- Ein Gottesdienst für Busan

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- Ein Gottesdienst für Busan
Ökumenischer Rat der Kirchen
10. Vollversammlung
30. Oktober bis 8. November 2013
Busan, Republik Korea
Gottesdiensthilfe
für Gottesdienste aus Anlass
der 10. Vollversammlung des
Ökumenischen Rates der Kirchen
Evangelische Kirche
in Deutschland
Gottesdienste feiern – weltweit
Impressum
Herausgegeben vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Hauptabteilung IV Ökumene und Auslandsarbeit
Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover
Redaktion, Autorinnen und Autoren siehe Seite 70
Bezug: Diese Arbeitshilfe kann bestellt werden bei Gudrun Marhenke,
[email protected], Telefon: (05 11) 27 96-132
Download: Die Gottesdiensthilfe kann heruntergeladen werden unter www.busan2013.de
Aus rechtlichen Gründen ist der Liedteil in der Downloadversion nicht vollständig.
Grafische Gestaltung: Perfect Page, Karlsruhe
Logo der Vollversammlung: © Ökumenischer Rat der Kirchen
Druck: Druckhaus Mainfranken GmbH, Marktheidenfeld
Klimaneutraler Druck
Weitere Informationen finden Sie unter: www.firstclimate.com
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GEISTLICHES GELEITWORT
Erzählen, was auf dem Weg geschieht
Die beiden Jünger sind ratlos auf dem Weg zurück aus Jerusalem. Das war kein Pilgerweg. Es ist ein Weg in die
Leere der Hoffnungslosigkeit zum Ort „Nirgendwo“. Eine
neue, umwerfende Sicht des Glaubens auf die Welt scheint
mit dem Tod des Jesus von Nazareth zerbrochen zu sein.
Das leere Grab verstehen sie nicht. Ein Deutungsmuster
finden sie nicht, um die Ereignisse um den Tod Jesu, das
leere Grab und den verschwundenen Jesus zu verstehen
und Folgerungen daraus zu ziehen. Diese Geschichte, unsere menschliche Geschichte als Ganze erschließt sich
nicht aus sich selbst und aus unserer Einsicht in sie.
Erst der Weg und das Gespräch mit dem Unbekannten eröffnet den beiden Jüngern eine neue – oder vielleicht auch
eine alte, aber nicht mehr für sinnvoll gehaltene – Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Geschehen. Der
Unbekannte begleitet sie in ihrer Trauer. Er orientiert sie
an der Schrift und deutet das Geschehene aus dem Zeugnis der Propheten als notwendig und folgerichtig. Das
Überraschende ist aber, dass diese Orientierung an der
Schrift allein nicht die verstörende Tatsache des leeren
Grabes zu deuten vermag und nicht zur Glaubenserkenntnis führt. Es ist also offenkundig nicht allein die Anstrengung des theologischen Bemühens um die Schrift, die zum
Erkennen und zum Bekennen führt.
Die Weggemeinschaft des gemeinsamen Bemühens um
die Schrift ist aber trotzdem nicht etwa folgenlos und unnötig. Sie führt zu einem weitergehenden verbindlichen
Miteinander. Diese Weggemeinschaft mit dem Unbekannten führt in eine tiefere Beziehung, die über das Gespräch
und die intellektuelle Anstrengung weit hinausgeht: „Herr,
bleibe bei uns …!“ Sie erleben den tieferen Sinn und das
Provokante christlicher Gemeinschaft und Gastfreund-
schaft, in der sie über das Zweckrationale, das Gemeinsame und Kongruente hinauskommen und eben mit jenem
Fremden und Unverstandenen, ja mit dem Gegensätzlichen das Leben teilen.
„Unter dem Evangelium beieinander bleiben“, „Unter
dem Evangelium auf dem Weg bleiben“, dieser Grundsatz,
der gerade in Glaubenskonflikten so bedeutsam ist, hat in
sich jene Potentialität der gemeinsamen Erkenntnis des
Glaubens. Aber er ist beileibe nicht der Garant der gemeinsamen Erkenntnis dessen, was wir von Gott zu bezeugen
haben. In der Emmaus-Geschichte kommt es zur Erkenntnis des Glaubens an den Auferstandenen erst durch die
Selbstmitteilung Gottes. In der liebenden Zuwendung des
Brotbrechens, also in einer Handlung jenseits der theologischen Erkenntnis, aber nicht ohne sie, kommt es zur Erkenntnis und Einsicht. „Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie erkannten ihn.“
Jetzt erst erkennen die Jünger, dass sie auf einem Pilgerweg waren. Jetzt erst begeben sie sich wirklich auf einen
Pilgerweg des Glaubens. Die Jünger brachen auf der Stelle
auf nach Jerusalem und erzählten den anderen Jüngern,
„was auf dem Weg geschehen war und wie er von ihnen
erkannt wurde, als er das Brot brach.“
Gott gebe sich auch uns zu erkennen auf unserem Pilgerweg für Gerechtigkeit und Frieden.
Bischof Martin Schindehütte
Martin Schindehütte ist Auslandsbischof der EKD
und leitet die Abteilung Ökumene und Auslandsarbeit.
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INHALT
Impressum
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Geistliches Geleitwort
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Inhaltsverzeichnis
4
Zum Gebrauch
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I.
AUF DEM WEG NACH BUSAN
1.1 Der Ökumenische Rat der Kirchen
und seine 10. Vollversammlung
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1.2 Korea – Informationen zum Gastgeberland 10
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1.3 Koreanische evangelische Gemeinden
in Deutschland
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1.4 Besondere Gottesdienste in Korea
a) Koreanisches Morgengebet
b) Politische Gebete in Korea
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II. GOTTESDIENST FEIERN
MIT DEM GOTT DES LEBENS
III. WEITERGEHEN MIT
DEM GOTT DES LEBENS
2.1 ENTWURF FÜR EINEN GOTTESDIENST
IM UMFELD DER VOLLVERSAMMLUNG
3.1 Anregungen für Gemeindeveranstaltungen
a) Gemeindematerial: Pilgerreise nach Busan
b) Jugendprojekt
c) Lebendige Briefe
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2.2 Varianten für die Liturgie
a) Eröffnungsgebet
b) Sündenbekenntnis mit koreanischen
Elementen
c) Alternative Bekenntnistexte
d) Fürbitten mit dem Logo gestalten
e) Gebet für die Wiedervereinigung
f) Abkündigungstext und Einschub
ins Fürbittengebet für andere
Gottesdienste
g) Brot und Hoffnungsgeschichten teilen
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2.3 Predigt und Predigtanregungen
a) Ausgeführte Predigt zum 3.11.2013:
„Gott des Lebens, weise uns den Weg
zu Gerechtigkeit und Frieden.“
b) Reflexionen zum Vollversammlungsthema
aus verschiedenen Kontexten
c) „Noch in derselben Stunde brachen sie auf.“
Reflexion zu Lukas 24, 13–35 für
Gottesdienstgestaltung und Predigt
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2.4 Lieder
a) Erfahrungsbericht aus dem Liturgieund Liederworkshop des ÖRK
b) Lieder
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2.5 Impulstexte für Andachten in Gruppen
aus Anlass der Vollversammlung
a) Andacht zu Motto und Motiv
b) Andacht zur neuen Missionserklärung
c) Andacht zur Geschichte des ÖRK
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2.6 Weitere Gottesdienstanlässe
a) Schöpfungszeit
b) Ökumenische FriedensDekade
c) Buß- und Bettag ökumenisch feiern
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2.7 Ökumenische Hoffnungsgeschichten
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3.2 Einheit – Mission – Gerechter Frieden –
Wirtschaft für das Leben: Wichtige
Themen der Vollversammlung zum
Nachlesen in vier Dokumenten
a) Die Kirche: Auf dem Weg zu einer
gemeinsamen Vision
b) Gemeinsam für das Leben. Mission und
Evangelisation in sich wandelnden Kontexten
c) Wirtschaft im Dienst des Lebens
d) Ökumenischer Aufruf zum Gerechten Frieden
3.3 Ausgewählte Initiativen und Projekte
zu den Themen der Vollversammlung
a) Peace Train
b) Kampagne für einen Friedensvertrag
c) Ökumenischer Prozess „Umkehr zum
Leben – den Wandel gestalten“
d) MEET – Junge Ökumene
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3.4 Materialhinweise
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3.5 Weitergehen – an vielen Orten.
Eine Auswahl von Veranstaltungen
zur Vollversammlung
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3.6 Kontakte rund um die Vollversammlung
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Redaktionsgruppe, Autorinnen und Autoren
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Living God: Lied zum Vollversammlungsthema
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences; Melodie und englischer
Text: Caleb Manwa, Lydia Ester Munoz, Peter Arendt, Unsu Kang, Vasile Sorin Dobre, Louis Marcelo Illenser;
deutscher Text: Eugen Eckert
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ZUM GEBRAUCH
„Sie fahren im Herbst nach Korea? Spannend.“ Äußerungen wie diese waren Anlass, diese Gottesdiensthilfe zu
erstellen. Sie richtet sich an alle, die hier in Deutschland
ein Stück auf dem „Weg nach Busan“ zur 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)
mitgehen wollen und an alle, die sich über Anregungen
freuen, nach der Vollversammlung weitere ökumenische
Schritte zu gehen.
Der erste Teil informiert in aller Kürze über die anstehende Vollversammlung und das Gastgeberland.
Das Herzstück dieser Gottesdiensthilfe bildet der Gottesdienstvorschlag im zweiten Teil.
Er nimmt Lieder und Gebete auf, die im Rahmen der Vorbereitung auf die Vollversammlung im Raum des ÖRK entstanden sind. Im Eröffnungsgottesdienst der Vollversammlung wird die Geschichte der Emmausjünger gelesen werden, eine Weggeschichte, die wir auch in unserem Gottesdienstentwurf aufgenommen haben.
Für einen Gottesdienst zur Vollversammlung bietet sich
Sonntag, der 3. November an, der Sonntag der Vollversammlung, an dem die koreanischen Christinnen und
Christen aus allen Konfessionen mit ihren Gästen aus aller
Welt in ihren Gemeinden in Busan und Seoul Gottesdienst
feiern werden.
Eine andere Möglichkeit ist, an den Sonntagen vorher einen Gottesdienst im Blick auf die Vollversammlung zu feiern und für das Gelingen zu beten. Nach der Vollversammlung können z. B. in die Predigt erste Berichte einfließen
und Ergebnisse vorgestellt werden. Die Schwerpunkte, die
das Thema „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“ setzt, lassen sich auch in der Friedensdekade im November aufnehmen.
Angeregt durch die Emmausgeschichte schlagen wir einen
Gottesdienst mit Abendmahl vor. Dabei haben wir zunächst Gottesdienste in evangelischen Kirchen im Blick,
da es uns ein großes Anliegen ist, die ökumenische Bewegung in unseren evangelischen Gemeinden bewusst zu
halten. Vielleicht ist es auch möglich, aus diesem Anlass
einen Gottesdienst in Kontakt mit einer Partnergemeinde
in Übersee zu feiern.
Ausdrücklich möchten wir aber auch dazu ermutigen,
„Vollversammlungsgottesdienste“ ökumenisch zu feiern
– etwa im Rahmen der örtlichen ACK oder gemeinsam mit
ökumenischen Initiativgruppen. Für solche Anlässe schlagen wir anstelle des Abendmahls z. B. eine erweiterte Fürbittenaktion vor. Im Anschluss an den Gottesdienst können
Brot und Hoffnungsgeschichten geteilt werden.
Außerdem ist die Vollversammlung ein schöner Anlass,
Kontakt mit koreanischen Gemeinden in der Nähe oder
zu einer anderen „Gemeinde anderer Sprache und Herkunft“ aufzunehmen und gemeinsam einen Gottesdienst
zu feiern.
Damit die Vollversammlung nicht ein isoliertes Ereignis
bleibt, stellen wir im dritten Teil Material und Ideen für
die Gemeindearbeit und Initiativen zu den Themen der Vollversammlung vor. Alle, die an den theologischen Fragen
der Vollversammlung interessiert sind, finden hier außerdem eine kurze Vorstellung wichtiger Dokumente. Wer sich
intensiver damit beschäftigen will, dem sei die aktuelle
Ökumenische Rundschau (2/13) ans Herz gelegt (s. S. 67).
Wir freuen uns, wenn Sie sich mit uns gemeinsam auf den
Weg nach Busan machen.
Für das Redaktionsteam:
Anne Heitmann und Ulrike Schmidt-Hesse
Ein Gebet auf dem Weg nach Busan
Auf dem Weg nach Busan
lass uns besonnen mit Dir gehen,
Gott des Lebens.
Auf dem Weg nach Busan
leite uns, wenn wir uns versammeln,
beten und beraten in der Nachfolge Christi.
Auf dem Weg nach Busan
weise uns in Richtung Gerechtigkeit und
Frieden, voller Freude im Heiligen Geist.
Amen
© ÖRK
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I. AUF DEM WEG NACH BUSAN
1.1 Der Ökumenische Rat der Kirchen
und seine 10. Vollversammlung:
feiern und beraten in einem geteilten Land
Vom 30. Oktober bis zum 8. November 2013 findet in der
fast vier Millionen Einwohner zählenden, größten südkoreanischen Hafenstadt Busan die 10. Vollversammlung des
Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) statt.
4 000 Menschen aus 349 Mitgliedskirchen werden an der
Vollversammlung teilnehmen. Eingeladen ist auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aus Myanmar,
die sich jahrelang auch unter Hausarrest gegen die Militärdiktatur in ihrem Land einsetzte. „Gott des Lebens,
weise und den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“; so das
Thema der Vollversammlung. Christen in Korea sprachen
sich für dieses Leitwort aus. Sie wollen mit der Vollversammlung die Friedensfrage im geteilten Land aufgreifen.
„Die Wahl dieses Ortes ist Symbol“, so Konrad Raiser, ehemaliger Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, auf dem Kirchentag in Hamburg. Erstmalig wird damit eine Vollversammlung des Weltkirchenrates in Nordostasien stattfinden. Die Anzahl der Christen in Südkorea
wächst stetig und liegt derzeit bei circa 30 Prozent – in
der Mehrheit Protestanten – die in einer Vielzahl von Kirchen unterschiedlichster Prägung ihren Weg suchen. Das
Neben- und Miteinander von Christen, Buddhisten, Schamanisten, Konfuzianisten prägt den Alltag. Noch stärker
ist das Land bestimmt von dem angespannten Gegenüber
zwischen Nord- und Südkorea. Die Drohungen nehmen zu.
Die Sprache der Diplomatie setzt derzeit auf Machtdemonstration.
„Können Sie sich vorstellen, dass diese Mauer zwischen
Nord- und Südkorea jemals fallen wird?“, wurde Nataly
Han beim Kirchentag in Hamburg gefragt. Die Koreanerin
kam in den 80er-Jahren als Kind mit ihrer Familie nach
Stuttgart und arbeitet heute in Berlin für den Koreaverband. „Eines Tages wird es passieren. Auch in Deutschland
konnte sich das niemand vorstellen“, so die Menschenrechtlerin. Die Vollversammlung wird all jenen in Korea
den Rücken stärken, die sich seit Jahrzehnten für die Annäherung und den Dialog zwischen Nord- und Südkorea
einsetzen. Interessant ist, dass der Kreis der koreanischen
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Kirchen, die die Vollversammlung nach Busan einladen,
weit größer ist als der Kreis der ÖRK-Mitgliedskirchen in
Korea. 120 Mitglieder hat der einladende Gastgeberkreis
aus koreanischen Kirchenvertretern; unter ihnen auch Vertreter der Pfingstkirchen. Der Dialog mit ihnen wird intensiver. Auch im Planungsausschuss der Vollversammlung
waren Pfingstkirchen vertreten. Das Global Christian Forum, ein vom ÖRK im Jahr 2000 initiiertes offenes Treffen
von Christen, hat dazu in den zurückliegenden Jahren einen wichtigen Beitrag geleistet.
Die Plenardebatten der Vollversammlung sind unter anderem dem Thema und dem Kontext Korea und Asien gewidmet. In vier weiteren Plena stehen folgende Themen
auf der Tagesordnung:
1. Mission in sich wandelnden Kontexten: Was heißt Mission, die aus der Peripherie ins Zentrum drängt und
eine transformative Spiritualität hervorbringt? Grundlage ist das neue Missionsdokument des ÖRK: „Together towards Life: Mission and Evangelism in Changing
Landscapes“/„Gemeinsam für das Leben: Mission und
Evangelisation in sich wandelnden Kontexten“.
2. Einheit in Christus – „Unity in Christ, gift and calling“/
„Die Einheit in Christus, Geschenk und Ruf“: Welche
Einheit suchen wir als Gemeinschaft von Kirchen im
Ökumenischen Rat der Kirchen? Wie verbindlich ist unsere Einheit in Vielfalt? In welchem Verhältnis stehen
Ethik und Einheit? (Hintergrunddokument: „The Church:
Towards a Common Vision“/„Die Kirche: Auf dem Weg
zu einer gemeinsamen Vision“)
3. Gerechtigkeit – „God of Life, call us to do justice in
today’s world”/„Gott des Lebens, rufe uns Gerechtigkeit zu üben in der Welt heute”: Diese Plenardebatte
greift die Fortsetzung des AGAPE-Prozesses auf und
fragt nach einem Wirtschaften im Dienst des Lebens.
Busan – Hafenstadt in Südkorea
Abstimmung in Konsensverfahren bei der Vollversammlung 2006
© Heike Bosien
© ÖRK, Igor Sperotto
Wie muss sich unser Zusammenleben und unser Wirtschaften verändern angesichts von Klimawandel und
endlichen Ressourcen? Wie sehen die Folgen der Finanzkrise aus in den 120 Ländern der ÖRK-Mitgliedskirchen? Wer trägt die Last? (Hintergrunddokument:
„Economy of Life, Justice and Peace for All. A Call to
Action“/„Wirtschaft im Dienst des Lebens, Gerechtigkeit und Frieden für alle. Ein Aufruf zum Handeln“)
4. Frieden – „God of life, call us to build peace in today’s
world“/„Gott des Lebens, rufe uns zum Frieden in der
Welt heute“: Zwischen der 9. Vollversammlung in Porto
Alegre und der 10. Vollversammlung in Busan bildete
die Ökumenische Dekade „Gewalt überwinden“ einen
der Arbeitsschwerpunkte des Ökumenischen Rates der
Kirchen. Sie fand ihren Höhepunkt in der Internationalen Friedenskonvokation von Jamaica 2011. Busan stellt
die Frage nach der Weiterarbeit an einem Gerechten
Frieden und dem Potential sowie dem Beitrag der Kirchen weltweit. (Hintergrunddokument: „Call to Just
Peace“/„Aufruf zum Gerechten Frieden“)
850 Delegierte werden in Busan erwartet. Sie sind es, die
nach der Satzung des Ökumenischen Rates der Kirchen
die Arbeit der zurückliegenden Legislaturperiode auswerten, die Programmschwerpunkte bis zur nächsten Vollversammlung definieren und den neuen Zentralausschuss als
Leitungsgremium wählen.
Neben den Delegierten und deren satzungsgemäßen Aufgaben lebt die Vollversammlung vom Austausch unter den
Vollversammlungsteilnehmenden in den unterschiedlichen
Veranstaltungssegmenten der Versammlung. Das Prinzip,
das der Planung zugrunde lag, lässt sich in den Stichworten „more inclusive and welcoming for a wider ecumenical movement“ zusammenfassen.
Eine Vollversammlung als internationaler ökumenischer
Kirchentag, der Menschen aus allen Teilen der Welt und
aus Kirchen unterschiedlichster Konfessionen und Denominationen zusammenbringen will. Eine Plattform für die
Stimme der Christenheit zu den drängendsten Fragen der
heutigen Welt. Ein Gremium, das die Anliegen seiner Mitgliedskirchen bündelt und sie herausfordert zu neuen Horizonten und Visionen von Kirchesein im 21. Jahrhundert.
Mithilfe des Weltkirchenrates als einem privilegierten Instrument der internationalen Ökumene „können wir Diskussionen über Probleme beeinflussen, die nicht in lokalem und nationalem Rahmen gelöst werden können“, so
der Norweger Olaf Fykse Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen. Dazu gehören für ihn die
Umweltfrage und der interreligiöse Dialog.
Die Evangelische Kirche in Deutschland wird mit einer 20köpfigen Delegation auf der Vollversammlung vertreten
sein. Etwa 60 Teilnehmende aus Deutschland werden nach
Korea reisen, um bei Workshops, Gesprächen und Veranstaltungen im Rahmen des Vollversammlungsgeschehens
mitzuwirken oder die Vollversammlung als Gäste mitzuerleben. Weitere zehn Theologiestudierende aus Deutschland werden an einem parallel stattfindenden internationalen universitären Forum teilnehmen. Dieses „Global
Ecumenical Theological Institute“ bringt 120 Theologiestudierende aus aller Welt zusammen. Denn jede Vollversammlung hat auch eine Bildungsaufgabe für zukünftige
Generationen und will den ökumenischen Gedanken neu
und aktuell in seine Mitgliedskirchen hineintragen.
Es geht letztlich um den „Welthorizont, den Kirchen brauchen, wollen sie nicht in die provinzielle Selbstgenügsamkeit von Landeskirchen und Nationalkirchen zurückfallen“(Karl-Heinz Dejung).
Heike Bosien
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I. AUF DEM WEG NACH BUSAN
1.2 Korea – Informationen zum Gastgeberland
Einsiedlerkönigreich und Tigerstaat –
Nord- und Südkorea
Als Einsiedlerkönigreich, als ein Land, das beschlossen
hatte, möglichst wenig fremden Einfluss zuzulassen, war
Korea bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts bekannt. Erst in den 1880er-Jahren öffnete sich Korea – auch
mit dem Ergebnis, dass westliche Lehren, nämlich das
Christentum und damit verbundene Bildungseinrichtungen, ins Land kamen. Als „Tigerstaat“ wurde Südkorea im
letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts bezeichnet. Angespielt wurde damit auf das rasant ansteigende Wachstum
der südkoreanischen Wirtschaft. Inzwischen hat Südkorea
den Sprung in die Welt der entwickelten Volkswirtschaften
geschafft und gehört zu den zwanzig OECD-Ländern mit
dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen.
Ganz anders sieht es in Nordkorea aus, das sich weiterhin
in sowohl selbst gewählter wie auch auferlegter Isolation
befindet. Die Gegensätze zwischen Süd- und Nordkorea
könnten größer nicht sein: 17 Mal so hoch wie im Norden
ist das Pro-Kopf-Einkommen im Süden, 12 Jahre länger leben die Menschen dort und 12 cm größer als ihre Altersgenossen sind die 12-Jährigen im Süden.
Unverschuldete Teilung
Anders als dies in Deutschland der Fall war, tragen die
Menschen in Korea an ihrer Teilung keine Schuld. Das koreanische Volk war von 1910 – 1945 eine Kolonie Japans,
und als Japan nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki kapitulierte, waren es russische Truppen, die die japanische Armee nördlich des 38. Breitengrades entwaffneten, und dasselbe taten amerikanische
Truppen im Süden. Bald danach brach der Kalte Krieg aus,
der auf der koreanischen Halbinsel von 1950 – 1953 erstmals zu einem „heißen Krieg“ wurde. Seither ist das koreanische Volk getrennt. Nordkorea ist in gewisser Weise
immer noch „Einsiedlerkönigreich“, schottet sich ab und
wird zugleich auch isoliert. Nordkorea aus seiner (Selbst-)
Isolation zu befreien, dies wird ein Meilenstein sein auf
dem Weg zu Kooperation, friedlicher Koexistenz und eines
Tages auch der Wiedervereinigung.
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Zwischen Wachstum und Widerstand –
Kirchen in Südkorea
Jung ist die Geschichte des Christentums in Korea und bemerkenswert. Es waren jeweils Koreaner selbst, Katholiken
vor 1784 und Protestanten vor 1884, die begannen, ihre
Landsleute für Lehren zu interessieren, denen sie in China
begegnet waren. Missionare kamen später. Und es waren
dann wiederum Koreaner und vor allem Koreanerinnen
selbst, die für die weitere Ausbreitung des Evangeliums in
Korea gesorgt haben. Ein historischer Glücksfall sei nicht
verschwiegen: Christen waren nicht zugleich auch die Kolonialherren, es gab hier keine unheilige Allianz von Kreuz
und Schwert. Ganz im Gegenteil: Christinnen und Christen, die etwas von der befreienden Kraft des Evangeliums
verstanden hatten, spielten eine wichtige Rolle bei Versuchen, das koreanische Volk von der Vorherrschaft der japanischen Kolonialherren zu befreien. Diese Tradition
wurde dann später im Widerstand gegen die Diktatur wieder lebendig. Es waren auf alle Fälle die „dunklen Zeiten“ – Kolonialherrschaft, Koreakrieg, Diktaturen –, in denen die Kirche am stärksten wuchs. Es war wohl die Botschaft, dass Gott in Christus mit den Menschen leidet und
ihnen zur Seite steht, die die Menschen angesprochen hat.
Heute gehören knapp 20 % der Bevölkerung einer der vielen protestantischen Kirchen an und fast 10 % der rasch
wachsenden katholischen Kirche. Die protestantischen Kirchen sind in sich tief gespalten. Etwa die Hälfte der Gläubigen gehört einer der Kirchen an, die fälschlicherweise
den ÖRK für synkretistisch, prokommunistisch und nicht
bibeltreu halten. Die folgenden Kirchen gehören dem Nationalen Kirchenrat (NCCK) an: Presbyterian Church in Korea (PCK), Methodisten, Presbyterian Church in the Republic of Korea (PROK), die Full Gospel Church (Pfingstkirche),
Orthodoxe, Pokum Kyo Hoe (kleine indigene „Evangelische“ Kirche), Lutheraner und die Heilsarmee. Alle Mitgliedskirchen des NCCK freuen sich darauf, gemeinsam
mit Geschwistern aus der ganzen Welt die Vollversammlung des ÖRK zu feiern.
Bedrängte Minderheit – Christen in Nordkorea
Etwa 120 000 Christen gab es in Nordkorea 1945. Die
meisten von ihnen sind in den darauffolgenden Jahren
nach Südkorea geflohen oder dorthin vertrieben worden.
