, K. (2012): Auswertung zum windinduzierten Regelleistugnsbedarf bei Selbstausregelung von Bilanzkreisen mit Windparks und Speichern. Diplomarbeit am
Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
226
Kriegel, A.: „Analyse des Einsatzes von Freileitungs-Monitoring in Verteilungsnetzen
mit hohem Anteil an regenerativer Erzeugung“; Diplomarbeit, 2011
Kuhlgatz, S.: „Modellbildung eines HS/MS-Testsystems mit dezentralen Erzeugern
und Analyse ausgewählter Planungsszenarien“; Diplomarbeit, 2010
Kühne, M.: „Entwicklung einer Offline- und Online-Monitoringapplikation für Phasor Measurement Units“; Diplomarbeit, 2012
Liebelt, A. (2011): Konzeptentwicklung und Entwurf einer Leitwarte für das virtuelle
Kraftwerk der regenerativen Modellregion im Harz. Masterarbeit an der Universität
Kassel.
Megersa, G. (2012): Simulation und energiewirtschaftliche Potenzialanalyse für
Stromspeicher sowie für den Einsatz von flexiblen Energieanlagen – Für eine
Stromversorgung mit 100% regenerativen Energien im Landkreis Harz, Masterarbeit
an der Universität Kassel und der CUBE Engineering GmbH.
Oesterdiekhoff, A.: Treibhausgasbilanz von regenerativ erzeugtem Strom aus einem
virtuellen Kraftwerk. Diplomarbeit an der Universität Flensburg, 2010
Schwick, S. (2011): Erstellung eines neuen Konzepts zum Beladen von Akkumulatoren in Elektro-Kraftfahrzeugen aus dem deutschen Niederspannungsnetz. Masterarbeit an der HTW Berlin.
Schwinn, R. (2011): Vorschläge zur Anpassung der deutschen Regelleistungsmärkte
zur verbesserten Teilnahme Erneuerbarer Energien. Masterarbeit an der Uni Kassel.
Senkpiel, S. (2011): Entwicklung von Algorithmen zur Berechnung von Ladezeitpunkten von Elektrofahrzeugen. Masterarbeit an der Universität Flensburg und am
Fraunhofer IWES.
Stephan, K.-L.: „Netzsimulation von Verteilnetzen mit hohem Durchdringungsgrad
erneuerbarer Energien“; Masterarbeit, 2012
Yan, W.: Netzintegration von Photovoltaik in Niederspannungsnetzen, Diplomarbeit
an der TU Darmstadt und dem Fraunhofer IWES, 2010
Zilles, D. (2009): Bereitstellung von Minutenreserve durch einen E-Kfz-Pool. Masterarbeit an der Uni Kassel.
227
Anhang zu Leitszenarien
Tabelle 33: Technisches Potenzial in der Modellregion und Flächenskalierung nach UBAStudie
228
Leitszenario
Szenario
1
Szenario
2
2008
2020
Szenario 3 (100%-EE )
20XX
Jahr
Teilszenario A
Wind
PV
Wasser
Biogas/masse
Teilszenario B
151 MW
248 MW
630 MW
630 MW
10 MW
90 MW
708 MW
708 MW
7 MW
9 MW
9 MW
9 MW
10 MW
26 MW flexibilisierte
(verdoppelte) Erzeugungsleistung aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit
Verstromung vor Ort
(Volllaststundenzahl von
20 MW
ca. 4.350 h/a)
177 MW KWK-Leistung
für Betrieb mit Biomethan aus Gasnetz
(Volllaststundenzahl von
ca. 4.000 h/a)
Fossiles/EE
Methan
14 MW
(fossil)
23 MW
(fossil) -
26 MW flexibilisierte
(verdoppelte) Erzeugungsleistung aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit
Verstromung vor Ort
(Volllaststundenzahl von
ca. 4.350 h/a)
155 MW KWK-Leistung
für Betrieb mit Biomethan aus Gasnetz (Volllaststundenzahl von
2.700 h/a )
336 MW (EE-Methan
denn bei einer erforderlichen KWK-Leistung von
491 MW in der Modellregion und einem Biogas/-masse Potenzial
von 155 MW muss der
Rest durch EE Methan
bereitgestellt werden)
Tabelle 34: Installierte Leistung des Kraftwerksparks für die untersuchten Szenarien
229
Leitszenario
Szenario
1
Szenario
2
2008
2020
Szenario 3 (100%-EE )
20XX
Jahr
Teilszenario A
Wind
Teilszenario B
311 GWh
620 GWh
1.404 GWh
1.404 GWh
PV
10 GWh
97 GWh
671 GWh
671 GWh
Wasser
22 GWh
29 GWh
27 GWh
27 GWh
Biogas/masse
Fossiles/EE
Methan
41 GWh
84 GWh
(fossil)
99 GWh
113 GWh aus Anlagen
kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit Verstromung vor Ort
113 GWh aus Anlagen
kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit Verstromung vor Ort
704 GWh aus KWK für
Betrieb mit Biomethan
aus Gasnetz davon 418
GWh aus der Modellregion (Begrenzung durch
Biomassepotenziale)
418 GWh aus KWK für
Betrieb mit Biomethan
aus Gasnetz
(Begrenzung durch Biomassepotenziale)
108 GWh
(fossil)
-
1.030 GWh aus KWK für
Betrieb mit EE-Methan
aus Gasnetz
Tabelle 35 Erzeugte Strommenge des Kraftwerkspark für die untersuchten Szenarien
Tabelle 36: Annahmen zum Wärmebedarf und Bevölkerungszahl in den untersuchten Szenarien
230
Abbildung 98: Ergebnisübersicht der Folgetagsprognose der Windeinspeisung für den Landkreis Harz.
