Seniorenzeitung Nr 66.indd
Transcription
Seniorenzeitung Nr 66.indd
ZUM Sicht MITN EHM Ausgabe 66 Dezember 2015, Januar und Februar 2016 Arnsberger GenerationenMagazin WINTERIDYLLE ARNSBERG EN Sicht Nr. 66 Seite 2 INHALT Der etwas andere Weihnachtsgruß Ein Gedicht von Sandra Blank Der etwas andere Weihnachtsgruß ... ................................. 2 Editorial ............................................................................... 3 Die Geschichte vom Weihnachtsstern ................................. 4 Früher bei uns im Dorf ........................................................ 6 Wer knacht die Nuss? ......................................................... 7 Was sind 50 Jahre ... ... im Leben zweier Menschen in Ost und West? ............... 8 Meine neue Schule ........................................................... 10 ? bunt gemischt ! .............................................................. 10 Jede gute Idee ist willkommen Förderung von Projekten in der Flüchtlingshilfe ............... 11 Advent und Weihnachtszeit .............................................. 12 Die Reise der AMYGDALA Protokoll einer Weltumsegelung (Teil 3( ........................... 14 Wie is(s)t man eigentlich klimafreundlich? ....................... 16 SICHT-Leserinnen und -Leser spendeten komplette Briefmarkensammlungen .................................................. 18 Grippe oder was ... ........................................................... 19 Geboren 45 - Hol dir das Gefühl zurück ........................... 20 Mäuse und Mäuse ............................................................ 22 Bringe Farbe in dein Leben und färbe auf andere ab ....... 23 Humortraining für Fach- und Pflegepersonal und Betreuender Dienst - Stellen Sie sich vor, Sie sind alt oder haben Demenz ... und keiner lacht mehr mit Ihnen ...................... 24 Die stillen Helfer ............................................................... 26 Mensch zu Mensch ........................................................... 26 Mit allen Sinnen tüfteln und staunen - Akademie 6 bis 99 in der Phänomenta Lüdenscheid ...................................... 27 Landesweiter Rollatortag am 18. September 2015 Arnsberg macht mit - Seniorenbeirat als Koordinator ....... 28 Nicht viel reden. Einfach machen! .................................... 29 Strandrollstuhl ................................................................... 30 Konstruktiver Streit der Generationen .............................. 31 Der Kommentar Der Lösungsansatz Kinderwahlrecht ................................ 33 Beim Friseur ..................................................................... 34 Neuer Energieberater in Arnsberg ..................................... 35 „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Frau‘n ...“ ................. 36 Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mir Gewalt Leipzig 1989 ..................................................................... 38 Kita-Kinder ernteten im Herbst Äpfel ... ............................ 40 5. Karneval der Generationen unter dem Motto: „Im wilden Westen“ ........................................................... 41 „In einer demenzfreundlichen Stadt leben alle gern“ ........ 42 Bleibender Eindruck! ........................................................ 45 Bremer Arnsberg-Fan ....................................................... 46 Der Walnussbaum der Deutschen Einheit ............................ 47 Riga ................................................................................... 48 Weihnachtsbeleuchtung in Arnsberg-Neheim .................. 50 Mein Weihnachten ........................................................... 51 „... mein Leben ist ein Fest, ein kurzes intensives Fest“ Begegnung mit Paula Modersohn-Becker und Rainer Rilke ....................................................................... 52 Bilderrätsel SICHT - Ausgabe 66 ...................................... 53 Auflösung Bilderrätsel SICHT - Ausgabe 65 ..................... 53 Lösungen zu ? bunt gemischt ! ......................................... 53 Impressum ...................................................................... 55 Bildquellennachweis ......................................................... 55 Café ZEITLOS - der lokale Treffpunkt für Jung und Alt .... 55 Pinnwand ........................................................................ 56 Ich sitz vor einem leeren Blatt mir fällt rein gar nichts ein, es denkt so sicher mancher nun, dann lass es einfach sein. Doch ihr kennt meine Freunde nicht, schreib ich mal keine Karten zum alljährlichen Weihnachtsfest, dann wird mich was erwarten! Von einem kommt ... „Sie mag mich nicht! Sie hat mich glatt vergessen, dabei bin ich in diesem Jahr, besonders nett gewesen!“ Der andere wieder trotzig klingt, „das war es wohl gewesen, sowas nennt sich nun guter Freund und hat mich glatt vergessen!“ Telefon klingelt, nehme ab und hör ein leises Wimmern, „hab ich dir Böses angetan, ich kann mich nicht erinnern?“ Hab eine Karte dir geschickt; gewünscht Gesundheit und viel Glück, wie ich es mache jedes Jahr doch es kam leider nichts zurück!“ Ich liebe sie die heilige Zeit das „Friedliche“ die „Einigkeit“, und das ich jedes Jahr hier sitze und wegen Weihnachtsgrüssen schwitze. ... Ich wünsche euch ein frohes Fest! Blöd, wünsche ich doch jedes Jahr, warum fällt mir nichts Neues ein, das kanns doch nicht gewesen sein. Ich könnte auch von Frieden schreiben, doch, wo ist er, wenn ich ihn brauch, seh ich weltweit die Menschen leiden, vergesse ich diese Worte auch. Soll schicken ich ne leere Karte, schreib meinen Namen unten rein, und lasse einfach dieses Jahr die falschen Sprüche sein? Oder mach ichs wie die Kinder, mit nem Smile das wirkt schicker, klebe noch ein Sternchen drauf, rein ins Kuvert und Marke drauf. Internet auch ne Idee, wenn ich da die Karten seh, klaue ich doch eine draus, gebe sie als meine aus. Doch überzeugt das alles nicht, daher bekommt ihr das Gedicht, von mir geschrieben und erdacht, ich hoffe es hat Spass gemacht. Sicht Nr. 66 Seite 3 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, Kinder wie die Zeit vergeht! Wie oft hört man diesen Spruch? Auch wir in der Redaktion des GenerationenMagazins SICHT sind immer wieder überrascht! Kaum ist eine Ausgabe fertig, beginnen die Vorbereitungen für die neue. Ideen und Beiträge müssen verarbeitet werden und eins zwei drei - ist ein viertel Jahr vergangen und wir fragen uns, wo ist die Zeit geblieben!? Es ist schon ein eigenartiges Gefühl im Sommer ein Wintertitelbild auszuwählen! Nun aber ist sie da, die Vorweihnachts- und Weihnachtszeit! Genießen wir sie und freuen wir uns auf das kommende Jahr. Lesen Sie auf Seite 4 dieser Ausgabe die aufregende, aber auch nachdenklich stimmende Geschichte der Buchautorin Helga Lichter. Lassen Sie sich auf die Weihnachtszeit einstimmen. Kommen wir zurück zu unserer Anfangsaussage: „Kinder wie die Zeit vergeht!“ Oder besser: „Wo ist sie geblieben?“ Anni Künkenrenken sieht das anders, sie fragt in ihrem Bericht über eine Freundschaft: „Was sind schon 50 Jahre?“ Die Erklärung lesen Sie auf Seite 10 und 11. Wie lang aber müssen Wochen, ja Monate, den Flüchtlingen erscheinen, geprägt von Strapazen, Hunger und Ungewissheit? Menschen, die nicht wissen wo sie stranden werden! Männer ohne ihre Familien, Kinder ohne ihre Eltern oder Kinder als Waisen, weil ihre Eltern dem Krieg in ihrer Heimat zum Opfer fielen! Jeder kann helfen und die Not lindern. Bei richtiger Koordination aller Beteiligten ist das auch zu schaffen. Lesen Sie unseren Beitrag „JEDE GUTE IDEE IST WILLKOMMEN“ des Fördervereins Wendepunkt e.V. Es ist nicht leicht an das Weihnachtsfest zu denken und zu wissen, dass es viele Menschen gibt, die zu diesem Zeitpunkt aus ihrer Heimat fliehen müssen um zu überleben. Was heißt dann „Fröhliche Weihnachten?“ „Friedliche Weihnachten?“ „Friede auf Erden!“ Werden wir das je erleben? Weit Abseits vom Weltgeschehen erlebte Hans-Werner Wienand das Weihnachtsfest bei seiner Weltumseglung mit der AMYGDALA auf hoher See. Seite 14/15. „Bringe Farbe in dein Leben und färbe auf andere ab!