Presseheft - Relevant Film

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Presseheft - Relevant Film
Mittwoch, 28. März 2012, 20.15 Uhr
Halbe Hundert
2 | Halbe Hundert
Halbe Hundert
Eine Komödie über drei starke Frauen um die 50, deren Alter in der Geburtsurkunde
so gar nicht zu ihrem Lebensgefühl passen will
4 Silke Zertz (Autorin) im Gespräch
5 Die Geschichte
6 Martina Gedeck im Gespräch
8 Johanna Gastdorf im Gespräch
10 Leslie Malton im Gespräch
12 Torben Liebrecht im Gespräch
Besetzung
Stab
Anne Kater
Charlotte Merian
Fiona Gutzeit
»Josh« Martin Hofer
Olga Malik
Sabine Brotschneider
Sophie Kater
Klaus Kater
Martina Gedeck
Johanna Gastdorf
Leslie Malton
Torben Liebrecht
Katrin Bauerfeind
Victoria Trauttmansdorff
Michelle Barthel
Michael Wittenborn
Regie
Drehbuch
Kamera
Schnitt
Szenenbild
Kostümbild
Ton
Maske
Herstellungsleitung
Produzentin
Redaktion
Matthias Tiefenbacher
Silke Zertz
Klaus Merkel
Dora Vajda
Ruth Barbara Wilbert
Anne Jendritzko
Andreas Wölkl
Markus Scharping, Simone Rademacher
Jan Philipp Lange
Heike Wiehle-Timm, Relevant Film
Nina Klamroth, WDR Köln
Halbe Hundert | 3
Nina Klamroth (WDR Redakteurin)
Heike Wiehle-Timm (Produzentin)
Leichtigkeit und Tiefe
Emotional klug und schonungslos
Schon nach der Lektüre des Treatmets war mir klar, dass es
Silke Zertz gelungen ist, einen Film zu schreiben, der schlicht und
ergreifend zwingend ist.
Zwingend deshalb, weil ich die Erkenntnis, dass man auch mit
fünfzig das Leben noch nicht vollständig durchschaut haben muss,
und dass trotz eines halben Jahrhunderts an Lebenserfahrung
immer mal wieder Unordnung herrschen darf, sehr tröstlich finde.
Die Protagonistinnen Anne (Martina Gedeck), Fiona (Leslie Malton)
und Charlotte (Johanna Gastdorf) haben sich ihren Platz im
Leben zwar hart erarbeitet, aber sie verfügen im entscheidenden
Moment sehr wohl über den Mut, alles in Frage zu stellen.
Die einfühlsame Regie von Matthias Tiefenbacher und die durchlässige Kamera von Klaus Merkel belassen den Figuren bei ihrer
Reise sowohl ihre Leichtigkeit, als auch ihre Tiefe.
Eine Geschichte, die überrascht, berührt, deren Entwicklung man
›auf den Leim‹ geht ist für mich als Produzentin selten. All dies
ist Silke Zertz mit ›Halbe Hundert‹ gelungen. Mich hat dabei
immer die Energie und das Vermögen von Frauen um die Fünfzig
interessiert, die in Krisensituationen auf ihre persönlichen und
sozialen Ressourcen zurück greifen und dies zum Anlass für ihre
Weiterentwicklung nehmen. Sie sind emotional klug, freundschaftlich vernetzt und schonungslos in ihrer Lebensbilanz. Die Fähigkeit,
sich aus jeder beliebigen Lebenslage wieder aufzurichten und dabei den Humor nicht zu verlieren macht die Kraft der Figuren aus.
Die Zusammenarbeit mit der großartigen Autorin Silke Zertz
und der wunderbaren Redakteurin Nina Klamroth war von Beginn
der Buchentwicklung an ein Vergnügen. Die Freude setzte sich fort,
weil Matthias Tiefenbacher mit den kongenialen SchauspielerInnen Martina Gedeck, Johanna Gastorf, Leslie Malton und Torben
Liebrecht einerseits die Tiefe der Geschichte ausgelotet hat, ohne
deren Leichtigkeit zu verlieren. Wer Frauen dieser Generation in all
ihrer Ambivalenz kennenlernen will, sollte sich ›Halbe Hundert‹
anschauen. Das Vergnügen, diesen Stoff produziert zu haben ist
hoffentlich auch das Vergnügen des Zuschauers.
Matthias Tiefenbacher (Regie)
Silke Zertz (Drehbuch)
Persönliches: 1962 in Heidelberg geboren, Studium der Philosophie, Rechtswissenschaften sowie Theater und Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Studium an
der Hochschule der Künste Berlin in den Bereichen Schauspiel
und Visuelle Medien. Regieassistent am Schauspiel Bonn und
den Städtischen Bühnen Frankfurt/Main.