Tradition und Moderne in Seoul
© Benjamin Simon
In den Jahren nach dem Koreakrieg gab es, soweit wir wissen, kein öffentliches christliches Leben in Nordkorea. Erst
in den 70er-Jahren tauchte der bereits 1946 gegründete
Nordkoreanische Christenbund wieder nach und nach in
der Öffentlichkeit auf. Nach dessen Angaben gibt es in
Nordkorea 13 000 protestantische Christinnen und Christen, die sich in zwei Kirchen in Pjöngjang und in 500 Hauskirchen zum Gottesdienst versammeln. Da die Geschichte
des Protestantismus zur Zeit der Teilung des Landes ab
1945 gerade einmal 60 Jahre alt war und die meisten
Christen in den Süden flohen, ist kaum mit einer nennenswerten Zahl von Christen aus dieser Zeit im Untergrund
zu rechnen. Jenseits der Grenze leben in China allerdings
etwa zwei Millionen koreanischstämmige Chinesen, unter
denen es viele Christen gibt. Sowohl für den Handel wie
für den Schmuggel spielt diese Region eine wichtige Rolle
und auch die Botschaft des Evangeliums wird von dort
aus, z.B. auf USB-Sticks, in Nordkorea verbreitet. Das nordkoreanische System duldet keinen Dissens und verfolgt
Menschen, die auf diese Weise mit dem Evangelium in
Kontakt kommen.
Lutz Drescher, Kwon Ho Rhee
Uri Sowonun Tongil –
Unser Wunsch ist Wiedervereinigung
Es war ein berührender Augenblick, als im Jahr 1986 über
30 Jahre nach dem verheerenden Krieg auf der koreanischen Halbinsel Vertreter des nordkoreanischen Christenbundes und des südkoreanischen Kirchenrates gemeinsam
in Glion in der Schweiz das Lied „Uri Sowonun Tongil –
Unser Wunsch ist Wiedervereinigung“ sangen und Abendmahl feierten. Eingeladen zu dieser Begegnung hatte der
ÖRK, der zwei Jahre zuvor in Tozanso in Japan eine „Internationale Konferenz zu Frieden und Gerechtigkeit in
Nordostasien“ durchgeführt hatte und die Kirchen der
Welt gebeten, sich für einen Prozess der Versöhnung, des
Friedens und der Wiedervereinigung auf der koreanischen
Halbinsel einzusetzen.
Evangelische Kirchen in Deutschland haben sich aktiv an
diesem Prozess der Vertrauensbildung und Annäherung
beteiligt. Als ein gutes Forum, um Begegnungen zwischen
Christen aus dem Norden und dem Süden auch hier zu organisieren, hat sich der Kirchentag erwiesen. Die Begegnung in Leipzig 1997 rief in Südkorea ein großes Medieninteresse hervor, denn es war die erste offizielle Begegnung von Vertretern aus beiden Landesteilen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Damals fand auch ein Treffen
mit den kirchlichen Hilfswerken statt, denn nach dem Beginn der Hungersnot 1995 in Nordkorea hatte die Katastrophenhilfe des Diakonischen Werkes Hilfe in erheblichem Umfang geleistet. Im Jahr 2001 gab es im Rahmen
des Kirchentages eine Begegnung mit dem damaligen
Bundespräsidenten Johannes Rau. Im Mai 2002 wurde
zum ersten Mal eine Delegation von EKD/EMW eingeladen, Nordkorea zu besuchen.
Bei diesem Besuch wurde die Einladung zu einer internationalen Konsultation in Deutschland ausgesprochen, die
dann im März 2004 in der Ev. Akademie Arnoldshain stattfand. Thema war: „Die Rolle der Kirchen im friedlichen Wiedervereinigungsprozess auf der koreanischen Halbinsel“.
Daran nahmen Delegierte aus Deutschland und Korea, von
ÖRK, Reformiertem Weltbund, der Christian Conference in
Asia, aus Japan, Kanada, den USA und der Schweiz teil.
2005 gab es eine zweite Besuchsgruppe aus Deutschland
in Nordkorea sowie eine Begegnung auf Einladung der
EKHN im Rahmen der Buchmesse in Frankfurt am Main.
Im Jahr 2008 fand in Arnoldshain eine Konsultation statt
zum Thema: „Frieden, Wiedervereinigung und Entwicklungszusammenarbeit auf der koreanischen Halbinsel“. Im
Anschluss daran wurde das „Ecumenical Forum for Peace,
Reunification and Development Cooperation on the Korean Peninsula“ endgültig aus der Taufe gehoben. Dass
Kirchen in Deutschland, einem Land, das selbst Teilung
und Wiedervereinigung erlebt hat, eine besondere Verantwortung dem noch immer geteilten koreanischen Volk gegenüber empfinden, hat der Rat der EKD im Jahr 2009,
zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer, zum Ausdruck gebracht. Unter Leitung des damaligen Ratsvorsitzenden Bischof Huber reiste eine Delegation nach Nord- und anschließend über Peking nach Südkorea. Von beiden Seiten
wurde die undurchdringlichste Grenze der Welt am 38.
Breitengrad besucht und beiden Seiten gesagt: „Wir stimmen ein in euren Wunsch nach Wiedervereinigung“.
Lutz Drescher
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I. AUF DEM WEG NACH BUSAN
1.3 Koreanische evangelische Gemeinden in Deutschland
In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden Krankenschwestern und Bergarbeiter aus Südkorea durch die Bundesrepublik Deutschland angeworben. Es entstanden in
der Folge vor allem in den großen deutschen Städten
Selbstorganisationen in Form von koreanischen Heimatund Kulturvereinen, Berufsverbänden sowie Sprachschulen. Diese dienten der Beheimatung der Koreaner und dem
Austausch sowie der Förderung und Pflege der koreanischen Kultur und Sprache. Mittlerweile bereichern Angestellte von südkoreanischen Firmen, Banken und anderen
Institutionen sowie vor allem Studenten, die für einige Zeit
nach Deutschland kommen, die „koreanische Community“
hierzulande.
Auch eine Vielzahl von koreanischen evangelischen Gemeinden wurde seit den 1960er-Jahren in Deutschland gegründet. Je nach Zusammensetzung und Organisationsgrad können die Anzahl und die Größe der Gemeinden variieren. Derzeit gibt es schätzungsweise 100 koreanische
Personalgemeinden in der Bundesrepublik Deutschland
mit jeweils zwischen 30 und 100, in einigen Fällen sogar
150 bis 800 Gemeindegliedern.1
Die meisten Gemeinden sind unterschiedlichen Denominationen zugeordnet, wobei sich hier ein weites Spektrum
von presbyterianisch über baptistisch, methodistisch bis
evangelikal und pfingstlerisch-charismatisch findet. Dies
spiegelt in weiten Teilen die zersplitterte Kirchenlandschaft
in Südkorea wider, die im Wesentlichen durch Missionare,
vornehmlich aus den USA und Kanada, seit Öffnung des
Landes Ende des 19. Jahrhunderts geprägt ist.
Manche Gemeinden sind selbstständig, andere wiederum
haben sich zu Verbänden und Konventen zusammengeschlossen. Je nach Denomination kooperieren manche
stark mit den Kirchen in Südkorea oder sind sogar Teil derselben. Ein unabhängiger überkonfessioneller Konvent ist
der Koreanische Evangelische Gemeindekonvent in
Deutschland (KEGD), in dem derzeit zehn koreanische
evangelische Gemeinden zusammengeschlossen sind, die
regelmäßige eigene Kirchentage sowie gemeinsame Se-
12
minare für Senioren, Frauen und Jugendliche veranstalten.
Kennzeichnend für den KEGD ist die langjährige Kooperation der Mitgliedsgemeinden mit den jeweiligen evangelischen Landeskirchen und der EKD. Das Interesse gilt u. a.
auch Veranstaltungen und Projekten für Frieden und Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel. So fanden in
Kooperation mit der EKD Konsultationen mit nord- und
südkoreanischen Kirchenvertretern in Deutschland statt,
und es gab umgekehrt auch Reisen deutscher und deutschkoreanischer Kirchenvertreter nach Nord- und Südkorea.
Die koreanischen evangelischen Gemeinden nehmen diverse Aufgaben wahr. So steht die Gemeinschaft in Jesus
Christus im Vordergrund. Das Gemeindeleben kann sehr
intensiv und vielfältig sein mit zusätzlichen (auch morgendlichen) Gottesdiensten unter der Woche, Bibelkreisen,
Glaubenskursen, Seminaren, Frauen- und Seniorenarbeit,
Gruppen für junge Erwachsene/Familien, Sonntagsschule,
Chören, Lobpreis-Teams, missionarischen und diakonischen Projekten. Neben den religiösen Bedürfnissen werden die Gemeinden aber auch sozialen und kulturellen Bedürfnissen gerecht. Es werden in manchen Gemeinden
Kalligraphie-, Mal-, Bastel-, Tanz- und Tai-Chi-Kurse sowie
Konzerte, Vorträge und Symposien angeboten. Manche
Gemeinden wie die Koreanische Evangelische Gemeinde
im Rhein-Main-Gebiet setzen sich unermüdlich für Demokratie und Menschenrechte, für soziale Gerechtigkeit, für
die Wiedervereinigung Koreas und für Frieden auf der koreanischen Halbinsel ein.
Die Kooperation mit den deutschen evangelischen Gemeinden ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Meist beschränkt sich diese auf gelegentliche „ökumenische“ Gottesdienste, Feste und Konzerte mit den gastgebenden
deutschen Gemeinden. Manchmal werden gemeinsame
Bibelkreise, Missionsprojekte, Pilgerfahrten und Partnerschaftsgruppen organisiert.
Im landeskirchlichen Bereich finden sich noch weitreichendere Kooperationsformen. So trat die evangelische koreanische Nambugemeinde 2010 der Friedenskirchenge-
meinde Stuttgart bei als eigenständige Gruppe mit Vertretung auch im Kirchengemeinderat. Die Koreanische Evangelische Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet in Frankfurt am
Main mit weiteren Predigtstätten in Mainz-Kastel und
Worms ist 2001 sogar als eigenständige Gemeinde in die
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) aufgenommen worden. Beide Gemeinden sind auch Mitglieder
im KEGD.
Die Herausforderungen, denen sich derzeit die koreanischen evangelischen Gemeinden zu stellen haben, sind die
zunehmende Überalterung mit der Notwendigkeit der
Staffelübergabe an die nächste Generation, die Notwendigkeit von Fusionen, die stärkere Öffnung auch für nicht
koreanisch-sprachige Menschen und die Ausweitung der
ökumenischen Kontakte und Kooperationen.
Hier böten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte mit den
deutschen Gemeinden, die wiederum Mut zur verstärkten
ökumenischen Zusammenarbeit haben sollten, da sich
diese als fruchtbar erweisen kann und Teil unseres Glaubens sein sollte, denn „also sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied“ (Römer
12, 5).
Dr. Jun-Suk Kang, Kirchenvorstandsmitglied
der Koreanischen Evangelischen Gemeinde
im Rhein-Main-Gebiet der EKHN
1
eigene Schätzungen
Gemeinsam Kirche sein
Internationaler Konvent christlicher Gemeinden in Baden
© Benjamin Simon
Internationaler Gottesdienst in der Evangelischen Mission
in Solidarität
© EMS, Corinna Waltz
13
I. AUF DEM WEG NACH BUSAN
1.4 Besondere Gottesdienste in Korea – einige Eindrücke
a) Koreanisches Morgengebet
Ein Koreaner in Deutschland
Mein koreanischer Kollege Kwon Ho Rhee erzählte mir davon, dass er als Pfarrer der koreanischen Gemeinde in
Münster jeden Morgen einen Gottesdienst per Skype halten musste. Ich war erstaunt, konnte das kaum glauben
und fragte nach.
Er erzählte mir, dass für Christen in Korea die Bibel und
das Morgengebet unheimlich wichtig sind. Viele besuchen
es ganz regelmäßig. Noch bevor die Menschen zur Arbeit
oder zur Schule gehen, gibt es die ersten Gottesdienste,
und zwar zwischen 4.30 Uhr und 8 Uhr. Die Kirchen sind
dann ganz voll. Danach wird oft noch gemeinsam gefrühstückt.
Hier in Deutschland, erzählte er dann weiter, ist das natürlich anders. Die Gemeindemitglieder wohnen viel zu
weit auseinander, und es ist auch nicht leicht, morgens um
halb fünf einen geeigneten Raum zu finden. Allerdings
wollten manche seiner Gemeindeglieder auch in Münster
nicht darauf verzichten. Dann schlug jemand vor: „Wir
können doch per Skype beten.“ So kam es zu den morgendlichen Skype-Gottesdiensten als ein Stück Korea in
Deutschland.
Ravinder Salooja
Eine Deutsche in Korea
Corinna Waltz, Redakteurin bei der EMS, schreibt in ihrem
Artikel „Mit Disziplin zum Erfolg“ (darum 1/2013) auch
über die Morgengebete koreanischer Christen:
„Disziplin scheint mir auch das Zauberwort für die Morgengebete, eine Besonderheit des koreanischen Christentums. Anders kann ich mir nicht erklären, dass an einem
Freitagmorgen um 6 Uhr die Kirche der Sarang-Church im
Süden Seouls so voll ist.
14
Jeden Morgen treffen sich hier rund 2 000 Gemeindeglieder – an Samstagen noch weit mehr – zum gemeinsamen
Gebet. ‚Wir ermutigen unsere Gemeindemitglieder, mindestens einmal pro Woche zu kommen, möglichst als
ganze Familie, um gemeinsam zu beten und sich auf den
sonntäglichen Gottesdienst vorzubereiten‘, erklärt mir einer der 150 Pastoren der Gemeinde. Die Sarang-Church
gehört mit rund 40 000 Mitgliedern zu den Mega-Kirchen
in Korea. Als ich ankomme, sind fast alle Bänke bereits besetzt. Auch wenn manche noch sehr verschlafen in ihre
Gesangbücher schauen: Sie singen doch lautstark mit, angeleitet von einem stimmgewaltigen Chor und dem Pastor
am Rednerpult. Neben Liedern und Gebeten gibt es auch
eine Predigt. Heute geht es um eine Stelle aus dem Römerbrief.
Nach gut einer Stunde ist der Gottesdienst vorüber, doch
die Menschen bleiben noch sitzen, das Licht wird gedimmt
und sie beten weiter. Beten für ihre Familie, für ihre Gemeinde und für ihr Land.“
Corinna Waltz
b) Liturgie und Widerstand:
Politische Gebete in Korea
In Korea hat der christliche Widerstand Tradition. Schon
während der japanischen Besatzungszeit zu Anfang des
20. Jahrhunderts war die erst kurz vorher ins Koreanische
übersetzte Bibel ein Zeichen des Widerstandes gegen die
Unterdrückung der koreanischen Sprache und Kultur.
Christinnen und Christen waren maßgeblich an der Entstehung und Verbreitung der Unabhängigkeitserklärung
vom 1. März 1919 beteiligt. So hatte das koreanische
Christentum von Anfang an etwas Politisches, sich Widersetzendes.
In den Jahren der Diktatur wurde die Demokratiebewegung maßgeblich von Christinnen und Christen mitgetragen. Aus dem Widerstand gegen politische Unterdrückung
durch gewalttätige Militärregime entstand die sogenannte
Minjung-Theologie (Minjung: kor. für das einfache Volk,
die leidende Unterschicht), die koreanische Befreiungstheologie.
Bis heute herrscht unter vielen koreanischen Christinnen
und Christen ein starkes Bewusstsein für Ungerechtigkeit
in der Gesellschaft; christlicher Protest wird als Solidarität
mit dem Minjung als Ebenbild Christi verstanden. In der
Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea (PROK)
gibt es ein Komitee für „Gerechtigkeit, Frieden und Erhalt
der Schöpfung“. Die Übergänge sind fließend. Mittwochs
wird beispielsweise während einer seit 20 Jahren wöchentlich stattfindenden Demo für die sog. Trostfrauen für
ihre Heilung, Entschädigung und gegen das Vergessen von
Kriegsverbrechen gebetet. Ähnlich verbinden sich Gottesdienste mit Demonstrationen donnerstags bei der Kerzenschein-Nachtwache oder im Rahmen der Passionsgebete
etwa gegen das Vier-Flüsse-Projekt, den Bau der Militärbasis im Dorf Kangjoeng auf der Insel Jeju, gegen den
Landfraß durch Golfplätze, für Entschädigung der entlassenen 3 500 Mitarbeiter des Autoherstellers Ssangyong
Motors, für die ehemaligen Bewohner des Stadtteils Yongsan, die dem Apartmentbau weichen mussten, oder für
Versöhnung, Frieden und Wiedervereinigung.
Ein Erfahrungsbericht (März 2012):
„Langsam neigt sich der Abend über Seoul. Wir knien auf
dünnen Sitzkissen mitten im Feierabendverkehr auf einem
Mittelstreifen im Zentrum Seouls. Um mich herum etwa
100 Menschen. Über uns wehen die Protestbanner im eisigen Wind, zwei Sterne leuchten tapfer zwischen den
Leuchtreklamen der Hochhäuser am klaren Abendhimmel.
Auf einer kleinen Bühne wechseln sich die Pfarrer im lauten Gebet ab, zwischendurch singt ein Studentenchor. Aus
den Augenwinkeln sehe ich, wie sich immer mehr Polizisten um uns sammeln. Ihre Zahl übersteigt die unsere nach
kurzer Zeit. Ich schließe die Augen ... und bete. Ein Schal
legt sich auf meine von der Kälte gefühllosen Hände. Die
Frau neben mir rutscht ein bisschen näher, auch sie friert
sehr. Sie heißt Frau Lee und spricht sehr gut deutsch. Ich
verstehe von den Reden nur Bruchteile. Geschichte. Kampf.
Frieden. Leben. Immer wieder fällt der Name des Präsidenten. ‚Er ist kein guter Präsident‘, sagt Frau Lee neben mir,
‚er tut viele schlechte Dinge, das schmerzt mich sehr.‘ Die
Chor der methodistischen Bupyeong Gemeinde, Incheon
© Benjamin Simon
Militärbasis auf Jeju, die harte Linie gegen Nordkorea, ein
Freihandelsabkommen, Öldeals mit Saudi-Arabien, ein
Atomgipfel. ‚Es sind ja bald Wahlen‘, sage ich. ‚Hoffen wir,
dass dort alles mit rechten Dingen zugeht‘ antwortet sie.
Ich bin erstaunt über ihr mangelndes Vertrauen in die Demokratie. Immerhin dürfen wir hier, mitten in Seoul, uns
treffen, öffentlich beten und die Regierung kritisieren.
Nach etwa einer Stunde wollen wir zu einem kleinen Demozug aufbrechen, doch wir kommen nicht weit. Ein Heer
von Polizisten steht uns gegenüber, ohne Grund und Erklärung verweigern sie uns den Weg. Die Demonstranten
sind frustriert, die Stimmung ist angespannt. Es wird geschubst und gedrängelt, aber es bleibt ruhig. Nach einer
Weile verläuft sich die Gruppe der Demonstranten enttäuscht.“
Karina Schumacher
Korea-Blog von Karina Schumacher:
www.ems-online.org/programme/oekumenischemitarbeitende/erfahrungsbericht/blog-korea/
15
II. GOTTESDIENST FEIERN
MIT DEM GOTT DES LEBENS
2.1 Gottesdienstentwurf für den 3.11.2013 oder einen
anderen Gottesdienst im Umfeld der Vollversammlung
Weise uns den Weg zu Gerechtigkeit
und Frieden – Gottesdienst feiern mit
dem Gott des Lebens
Ankommen
Musik zum Eingang
Eröffnung
Vorbemerkung
Der Gottesdienst bietet viele Möglichkeiten auszuwählen und die Liturgie den örtlichen Gegebenheiten anzupassen.
Dieses Zeichen weist auf Varianten hin.
Sie finden sie ab Seite 24.
Hier stehen die Liedvorschläge.
Für jedes Lied wird alternativ ein ökumenisches Lied
(ÖL) und ein Gesangbuchlied (EG) vorgeschlagen.
Die ökumenischen Lieder sind ab Seite 38 abgedruckt.
Auf www.wcc2013.info finden sich noch weitere Lieder
– wenn Chöre oder eine Band den Gottesdienst mitgestalten.
Während der folgenden Eingangsworte werden die angegebenen Symbole von Mitwirkenden zum Altar getragen.
L:
G:
Am Anfang, als noch kein Leben war,
ließ Gott einen Nebel aufsteigen von der Erde
um das ganze Land zu befeuchten
und da war Leben.
Eine Pflanze wird hereingetragen.
L:
G:
Als der Tod die Erde bedeckt hielt
und die Verzweiflung stärker als das Leben war,
brachte Jesus Hoffnung durch den Tod am Kreuz
und da war Leben.
Ein Kreuz wird hereingetragen.
Der Gottesdienst nimmt das Wegmotiv immer wieder
auf. Dies wird auch an den drei Stellen deutlich, an denen zunächst Pflanze, Kreuz und Kerze, dann die Bibel
und schließlich die Abendmahlsgaben nach vorne gebracht werden.
Überlegen Sie doch, was in Ihrer Gemeinde passend ist
und wie das Motiv des Weges erlebt werden kann.
L:
Liturg, Liturgin
G: Gemeinde
Spr.: Sprecher, Sprecherin für überleitende Texte
16
L:
G:
Wenn die Menschen ihrer eigenen Macht vertrauen
und Unrecht die ganze Schöpfung verdirbt,
führt uns Gottes Geist auf den rechten Weg
und da war Leben.
Eine Kerze wird hereingetragen, mit der die Altarkerzen
entzündet werden.
Text: Internationaler Liturgie-Workshop des ÖRK, Seoul 2012 © ÖRK
Alternatives Eröffnungsgebet: Seite 24
Votum
Psalm 36, 6–10
L:
Im Wechsel gesprochen:
G:
Wir feiern Gottesdienst
im Namen Gottes, der uns alle ins Leben gerufen
hat.
Im Namen Jesu Christi, der unser Leben heilt und
erneuert.
Im Namen des Heiligen Geistes, der uns zu neuem
Leben erweckt.
Amen
Einführung
Spr.: „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden.“ Diese Worte sollen uns durch
den heutigen Gottesdienst begleiten. Wir feiern verbunden mit Christinnen und Christen aus aller Welt,
die sich unter diesem Leitwort zur 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Busan
in Südkorea zusammengefunden haben.
Viele Gebete und Lieder dieses Gottesdienstes sind
in Vorbereitung auf diese Vollversammlung entstanden und nehmen uns mit nach Südkorea und hinein
in die Gemeinschaft von Christinnen und Christen
weltweit.
Und so ist dieser Gottesdienst selber ein Stück Weg:
ein Stück auf dem Weg zu Gemeinschaft und
Einheit der Christenheit,
ein Schritt auf dem Weg zu Gerechtigkeit
und Frieden.
Möge der Gott des Lebens uns auf dem Weg
durch diesen Gottesdienst begleiten:
im gemeinsamen Erinnern, Klagen und Bitten,
in der Ermutigung durch sein Wort. Und möge er
uns stärken durch sein Mahl zum gemeinsamen
Zeugnis.
HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes
und dein Recht wie die große Tiefe.
HERR, du hilfst Menschen und Tieren.
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel
Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern
deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne
wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.
oder Psalmwort:
L:
Weise mir, HERR, deinen Weg,
dass ich wandle in deiner Wahrheit,
erhalte mein Herz bei dem einen,
dass ich deinen Namen fürchte. (Psalm 86, 11)
Gloria Patria
G:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn
und dem Heiligen Geist, wie es war
im Anfang, jetzt und immerdar
und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Lied:
 Ich mach Station am Weg, ÖL 1
 Nun singe Lob, du Christenheit, EG 265
 Ich lobe dich von ganzer Seele, EG 293
17
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Klage – Umkehr – Neuanfang
Bußgebet
Dieses Sündenbekenntnis wurde von Teilnehmern eines internationalen ökumenischen Workshops in Seoul formuliert. Die Sprachen, in denen die Bitte „Gott, vergib uns“
gesprochen wird, können natürlich entsprechend den örtlichen Möglichkeiten variiert werden. Wenn Sie mögen ergänzen Sie vor jeder Bitte: „In der Sprache unseren Geschwistern in Korea / Indien / im Nahen Osten usw. bitten
wir: Vergib uns, Gott.“
Spr.: Lasst uns einstimmen in das Gebet von Christen
und Christinnen aus aller Welt und in vielen Sprachen antworten: Vergib uns, Gott.
Weise uns den Weg …
Woher kommen wir, wohin sollen wir gehen?
Um Schritte auf dem Weg zu Gerechtigkeit und
Frieden zu finden, müssen wir innehalten
und das vor Gott bringen, was uns belastet.
Vor Gott bringen, worunter Menschen
weltweit leiden,
bei Gott einen Neuanfang suchen.
G:
L:
G:
L:
G:
L:
L:
G:
L:
G:
L:
18
Gott des Lebens,
du gabst uns den Auftrag, deine Schöpfung
zu bewahren,
wir aber haben nur an uns selbst gedacht
und haben deine Schöpfung ausgebeutet
und zerstört.
Ju Yeon, yong seo ha so seo (koreanisch)
Gott der Gerechtigkeit,
du gabst uns den Auftrag, für das Leben
deiner Geschöpfe Sorge zu tragen.
Wir aber in unserer Gier häufen die Schätze
der Natur zu unserem Eigennutz an
und lassen die ökologischen Schulden
in der Welt weiterbestehen.
Parameshwar, hame ksama karo (hindi)
Gott, Brot des Lebens,
du gabst uns den Auftrag, die Hungrigen zu speisen
und gabst uns genügend Nahrung für jedes
Lebewesen.
G:
L:
Wir aber, weil wir nicht genug bekommen können
und die Bedürfnisse anderer vergessen,
nehmen uns mehr, als wir brauchen,
und vernichten Lebensmittel.
Ya Rab, ighfer lana (arabisch)
Gott des Mitgefühls,
du gabst uns den Auftrag, einander zu lieben
wie du uns liebst.
Wir aber lieben oft nur unseren eigenen Vorteil
und Profit.
Wir fördern einen Konsumstil,
der nicht nachhaltig ist
und verweigern anderen die Mittel
zu erfülltem Leben.
Kami yo, yurushite kudasai (japanisch)
Gott der Freiheit,
du gabst uns den Auftrag, zu vergeben.
Wir aber sind anderen gegenüber oft gleichgültig
und abweisend.
Wir vergeben unseren Feinden nicht
und geben unseren Schuldnern keinen Erlass.