“ Diesen guten Rat gab mir Franz Loer (92) nach unserem Interview mit auf den Weg! Seite 23. Natürlich finden Sie in dieser Ausgabe noch viele interessante Beiträge unserer Autoren, aber sie alle hier zu erwähnen würde den Rahmen sprengen! Einen ganz wichtigen Hinweis muss ich an dieser Stelle aber noch „loswerden“! Der 5. KARNEVAL DER GENERATIONEN unter dem Motto: „Im wilden Westen“ (Seite 41) findet am 2. Februar 2016 in der Schützenhalle Bruchhausen statt. Ihr Uwe Künkenrenken Sicht Nr. 66 Seite 4 Die Geschichte vom Weihnachtsstern Helga Licher Es war an einem dieser kalten Wintertage, an denen man am liebsten zu Hause blieb. Eisiger Wind pfiff um die Hausecke und zerrte an den Fensterläden. Dichte, regenschwere Wolken bedeckten den Himmel. In Großmamas Küche jedoch war es warm und gemütlich. Im Herd prasselte das Feuer, und aus dem Backofen duftete es nach Bratäpfeln. Auf dem Tisch stand ein großer Topf mit heißem Kakao, und der würzige Geruch von frischem Tannengrün zog durchs ganze Haus. Wenn sich draußen langsam die Dunkelheit ausbreitete und Oma sich behaglich im Sessel zurücklehnte, hockte ich mich auf einen kleinen Schemel zu ihren Füßen und lauschte. Und während Großmutter fleißig neue Wollsocken für Opa strickte, erzählte sie Geschichten aus einer völlig anderen Zeit. mit bunten Lichtern geschmückt, und die Menschen tanzten und lachten. In vielen Gegenden Mexikos war es Brauch, am Heiligen Abend kleine Geschenke zu kaufen, um sie in die Kirche zu bringen. Doch Rositas Familie war so arm, dass das Geld für Geschenke nicht reichte, und so blieb das Mädchen traurig an der Kirchentür stehen und sah zu, wie die anderen Kinder ihre Geschenke dem Jesuskind in die Krippe legten. „Liebes Jesuskind“, betete Rosita abends vor dem Schlafengehen. „Wie gerne hätte ich dir duftende Wässerchen und eine wohlriechende Seife in die Krippe gelegt, aber Vater hat schon seit Wochen keine Arbeit, und Mutter weiß manchmal nicht, wie sie uns satt bekommen soll.“ Und während Rosita mit einem Stückchen Brot ihren Hunger stillte, weinte sie bittere Tränen. „Ich möchte dir heute von dem kleinen, mexikanischen Mädchen Rosita erzählen“, sagte sie und schaute mich über den Rand ihrer Brille lächelnd an. Ihre Stricknadeln klickten leise gegeneinander, und sie begann: „Rosita war ungefähr in deinem Alter und lebte vor langer Zeit mit ihren Eltern und Geschwistern in einer armseligen Hütte am Rande einer großen Stadt in Mexiko. Oft hatte die kleine Familie nicht genug zu essen, und die Kinder mussten auf der Straße um ein paar Krumen Brot betteln. Doch die Herzen vieler Menschen waren von Selbstsucht, Gier und Eigennutz erfüllt, und Rosita und ihre Geschwister gingen häufig hungrig zu Bett. Manchmal, wenn Rositas Vater bei der Landarbeit einige Pesos verdiente, kaufte er für seine Familie Bananen und frisches Gemüse auf dem Markt. Für Rosita und ihre Geschwister war das stets ein Festmahl. Am nächsten Tag ging sie abermals zur Kirche. Traurig schaute sie den Kindern zu, die fröhlich ihre Geschenke in die Kirche brachten. Wenn in Mexiko die Nächte ein wenig kühler wurden, wussten die Kinder, dass das Weihnachtsfest bevorstand. Die Straßen wurden Mit einem Mal fiel ihr Blick auf eine alte Engelfigur aus Stein, die neben dem Eingang auf einem kleinen Podest stand, und völlig mit Sicht Gräsern und Pflanzen überwuchert war. Behutsam begann Rosita, das Gesicht des Engels vom Unkraut zu befreien. Aber die Triebe der Kletterpflanzen umschlangen den Engel hartnäckig. Sie zog und zerrte an den widerspenstigen Trieben so lange, bis ihre zarten Hände mit blutenden Wunden übersät waren. Erschöpft hielt das Mädchen inne und blickte zu der Engelfigur empor. Freundlich ruhten die steinernen Augen des Engels auf dem Mädchen. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, und sein Mund schien zu lächeln. Rosita konnte ihren Blick nicht abwenden, so fasziniert war sie von der Ausstrahlung dieser steinernen Figur. Plötzlich vernahm sie eine leise Stimme: „Bring diese Unkrautpflanzen in die Kirche und lege sie vor die Krippe. Das Jesuskind wird dich und die Pflanzen segnen.“ Erschreckt trat Rosita einige Schritte zurück. Sie glaubte nicht richtig gehört zu haben. Ein steinerner Engel, der zu ihr sprach? Doch wieder hörte sie die sanfte Stimme des Engels. „Tu, was ich dir sage. Bring die Unkrautpflanzen in die Kirche, und du wirst deinen Segen erhalten.“ Rosita begann die sperrigen Pflanzen, die sie von der Figur entfernt hatte, aufzusammeln. Zögernd blieb sie an der Kirchentür stehen. Sie würde sich zum Gespött der Menschen machen, wenn sie dem Jesuskind Unkraut als Weihnachtsgeschenk brachte. Aber die Kleine tat, was die Stimme ihr befohlen hatte. Zielstrebig ging sie durch die Tür, vorbei an den vielen Menschen, die betend auf den Bänken saßen. Ungläubig und staunend starrten die Kinder ihr entgegen, die an der Krippe auf den Beginn der heiligen Messe warteten. Einige lachten und zeigten mit dem Finger auf Rosita. Doch das Mädchen ließ sich nicht beirren. Entschlossen ging es die Stufen zur Krippe hinauf und legte das Unkraut dem Jesuskind zu Füßen. Dann faltete sie die kleinen, wunden Händchen zum Gebet. In der Kirche war es ganz still. Das Lachen der Kinder war verstummt. Jeder schaute auf dieses Mädchen, das in ein Gebet versunken vor der Krippe stand. Plötzlich wurde die Krippe in blutrotes Licht getaucht. Lodernde Flammen, die immer weiter um sich griffen, züngelten aus dem Unkraut empor. Nr. 66 Seite 5 Die Kinder erstarrten vor Schreck und brachten sich ängstlich im hinteren Teil der Kirche in Sicherheit. Nur Rosita stand still vor der Krippe und betete. Das Feuer erlosch, und staunend schaute das Mädchen auf die Unkrautpflanzen, die über und über mit leuchtend roten, sternförmigen Blüten übersät waren. Die Menschen in der Kirche nahmen Rosita in ihre Mitte, sangen ein mexikanisches Weihnachtslied und wünschten sich „Feliz Navidad“. Das heißt „Fröhliche Weihnachten“. Seither ist diese wunderschöne Blume ein Weihnachtssymbol und wird Weihnachtsstern genannt.“ Der Kakao in meiner Tasse war längst kalt geworden. Es war mucksmäuschen still in Großmutters Küche. Nur die alte Standuhr tickte weiterhin unermüdlich vor sich hin. „Es ist spät geworden“, sagte Oma, erhob sich und entzündete die Kerzen am Adventskranz. Dann stimmte sie ein Weihnachtslied an. „Süßer die Glocken nie klingen …“ sang sie mit ihrer wohlklingenden Stimme. Nie wieder habe ich dieses Gefühl der Behaglichkeit und Vertrautheit so erlebt, wie damals in Omas Küche. Wenn ich heute an meine Großmutter zurückdenke, habe ich nur einen Wunsch - ich möchte noch einmal dieses ganz besondere Gefühl der Geborgenheit spüren und beim Schein der Kerzen den Geschichten meiner Oma lauschen. Doch ich werde ihn nicht mehr finden – diesen Zauber meiner Kindheit. Sicht Nr. 66 Seite 6 Früher bei uns im Dorf Benedikt Jochheim Der Winter ist gekommen und die Tage sollen nun, wie es umgangssprachlich heißt, kürzer sein. Sie haben aber immer 24 Stunden. Allerdings nimmt die Dauer des lichten Tages ab. Im Gegensatz zu heute verbrachten die Menschen früher diese hellen Tagesstunden meistens an ihrem Arbeitsplatz. Man ging am Morgen in der Dunkelheit zur Arbeit und kam auch im Dunkeln wieder heim. Dies änderte sich erst mit der schrittweise eingeführten Arbeitszeitverkürzung in den 1960er Jahren. Zuvor war an sechs Tagen in der Woche gearbeitet worden. Die meisten Betriebe verlängerten die tägliche Arbeitszeit auf mehr als acht Stunden, damit bis Samstagmittag die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden abgeleistet war. Der Urlaubsanspruch betrug lediglich 12 Tage pro Jahr, wobei auch der Samstag als Urlaubstag angerechnet wurde. Nach Feierabend begann dann noch die Arbeit zu Hause. Während nur einige wenige eine Kuh hatten, gab es in fast jedem Haus eine Ziege, ein Schwein, Hühner und Kaninchen. Diese mussten jeden Tag (auch Sonntags) versorgt werden. Wurde nicht pünktlich gefüttert, hörte man die Ziegen „bläddern“ und die Schweine „grunzen“ und „quieken“, was für kaum zu überhörenden Mordsspektakel sorgte. In der Vorweihnachtszeit bastelten, werkelten, häkelten und nähten zudem die Eltern zusammen mit den älteren Geschwistern im Geheimen an den Weihnachtgeschenken für die kleineren Kinder, welche noch an das Christkind glaubten. Spielwaren gab es nämlich kaum und wenn nur zu unbezahlbaren Preisen zu kaufen. Schön war diese Zeit vor allem, wenn man noch als kleines Kind auf das Christkind wartete und dem Weihnachtsfest entgegen fieberte. Später kamen dann die „Aufgeklärten“, die einem diese Illusionen nahmen. Aber nicht nur uns Kindern sondern auch den Eltern wurde dadurch viel Freude genommen. An dieser Stelle fällt mir die Geschichte einer Mutter ein, die ihrem kleinen Jungen erklärte, dass er fleißig zum Christkind beten müsse, falls er sich zu Weihnachten ein Fahrrad wünsche. Der kleine Junge brüllte anschließend laut: „Liebes Christkind, bring mir bitte ein Fahrrad!“. Da sagte ihm die Mutter, dass er nicht so laut schreien brauche, da das Christkind gut hören könne. „Das Christkind ja“, erwiderte der Junge, „aber der Opa nicht!