Film/Fernsehen: »Die Schönste aus Bitterfeld« (2003), »Die
Albertis« (2003), »Oh Tannenbaum« (2006), »Ein starkes Team –
Die Schöne am Beckenrand« (2008), »Stille Post« (2008),
»TATORT – Tempelräuber« (2009), »Ein halbe Ewigkeit« (2010),
»Freilaufende Männer« (2010), »TATORT – Herrenabend« (2010),
u.v.m.
Auszeichnungen: WorldFest-Houston Int. Film Festival in der
Kategorie Feature Film für »Stille Post« (2011).
Persönliches: Jahrgang 1966, lebt in Berlin. Sie studierte Geschichte in Berlin und Indiana, USA. Anschließend arbeitete sie
als Journalistin und ist seit 1995 als freie Drehbuchautorin tätig.
Film/Fernsehen: »Der Mustervater – Allein unter Kindern« (2003);
»Miss Texas« (2004); »Die Mandantin« (2004); »Ich bin eine Insel«
(2006); »Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen« (2006);
»Bloch: Schattenkind« (2007); »Woche für Woche« (2008);
»Tod einer Schülerin« (2009); »Der Mann auf dem Baum«
(2010/11); »Bloch – Heißkalte Seele« (2011).
Auszeichnungen: Juliane-Bartel-Preis für»Ich bin eine Insel«
(2008); Bayerischer Fernsehpreis für»Wir sind das Volk – Liebe
kennt keine Grenzen« (2009), Deutscher Fernsehpreis »Bestes
Drehbuch« für »Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen«
(2009); Nominierung in der Kategorie bestes TV-Movie beim
Shanghai Television Festival für »Woche für Woche« (2010).
Männer sollten sich an starken Frauen freuen
»Es war ein Vergnügen, das Drehbuch zu lesen. Ich war gerührt
von den Figuren und ihrem Versuch, die Freundschaft aufrecht zu
erhalten. Als Regisseur muss man sich auf die Seite der Figuren
stellen. Man nähert sich ihnen über ihre Nöte, die ihre sympathische, komödiantische Seite enthüllen. Für mich ist ›Halbe
Hundert‹nicht in erster Linie ein Frauenfilm als vielmehr ein Film
über Freundschaft. Als Ehemann und Vater dreier Töchter kann
ich sagen: Männer sollten sich an starken Frauen freuen.«
Statement siehe Seite 4
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Silke Zertz (Autorin)
Was war der Auslöser für Sie, sich mit Frauen um die Fünfzig
zu beschäftigen?
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Älterwerden
interessiert mich schon seit längerer Zeit. Ich glaube, dies ist
eine der wichtigsten sozialen Fragen überhaupt: In welchem
Verhältnis stehen wir zu den Lebensjahren, die wir bereits gelebt
haben und die wir noch vor uns haben? Wie konstitutiv ist der
Faktor Alter für unsere Identität, wie wird das Älterwerden gesellschaftlich definiert und bekämpft? Wie gut oder wie schlecht
gelingt es uns, neue Rollen und Aufgaben im Leben anzunehmen? In meinem Drehbuch »Reife Leistung« (WDR, mit Walter
Sittler) habe ich mich mit einem Mann Anfang Fünfzig beschäftigt, der durch eine späte Vaterschaft aus der Kurve fliegt. In
»Woche für Woche« (ebenfalls WDR) ging es mir um die Nöte
eines Trennungskindes, das in einer vertikal organisierten Familie
aufwächst: Mit fünf Großmüttern aber ohne Geschwister. Und
jetzt, in »Halbe Hundert« interessiert mich die weibliche Seite
der reiferen Jahre mit ihren ganz eigenen Herausforderungen.
Frau kommt in die Wechseljahre, womit sich oft die Angst vor
dem erotischen Abseits verbindet. Diese Angst treibt alle drei
Hauptfiguren in »Halbe Hundert« um, am sichtbarsten aber Fiona.
Sie ist, wenn Sie so wollen, die tragischste Figur, die im Laufe
des Films zu erkennen hat, wie leer eigentlich ihr Leben ist. Und
dass es Zeit ist für einen Kurswechsel, und zwar einen, der ihr
Leben stärker ändert als eine weitere Ehe. Aber auch Anne ist tief
gekränkt, weil Klaus sie verlassen hat, auch sie, die sich ihre
Bestätigung jahrelang im Beruf geholt hat, sucht diese jetzt in
den Armen eines attraktiven jungen Mannes.
