Umwerfend schön

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Umwerfend schön
Wissens-Stoff
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Umwerfend schön
E
twas „Altes“ aus ihrem vorherigen Leben, etwas „Neues“
für das neue Glück
in der Ehe, etwas „Geliehenes“, das daran erinnert, dass
die Familie immer für sie da
sein wird, etwas „Blaues“ als
Symbol der Loyalität und eine
silberne Sixpence-Münze im
Schuh als Talisman für den
kommenden Reichtum – das
sollte eine englische Braut an
ihrem Hochzeitstag tragen.
Seit der Hochzeit des englischen Thronfolgers Prinz
Charles mit Lady Diana Spencer ist der aus dem viktorianischen England stammende
Spruch weltweit bekannt.
Mehr als eine Milliarde Menschen verfolgten 1981 auf dem
Bildschirm oder über Radio
die Zeremonie und erfuhren
so, dass „neu“ die Seide ihres
Kleides war, „alt“ die Spitze,
die vom Brautkleid der Königinmutter Mary stammte,
dass die Diamantohrringe
eine Leihgabe ihrer Mutter
waren und ein blaues Vergissmeinnicht in das Taillenband
eingestickt wurde. Nicht bekannt ist, ob im Schuh von
Lady Di eine Münze lag.
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Text von Eva von Schilgen
Königs- und Fürstenhäuser es sich um eine Liebesheirat
hatten schon vor dieser handelte –in Zeiten, in denen
Hochzeit die Brautmode adelige Ehen arrangiert wurmaßgeblich beeinflusst. Die den, eine Ausnahme. Sehr
Florentinerin Maria de Medi- verliebt muss auch der franci, eine der reichsten Erbin- zösische Kaiser Napoleon III.
nen ihrer Zeit in Europa, gilt gewesen sein, als er 1853 die
als erste Braut, die anlässlich 18 Jahre jüngere, in weißen
ihrer Vermählung mit dem Samt gekleidete schöne spafranzösischen
nische Gräfin
König Heinrich
Eugènie
de
„Something old,
IV. im Jahr 1600
Montijo ehelichsomething new,
ein eierschalente. Die gebildete
farbenes Kleid something borrowed, und charmante
wählte.
Und something blue and Kaiserin hatte
nachdem 1613
großen Einfluss
a lucky six-pence
die englische
auf die Mode
in your shoe.“
Prinzessin Eliund
förderte
sabeth Stuart in (engl. Sprichwort zur Braut) durch Ankäufe
einem
strahden in Paris tälend weiß-siltigen
englibernen Brokatkleid vor den schen Schneider Charles FreAltar trat, wurde es unter Eu- derick Worth.
ropas Aristokratinnen üb- Aus Liebe gab auch die erst
lich, in hellen Farben zu hei- 16-jährige Elisabeth Amalie
raten. Aufsehen erregte 1840 Eugenie, Herzogin in Bayern,
bei der Hochzeit der 21-jähri- 1854 in der Wiener Augustigen englischen Königin Vik- nerkirche vor 70 Bischöfen
toria mit ihrem deutschen und Prälaten dem 23-jähriVetter, dem Prinzen Albert gen österreichischen Kaiser
von Sachsen Coburg und Go- Franz Josef das Jawort. Ihr
tha, nicht nur deren weißes, Kleid war ein „Traum in
mit kostbarer Spitze verar- Weiß“, ihre Ehe entwickelte
beitetes Seidenkleid, son- sich jedoch für sie zu einem
dern auch die Tatsache, dass Albtraum.
Ein eigenes Kleid zur Hochzeit, das konnte sich weder
die bürgerliche Frau noch die
Frau aus den einfachen
Schichten bis ins 20. Jahrhundert hinein leisten. Sie
heirateten in ihrem Sonntagsstaat, dem Kleid, mit dem
sie zur Kirche gingen und das
meist aus schwarzem Tuch
gefertigt war. Selbst die Frauen des gehobenen Bürgertums und des niederen Adels
traten lediglich in ihrem
„feinsten“ Kleid vor den Altar. Erst ab 1920 wurden in
der westlichen Kultur weiße
Hochzeitskleider
üblich;
gleichzeitig
begann
die
Emanzipation der Frauen, indem sie sich das Wahlrecht
erstritten, die Universitäten
eroberten und in Männerberufen tätig wurden.
Christin, Jüdin, Muslima,
Buddhistin oder Atheistin,
sie alle wollen in einem Kleid
heiraten, das sie weder vor
noch nach diesem Tag tragen
werden. Für manche mag die
Wahl eine religiöse Bedeutung haben, für andere ist
die Vorstellung reizvoll, sich
in eine andere Person zu verwandeln, für einige ist der
Damen-Rundschau 3/2015
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1 Catherine Middleton 2011 bei ihrer Hochzeit mit dem Enkel
der englischen Königin, Prinz William Mountbatton-Windsor.