Herre, tilgiv os (dänisch)
Gott des Friedens,
du gabst uns den Auftrag, in Frieden zu leben.
Wir aber lieben die Macht,
herrschen über andere,
verbreiten Hass und wählen den Krieg.
Mwari, tiregereiwo (shona)
Gnädiger Gott,
höre unser Bekenntnis,
vergib uns und erbarme dich unser.
Amen
Sündenbekenntnis mit koreanischen Elementen:
Seite 24
Lied:
je nach örtlicher Tradition:
 zusätzlich Kyrie-Gesang
 orthodoxes Kyrie eleision: EG 178.9 (Ukraine)
 koreanisches Bittlied:
Komm nun, Fürst des Friedens (Ososô), ÖL 2
Zuspruch
Spr.: Wenn wir umkehren und neue Wege gehen,
lasst uns auf das vertrauen,
was Gott uns zusagt durch den Trost des
Evangeliums und in den Worten der Propheten:
L:
Wort hören und deinen Weisungen folgen.
Amen
Biblische Lesung(en)
Spr.: Gottes Wort, wie es uns in der Bibel überliefert
wird, ist der Wegweiser für unsere Pilgerreise.
So hört der Prophet Hesekiel die Worte Gottes:
Die Bibel wird hereingetragen.
Ich will euch ein neues Herz und einen
neuen Geist geben.
Ich will meinen Geist in euch geben
und will solche Leute aus euch machen,
die in meinen Weisungen wandeln
und meine Rechte halten und danach tun.
(Hesekiel 36, 26 f.)
Aus der hebräischen Bibel hören wir Worte des
Propheten Jesaja. Sie haben Edwin Haaink angeregt, das Logo zu gestalten. Die Basis des Logos
sind Worte, die Bitte an den Gott des Lebens:
„Weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden.“ Darüber ein Zweig, der hoffnungsvoll aus
Felsen zum Himmel wächst. Ein Zeichen der Hoffnung auf Leben, Gerechtigkeit und Frieden.
Drei Vögel verbreiten die Nachricht in alle Welt.
Gloriagesang im Wechsel
(nach örtlicher Tradition)
oder/und
L:
Lied:
 Gloria en los altos a Dios/Ehre in der Höh‘
sei Gott (Kehrvers), ÖL 3
 Allein Gott in der Höh’ sei Ehr, EG 179
Gottes Botschaft hören
und darauf antworten
Tagesgebet
L:
Du, Gott aller Völker und aller Nationen,
in deinem Namen sind wir zusammengekommen
mit allem, was uns erfreut und bedrückt,
mit unseren Sehnsüchten und Hoffnungen.
Wir danken dir für die Fülle des Lebens,
die du uns geschenkt hast.
Wir danken dir für die wunderbare Schöpfung
und die Vielfalt der Traditionen.
Wir kommen zu dir auch mit unseren Sorgen
um deine Schöpfung, um gerechte Strukturen
und um ein Leben in Frieden.
Bleibe bei uns, wenn unsere Hoffnungen
zerbrechen.
Öffne unsere Augen für deine Nähe, mache uns
Mut und stärke unseren schwachen Glauben.
Öffne unsere Ohren und Herzen, damit wir dein
Beim Propheten Jesaja im 42. Kapitel,
in den Versen 1–4 heißt es:
Siehe, das ist mein Knecht – ich halte ihn –
und mein Auserwählter, an dem meine Seele
Wohlgefallen hat.
Ich habe ihm meinen Geist gegeben;
er wird das Recht unter die Heiden bringen.
Er wird nicht schreien noch rufen, und seine
Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen,
und den glimmenden Docht wird er nicht
auslöschen.
In Treue trägt er das Recht hinaus.
Er selbst wird nicht verlöschen und nicht
zerbrechen,
bis er auf Erden das Recht aufrichte;
und die Inseln warten auf seine Weisung.
Lied:
 Halleluja aus Syrien, ÖL 4
 Halleluja, z. B. EG 181
Spr.: Wegweisung erfahren auch die Jünger auf dem
Weg nach Emmaus. Die Begegnung mit einem
Fremden bringt sie dazu, ihre eigene Geschichte
und die Bibel neu zu verstehen und einen neuen
Weg einzuschlagen:
19
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Lesung aus dem Evangelium
nach Lukas 24, 13–35
Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem
Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von
Jerusalem entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all
das, was sich ereignet hatte.
Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten,
kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. Doch sie waren wie
mit Blindheit geschlagen, sodass sie ihn nicht erkannten.
Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen,
und der eine von ihnen – er hieß Kleopas – antwortete
ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als einziger
nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Er
fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus
aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat
vor Gott und dem ganzen Volk. Doch unsere Hohenpriester
und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz
schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft, dass er der sei,
der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der
dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist. Aber nicht nur
das: Auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in
große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim
Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und
hätten gesagt, er lebe. Einige von uns gingen dann zum
Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten;
ihn selbst aber sahen sie nicht.
Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer
fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt
haben. Musste nicht der Messias all das erleiden, um so
in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar,
ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren.
Jesus tat, als wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn
und sagten: Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend,
der Tag hat sich schon geneigt. Da ging er mit hinein, um
bei ihnen zu bleiben. Und als er mit ihnen bei Tisch war,
nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und
gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr. Und sie sagten
zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er
20
unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?
Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten
nach Jerusalem zurück und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen. Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn
erkannt hatten, als er das Brot brach.
(Einheitsübersetzung)
Spr.: Wir antworten auf diese Lesung und stimmen ein
in die Freude, die die Jünger auf dem Weg
erfahren haben, indem wir das koreanische
Lied singen: Auf diese Erde kam Jesus, zu uns!
Lied:
 Auf diese Erde kam Jesus (Korea), ÖL 5
 Vertraut den neuen Wegen, EG 395
Glaubensbekenntnis
Apostolisches Glaubensbekenntnis
oder
Spr.: Lasst uns miteinander in die „ökumenische Vision“
einstimmen, mit der sich die Vollversammlung in Harare, bei der der ÖRK 1998 sein 50-jähriges Bestehen feierte, zum ökumenischen Weg bekannt hat.
G:
Wir bekräftigen erneut unseren Auftrag,
hier und heute erkennbar werden zu lassen,
wozu Gottes Volk berufen ist.
Spr.: Darum sagen wir: Wir sind unterwegs als Volk,
das durch Gottes Vergebung befreit ist.
Inmitten unserer zerrissenen Welt verkündigen wir
die frohe Botschaft von Versöhnung, Heilung und
Gerechtigkeit in Christus.
Wir sind unterwegs als Volk, das aus dem Auferstehungsglauben lebt. Inmitten von Ausgrenzung
und Verzweiflung vertrauen wir in Freude und
Hoffnung auf die Verheißung des Lebens in Fülle.
Wir sind unterwegs als Volk, das aus dem Gebet
lebt. Inmitten von Verwirrung und Identitätsverlust
erkennen wir Zeichen der Verwirklichung von
Gottes Plan und erwarten sein kommendes Reich.
G:
Fürbitten
Gesungener Liedruf zu den Fürbitten:
 God of life, lead us to justice and peace, ÖL 7
 Höre, höre uns Gott (Korea), EG 565 (Hessen)
Dies ist daher unsere Vision für die
ökumenische Bewegung:
L:
Spr.: Wir sehnen uns nach dem sichtbaren Einssein des
Leibes Christi, wenn die Gaben aller anerkannt
werden, der Jungen und Alten, Frauen und
Männer, Laien und Ordinierten.
Wir erwarten die Heilung menschlicher Gemeinschaft und das Wohlergehen von Gottes ganzer
Schöpfung.
Wir vertrauen auf die befreiende Kraft der Vergebung, die Feindschaft in Freundschaft verwandelt
und den Teufelskreis der Gewalt durchbricht.
Wir öffnen uns für eine Kultur des Dialogs und
der Solidarität im Zusammenleben mit Fremden
und der bewussten Begegnung mit Menschen
anderen Glaubens.
G:
Dies ist unsere Verpflichtung:
Wir haben den festen Willen, beieinander
zu bleiben, und wollen nicht ablassen,
zusammenzuwachsen in der Einheit.
©
ÖRK
Den vollständigen Text finden Sie u.a. auf www.busan2013.de
Weitere ökumenische Bekenntnistexte s. Seite 25
Lasst uns miteinander und füreinander beten:
Spr.: Gott, du Quelle allen Lebens,
wir danken dir für die Schönheit
und den Reichtum deiner Schöpfung.
Verwandle uns und erhelle uns und unser Leben.
Hilf uns, dass wir das werden,
wofür du uns geschaffen hast.
Wir rufen zu dir:
G:
Liedruf
Spr.: Hilf uns, dass wir mit Ehrfurcht und Respekt
mit deiner Schöpfung umgehen und sie lieben.
Mach uns sensibel für die Wunden der Erde und
bereit, uns für die Heilung der ganzen Schöpfung
einzusetzen.
Befähige uns, dass wir über unseren Tellerrand
hinausblicken und uns über die weitreichende
Konsequenz unseres Handelns bewusst sind.
Gib uns den Mut zur Umkehr, dass wir unseren
Lebensstil im Interesse deiner Schöpfung
gestalten und neue Wege einschlagen.
Wir rufen zu dir:
G:
Liedruf
Predigt
Eine ausgeführte Predigt zum Thema der Vollversammlung finden Sie auf Seite 29.
Lied:
 God of life (auch als Kanon!), ÖL 6
 Gott gab uns Atem, EG 432
Spr.: Du Gott der Gerechtigkeit, wir bringen heute vor
dich die Menschen in den verschiedenen Teilen
der Welt, denen die Grundlagen des Lebens
weggenommen wurden.
Wir bitten für die Menschen, die von
Naturkatastrophen betroffen sind,
dass ihnen geholfen wird.
Hilf uns und gib uns den Mut, dass wir für
gerechte Strukturen und für gerechte Verteilung
der Ressourcen eintreten und Besitz als
Verpflichtung verstehen.
G:
Liedruf
21
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Spr.: Du Gott des Friedens, schenke uns
deinen Frieden für die ganze Welt.
Lass uns nicht kraftlos vor der Gewalt resignieren.
Segne uns mit Phantasie und Visionen
für Versöhnung und Friedensstiftung.
Insbesondere bitten wir dich für einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel und
für die Menschen, die unter der Teilung leiden.
Weise den Verantwortlichen den Weg
zu Frieden und Versöhnung.
G:
Gebet vor dem Abendmahl
L:
Liedruf
Spr.: Hilf uns, dass deine Weisungen uns befähigen,
die trennenden Mauern und Schranken zwischen
uns Christen und den Menschen in aller Welt zu
überwinden und als Menschen in der einen Welt
zusammenzuwachsen.
Gib deiner Kirche eine Vision von Einheit,
zu der du sie gerufen hast.
Schenke uns Mut und Demut, Geduld und deine
Gnade, nach dieser Einheit zu trachten.
G:
Liedruf
Vorschlag für gestaltete Fürbitten: Seite 26
Abendmahl feiern
Einleitung zum Abendmahl
Spr.: In der Geschichte der Emmausjünger im Lukasevangelium heißt es: „Und es geschah, als er
mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte,
brach‘s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen
geöffnet und sie erkannten ihn.“
Lasst uns miteinander Abendmahl feiern.
Lied:
 Deus da vida, Gott des Lebens, ÖL 8
 Kommt mit Gaben und Lobgesang, EG 229
Während des Liedes werden Brot und Wein
zum Altar getragen.
22
Lebendiger Gott,
wenn wir unterwegs sind auf unseren Wegen durch
einen oft grauen Alltag, ohne große Erwartungen
und Hoffnungen, dann lass uns die Menschen, die
uns begegnen, aufmerksam wahrnehmen.
Öffne unsere Ohren, dass wir ihre Geschichten hören und unsere Geschichten mit ihnen teilen.
Begegne uns auf unseren Wegen, Gott, tritt uns in
den Weg, begleite uns. Lass uns hören auf die Worte
der Frau, die uns anspricht in einer anderen Sprache, mit einer anderen Kultur, auf die Worte des
Mannes, dessen Herkunft oder Lebensweise uns
fremd sind.
Lass uns in der Weggemeinschaft mit den Anderen
neu entdecken, dass du in Christus uns und die
ganze Schöpfung erlöst und befreist. Lass uns neu
verstehen, dass Christus gelitten hat und gestorben
ist, damit wir neues Leben erfahren, Heil, Gerechtigkeit, Frieden.
Gott des Lebens, lass unsere Herzen brennen, sodass die frohe Botschaft vom Leben in Fülle uns anrührt und verwandelt und unsere Schritte beflügelt.
Bleibe bei uns, Jesus. Wenn wir das Brot brechen
und über dem Kelch Dank sagen, dann lass unsere
Augen aufgehen, dass wir gewiss werden, dass du
unter uns gegenwärtig bist. Stärke uns für den Weg
der Gerechtigkeit und des Friedens. Hilf uns, dir
nachzufolgen und mit den Menschen und unserer
Mitwelt in ihrem Leben und Leiden solidarisch zu
sein. Mache uns zu leidenschaftlichen Zeuginnen
und Zeugen des Lebens.
Das bitten wir im Namen Jesu Christi und singen
G:
Heilig, heilig … gemäß örtlicher Tradition
oder: Hagios o theos, EG 185.4
Einsetzungsworte und Vaterunser
L:
So feiern wir, Gott, verbunden mit der
weltweiten Kirche, das Gedächtnis, das dein Sohn
uns gestiftet hat. In seinem Namen bitten wir:
Sende deinen Geist, der lebendig macht.
Auszug nach dem Eröffnungsgottesdienst
der Vollversammlung 2006
© ÖRK, Paulino Menezes
Erlöse uns zu der Freiheit, die wir an deinem Sohn
erkennen. Mach uns eins in der geschwisterlichen
Liebe, die er schenkt und unter uns hervorruft.
Mit seinen Worten beten wir zu Dir:
Vater unser im Himmel …
Gesendet und gesegnet weitergehen
G:
Christe, Du Lamm Gottes
oder: Lamm Gottes, ÖL 9
Friedensgruß
L:
Christus tritt mitten unter uns und spricht:
„Friede sei mit euch!“
Gebt einander ein Zeichen des Friedens.
Einladung und Austeilung
Gebet nach dem Abendmahl
L:
Gott, wir danken dir, dass du uns in Brot und Wein
Leben zu schmecken gibst.
Mit lauschenden Ohren und Herzen, mit offenen
Sinnen und mutigen Schritten gehen wir gemeinsam weiter auf dem Weg mit Christus. Vertrauend
auf die Verheißung, die wir empfangen haben, brechen wir auf zu einer Pilgerreise der Gerechtigkeit
und des Friedens – in der Feier des Glaubens, im gemeinsamen Zeugnis der Hoffnung und in einem Leben leidenschaftlicher Liebe.
Gib uns die Kraft deines Geistes, Gott, und lass sie
uns in die Füße gehen,
dass wir uns in deinem Frieden miteinander auf den
Weg machen und das Leben verkündigen, das du
uns zu schmecken gabst. Amen.
ggf. Lied:
 Gib mir deine Hand, ÖL 10
 Christ is our peace, ÖL 11
 Wenn wir jetzt weitergehen, EG 168, 4 ff.
Abkündigungen
Lied:
 My peace, ÖL 12
 Bewahre uns, Gott, EG 171
Sendung und Segen
Auf unserem Weg lass uns besonnen mit dir gehen,
Gott des Lebens.
Auf unserem Weg
leite uns, wenn wir uns versammeln,
beten und beraten in der Nachfolge Christi.
Auf unserem Weg
weise uns in Richtung Gerechtigkeit und Frieden,
voller Freude im Heiligen Geist.
Amen
Segen
Musik zum Ausgang
Wir schlagen vor, einen Auszug der Mitwirkenden,
dem sich die Gemeinde anschließt, zu gestalten. Ein Lied
aus dem Gottesdienst kann dabei wieder angestimmt werden. Der Auszug kann zum Kirchkaffee mit Gesprächen
über Hoffnungsgeschichten überleiten (Seite 28, 55 ff.).
Susanne Gölz, Anne Heitmann, Stefan Küchler,
Kwon Ho Rhee, Ravinder Salooja,
Ulrike Schmidt-Hesse, Johny Thonipara
23
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
2.2 Varianten für die Liturgie
a) Eröffnungsgebet
Gott, du Quelle allen Lebens,
die Schönheit und der Reichtum deiner Schöpfung und die
Vielfalt des Lebens rühmen deinen Namen.
Dein Name ist in jedes Blatt geschrieben, ist in jedem
Menschen, jedem Vogel, jedem Fluss, jedem Stein und in
jedem Lebewesen.
Alle: Wir danken dir für das Geschenk des Lebens.
Du Gott der Gerechtigkeit,
du hältst dich an deine Verheißungen.
Du bist treu und gerecht.
Du hast uns gute und richtige Ordnungen
und Weisungen gegeben.
Alle: Gott des Lebens, weise uns den Weg
zur Gerechtigkeit.
Du Gott des Friedens,
dein Friede bedeutet Vollkommenheit, Stabilität,
Fülle des Lebens und Freiheit.
Du hast uns den Geist des Friedens geschenkt,
um Feindschaft und Uneinigkeit zu überwinden.
Alle: Gott des Lebens, weise uns den Weg
zu deinem Frieden.
Gott des Lebens,
öffne unsere Ohren und Herzen, damit wir dein Wort hören und deinen Weisungen folgen.
Alle: Gott des Lebens, weise uns den Weg
zu Gerechtigkeit und Frieden.
Johny Thonipara
24
b) Sündenbekenntnis mit
koreanischen Elementen –
Variante zum Kyrie-Teil
Sambo Ilbae
Im Gottesdienst kann das Gebet folgendermaßen eingeleitet werden:
Spr.: Das folgende Sündenbekenntnis nimmt Elemente
eines Rituals aus der koreanischen Kultur auf.
Es heißt Sambo Ilbae, zu deutsch:
drei Schritte, eine Verbeugung. Dabei geht es
um Verehrung, Reue und Hingabe.
Dieses Ritual kommt ursprünglich aus dem
Buddhismus. Es wird aber, z. B. bei gemeinsamen
politischen Gebeten, auch von koreanischen
Christen und Menschen anderen Glaubens praktiziert. Für uns heute bedeuten diese drei Schritte:
Reue, Umkehr und Verpflichtung.
Ich lade Sie ein, diese Schritte mitzumachen.
Nach jedem Schritt bleiben wir stehen und hören
den entsprechenden Text und halten für einen
Moment Stille. Als ein Zeichen der Reue, Umkehr
und Verpflichtung wollen wir am Ende eine tiefe
Verneigung machen.
L:
Wir machen einen ersten Schritt. (Stille)
Gott, es leiden so unendlich viele Menschen
auf unserer Erde. Wir bereuen, Gott, dass wir
als Kirchen so zerrissen sind. Unsere Stimme ist
schwach und wir sind so sehr verwoben mit den
Strukturen von Macht in unseren Ländern und mit
den Geldströmen unserer Wirtschaftszentren. Gott
des Lebens, erbarme dich; weise uns den Weg.
Wir machen einen zweiten Schritt. (Stille)
Gott, dein Wort ruft uns zur Umkehr, jeden Tag
neu. Stärke in uns die Bereitschaft, genau hinzusehen und nicht wegzuschauen. Lass uns erkennen, wo unsere Umkehr gefordert ist: in unserem
eigenen Leben, im Leben und Handeln unserer
Kirchen, in den Entscheidungen und Wirkungen
im politischen Raum. Gott des Lebens, erbarme
dich; weise uns den Weg zur Gerechtigkeit.
Nagelkreuz in der Kapelle des
ökumenischen Zentrums in Genf
© Anne Heitmann
Wir machen einen dritten Schritt. (Stille)
Gott, wenn wir uns auf unseren Weg nach Busan
begeben, dann wollen wir unsere Herzen und
Sinne öffnen für unsere Schwestern und Brüder
aus all den Ländern unserer Erde. Wir wollen uns
verpflichten, auf ihre Stimmen zu hören, auf ihre
Erfahrungen, auf ihr Leiden, auf ihren Kampf –
und auf alle geglückten Schritte zu einem
besseren Leben. Gott des Lebens, erbarme dich;
weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden.
Wir machen eine Verbeugung. (Stille)
Johny Thonipara, Friedhelm Pieper
c) Alternative Bekenntnistexte
aus Korea und der Ökumene
Glaubensbekenntnis nach dem 1. Abschnitt
der Missionserklärung „Gemeinsam für das Leben“
(ÖRK u. a. 2012):
Wir glauben an den dreieinigen Gott,
den Schöpfer, Erlöser und Bewahrer allen Lebens.
Gott hat den ganzen Erdkreis nach seinem Bild
geschaffen
und ist in der Welt unablässig am Werk,
um sich für das Leben einzusetzen und es zu schützen.
Wir glauben an Jesus Christus, das Leben der Welt
und die Menschwerdung von Gottes Liebe für die Welt.
Für das Leben in seiner ganzen Fülle einzutreten,
ist Jesu Christi höchste Aufgabe und Sendung.
Wir glauben an Gott, den Heiligen Geist,
den Lebensspender, der das Leben erhält und stärkt
und die ganze Schöpfung erneuert.
Der dreieinige Gott lädt uns zur Teilnahme
an seiner Leben spendenden Mission ein
und schenkt uns die Kraft, Zeugnis von der Vision
eines Lebens in Fülle für alle
in der Hoffnung auf einen neuen Himmel
und eine neue Erde abzulegen.
Glaubensbekenntnis aus Korea
Wir glauben an Gott, den Vater, den Schöpfer der Welt,
der uns geschaffen hat als Mann und Frau,
der uns in die Freiheit stellt, Leben zu erhalten,
Frieden zu fördern, Sorge zu tragen
für den Bestand der Erde,
dass die Menschen dieser Welt zusammengehören,
in Gleichheit und Gerechtigkeit.
Wir glauben an Jesus Christus, unseren Herrn,
geboren als Mensch in Israel von Maria,
erwählt, mit seinem Leben Gottes Nähe zu bezeugen,
er verkündete den Armen die Parteinahme Gottes,
den Gefangenen Freiheit, den Blinden, dass sie sehen,
den Unterdrückten Befreiung;
er litt, wurde gefoltert und getötet am Kreuz
von den Mächtigen unter Pontius Pilatus,
auferweckt zu Leben und Hoffnung für alle,
er befreit und eint uns weltweit
ohne Rücksicht auf Entfernung,
inmitten kultureller politischer Verschiedenheit
und entgegen aller Trennung
miteinander und füreinander zu leben,
und ruft uns zum dienenden Zeugnis.
Wir glauben an den Heiligen Geist,
die Kraft des neuen Lebens in Christus,
der auch uns und die Verhältnisse ändert,
der uns reich macht mit Vielfalt in Einheit,
der uns sendet mit dem Ziel,
die Menschen in neue Gemeinschaft
zusammenzubringen,
durch ihn selbst, den in Vielfalt einen Gott,
Vater, Sohn und Heiligen Geist.
Dieses Glaubensbekenntnis ist in der Zeit der Militärdiktatur in Südkorea in den 8oer-Jahren entstanden.
Quelle: www.ems-online.org
25
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Bekenntnis von der Weltversammlung
der Christen in Seoul 1990
Wir glauben an Gott, der die Liebe ist,
und der die Erde allen Menschen geschenkt hat.
Wir glauben nicht an das Recht des Stärkeren,
an die Stärke der Waffen,
an die Macht der Unterdrückung.
Wir glauben an Jesus Christus,
der gekommen ist, uns zu heilen,
und der uns aus allen tödlichen Abhängigkeiten befreit.
Wir glauben nicht, dass Kriege unvermeidlich sind,
dass Friede unerreichbar ist.
Wir glauben an die Gemeinschaft der Heiligen,
die berufen ist, im Dienst aller Menschen zu stehen.
Wir glauben nicht, dass Leiden umsonst sein muss,
dass der Tod das Ende ist,
dass Gott die Zerstörung der Erde gewollt hat.
Wir glauben, dass Gott für die Welt eine Ordnung will,
die auf Gerechtigkeit und Liebe gründet,
und dass alle Männer und Frauen
gleichberechtigte Menschen sind.
Wir glauben an Gottes Verheißung,
Gerechtigkeit und Frieden
für die ganze Menschheit zu errichten.
Wir glauben an Gottes Verheißung eines neuen Himmels
und einer neuen Erde,
wo Gerechtigkeit und Frieden sich küssen.
Wir glauben an die Schönheit des Einfachen,
an die Liebe mit offenen Händen,
an den Frieden auf Erden.
Amen
© ÖRK
d) Fürbitten mit dem Logo gestalten
Die folgende Variante bietet sich besonders dann an, wenn
im Gottesdienst kein Abendmahl gefeiert wird.
Material:
 Blätter in Flügel- bzw. Blattform
in Blau- und Grüntönen (siehe Foto)
 Doppelseitiges Klebeband oder Heftzwecken
 Plakat mit dem Logo der Vollversammlung auf einer
Pinnwand
http://wcc2013.info/de/resources
Am Eingang oder beim Lied nach der Predigt werden die
Blätter an die Gemeinde verteilt.
Einleitung
Spr.: „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden.“ Diese Bitte hat uns durch den
Gottesdienst, durch Lieder, Gebete und die Predigt
begleitet.
Die Tauben, die auf dem Logo der Vollversammlung
zu sehen sind, tragen sie in alle Welt.
Welche Hoffnungen für die Vollversammlung und
die Ökumene bewegen Sie jetzt? Welche Bitten
möchten Sie vor Gott bringen?
Wenn Sie mögen, schreiben Sie Ihre Anliegen (während der folgenden Musik) auf Ihr Blatt.
Anschließend können Sie nach vorne kommen und
Ihr Blatt hier vorne an der Wand um das Plakat zur
Vollversammlung anbringen. Der Hoffnungszweig
wird mit Ihren Blättern weiter wachsen.
Danach wird das Fürbittengebet gesprochen.
Einzelne der aufgeschriebenen Anliegen können von den
Liturgen im Fürbittengebet aufgenommen werden.
© Ravinder Salooja
26
Je nach Kreativität und der Größe der Gruppe kann mit
den Blättern das Logo weitergestaltet werden oder es
entsteht – wie in unserem Beispiel – einfach ein bunter
Haufen.
Die Fragestellung für die Anliegen auf den Blättern kann
je nach Schwerpunkt und Zeitpunkt des Gottesdienstes
verändert werden.