“. Eine Weihnachtsüberraschung der anderen Art soll sich vor vielen Jahren wie folgt zugetragen haben: Ein Mann holte jedes Jahr an Heiligabend seinen Weihnachtsbaum bei einem ganz bestimmten Sicht Nr. 66 Seite 7 Weihnachtsbaumhändler. Hiervon wusste ein Bekannter des Mannes. Der ging zum Händler, nahm dort einen Baum und sägte alle Zweige ab. Anschließend ordnete er die Zweige wieder sauber an den Stamm und zog das Netz darüber. Der Händler wurde eingeweiht und sagte anschließend seinem Kunden, dass es der letzte verfügbare Baum sei. Glücklich darüber, noch den letzten Baum bekommen zu haben, nahm er diesen (zunächst noch) froh mit heim. An den Festtagen war die Familie beisammen und wie oft auf engem Raum blieben Spannungen nicht aus. Es soll hierbei auch schon mal ein Weihnachtsbaum mit Kugeln und Lametta durch das Fenster geflogen sein. Nach den so besinnlichen und ruhigen Weihnachtstagen geht es heute mit der Böllerei weiter. Manche Rakete wird schon vor der Silvesternacht abgeschossen. Zu Beginn des neuen Jahres folgt das Fest der „Heiligen Drei Könige“. Der alte Brauch lebte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf und wir Kinder wetteiferten in Gruppen darum, wer das meiste Geld eingesammelt hatte. Alle Sänger bekamen vom Pastor als Dank eine Apfelsine. Damals sangen wir das Lied „Wir sind die drei Weisen aus dem Morgenland ...“, während man heute teilweise ein anderes Lied singt. Aber egal was gesungen wird: Jedes Mal ist es eine Freude, wenn die Sternsinger vor der Tür stehen, in der Wohnung singen und die Buchstaben +C+M+B+ sowie die Jahreszahl an die Haustür schreiben. „C+M+B“ steht dabei nicht für deren Namen Kasper (mit C geschrieben), Melchior und Baltasar sondern ist die Abkürzung des lateinischen Satzes „Christus mansionem benedicat“. Übersetzt bedeutet das: „Christus segne dieses Haus“. Der Stern vor dem Buchstaben C steht symbolisch für den Stern, dem die drei Weisen gefolgt sind. Auch im kommenden Jahr sind die Heiligen Drei Könige wieder herzlich willkommen. Wer knackt die Nuss? Trainieren Sie Ihr Gehirn Karola Hilborne-Clarke Wieder ist ein Text total durcheinander geraten. Bringen Sie die Wörter in die richtige Reihenfolge und Sie erhalten ein Zitat von Olga Tschechowa. Zitat 1 Frauen, Was Lieber uns mit heißt jung werden? zu schon Anstand bleiben. unanständig alt für Zitat 2 War das zu einfach für Sie? Im folgenden Zitat von Ursula von der Leyen stehen die Wörter rückwärts geschrieben. neregnüJ ,rellenhcs nennek rawz .gnuzrükbA nenner neretlÄ eid eid eiD reba Lösung Seite 54 Nr. 66 Seite 8 Sicht Was sind 50 Jahre … … im Leben zweier Menschen in Ost und West? Anni Künkenrenken Am 7. September 2015 war es soweit. Das Wiedersehen mit meiner Freundin Swetlana. Und in diesem Jahr das Wiedersehen in Riga. So starteten mein Mann ich von Dortmund aus nach Riga. Begonnen hatte alles vor 50 Jahren in Erewan, der Hauptstadt Armeniens, wo wir uns während einer Studienreise im Jahre 1965 kennen lernten. Die Sicht berichtete darüber. Das Wiedersehen war überwältigend. Mit Blumen wurde ich begrüßt und ohne viele Worte waren wir wieder vereint. Swetas liebenswerte Art, das Herz auf dem rechten Fleck, so hatte ich sie 1965 kennen gelernt und so ging es 2015 weiter. Es schien, als wäre keine Zeit vergangen. Swetlana zeigte uns stolz ihre Lieblingsstadt Riga mit so vielen Sehenswürdigkeiten. Viele Jahre gingen Briefe hin und her, aber dann gab es auch einige Jahre keinen Kontakt. Politische Vorschriften waren der Grund. Nach Gorbatschows Glasnost und Perestroika haben wir uns wieder gefunden. Swetlana kannte nur meinen Mädchennamen. Einen Brief von mir hatte sie in einem Buch wieder gefunden und geschrieben. Nun war es aber so, dass ich zwischenzeitlich geheiratet und eine andere Anschrift hatte. Aber dieser Brief kam wirklich bei mir an, ein danke noch heute der Post. Das alles geschah 1990. So hatten wir wieder Kontakt, zuerst durch Briefe, später per email. Es gab kein langes Warten mehr. Im Hamburger Hafen gab es ein Wiedersehen. Swetlana kam mit der „Kompositor Tschaikowsky“, einem russischen Frachter, der Autos vom Typ „LADA“ für Deutschland geladen hatte. Ein Wiedersehen nach 25 Jahren! Bus-, Straßenbahn- und Zugkarten hatte sie im Vorfeld besorgt. Für uns die Möglichkeit, die Menschen direkt zu erleben. Im Rigaer Dom verzauberte uns ein Konzert mit Werken von Händel, Knecht, Vierne. Ein besonderes Erlebnis. Innehalten und der Musik lauschen, beeindruckend. Durch die Hanse wurde Riga sehr geprägt. Die „Bremer Stadtmusikanten“, gegossen in Bronze, standen in der Nähe unserer Hotels, dem Conventa Seta. Bremen ist auch Patenstadt von Riga. Die Altstadt mit ihren schmalen Gassen, historischen Gebäuden, der Zentralmarkt, das Freiheitsdenkmal, das Schwarzhäupterhaus, Sicht Nr. 66 Seite 9 haben uns fasziniert. Ein Drittel des Stadtzentrums von Riga sind Jugendstilbauten. Unser Erstaunen und Bewundern fand keine Grenzen. So zeigte uns Sweta auch ein Büchlein, das ich ihr 1966 geschickt hatte mit einer Widmung. Daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Als ich es sah, fiel es mir ein und ich bekam eine Gänsehaut. So berichteten wir einander was in all den Jahren geschehen ist. Aber auch die nähere Umgebung von Riga ist immer eine Reise wert. Wir besuchten auch den Kurort Jurmala, 15 km von Riga entfernt. Mineralgewässer, Kiefernwälder, Dünen und Sandstrände haben uns verzaubert. Der Strandspaziergang in Majori und Bulduri laden zum Wiederkommen ein. Hier sind Urlauber gut aufgehoben. Mit dem Zug ging es dann zurück nach Riga. Wir besuchten Swetlana auch in ihrem zu Hause. Genau so hatte ich mir ihre Wohnung vorgestellt. Alles liebevoll, klein aber fein. Es wurden Fotos gezeigt, viele Erinnerungen wurden wach, Gespräche füllten den Nachmittag aus. Fazit, Riga ist sehenswert und die Freundschaft mit Swetlana wird nicht enden. Freundschaft und Verständnis kennt keine Grenzen, so dass ein Wiedersehen ins Auge gefasst worden ist. Sicht Nr. 66 Seite 10 Meine neue Schule Jule Westermann total komisch für mich mit dem Schulbus zu fahren. Zum Glück musste ich nie alleine fahren. Gemeinsam ist es einfacher, sich an Neues zu gewöhnen. An meinem ersten Schultag war es spannend, denn ich kannte kaum jemanden meiner Klassenkameraden. Nach einer gemeinsamen Messe mit den Schülern, Lehrern und Eltern in der Aula, durften wir uns den Klassenraum ansehen. Auch unsere beiden neuen Klassenlehrer haben wir an diesem Tag kennen gelernt. Doof war, dass ich nicht neben meiner Freundin Emma sitzen durfte. Allerdings habe ich dadurch neue Freundinnen kennengelernt: Elena, Klara und Theresa. Da ich gerne Fußball spiele, habe ich mich beim DFB (Deutscher Fußball Bund) Aufnahmetraining beworben und wurde auch aufgenommen. Es macht total Spaß, jeden Freitag mit den Anderen zu trainieren. Vier Jahre Grundschule waren nun zu Ende. Jetzt geht es auf die neue Schule, das St. Ursula Gymnasium in Neheim. Es war total aufregend. Als erstes habe ich einen neuen Tornister bekommen. Der ist am Anfang sehr schwer gewesen, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Am Anfang war es auch Mir gefällt auch die Zirkus AG - nur leider habe ich in der Zeit Politikunterricht und kann deswegen an der AG nicht teilnehmen. Meine neue Schule ist cool und aufregend. Jeder Tag ist spannend und macht Spaß. ? bunt gemischt ! 1. Erster künstlicher Satellit? 2. Wie heißt der Götterberg der Griechen? 3. Bekanntes Wahrzeichen von Paris? 4. In welchem Land liegt Vancouver? 5. Griechische Göttermutter? 6. Chemische Formel für Salzsäure? 7. Auf welcher Inselgruppe liegt Pearl Harbor? 8. Wo fand 2000 die Olympiade statt? 9. Vor welchen Tieren fürchtete sich Napoleon? 10. Wie nannte man Louis den XIV? 11. Welche Hochkultur lebte in den Anden? 12. Wie heißt die Hauptstadt von Pakistan? 13. An welchem Fluss liegt Kalkutta? 14. Welches Gebirge trennt Europa von Asien? 15. Zu welchem Land gehört Luxor? 16. Was frisst ein Mungo? 17. Woher stammt die Siamkatze? 18. Was ist ein Lori? 19. Was bedeutet ABS? 20. Wo befindet sich die Blaue Moschee? Sicht Nr. 66 Seite 11 JEDE GUTE IDEE IST WILLKOMMEN FÖRDERUNG VON PROJEKTEN IN DER FLÜCHTLINGSHILFE Förderverein Wendepunkt e.V. Aufgrund einer anonymen und zweckgebundenen Geldspende ist es dem Förderverein Wendepunkt e.V. nunmehr möglich, unterschiedliche Projekte in der Flüchtlingshilfe zu fördern. In einer „offenen Runde“ wurden jetzt Bedürfnisse und Wünsche vorgetragen, gebündelt und die ersten Schritte zur Realisierung in die Wege geleitet! Die Idee Fakt ist, dass es zahlreiche Menschen gibt, die sich aktiv und ehrenamtlich engagieren möchten, jedoch nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Auch fehlen oftmals Gelder, um gewisse Ideen im Bereich der Flüchtlingshilfe umzusetzen. Diesem Phänomen möchte der Förderverein Wendepunkt e.V. nunmehr mit der anonymen Geldspende und Informationen entgegenwirken. Die Interessierten Menschen, die sich innerhalb der Flüchtlingshilfe engagieren möchten, können sich an Ivonne Wobbe-Potofski, Tel. 02931 5483367, oder per Mail an [email protected] wenden, um beispielsweise als Alltagslotse für Flüchtlinge zu agieren, Lehrer- und Lehrerinnen in Auffangklassen zu unterstützen oder aber auch in bestehenden bzw. eigenen neuen Projekten aktiv zu werden. Petra Vorwerk-Rosendahl empfiehlt aufgrund des sensiblen Themas, sich qualifizieren zu lassen – diese Qualifizierung ist jedoch keine Voraussetzung für die Förderung der Flüchtlingshilfe. Auch werden keineswegs nur bestimmte Projekte gefördert. „Jede Idee ist willkommen und jeder noch so kleine Schritt wertvoll!“, betont Marita Gerwin, Förderverein Wendepunkt. „Interessierte, die eine Idee haben, können einfach und schnell per formlosem Antrag etwaige Zuschüsse beantragen.“ Das Antragsformular kann entweder beim Vereinskassenwart Michael Voß, 02932 201-2205, angefordert oder aber im Internet unter www.foerderverein-wendepunkt-arnsberg.de gedownloadet werden. Die minderjährigen Flüchtlinge ohne Begleitung Ein besonderes Thema der „offenen Runde“ waren die Kinder und Jugendlichen, die ohne Begleitung geflohen sind und in Arnsberg ankommen. Die Vertreter des Jugendamts, der Jugendhilfe und der Jugendzentren suchen in diesem Zusammenhang Menschen, die sich als Pflege- und/oder Gastfamilien einbringen oder aber als Alltagsbegleiter in der Freizeitgestaltung mitwirken möchten. Eine entsprechende Information zur Veröffentlichung wird zurzeit vom Jugendamt der Stadt Arnsberg vorbereitet. Sicht Nr. 66 Seite 12 Advent und Weihnachtszeit Albert H. Hoffmann Advent heißt Ankunft. Zum Beginn des Advents weisen die Propheten und Johannes der Täufer, der von uns Christen als Vorläufer Jesu verehrt wird, auf das Kommen des Messias hin. Gleichzeitig wird jedoch auch schon auf die Wiederkunft Christi am Ende aller Tage verwiesen. Doch bleiben wir zunächst erst einmal bei der Betrachtung des ersten Geschehens. In der Zeit des Advents nimmt Maria, die Gottesmutter, eine besondere Stellung ein. Gott hat die Menschwerdung seines Sohnes von ihr abhängig gemacht. Gleichzeitig tritt Gott mit allen Menschen in einen Dialog ein. Maria hat für den Glauben eines jeden Einzelnen schon eine große Bedeutung, denn sie hat als Person auf Gottes Anfrage hin geantwortet. Der Advent dauerte in den ersten Jahrhunderten, wie die Fastenzeit, 40 Tage. Papst Gregor reduzierte um das Jahr 600 jedoch die Zahl der Adventssonntage auf vier. Lichter zu entzünden ist nicht nur der dunklen Jahreszeit wegen sinnvoll, sondern in erster Linie steht das Licht für den erwarteten Christus. Schon in früheren Zeiten brachten die Hirten beim Almabtrieb Kirsch- und Apfelzweige mit. Man erwartete, dass diese Zweige dann Weihnachten blühen würden. Die Zahl der Blüten wurde häufig als Hinweis interpretiert, wie das Wetter im kommenden Jahr werden würde. Dieser Orakelbrauch wird mit dem Fest der Heiligen Barbara, am 4. Dezember, verknüpft. Nach einer Legende gelangten die Zweige während ihrer Gefangenschaft zum blühen. Am 6. Dezember wird das Fest des Heiligen Nikolaus von Myra gefeiert. Nikolaus war ein sehr sozial eingestellter Bischof. Er wurde im Laufe der Zeit zum Patron der Kinder. Noch aus Kindestagen sind uns der Heilige Nikolaus mit Knecht Rupprecht in guter Erinnerung. Leider wird das Geschehen um den Heiligen Nikolaus, auch in Verbindung mit dem Weihnachtsgeschehen, in heutiger Zeit extrem kommerzialisiert. Damit sich die Kinder rechtzeitig auf Weihnachten vorbereiten konnten, wurde im Laufe der Zeit der Adventskalender eingeführt. Vorausgegangen waren bereits im 19. Jahrhundert die Adventskalender mit aufklappbaren Türchen. Später versuchten die Nazis die christlichen Hinweise durch Märchenmotive zu ersetzen. Im Laufe der Adventszeit sind die Gottesdienste in unseren christlichen Kirchen deutlich von der weihnachtlichen Erwartung geprägt. Die sogenannten O-Antiphonen in den letzten sieben Tagen geben dem Advent einen ganz besonderen Charakter und bereiten auf das Kommen Christi vor. Im 19. Jahrhundert führte in Hamburg Hinrich Wichern in dieser von ihm gegründeten sozialen Einrichtung den Adventskranz ein. Anfangs verwandte er noch 24 Kerzen. Der Adventskranz mit vier Kerzen wurde in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zum allgemeinen Brauch. Der Evangelist Lukas verfolgt den Stammbaum zurück und endet bei Adam (Kap.3,38) und damit an dem wirklichen Beginn der Heilsgeschichte. Paulus sieht in Jesus den neuen Adam. Maria gilt als die neue Eva. Vielfach wird aus diesen Gründen in den Krippenspielen auch die Paradiesszene dargestellt. Der Sicht Paradiesbaum lebt schließlich im Weihnachtsbaum fort. Weihnachten erscheint uns als das eigentliche christliche Hochfest. Die Bedeutung dieses Festes für den westeuropäischen Raum zeigt sich darin, dass der Frankenkönig Chlodwig am Weihnachtstag 498 getauft, Karl der Große am Weihnachtsfest des Jahres 800 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde und im Jahr 831 hat eine Synode in Mainz Weihnachten am 25. Dezember bestätigt. Wie kommt es jedoch zu diesem Termin? Der Termin des Weihnachtsfestes hängt mit der Wintersonnenwende zusammen. Dieses Fest der Wintersonnenwende wurde im Jahr 274 n. Chr. durch Kaiser Aurelian eingeführt. Das war der letzte Versuch, dem römischen Reich eine gemeinsame religiöse Grundlage zu geben. Die Sommersonnenwende wird am 24. Juni, am Fest Johannes des Täufers, gefeiert. Am Fest des Täufers nimmt die Sonne ab und genau ein halbes Jahr später, am Fest der Geburt Christi, nimmt die Sonne wieder zu. Für die Menschen in der Antike symbolisierte die Wintersonnenwende, dass Gott mit diesem Kind das Leben neu entstehen ließ. Das Jahr 336 ist das erste Jahr, in dem nachweislich in Rom am 25. Dezember das Weihnachtfest gefeiert wurde. Dass dieser Festgedanke überzeugte, zeigt sich auch daran, dass der 25. Dezember im Osten übernommen und durch das Konzil von Konstantinopel bestätigt wurde. Die heutige Weihnachtskrippe entstammt wohl einer Idee Franz von Assissis. Er stellte nämlich in Greccio eine Krippe mit einem Ochs und einem Esel auf. Über viele Jahrhunderte hinweg waren Krippen fast ausschließlich nur in Kirchen anzutreffen. Erst im 19. Jahrhundert waren sie alsdann auch in den Wohnzimmern der Familien zu finden, zuerst wohl in den katholischen Gegenden, während der Weihnachtsbaum zuerst in Norddeutschland zum Zentrum des Weih- Nr. 66 Seite 13 nachtsgeschehens wurde. Die Idee des Weihnachtsbaumes kommt wohl aus dem Elsass; dort wurden die Weihnachtsbäume bereits im 16. Jahrhundert vorgefunden. Erst im 18. Jahrhundert wird der Christbaum zum Zentrum des weihnachtlichen Geschehens in den geschmückten Wohnzimmern, und zwar zuerst in protestantischen Häusern. Die Katholiken stellten dagegen anfangs lediglich eine Krippe auf. Leider ist es mir nicht möglich, weitergehende, ausführliche Gedanken zu den Besonderheiten der folgenden Tage der Weihnachtszeit anzufügen. Auch sie sind von einer Menge Besonderheiten gekennzeichnet, so das Fest des Erzmärtyrers Stephanus, das Fest der Unschuldigen Kinder, das Fest der Heiligen Familie sowie die Festtage des Jahreswechsels, Sylvester und Neujahr. Kurz vermerkt sei noch Folgendes: Früher war es in allen Arnsberger Ortsteilen üblich, dass am Silvesterabend beim mitternächtlichen Glockenschlag junge Burschen von Haus zu Haus zogen und bei den Nachbarn und Bekannten das Neue Jahr mit diesem Vers – er wurde jedoch in den einzelnen Orten jeweils etwas unterschiedlich gesungen - zu begrüßen: „Guten Abend, guten Abend in diesem Haus! Herren und Damen, Herren und Damen, Herren und Damen in diesem Haus! Wir wünschen Euch, wir wünschen Euch, ein glückseliges Neues Jahr, ein glückseliges Neues Jahr! Nun schaut doch mal zum Fenster heraus und werft uns eine Mettwurst raus!“ Es sei vermerkt, dass zu dieser Zeit sozusagen in jedem Haus noch geschlachtet wurde. Zum bevorstehenden Jahreswechsel möchte ich nun noch zwei Liedstrophen des Gotteslobs anfügen: „Tu auf die Tür ins neue Jahr, sei uns mit deiner Liebe nah, und alles, was wir fangen an, in deinem Namen sei´s getan. Bewahre, Herr, mit starker Hand die Völker und das Vaterland. Wehr ab das Unheil in der Welt, errichte deines Friedens Zelt.