(Foto: Hugo Burnand) 2 Dr. Magdalena Habsburg Lothringen,
Ururenkelin von Kaiserin Elisabeth von Österreich, Herzogin in
Bayern, heiratete im Juli 2014 in Bad Ischl Dr. Sebastian
Bergmann. (Foto: KAISERVILLA BAD ISCHL) 3 Thronfolger Franz
Ferdinand Carl Ludwig Joseph Maria von Österreich-Este
heiratet im Juli 1900 Sophie Maria Josephine Albina Gräfin
Chotek von Chotkowa und Wognin, spätere Fürstin Hohenberg.
(Foto: Schloss Artstetten) – Braut­mode von Susanne Spatt,
Salzburg. (Vier weitere Fotos: Susanne Spatt)
Wunsch groß, einmal im Leben strahlender Mittelpunkt
zu sein. Aber nicht vielen ist
bekannt, dass das „Weiß“,
nach einer alten Tradition,
die Jungfräulichkeit der
Braut vor der Ehe symbolisiert.
Gestern wie heute bemühen
sich Designer darum, die
Hochzeitskleider prominenter Frauen zu entwerfen,
denn Fernsehen, Internet
oder die Printmedien sind
unbezahlbare Werbeträger.
Und kaum sind die ersten Bilder der glücklich Vermählten
erschienen, werden in unzähligen Werkstätten bereits deren Outfits kopiert, denn der
jeweilige Hype dauert nur so
lange, bis die nächste prominente Braut die Titelseiten
schmückt.
Modelle überdauern manchmal Generationen. Umwerfend schön sah Catherine
Middleton 2011 bei ihrer
Hochzeit mit dem Enkel der
englischen Königin, Prinz
Damen-Rundschau 3/2015
William Mountbatton-Windsor, in dem elfenbeinfarbenen Hochzeitskleid von Alexander McQueen aus, das die
Designerin Sarah Burton entworfen hatte. Ältere ModeFans stellten jedoch eine große Ähnlichkeit mit jenem
Kleid fest, das Gracia Patricia
anlässlich der Hochzeit mit
Fürst Rainier III. von Monaco
1956 trug. Millionenfach kopiert wurde auch das von Sarah Burton entworfene Kleid
für Kates Maid of Honour,
ihre Schwester Philippa
Charlotte, genannt „Pippa“.
Deren Auftritt war ebenfalls
spektakulär. So trug sie
Weiß, die Farbe, die der Braut
vorbehalten ist, und der figurbetonte Schnitt des Kleides und Pippas anmutiger
Gang trugen ihr den zweifelhaften Ruhm der „schönsten
Rückseite“ Englands ein.
Ebenfalls durch diese Hochzeit bekannt wurde der „Fascinator“, der kleine Kopfschmuck, den die jungen
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Aristokratinnen erstmals an- Röcke und Schleier sind für
stelle eines Hutes trugen. die moderne, an bequeme
Schwieriger zu kopieren war Kleidung gewöhnte Frau eine
das mit 40.000 Swarovski- Herausforderung.
Kristallen, 20.000 Perlen und „Schreiten“ statt „Gehen“,
handgemachten Blütensticke- eine aufrechte Haltung mit
reien verzierte Kleid von hoch erhobenem Haupt und
Charlene Wittstock bei ihrer langsame Bewegungen, daHochzeit mit Fürst Albert von mit der Kopfschmuck hält,
Monaco, das sie bei ihrem sollten vor dem großen Tag
Lieblingsdesigner Giorgio Ar- besser geübt werden.
Aber gleichgültig ob Rappermani geordert hatte.
Auch ist der Reiz, sich zu braut wie Amber Rose (Wiz
„verkleiden“, manchmal stär- Kjalifa), ob Sängerin Mariah
ker als die Wahrnehmung des Carey (Nick Cannon), ob Faeigenen Typs. So trug die da- cebook-Braut Priscilla Chan
(Mark Zuckermenhaft-eleberg), ob Präsigante RechtsanChristin, Jüdin,
dententochter
wältin
Amal
Alamuddin bei Muslima, Buddhistin Chelsea Clinton (Mac Mezder
standesoder Atheistin,
vinsky)
oder
amtlichen Trausie alle wollen in
Schauspielerin
ung mit Fraueinem Kleid heiraten,
Katie Holmes
enschwarm
das sie weder vor
(Tom Cruise),
George Clooney
noch nach diesem
für die Mehreinen schlichten, cremefarTag tragen werden. zahl der Damen
ist der „schönsbenen Hosente Tag im Leben
anzug
von
Stella McCartney, der ihren einer Frau“ ohne weißes
Typ vorteilhaft unterstrich. Kleid nicht vorstellbar. Sogar
Das weiße Spitzenkleid bei bei der in Bayern und Österder kirchlichen Hochzeit, ein reich so beliebten Hochzeit in
Entwurf von Oscar de la Ren- Tracht werden seit einigen
ta, war zwar wunderschön, Jahren gerne weiße Dirndl genur hätte ihr ein weniger tragen. Die „Schönheit liegt
mädchenhaftes Kleid wahr- im Auge des Betrachters“,
und wenn das der zukünftige
scheinlich besser gestanden.
Auch so manch andere Braut Ehemann ist, dann ist für
fühlt sich in dem Prinzessin- jede Braut der „Traum in
nen-Outfit ziemlich unwohl. Weiß“ in Erfüllung gegangen.
Taillierte, enge Mieder, lange Träumen wir also mit!
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