Spürbar wird ausserdem ein gefühlter Zeitdruck. Eine Frau
um die Fünfzig, die ihre Lebensentscheidungen neu treffen muß,
die wie Anne von ihrem Mann verlassen, wie Charlotte plötzlich
krank oder wie Fiona emotional verarmt ist, geht bei Kurswechseln zielstrebig vor, sie erlaubt sich kein verschwenderisches
»Schaun-wir-mal«, wie sie es vielleicht in jüngeren Jahren getan
hätte. Dieser Aspekt gilt natürlich am meisten für Charlotte,
die ihre Krebserkrankung als Chance begreift, neu anzufangen
und die diese Veränderung mit großer Klarheit und Entschiedenheit in Angriff nimmt.
Ferner erleben wir beim Betrachten der Generation »Fünfzig«
eine große Diskrepanz zwischen tatsächlichem und gefühltem
Alter. Noch nie war die mittlere Generation – männlich wie weiblich – so fit, so jugendlich, so gesund und – so schön. Die Grenzen
zwischen den Generationen verwischen, Moden und Trends
werden geteilt, Rollenzuweisungen umdefiniert, Liebesleben und
Ich-Entwurf genauso in Frage gestellt wie in jüngeren Jahren.
Mit fünfzig wird Frau Kanzlerin oder auch noch einmal Mutter,
sie nimmt sich einen zwanzig Jahre jüngeren Mann oder beginnt
eine erste Karriere. Jeder kann sich jederzeit neu erfinden, bis ins
hohe Alter. Diese Entwicklung finde ich hochspannend und ich
wollte sie in das Drehbuch einfließen lassen.
Welche der drei Figuren steht Ihnen am nächsten?
Anne ist hinter ihrem Beruf verschwunden: Sie hat in den vielen
Jahren ihrer Karriere ein wenig an Sozialkompetenz eingebüßt.
Nicht einmal ihre Tochter ist ihr noch wirklich nahe. Sie bezahlt
also einen hohen Preis für das Leben, das sie gewählt hat, und
die Erfahrung mit Josh wird ihr dafür die Augen öffnen. Charlotte
ist hinter ihrer Familie verschwunden: Sie hat sich jahrelang in
den Dienst dreier fordernder Söhne gestellt, ihre Partnerschaft
dabei aus den Augen verloren und noch mehr sich selbst, immer
wieder wurden ihre persönlichen Träume, Sehnsüchte und Ambitionen hintangestellt, und es braucht den Weckruf der Diagnose,
um – schnell und radikal – ihr Leben zu ändern. Fiona hingegen
ist hinter ihrem Spiegelbild verschwunden. Sie hat die Projektion
von sich geliebt und nicht sich selbst, und ihr Weg ist es, über die
narzisstische Phantasie hinaus ins echte Leben zu gelangen. Alle
drei Charaktere stehen mir nahe, aber nicht autobiographisch,
nicht im Sinne von etwas selbst Erlebtem. Sondern von etwas
Gefühltem. Jeder, der schreibt, dies ist meine feste Überzeugung,
braucht eine persönliche Nähe zu den Figuren, eine emotionale
Projektionsfläche in sich selbst. Nur dann entsteht Bindung, in
der Fiktion wie im wirklichen Leben.
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M
it Anfang 50 haben die drei Freundinnen Anne,
Fiona und Charlotte bereits einige Stürme hinter
sich, dennoch: Wie bei so vielen Frauen ihrer Generation passt die Zahl auf der Geburtsurkunde scheinbar gar nicht
zu ihrem Lebensgefühl. Statt sich in ruhiges Fahrwasser zu
begeben, stehen alle drei plötzlich vor der Frage, ob ihre bisherigen Lebensentwürfe noch tragfähig sind.
Anne Kater (Martina Gedeck) hat im Grunde alles: Eine glänzende Karriere als landesweit gefragte Handchirurgin, Sportwagen und schickes Haus. Doch die Ehe mit dem Lehrer Klaus,
der ihr bei Kindern und Haushalt jahrelang den Rücken frei gehalten hat, scheint am Ende. Unerwartet hat er sie verlassen und
die 17-jährige Tochter Sophie (Michelle Barthel) samt Meerschweinchen Pinocchio direkt mitgenommen. Was ist schief
gelaufen? Anne ist wie vor den Kopf geschlagen, reagiert verletzt
und in ihrer Eitelkeit gekränkt. Zum anstehenden ChirurgenKongress bucht sie über eine Agentur den männlichen Begleiter
»Josh« (Torben Liebrecht), der gegen Aufpreis durchaus auch
Mehrleistungen erbringt. Was als rein professionelle Beziehung
gedacht ist, um Annes Noch-Ehemann eine Lektion zu erteilen,
wirft Anne emotional aus der Bahn und wird zur verhängnisvollen
Amour Fou.