“ Sicht Nr. 66 Seite 14 Die Reise der AMYGDALA Protokoll einer Weltumsegelung (Teil 3) Hans-Werner Wienand Freitag, 17. Dezember. Der erste große Ozean, die Atlantiküberquerung steht bevor. AMYGDALA ist seeklar. Wir klarieren bei den Behörden aus. Der Officer des Comando da Polícia Maritíma gibt uns zögernd unsere Bootsdokumente zurück. Der Beamte ist sehr ernst. "Nicht heute. Heute könnt ihr nicht fahren. Heute ist Freitag. Kein Schiff fährt freitags los …" Im Comando Reparticao de Emigracao holen wir uns unsere Ausreisestempel in den Pass. "Fahrt morgen, heute ist Freitag. Freitags auszulaufen bringt Unglück …" Am Steg verabschieden wir uns von den Crews anderer Fahrtenschiffe. "Wisst ihr, was heute für ein Tag ist ...?" Ja, wir wissen es! Wir wissen es von der Polizei, von der Ausländerbehörde, von Hafenarbeitern, von einheimischen Bekannten, von denen wir uns verabschieden wollten, von allen, die uns begegnet sind: Heute ist Freitag! Na und? - Aberglaube bei aufgeklärten Menschen? Darf man das ernst nehmen? Auf der anderen Seite - schaden kann es eigentlich auch nicht, wenn wir noch einen Tag länger warten, auf guten Wind zum Beispiel. Das wäre eine plausible Begründung. Wir hätten Zeit und könnten im Clube Nautico mit all unseren neu gewonnenen Freunden noch einmal richtig unseren Abschied und die bevorstehende große Überquerung des Atlantiks feiern. Feiern, das darf man freitags! Und dann sind alle zufrieden. Auch die Abergläubischen. Freitag, 24. Dezember/Heiligabend Wir sind jetzt sieben Tage auf See und noch 1.341 Seemeilen (2.662 km) von Barbados, von der Karibik, entfernt. Wir haben 28 Grad Lufttemperatur, Wassertemperatur 26,7 Grad. Am Himmel kleben kleine Wattewölkchen, das Meer ist ein wenig unruhig, bringt eine Einmeterfünfzig bis zwei Meter Welle, der Wind weht aus Ostnordost mit drei bis vier Beauforts. Schöne Verhältnisse. Über die Deutsche Welle hören wir, dass es in Deutschland flächendeckend weiße Weihnachten gibt, dort gleichzeitig Flug-, Bus- und Schienenverkehr eingeschränkt werden und die Hausbesitzer Schnee fegen müssen. Ich mache barfuß meine Runde über Deck und entsorge die fliegenden Fische, die über Nacht hier gefallen sind. Danach werden ein paar alte PET-Flaschen mit frischem Wasser gefüllt und in die Sonne zum Aufheizen gelegt. Heiligabend wird auf AMYGDALA vor der Bescherung geduscht … Als Heiligabendessen gibt es an Bord selbstgemachten Kartoffelsalat mit Würstchen. Das gibt es nicht nur deshalb, weil es so etwas Heiligabend immer schon gegeben hat, sondern weil der Kartoffelsalat bei Seegang so schön auf dem Teller klebt und die Würstchen darin fixiert werden können. Jedes Filet mit fei- Sicht Nr. 66 Seite 15 ner Gemüsebeilage wäre bei der Schaukelei längst über Polster, Wände, Decke und Boden verteilt. Nützliches mit Tradition verbinden, das ist moderne Seefahrt! Außerdem ist Kartoffelsalat lecker. Bescherung auf Position 16°14´N / 036°27,8´W, hunderte von Seemeilen von jedem festen Land entfernt. Ein Weihnachtsbaum hängt über dem Kajüttisch, pendelt an der Petroleumlampe von der Decke. Es ist ein Traumweihnachtsbaum, aus einem Stück Pappkarton ausgeschnitten, mit der Folie einer grünen Einkaufstüte bezogen und liebevoll dekoriert. An seinen Zweigen hängt eine rote originale Weihnachtskugel. Die ist noch von Zuhause. An irgendeinem gut geschützten, versteckten Plätzchen dieses Schiffes hat das filigrane Gebilde bisher 4.400 Seemeilen unbeschadet überstanden, bereit für diesen Augenblick. Auf dem Tisch, unter dem Baum, liegen die Geschenke. Es gibt deutsches Vollkornbrot, bis hierher klammheimlich geschmuggelt mit noch gültigem Haltbarkeitsdatum, PIRATAStarkbier aus Mindelo, CDs mit kaboverdischer Musik, ein kaboverdisches T-Shirt und kaboverdischen Rumpunsch, original von der Zuckerinsel Santo Antão. Unsere neue Liebe zu den Kapverden, diesem wunderbaren Land mit den wunderbaren Menschen, deren wunderbarer Musik, Kultur und Lebensart, ist nicht zu verbergen. Weihnachtslieder gibt es nicht. Der Rechner kann aus irgendeinem Grund die Musik-CD nicht lesen und selbst singen ist dem Skipper streng verboten. Bitte nicht zu Weihnachten …! Wir lesen die Weihnachtsgrüße, die von Zuhause via E-Mail über Satellit bei uns eingehen. Das tut gut. Bericht wird fortgesetzt. Schild an der Tür eines Tattoo Ladens Wenn die Tür auf ist: Ist auf! Wenn die Türe zu ist: Ist zu! Nr. 66 Seite 16 Sicht Wie is(s)t man eigentlich klimafreundlich? Sebastian Witte, Klimaschutzmanager Stadt Arnsberg Das Feld der klimafreundlichen Ernährung umfasst verschiedenste Aspekte, an erster Stelle stehen aber natürlich die Herkunft unserer täglichen Lebensmittel und die daraus resultierenden CO2-Emissionen. Ein Besuch der örtlichen Buchhandlung und ein Blick auf die vielen im Trend liegenden Kochbücher und Ernährungsratgeber reicht schon aus, um den Überblick zu verlieren: Das Feld der nachhaltigen Ernährung ist ein sehr weites, das Nebeneinander vieler Lehrmeinungen ist oftmals sehr verwirrend. Aber den glückseligmachenden und allein gültigen Weg gibt es nicht und kann Ihnen auch dieser Beitrag nicht aufzeigen. Vielleicht aber immerhin einen kleinen Anstoß zu einer nachhaltigeren Ernährung geben. Und zu guter letzt spielen ja auch immer Aspekte wie Gesundheit, Geschmack & Genuss sowie die ganz eigenen Vorlieben eine wichtige Rolle. Den wichtigsten Beitrag leistet man schon vor dem Einkauf, indem man den vielfältigen Versprechen der Werbe- und Lebensmittelindustrie nicht blind vertraut. Die Hauptregel für den nachhaltigen Einkauf ist die, sich immer ausreichend gut zu informieren. Denn nur mit einer ausreichenden Informationsbasis über das, was man täglich zu sich nimmt, kann man letzten Endes abwägen, was besser für einen selbst und auch die Umwelt ist. Dabei ist es auch wichtig einmal zu hinterfragen, was man bereit ist für seine eigenen Lebensmittel zu bezahlen - oder anders: was mir meine Lebensmittel, meine Nahrung und damit die eigene Gesundheit eigentlich wert ist? Allenthalben stellen wir nämlich fest, dass wir immer weniger bereit sind für unsere Ernährung auszugeben - damit jedoch die einhergehenden Folgen sowohl für die Produzenten, die Umwelt als auch die eigene Gesundheit ausblenden. Anhand einiger einfacher Kriterien kann man sein eigenes Einkaufs- und Ernährungsverhalten einmal überprüfen: Herkunft: regional vs. global Durch die immer weiter stärkere Globalisierung können wir mittlerweile Lebensmittel aus aller Herren Länder im Supermarkt um die Ecke (meist sogar zu Discount-Preisen) erstehen. Im Hinblick auf die CO2-Bilanz fallen hier besonders zwei Aspekte ins Gewicht, nämlich die Bedingungen am Herstellungsort einerseits und der sehr unterschiedliche Transportaufwand der Lebensmittel bis zum Verbraucher andererseits. Dabei ist hier genaues Hinsehen wichtig: Denn je nach Herkunft unserer Lebensmittel sind die Wuchs- und Produktionsbedingungen (Bodenbeschaffenheit, Klima - Dünger, Medikamente) sehr unterschiedlich - und damit die Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Wasserhaushalt. Als am häufigsten zitiertes Beispiel für eine schlechte Klimabilanz dient wohl das Rindfleisch aus Südamerika, für dessen Produktion sowohl für Weideflächen als auch den Futtermittelanbau (Soja) häufig großflächig Regenwald gerodet wird. Zieht man dann noch die lange (Kühl-)Transportkette (beispielsweise LKW - Flugzeug/Schiff - LKW - PKW) hinzu, liegt der Klimavorteil des heimisch produzierten Fleisches klar auf der Hand. Anders bei der Gemüseproduktion: Hier wird die Klimabilanz vielfach durch die „künstlichen“ Produktionsbedingungen vor Ort (beispielsweise Gewächshäuser) verfälscht, siehe dazu unter „saisonal vs. ganzjährig“. Dennoch gilt natürlich auch hier: Je kürzer die Transportkette, desto frischer und klimafreundlicher mein Lebensmittel. Und nicht zu vergessen: Wer regional einkauft, leistet eine Beitrag zur Wertschöpfung vor Ort vom Erzeuger bis hin zum Einzelhändler! = Vorteil: Regional Kalender: saisonal vs. ganzjährig Durch die Globalisierung der Nahrungsmittel und den Anbaumöglichkeiten unter der künstlichen Atmosphäre sind wir es gewohnt, ganzjährig „Saisonprodukte“ zur Verfügung stehen zu haben, die naturgemäß sonst nur zu bestimmten Jahreszeiten zur Verfügung stehen: Spargel oder Erdbeeren zur Winterzeit sind beileibe keine Seltenheit mehr. Diese werden dann an anderen Orten entweder unter der natürlichen oder einer künstlichen Sonne (Gewächshaus) angebaut – womit sowohl der Sicht Ressourcen-/Energieaufwand (UV-Licht, künstliche Bewässerung) bei der Produktion als auch der Transportaufwand steigt. Wer sich also nach den Saisons für Obst und Gemüse richtet, kann auf Obst und die Lebensmittel aus dem Glaskasten größtenteils verzichten. = Vorteil: saisonale Lebensmittel Anbau: biologischer vs. konventionellen Anbau Für die Klimabilanz ausschlaggebend sind -wie schon angerissen- Herstellungsbedingungen und Transportwege. So sind natürlich auch hier die regionalen Produkte (kurzer Transportweg) der globalen Importware überlegen. Dabei spielt es keine so große Rolle, ob die Lebensmittel konventionell oder biologisch erzeugt wurden - denn am klimaschädlichsten nun mal ist der Anbau im Gewächshaus, also unter künstlicher Atmosphäre (Beheizung, künstlicher Bewässerung und ggf. Beleuchtung). So weist auch eine Biotomate aus einem nahen Gewächshaus in der Regel eine schlechtere Klimabilanz auf als die über weite Distanzen herangekarrte konventionell erzeugte. Beim ökologischen Anbau wird jedoch auf die Verwendung von Düngemitteln fossiler Herkunft verzichtet und die Schadstoffbelastungen sind in der Regel deutlich geringer. Vom Geschmack gar nicht erst zu reden. = Vorteil: Biologische Herkunft, je nach Anbauweise. Tierisch: Fleisch vs. fleischfrei (natürlich bis hin zur veganen Lebensweise) Gemeinhin gilt die Produktion von Rindfleisch als einer der größten „Klimakiller“, da neben dem Methanausstoß der Tiere auch die Produktionsressourcen (Futtermittelproduktion, Wasserverbrauch) und der Transport schädlich fürs Klima sind. Kann also vegetarische Ernährung der Schlüssel für den Klimaschutz sein? Müssen wir am Ende alle auf Gemüse umsteigen? Diese Entscheidung muss weiterhin jeder für sich selbst Nr. 66 Seite 17 treffen: Fleischkonsum ist auch ohne Reue möglich – und zwar dann, wenn wir weniger und bewusster, dafür aber qualitativ hochwertiges und nach Möglichkeit regionales Fleisch zu uns nehmen. Oder wie TV-Koch Mario Kotaska in einem TV-Interview im vergangenen Jahr sagte: „Der Verbraucher sollte sich vor Augen halten, dass es keine Qualität sein kann, wenn 100 Gramm Fleischwurst im Sonderangebot 79 Cent kosten. Da muss man einfach nur seine Birne einschalten und im Supermarkt zehn Gänge weitergehen in die Tierfutterabteilung. Da kostet PremiumTierfutter 1,29 Euro.“ = Nicht pauschal zu beantworten: Unentschieden. Das wichtigste ist: An erster Stelle steht das Bewusstsein um die Herkunft und den Wert unserer täglichen Lebensmittel und die Auswirkungen unseres Lebensstils. Informieren Sie sich über die Herkunftsorte und die Produktionsbedingungen ihrer Lebensmittel. Fragen Sie ruhig auch mal Ihren Einzelhändler. Aber seien Sie auch nicht zu streng mit sich 100 % richtig gibt es nicht. Aber in aller Regel gilt: Alles was gut fürs Klima ist ist auch gut für den Menschen und seine Gesundheit. Kleine Einkaufstipps: • Saisonplaner dabei haben (gibts beispielsweise bei der Verbraucherzentrale). • Niemand muss auf Fleisch vollständig verzichten - aber weniger und bewusster Fleisch konsumieren ist in jedem Fall gut fürs Klima und die Gesundheit. • Bewusst richtige Mengen einkaufen, damit weniger Lebensmittel im Müll landen. • Beim Einkauf auf Herkunftshinweise und Siegel (bspw. regionaler Erzeuger oder Biosiegel) auf den Lebensmitteln achten - viele regionale Erzeuger trifft man im übrigen auf den Wochenmärkten in Neheim, Hüsten und Alt-Arnsberg. Literaturtipps: „Döner Hawaii – Unser globalisiertes Essen“, Marin Trenk, Klett-Cotta „Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst ...“ , Karl Ludwig Schweisfurth, Oekom Verlag „Fleischatlas 2014“, Heinrich-Böll-Stiftung (kostenlos) Nr. 66 Seite 18 Sicht SICHT- Leserinnen und -Leser spendeten komplette Briefmarkensammlungen Die diesjährige Briefmarkensammelaktion des GenerationenMagazins SICHT unter der Leitung von Anni Künkenrenken hat alle Erwartungen übertroffen. Neben den vielen Briefmarkenspenden konnte Anni Künkenrenken sogar ganze Sammlungen dem Vorsitzenden des Vorstandes der Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Pastor Ulrich Pohl, übersenden. Ein herzliches Dankeschön der Redaktion an alle fleißigen Sammler. Gerne leiten wir das Dankeschön von Pfarrer Pohl und den Beteiligten aus Bethel weiter. Sicht Nr. 66 Seite 19 Grippe oder was … Gottfried Lambert Morgens wird schon an den Autoscheiben gekratzt. Schlimmer noch, mit laufendem Motor wird der Wagen vorgeheizt. Lange. Sehr lange, eigentlich unverschämt lange. Gut, mich stört es nur indirekt - ich schlafe nach hinten raus. dem warmen Bärenfell liegen bleiben konnte, um mit der gesunden Frau für Nachwuchs zu sorgen. Aber irgendwie kratzt es auch in meinem Hals. Kommt es daher, weil er vor Ärger dick geworden ist? Habe ich nur Durst? Oder ist eine dieser modifizierten Grippen im Anflug? Es heißt doch immer, sie kommt wie angeflogen. Zum Glück habe ich mich schon rechtzeitig und vorsorglich impfen lassen. Aber wirkt das überhaupt schon? Auch gegen alle möglichen Grippen - auch gegen die, die noch nicht bekannt sind? Da habe ich so meine Zweifel. Beim ersten Räuspern wird schon der leidende Blick eingeschaltet. Und was erst, wenn es gar keine Grippe ist? Eine schwere Erkältung kann einen auch schon ganz schön umhauen. Egal, ob sie angeflogen kommt oder ob man von den eigenen Enkelkindern angeprustet wird. Und Männer leiden viel schlimmer an Erkältung als Frauen, das ist statistisch belegt - irgendwas mit den Genen. Oder ein Relikt aus der Vorzeit, damit der jagende Mann im Winter weiter auf Unzählige Depots an Papiertaschentüchern verteilen sich über die ganze Wohnung. Hustentees und -säfte stehen ja noch aus dem Vorjahr irgendwo hinten im Küchenschrank. Also kann ich mich meinem Leiden hemmungslos hingeben. Und hemmungsloses Niesen macht ja nur Spaß, wenn es weit genug zu hören ist. Und da sorge ich schon für. Unmittelbar nach einer meiner Explosionen rief unsere Nachbarin an und wollte wissen, ob bei uns ein Hängeregal von der Wand gefallen sei … nicht mal in Ruhe niesen kann man in seinen eigenen vier Wänden. Zum Glück verzieht sich so eine normale Erkältung nach vierzehn Tagen – egal ob mit oder ohne Pillen und Säfte. Danach reichen wieder ganz normales, vitaminreiches Obst und Gemüse. Das Bärenfell kann wieder eingemottet und zusammengerollt werden – schade. Kein Mann braucht heute noch auf die Jagd. Nr. 66 Seite 20 Sicht Geboren 45 - Hol dir das Gefühl zurück Hanni Borzel Zufall, gepaart mit Neugier, bescherte mir ein ganz besonderes Buch, welches ich hier meiner Generation im Besonderen, aber ebenso auch Jugendlichen ans Herz legen möchte. Zufall: Der Lokalkompass im ORA-Verlag in Essen verlost wöchentlich verschiedene Bücher, für die man sich bewerben kann – so erhielt ich einen Bildband mit dem Titel „Ranzen, Rodeln, Rasselbande – unsere Kindheit in den 50er Jahren“ von Jürgen Eichel. Neugier: Fesselte mich schon dieser Bildband und löste viele Kindheitserinnerungen aus, so wurde ich noch neugieriger auf ein weiteres Buch dieses Autors und dieses ließ ich mir auch sofort kommen. Titel: „Geboren 45 – Hol dir das Gefühl zurück“ auf. Vom anderen Teil Deutschlands habe ich erst spät über Funk und Fernsehen etwas erfahren. So hatte mich lange schon interessiert, wie wohl die Kinder im westlichen Teil Deutschlands gelebt haben. Welche Unterschiede gab es eventuell zu unserem Leben – oder verlief die Kindheit etwa doch in den gleichen Bahnen? Das Blättern in diesem Buch wurde eine Reise in meine eigene Kindheit - jedes der vielen Fotos weckte Erinnerungen und der Buchtitel "Hol dir das Gefühl zurück" traf in vollem Umfang zu - ich fühlte mich sogleich in die 50er und 60er Jahre zurück versetzt, erlebte meine Kindheit für einige Momente noch einmal. Das Bad in der Zinkbadewanne, in der die Geschwister der Reihe nach am Samstag (Badetag) geschrubbt wurden, nachdem der Wasserkessel auf dem Herdfeuer aufgeheizt war, die immer noch vertrauten alten Schulbänke, die Schiefertafel mit dem Schwamm und Läppchen daran, die Hilfe bei der Feldarbeit nach Schulschluss, aber ebenso das Spiel mit den Freunden im Freien, die ausgewachsenen Kleidungsstücke, die immer wieder „angestückelt“ wurden, damit sie mitwuchsen ... alles wurde plötzlich wieder gegenwärtig. Ich konnte nicht den kleinsten Unterschied erkennen zwischen unserem Leben in Ostdeutschland und dem in Westdeutschland. Der Autor Jürgen Eichel war selbst ein Kind der 50er Jahre. Mit den Archivfotos seines Vaters, der in dieser Zeit Lehrer in Böddiger bei Felsberg (Hessen) war, sowie vielen zur Verfügung gestellten Fotos von Freunden und Verwandten, konnte er ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Nachkriegsjahre schaffen. Worauf war ich aber eigentlich neugierig? Das ist schnell gesagt: Ich wuchs als Kind, in den Nachkriegsjahren, und später als Jugendliche und junge Frau, in der ehemaligen DDR Hinzu kommt noch eine spezielle Besonderheit dieses Buches, die es auch für die junge Generation sicher sehr interessant macht: Zu vielen geschichtlichen Ereignissen gibt es auf den jeweiligen Seiten einen QR-Code. Diesen kann man mit dem Smartphone scannen und Sicht damit kleine Video-Clips herunterladen und ansehen. So kann man an historischen Ereignissen teilhaben, wie am Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953, an der Fußball-WM 1954, dem Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 und vieles mehr. Eine fantastische Sache fand ich! Damit noch nicht genug, gibt es zum Buch auch eine eigene Website unter: 1945.unserJahrgang.de Nr. 66 Seite 21 Auch hier findet man Filme, Fotos, kleine Musikclips mit den Hits aus dieser Zeit und mehr. Habe ich einige unter Ihnen jetzt auch neugierig gemacht? Der Buchhandel hält dieses ganz spezielle Buch zum Preis von 14,90 € bereit, unter der ISBN 978-3-8313-28451, erschienen im Wartberg Verlag. Ich denke, die Lektüre wird jedem so viel Freude bereiten wie mir. Sicht Nr. 66 Seite 22 Mäuse und Mäuse Mein Personal Die Gattung der „homo sapiens“ ist eine recht zahnlose Spezies. Ich meine nicht den Zustand, der sich bei jungen Exemplaren im Alter von fünf oder sechs Jahren, auch Jahre später noch auf Fotos von der Einschulung, mit breiten Lücken im Gebiss zeigt und von Großeltern mit Geschichten von einer gewissen „Zahnfee“ in Zusammenhang gebracht wird. Auch mit einem in unterschiedlichem Alter stattfindendem Verlust der von manchem als „Beißerchen“ bezeichneten Kauwerkzeuge, die durch prothetische Ersatzformen kompensiert werden, sei hier nicht die Rede. Vielmehr geht es um den Jagdtrieb. Das gespanntkonzentrierte Ansitzen auf einen noch nicht gesichteten Leckerbissen, das Anschleichen und die manchmal erfolgreiche Jagd auf Mäuse. Zwar soll es Menschen geben, die mit knallenden Stöcken, Waffen genannt, sich an Tiere anschleichen und sie erlegen, doch ist dieses Verhalten nicht mit der Eleganz und Effektivität von uns Katzen zu vergleichen. Darin sind wir uns als Katzengemeinschaft der näheren Umgebung einig: Mäuse haben in unserer Umgebung nichts zu suchen. Allenfalls werden sie als kurzzeitige Belustigung geduldet. Für mich unverständlich reagiert mein Personal nicht mit der angemessenen Begeisterung auf gelegentlich von mir dargebrachte Geschenke in Form von frisch gefangenen Mäusen. Zwar bekomme ich immer eine Belohnung, wenn ich ein Geschenk bringe, doch scheint mir die Begeisterung nur sehr eingeschränkt. Auch findet sich mein Mitbringsel weder bei den Mahlzeiten wieder noch sehe ich es ir- gendwo angemessen ausgestellt in meinen Wohnräumen. Erst zweimal habe ich meine Menschen über einen längeren Zeitraum begeistern können: ich habe das Personal mit einer lebendigen Maus beglückt und sie im Wohnzimmer für unser Amüsement sorgen lassen. Wir haben uns anschließend zu dritt eine Stunde lang damit amüsiert, das Geschenk von einer Ecke in die andere zu verfolgen. Mein Personal war hellauf begeistert und hat sich mit lauten Rufen gegenseitig angefeuert, weil beide die Maus zuerst fangen wollten. Es ist dem Diener schließlich gelungen, die Maus in eine Pappröhre laufen zu lassen. Warum er sie nicht direkt verspeist, sondern in den Garten getragen hat, ist mir unverständlich. Vielleicht möchte er sie demnächst selber fangen. Auch mein Personal beschäftigt sich mit Mäusen. Diese sind aber aus einem seltsamen harten Material und mit einer Schnur an einen warmen Kasten angebunden. Wenn meine Menschen die Maus mit der Hand berühren und hin und her schieben, entstehen in diesem Kasten bunte Bilder. Das ist für mich völlig uninteressant. Ich habe mich auf die Leiste kleiner schwarzer Knöpfe vor dem Kasten mit den Bildern gelegt. Das war schön warm. Während ich die Maus beobachtet habe, hat sie sich nicht einmal bewegt. Als ich sie versuchsweise angestoßen habe, drangen aus dem Kasten plötzlich laute Geräusche. Ich bin schnell weggesprungen. Diese Maus ist langweilig. Ich muss mein Personal dringend von einer anderen Form der Beschäftigung überzeugen. Vielleicht bringe ich ihnen mal wieder eine Maus aus dem Garten mit. Sie haben sich beim letzten Mal ja so darüber gefreut. Sicht Nr. 66 Seite 23 Bringe Farbe in dein Leben und färbe auf andere ab Uwe Künkenrenken Das erste Mal treffen wir uns im Caritas Seniorenhaus Klostereichen, im Rumbecker Holz. Im Kommunikationszentrum (KommA) ist musikalischer Nachmittag. Die „Patenschaften von Mensch zu Mensch“ lassen bitten. Ich suche zur Einstimmung die passende Musik, als mir jemand auf die Schulter tippt. Ein großer stattlicher Herr im grauen Anzug steht hinter mir: „Haben Sie auch Semino Rossi oder Hansi Hinterseer im Angebot?“ Ich habe und er freut sich, dass ich seine Wünsche erfüllen kann. Wir kommen ins Gespräch und ich erfahre von ihm, dass er die vielen Bilder im Saal und in den Fluren gemalt hat. Wir vereinbaren einen Termin für ein Interview. Im Oktober ist Franz Loer 92 Jahre alt geworden. Alt ist wohl nicht das passende Wort. Franz Loer macht einen wachen, munteren Eindruck. In seinem Malerzimmer liegen einige noch nicht ganz fertige Bilder. „Hier bin ich jeden Tag und male“, sagt Franz Loer, „das lenkt mich ab und bringt eine große innere Ruhe. Das hilft mir über den Tod meiner Frau hinweg zu kommen. Seit ihrem Tod habe ich schon über 300 Bilder gemalt und ich freue mich, dass ich hier im Haus meine Bilder ausstellen darf. Gerne würde ich natürlich meine Bilder auch woanders zeigen. Zum Beispiel in Arztpraxen oder Banken. Natürlich verkaufe ich auch das eine oder andere Bild! Ich muss es sogar, auch wenn ich mich nur schwer davon trennen kann, denn das Material ist ja auch nicht ganz billig! Vor allem die Ölfarben, die ich mit Firnis-Spray nach Vollendung des Bildes auf Hochglanz bringe.“ Zwei Mal in der Woche bekommt er Besuch. Sein Freund und eine junge Dame aus Neheim, die ihn ehrenamtlich betreut. Dann wird über seine Werke diskutiert, bewundert aber auch kritisiert! Die gerahmten, meist 30 cm x 40 cm großen Bilder, sind im KommA und auf dem Flur des Wohnbereichs Mühlenweg zu sehen. Wer sich für die Bilder von Franz Loer interessiert, oder mit ihm Kontakt aufnehmen möchte, hier seine e-Mailadresse: Malerfreund_Franz_ [email protected] Nr. 66 Seite 24 Sicht Humortraining für Fach- und Pflegepersonal und Betreuender Dienst Stellen Sie sich vor, Sie sind alt oder haben Demenz … und keiner lacht mehr mit Ihnen Susanne Bötel Humor und Lachen sind wichtige Ressourcen für Menschen im Alter und mit Demenz, deren Angehörige und für Pflegekräfte und betreuenden Dienst, um mit ihrer Situation zurecht zu kommen oder auch den herausfordernden Arbeitsalltag gesund zu bewältigen. Die positive Wirkung von Humor ist in zahlreichen Studien belegt und jede/r von uns kennt die wohltuende Kraft eines liebevollen Lachens aus tiefstem Herzen. Warum tun wir es aber viel zu selten? Die Anforderungen an das Pflegepersonal nehmen ständig zu. Das Thema Demenz rollt auf unsere Gesellschaft zu und wir stehen in den nächsten Jahren vor riesigen Herausforderungen. Humor kann hier ein Schlüssel dazu sein, einerseits den Seniorinnen und Senioren mit liebevollem Respekt und Würde zu begegnen und hier für mehr Verständnis und für eine altersgerechte und demenzfreundliche Gesellschaft einzutreten. Andererseits ist es auch wichtig, die tägliche Arbeit des Pflegepersonals wertschätzend anzuerkennen und hier die Ressourcen des Humors zu erkennen und weiterzuentwickeln – im gemeinsamen Interesse. Ich arbeite seit über fünf Jahren als Clownin Rosalore und seit einem Jahr als künstlerische Begleiterin für Menschen mit Demenz. Sicht Nr. 66 Seite 25 Ganz authentisch im Hier und Jetzt zu sein und die Menschen auf einer emotionalen Ebene ehrlich zu berühren – das ist für mich als Begegnungs-Clownin wichtig. Dieser einzigartige und hochsensible Moment der Begegnung ist geprägt durch eine liebevolle Neugierde und einer emotionalen und humorvollen Offenheit. Ganz absichtslos und ohne ein starres und vorgefertigtes Programm öffne ich über diese Clownsfigur einen Raum für eine interaktive und freie Begegnung voll gegenseitiger Würde und Respekt. Dabei arbeite ich eng mit dem Pflegepersonal und dem betreuenden Dienst zusammen. Der Humortag: Im Rahmen eines eintägigen Humortages in den Einrichtungen oder auch an einem neutralen Ort erarbeiten wir uns auf spielerische Art und Weise die Grundtechniken des Humors. Wir schärfen unsere Sinne und Wahrnehmung und entwickeln an Beispielen aus der Praxis Grundideen einer humorvollen Intervention. Alternativ könnte so ein Tag auch mit einer Clownsvisite von Rosalore in einer Einrichtung beginnen und daran anschließend werden gemeinsam humorvolle Handlungsalternativen in Form eines Brainstormings und spielerischen Übungen erarbeitet. Susanne Bötel, Heußweg 39, 20255 Hamburg, 0175 562390 www.rosalore.de @ [email protected] Die Fachstelle „Zukunft Alter“ Arnsberg plant mit der Clownin Rosalore aus Hamburg im Frühjahr 2016 ein Humortraining für Fach- und Pflegepersonal in Senioreneinrichtungen und Betreungsdiensten, als auch für bürgerschaftlich engagierte Menschen in der Stadt Arnsberg. Nähere Einzelheiten werden in Kürze über die Presse bekanntgegeben. Interessierte wenden sich an die Fachstelle Zukunft Alter, Marita Gerwin, Clemens-AugustStraße 120, 59821 Arnsberg, 02932 201-2207, @ [email protected] Sicht Nr. 66 Seite 26 Die stillen Helfer Waltraud Ypersiel Was wäre unsere Stadt ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer? Immer mal wieder wird in der Presse darüber berichtet. Manchmal sind auch Fotos in der Zeitung und man ist erstaunt, wenn jemand dabei ist, den man kennt, aber nicht damit gerechnet hat, es nicht weiß, dass auch sie oder er Gutes tun und ehrenamtlich helfen. Es gibt sehr viele Menschen, von denen man nichts liest, hört oder sieht. Sie sind einfach da, wo sie gebraucht werden. In der Nachbarschaftshilfe