Nach einer Idee von Christina Biere
für eine Vorbereitungstagung zur Vollversammlung
An der Grenze zwischen Nord- und Südkorea:
Symbol für die Hoffnung auf Wiedervereinigung
© Benjamin Simon
e) Gebet für die Wiedervereinigung
Seit einigen Jahren beten Christen in Nord- und Südkorea
am 15. August gemeinsam für die friedliche Wiedervereinigung. Für diesen Anlass verfassen der Nationale Kirchenrat in Korea (NCCK/Südkorea) und der Koreanische Christenbund (KCF/Nordkorea) ein gemeinsames Gebet.
Das folgende Gebet stammt von 2010. In diesem Jahr kamen besondere Jahrestage mehrerer Ereignisse zusammen, die für die neuere Geschichte Koreas von wesentlicher Bedeutung sind.
Der im Gebet genannte 15. Juni bezieht sich auf das erste
innerkoreanische Gipfeltreffen, das am 15. Juni 2000 zwischen dem damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim
Dae Jung und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Il
stattfand. Dabei wurde eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die die Grundlage bildete für Schritte der Annäherung und Zusammenarbeit.
Gebet
O Gott, du Lenker des Lebens unserer Nation!
Dieses Jahr ist ein Jahr des Gedenkens an die Eroberung
Koreas durch Japan vor 100 Jahren, die Befreiung und Teilung unseres Landes vor 65 Jahren, den Beginn des KoreaKrieges vor 60 Jahren und das Nord-Süd-Gipfeltreffen am
15. Juni vor 10 Jahren:
Wir danken dir, dass du uns in der Geschichte unserer Nation immer wieder Hoffnung gegeben hast, dass du mit
uns warst in unserem Leiden, bei der Befreiung von Japan
am 15. August 1945 und dass du uns neue Einsichten geschenkt hast.
O Gott der Vergebung,
obwohl dieses Jahr ein Wendepunkt werden sollte bei unsern Bemühungen, die Reste des japanischen Kolonialismus abzulegen,
obwohl wir einen neuen, kritischen Blick auf den Frieden
auf unserer Halbinsel gewinnen wollten
und obwohl wir die Wiedervereinigung von Nord- und
Südkorea erreichen wollten, haben wir leider den Willen
für Versöhnung und Zusammenarbeit nicht so weiterentwickelt, wie wir das im Norden wie im Süden gemeinsam
vorbereitet hatten; wir haben im Gegenteil gegenseitige
Schuldzuweisungen, Misstrauen, Feindschaft und Konfrontation gefördert.
Wir bitten um deine Vergebung, da wir als deine Kinder
nicht nach Frieden gestrebt haben.
Gott, der du uns führen willst zu Frieden und Wiedervereinigung!
Wir beten darum, dass diese Halbinsel eine Zone des Friedens sei mit einem Friedenssystem ohne Kriegsdrohung
und dass die koreanische Halbinsel wie auch alle Welt
atomwaffenfrei werden.
Wir beten darum, dass Misstrauen und Konfrontation zwischen Nord und Süd aussterben, gegenseitiges Vertrauen
durch Versöhnung, Zusammenarbeit und Austausch wachsen und erfüllt mit Freude wie am 15. Juni der Vereinigungswille zu voller Blüte gelangen möge und so eine
hoffnungsvolle Atmosphäre für Vereinigung durch die
ganz Halbinsel weht.
O Gott, der du die Kirche zur Mitarbeit an deinem Werk
berufst!
Führe uns Kirchen in Nord und Süd beständig ins Gebet für
nationale Versöhnung, für Frieden und Wiedervereinigung.
Bringe uns Kirchen in Nord und Süd dazu, voranzuschreiten, um den Geist der Feindschaft und Konfrontation zu
überwinden.
Um Gottes Gerechtigkeit zu einem Strom, der die ganze
Welt durchfließt, zu machen und um den Geist des Friedens über die Erde auszubreiten, lass uns vorangehen, um
die Mauern zwischen Nord und Süd abzubrechen.
Führe uns, damit wir uns selbst verpflichten, unsere Aufgabe zu erfüllen im Gebet für Frieden und Wiedervereinigung für Korea, und wir dich als unseren Herrn loben, der
als Licht der Welt zu uns gekommen ist.
Amen
Übersetzung aus dem Englischen/Koreanischen:
Hartmut Albruschat/Lutz Drescher
© 15. August 2010, Nationaler Kirchenrat in Korea,
Versöhnungs- und Wiedervereinigungskomitee,
Koreanische Christliche Föderation, Zentralkomitee
27
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Fürbitte
Gottesdienst bei der Vollversammlung 2006 © ÖRK, Igor Sperotto
f) Abkündigungstext und Einschub
ins Fürbittengebet für
Gottesdienste am 3.11.
mit anderen Schwerpunkten
Spr.: In Südkorea treffen sich heute viele Christinnen
und Christen, um gemeinsam neue Wege zu mehr
Gemeinschaft unter den christlichen Konfessionen
und zu einem Leben in Würde für alle Menschen
zu suchen. Gib ihnen Geduld und Verständnis füreinander und Weisheit und deinen Segen in den
Entscheidungen, die sie treffen. Lass sie nicht aus
dem Blick verlieren, dass du es bist, der uns eint.
Begleite auch uns in unseren Kirchen und Gemeinden vor Ort, wenn wir Wege zu mehr Einheit,
zu Gerechtigkeit und Frieden suchen.
Gott des Lebens, weise uns den Weg
zu Gerechtigkeit und Frieden!
Kollekte
Auch wenn Sie keinen speziellen Gottesdienst zur Vollversammlung feiern, ist es schön, wenn Sie im Gottesdienst
am 3.11. an die Vollversammlung erinnern und für das Gelingen beten.
Wenn Sie an einem Sonntag ohne festgelegte Kollekte einen Vollversammlungsgottesdienst feiern und einen Kollektenzweck suchen, gibt Pfarrerin Sabine Udodesku
(ÖRK) gerne Auskunft: [email protected]
Abkündigung
www.oikoumene.org
Spr.: In diesen Tagen findet die 10. Vollversammlung
des Ökumenischen Rates der Kirchen in Busan,
Südkorea, statt. Rund 4 000 Menschen aus den
349 verschiedenen Mitgliedskirchen und vielen
weiteren Kirchen treffen sich unter dem Motto
„Gott des Lebens – weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“. Der als Gebet und Glaubensaussage formulierte Aufruf soll Christinnen
und Christen weltweit dazu ermutigen, sich Gottes Vision von Gerechtigkeit und Frieden zu eigen
zu machen und sie zu leben, damit alle Menschen
Leben in Fülle haben. Wie so ein Weg konkret aussehen kann, ist das große Thema der Vollversammlung. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung im Gebet.
Das Thema der Vollversammlung „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und
Frieden!“ ist ein Gebetsruf, in den in der folgenden
Fürbitte alle einstimmen können.
g) Brot und Hoffnungsgeschichten
teilen
Schön ist es, am Ende des Gottesdienstes noch eine kleine
Stärkung anzubieten oder zum Kirchkaffee zusammenzubleiben. Laden Sie ein, in den Gesprächsgruppen, die entstehen, oder am Kaffeetisch Hoffnungsgeschichten miteinander zu teilen, so wie sie die Emmausjünger bei ihrer
Rückkehr nach Jerusalem erzählt haben.
Ab Seite 55 finden Sie vier kleine Geschichten rund um
die Ökumene, zum Durchlesen und Ins-Gespräch-Kommen, zum Sich-Anstecken-Lassen und Weitererzählen.
Die Geschichten können kopiert und jeweils eine auf einem Kaffeetisch ausgelegt oder an eine Gesprächsgruppe
gegeben werden.
Ökumene-Hoffnungsgeschichten ab Seite 55
28
2.3 Predigt und Predigtanregungen
a) Ausgeführte Predigt über das
Motto der ÖRK-Vollversammlung
Busan 2013 zum 3.11.2013
„Gott des Lebens, weise uns den Weg
zu Gerechtigkeit und Frieden“
„Die fetten Jahre sind vorbei.“ – Kennen Sie, liebe Gemeinde, diesen Film aus dem Jahr 2004? Jan, Jule und Peter, drei junge Erwachsene, engagieren sich gegen soziale
Ungerechtigkeiten. Wenn sie nachts in Villen einbrechen,
stellen sie die Möbel und Gegenstände der Einrichtung
kreativ-chaotisch um, stehlen aber nichts. Ihr Ziel ist die
Verunsicherung der reichen Villenbesitzer in deren privaten Hochsicherheitszonen. An ihren Tatorten hinterlassen
sie ein Bekennerschreiben mit dem Satz „Die fetten Jahre
sind vorbei.“1
„Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit
und Frieden“ – in diesen Tagen treffen sich Christinnen
und Christen aus der ganzen Welt in der südkoreanischen
Hafenstadt Busan. Seit Mittwoch und noch bis zum kommenden Freitag tagt dort die 10. Vollversammlung des
Ökumenischen Rats der Kirchen. Auch aus Deutschland
sind viele Teilnehmende dabei, die von ihren Kirchen entsandt wurden, damit wir aus erster Hand Impulse aus Busan erhalten.
Einer der biblischen Bezüge des Mottos, der auch das Logo
inspiriert hat, ist ein Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja. Wir haben den Text vorhin gehört:
„Siehe, das ist mein Knecht – ich halte ihn – und mein
Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich
habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter
die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und
seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den
glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt
er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und
nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und
die Inseln warten auf seine Weisung.“ 2
Der Gottesknecht hat eine Mission, die bis an die Enden
der Erde reicht: Er trägt Recht hinaus, wird wahrhaftig Gottes Gerechtigkeit aufrichten. Es ist dieser Weg zu Gerechtigkeit und Frieden, um dessen Aufweis die in Korea versammelten Christinnen und Christen bitten.
In Korea wird das Thema Frieden ganz augenscheinlich:
Die sogenannte entmilitarisierte Zone, die Nordkorea von
Südkorea trennt, ist in Wirklichkeit die am stärksten militarisierte Grenze der Welt. Hier stehen sich zwei Millionen
Soldaten aus Nordkorea, Südkorea und den USA gegenüber. „Der kalte Krieg ist so lange nicht vorbei“, sagen
uns unsere koreanischen Partner, „so lange, wie Korea
nicht wiedervereinigt ist.“ Wie Deutschland wurde Korea
nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt; anders als Deutschland aber war Korea im Zweiten Weltkrieg Opfer auf dem
asiatischen Kriegsschauplatz und nicht Aggressor. Im März
und April konnten wir ja in unseren Medien wahrnehmen,
wie fragil die Situation in Korea ist. Die Sehnsucht nach
Frieden ist in Korea groß. Sie findet ihren Ausdruck im gemeinsamen jährlichen Gebet für die Wiedervereinigung
des Nationalen Kirchenrats in Südkorea und des Koreanischen Christenbundes in Nordkorea.
Beim anderen Stichwort des Mottos – Gerechtigkeit –
klingt bei mir die internationale kirchliche Diskussion zu
„Armut, Reichtum und Ökologie“3 an. Es geht dabei um
die Wechselwirkungen und die Verknüpfungen der Fragen,
Dimensionen und Ursachen von Armut und Reichtum sowie der Umweltfrage, wobei das Thema Ökologie mit dem
Stichwort „Klimagerechtigkeit“ mittlerweile an erster
Stelle steht: Bereits 2008 hat der Ökumenische Rat der
Kirchen eine Erklärung zu „ökologischer Gerechtigkeit und
ökologischer Schuld“ verabschiedet.4 Ohne Klimagerechtigkeit wird es keinen Frieden und keine gerechten Lebensverhältnisse geben.
1
2
3
4
Ein Filmheft ist bei der Bundeszentrale für Politische Bildung erhältlich:
www.bpb.de/system/files/pdf/907Z9W.pdf
Jes. 42, 1–4 in der Fassung der Lutherbibel 1984
http://www.oikoumene.org/de/press-centre/news/kirchen-erwarten-voneuropa-wegweisendes-engagement-fuer-klimagerechtigkeit
http://www.oikoumene.org/de/press-centre/news/erklaerung-zu-oekogerechtigkeit-und-oekologischer-schuld
29
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Welcher Weg führt zu Gerechtigkeit und Frieden? Das ist
wohl die entscheidende Frage, vor der wir stehen. Wenn
wir das Motto der Vollversammlung aussprechen – „Gott
des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“ –, dann wenden wir uns im Gebet an Gott und bitten
ihn um Wegweisung.
Gott des Lebens?
Das ist der Vater, der die Welt und uns in ihr geschaffen
hat.
Gott des Lebens – das ist auch der Sohn, der in den Tod
gegangen ist: für mich, für uns! Und der uns so das Leben
schenkte.
Gott des Lebens – das ist die Geistkraft, die mich im Licht
von Ostern den Karfreitag als Tag des Lebens erkennen
lässt.
So ist der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist,
der Gott des Lebens, den wir um Wegweisung hin zu Gerechtigkeit und Frieden bitten.
Dieser Gott aber trägt die Zeichen des Leides an sich, die
Wundmale des Kreuzes. Der Gott des Lebens hat selber
Leid erfahren – und geht deshalb nicht an unserem Leid
vorüber. Deshalb führt der Weg, um dessen Weisung wir
Gott bitten, uns auch nicht nur auf grüne Auen, sondern
– um es mit den Bildern des 23. Psalm auszudrücken –
auch durch finstere Täler. – Wenn Gott selbst gelitten hat,
dann sehen wir Gott in den Menschen, die leiden.
In Südkorea ist in den 70er-Jahren während der Militärdiktatur die sogenannte Minjung-Theologie entstanden.
Sie erwuchs aus dem Leid des Volkes und dem Leid der
Gefängnisse, in die die Streiter für ein demokratisches
Südkorea geworfen wurden. Gott ist in denen, die leiden,
in Jesus ebenso wie in den leidenden Menschen der Gegenwart – das ist eine zentrale Erkenntnis der MinjungTheologie. „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt
mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr
habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen
und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen
30
und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und
ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und
ihr seid zu mir gekommen ... Was ihr getan habt einem
von diesen meinen geringsten Brüdern [und Schwestern],
das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 34 ff.)
Heute, im demokratischen Südkorea hat sich die MinjungTheologie weiterentwickelt zur sogenannten „Mission der
Solidarität für das Leben“. Die soziale Arbeit nimmt hier
einen breiten Raum ein. So leitet z. B. ein Pfarrer ein Unternehmen, durch das arbeitslose Menschen eine Beschäftigung bekommen – und er übt diese Tätigkeit aus als Ausdruck seines Glaubens, dass Gottes Herz für die Armen
schlägt.
„Die fetten Jahre sind vorbei.“ – Jan, Jule und Peter aus
dem eingangs erwähnten Film sind auf der Suche danach,
wie sie nicht nur im Reden verbleiben, sondern ganz konkret gegen Ungerechtigkeit aktiv werden können. Motiviert sind sie durch die urdemokratischen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Allerdings endet der
Film offen, und damit bleibt auch die Frage unbeantwortet, ob ihre Aktionen überhaupt etwas bewirken. Aber der
Film macht Mut und Lust, überhaupt etwas zu tun. Wie
und was, das müssen wir selber herausfinden. Uns selber
auf den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden begeben – auch
deshalb, weil es sich dabei um eine zentrale Frage unseres
Glaubens handelt: Der Gott des Lebens – Vater, Sohn und
Heiliger Geist – ist der Gott der Gerechtigkeit und des Friedens.
Eigentlich könnte man verzagen, angesichts der Vielfalt
und Komplexität der Themen und Herausforderungen. Und
überhaupt: Was können wir, was kann ich schon ausrichten? Würde mein Engagement überhaupt einen Unterschied ausmachen?
Andererseits muss ich an den Spruch des Schweizer Theologen Kurt Marti denken: „Wo kämen wir hin, wenn jeder
sagte, wo kämen wir hin – und keiner ginge, um zu sehen,
wohin wir kämen, wenn wir gingen.“ – Wenn niemand
anfängt, wenn niemand aufbricht, dann wird sich auch
nichts verändern. Also will ich wenigstens aufbrechen!
Lassen Sie uns die ungerechten Dinge in der Welt kreativ
umstellen; lassen Sie sie uns ändern im Wissen darum,
dass die fetten Jahre vorbei sind, dass Not herrscht in der
Welt, dass Menschen leiden in sehr mageren Situationen,
in Korea und vor unserer Haustür. Lassen Sie uns für Verunsicherung sorgen bei denen, die Ungerechtigkeit und
Unfrieden säen. Damit Gerechtigkeit und Frieden wachsen.
Weise uns doch, weise mir doch, Gott des Lebens, den
Weg zu Gerechtigkeit und Frieden. Auf dass ich dich im
Geringsten meiner Geschwister erkenne und dir Gutes tue,
indem ich ihnen Nächste/-r werde. Amen.
Ravinder Salooja, verfasst als württembergische
PrädikantInnen-Predigt für den 3.11.2013
Eine ungewöhnliche Darstellung des Kreuzes
von Kim Yong Nim. Die christliche Künstlerin
lebt auf der südkoreanischen Insel Kangwhado.
Eine Andacht zum Bild findet sich auf www.ems-online.org/service/gemeindeservice/materialien-zu-korea
Grafik: EMS
31
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
b) Reflexionen zum Vollversammlungsthema aus verschiedenen Kontexten
„Gott des Lebens, weise uns den Weg
zu Gerechtigkeit und Frieden“
Die folgenden Texte stellen Auszüge aus Ansprachen bei
der Tagung des Zentralausschusses des ÖRK im September
2012 in Kolympari/Kreta dar. Die vollständigen Fassungen
und weitere Reflexionen finden Sie unter:
http://wcc2013.info/en/resources/reflections
Der Text von Hyun Sun Oh aus Korea wurde speziell für
diese Publikation verfasst.
Zusammenstellung: Ulrike Schmidt-Hesse
Prof. Dr. Hyun Sun Oh,
Presbyterianische Kirche in Korea (PCK)
Gott des Lebens
In Korea besteht traditionell zwischen den Begriffen „Leben“ und „Gemeinschaft“ ein enger Zusammenhang. Im
Lauf der Geschichte Koreas sind wir immer wieder von
fremden imperialistischen Staaten im Umfeld der koreanischen Halbinsel angegriffen worden. Unter diesen gefahrvollen und unsicheren Umständen haben die Koreaner
das „Wir“- Lebenskonzept stärker als das des „Ich“ entwickelt, sodass wir gern „Gohng Saeng Gohng Sah“ sagen. Das heißt: „Wir werden gemeinsam leben und auch
gemeinsam sterben“. Es drückt das Streben der koreanischen Menschen aus, im Miteinander zu leben, wie tragisch ihr Leben auch sein mag. Nach unserer Vorstellung
ist das Leben auf Gemeinschaft hin entworfen. Dies zeigt
sich zum Beispiel daran, dass wir lieber sagen „unser
Gott“ als „mein Gott“.
Jedoch hat sich in vieler Hinsicht die Lage der modernen,
kapitalistisch gewordenen koreanischen Gesellschaft verändert, die von entmenschlichtem Individualismus und
Materialismus auf der Grundlage des Neoliberalismus und
Finanzkapitalismus beherrscht ist.
Ironischerweise begehen täglich über 30 Menschen
Selbstmord im derzeitigen Kampf ums wirtschaftliche
Überleben. Viele Arten von Gewalt, Akte namenlosen Has-
32
ses und zerbrochene Familien nehmen gewaltig zu in diesen Tagen. Die Wiederherstellung des Gemeinschaftsgedankens als Lebensentwurf, des Wertes der gemeinschaftlichen Fürsorge für die Schwachen, der emotionalen Stabilität der Menschen und die Einbindung des Lebensvollzugs in eine Gemeinschaft sind sehr dringlich. Die Kirchen
müssen im Namen Gottes, des „Gottes des Lebens“, auf
diese schwierigen Probleme Koreas reagieren. Auch wenn
die Kirche Gott als persönlichen Erlöser bekennt, müssen
wir eine auf Gemeinschaft gründende Lehre von der Kirche entwickeln. Gott will nicht nur die Errettung der einzelnen Person, sondern auch die Wiederherstellung des
Lebens in Gemeinschaft.
Gerechtigkeit und Frieden
Gerechtigkeit bedeutet Zusammenstehen an der Seite der
Schwachen, vorrangige Fürsorge für die Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft in jeder Gruppe und jeder
Gesellschaft und allgemeine Akzeptanz dieser Ansätze als
Prinzipien der Gerechtigkeit unter den Angehörigen der
Gemeinschaft. In Matthäus 25, 45 lesen wir: „Wahrlich,
ich sage euch: Was ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan.“ Dies bringt es klar
zum Ausdruck. Friede könnte erbaut werden auf dieser Gerechtigkeit.
Die PCK hat als Titel ihrer Kampagne für das Jahr 2013 gewählt: „Christen: Freunde der Schwachen.“ Die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen und
die Kampagne der PCK werden hoffentlich Möglichkeiten
dafür schaffen, den Wert gemeinschaftlichen Lebens sowie
Gerechtigkeit und Frieden wiederherzustellen und mit dem
Gott des Lebens zusammenzuarbeiten.
Übersetzung aus dem Englischen: Doris Fiess
Ökumenischer Patriarch Bartholomäus I.,
Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel
(…) Betrachten wir Paulus’ Brief an Titus, stellen wir fest,
dass die erste Überlegung den Rat des Paulus „Du aber
rede, wie sich’s ziemt nach der heilsamen Lehre“ (2, 1) betrifft. „Glauben gemeinsam leben: Einheit und Mission“
ist das erste Unterthema der Vollversammlung in Korea.
Dies ist eine deutliche Erinnerung an die Grundlegung unserer Einheit und Mission als eine ökumenische Organisation. Denn wir müssen uns daran erinnern – uns selbst erinnern und andere respektvoll daran erinnern –, dass wir
eine Gemeinschaft von Kirchen bilden, die Jesus Christus
als Gott und Heiland bekennen, und die auf der Suche sind
– und diese Berufung unter keinen Umständen vernachlässigen – nach der sichtbaren Einheit in einem Glauben,
„damit die Welt glaube“ (Johannes 17, 21). Wir müssen
darauf achten, dass wir – mit den inspirierenden Worten
von Paulus an Titus gesprochen – „der Lehre Gottes, unseres Heilands, Ehre machen in allen Stücken” (2, 10), und
dass „nicht das Wort Gottes verlästert werde“ (2, 5).
Die zweite Überlegung bezieht sich auf Paulus’ Erkenntnis,
dass „ Wahrheit dem Glauben gemäß ist” (1, 1), dass wahrer Friede von Gott kommt (1, 4) und dass „die heilsame
Gnade Gottes allen Menschen“ zum Heil erschienen ist
(2, 11). „Hoffnung gemeinsam leben: für Gerechtigkeit,
Frieden und Versöhnung in der Welt“ ist das zweite Unterthema der bevorstehenden Vollversammlung. „Gottesfürchtigkeit“ bedeutet das richtige Tun aller Menschen
und aller Schöpfung; es beinhaltet, die Rechte jeder Person
wie auch jedes anderen Lebewesens zu ehren und zu achten. Unsere Glaubenslehre und Tradition sollten unser Leben und unsere Spiritualität prägen, unser Glaubensbekenntnis sollte im Einklang sein mit unserem Gottesdienst
oder, um mit den Worten der Programme des Ökumenischen Rats der Kirchen zu sprechen: Unser Glaube und unsere Kirchenverfassung sollten einander ergänzen.
Abschließend das dritte Unterthema der 2013 stattfindenden Vollversammlung: „Liebe gemeinsam leben: für eine
gemeinsame Zukunft“. Es gibt einen zentralen Begriff, den
wir in Kapitel 1, Vers 8 von Paulus‘ Brief an Titus finden:
das Wort ist „philoxenos“, was „gastfreundlich“ bedeutet. Der Bischof – und wir können das ausweiten auf alle
gläubigen Christen und natürlich jeden „Freund des Gu-
ten“ (1, 8) als Gottes Diener – ist aufgerufen, gnädig und
großzügig, gütig und entgegenkommend zu sein. Die Bezeichnung „philoxenos“ bedeutet wortgetreu „jemand,
der Fremde liebt“. Das meint jemanden, der nicht intolerant und ausgrenzend ist gegenüber denen, die anders
oder fremdartig erscheinen. Es bedeutet das Willkommenheißen und Umarmen des Anderen – jedes Anderen, ungeachtet seiner Religion, Rasse, Volkszugehörigkeit, Hautfarbe, seines Glaubens und Geschlechts –, in dem wir das
einzigartige und lebendige Ebenbild Gottes sehen können.
Es ist das Gegenteil von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir müssen bemüht sein, die Kluft zwischen den östlichen und westlichen Riten und Kulturen zu überwinden,
und wir müssen dafür kämpfen, die Nord-Süd-Trennungen
zu heilen, die Völker und Länder trennen. (…)
Übersetzung: Angelika Jung / Ulrike Schmidt-Hesse
Bischöfin Sofie Petersen,
Evangelisch-Lutherische Kirche in Dänemark
(…) Indigene Völker haben von ihren Vorfahren gelernt,
die Natur und alles, was in ihr ist, mit Respekt zu behandeln. Jedes kleine Einzelwesen gehört dazu und hat seinen
eigenen Platz.
(…) Leider wird die Weisheit, anhand derer unsere Vorfahren überlebt und die sie uns überliefert haben, oft als
etwas Schlechtes angesehen. (…)
Infolge der globalen Erwärmung schmilzt die Eiskappe in
meinem Land (Grönland) zusehends und legt damit neue
Gebiete frei, die angeblich viele Bodenschätze enthalten.
(…) Niemand macht sich Gedanken über die Konsequenzen, die eine eventuelle Erforschung der Ölvorkommen in
einem so empfindlichen und gefährdeten Lebensraum mit
sich bringen kann. Wegen der durch Bohrungen verursachten Vibrationen und wegen der Infrastruktur wird es dazu
kommen, dass die Tiere, die wir jagen, ihre Gebiete verlassen werden.
Eine Dorfgesellschaft von etwa 1 000 Menschen, die von
der Jagd und vom Fischfang leben, spielt in der globalen
Gesellschaft und Wirtschaft keine große Rolle. Sie ist aber
wichtig für diejenigen, deren Lebensgrundlage zerstört
wird und die sich an eine andere Lebensweise gewöhnen
müssen. Natürlich könnten sie glücklich sein, da all diese
33
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Aktivitäten sich positiv auf die Wirtschaft auswirken. Sie
werden in der Industrie, die die Forschungsaktivitäten beliefert, Arbeit finden und ihr Lebensstandard könnte im
Vergleich zu vorher sogar steigen. Ja, vielleicht wird es so
kommen. Aber überall auf der Welt hat die Erfahrung gezeigt, dass fremde Arbeitskräfte ins Land gebracht werden
und dass die Firmen ihren Profit mit nach Hause nehmen,
ohne auch nur einen Gedanken an die einheimische Bevölkerung zu verschwenden, und dabei einen unaufgeräumten „Tatort“ sowie eine Spur von Schadstoffen zurücklassen. (…)
Unser Herr Jesus Christus hat Gerechtigkeit und Frieden
mit sich gebracht; er ist es, von dem wir das tägliche Brot
erhalten, von dem wir und unsere vielen Brüder und
Schwestern auf dem gesamten Globus leben. Wir hoffen
jeden Tag auf Gerechtigkeit in unserem Leben und beten
darum, nicht nur für unsere Familien, unsere Landsleute
und diejenigen, die unsere Meinung teilen, sondern für
alle unsere Mitmenschen, sei es nun der reiche Ölmagnat
oder ein einfacher Fischer in Grönland. Jeder von uns hat
Bedarf an und das Recht auf Gerechtigkeit, auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Wenn die Reichtümer unseres Schöpfers allen offenstehen, wird der Friede folgen,
denn Habgier und egoistisches Verhalten haben dann verloren. Wir beten täglich dafür, dass das eintritt und dass
wir niemals den Glauben an ein faires und friedliches Leben für jeden in Gottes wunderbarer Schöpfung verlieren,
sei es nun im kalten Grönland oder hier auf Kreta, im warmen Griechenland. „So macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr ‚eines‘ Sinnes seid, gleiche Liebe habt,
einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz
oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer
den andern höher als sich selbst.“ (Phil 2, 2–3)
34
Pfarrer Dr. Simon Kossi Dossou,
Protestantisch-Methodistische Kirche in Benin
(…) Weise uns den Weg zu ...
Die Hauptbitte, die in diesem Wortlaut zum Ausdruck
kommt, ist die Bitte an Gott, uns den Weg zu weisen, zu
... Ihn uns führen zu lassen, anstatt uns selbst zu etwas
hin zu begeben. In der Tat hat Gott uns mit Fähigkeiten
ausgestattet, um zu handeln und Positives zu erreichen.
Wenn wir uns aber führen lassen, werden wir in die richtige Richtung gewiesen, hin zu dem, was seinem Willen
entspricht. (…)
Frieden
Schalom ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern
auch und vor allem der innere Frieden. Frieden umfasst
zudem die Sicherheit für alle zum Erhalt der Integrität des
Menschen, unabhängig davon, wo dieser sich befindet.
Doch ohne Menschenwürde kann es keinen Frieden geben. Gerechter Frieden ist, wenn man den Menschen als
ein ernst zu nehmendes Gegenüber betrachtet, aufhört,
den Anderen als Sache zu sehen, die man gegen ihren Willen benutzen und wie ein nichtswürdiges Wesen wieder
fallen lassen kann, wenn man sie nicht mehr benötigt. Unsere Welt war und ist leider voll von Personen, die der
Menschlichkeit keinerlei Wert beimessen. Deshalb glauben
wir in Afrika, dass wir Gott darum bitten sollten, uns den
Weg zu Frieden und Gerechtigkeit, aber auch zu Würde zu
weisen. Mögen wir damit aufhören, andere Menschen als
Sache zu sehen, die man einzig und allein für seine egoistischen Bedürfnisse benutzen kann. Auf diese Weise können wir damit beginnen, den Frauen- und Kinderhandel
zu wirtschaftlichen und/oder sexuellen Zwecken, der in
unseren Ländern, vor allem in Afrika, so häufig ist, nach
und nach auszurotten. Ohne Gerechtigkeit ist kein echter
Frieden möglich, genauso wenig wie eine glücklichere
Welt ohne Würde für alle. (…)
c) Noch in derselben Stunde
brachen sie auf – Reflexion zu
Lukas 24, 13–35 für Gottesdienstgestaltung oder Predigt
Ein Ostertext im November?
Die vertraute Erzählung von den Emmausjüngern ist für
den Eröffnungsgottesdienst der Vollversammlung vorgesehen.
Ein Ostertext im November? Nach dem ersten Befremden
wird deutlich: Diese Ostergeschichte ist eine „Wegbegleitungsgeschichte“, aber auch eine Mut- und Hoffnungsgeschichte angesichts der großen Herausforderungen, denen
sich die Vollversammlung mit ihrem Thema „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“
stellen will.
Eine „Wegbegleitungsgeschichte“ nicht nur für die, die in
Busan zusammenkommen. Sie kann auch Gemeinden vor
Ort begleiten, die als Teil der weltweiten ökumenischen
Gemeinschaft unterwegs sind und bitten: „Weise uns den
Weg, Gott des Lebens …“
Seit der Zentralausschuss des ÖRK im September vergangenen Jahres empfohlen hat, die Vollversammlung möge
einen „Pilgerweg“ der Gerechtigkeit und des Friedens
ausrufen, hat dieses Motiv in die vielfältigen Vorbereitungen Eingang gefunden. Für diese ökumenische Reise vor,
während und nach der Vollversammlung, in Busan und in
den Ortsgemeinden, lassen sich in der Emmausgeschichte
Wegweiser und Stärkung entdecken. Und vielleicht spricht
sie – gerade außerhalb der Osterfestzeit – noch einmal in
besonderer Weise in den „grauen Alltag“ nicht nur des
Novembers hinein.
Richtungswechsel
In der Erzählung von den Emmausjüngern – wie auch in
den beiden anderen Osterszenen, die Lukas im letzten Kapitel erzählt – spielt die Deutung des Ostergeschehens im
Horizont von Thora und Propheten, aber auch im Horizont
des Lebens Jesu eine entscheidende Rolle.
Jesus selbst öffnet den Jüngern ein neues Verständnis der
1
2
3
Damit treten die explizit christologischen Aspekte und das Auferstehungsgeschehen selbst in den Hintergrund, die vielleicht bei einer Osterpredigt im
Mittelpunkt stehen würden.
Foitzik, Karl: Durchkreuzte Hoffnung – neues Leben, in: Predigtstudien I, 1,
Stuttgart 1997, S. 240.
Vgl. ebd. S. 242: Die rahmenden Verse, die den Kern der Erzählung (die Begegnung und das Gespräch mit dem Fremden (V. 17–24) und das gemeinsame Mahl (V. 25–30) umschließen, „spiegeln“ diese Umkehr: Die Jünger
verlassen Jerusalem (V. 13) – und kehren zurück (V. 33). Sie sprechen entmutigt (V. 14) – dann von dem, was ihnen Mut gab ( V. 32). Jesus schließt sich
Schrift und eine neue Sicht auf ihre eigene Situation. Dies
bringt sie dazu, die Richtung zu wechseln und in der Gemeinschaft mit den anderen Jüngerinnen und Jüngern als
„Osterzeugen“ in die Welt zu gehen (Lukas 24, 47–49).
In ganz besonderer Weise beschreiben die Verse 13–35
dabei diesen Perspektivwechsel von Trauer, Enttäuschung
und Resignation hin zu neuem Glauben und neuer Hoffnung als einen Weg. Auf diesem Motiv liegt im Folgenden
der Schwerpunkt.1 Denn Lukas erzählt „modellartig (…)
von der Erfahrungen zweier Menschen, die zu den Erfahrungen seiner Gemeinde werden sollen.“2
Die kunstvolle Gestaltung der Erzählung wird in vielen
Kommentaren beschrieben. Dabei lässt sich insbesondere
der Richtungswechsel im Gehen, Denken und Fühlen der
beiden Jünger fast Vers für Vers nachvollziehen.3 Dieser
neue österliche Blick wird den Jüngern geschenkt und
bleibt auch uns „unverfügbar“. Gleichzeitig ist er aber
dennoch der Grund der Hoffnung, die jeden Sonntag des
Kirchenjahrs (als kleines Osterfest) trägt und uns mit
Christinnen und Christen weltweit verbindet.
Anknüpfungspunkte für Gottesdienst und Ökumene
Welche Anknüpfungspunkte an ökumenische Themen und
für die Gottesdienstgestaltung lassen sich finden?
Sich aussprechen und hören, schmecken und sehen, das
eigene Herz spüren und ganz am Ende beten und Gott
preisen: Die Erzählung lädt ein, mit allen Sinnen zu erzählen, zu erleben, zu erfahren – mit allen Sinnen Gottesdienst zu feiern.
All das geschieht „unterwegs“. Ohne dass man sich auf
den Weg macht, gibt es diese Hoffnung machende Erfahrung nicht. Ohne Ortswechsel ist ein Perspektivwechsel
schwierig. Und so ist es sicher kein Zufall, dass die Geschichte vom Zentrum an den Rand führt und dann erst
wieder zur Mitte, nach Jerusalem zurück.4 Ortswechsel
spielen in der weltweiten Ökumene eine wichtige Rolle.
Eine Vollversammlung tagt nie im internationalen Zentrum
in Genf. Ortswechsel sind aber auch in jeder Gemeinde vor
Ort möglich, zum Beispiel indem Menschen vom Rande
der Gemeinde zu Wort kommen. Unter Umständen sind
Ortswechsel sogar im Gottesdienstraum möglich (s. S. 16).
4
an (V. 15) – und entzieht sich ihnen wieder (V. 31 b). Ihre Augen sind gehalten
– und werden geöffnet (V. 31a).
„Auf dem Weg nach Emmaus, einem Dorf am Rande, lokalisiert Lukas die
erste, von ihm eigens berichtete Begegnung mit dem Auferstandenen, als
wolle er damit sagen: Zuerst und vor allem hat er denen am Rande sich zugewendet und sie wieder der Mitte zugeführt.“ Tabea Frey, in: Calwer Predigthilfen I, 1 Stuttgart 1997, S. 197. Hier ließe sich an den Gedanken der
„Mission von den Rändern aus“ der Missionserklärung gemeinsam für das
Leben anknüpfen. (s. S. 62)
35
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Der Spannungsbogen der Geschichte lässt sich in vier
„Wegabschnitten“ beschreiben, die sich in den vier Teilen
jeder Gottesdienstliturgie wiederfinden.
Klage und Begegnung: Der Enttäuschung Raum
geben, Leiden mit-teilen, einander Seelsorger sein.
Leid- und Ohnmachtserfahrungen brauchen Raum, auch
in der Gemeinschaft. In der Gottesdienstliturgie haben sie
ihren festen Ort im Eingangsteil im Bußgebet.
Wie seelsorgerlich Jesus hier mit den beiden Jüngern umgeht, ist für pastorales, aber auch missionarisches Handeln
grundlegend geworden: Zunächst geht es darum, zuzuhören, die Situation der Menschen kennenzulernen und zu
verstehen. Erst dann, im „Mitgehen“ und „Mitleben“
(Konvivenz), teilt sich auch das Evangelium mit.
Das Erstaunliche auf diesem Weg ist: Die beiden Jünger
schütten ihr Herz nicht einer vertrauten Person, sondern
einem scheinbar Fremden aus. Einem, der von außen auf
sie zukommt, mitgeht und zuhört.
In ökumenischen Partnerschaften kommt es vor, dass Partner sagen: „Das, was uns am meisten gestärkt hat, war
zu wissen, dass Menschen, die so weit weg sind, sich für
unsere Situation interessieren.“ Das kann auch ermutigen,
Klagen von Menschen, die einer Gottesdienstgemeinde
zunächst „weit weg sind“, hörbar zu machen.
Deutung: Die Bibel mit den Augen
der anderen lesen.
Erst im zweiten Schritt legt „der Fremde“ den Jüngern die
Schrift aus und eröffnet ihnen damit eine neue Deutungsmöglichkeit für ihre Situation. Sicher geht es Lukas hier
um die christologische Perspektive. Aber wenn wir die
Rolle der „wissenden Leser und Leserinnen“ des Lukasevangeliums ablegen und die Perspektive der Emmausjünger einnehmen, ist es immer noch „der Fremde“, der ihnen
die Schrift auslegt. Das ist auch eine Ermutigung, die Bibel
mit den „Augen der anderen“ zu lesen und fremde Perspektiven zuzulassen. Bei den gemeinsamen Bibelarbeiten
an jedem Vollversammlungsmorgen geschieht das. Gemeinsame „ökumenische“ Schriftauslegung ist aber na5
6
36
Vgl. Frey S. 199
Das Lied: „Mein Frieden“ (s. S. 47) nimmt Verheißung und Auftrag Jesu in eingängiger und entlastender Weise auf und eignet sich gut für den Sendungsteil
des Gottesdienstes.
türlich auch mit Partnern auf Gemeindeebene möglich. Dabei hat sich die südafrikanische Methode des „Biblesharings“ bewährt, die viel Wert darauf legt, dass alle Perspektiven zu Wort kommen, bevor über unterschiedliche
Deutungen diskutiert wird.
Gastfreundschaft und gemeinsames Mahl
Erst im Rückblick entdecken die Jünger, wie bereits mit der
Schriftauslegung des „Fremden“ ihre Perspektive begonnen hat, sich zu verändern. Sie hatten dem Fremden Gastfreundschaft angeboten, er selbst aber wurde für sie zum
Gastgeber. Dass er mit ihnen das Brot teilt, diese greifbare
und spürbare Erfahrung, verändert ihren Blick. Dabei
knüpft die Erzählung an das „Brotbrechen“ beim letzten
Abendmahl an, hat aber auch Anleihen an die Speisung
der 5 000. Jesus wird als der erfahren, der Fülle bringt: 5
nicht nur mit Worten, sondern auch im Tun. So liegt es
nahe, im Gottesdienst Abendmahl zu feiern oder (im Anschluss) gemeinsam zu essen. Dieser Schritt in der Geschichte erinnert aber auch an die „Kultur der Gastfreundschaft“, die bis heute in vielen Ländern ein hohes Gut ist.
So lautet in Korea die erste Frage, die man einem Gast
stellt: „Haben Sie schon gegessen?“ Oft wird diese Gastfreundschaft besonders da erfahren, wo die Menschen aus
unserer Perspektive besonders wenig zu teilen haben:
beim Besuch in einem indonesischen Dorf oder bei Flüchtlingen in deutschen Asylbewerberheimen. Andere einzuladen, gibt Würde zurück.
Sendung: Aufstehen, umkehren
und gemeinsam weitergehen.
Beim gemeinsamen Mahl begreifen die Jünger: „Er ist
wahrhaftig auferstanden.“ Aber ihr Weg ist damit nicht zu
Ende. All das, was sie erlebt haben, wird erst dadurch relevant, dass auch sie „aufstehen“ (anhistemi! V. 33), umkehren und die Botschaft weitergeben. Sie sagen sie weiter, gemeinsam mit denen, die in der Zwischenzeit ihre
ganz eigenen „Ostererlebnisse“ gehabt haben und ihnen
bei ihrer Rückkehr die Botschaft schon entgegenrufen
(V. 34). Die Jünger werten diese anderen Erfahrungen nun
Küste bei Busan
© Heike Bosien
nicht mehr ab, sie sehen es nicht als Konkurrenz, sondern
als Bestätigung. Und so ist das neue Zusammentreffen in
Jerusalem ein schönes Bild für die „versöhnte Verschiedenheit“ im Zeugnis von dem einen Evangelium.
Die drei Osterszenen in Lukas 24 enden mit einem gemeinsamen Doppelpunkt: mit dem Auftrag, Zeugen und Zeuginnen der Auferstehung zu sein und zur Umkehr zu rufen.
An dieser Stelle müssen wir die ökumenischen und weltweiten Herausforderungen einzeichnen: die Frage nach
dem glaubwürdigen gemeinsamen Zeugnis der Christenheit, nach dem Gott des Lebens, nach Gerechtigkeit und
Frieden. Wenn wir sie nicht im Hoffnungshorizont von
Ostern sehen, der uns weltweit verbindet, werden wir sie
nicht bewältigen.6
Zusammenfassung
Die Emmausjünger haben uns die Begegnung mit Jesus
voraus. Wir müssen immer wieder neu entdecken, wo und
wie Jesus mit uns auf dem Weg ist – wie Gott uns den
Weg weist zu Gerechtigkeit und Frieden. Dazu braucht es
genaues Hinsehen auf die Situation und das Hören auf die
Klagen der Menschen, die vielleicht niemand hört. Dazu
braucht es die Orientierung an der Bibel, gelesen mit den
Augen der anderen und den „Augen der Hoffnung“, und
die Gemeinschaft des „Brotteilens“ – im Abendmahl und
im ökumenischen Teilen weltweit. Dies alles kann uns
neue Wege eröffnen: einen Weg, der aus der Resignation
zum Handeln führt; einen gemeinsamen Weg mit anderen,
die aus einer anderen Richtung kommen, die die Botschaft
in anderer Weise für sich „erfahren“ haben und sie uns
vielleicht schon von Ferne entgegenrufen.
Im Sinne des Pilgerwegs – aber auch des Doppelpunkts,
den das Lukasevangelium setzt – sind alle Gottesdienste,
die wir vor, während und nach der Vollversammlung feiern, Wegstationen, an denen wir Stärkung und Orientierung empfangen für unser Tun. Und – so Gott will – Orte,
an denen etwas von der „verwandelnde Spiritualität“ erfahrbar wird, die von so vielen Menschen quer durch die
Konfessionen erbeten wird.
Anne Heitmann
37
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
2.4 Lieder
a) Erfahrungsbericht aus
dem Liturgie- und Liederworkshop
des ÖRK
„No longer stranger, no longer far off, now we are members of the household of God ...“, „Nicht länger einander
fremd, nicht länger weit weg voneinander …”, diese
Worte sind Teil eines Liedes, das auf einem Workshop in
Seoul, Südkorea, komponiert wurde. 18 Menschen aus 13
verschiedenen Ländern und Kirchen arbeiteten zusammen, um Gottesdienstmaterialien für die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), die 2013
in Busan stattfinden wird, auszuarbeiten.
Neben den erfahrenen Kirchenmusikern und -musikerinnen sollten auch junge Menschen beteiligt sein. So bekamen wir, Frederic Anilkumar (Assistant Professor am Karnataka Theological College in Mangalore, Südindien) und
Susanne Gölz (Theologiestudentin aus Deutschland),
durch die Evangelische Mission in Solidarität (EMS) die
Chance, daran teilzunehmen.
Brasilianische Rhythmen mit den Tönen rumänisch-orthodoxer Melodien zum Klingen zu bringen, ist nur ein Beispiel dafür, was der Ideenreichtum einer solch bunt gemischten Gruppe hervorbringen kann. Gottesdienstmaterialien waren aber nicht das einzige Ergebnis dieses
Workshops. Mindestens ebenso wichtig waren die Erfahrungen, die sich beim Arbeiten mit so unterschiedlichen
Personen in einem solchen ökumenischen Umfeld gewinnen ließen. Die Bibel aus so vielen verschiedenen Perspektiven zu lesen und zu bearbeiten war nicht nur spannend, sondern oft herausfordernd, weil unsere Ansichten
oft verschieden oder gar gegensätzlich waren. Dies waren
jedoch die Situationen, die uns am meisten voneinander
lernen ließen.
Wir haben es beide sehr genossen, eine Woche in dieser
Gruppe zusammen zu arbeiten, zu essen, zu singen und
den ganzen Tag miteinander zu verbringen. Neue Freund-
38
schaften wurden geschlossen, neue Gedanken ausgetauscht und vor allem die Erfahrung gemacht, dass wir
alle Bewohner des Hauses Gottes sind, nicht länger einander fremd, nicht länger weit weg voneinander. „No
longer stranger, no longer far off, now we are members
of the household of God ...“ (siehe Lied S. 46)
Frederic Anilkumar, Susanne Gölz
b) Lieder
1 Ich mach Station am Weg
Musik und Text: Hans-Kurt Ebert © Mundorgel-Verlag, Köln
Das Lied „Ich mach Station am Weg“ finden Sie abgedruckt u. a. in:
 Durch Hohes und Tiefes. Gesangbuch der ESG, Strube Verlag München 2008, Lied Nr. 351
 Liederbuch: Sein Ruhm, unsere Freude (1989), Geistliches Rüstzentrum Krelingen, Lied Nr. 308
2 Komm nun, Fürst des Friedens / Ososô ososô / 오소서 오소서
Melodie und Text: Geonyang Lee, Rechte beim Autor. Deutscher Text: Dietrich Werner, Dieter Trautwein © Strube-Verlag, München
Das Lied „Komm nun, Fürst des Friedens“ finden Sie abgedruckt u. a. in:
Thuma Mina. Internationales Ökumenisches Liederbuch, Strube Verlag München 1995, Lied Nr. 214
Teilnehmende am Liturgie-Workshop in Seoul 2012
© Ester Pudjo Widiansi
39
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
3 Gloria en lo alto a Dios / Ehre in der Höh’ sei Gott
© World Council of Churches 2008, http://creativecommons.org/about/licences, gemeinschaftlich erarbeitet.
Matanzas, Cuba
Als Gloria kann auch nur der Kehrvers gesungen werden.
4 Halleluja aus Syrien
As taught by Metropolian Mar Gregorius Yohanna Ibrahim © PO Box 4194, Aleppo, Syria
Anmerkung: Bischof Yohanna Ibrahim wurde im April 2013 in Syrien verschleppt.
40
5 Auf diese Erde kam Jesus, zu uns! / Je Su Ga I Ddang E O-Shod Gu Na
© Melodie und englischer Text: Ryu Hyungsun, Rechte beim Autor; deutscher Text: Eugen Eckert, Lutz Drescher © EMS
41
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
6 God of life, lead us (Kanon)
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences; Melodie und englischer Text:
J. Boullata, S. Kim, M. Takesako, B. Arendt und Y. Kang; deutscher Text: Eugen Eckert
7 God of life (Liedruf)
Text und Musik: Tércio B. Junker © ÖRK, koreanischer Text: Junchel Hong
42
8 Deus da vida
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences, WCC/RedCrearte
43
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
9 Lamm Gottes
Text (nach Joh. 1, 29) und Musik: Albert Frey © Hänssler-Verlag, Holzgerlingen
Das Lied „Lamm Gottes, du nimmst hinweg“ finden Sie abgedruckt u. a. in:
Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder. Ein Angebot für die Gemeinden,
Evangelische Landeskirchen in Baden und Württemberg, Evangelische Kirche
der Pfalz u.a. (Hg.), Strube Verlag München 2005, Lied Nr. 65
Vollversammlungschor
© ÖRK, Paulino Menezes
44
10 Gib mir deine Hand, Wanderer durch die Zeiten
Text: Uwe Seidel, Musik: Fritz Baltruweit © tvd-Verlag Düsseldorf
45
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
11 Christ is our peace
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences; Melodie/engl. Text: J. Boullata,
S. Kim, M.Takesako, B. Arendt, M. Ghattas, Y. Kang; deutscher Text: Eugen Eckert
2. Christ Jesus came, broke down the wall,
The wall of hostility and hate.
Our peace is Christ himself.
No longer stranger ...
46
2. Du, Jesus kamst, brachst ab die Wand,
die Wand aus Feindseligkeit und Hass;
Dein Weg bringt Frieden der Welt.
Wir werden Freunde ...
12.1 My peace I give unto you
(Partitur)
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences; Melodie/engl. Text: J. Boullata,
S. Kim, M.Takesako, B. Arendt, M. Ghattas, Y. Kang; deutscher Text: Eugen Eckert
47
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
12.2 My peace I give unto you
(Liedblattversion)
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences; deutscher Text: Eugen Eckert
2. Look upon the birds in the air,
never fear or have a care.
Soaring high above on wings of peace,
Spreading justice everywhere.
2. So, wie Vögel ziehn über uns,
unbesorgt, getrost und frei,
tragen Flügel uns zum Frieden hin,
säen Gerechtigkeit dabei.
Zu vielen Liedern finden Sie MP3-Versionen und Playback-Versionen auf www.wcc2013.info
Eine Liedblattversion (ohne Satz) zu „Christ is our peace“ und weitere übersetzte Lieder
vom Liederworkshop des ÖRK in Seoul finden Sie auf www.Busan2013.de
48
2.5 Impulstexte für Andachten in Gruppen
aus Anlass der Vollversammlung
a) Andacht zu Motto und Motiv
der 10. Vollversammlung
Ein grüner Zweig wächst aus steiniger Erde dem offenen
Himmel entgegen. Seine Lebenskraft lässt sich nicht fesseln und an die Kette legen, sondern strebt unaufhaltsam
empor und gibt den Vögeln Aufwind für ihren freien Flug.
Ein Bild der Dynamik und Lebensfreude, ein Zeichen der
Hoffnung und Zuversicht ist für mich das Logo der 10. Vollversammlung des Weltkirchenrates. Mit sparsamen stilistischen Mitteln zeichnet es einen schwungvollen Bogen
von unten nach oben und verwandelt aus der elliptischen
Grundform die Steine und Kettenglieder am trockenen Boden zu frischen Blättern voll Saft und Kraft am Lebensbaum und schließlich zu luftigen Flügeln und starken
Schwingen der drei in den Himmel aufsteigenden Vögel.
Dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen
und nicht müde werden: dieses Wort aus Jesaja 40 kommt
mir bei dieser Zeichnung in den Sinn, aber auch die Rede
vom frischen Trieb aus altem Holz, die Weissagung des
neuen und ewigen Friedenskönigs in Jesaja 11. Auch
Psalm 1 fällt mir ein, das Bild eines Menschen, der wie ein
starker Baum gegründet ist und fest verwurzelt im Lebenswort Gottes – und nicht zuletzt die Gleichnisreden Jesu
vom winzigen Senfkorn zum riesigen Lebensbaum, vom
Weinstock oder Feigenbaum, die gute Früchte tragen zu
ihrer Zeit und Menschen wie Vögeln Nahrung und Schatten, Schutz und Lebensraum bieten.
Dieses Bild der Hoffnung und Ermutigung passt gut zum
Motto der Vollversammlung im koreanischen Busan: God
of life, lead us to justice and peace! Einmal mehr zeigt sich
die englische Sprache von ihrer besten Seite: klar und
deutlich, knapp und bündig bringt sie auf den Punkt, woran es allzu oft mangelt, wofür Christen in aller Welt arbeiten: Leben, Gerechtigkeit, Frieden! Als „Gott des Lebens“ wird der Schöpfer und Erhalter dieser Erde angerufen, als Quelle der Lebendigkeit und Liebhaber des Lebens.
Gott will Leben, nicht den Tod, das Leben der Menschen
Ökumenischer Rat der Kirchen
10. Vollversammlung
30. Oktober bis 8. November 2013
Busan, Republik Korea
wie das der Tiere und Pflanzen, das Leben der Alten und
Jungen, der Starken und Schwachen. Alles Leben verdankt
sich seinem unbedingten Willen zum Leben, seiner Vitalität
und Kreativität.
Damit aber Leben gelingt und bewahrt bleibt, braucht es
Gerechtigkeit. Nur wo das Recht des Menschen geachtet
wird, wo dem Volk wie den Völkern Gerechtigkeit widerfährt und des Menschen Wert und Würde nicht mit Füßen
getreten, sondern mit Wort und Tat geschützt wird, ist das
Leben zuhause. Im Verteilungsgefälle von Arm und Reich
wie in den lokalen Folgen des globalen Klimawandels treten Unrecht und Ungleichheit offen zutage. Die Nahrungsunwucht von Nord nach Süd wie die weltweite Dominanz
der Wirtschaft von West nach Ost offenbaren Strukturen
der Macht und Unterdrückung. „Gott des Lebens, führe
49
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
uns den Weg zu mehr Gerechtigkeit und gib uns Mut, dem
Weg deines göttlichen Rechtes zu folgen!“ Das ist die beherzte Bitte aller Kirchen und Christen zu Gott und der Beginn eines neuen, eines gerechten Lebensstiles!
Denn nur wo es gerecht zugeht unter Menschen und Völkern, hat der Frieden eine Chance, der Schalom Gottes, der
aller Welt versprochen ist: das Wohl des Leibes und das
Heil der Seele, innerer und äußerer Frieden, politischer und
sozialer Ausgleich. Weit mehr als die bloße Abwesenheit
von Krieg ist dieser Friede, doch selbst das gelingt uns nur
bruchstückhaft und scheitert immer wieder an Eigensinn
und Machtstreben, an Rachegelüsten und schierer Unvernunft. „Gott des Lebens, der in Christus Mensch geworden
ist, führe uns den Weg zu deinem umfassenden Frieden.
Lass uns in deinem Namen Frieden wagen und eindeutige
Schritte auf dem Weg des Friedens gehen!“ So beten wir
zu Gott und bitten mit der Vollversammlung aller christlichen Kirchen und Gemeinden zu dem Gott, der Leben, Gerechtigkeit und Frieden schenkt – und von uns erwartet.
Martin Ahlhaus
b) Gemeinsam für das Leben –
Mission und Evangelisation
in sich wandelnden Kontexten.
Eine Andacht zur neuen
Missionserklärung des ÖRK
Eine neue Missionserklärung? Wen interessiert das denn?
Was gibt es zum Thema Mission Neues zu sagen? Und haben wir nicht vielmehr eine sehr leidvolle Geschichte mit
dem Begriff Mission – sollen wir uns da wirklich erneut
dranwagen?
Es gibt Vorbehalte gegen die neue Erklärung zu Mission
und Evangelisation, und es gibt Vorbehalte gegen das
Wort Mission an sich: Allzu oft ging christliche Mission
einher mit kriegerischen Auseinandersetzungen, mit Übergriffen in fremde Kulturen und Traditionen, mit viel autoritärer Meinungsmache und wenig Dialog.
Selbst in der Bibel gibt es das Wort Mission nicht! Auch
im sogenannten „Missionsbefehl“ nicht! Wir hören ihn im
Rahmen einer jeden Taufhandlung: „Gehet hin in alle Welt
50
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“,
(Apg. 1, 8) sagt Jesus Christus seinen Jüngern.
Und Sie merken schon: Mission wird in der Bibel immer
mit vielen Tätigkeitsworten beschrieben, vor allem mit
dem Wort „geht hin, geht los, zieht los“ – bleibt nicht in
euren eigenen Grenzen, überschreitet Grenzen und sucht
die auf, die die Botschaft von der Gnade Gottes am dringendsten benötigen. „Gehet los“, die erste Beschreibung
des Wortes „Mission“ in der Bibel. Die zweite ist: „Empfangt den Heiligen Geist – so sende ich euch“, so steht es
im Johannes-Evangelium, Kapitel 20.
„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und
werdet meine Zeugen sein“, an keiner anderen Stelle der
Bibel ist unser Missionsauftrag so selbstverständlich dargestellt. Tatsächlich: Es geht um einen Auftrag und es geht
um eine Mission, wenn Jesus Christus uns in dieser besonderen Art und Weise auf den Weg bringt.
Die, die da losgeschickt und auf den Weg gesandt werden,
gehen nicht ohne Hilfestellung. Sie werden ausgestattet
mit der Kraft des Heiligen Geistes, die wiederum andere,
ganz ungeahnte Kräfte in sich birgt. Im Johannes-Evangelium heißt es zum Beispiel weiter: „Wenn ihr jemandem
die Sünden vergebt, dann sind sie vergeben.“
Und im Matthäus-Evangelium im 10. Kapitel heißt es:
„Und Jesus gab seinen Jüngern die Macht, unreine Geister
auszutreiben und Krankheiten zu heilen.“ Bitte beachten
Sie: All das wird ganz normalen Menschen gesagt, nicht
etwa besonderen Amts- oder Würdenträgern.
Sie werden losgeschickt, um Dinge in Bewegung zu bringen, um Menschen in Bewegung zu bringen, um in einer
Welt voller Brüche und Ängste von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu reden. Tatsächlich: in erster Linie: zu
reden!
Dabei die richtigen Worte zu finden, ist nicht einfach, aber:
Ihr werdet den Heiligen Geist empfangen – und werdet
die richtigen Worte finden! Denn Mission in der Bibel
meint immer, vom Reich Gottes zu reden, von Gott zu reden, zu predigen, nicht nur auf der Kanzel, sondern im Alltag der Welt. „Das Evangelium der Gnade auszurichten allem Volke“, so heißt es in der Barmer Theologischen Erklärung.
„Hands together“, Aktion für ein starkes
UN-Waffenhandelsabkommen bei der
Friedenskonvokation des ÖRK, Kingston 2011
© Anne Heitmann
Vielleicht spüren Sie es: Eine große Erwartung wird da an
uns gerichtet – und gleichzeitig viel Kraft zugesagt.
An diese biblischen Ermutigungen knüpft die neue Erklärung des ÖRK zu Mission und Evangelisation an. Dabei
geht sie davon aus, dass „Mission von den Rändern her“
geschieht: Die Armen und Schwachen stehen im Mittelpunkt des Interesses Gottes, mit ihnen ist er in erster Linie
unterwegs, um Zeichen seines Reiches zu setzen. Welch
ein neuer Blick auf die Welt, welch ein mutiger Impuls:
Die, die am Rand der Gesellschaft stehen, wissen am meisten von Gottes Güte zu berichten; die, die sonst nichts zu
sagen haben, erzählen von Gottes Wundern. Am Ende sollen alle die Fülle des Lebens erfahren.
Die ÖRK-Erklärung spricht hier von den „Marginalisierten“, von denen, denen die Fülle des Lebens vorenthalten
bleibt.
Einige Sätze sollen hier zitiert werden: „Die Menschen am
Rande der Gesellschaft sind die Hauptpartner in Gottes
Mission. Marginalisierte, unterdrückte und leidende Menschen haben die besondere Gabe zu unterscheiden, was
für sie in ihrem bedrohten Leben eine gute Nachricht oder
aber eine schlechte Nachricht ist. In unserer Verpflichtung
auf Gottes Leben spendende Mission müssen wir auf die
Stimmen der Menschen an den Rändern der Gesellschaft
hören, um zu erfahren, was dem Leben dient und was es
zerstört. Wir müssen unsere Mission neu auf die Wege
ausrichten, die die Marginalisierten heute selbst gehen.
Gerechtigkeit, Solidarität und Inklusion sind zentrale Ausdrucksformen der Mission, die von den Rändern der Gesellschaft ausgeht.“
Und an anderer Stelle heißt es: „Daher sind wir aufgerufen, den Geist Gottes überall dort zu erkennen, wo Leben
in Fülle ist, insbesondere in der Befreiung unterdrückter
Völker, der Heilung und Versöhnung zerbrochener Gemeinschaften und der Wiederherstellung der Schöpfung. Wir
sind herausgefordert, die Leben stiftenden Formen des
Geistes Gottes, die wir in verschiedenen Kulturen spüren,
anzuerkennen und Solidarität mit all jenen zu üben, die
sich für die Stärkung und Bewahrung des Lebens einsetzen. Wir erkennen auch Geister des Bösen, wo immer die
Mächte des Todes und der Zerstörung des Lebens erfahren
werden, und widersetzen uns ihnen.“
Es gibt viel zu tun für die, die in Gottes Auftrag unterwegs
sind. Das spürt man, wenn man die neue Erklärung des
ÖRK zu Mission und Evangelisation liest. Das soll uns aber
nicht entmutigen, sondern im Gegenteil stark machen.
Denn: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein“!
So lasst uns – beflügelt von Gottes gutem Geist – mit all
unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten gute Zeuginnen
und Zeugen Gottes sein.
Amen.
Beate Heßler
c) 65 Jahre Ökumenischer Rat
der Kirchen: Gemeinsam
Veränderung bewirken.
Andacht zur Geschichte des ÖRK
Was am 23. August 1948 noch klein begann, hat sich nach
65 Jahren zu einer weltweiten Gemeinschaft von 349 Kirchen in über 100 Ländern entwickelt. Es beteiligen sich
neben protestantischen Kirchen die orthodoxen, altkatholischen und anglikanischen Kirchen ebenso wie einige
Pfingstkirchen am Ökumenischen Rat der Kirchen. Mit der
römisch-katholischen Kirche gibt es eine enge Zusammenarbeit.
In diesem Jahr, vom 30. Oktober bis zum 8. November
2013, findet in Busan in Südkorea die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen statt.
Wie ein roter Faden zieht sich der Einsatz für den weltweiten Frieden durch die Geschichte des ÖRK: Nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges stand bereits die Gründungsversammlung 1948 in Amsterdam unter dem Motto „Krieg
soll nach Gottes Willen nicht sein“. Für die Jahre 2001 –
2010 hatte der ÖRK die „Dekade zur Überwindung von
Gewalt“ ausgerufen. Diese gipfelte 2011 in einer interna-
51
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
tionalen Friedenskonvokation in Kingston/Jamaica, und
auch bei der kommenden Vollversammlung wird die Frage
des Gerechten Friedens zentral sein.
Die Erfahrung zweier Weltkriege hat zur Gründung des
Ökumenischen Rates der Kirchen entscheidend beigetragen. Dass sich die Kirchen – trotz aller konfessionellen Unterschiede – gemeinsam für den Frieden auf der ganzen
Welt einsetzen sollten, gehörte zum Grundanliegen der
Gründer.
„Was wir zuerst und am dringendsten brauchen, ist nicht
eine neue Organisation, sondern die Erneuerung oder vielmehr die Wiedergeburt der gegenwärtigen Kirchen.“ Dieser Satz aus dem „Aufruf an die Kirchen“ (1947) zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen beschreibt die
Stimmung und die Erwartungen, die mit dem Neubeginn
der Ökumenischen Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden waren. Nicht um die Gründung einer „Superkirche“ ging es, sondern um ein gemeinsames weltweites Forum der Kirchen, das diesen eine bessere Zusammenarbeit ermöglichen sollte. Die drei Wurzeln, aus denen
der Ökumenische Rat hervorging, bestimmen bis heute
seine Arbeit: die Weltmissionsbewegung, die Konfessionsökumene und die Weltfriedensarbeit.
1. Die Missionsbewegung, die vor allem im 19. Jahrhundert dazu beitrug, das Christentum weltweit zu verbreiten, ging mit der Kolonialpolitik der Weltmächte einher,
hatte aber einen durchaus eigenständigen Ursprung in
der Erweckungsbewegung. In den Missionsgebieten sahen sich die zahlreichen Missionsgesellschaften mit
dem Nebeneinander und der Konkurrenz der Kirchen
und Konfessionen konfrontiert – eine Belastung für die
Glaubwürdigkeit der christlichen Mission. Die neue
Mission wurde sofort mit den alten Spaltungen der Kirchen belastet. Um diesem Missstand zu begegnen, fanden seit Mitte des 19. Jahrhunderts Missionskonferenzen in England, den USA und Asien statt. Als Geburtsstunde der modernen ökumenischen Bewegung wird
die Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 angesehen, an der mehr als 1 200 Delegierte aus 150 Missionsgesellschaften teilnahmen.
52
2. Das Anliegen, die Kirchentrennungen zu überwinden
und zur Einheit des Leibes Christi zusammenzuwachsen, war ein weiterer Motor der ökumenischen Bewegung. Immer wieder wurde das Gebet Christi für das
Einssein aller seiner Jünger zitiert (Johannes 17, 21):
„… auf dass sie alle eins seien, gleich wie du, Vater, in
mir und ich in dir; dass auch sie in uns seien, auf dass
die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“ Die gemeinsame Arbeit an den theologischen Grundfragen
nach der Taufe, dem Abendmahl, dem Kirchen- und
Amtsverständnis prägen den ÖRK noch immer. Das Wissen voneinander und das gegenseitige Verständnis sind
in 65 Jahren Zusammenarbeit gewachsen – die kirchliche Einheit noch nicht. Der ÖRK hat aber dazu beigetragen, dass in vielen Ländern Kirchenräte und andere
ökumenische Einrichtungen entstanden sind, ein weltumspannendes ökumenisches Netzwerk, das einen lebendigen und vielfältigen Austausch der Kirchen untereinander ermöglicht.
3. Seit seiner Gründung hat der ÖRK die Kirchen in ihrem
Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung
der Schöpfung bestärkt und inspiriert. Das bekannteste
Beispiel ist das Programm zur Bekämpfung des Rassismus, durch das sich der ÖRK für die Überwindung der
Apartheid in Südafrika engagierte. Heute sind die Fragen nach der wirtschaftlichen Globalisierung und Klimagerechtigkeit die drängendsten, der sich die Kirchen
stellen.
Der Ökumenische Rat der Kirchen verändert sich: Junge
Menschen entdecken neue Formen ökumenischen Engagements, andere Möglichkeiten der Begegnung und des
Austauschs. Die Arbeit für die sichtbare Einheit der Kirchen
und der gemeinsame Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit
machen den Ökumenischen Rat der Kirchen auch 65 Jahre
nach seiner Gründung notwendig. Beten wir für die Arbeit
der 10. Vollversammlung, dass sie die Christenheit auf ihrem gemeinsamen Weg sichtbare Schritte weiterbringen
möge.
Heike Koch
2.6 Weitere Gottesdienstanlässe
a) Schöpfungszeit – ein Beitrag
zu einem Pilgerweg für
Klimagerechtigkeit
Die Teilnehmenden der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu 2007 haben den Kirchen
Europas empfohlen, in der Zeit zwischen dem 1. September und 4. Oktober die „Schöpfungszeit“ zu feiern und damit dem Gebet für die Schöpfung im Kirchenjahr Raum zu
geben.
Gemeinden und Kirchen sind eingeladen, gemeinsam und
ökumenisch Andachten und Gottesdienste zur Schöpfungszeit zu feiern.
Hierzu stehen verschiedene Materialien zur Verfügung:
Gottesdienstmaterialien der Arbeitsgemeinschaft
Christlicher Kirchen in Deutschland zum Tag der
Schöpfung 2013
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen lädt ein, an
möglichst vielen Orten in Deutschland den Tag der Schöpfung unter dem Motto „Gottes Schöpfung – Lebenshaus für alle“ ökumenisch zu feiern (am 1. Freitag im
September oder an einem anderen Termin im Zeitraum
vom 1. September bis 4. Oktober). Das Heft enthält den
Gottesdienst der zentralen Feier der ACK am 6. September
2013 in Hamburg: eine orthodoxe Vesper in ökumenischer
Gemeinschaft. Weitere Vorbereitungsmaterialien und Hinweise auf Gottesdienstmodelle zum Motto im Internet
können dazu inspirieren, einen eigenen Gottesdienst zu
gestalten. Wichtig ist dies in diesem Jahr vor allem an Orten, an denen eine orthodoxe Vesper nicht realisierbar ist.
Das Heft ist kostenlos im Online-Shop der ACK
Deutschland www.oekumene-ack.de/Shop.150.0.html
erhältlich.
Unter www.schoepfungstag.info finden sich weitere
Materialien, unter anderem ein Jugendgottesdienst
und ein Kinderbibeltag zum Thema „Wir bauen uns
ein Welthaus“.
Andachten zur Schöpfungszeit
Das Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum der Evangelischen
Kirche in Mitteldeutschland bietet für die Schöpfungszeit
ein Andachtsheft unter dem Thema „Gottes Schöpfung –
Lebenshaus für alle“ an. Es ist im Rahmen des europäischen Gemeindeklimaschutzprojektes entstanden, an dem
sieben Kirchen aus fünf Ländern beteiligt sind. Es kann ab
12.07.2013 abgerufen werden.
www.oekumenezentrum-ekm.de
b) Ökumenische FriedensDekade
Unmittelbar im Anschluss an die Vollversammlung des
ÖRK wird in Deutschland die Ökumenische FriedensDekade begangen. Gottesdienste in diesem Rahmen können
Anliegen der Vollversammlung aufnehmen:
„Solidarisch?“ ist das Motto der diesjährigen Ökumenischen FriedensDekade vom 10. bis 20. November 2013.
Mit über 2 000 bundesweit gemeldeten Veranstaltungen
ist die FriedensDekade die beständigste ökumenische
Friedensaktion von Kirchen und christlicher Friedensbewe-
53
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
gung. Das Motto rückt die Frage nach der Gerechtigkeit
in den Fokus: Was bedeutet solidarisch sein bzw. solidarisch leben in der heutigen Zeit? Wer braucht unsere Solidarität? Was wünscht sich jemand von Blockupy von den
Kirchen?
Die biblische Orientierung lenkt den Blick auf die Speisungsgeschichte aus Lk 9, 10–17 und Ps 82, 2–4. Beide
Texte fordern zum solidarischen Handeln heraus. Ps 82, 3
formuliert das so: „Verschafft Recht den Unterdrückten
und Waisen, verhelft den Gebeugten und Bedürftigen zum
Recht.“
Auch im Rahmen der FriedensDekade gibt es zahlreiche
Möglichkeiten, aktiv zu werden: Die FriedensDekade sammelt Unterschriften im Rahmen der Kampagne „Steuer
gegen Armut“ für eine Einführung der Finanztransaktionssteuer in Deutschland. Einnahmen daraus sollen zu einem Drittel für internationale Armutsbekämpfung verwendet werden, zu einem Drittel für nationale Armutsbekämpfung und zu einem Drittel für Klimaschutz.
Mit dem 70-seitigen Materialheft stellt die FriedensDekade Bausteine für die Praxis, Ideen für Aktionen vor Ort
und Hintergrundtexte für die zehn Tage im November zur
Verfügung. Es geht u.a. um alternative Wirtschaftstheorien
und um alternative Wirtschaftsmodelle, die bereits praktiziert werden, aber auch um die Frage nach dem grenzüberschreitenden Einsatz für gerechtere Wirtschaftsstrukturen in Europa. Außerdem wird der solidarische Einsatz
für Kriegsopfer im Irak, für Flüchtlinge und für von Rechtsradikalen bedrohte Menschen thematisiert.
Wiltrud Rösch-Metzler,
Redaktion Ökumenische FriedensDekade
[email protected]
Tel. 0 67 62/22 61, www.friedensdekade.de
Auch die EKD bietet zur Friedensdekade wieder ein Heft
mit einer Gottesdienstordnung für einen „Bittgottesdienst für den Frieden in der Welt“ an.
Es kann auch auf www.friedensgottesdienste.de
heruntergeladen werden.
54
© Ökumenische FriedensDekade
c) Ökumenischer Gottesdienst
am Buß- und Bettag:
Gottesdienst feiern in
versöhnter Verschiedenheit
Als Beitrag zum ökumenischen Reformationsgedenken
wird die ACK in Baden-Württemberg für 2013 einen liturgischen Vorschlag für die ökumenische Feier des Buß- und
Bettags erarbeiten. Sie sieht darin die Chance, bereits vorhandene Ansätze einer ökumenischen Feier des Buß- und
Bettags aufzugreifen und zu stärken, ebenso wie die geistlichen und liturgischen „Früchte“, die die ökumenische
Bewegung hervorgebracht hat. Es geht darum, „Reformation als geistliche Erneuerung der Kirchen“ ökumenisch
zu öffnen. Die Handreichung mit einem Gottesdienstformular und weiteren Anregungen wird als PDF-Datei auf der
Homepage der ACK Baden-Württemberg abrufbar sein.
www.ack-bw.de
2.7 Ökumenische Hoffnungsgeschichten
Vier kleine Geschichten rund um die Ökumene,
zum Durchlesen und Ins-Gespräch-Kommen,
zum Sich-Anstecken-Lassen und Weitererzählen,
zum Teilen in Kleingruppen und Kirchenkaffee
Heiliger Abend
Mein Vater kam Anfang der 60er-Jahre als Student aus Indien nach Deutschland. Er wollte Schiffsbauingenieur werden, weil Indien und Deutschland damals Werften bauten
und er sich nach seiner Rückkehr nach Indien eine gute
Arbeitsstelle erhoffte. Das Schicksal aber verschlug ihn
nach Saarbrücken in einen anderen Studiengang.
Am 23. Dezember seines zweiten Jahres in Deutschland
lief er durch die Stadt. Plötzlich sprach ihn ein fremder
Mann an: „Wollen Sie nicht morgen zu uns kommen?“
Mein Vater war überrascht; eine solche Offenheit hatte er
bis dahin nicht in Deutschland erlebt. Er zögerte, aber am
nächsten Tag folgte er der Einladung. Es war ein wahrhaft
Heiliger Abend. Meine Eltern blieben immer mit dieser Familie verbunden.
Viele Jahre später, ich muss 13 oder 14 Jahre alt gewesen
sein, es war wieder ein 23. Dezember, lasen meine Eltern
in der Lokalzeitung von Spätaussiedlern, die in einem
Übergangsheim angekommen waren. Als sie vorschlugen,
doch eine Familie für Heiligabend einzuladen, war ich innerlich entsetzt: Ich konnte mir gar nicht vorstellen, den
Heiligabend mit fremden Menschen zu teilen. Doch meine
Eltern ließen sich nicht abhalten. Und es wurde ein wahrhaft Heiliger Abend!
Ravinder Salooja
Miteinander ein Hühnchen rupfen –
ökumenisches Abendmahl in Soweto
Nach einem mehrstündigen Sonntagsgottesdienst und einigen anderen Unternehmungen in Soweto knurrte am
frühen Abend unser Magen. Einer der südafrikanischen
Brüder schlug vor, einige gebratene Hühnchen zu kaufen
und dann eine HIV-Aids-infizierte Frau zu besuchen, die er
gerne zu der Selbsthilfegruppe der Gemeinde einladen
wollte. Ich war im ersten Augenblick etwas skeptisch, ob
der „spontane Besuch“ von etwa zehn südafrikanischen
und deutschen Kirchenleuten in der Blechhütte der erst
wenige Tage vorher aus dem Krankenhaus entlassenen
Frau wirklich eine gute Idee war. Aber es gab keine große
Diskussion, an einer Hähnchenstation wurden mehrere Tüten mit gebratenen Hähnchen gekauft und flugs das Haus
der Frau angesteuert. Als sie uns auf unser Pochen auf der
Wellblechtür die Tür öffnete, stand ihr die Überraschung
und die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. Mit leisen
Worten bat sie uns herein und entschuldigte sich zugleich
für die leere Hütte, in der kaum Mobiliar vorhanden war.
Schnell wurde jedoch aus einer Kiste und einem Brett ein
Tisch gebildet, auf den die Hähnchentüten und zwei Teller
für die Knochen gelegt wurden. Auf Kissen und anderen
Textilien setzten wir uns auf dem Boden rund um den improvisierten Tisch.
Nach einer kurzen Vorstellung der Anwesenden und einem
Lied wurden die Tüten aufgerissen und alle rupften hungrig mit den Händen Stücke von den gebratenen Hähnchen
herunter. Als nur noch die Knochen auf den Tellern lagen,
trug ich mit der Hausbewohnerin und ihrer dreijährigen
Tochter, die sich die ganze Zeit eng an sie schmiegte, die
Teller in den Hof zu der dortigen Wasserstelle. Ich fragte
sie, ob sie schon lange in Soweto lebte und ob sie gute
Nachbarn hätte, weil ich merkte, dass sie und auch ihre
kleine Tochter vorsichtig-ängstliche Blicke zu der Hütte
rechts von ihnen warfen. Da brach es aus der Frau heraus:
Sie war erst vor wenigen Monaten vom Land nach Soweto
gezogen, weil sie hoffte, dort Arbeit zu finden, um sich und
55
II. GOTTESDIENST FEIERN MIT DEM GOTT DES LEBENS
ihre Tochter zu ernähren. Bereits nach wenigen Tagen in
dem neuen Zuhause drang jedoch der Nachbar nachts in
ihre Hütte ein und vergewaltigte sie und ihre kleine Tochter – entsprechend dem Mythos, dass der Geschlechtsverkehr mit einer „Jungfrau“ von der Aidsinfektion heile. Als
sie in der Klinik die traurige Bestätigung ihrer Aidsinfektion erhielt, erklärte ihre Schwester sie für nahezu tot und
räumte die Möbel aus der Hütte, die wir deshalb in diesem
fast leeren Zustand angetroffen hatten. Noch schlimmer
war für die Frau allerdings, dass niemand mehr in ihr Haus
kommen und mit ihr an einem Tisch essen wollte, um sich
nicht selbst anzustecken. So saß sie nun viele Stunden am
Tag und besonders in der Nacht voller Angst vor einem
neuen Überfall mit ihrer traumatisierten Tochter in der
kahlen Hütte.
Unser spontaner Besuch und das gemeinsame Hähnchenrupfen hatten sie zwar ziemlich überrascht, aber es war
das erste Mal nach dem Überfall, dass sie wieder für andere Gastgeberin und Tischgenossin sein konnte. Es war
für sie der erste Schritt zur Rückkehr in die Gemeinschaft
der Lebenden. Bevor wir gingen, lud sie der lokale HIVAids-Koordinator zum Treffen der Selbsthilfegruppe in das
Day-Care-Center ein und bot ihr für ihre Tochter einen
Platz in dem gerade eingerichteten Kindergarten an, damit
sie in Ruhe über Perspektiven in der neuen Lage nachdenken könne. So wurde aus dem zunächst mit einiger Skepsis
angegangenen „Abendmahl“ vielleicht eine ökumenische
Begegnung, wie sie in Mt 25 als zunächst uneindeutige
Christusbegegnung geschildert wird.
Gerdi Nützel, Gründonnerstag 2013
(zehn Jahre nach dem Besuch 2003)
Sinn des Lebens
Der US-amerikanische Autor Robert Fulghum erzählt eine
Geschichte vom Sinn des Lebens, die ihren Ursprung in
einer Tagungsstätte der orthodoxen Kirche auf Kreta hat;
einem Ort, der entstand, um die tiefen Gräben zwischen
Griechen und Deutschen zu überwinden. Denn der Hass
gegen die deutschen Besatzer war in der Bevölkerung von
Kreta seit dem Zweiten Weltkrieg tief verwurzelt. Viele
56
hatten in Erinnerung, wie die deutschen Soldaten ganze
Dörfer ausrotteten und Tausende Kreter gefangen nahmen
und ermordeten. Aber auch Tausende von Deutschen, vor
allem junge Soldaten, starben auf Kreta. Noch heute werden die Friedhöfe mit den Gräbern deutscher Söhne von
alten kretischen Müttern gepflegt. Alexander Papaderos,
der in Kreta aufwuchs und in Athen lebte, träumte lange
Jahre von einem Ort der Versöhnung und der Begegnung
auf dieser Insel. Sein Traum wurde 1968 wahr, als eine
Akademie und internationales Tagungszentrum an einem
der schönsten Orte dieser Insel entstand. Er selbst ist eine
lebende Legende der Völkerverständigung, voller Weitsicht, Humor, Energie, Menschenliebe. Dieser Alexander
Papaderos leitete vor vielen, vielen Jahren das Philosophie-Seminar, an dem Robert Fulghum teilnahm. Zwei Wochen tauschten sie sich aus. In der Schlussrunde des Seminars fragte Papaderos: „Gibt es noch Fragen?“ Es ist so
eine Frage, mit der man eigentlich Schluss macht, weil alle
gehen wollen. Es ist eine rhetorische Frage am Ende von
Seminaren, Vorträgen, Workshops. Gibt’s noch was?
Und in diesem Abschlussmoment fragte Robert Fulghum:
„Was ist der Sinn des Lebens?“ Alle lachten. Als ob man
das mal kurz beantworten könnte. Doch Papaderos hob
die Hand. Es wurde still im Raum. Er schaute Robert
Fulghum an, um zu prüfen, ob er es ernst meinte mit seiner Frage. „Ich will Ihnen antworten“, sagte Papaderos.
Er zog eine alte Brieftasche aus seiner Jacke. Machte das
Etui auf und fischte einen rundlichen, uralten Spiegel aus
dem Etui.
Und begann zu erzählen: „Als ich ein kleines Kind war,
während des Krieges, waren wir sehr arm. Wir lebten in
einem kleinen Dorf auf Kreta. Eines Tages fand ich auf der
Straße die zerbrochenen Teile eines Motorradspiegels. Ein
deutscher Soldat hatte einen kleinen Motorradunfall an
dem Ort gehabt.“ Der kleine Papaderos versuchte alle
Teile des Spiegels, die er fand, zusammenzusammeln. Aber
es war nicht möglich, alle zu finden. Er behielt das Größte
von ihnen. Und durch Schleifen an einem Stein wurde es
schließlich rund. Er begann mit dem Spiegel zu spielen. Er
war fasziniert davon, dass er Licht reflektieren lassen
konnte und dorthin leiten konnte, wo es dunkel war und
wo niemals die Sonne hinkam. Es wurde ein Spiel für ihn,
dorthin Licht zu bringen, wo die allerdunkelsten Flecken
waren, die er fand.
Ökumene im Spiegel,
Erkundungen in Korea für die 10. Vollversammlung
© Heike Bosien
Ihr seid damit nicht allein
Erfahrungen einer Spiritualität der Empathie
Wie bekommen die Fragen nach Gerechtigkeit, Frieden
und Schöpfungsbewahrung einen Platz in unseren Kirchen, den Gemeinden, in uns selbst – in einer Welt, in der
es uns an Informationen nicht mangelt, in einer Zeit, in
der wir weit mehr wissen, als wir verarbeiten können?
Er hob diesen kleinen Spiegel auf, auch als er größer wurde. Ab und an spielte er manchmal das Spiel vom Lichteinfangen und Umleiten. „Als ich erwachsen wurde“, so
Papaderos, „begriff ich, dass dies nicht nur ein Kinderspiel
war, sondern eine Metapher dafür, was ich mit meinem
Leben tun könnte. Ich verstand, dass ich selbst nicht das
Licht bin oder die Quelle des Lichts. Aber Licht – also Wahrheit, Verstehen, Erkenntnis – ist vorhanden und es wird
nur an viele dunkle Plätze gelangen, wenn ich es reflektiere und hineinstrahlen lasse.
Ich bin ein Fragment eines Spiegels, dessen ganze Gestalt
und ganze Größe ich nicht kenne. Und dennoch: Mit dem,
was ich habe, kann ich Licht an die dunkelsten Orte dieser
Welt bringen und in die dunkelsten Ecken der menschlichen Herzen. Vielleicht werden es andere sehen und mir
gleich tun. Das ist es, warum ich bin. Das ist der Sinn des
Lebens.“
Und dann nahm er seinen kleinen Spiegel, vorsichtig, fing
die Sonnenstrahlen ein, die durchs Fenster fielen, und
leuchtete Robert Fulghum ins Gesicht und auf seine
Hände. Und Robert Fulghum schreibt in seinem Buch:
„Vieles, was ich auf Kreta kennenlernte über die Geschichte der Insel und die griechische Kultur habe ich vergessen, aber im Etui meines Gedächtnisses trage ich bis
heute einen kleinen runden Spiegel mit mir.“
Aufgeschrieben von Heike Bosien
Eine Erfahrung aus der KonfirmandInnenarbeit (Sommer
2012) ermutigt mich: Die Konfirmandinnen und Konfirmanden haben sich mit dem UNO-Waffenhandelsabkommen beschäftigt. Sie waren stark berührt von den Folgen
dieses scheinbar so fernen Vertrags für einzelne Menschen
an verschiedenen Enden der Erde. Sie haben im Gottesdienst geklagt, gebetet und gesungen und haben dann
Briefe an Betroffene in Mosambik und Palästina geschrieben, an ihre eigene Kirchenleitung, ihre Regierung. In dem
Brief nach Palästina heißt es: „Wir möchten Euch wissen
lassen, dass wir an Euch denken und dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, das Übel zu stoppen.
Wir hoffen aus tiefstem Herzen, dass Eure Probleme
schnell ein Ende haben werden! Ihr seid damit nicht allein!”
Diese Jugendlichen haben sich dem fernen Anderen zugewendet und dies hat sie selbst verändert. Diese Erfahrung
nenne ich „Spiritualität der Empathie“. Verletzbare Gesichter hinter abstrakten Nachrichten zu erkennen, Brücken zu fernen Geschwistern zu schlagen und dabei nicht
ohnmächtig zu werden, sondern sich im tiefen Vertrauen
in gesellschaftliche Prozesse zu mischen, zählt für mich zu
den Kernaufgaben unserer Kirchen.
Almut Bretschneider-Felzmann
Weitere Hoffnungsgeschichten unter
www.plaedoyer-ecu.de/busan%202013.html
57
III. WEITERGEHEN MIT
DEM GOTT DES LEBENS
3.1 Anregungen für Gemeindeveranstaltungen
a) Pilgerreise nach Busan:
Eine ökumenische Reise
durch das Christentum weltweit
 Bei jeder Station soll dann aber die Bedeutung des Themas im eigenen Kontext im Mittelpunkt des Gespräches stehen.
Auf der Website der Vollversammlung findet sich ein ungewöhnlicher „Reiseführer“ für die Gemeinden vor Ort:
Eine Arbeitshilfe lädt Menschen in den Ortsgemeinden ein,
ein umfassenderes Verständnis dafür zu bekommen, was
es heißt, Teil der weltweiten Kirche zu sein und an der Mission Gottes in dieser Welt teilzuhaben. Sie will die Gemeinden ermutigen, sich mit den spirituellen Impulsen und
aktuellen Schwerpunkten der ökumenischen Bewegung
zu beschäftigen und so „die Kirchen“ auf ihrem Weg nach
Busan zu begleiten.
 Die sechs Stationen sind Etappen auf einem Weg. Sie
sollen helfen, das Gebet „Gott des Lebens, weise uns
den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“ praktisch zu leben.
„Auf dem Weg zu unserer Vollversammlung
2013 in Busan können wir darüber
nachdenken, wer wir sind und zu welchen
Handlungen wir als Christen berufen sind“
ÖRK-Generalsekretär
Pastor Dr. Olav Fykse Tveit
Die Arbeitshilfe hat die Form einer Pilgerreise mit sechs
Stationen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Einheit der Christen
Zum Zeugnis berufen
Mit Menschen anderen Glaubens leben
Engagement für Gottes Gerechtigkeit
Beten für den Frieden Gottes
Transformative Spiritualität für die Nachfolge
 Jede Station hat einen Schwerpunkt der Ökumene zum
Thema: Einheit, Mission, Frieden, Gerechtigkeit, Gebet,
Nachfolge.
 Jede Station stellt den Teilnehmenden die Situation an
einem anderen Ort vor: Osteuropa, Lateinamerika, Nigeria, Indien, Arabische Länder und „die ganze bewohnte Erde“.
58
An jeder Station werden drei Aspekte miteinander verwoben:
 Erinnerung: Erinnerung an unsere biblischen, spirituellen und theologischen Wurzeln hilft uns, heute in unserem jeweiligen Kontext nach Gerechtigkeit und Frieden in der Welt zu streben.
 Sehen: Weil wir uns erinnern, können wir sehen, was
wir sonst nicht sehen würden. Wir öffnen unsere Augen
und erkennen, was uns von Gott und anderen trennt.
Wir sehen, was in unserem Kontext passiert und in welchem Verhältnis es zu den Ereignissen in anderen Teilen
der Welt steht. Wir fragen: Was verhindert oder schadet
dem Zeugnis und dem Auftrag der Kirche?
 In Beziehung treten: Als lokale Glaubensgemeinschaft sind wir mit anderen Gläubigen in der globalen
Kirche verbunden. Wir tragen gemeinsam die Probleme
und erkennen gemeinsam, welche Auswirkungen sie
auf uns haben.
Die Kirche wird zu einem Ort des „Erinnerns“,
des „Sehens“ und des „In-Beziehung-Tretens“.
Die Arbeitshilfe besteht aus einem „Handbuch für Teilnehmende“ und einem „Handbuch für Gruppenleitende.“
 Das Handbuch für Gruppenleitende enthält umfassende
Hintergrundinformationen über die Orte, Themen und
Anliegen jeder Station und Hinweise auf weitere Materialien.
Ökumenisches Gespräch
Madang: Traditioneller Innenhof in Korea: ein Ort für Begegnung
© ÖRK, Igor Sperotto
© Heike Bosien
 Das Handbuch für Teilnehmende bietet eine Einleitung, Fragen, die das Gespräch strukturieren können,
und schlägt Möglichkeiten zum praktischen Handeln
vor, die im Zentrum der „Pilgerreise“ stehen.
Zielgruppen der Arbeitshilfe:
Erwachsenengruppen, Jugendgruppen,
gemischte Gruppen (andere Kirchen, Glaubensgemeinschaften)
Die Handbücher stehen zum Download bereit auf:
http://wcc2013.info/de/resources
Johny Thonipara
„Durch Erzählungen, Reflexion, Gebet und
das Entdecken weiterer ähnlicher Materialien
können die Menschen ihre Wahrnehmung
von anderen Christen und ihre eigene Nachfolge vertiefen.“
Pastorin Dr. Karen L. Bloomquist
b) Jugendprojekt:
Einladung zu einer Pilgerreise
Zur „Pilgerreise nach Busan“ sollen sich auch Menschen
aufmachen, für die Ökumene eigentlich „weit weg“ ist.
Besonders junge Menschen werden in der Ökumene gebraucht! Sie können auf diesem Pilgerweg „Neuland“ erkunden, die Themen des ÖRK kennenlernen, die weltweite
Gemeinschaft von Christen erleben und selbst erste
Schritte in Richtung Gerechtigkeit und Frieden gehen.
Der „Pilgerreiseführer für Jugendliche“ soll helfen, mit jungen Menschen diesen Pilgerweg zu gehen. Er bereitet die
ÖRK-Materialien methodisch abwechslungsreich und ansprechend auf.
Zur Zielgruppe gehören z. B. Konfirmandengruppen, SchülerInnen im Religionsunterricht (v. a. Kursstufe), Jugendkreise, Pfadfindergruppen, angehende weltwärts-Freiwillige, aber auch Erwachsene.
Der „Pilgerreiseführer für Jugendliche“ ist ab August
2013 abrufbar unter: www.Busan2013.de (vollständig
ab November).
Das Projekt „Pilgerreiseführer für Jugendliche“ wird
gestaltet von zwei Mitgliedern der Multiplikatorenreisegruppe der Ev. Landeskirche in Württemberg. Susanne Gölz und Christoph Wiest studieren Theologie
in Tübingen und haben als Freiwillige in Indonesien
und Südafrika ökumenische Erfahrungen gemacht.
59
III. WEITERGEHEN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Der Vorbereitungsausschuss der Vollversammlung
erkundet eine buddhistische Tempelanlage in Südkorea
© Heike Bosien
c) Lebendige Briefe – Teambesuche als
Instrumente wechselseitiger ökumenischer Begleitung und Supervision
Unsere Gemeinden, Kirchen und Gesellschaften brauchen
Re-Formationen und Trans-Formationen, um vom „Leben
in Fülle“ Zeugnis zu geben. Dabei ist wechselseitige ökumenische Begleitung und Supervision hilfreich. Ökumenische Teambesuche unterstützen Menschen in ihrem Engagement, sie qualifizieren, ermutigen und fordern heraus.
Sie können als Solidaritätsbesuche in Krisen eingesetzt
werden, aber auch in den Perspektivdiskussionen unserer
Kirchen. So hat die lippische Landeskirche 2006 ein ökumenisches Team – fünf Personen aus verschiedenen Partnerkirchen – eingeladen zum Thema „Wie missionarisch
ist unser kirchliches Handeln?“ Der Bericht gibt sehr interessante Denkanstöße und Impulse. Und ich schlage vor,
auch im regelmäßigen kirchlichen Besuchsdienst verstärkt
VertreterInnen aus der lokalen und weltweiten Ökumene
zur Beteiligung einzuladen.
Dazu einige Anregungen:
„Lebendige Briefe“ hieß – in Anknüpfung an 2. Korinther
3, 3 – das große Teamvisit-Programm, das der ÖRK zur
Zwischenauswertung der Ökumenischen Dekade „Kirchen
in Solidarität mit Frauen“ Mitte der 90er-Jahre durchführte. Ein kleines internationales Team besuchte 1995
auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
(EKHN). Zum Ende der Dekade 1998 hielten wir dazu fest:
„Die BesucherInnen haben uns in unserem Engagement
sehr ermutigt. Die Begegnung mit ihnen war eine gute Er-
60
fahrung ökumenischer Gemeinschaft. Durch den Besuch
ist in der EKHN eine stärkere Kooperation entstanden zwischen Frauen und einzelnen Männern, die sich mit der
wirtschaftlichen und sozialen Lage von Frauen, mit Rassismus, mit ökumenischen und interkulturellen Beziehungen, mit Gleichstellung oder feministischer Theologie auseinandersetzen. ... Darüber hinaus stellt das Konzept der
Teambesuche eine zukunftsweisende Methodik der Zusammenarbeit von Ökumenischem Rat und Mitgliedskirchen dar, die auch in anderen Themenbereichen praktiziert
werden sollte.“
Auch im Rahmen der „Ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt“ gab es ein Living-Letters-Programm
des ÖRK. Beim Teambesuch in Deutschland 2008 erlebten
die GastgeberInnen Anteilnahme und Solidarität und sie
hörten Geschichten von Gewalt und ihrer Überwindung
aus anderen Ländern. Neue Beziehungen zwischen Gruppen aus verschiedenen Kirchen und darüber hinaus entstanden, Erfahrungen und Erkenntnisse in Prävention und
Konflikttransformation wurden ausgetauscht. Auch gemeinsames Bibellesen und Beten stärkte unsere Hoffnung,
Gewalt gewaltfrei zu widerstehen und sie zu überwinden.
Die sechs Frauen und Männer aus Brasilien, USA, Griechenland, der Schweiz und Burundi würdigten das große
Engagement zur Dekade in Deutschland, stellten aber
auch kritische Fragen zur hohen Zahl der Rüstungsexporte
und danach, ob das Friedensengagement ins Zentrum
kirchlicher Arbeit gerückt sei oder doch noch eher am
Rand stehe. Sie nahmen Anliegen und Anregungen für die
geplante Friedenskonvokation mit.
Ulrike Schmidt-Hesse
3.2 Einheit – Mission – Gerechter Frieden –
Wirtschaft für das Leben
Wichtige Themen der Vollversammlung
zum Nachlesen in vier Dokumenten:
Ökumene lebt von der Begegnung, ökumenische Theologie entsteht „im Angesicht des und der Anderen“. Was dabei entsteht, ist nachzulesen in den vielen Dokumenten,
die für eine Vollversammlung vorbereitet werden. Sie legen Rechenschaft ab über das, was gemeinsam gesagt
werden kann, und bereiten Entscheidungen der Vollversammlung vor.
Natürlich sind nicht alle Dokumente einfach zu lesen, so
wie die meiste theologische Fachliteratur auch. Das Besondere – und manchmal für uns auch Ungewohnte – sind
die vielen konfessionellen Traditionen und Kontexte, die
sich in den Texten widerspiegeln. In so vielfältiger Weise
finden sie sich in wenigen anderen theologischen Texten
wieder. Für die, die sich näher mit einem der Themen der
Vollversammlung auseinandersetzen wollen, eine lohnende Lektüre.
Wir haben hier vier Dokumente zusammengestellt, die vier
Themenbereiche der Vollversammlung aufnehmen. Michael Biehl, Fernando Enns und Klaus Heidel, die drei der
Texte kurz vorstellen, waren am Entstehungsprozess der
Dokumente beteiligt. Matthias Meyer vom Konfessionskundlichen Institut Bensheim stellt vorweg das Dokument
zur Frage nach der Einheit der Kirche vor.
Sie finden diese und weitere Dokumente für die Vollversammlung als Download auf:
http://wcc2013.info/en/resources/documents
oder auf www.busan2013.de
Einheit
a) „Die Kirche: Auf dem Weg
zu einer gemeinsamen Vision“
Die Vision „sichtbarer Einheit“ bewegte Vollversammlungen in den letzten 50 Jahren seit Neu-Delhi (1961). Ein
weichenstellendes Dokument nach mehr als 20-jähriger
Arbeit liegt nun vor: „The Church: Towards a Common Vision“/„Die Kirche: Auf dem Weg zu einer gemeinsamen
Vision“. Die Studie Nr. 214, erarbeitet von der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, besticht. An
ihr wird zukünftig Theologie und Kirche in der weltweiten
Ökumene gemessen werden.
„Taufe, Eucharistie und Amt. Gemeinsam den einen Glauben bekennen“ und „Kirche und Welt“ verkörpern bereits
wegweisende Meilensteine. Doch jetzt geht es um eine Vision von Kirche, wie sie 1993 auf der fünften Weltkonferenz von Glaube und Kirchenverfassung gebahnt wurde:
„Auf dem Weg zur Koinonia in Glauben, Leben und Zeugnis.“
Die Vision verdankt sich dem dreieinigen Gott (Kap. 1 f.):
Es gibt Fortschritte auf dem Wege zur sichtbaren Einheit.
„Koinonia“, Schlüsselbegriff der Einheit, führt weiter:
„Versöhnte Verschiedenheit“ wird zum anvisierten Programm. (Kap. 2). Hoffnungspotentiale gilt es verstärkt zu
erkennen: „Die Kirche: Wachsen in Gemeinschaft“ (Kap. 3).
„Glauben, Sakramente und Amt“ sollten verbinden! Krisen und Aufgabenstellungen fordern heraus, um „die
Gabe der Autorität im Dienst der Kirche“ zu benennen.
Autorität – nicht Macht oder weltliche Herrschaft – verkörpert der gekreuzigte und auferstandene Christus. Er beruft, er beauftragt nationale und internationale Ökumene:
„Die Kirche: In und für die Welt“ (Kap. 4).
Denn Kirche gründet im Heilswirken Jesu: „Das Reich Gottes, das Jesus verkündete, indem er Gottes Wort in Gleichnissen offenbarte, und das er durch seine großen Taten,
besonders durch das Ostergeheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, eingeleitet hat, ist die letzte Bestim-
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III. WEITERGEHEN MIT DEM GOTT DES LEBENS
mung des gesamten Universums. Denn die Kirche existiert
nach dem Willen Gottes nicht für sich selbst, sondern soll
dem göttlichen Plan zur Verwandlung der Welt dienen.“
(§ 58).
Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des ÖRK, beurteilt den
auf Konvergenz ausgerichteten Text richtungsweisend (Geleitwort IV):
„Das Dokument spiegelt die konstitutionellen Ziele und
die Identität des ÖRK als Gemeinschaft von Kirchen wider,
die einander zum Ziel der sichtbaren Einheit aufrufen. Die
Einheit ist eine Gabe des Lebens und eine Gabe der Liebe
und nicht ein Prinzip der Einstimmigkeit oder Einseitigkeit.
Als Gemeinschaft von Kirchen sind wir dazu aufgerufen,
die Einheit des Lebens, die uns in Jesus Christus – durch
sein Leben, sein Kreuz und seine Auferstehung – geschenkt wurde, zum Ausdruck zu bringen, damit Gebrochenheit, Sünde und Böses überwunden werden können.“
Matthias Meyer
Mission
b) Gemeinsam für das Leben.
Mission und Evangelisation
in sich wandelnden Kontexten
„Wir glauben an den dreieinigen Gott, den Schöpfer, Erlöser und Bewahrer allen Lebens. Gott hat die ganze oikoumene nach seinem Bild geschaffen und ist in der Welt
unablässig am Werk, um sich für das Leben einzusetzen
und es zu schützen.
Wir glauben an Jesus Christus, das Leben der Welt und die
Inkarnation von Gottes Liebe für die Welt (Johannes 3, 16).
Für das Leben in seiner ganzen Fülle einzutreten, ist Jesu
Christi höchste Aufgabe und Sendung (Johannes 10, 10).“
Hier klingen die Motive der neuen Missionserklärung des
ÖRK an. Sie fasst zusammen, was unterschiedlichste Konfessionen über Mission in einer globalisierten und zerris-
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senen Welt gemeinsam sagen können. Es war eine beeindruckende, über den ÖRK hinausreichende Vielfalt von Kirchen und Konfessionen – von orthodox über römisch-katholisch und evangelikal bis zu pfingstlerisch –, die gemeinsam dieses Dokument erarbeitet hat.
Für sie ist Mission „das Überfließen der unendlichen Liebe des dreieinigen Gottes“. Menschen lassen sich durch
Gottes Geist berufen und wirken durch eine missionarische Spiritualität, die die Menschen und die Welt verwandelt. Als „Energie für ein Leben in Fülle“ stärkt sie den Widerstand gegen alle Kräfte, die Leben „verweigern, zerstören und einschränken“, und bevollmächtigt die am
Rand: Marginalisierte und Unterdrückte. In Demut und
Respekt soll die Frohe Botschaft auch mit denen geteilt
werden, die anderen religiösen Traditionen angehören.
Evangelisation ist die ausdrückliche und absichtsvolle
Bezeugung des Evangeliums, zu der die Einladung zur persönlichen Umkehr zu einem neuen Leben in Christus und
zur Nachfolge gehört.
In einer pluralistischen Welt führt diese Haltung zum Dialog, da nach der Erklärung Gottes Geist auch in anderen
Kulturen und sogar in anderen Religionen erfahrbar ist. Dialog ermöglicht ein Sich-Einlassen auf die Verwurzelungen
des Evangeliums in den verschiedenen Kulturen. „Die Pluralität von Kulturen ist eine Gabe des Geistes zur Vertiefung
unseres Glaubens und gegenseitigen Verständnisses.“
Unter den vielen Motiven können wir in Deutschland vor
allem an das der verwandelnden Spiritualität und der Einladung zum Fest des Lebens, an die Verknüpfung von Mission und Schöpfung und an die missionarische Dimension
der Ortsgemeinde anknüpfen.
Michael Biehl
Kein Frieden ohne Gerechtigkeit,
Friedenskonvokation 2011
© Anne Heitmann
Wirtschaft im Dienst des Lebens
c) Wirtschaft im Dienst des Lebens,
Gerechtigkeit und Friede für alle.
Ein Aufruf zum Handeln
„Der Klimawandel und Bedrohungen der Unversehrtheit
der Schöpfung sind die herausragenden Herausforderungen der vielschichtigen Krisen geworden, mit denen wir
uns auseinandersetzen müssen […]. Aufgrund des Klimawandels kann das Leben in seinen vielfältigen Formen, wie
wir es kennen, innerhalb einer Spanne von wenigen Jahrzehnten unumkehrbar verändert werden […]. Die globale
Erwärmung und die ökologische Zerstörung werden mehr
und mehr zu einer Frage von Leben und Tod.“
Mit diesen Worten skizziert das ökumenische Dokument
„Wirtschaft im Dienst des Lebens, Gerechtigkeit und
Friede für alle. Ein Aufruf zum Handeln“ vom Juni 2012
die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Dieser bei der
Abschlusskonsultation des Programmes des Ökumenischen Rates der Kirchen „Armut, Reichtum und Ökologie“
in Bogor (Indonesien) erarbeitete „Aufruf zum Handeln“
unterstreicht, dass gerade in Zeiten des Klimawandels das
Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der
Schöpfung untrennbar zusammengehören.
In diesem Sinne kann das Dokument auch als eine Neuakzentuierung des schon älteren ökumenischen Leitbegriffes einer „Wirtschaft im Dienst des Lebens“ gelesen werden, indem es unmissverständlich den Zusammenhang der
drei Zentralbegriffe des Konziliaren Prozesses betont.
Eine solche Wirtschaft im Dienst des Lebens gründet sich
auf eine Ethik des Genug, die sich gegen die herrschende
Kultur der Maßlosigkeit wendet: Produktions- und Konsumweisen, die hemmungslos natürliche Ressourcen ausbeuten, die planetarischen Grenzen missachten, auf unbegrenztes Wirtschaftswachstum setzen und die ihren
sinnfälligsten Ausdruck in einer Kultur der Gier finden, sind
nicht nachhaltig. Sie verhindern soziale Gerechtigkeit. Und
sie fallen Gottes Angebot eines umfassenden Schalom für
die ganze Schöpfung in den Rücken.
Deshalb setzen sich Christinnen und Christen sowie Kirchen in aller Welt für eine Wirtschaft im Dienst des Lebens
ein. Sie werden hierzu durch eine transformative Spiritualität ermutigt, die weiß: „Die Kirche ist eine Gabe Gottes
an die Welt, um die Welt zu verwandeln und dem Reich
Gottes näherzubringen“ (Ökumenischer Rat der Kirchen
[2012]: Gemeinsam für das Leben: Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten).
Klaus Heidel
Gerechter Frieden
d) Ein ökumenischer Aufruf
zum Gerechten Frieden
„Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens!“ (Lk 1, 79)
Dieser Gebetsruf steht am Anfang des „Ökumenischen
Aufrufs zum Gerechten Frieden“. Damit ist angezeigt: Die
Kirchen des ÖRK bewegen sich von überkommenen, enggeführten und polarisierenden „Lehren“ (des gerechten
Krieges) hin zu einer neuen, umfassenden ökumenischen
Sozialethik: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der
Schöpfung sind seit Beginn des Konziliaren Prozesses
(Vancouver 1983) nicht mehr getrennt voneinander zu
denken. Der gemeinsame Weg setzte sich in der „Dekade
zur Überwindung von Gewalt. 2001–2010“ fort. Die verschiedenen Dimensionen von Gewalt wurden beleuchtet,
die unterschiedlichen Kontexte der Gewalt gemeinsam
aufgesucht, um nach umfassenden Möglichkeiten der Heilung und Versöhnung zu suchen. Ein vorläufiger Höhepunkt des Wegs war die Internationale Ökumenische Friedenskonvokation in Jamaika 2011. Von dort empfangen
wir nun – als Wegmarke der Bildung eines ökumenischen
Konsenses – diesen Aufruf. Viele Stimmen aus ganz unter-
63
III. WEITERGEHEN MIT DEM GOTT DES LEBENS
schiedlichen Regionen und Erfahrungskontexten haben
ihre Weisheit hier eingetragen.
Auf dem Weg zur 10. ÖRK-Vollversammlung in Busan ist
dieser Text eine entscheidende Wegzehrung, denn das
Motto „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“ wurde hiervon inspiriert. Wenn wir
uns während der Vollversammlung auf einen gemeinsamen, siebenjährigen „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des
Friedens“ verständigen, wie es der ÖRK-Zentralausschuss
empfiehlt, dann setzen wir den eingeschlagenen Weg konsequent fort. Wir wollen noch tiefer begreifen, inwiefern
uns eine ökumenische, transformative Spiritualität mit jedem Schritt gewisser werden lässt, dass wir als Kirchen
berufen sind, die großartigen biblischen Visionen von Gerechtigkeit und Frieden – in und mit der gesamten Schöpfung – glaubwürdig zu leben. Wir glauben nicht, dass die
Teufelskreise von Unrecht und Gewalt allmächtig sind
oder ewig andauern werden. Wir glauben den Gott des
Friedens.
So ist dieser „Aufruf“ Aufforderung und Wegbegleiter zugleich, ein solches Bekenntnis zum Leben zu bringen. Er will
die Füße des ganzen bewohnten Erdkreises – der oikoumene – auf den Weg des Gerechten Friedens richten ...
Fernando Enns
Das umfangreiche und erklärende Begleitdokument bildet
den theologisch-ethischen Hintergrund und enthält Konkretisierungen, die in Jamaika zusammengetragen wurden. Das Begleitdokument kann in englischer Sprache heruntergeladen werden. In Deutsch ist es als Buch erhältlich:
Konrad Raiser, Ulrich Schmitthenner (Hg.), Gerechter
Friede. Ein ökumenischer Aufruf zum Gerechten Frieden.
Begleitdokument des Ökumenischen Rates der Kirchen,
Münster 2012.
3.3 Ausgewählte Initiativen
und Projekte zu den Themen
der Vollversammlung
a) Peace Train
„Berlin – Beijing – Busan“ –
von der Hauptstadt des
wiedervereinigten Deutschlands
ins noch immer getrennte Korea
Eine Pilgerreise der besonderen Art verspricht sie zu werden, die Fahrt mit dem „Friedenszug“ von Berlin nach Busan: eine Fahrt aus der ehemals geteilten Stadt in die
Stadt, in der die Kirchen der Welt sich treffen, um u. a. für
den Frieden und die Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel zu beten. Für den nationalen Kirchenrat
in Korea, der den „Peace Train“ organisiert, ist dies ein sehr
wichtiges Projekt. Beginnen wird alles in Berlin am Montag, den 7.10.2013 mit einem „Peace Madang“ in Berlin:
einem Symposion in der Heilandsgemeinde und einem
Fürbittgottesdienst für den Frieden auf der koreanischen
Halbinsel am Brandenburger Tor – wo sonst. Damit bekunden wir als Kirchen, als Menschen im friedlich wiedervereinigten Deutschland unsere Solidarität mit dem noch immer geteilten koreanischen Volk. Und dann geht es los, zuerst nach Moskau und weiter mit der transsibirischen Eisenbahn über Irkutsk nach Beijing; Begegnungen mit
Christen dort und Informationen über die wachsende Zahl
von Mitgliedern der christlichen Gemeinden stehen dort
auf dem Programm. Und dann geht es weiter – hoffentlich
bis Pyongyang, dafür beten viele und setzen sich ein. Und
wenn nicht, dann ist Zwischenstation an der Grenze, und
auch das wäre ein Zeichen, macht deutlich, wie schmerzhaft Teilung und Isolation bis heute sind. Enden wird – so
oder so – die Reise am 29.10. in Busan, wo vom 30.10.
bis 8.11. die Vollversammlung des Weltrates der Kirchen
stattfinden wird.
Lutz Drescher
www.peacetrain2013.org oder
EMS – Ostasienreferat, [email protected]
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Peace Madang
zum Start des Peace Train in Berlin
Montag, 7. Oktober 2013
 10.00 bis 16.30 Uhr
Heilandsgemeinde Berlin-Tiergarten
Das Symposion in der Heilandsgemeinde „Für Frieden
und Einigkeit auf der koreanischen Halbinsel“ fragt
nach dem Beitrag der Kirchen in Deutschland und
Europa für den Frieden und die Einheit in Korea. Referenten sind u. a. Prof. Dr. You-Jae Lee (Tübingen) und
Prof. Dr. Konrad Raiser (Berlin).
 18.00 Uhr
Brandenburger Tor
Fürbittgottesdienst für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel
Predigt: Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein
Veranstalter: Berliner Missionswerk, Koreaverband
e.V., Evangelische Koreanische Han-In-Gemeinde, Evangelische Kirchengemeinde Moabit-West (unterstützt
von der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie von
Evangelische Mission in Solidarität, Stuttgart).
www.berliner-missionswerk.de/aktuelles/
Kontakt: [email protected]
b) Den Krieg beenden –
Kampagne für einen Friedensvertrag
Der nationale Kirchenrat in Korea bittet um Unterstützung
seiner Kampagne für einen Friedensvertrag für die koreanische Halbinsel.
Nach über drei Jahren schrecklichen Blutvergießens, dem
3,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen, wurden am 27.
Juli 1953 die Waffen zum Schweigen gebracht. Allerdings
wurde nur ein Waffenstillstand vereinbart und unterzeichnet von den USA und Nordkorea. Dies bedeutet, dass im
Grund genommen der Krieg auf der koreanischen Halbin-
© National Council of Churches in Korea
sel während der letzten 60 Jahre nicht wirklich beendet
wurde. Dass die Konflikte immer wieder aufflammen, ist
eigentlich kein Wunder. Durch gemeinsame Militärübungen der USA und des Südens fühlt sich das Regime in
Nordkorea bedroht und sucht seine Zuflucht in atomarer
Bewaffnung. Nun sind 60 Jahre vergangen und die Zeit ist
reif, dass endlich ein Friedensvertrag ausgehandelt wird.
Damit verbindet sich die Hoffnung, dass sich dann auch
die Menschenrechtslage in Nordkorea verbessern wird.
Sie können sich an der Unterschriftenkampagne beteiligen
und bei Gottesdiensten oder Gemeindeveranstaltungen
Unterschriften sammeln.
Mehr dazu finden Sie unter:
www.peacetogether.or.kr/?lang=en
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III. WEITERGEHEN MIT DEM GOTT DES LEBENS
c) Ökumenischer Prozess
„Umkehr zum Leben –
den Wandel gestalten“
Immer deutlicher wird, dass ein Wirtschaftssystem, das auf
eine schrankenlose Ausbeutung von Rohstoffen, auf die
Missachtung planetarischer Grenzen und auf unbegrenztes Wirtschaftswachstum setzt, nicht dem Leben dient. Ein
solches Wirtschaftssystem muss umgebaut werden. Wir
brauchen eine Wirtschaft im Dienst des Lebens.
Eine solche Umgestaltung unserer Produktions- und Konsumweisen hat tiefgreifende und umfassende soziale, ökonomische, ökologische, politische und kulturelle Dimensionen. Die notwendigen Veränderungen bezeichnet der
Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen (WBGU) daher als „Große Transformation“.
Sie mitzugestalten ermutigten 30 Kirchen, kirchliche
Werke, Dienste und Organisationen, die im März 2012 das
fünfte ökumenische Jahrbuch Gerechtigkeit „Menschen,
Klima, Zukunft. Wege zu einer gerechten Welt“ vorgelegt
haben. In einem gemeinsamen Diskussionsbeitrag hatten
die Herausgeber dieses Jahrbuches einen ökumenischen
Konsultationsprozess angeregt: „Kirchen müssen in all ihren Sozialgestalten und auf allen Ebenen lernen, wie sie
zum Gelingen der Großen Transformation beitragen können“. Daher „sollten Kirchen und ihre Gemeinden, Organisationen, Werke, Dienste und Gruppen einen praxisbezogenen Konsultationsprozess über kirchliche Gestaltungsoptionen der anstehenden Suchprozesse starten“.
Aus dieser Anregung wurde inzwischen der ökumenische
Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“, der
von 31 Kirchen sowie kirchlichen Werken, Diensten und
Organisationen getragen wird. Er findet seine konkrete
Gestalt vor Ort. Dort fragt Kirche, was sie zur Gestaltung
der Großen Transformation beitragen kann. Gerade weil
es kein Einheitskonzept für alle gibt, eröffnet der ökumenische Prozess Orte für das gemeinsame Lernen und Erarbeiten eigener Perspektiven und Handlungsstrategien –
und nicht zuletzt für das Entdecken und Leben einer Spiritualität, die Mut zur Veränderung macht.
Klaus Heidel
www.umkehr-zum-leben.de
66
d) MEET: Netzwerk
für die Junge Ökumene
2005 bereiteten sich sechs junge Delegierte aus Deutschland für die neunte Vollversammlung des ÖRK in Brasilien
vor. Ermutigt von der Vollversammlung gründeten einige
von ihnen das ökumenische Netzwerk MEET: More Ecumenical Empowerment Together. In diesem Netzwerk entstehen Kontakte und Freundschaften, es werden ökumenische Erfahrungen und Informationen geteilt sowie Tagungen und informelle Treffen geplant. Im Juni 2013 treffen sich nun 30 junge Menschen zu einer gemeinsamen
Vorbereitungstagung für die 10. Vollversammlung des
ÖRK in Südkorea. Es sind junge Delegierte,TheologInnen,
Stewards oder Workshopmitarbeitende. Ökumene lebt
und wächst!
Christina Biere
www.meet-junge-oekumene.de
„Stewards“ bei der Friedenskonvokation
© Anne Heitmann
Markt in Busan
© Heike Bosien
3.4 Materialhinweise

Diese Gottesdiensthilfe als PDF und
weitere Materialien finden Sie auf:
www.busan2013.de

Die deutsche Website des ÖRK für die Vollversammlung bietet Hintergrundinformationen und Material. Auf der englischen Seite finden Sie auch Lieder
(auch zum Anhören), Dokumente und Informationen
zum Programm (Stand: 25.5.2013).
www.wcc2013.info/de
www.wcc2013.info/en

Eine reiche Materialsammlung zu Korea und zur
Vollversammlung mit Bildmeditationen, Liturgien
und Liedern, einem Unterrichtsentwurf, Kochrezepten
u. a aus und zu Korea sowie den Liedern und Texten
des ÖRK-Workshops in Seoul 2012, die durch die EMS
ins Deutsche übersetzt wurden, und weitere Materialien zur ÖRK-Vollversammlung finden sich auf der
Homepage der EMS.
www.ems-online.org/service/gemeindeservice/materialien-zu-korea

Das Schwerpunktheft „Korea“ des darum-Magazins, darum 1/2013, können Sie hier bestellen:
www.ems-online.org/shop/darum-113/

Ökumenische Rundschau 2/2013
Autoren und Autorinnen aus verschiedenen Kirchen
und Ländern stellen die aktuellen ökumenischen Herausforderungen für die Vollversammlung dar.
Es schreiben u. a. Kim Dong-Sung, Daniel Buda, Mary
Tanner, Duleep Kamild Chickera.
ISBN 978-3-374-03203-7
Bezug: Evangelische Verlagsanstalt Leipzig
www.eva-leipzig.de

Arbeitshilfe für die Gemeindearbeit:
Den Kurs wechseln – neue Wege gehen –
Zukunft fair teilen
Die von Brot für die Welt zusammengestellte Arbeitshilfe zur Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in
einer globalisierten Welt“ enthält vielfältige Materialien und Anregungen für die Gemeindearbeit. Sie gibt
Anstöße, wie ein gesellschaftlicher Wandel in Politik,
Wirtschaft, Kirchengemeinde und durch jede/-n Einzelne/-n befördert werden kann. Neben zwei Gottesdienstvorschlägen umfasst sie Module zu den Themen
Klimawandel, Agrotreibstoffe, Fischereiwirtschaft,
Welthandel, Tourismus und Maß halten.
http://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/bewahrungder-schoepfung/zukunftsfaehiges-deutschland/zukunftsfaehiges-deutschland.html
67
III. WEITERGEHEN MIT DEM GOTT DES LEBENS
3.5 Weitergehen – an vielen Orten
Eine Auswahl von Veranstaltungen zur Begleitung der Vollversammlung
August 2013 bis März 2014 (Stand: Mai 2013)
 23.8.2013
15.00 – 19.00 Uhr, Zentrum Ökumene, Frankfurt/M.
Ideen-Workshop für Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen zur 10. Vollversammlung des
Ökumenischen Rates der Kirchen in Busan
Kontakt: [email protected]
 13.9.2013
10.00 – 15.00 Uhr, Hoffmanns Höfe, Frankfurt/M.
Missionstheologischer Fachtag der EMS zur
neuen Missionserklärung des ÖRK
Kontakt: [email protected]
 29.9. – 3.10.2013
Evangelische Akademie Hofgeismar
10. Ökumenische Sommeruniversität
Klimagerecht leben – weltweit und vor Ort. Transformative Spiritualität zur Bewahrung der Schöpfung
Kontakt: [email protected]
 30.9. – 2.10.2013
Evangelische Akademie Meißen
„Undong“ heißt Bewegung. Tagung der Deutschen
Ostasienmission. Zivilgesellschaftliche Gruppen als
Motoren von Reformprozessen – Beispiele aus China,
Japan, Korea und Deutschland
Kontakt: [email protected]
 7.10.2013
Berlin, Brandenburger Tor u. a.
„Peace Madang“ zum Start des „Peace Train“ von
Berlin nach Busan (s. S. 65)
Kontakt: [email protected]
 2.11. – 3.11.2013
Gotha, Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
Pilgerweg und Gottesdienst
zur 10. Vollversammlung
Kontakt: [email protected]
 3.11.2013
15.00 Uhr, Heilig-Geist-Kirche Frankfurt/M.
ÖKUMENISCHER GOTTESDIENST
zur 10. Vollversammlung des ÖRK
Predigt: Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, EKHN
68
 16.11.2013
9.30 – 16.15 Uhr, Kloster Frenswegen, Nordhorn
Impulse aus Busan – niedersächsische Delegierte
berichten. Ökumenisches Forum des Arbeitskreises
Konziliarer Prozess der Konföderation evangelischer
Kirchen in Niedersachsen
Kontakt: [email protected]
 29.11.2013
15.00 – 19.00 Uhr, Zentrum Ökumene, Frankfurt/M.
Busan und der ökumenische Weg danach
Bericht der Multiplikatoren aus Hessen-Nassau
Kontakt: [email protected]
 13.12. – 14.12.2013
Roncalli-Haus, Magdeburg
Wegzeichen auf der Suche nach Gerechtigkeit
und Frieden: ökumenische Impulse für die Arbeit
in Kirchen und Initiativen. Werkstatttagung der ökumenischen Konsultation für Gerechtigkeit und Frieden
Kontakt: [email protected]
 16.1. – 18.1.2014
Evangelische Akademie Loccum
Gerechter Friede und Klimagerechtigkeit – die
deutschen Kirchen als Akteure auf dem internationalen Pilgerweg. Auswertungstagung der EKD
Kontakt: [email protected]
 13.2. – 14.2.2014
Dortmund
Ergebnisse der ÖRK Vollversammlung
Amt für Mission, Ökumene, Weltverantwortung,
Westfälische Missionskonferenz
Kontakt: [email protected]
 15.2.2014
9.30 – 17.00 Uhr, Ev. Akademie Bad Boll
Auf dem Weg – Von Busan nach Württemberg
Eine Werkstatttagung zu den Impulsen aus Busan für
Württemberg
Kontakt: [email protected]
 22.3.2014
Karlsruhe, Paul-Gerhardt-Gemeinde
Die Reise geht weiter. Berichte und Begegnungen
nach der 10. Vollversammlung des ÖRK.
Regionaler Begegnungstag von EMS, Ev. Landeskirche
in Baden, Ev. Kirche der Pfalz
Kontakt: [email protected]
3.6 Kontakte rund um die Vollversammlung
Viele Menschen machen sich auf den Weg nach Busan, in
Partnerschafts- und Multiplikatorengruppen, als Veranstaltende von Workshops im Programm der Vollversammlung,
als Delegierte, Beobachter und Beraterinnen. Viele stehen
Ihnen für Berichte und für die Gestaltung von Gottesdiensten im Umfeld der Vollversammlung zur Verfügung.
Das Ökumenereferat bzw. die Arbeitsstellen für Ökumene Ihrer Landeskirche oder das zuständige Missionswerk nennen Ihnen gerne Ansprechpersonen in
Ihrer Nähe und stehen für Auskünfte zur Verfügung.
Hier eine (unvollständige!) Liste weiterer
interessanter Kontakte:
 Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
Kommunikationsabteilung, Postfach 2100
CH – 1211 Genf 2, [email protected]
www.oikoumene.org, www.wcc2013.info
 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
in Deutschland (ACK)
Ökumenische Centrale, Ludolfusstraße 2–4
60487 Frankfurt am Main
[email protected], www.oekumene-ack.de
 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
Ökumene und Auslandsarbeit (Hauptabteilung IV)
Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover
· Auslandsbischof Martin Schindehütte
· Referent für Weltbünde OKR Martin Pühn
· für den Kontakt zu Migrationsgemeinden:
OKR Thorsten Leiser
[email protected], www.ekd.de/international
Kontakte anderer ACK-Kirchen
für die Vollversammlung, z. B.
 Arbeitsgemeinschaft der Mennonitengemeinden
in Deutschland
Stellv. Vorsitzender der AMG, Prof. Dr. Fernando Enns
[email protected]
 Evangelisch-methodistische Kirche
· Beauftragter für Ökumenische Beziehungen
Pastor Jürgen Stolze, [email protected]
· Beauftragter für die Kontakte zur Koreanischmethodistischen Kirche Pastor Jürgen Blum,
[email protected]
Regionale ökumenische Zusammenschlüsse von
Gemeinden anderer Sprache und Herkunft, z. B.
 Internationaler Konvent Christlicher Gemeinden
in Berlin und Brandenburg e. V.
www.internationaler-konvent.net
 Internationaler Konvent Christlicher Gemeinden
in Baden
www.ikcg.de
 Internationaler Konvent Christlicher Gemeinden
in Rhein-Main e. V.
www.internationaler-konvent-frankfurt.de
 Internationaler Konvent Christlicher Gemeinden
in Württemberg
[email protected]
Missionswerke mit Beziehungen
zu Partnerkirchen in Korea (Auswahl)
 Evangelische Mission in Solidarität (EMS)
und Deutsche Ostasien Mission (DOAM)
Vogelsangstraße 62, 70197 Stuttgart
www.ems-online.org, [email protected]
www.doam.org
 Berliner Missionswerk
Georgenkirchstraße 69/70, 10249 Berlin
[email protected]
www.berliner-missionswerk.de
 Evangelisch-methodistische Kirche Weltmission
Holländische Heide 13, 42113 Wuppertal
[email protected], www.emkweltmission.de
Ökumenische Initiativen, z. B.
 MEET – More Ecumenical Empowerment
Together – Netzwerk junger ökumenisch engagierter
Menschen
www.meet-junge-oekumene.de
 Plädoyer für eine ökumenische Zukunft
www.plaedoyer-ecu.de
Kontakt: Geschäftsführer Pfr. i. R. Werner Gebert
E-Mail: [email protected]
 Ökumenisches Netz in Deutschland
www.oenid.net
[email protected]
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III. WEITERGEHEN MIT DEM GOTT DES LEBENS
Redaktionsgruppe
 Susanne Gölz
Stud. Theol., Tübingen, Teilnehmerin am Liturgieworkshop
des ÖRK in Seoul 2012,
[email protected]
 Ravinder Salooja, M. A.
Prälaturpfarrer im Dienst für Mission, Ökumene und
Entwicklung (DiMOE), Heilbronn,
[email protected]
 Anne Heitmann (Koordination)
Pfarrerin, Landeskirchliche Beauftragte für Mission und
Ökumene, Karlsruhe,
[email protected]
 Ulrike Schmidt-Hesse
Pfarrerin, Leiterin der Abteilung Mission und Partnerschaft
der Evangelischen Mission in Solidarität, Stuttgart,
[email protected]
 Stefan Küchler
Kirchenmusiker im Evangelischen Dekanat Groß-Gerau,
Mörfelden-Walldorf
 Dr. Johny Thonipara
Pfarrer, Beauftragter für Entwicklung und Partnerschaft
Asien im Zentrum Ökumene, Frankfurt,
[email protected]
 Kwon Ho Rhee
Pfarrer der Presbyterianischen Kirche in Korea, Ökumenischer Mitarbeiter im Dienst für Mission, Ökumene und
Entwicklung (DiMOE), Ludwigsburg,
[email protected]
Wir danken Pfarrerin Sabine Udodesku und Herrn Andrew
Donaldson vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf herzlich für die Zusammenarbeit und Unterstützung.
Weitere Autoren und Autorinnen
 Martin Ahlhaus
Regionalpfarrer im Amt für Mission, Ökumene und
kirchliche Weltverantwortung der EKvW, Kierspe
 Beate Heßler
Regionalpfarrerin im Amt für Mission, Ökumene
und kirchliche Weltverantwortung der EKvW, Unna
 Dr. Michael Biehl
Pfarrer, Referat Theologische Ausbildung und Grundsatzfragen des Evangelischen Missionswerks in Deutschland
(EMW), Hamburg
 Dr. Jun-Suk Kang
Kirchenvorstandsmitglied der Koreanischen Evangelischen
Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet der EKHN, Frankfurt
 Christina Biere
Hochschulvikarin, Mitglied im Zentralausschuss des ÖRK,
Hamburg
 Heike Bosien
Pfarrerin, Mitglied im Zentralausschuss und im Planungsausschuss für die Vollversammlung des ÖRK, Ostfildern
 Almut Bretschneider-Felzmann
Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland,
Gotha
 Prof. Dr. Fernando Enns
Professor für Friedenstheologie und Ethik, Mitglied im
Zentralausschuss des ÖRK, Amsterdam/Hamburg
 Lutz Drescher
Verbindungsreferent Indien und Ostasien, Evangelische
Mission in Solidarität, Stuttgart
 Klaus Heidel
Werkstatt Ökonomie Heidelberg, Mitglied in der
Steuerungsgruppe des ÖRK-Programms „Armut,
Reichtum, Umwelt“
70
 Heike Koch
Pfarrerin und Leiterin des Amts für Mission, Ökumene
und kirchliche Weltverantwortung der EKvW, Dortmund
 Dr. Gerdi Nützel
Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-BrandenburgSchlesische Oberlausitz, Berlin
 Prof. Dr. Hyun Sun Oh
Pfarrerin der Presbyterianischen Kirche in Korea,
Professorin an der theologischen Universität Honam,
Mitglied im Missionsrat der EMS
 Karina Schumacher
Ökologin, seit 2012 Ökumenische Mitarbeiterin von EMS
und mission 21 im Ökologiezentrum der Presbyterianischen Kirche der Republik Korea in Seoul
 Corinna Waltz
Redakteurin bei der Evangelischen Mission in Solidarität,
Stuttgart
Nachklang - Holy Presence of the Lord
Das Lied entstand im Liturgie-Workshop des ÖRK für die Vollversammlung 2012 in Seoul.
© World Council of Churches 2012, http://creativecommons.org/about/licences; Melodie und englischer Text: Caleb
Manwa, Lydia Ester Munoz, Peter Arendt, Unsu Kang, Vasile Sorin Dobre, Louis Marcelo Illenser; deutscher Text: Eugen Eckert
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Ökumenischer Rat der Kirchen
10. Vollversammlung
30. Oktober bis 8. November 2013
Busan, Republik Korea
www.wcc2013.info/de