Charlotte Merian (Johanna Gastdorf) hat sich jahrzehntelang
für ihre Familie aufgerieben. Die drei erwachsenen Söhne
wohnen immer noch zuhause und lassen sich bedienen, Ehemann Frieder hat Charlotte zusätzlich seine demenzkranke
Mutter aufgebürdet und alle zusammen finden es ganz selbstverständlich, dass nur Charlotte weiß, wo der Staubsauger im
Hause Merian steht. Als sie dann im Bus auch noch als»Oma«
tituliert wird, hat sie endgültig die Nase voll. Charlotte will sich
wieder schön und jung fühlen, viel zu lange hat sie sich aufgeopfert. Bestärkt von Fiona, macht sie endlich das, was sie immer
schon wollte: Sie geht zum Schönheitschirurgen um sich den
Traum vom perfekten Busen zu erfüllen. Doch es kommt alles
ganz anders – statt Schönheits-OP wird bei ihr Brustkrebs
diagnostiziert. Mit der Erkrankung vor Augen findet Charlotte
den Mut aus alten Zwängen auszubrechen. Bedeutet das, die
Familie und Ehemann Frieder zu verlassen?
Fiona Gutzeit (Leslie Malton), dreimal reich geschiedene
Boutique-Inhaberin, hat ganz andere Probleme. Vor allem ihr
fortschreitendes Alter bereitet der attraktiven Blonden Kopfzerbrechen und verursacht bei ihrer Gynäkologin Sabine
(Victoria Trauttmansdorff) Kopfschütteln. Mit allen Mitteln
kämpft sie dafür, jung und schön zu bleiben – und endlich den
richtigen Mann zu finden. Fiona gerät in Panik, dass sie vielleicht
bald nicht mehr begehrt wird und muss sich die Frage stellen,
ob es ihr wirklich ausreicht, nur als Dekostück für einen
Mann wahrgenommen zu werden. Angesichts von Charlottes
Krankheit begreift Fiona, dass sie ihrem Leben einen eigenen
Sinn geben muss.
Drei Freundinnen vor der wichtigsten Entscheidung ihres
Lebens...
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Interview
Martina Gedeck
Was sind für Sie aus schauspielerischer Sicht die interessantesten
Aspekte der Figur Anne Kater?
Besonders hat mir die Impulsivität dieser Figur gefallen, ihre
Leichtigkeit. Schauspielerisch interessant ist, dass es sehr unterschiedliche Spielsituationen gibt und damit unterschiedliche
Facetten der Persönlichkeit zum Vorschein kommen können.
Anne hat eigentlich alles: Eine großartige Karriere, ein gutes
Einkommen, Haus und Sportwagen. Tochter und Ehemann bleiben
unterwegs auf der Strecke und verlassen Sie. Denken Sie, das ist
ein typisches Problem von erfolgreichen Frauen in unserer
Gesellschaft?
Im Grunde glaube ich nicht, dass dies so ist. In unserem Film haben
wir es ja mit einer fast erwachsenen Tochter zu tun, die ihre eigenen
Wege geht und auch gehen muss. Und der Auszug des Ehemannes bedeutet ja nicht zwangsläufig auch das Ende der Ehe.
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Martina Gedeck (Anne Kater)
Persönliches: Geboren 1961 in München. Schauspielausbildung von
1982 – 1986 an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin. Danach Engagements am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, dem Schauspielhaus
Basel, dem Berliner Theater am Kurfürstendamm, dem Schauspiel
Frankfurt und den Hamburger Kammerspielen. Start der Filmkarriere
1988 in Dominik Grafs »Die Beute« und »Tiger, Löwe, Panther«. Seitdem zahlreiche Rollen in nationalen und internationalen Film- und
TV-Produktionen. Gedeck ist ehrenamtlich als offizielle Patin des
Kinder-Hospiz Bethel tätig.
Filme/Fernsehen: »Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem
schlief« (1997); »Frau Rettich, die Czerni und ich« (1998); »O Palmenbaum« (2000); »Bella Martha« (2001); »Der Stich des Skorpion« (2003);
»Elementarteilchen« (2005); »Das Leben der Anderen« (2006); »Der
Baader Meinhof Komplex« (2008); »Jud Süß – Film ohne Gewissen«
(2010); »Aghet – Ein Völkermord« (2010); »TATORT – Wie einst Lilly«
(2010); u.v.m.
Aktuelles: Bei der Berlinale 2012 feierte Ihr Film »Die Wand« (Buch
und Regie Julian Pölsler) Premiere, außerdem dreht sie die internationale Koproduktion »Die Nonne«.
Auszeichnungen: Im Laufe ihrer Karriere wurde Martina Gedeck bislang zahlreich ausgezeichnet, darunter u.a. der Bundesfilmpreis für
darstellerische Leistungen in »Rossini – oder die mörderische Frage,
wer mit wem schlief« sowie »Das Leben ist eine Baustelle« (1997); Der
Adolf-Grimme-Preis für »Rossini – oder die mörderische Frage, wer
mit wem schlief« sowie »Bella Block – Tod eines Mädchens« (1998);
Deutscher Filmpreis »Beste Hauptdarstellerin« in »Bella Martha« (2002);
Die Goldene Kamera als »Beste deutsche Schauspielerin« (2003);
Deutscher Fernsehpreis als »Beste Schauspielerin« in »Hunger auf
Leben« (2004); Bayerischer Filmpreis »Beste Schauspielerin« für »Meine
schöne Bescherung« (2007). Außerdem erhielt Martina Gedeck im Jahr
2011 einen Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin.
Anne setzt mit ihrer verrückten Liebe zu Josh ihren Ruf und ihre
Karriere aufs Spiel. Können Sie nachvollziehen, warum vermeintlich starke Frauen empfänglich für Liebesbekundungen von
zweifelhaften Männern sind?
Ich bezweifle, dass die Mehrheit der erfolgreichen Frauen so ist.
Letztlich ist die Wahl der Beziehung eng verknüpft mit Persönlichkeit und Intelligenz.
Zusammen mit Ihren Schauspiel-Kolleginnen Leslie Malton und
Johanna Gastdorf spielen Sie drei eng verbundene Freundinnen,
die zwar völlig unterschiedlich sind, sich aber in der Not fest zur
Seite stehen. Was macht diese Freundschaft aus?
Hier wird ganz deutlich, dass trotz der ganz unterschiedlichen
Umstände und Lebensstrukturen die Freundschaft stabil ist. Die
drei mögen sich gern und das hat Bestand, auch wenn oder gerade
weil sie so verschieden sind.
»Halbe Hundert« ist extrem weiblich geprägt, angefangen von
der Drehbuchautorin über die Produzentin und allen voran
drei starken Protagonistinnen. Ganz ehrlich, hatte es Regisseur
Matthias Tiefenbacher»allein unter Frauen« immer leicht mit
Ihnen?
Die Arbeit mit Matthias Tiefenbacher hat mir sehr gefallen.
Trotz eng gestecktem Zeitplan ist das Spielerische nicht zu kurz
gekommen, es wurde probiert und improvisiert und hat viel
Spaß gemacht. Ich habe größtenteils mit männlichen Kollegen
gespielt, Torben Liebrecht (»Josh«) und Michael Wittenborn
(»Klaus Kater«), nicht zu vergessen meine unmittelbaren Arbeitspartner am Set – Kameramann Klaus Merkel, Maskenbildner
Markus Scharping und Tonmann Andreas Wölki. So betrachtet
war ich eher»allein unter Männern«.
8 | Halbe Hundert
Interview
Johanna Gastdorf
Im Gegensatz zu ihren beiden Freundinnen Anne und Fiona
ist Charlotte eher der unauffällige Frauentyp. Was hat Sie an der
Rolle besonders interessiert?
Natürlich ihre Geschichte! Die Entwicklung, die sie durchmacht,
ihr Umgang mit der Krankheit, ihr Humor – ach, einfach eine
tolle Rolle!
Die Schreckensvision jeder Frau – im Bus sagt plötzlich ein Kind
»Oma« zu Dir. Charlotte passiert genau das. Was löst dieser
Moment in der Figur aus?
Es ist zwar nur ein winziger Auslöser, aber er führt zur Konfrontation mit allem, was in Charlottes Leben nicht stimmt. Zur
Erkenntnis, dass sie tatsächlich überall zu kurz kommt. Meiner
Mutter ist übrigens genau das passiert, etwas älter als Charlotte
im Film, auch sie war tief getroffen. So ein kleiner Ausspruch
taugt tatsächlich zu einem Schlüsselerlebnis: Als käme das
Altern auf Knopfdruck und gänzlich unerwartet über uns.
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Johanna Gastdorf (Charlotte Merian)
Persönliches: Geboren 1959 in Hamburg. Schauspielstudium an der
Hochschule für Musik und Theater Hannover, ab 1982 Engagement
am Staatstheater Hannover. Anschließend ab 1993 Stationen am
Bayerischen Staatsschauspiel München und von 2000 – 2005 am
Schauspielhaus Bochum. Leinwanddebüt 1994 in Maris Pfeiffers
Komödie »Heirate mich«.
Filme/Fernsehen: «Das Wunder von Bern« (2003); »Sophie Scholl –
Die letzten Tage« (2005); »Der Untergang der Pamir« (2006); »Die
Wölfe« (2007); »Die Welle (2007); »Ein Mann, Ein Fjord« (2008); »Frau
Böhm sagt nein« (2009); »TATORT – Schweinegeld« (2009); »Es war
einer von uns« (2010); »Männer ticken, Frauen anders« (2011); »Unsere
Mütter, unsere Väter« (2011).
Auszeichungen: Bayerischer Filmpreis für die beste weibliche Nebenrolle in »Das Wunder von Bern« (2004); Nominierung Deutscher Filmpreis für »Das Wunder von Bern« (2004); Adolf-Grimme-Preis für
»Polizeiruf 110 – Kleine Frau« (2006).
Als Charlotte durch den Brustkrebs eine Totaloperation hinter
sich bringt, ist sie es, die ihre verstörten Freundinnen tröstet. Wo
nimmt sie diese Stärke her?
Ich denke, sie übernimmt ganz selbstverständlich die Rolle, die
sie in dieser Dreierkonstellation schon immer innehatte. Eine war
immer die Bodenständige, Vernünftige und letztlich – in der Not –
die Stärkste – und das war sie.
Jahrelang hat Charlotte für Ehemann Frieder, die nunmehr erwachsenen drei Söhne und ihre demenzkranke Schwiegermutter
gesorgt. Statt sich nun in ihrer Krankheit von ihrem Mann
umsorgen zu lassen, wählt sie den Weg raus aus der Familie.
Können Sie diesen Schritt Ihrer Filmfigur nachvollziehen?
Aber Ja! Sie rettet schlicht und einfach ihr Leben. Ich habe –
auch im näheren Umfeld – festgestellt, dass Frauen unerwartet
kompromisslos und entschieden ihre Lebensweise korrigieren.
Angesichts des Todes relativiert sich so Vieles. Es gibt einen
schönen indianischen Spruch: »Man sollte bei jeder wichtigen
Entscheidung den eigenen Tod zu Rate ziehen. Er ist generell
anwesend, eine Armeslänge links von uns.« Mit der Diagnose
Krebs wird aus so einem Satz schlicht Realität und in der Regel
beginnen wir eben erst dann ihn auch umzusetzen.
Trotz Familientrott und Krebserkrankung, Charlotte scheint mit
einem unverwüstlichen Humor ausgerüstet zu sein. Sind Sie
selbst auch jemand, der in schwierigen Situationen das Lachen
nicht verlernt?
Ich hoffe, dass es so ist. Bisher ist mir ein Schlag von diesem Ausmaß erspart geblieben. Allerdings haben Matthias Tiefenbacher
und ich die Figur Charlotte schon sehr nah bei mir angesiedelt.
Ich bin begeistert von humorvollen Menschen und freue mich
immer sehr, wenn man ihn mir auch zuschreibt.
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Interview
Leslie Malton
Ihre Rolle »Fiona Gutzeit« ist der Paradiesvogel unter den drei
Freundinnen. Was macht Ihnen die Rolle so sympathisch?
Wie bei vielen Frauen ist ihr Liebesleben ziemlich chaotisch. Ihr
fehlt die innere Balance. Das weiß sie auch und trotzdem kann
sie nicht aus dieser Schleife raus. Sie möchte nicht alleine sein,
hätte so gern den Richtigen an ihrer Seite und versucht, ihn mit
Charme und einer Portion Verzweiflung zu finden. Aber das
Sympathischste an ihr ist, dass sie immer für ihre Freundinnen
da ist und bereit ist, alles für sie zu tun, damit sie glücklich sind.
Die Freundinnen geben ihr den Halt und die innere Balance und
sie gibt ihnen dasselbe zurück. Sie ist klug und stabil, wenn es
um das Wohl ihrer Freunde geht.
Der Zuschauer hat den Eindruck, Fiona rennt stets ihrer Jugend
hinterher, um dann doch festzustellen, dass sie diese nicht zurückbekommen kann. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?
Für mich persönlich kann ich diese Haltung nicht nachvollziehen.
Als Schauspielerin schon. Permanent wird Frauen suggeriert,
um ihren Kerl zu bekommen, müssen sie die männlichen Sehn-
Halbe Hundert | 11
Leslie Malton (Fiona Gutzeit)
Persönliches: Geboren 1958 in Washington D.C., USA, Abitur in Wien.
Schauspielausbildung am Emerson College, Boston und Royal Academy
of Dramatic Art, London. 1985 Engagement am Wiener Burgtheater.
TV-Durchbruch 1990/91 mit »Der Große Bellheim«. Sie arbeitet ehrenamtlich für »ChildFund« und war zwei Jahre lang stellvertretende
Vorstandsvorsitzende der Sektion »Schauspiel« an der Deutschen
Filmakademie.
Film/Fernsehen: »Der große Bellheim« (1990/91); »Donna Leon – Venezianisches Finale« (2002); »TATORT – Veras Waffen« (2004); »Neun
Szenen« (2005); »FC Venus« (2005); »Kinder der Vertreibung – Oderland« (2006); »Renn, wenn Du kannst« (2009); »Tante Inge haut ab«
(2010); »Familie Fröhlich – Schlimmer geht immer« (2010).
Auszeichnungen: unter anderem Charlie Chaplin Schuh (1985); Die
Goldene Kamera (1990); Bayerischer Filmpreis (1993); Publikumspreis
Mannheimer Filmfest für »Neun Szenen« (2006).
suchtsobjekte und Ideale erfüllen: Kindfrau, Mädchen, Girlie
und Lolita. Wenn Frau etwas unsicher ist, dann läuft sie diesen
Bildern hinterher. Was diese Bilder uns aber eigentlich sagen ist,
dass die Männer, die sich solche Frauen wünschen, selber unsicher sind in Gegenwart einer Frau.
Noch vor nicht allzu langer Zeit war eine Frau mit 50 alt. Heute
haben wir oftmals dann gerade erst unsere eigenen Kinder aus
dem Gröbsten raus, stehen mitten im Leben und im Job. Warum,
glauben Sie, haben Frauen dennoch häufig so eine große Angst
vor der magischen 50?
Als erstes hat es gewiss mit dem Wechsel zu tun. Damit endet
eine ganz wichtige Phase in dem Leben einer Frau. Unwiederbringlich. Und das kann Angst machen. Aber das Bewusstsein
der Frau ist gestiegen und sie weiß, dass sie heute mit 50 noch
nicht »alt« ist. Es hängt ja sowieso immer mit dem inneren
Gefühl zusammen. Heute weiß Frau, dass sie mit 50 noch richtig
gut aussehen und unendlich vieles erreichen kann.
In »Sex and the City« sagt Carrie Bradshaw: »Mit 20 bist Du
noch unerfahren, in den Dreißigern lernst Du Deine Lektionen, in
den Vierzigern zahlst Du selbst für Deine Drinks«… wie könnte
man diese Aussage für die Fünfziger fortführen?
In den Fünfzigern lässt Du Dir die Drinks bezahlen und gehst
allein nach Hause, wenn Dir danach ist.
Gab es Situationen während des Drehs, bei denen Sie über sich
selbst herzlich lachen mussten? Wenn ja, welche?
Klar. Weiß ich gar nicht mehr. Das Lachen war ein steter Begleiter.
Fiona, Anne und Charlotte sind beste Freundinnen – wie wichtig
sind Ihnen beste Freundinnen?
Diese Bezeichnung ändert sich mit der Zeit. Früher war die beste
Freundin diejenige, mit der täglich nach der Schule telefoniert
wurde und mit der man alles gemeinsam machte. Das ist anders
geworden. Die Liebe zu meinen Freundinnen geht viel tiefer als
früher und sie übersteht auch lange Pausen, die berufsbedingt
sind. Meine Freundinnen sind mir wichtig, sehr.
12 | Halbe Hundert
Interview
Torben Liebrecht
In »Halbe Hundert« spielen Sie einen professionellen männlichen
Begleiter, der gegen Aufpreis auch Mehrleistungen erbringt.
Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Wie bei jeder Figur ging es für mich auch bei Josh, bzw. Martin
zuerst darum, zu begreifen, was für Ängste, Wünsche und Sehnsüchte er hat. Warum er also in bestimmten Situationen so
reagiert, handelt oder eben nicht handelt, wie er es im Film tut.
Das Besondere an »Halbe Hundert« war, darüber hinaus Gründe
zu finden, warum jemand fremden Menschen gegen Geld (fast)
alles von sich zur Verfügung stellt. Ich glaube, dass so etwas,
wenn überhaupt, nur dann geht, wenn man einen Teil seines Ichs
abspaltet, und selbst dann nur für eine sehr begrenzte Zeit.
Dass aber die Seele daran keinen langfristigen Schaden nimmt,
kann ich mir nicht vorstellen. Letztendlich ist auch dies ein Teil
von Joshs Drama.
Wie weit ist die Figur »Josh« von Ihnen entfernt?
Im Grundsatz muss ich versuchen, all seine Motivationen und
sein Handeln nachzuvollziehen und mich damit zu identifizieren.
Ansonsten entsteht eine für den Zuschauer spürbare Distanz, die
der Figur und letztlich auch dem Film schadet. Wie ich als Privat-
Halbe Hundert | 13
Torben Liebrecht (»Josh« Martin Hofer)
Persönliches: Geboren 1977 in Reinbek bei Hamburg. Nach dem Abitur
Studium der Film- und Fernsehregie/Masterclass Werbung an der
Hochschule für Film und Fernsehen München. Arbeitet als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor. Fernsehdebüt als Schauspieler
in »Angeschlagen« von Matti Geschonneck.
Filme/Fernsehen: »Angeschlagen« (1996); »Monsignor Renard« (1999);
»Die Manns – Ein Jahrhundertroman« (2000); »Jud Süss – Ein Film
als Verbrechen« (2000); »Tattoo« (2001); »Eiskalte Freunde« (2002);
»Luther« (2002); »Wahrheit oder Pflicht« (2003); »Beyond the Sea«
(2003); »Rose« (2005); »Die Patin« (2007); »Lulu und Jimmi« (2007);
»Dr. Hope – eine Frau gibt nicht auf« (2008); »Das Wunder von
Merching« (2010); »Kommissar Stolberg – Familienbande« (2010);
»Danni Lowinski – Falsche Wahl« (2011).
person dem Charakter Josh gegenüberstehe, steht wiederum
auf einem ganz anderen Blatt. Ich kann sicherlich große Teile
seiner Sehnsüchte und seiner Verzweiflung verstehen. Ansonsten
liegen jedoch Lichtjahre zwischen uns.
Auf der einen Seite ist »Josh« ein einfühlsamer Geliebter, auf
der anderen Seite erscheint er kaltblütig. Wo sehen Sie den Bruch
im Charakter Ihrer Rolle?
Josh ist zugleich auch ein verzweifelter Mensch, der – wenn
auch auf sehr fragwürdige Weise – versucht, einen endgültigen
Bruch zu Anne zu erzeugen, als er erkennt, dass er sich verliebt
hat, es aber niemals eine gleichberechtigte Beziehung sein kann.
Das Drehbuch hat, was die Psychodynamiken der Figuren angeht,
sehr viel Unterbau und gesteht Ihnen glücklicherweise viel Ambivalenz zu. Etwas zutiefst Menschliches, das viele Bücher aufgrund von mangelndem Vertrauen in das Publikum leider allzu
oft vermissen lassen. Dabei gibt es doch nichts Spannenderes als
Filme, die es dem Zuschauer erlauben, sich sein ganz eigenes Bild
zu machen. Und »Halbe Hundert« gehört für mich definitiv in
diese wunderbare Kategorie.
Können Sie das Frauenbild, das »Josh« hat, beschreiben?
Genauso wie es den privaten Martin und den professionellen
Josh gibt, glaube ich, dass es da eine ganz klare Unterscheidung
zwischen der Frau als Mensch und der Frau als Kundin gibt. Und
in dem Moment, wo beides sich wie bei Anne vermengt, wird es
hochproblematisch. Josh verliert die Kontrolle über die Situation
und über seine Emotionen, den Bereich also, der nicht käuflich
ist. Umgekehrt muss er sich aber auch immer wieder fragen, ob
es Anne letztendlich gelingen kann, ihn ganz als den Menschen
Martin zu sehen. Ihn also nicht – ob bewusst oder unbewusst –
wie das Objekt zu behandeln, zu dem er sich selbst von Berufs
wegen immer wieder macht, bzw. machen lässt. Die spannende
Frage, die der Film hier aufwirft, ist die, ob und was für eine Perspektive eine solche Verbindung haben kann.
Was, glauben Sie, motiviert erfolgreiche, gestandene Frauen
einen Mann wie »Josh« zu engagieren?
Diese Frage werden wohl nur besagte Frauen beantworten
können. Ich bin mir sicher, dass jede einzelne ihre ganz eigene
Antwort darauf hat.
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Halbe Hundert | 15
»Halbe Hundert« ist eine Produktion der Relevant Film, Produzentin Heike Wiehle-Timm,
im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks Köln.
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www.DasErste.de www.ard-foto.de
Dieses Presseheft ist unter www.presse.wdr.de
für Journalisten abrufbar.
Impressum
Herausgegeben vom Westdeutschen Rundfunk Köln
Presse und Information, Appellhofplatz 1, 50667 Köln
Postanschrift 50600 Köln
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