231
Abbildung 99: Ergebnisübersicht der Kurzfristprognosemit einer Stunde Prognosehorizont der
Windeinspeisung für den Landkreis Harz.
232
Bastian Bohm
[email protected]
Silja Bilz
[email protected]
Wolfgang Bogenrieder
[email protected]
Dirk Filzek
Lars Nicklaus
[email protected]
[email protected]
Peter Ritter
Christina Volkert
[email protected]
[email protected]
Thomas Hunecke
[email protected]
Antje Klimek
[email protected]
André Bruschek
[email protected]
Hans-Joachim Nehrkorn
[email protected]
Martin Schneider
[email protected]
Bodo Weinhold
[email protected]
233
Steffen Brauns
[email protected]
Stephan Funke
[email protected]
Katharina Henke
[email protected]
Mareike Jentsch
[email protected]
Patrick Hochloff
[email protected]
Andreas Liebelt
[email protected]
Manuel Wickert
[email protected]
Katharina Lesch
[email protected]
Dr. Kurt Rohrig
[email protected]
Thomas Stetz
[email protected]
Florian Schlögl
[email protected]
Karolin Jäger
Markus Speckmann
[email protected]
[email protected]
Wolfgang Slaby
[email protected]
Uwe Holzhammer
[email protected]
Dirk Kirchner
[email protected]
234
Fritz Schmidt
[email protected]
Dr. Przemyslaw Komarnicki
[email protected]
Dr. Thoralf Winkler
[email protected]
Dr. Hui Guo
[email protected]
Bartlomiej Arendarski
[email protected]
Christoph Wenge
[email protected]
Bodo Himpel
[email protected]
Ralph Lautenschläger
[email protected]
Dr. Michael Ermrich
[email protected]
Martin Skiebe
[email protected]
235
Dr. John Sievers
[email protected]
Matthias Roth
[email protected]
Katrin Oldenbourg
[email protected]
Christoph Morschett
[email protected]
Josef Werum
[email protected]
Jörg Krebs
[email protected]
Evelyn Stolze
[email protected]
236
Heinrich Bartelt
[email protected]
Ulrich Narup
[email protected]
Ralf Voigt
[email protected]
Martin Winter
[email protected]
Dr. Jörg Heuer
[email protected]
Jürgen Götz
[email protected]
Dr. Chris Oliver Heyde
[email protected]
Peter Brewig
[email protected]
Michael Wölfer
[email protected]
237
Steffen Meinecke
[email protected]
Detlef Nehrkorn
[email protected]
Ines Hauer
[email protected]
Christian Röhrig
[email protected]
Prof. Dr. Zbigniew A.Styczynski
[email protected]
Paul Bernstein
[email protected]
Dr. Krzysztof Rudion
[email protected]
Dr. Michal Powalko
[email protected]
Dr. Günter Heideck
[email protected]
Dr. Martin Stötzer
[email protected]
Dr. Cuong Nguyen Mau
[email protected]
238
Anna Schütte
[email protected]
Prof. Dr. Petra Schweizer-Ries
[email protected]
Amelie Fechner
[email protected]
Rona Größler
[email protected]
Karen Biesgen
[email protected]
Julia Steinhorst
239
Projektkoordinator:
Fraunhofer-Institut für
Windenergie und Energiesystemtechnik IWES
Konsortialpartner:
Fraunhofer IWES | Kassel
Königstor 59
34119 Kassel
Tel.: 0561 7294-0
Fax: 0561 7294-100
Fraunhofer IWES | Bremerhaven
Am Seedeich 45
27572 Bremerhaven
Tel.: 0471 902629-0
Fax: 0471 902629-19
[email protected]
www.iwes.fraunhofer.de
Assoziierte Partner: