Bösche - Ruderanlage\374

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Bösche - Ruderanlage\374
Ausrüstung – Seeschiffe – Ruderanlagen
Vom Handruder zur Rudermaschine
Autor: Klaus Bösche
Eine der ältesten und wichtigsten technischen Einrichtungen an Bord von Schiffen ist die Ruderanlage. Von ihrer
Zuverlässigkeit hängt die Sicherheit des Schiffes, der auf ihm fahrenden Menschen und der Umwelt ab.
In diesem Beitrag geht es um eine Beschreibung der gesamten Rudereinrichtung, bestehend aus
-
dem Ruderblatt mit Ruderschaft und Lagerung,
der Rudermaschine als auf den Ruderschaft wirkender Drehmomenterzeuger sowie
Vorrichtungen zur Steuerung und Überwachung.
Einführung
Mit der Rudereinrichtung wird das Schiff gesteuert. Wirksam ist dabei das Ruderblatt in Verbindung mit dem
Fahrtstrom des Schiffes. Die Veränderung der Lage des Ruderblattes aus seiner Mittel- oder Null-Lage, bei der
die Kiellinie des Schiffes und das Ruderblatt eine Flucht bilden, wird in Winkelgraden angegeben, der Zusatz
„Backbord“ oder „Steuerbord“ sagt aus, nach welcher Seite das Ruder gelegt wird. Die Bewegung des Ruders
wird mit dem Begriff „Ruderlegen“, die aktuelle Stellung mit dem Wort „Ruderlage“ bezeichnet.
Das Ruderblatt ist mit dem Ruderschaft, der drehbar am Schiffskörper gelagert ist, fest verbunden. Um das
Ruder zu legen und es in Position zu halten, muss eine Kraft auf den Flächenschwerpunkt des Ruderblattes
wirken. Dazu ist ein Drehmoment erforderlich, das sich aus der Kraft und dem Radius Ruderschaftmitte/
Ruderblatt-Flächenschwerpunkt ergibt. Die Angabe dieses Wertes nach dem alten Maßsystem in „Metertonnen“
(mt) ist noch sehr verbreitet. Er bezeichnet die Leistungsgröße einer Rudermaschine.
Auf einen fest mit dem Ruderschaft verbundenen Hebel wirkt die Kraft, die das für das Ruderlegen erforderliche
Drehmoment erzeugt. Dieser Hebel ist die Ruderpinne, ein Bauteil, das in abgewandelter Ausführung im Prinzip
Bestandteil jeder Rudermaschine ist. Bei kleinen Wasserfahrzeugen ist für das Ruderlegen die Kraft eines
Menschen, direkt an der Ruderpinne eingesetzt, ausreichend. Bei größeren Schiffen wird eine mechanische Hilfe
bzw. der Einsatz einer Rudermaschine erforderlich. So wurde früher die Arbeitskraft einer oder mehrerer
Personen über ein Steuerrad und von dort aus über Seile, Ketten und Wellen auf die Ruderpinne übertragen.
Eine weitere Entwicklungsstufe stellt die konstruktive Umgestaltung der Ruderpinne in den Ruderquadranten
dar, in dessen Zahnkranz ein maschinengetriebenes Ritzel mit Rechts- und Linksdrehmöglichkeit greift. Mit
diesem Schritt beginnt die Geschichte der Rudermaschinen, welche die bei der Zunahme der Schiffsgrößen und
–geschwindigkeiten erforderlichen höheren Rudermomente bewältigen können und die aus Gründen der
Schiffssicherheit erwünschte höhere Reaktionsgeschwindigkeit bei Rudermanövern erlauben. Entsprechende
Anforderungen sind als Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften, in jüngerer Zeit auch der International
Convention for the Safety of Life at Sea (Solas) oder der United States Coast Guard formuliert worden.
Entspricht die Ruderanlage eines Schiffes diesen Vorgaben nicht, droht der Einzug der Fahrterlaubnis.
In heutiger Zeit werden überwiegend elektro-hydraulische Ruderanlagen eingesetzt. Deren Geschichte reicht bis
in das Jahr 1905 zurück, als in den USA die erste Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe mit einer Leistung von 120
l/min bei einem Druck von 25 bar konstruiert wurde. 1911 baute die Firma John Hastie in Greenock dann die
erste diesel-hydraulische Rudermaschine der Welt und setzte dabei eine Radialkolbenpumpe ein. 1923 lieferten
die Bremer Atlas-Werke die erste elektro-hydraulische Rudermaschine deutscher Produktion. Mit Hastie und
Atlas sind dann auch schon die wichtigsten europäischen Rudermaschinen-Hersteller genannt. 1930 erfolgte mit
der ersten HD Axial-Schrägscheiben-Kolbenpumpe der Schritt zum Einsatz von Hochdruck-Hydraulik-Anlagen.
Schon vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde ein Drittel der eingesetzten Rudermaschinen elektrohydraulisch betrieben, bis 1951 stieg der Anteil auf zwei Drittel. 1958 bauten die Atlas-Werke ihre letzte
elektro-mechanische Anlage.
Überblick zu den in den 1920er und 1930er Jahren verwendeten Rudermaschinen
In den 1920er und 1930er Jahren verwendete man Rudermaschinen-Antriebe unterschiedlicher Bauart. Die
Entscheidung für den Einsatz eines bestimmten Systems war abhängig vom technischen Fortschritt und von der
Größe des Schiffes, für das die jeweilige Rudermaschinen vorgesehen war:
-
Auf kleinen Fahrzeugen blieb zunächst noch das mit Muskelkraft betätigte Steuerrad in Gebrauch.
Der Einsatz von Dampfkolbenmaschinen für die Bewegung des Ruders nahm bereits ab.
Die Verwendung elektro-mechanischer Antriebe war ebenfalls bereits rückläufig.
Der Einbau elektro-hydraulischer Systeme nahm rasch zu.
Anlagen mit Dampfkolbenmaschinen-Antrieb
Der Dampfkolbenmaschinen-Ruderantrieb wurde auf kleineren Schiffen aus bedienungstechnischen Gründen
gewöhnlich im Maschineraum angeordnet. Die Kraftübertragung auf den Ruderquadranten erfolgte durch
Ketten, deren Länge leicht der des halben Schiffes entsprechen konnten, da die Maschinenräume überwiegend
mittschiffs angeordnet waren. Bei größeren Schiffen und/oder Bedarf an größeren Rudermomenten mussten die
kraftübertragenden Ketten sehr stark ausgeführt werden, wodurch die Führungen und Umlenkungen zu
aufwändig wurden. Außerdem verursachte der Betrieb eine erhebliche Geräuschbelästigung. Um hier Abhilfe zu
schaffen, wurden die Rudermaschinen statt im Hauptmaschinenraum so nahe wie möglich in der Nähe des
Ruderschafts aufgestellt.
Je nach Entwicklungsstand und Schiffsgröße gab es verschiedene Ausführungen der DampfkolbenRudermaschinen. Das erste Beispiel zeigt ein relativ einfaches System, bei dem die Dampfkolbenmaschine (A)
über eine Schneckenwelle oder ein Schneckenrad eine mehrgängige Rechts-/Links-Gewindespindel (B) antreibt.
Je nach Drehrichtung bewegen die von einer Wandermutter (C) ausgehenden Lenkstangen (D) das Ruderjoch
(E) und somit das Ruderblatt in die gewünschte Richtung. Eine Notsteuerung per Hand ist bei Ausfall des
mechanischen Antriebs über die Spindel (B) möglich.
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell
Das zweite Beispiel gibt den Typ einer Rudermaschine mit Dampfkolbenmaschinen-Antrieb wieder, wie sie um
1900 bei den Atlas-Werken in Bremen gebaut wurde. Dabei treibt die Dampfkolbenmaschine (C) über eine
Schneckenwelle oder ein Schneckenrad die Kettentrommeln (A) und (B) in entgegengesetzten Drehrichtungen
an, so dass die Ketten (F)(G) entsprechend auf die Stellung des Ruderquadranten einwirken. Im Notfall war
eine Bedienung per Hand möglich.
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell
Bei Rudermaschinen mit Dampfkolbenmaschinen-Antrieb nach dem System Brown wurde ein Zahnkranz (A)
durch Montage auf dem Deck des Rudermaschinenraums fest mit dem Schiffskörper verbunden. Ein von der
Dampfkolbenmaschine – die direkt auf die Ruderpinne (C) motiert war und deren Drehbewegung also
mitmachte – getriebenes Zahnradritzel (B) griff zur Bewegung des Ruders in den Zahnkranz ein. Für den Notfall
war eine Reserve-Dampfkolbenmaschine (E) vorgesehen.
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell
Schließlich soll als letzte von einer Dampfkolbenmaschine angetriebene Rudermaschine die Anlage vorgestellt
werden, die auf dem Schnelldampfer IMPERATOR der Hamburg-Amerika Linie installiert und wiederum von den
Atlas-Werken in Bremen im Jahre 1911 gebaut wurde. Zwei Dampfkolbenmaschinen trieben dabei über rechtsbzw. linksgängige Schneckenwellen die Schneckenräder (A)(B). Auf der Achse des Schneckenrades (A) war
zugleich auch das Stirnrad (C) angeordnet, das direkt in den Ruderquadranten eingriff. Schraubenfedern (H)
wirkten dämpfend auf Schläge der See gegen das Ruderblatt. Der Quadrant-Radius dieser entsprechend der
Größe des Schiffes dimensionierten Anlage betrug 4,5 m.
Zeichnung: Sammlung Jürgen Taggesell
Elektro-hydraulische Systeme
Bei den elektro-hydraulischen Systemen wird grundsätzlich zwischen Tauchkolben- und RotationsRudermaschinen unterschieden. Nach dem Tauchkolben-Prinzip arbeiten die Parallelkolben- und Linearkolben-,
nach dem Rotationsprinzip die Drehflügel- und Drehkolben-Rudermaschinen.
