Artikel Märkische Allgemeine vom 29.12.2009

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Quelle: Märkische Allgemeine, Der Havelländer, 29.12.2009
Sie gibt Stoff Gewerbe Die Falkenseerin Irene Laube produziert Mode für die
Laufstege in Paris und Mailand
Was Mannequins bekannter Firmen bald weltweit präsentieren, entsteht zum Teil in einer Falkenseer Zwischenmeisterei.
Von Jana Einecke
FALKENSEE Irene Laube wuchtet einen Aktenordner auf den Nähmaschinentisch. „Originalskizzen von Wolfgang Joop“, sagt sie
beiläufig und lässt die Blätter durch die Finger fluppen. An die Entwürfe für sein Label Wunderkind hat Designer Joop eckige
Stoffstücke getackert, in wilder Schrift hat er Hinweise darunter gekrakelt wie „Nesselhose, nicht ketteln“, dazwischen drängeln sich
Zahlen und Linien. Wunderkinds Basis für die Winterkollektion. 2010/2011, wohlgemerkt.
Irene Laube, Schneidermeisterin und studierte Bekleidungstechnikerin, der Mode immer ein Jahr voraus, produziert in ihrem Keller
in der Falkenseer Benzstraße die ersten Muster davon. Die Modelle, die momentan auf ihrem Zuschneidetisch liegen, werden bald
von Joops Mannequins getragen. Zuerst für Fotos. Dann auf den Laufstegen in Paris und Berlin, in Mailand und Düsseldorf.
Natürlich entstehe nicht die ganze Kollektion in ihrem Atelier, sagt Irene Laube, sie sei nur eine der Zwischenmeistereien, die für
Wunderkind arbeiteten. Doch ganz gleich, wie beiläufig sie das alles erzählt: Die 41-Jährige ist sichtlich stolz auf die
Zusammenarbeit mit dem berühmten Designer. Das Dankesschreiben von Wunderkind hängt gerahmt im Flur. „Wenn man
schwimmt“, sagt Irene Laube, „kann man auch im tiefen Wasser schwimmen.“ Sie schlägt den Joop-Ordner schnell wieder zu – die
Skizzen, Schnitte und Stoffe sind eigentlich geheim – und stellt ihn wieder weg.
Dass sich ihr Maßatelier so gut entwickeln würde, ahnte die Unternehmerin nicht, als sie es vor sechs Jahren im Hobbykeller ihres
Wohnhauses einrichtete. Zuvor hatte sie als leitende Angestellte für Modefirmen gearbeitet, zwei Kinder bekommen und war
schließlich zu Hause geblieben.
Zwischen Schrubben und Stullenschmieren erkannte sie eines Tages: Ich bin keine Frau, die nur kocht und putzt. Irene Laube
machte sich selbstständig, schneiderte für Privatkunden, telefonierte die regionalen Designer ab und bot sich als
Bekleidungsproduzentin an. Sie zog Aufträge an Land, hat heute vier Angestellte, arbeitet außer für Wunderkind noch für Penkov,
Penelope Sphere, Evelin Brandt, Sisi Wasabi und Mia Nana manchmal 30 Stunden am Stück und war seit drei Jahren nicht mehr im
Urlaub.
Und immer noch arbeitet sie in ihrem Keller. Der platzt inzwischen aus allen Nähten. In jeder Nische stapelt sich Stoff: Spitze und
Satin, Baumwolle und Leinen, Tweed und Organza. Maßbänder hängen herum, eine Reihe bunte Garnrollen steht auf einem Regal
kurz unter der Decke. Ist noch irgendwo ein Platz frei, hängt dort eine Bluse, eine Corsage, ein Kleid.
Etwa 15 Maschinen nutzt Irene Laube für ihre Arbeit, allein fünf Schnellmaschinen für gerade Nähte hat sie, dazu zwei nur zum
Ketteln, eine Klebepresse, eine Bügelanlage sowie mehrere Messer und Spezialgeräte für Säume, Überdecknähte und
Augenknopflöcher. „Das ist hier ein bisschen was anderes als eine Änderungsschneiderei“, umschreibt Irene Laube ihren Betrieb.
Im Winter und Sommer, vor den Fashionweeks und den großen Messen, brennt im Atelier die Luft. 200 Stücke pro Monat müssen
dann fertig werden. Dazwischen ist es ruhiger: Im Frühling und Herbst produziert die gebürtige Oberschlesierin meist Kleinserien
und Einzelstücke für Privatkunden und Boutiquen. Nebenbei berät sie Jungdesigner, entwirft Abendmode für Frauen und
Kommunionskleider für kleine Mädchen.
Auch Schuluniformen hat sie schon produziert – und Richterroben, „aus Schurwolle, die kühlt und knautscht nicht“. Und einmal
haben sie und ihre Angestellten dreihundert Namensschilder auf Jacken, Westen und Overalls einer Spedition aufgenäht. Aber die
seltsamste Anfrage, „neben der nach Lederröcken für Herren“, kam wohl aus dem Landwirtschaftsministerium: „Die brauchten
Ochsengurte“ sagt Irene Laube, noch immer ein bisschen verwundert. Eigentlich schickt sie niemanden weg. Aber die Ochsengurte
hat dann doch jemand anderes genäht.
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01.02.2011 22:49