Bei der Parallelkolben-Rudermaschine wirken die Kolben der beiden parallel angeordneten Zylinder auf je einen
Arm der Ruderpinne. Das Gehäuse ist mit dem Schiffskörper über gummi-elastische Lager verbunden. Der
Vorteil dieser Anlagen ist vor allem in ihrem geringen Raumbedarf zu sehen, ihre Leistungsfähigkeit reichte bis
ca. 5 mt.
Zeichnung: ??
Lineare Tauchkolben-Rudermaschinen werden als Zwei- oder Vierzylindermaschinen ausgeführt und decken das
gesamte Leistungsspektrum ab. In den linear angeordneten Zylindern arbeitet je ein Kolben, der auch als
Plunger bezeichnet wird. Die Kolben sind durch ein kreuzkopfähnliches Plunger-Mittelstück miteinander
verbunden. In den Kreuzkopf greift der Zapfen der Ruderpinne, die den Ruderschaft dreht. Bei den
Vierzylindermaschinen ist eine zweite lineare Zweizylindermaschine parallel zur ersten angeordnet. Die
Ruderpinne ist in diesem Fall mit einem zweiten Zapfen versehen. Ruderpinnen mit zwei gegeüberliegenden
Zapfen werden auch als Ruderjoch bezeichnet. Ein Vorteil der hydraulischen Tauchkolben-Rudermaschine mit
vier Zylindern liegt darin, dass bei Ausfall eines Zylinderpaares mit dem verbleibenden noch ein Notbetrieb
aufrecht erhalten werden kann, der immerhin noch eine siebzigprozentige Ausnutzung der möglichen
Schiffsgeschwindigkeit zulässt. Somit ist die Forderung der Klassifikationsgesellschaften nach einer
Notsteuereinrichtung durch das zweite Zylinderpaar mit eigenem, separatem Pumpenaggregat bereits erfüllt.
Lineare hydraulische Tauchkolben-Rudermaschine mit zwei Zylindern. Zeichnung:??
Lineare hydraulische Tauchkolben-Rudermaschine mit vier Zylindern. Zeichnung:??
Zu den hydraulischen Rudermaschinen zählen unter dem schon oben genannten Oberbegriff der RotationsRudermaschinen die Drehflügel- und Drehkolben-Rudermaschinen. In den 1920er und 1930er Jahren gab es
diese noch nicht, weshalb sie hier nur der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden.
Die Drehflügel- haben sich im Vergleich zu den Drehkolben-Ruderanlagen durchgesetzt und sind weit verbreitet.
Bei diesen wurde die Ruderpinne konstruktiv zu einer Nabe umgestaltet, auf deren Umfang zwei oder mehrere
Drehflügel angeordnet sind. Wie die Ruderpinne ist die Nabe durch eine Keilverbindung o. ä. mit dem
Ruderschaft verbunden. Die Drehflügel bewegen sich in einem ringförmigen Gehäuse, das entsprechend der
Anzahl der Flügel in mehrere Kammern unterteilt ist. Wird mittels Öl Druck auf die eine oder andere Seite eines
Drehflügels ausgeübt, macht dieser eine Drehbewegung und mit ihm auch der Ruderschaft. Die Abdichtung der
sich gegeneinander bewegenden Bauteile - Gehäuse, Drehflügel und Nabe, Gehäuse – wird durch Lamellen
oder andere Dichtungssysteme erzeugt. Das Gehäuse wird von einer Rahmenkonstruktion aufgenommen, die
über gummi-elastische Lager fest mit dem Schiffskörper verbunden ist.
Der Vorteil der Rotations-Rudermaschine liegt darin, dass die Umwandlung der Linearbewegung durch den
Kolben oder Plunger über ein Kreuzkopfteil in eine Drehbewegung entfällt, wodurch es zu einer erheblichen
Verringerung des Platzbedarfs kommt. Nachteilig ist, dass der Fertigungsaufwand gegenüber der TauchkolbenRudermaschine erheblich höher ist. Da aber der Fertigungsaufwand für die Drehkolben-Variante noch
anspruchsvoller ist, hat sich das System der Drehflügel-Rudermaschine durchgesetzt.
Quellen und Literatur
- Sammlung Jürgen Taggesell
- Hans Gillmann u. a.: Im Zeichen des Propellers: 1902-1911 Norddeutsche Armaturen und Maschinenfabrik;
1911-1945 Atlas-Werke Aktiengesellschaft. Bremen 1993
- Emil Ludwig und Kurt Illies: Handbuch für Schiffsingenieure und Seemaschinisten. Braunschweig 1958
- Wolfgang Waldhaus: Rudermaschinen von Hatlapa. In: Hansa – International Maritime Journal, 139. Jg.,
2002, Heft 3, S. 24-25