besuchen Menschen Nachbarn im Krankenhaus oder in Alten- und Pflegeheimen. Oft sind sie selbst alt und nicht mehr ganz gesund. Hier nur einige Beispiele: Seit über 30 Jahren gibt es zwei Frauen, die in der Villa Bremer zweimal in der Woche die Tür öffnen, Kaffee kochen und spülen, und somit anderen Frauen die Möglichkeit geben, in gemütlicher Runde Karten zu spielen. Es gibt Frauen, die Zuhause stricken und die Sachen bei der Caritas, beim Roten Kreuz oder der Arnsberger Tafel abgeben. Ohne großes Tam-Tam. Meine Nachbarin sehe ich oft schon morgens mit ihrer Handarbeit am Fenster sitzen. Söckchen, Mützchen und Pullis strickt sie für kleine Kinder. Eine Bekannte strickt Söckchen für Babys und Kleinkinder und gibt diese ab zur Weitergabe an Bedürftige. Eine andere Bekannte strickt tolle Socken für Erwachsene. Sie werden verkauft und das Geld gespendet. Auch hier werden Wolle und die Arbeitszeit zum Geschenk. Ich bin sicher, dass es in fast jedem Haus helfende Hände gibt. Frauen und auch Männer, die ihre Arbeitskraft und Zeit anderen Menschen schenken, ohne dass sie viele Worte darüber verlieren. Und davon gibt es viele. Toll. Sie alle helfen im Stillen. Ihre Namen und Fotos erscheinen nicht in der Öffentlichkeit. Mit diesen Zeilen möchte ich allen Helferinnen und Helfern „Danke“ sagen, ohne Namen zu nennen. Schön dass es euch gibt. Danke! Mensch zu Mensch Ellen Welke Spricht eine Seele ganz leise uns an ist von Mensch zu Mensch eine Sprache entflammt. Spricht unser Herz, bewegt der Verstand wer ist dieser Mensch, wird er mir wohl bekannt? So ist der Verstand, vereint mit Herz der Garant einer Sprache die Manchem verwehrt. Im Erkennen liegt die Kunst, ein wenig Gespür soll es sein, so wird Mensch zu Mensch eine Gemeinsamkeit sein. Sicht Nr. 66 Seite 27 Mit allen Sinnen tüfteln und staunen – Akademie 6 bis 99 in der Phänomenta Lüdenscheid "Was haben eine Ente, ein Schweinchen und ein Glühwürmchen gemeinsam?" Thora Meißner "Was haben eine Ente, ein Schweinchen und ein Glühwürmchen gemeinsam?" Das hat sich auch die Akademie 6 bis 99 gefragt, als sie diese Frage auf dem Flyer der Phänomenta Lüdenscheid lasen. Doch sie wird es nicht verraten, denn selbst erleben ist angesagt ...! Als die wissenshungrigen Gäste am Samstagmorgen in den Bus stiegen, um mit der Akademie 6 bis 99 aus Arnsberg nach Lüdenscheid in die Phänomenta zu fahren, hätten sie niemals gedacht, wie interessant Physik sein kann! Doch an 170 Exponaten konnten Jung und Alt die Eigenschaften von Farben und Licht sowie die Kräfte von Luft und Magneten testen und alles selbst ausprobieren - mit allen Sinnen tüfteln und staunen! Vor allem aber wurden die Gäste selbst Teil einiger Experimente, konnten Blickwinkel neu entdecken und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. So viele Eindrücke, so viele atemberaubende physikalische Highlights - und dann auch noch so viel Spaß beim Lernen! „Hätten wir früher auf diese praktische Art und Weise in der Schule Physik gelernt, wären uns so einige schlechte Noten erspart geblieben“, resümieren einige Gäste auf der Rückfahrt im Bus. In der „Akademie 6 bis 99“ lernen alle Generationen miteinander, nebeneinander und voneinander. Gemeinsam erklimmen sie die „Berge des Wissens“ - mit Spiel, Spaß und Spannung! Nicht die Kreide- und die Tafel-Physik, und auch nicht das Experiment, das der Lehrer vormacht stehen im Mittelpunkt, sondern: sehen, fühlen, riechen, ausprobieren, experimentieren, dabei neugierig werden und sich wie Entdecker fühlen. Genau das sind die Ziele der Akademie 6 bis 99 in Arnsberg. Die Phänomenta in Lüdenscheid ist diesen Ansprüchen mehr als gerecht geworden. Ein Video von Uwe Künkenrenken über den Besuch in der Phänomenta finden Sie hier: www. youtube.com/watch?v=f335Sd1UKXU&feature=p layer_embedded Nr. 66 Seite 28 Sicht Landesweiter Rollatortag am 18. September 2015 Arnsberg macht mit - Seniorenbeirat als Koordinator Edwin Müller „Mobilität im Alter“ sollte eine Normalität sein. Ungefähr zwei Millionen Rollatoren machen heute in Deutschland Senioren mobil und pro Jahr kommen etwa 500.000 neue dazu. Daher wird der sichere und richtige Umgang mit dem Rollator immer wichtiger, denn nur ein technisch einwandfreies und sicher beherrschtes Produkt bringt den Benutzer gefahrlos durch den Alltag und schnell ans Ziel. Auch die Stadt Arnsberg war am 18. September erstmals als eine von rund 30 Städten in NRW mit einer eigenen Veranstaltung auf dem Neheimer Markt dabei. Der Seniorenbeirat Arnsberg fungierte als verantwortlicher Koordinator. Weiter wirkten mit: das Verkehrsunternehmen RLG, ein ortsansässiges Sanitätshaus, eine Neheimer Apotheke, die städtische Fachstelle Zukunft Alter, die ehrenamtlichen Busbegleiter und die Polizei des Hochsauerlandkreises. Eine eifrige Gruppe von Schülerinnen der Ruth-Cohn-Schule backte mit ihren Lehrerinnen leckere Waffeln. Das abwechslungsreiche und informative Programm und ebenso das freundliche Wetter lockte zahlreiche Interessierte auf die Marktplatte. Schon um zehn Uhr war der Andrang groß. Die interessierten Besucher nutzten die Gelegenheit, um die Sicherheit ihres Gefährts in einem Parcours zu testen, die Technik oder die richtige Einstellung der Bremsen oder der Griffe überprüfen zu lassen oder ganz allgemeine Serviceinformationen zum Umgang mit seiner Gehhilfe einzuholen. Beim eigens aufgebauten Rollator-Parcours wurde geübt, wie man Sicht Nr. 66 Seite 29 mit seinem Rollator richtig geht oder bremst, sicher Kurven fährt oder gefahrlos Bordsteine und Schrägen überwindet. Die RLG hatte einen Bus bereit gestellt, wo unter freundlicher Anleitung des Personals der RLG und des ehrenamtlichen Busbegleiterteams des Arnsberger Seniorenbeirates das gefahrlose und sichere Einsteigen an der Bushaltestelle geprobt wurde. „Viele Menschen, die aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht mehr gut zu Fuß sind, erobern sich mit einem Rollator viel Mobilität und Freiheit zurück“, erklärte Olaf Teuber von der RLG. „Nach unserer Erfahrung gibt es aber immer wieder Unsicherheiten, wie man sich mit einer fahrbaren Gehhilfe in Bussen und Bahnen richtig verhält, um heil und gesund ans Ziel zu kommen.“ Marita Gerwin Anschaulich wurde an einem anderen Stand von der „caritas integra“ vorgeführt, welche Hilfsmittel es in der eigenen Wohnung für Rollatornutzer gibt, wie zum Beispiel praktische und preiswert nachzurüstende Vorkehrungen zum automatischen Türöffnen. Auch die medizinischen Gesundheitschecks oder Cholesterin- und Zuckertests der Apotheke wurden intensiv genutzt. Großes Interesse fand auch das Beratungsangebot der Beamten der Kreispolizei zur Verkehrssicherheit und zu Gefahren der Kriminalität im Alter. Der Seniorenbeirat zog ein zufriedenes Fazit und überlegt eine Wiederholung dieser informativen und gut besuchten Veranstaltung im Jahr 2016. Nicht viel reden. Einfach machen! Beim Blick aus meinem Fenster im Bürgerzentrum Bahnhof Arnsberg entdeckte ich auf den beliebten Spielflächen einen verlassenen Kinder-Rollstuhl. Sein "Besitzer" wird gerade mit vereinten Kräften auf das Spielgerät getragen. Gemeinsam bringen die Kinder den blauen Riesen-Reifen in Schwung. Alle "quietschen" vor Vergnügen. Nicht viel reden. Einfach machen. Gelebte Inklusion. Gut so! Machen wir es den Kindern doch einfach mal nach. Einfach machen! Sicht Nr. 66 Seite 30 Strandrollstuhl Gerhard Wiedemann Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist und dennoch ein paar Urlaubstage an der holländischen Nordsee verbringen möchte, der kann den auf dem Foto abgebildeten Rollstuhl mieten. Mit seinen riesigen Reifen fährt dieser Rollstuhl auch durch weichen Sand und seichtes Wasser. Während der gesamten Saison, Sommer wie Winter, kann dieser Rollstuhl gemietet werden. Ein Ausflug am Strand, evtl. die Füße ins Wasser strecken, alles ist möglich. Wer den Rollstuhl mieten möchte kann sich an die auf dem Foto genannte Adresse wenden. Die Telefonvorwahl für Holland ist im übrigen 0031 ... . Egmond aan Zee ist ein kleines nordholländisches Dorf mitten in den Dünen. Direkt am Meer gelegen, ist es ein Paradies für Sonnenanbeter, Spaziergänger und Radfahrer. Wer einmal in den Egmonden gewesen ist, kommt immer wieder. Für Jung und Alt gibt es genug zu tun. Das ehemalige Fischerdorf ist gastfreundlich und behaglich. Schlendern Sie gemütlich an den kleinen Läden und Cafes vorbei zum Leuchtturm und zum Boulevard und beobachten Sie, wie die Sonne im Meer versinkt. Streifen Sie durch den Dünengürtel zu einem der geschützten Sandwege in der Umgebung und suchen Sie den Rückweg. Selbst in der Hochsaison ist die Ruhe und Stille der Dünen nie weit weg. Und zu allen Jahreszeiten finden Sie, was Sie für ein herrliches Wochenende oder für eine ganze Woche voller Entspannung in unserem beschaulichen Dorf brauchen. Egmond aan Zee ist natürlich für seinen überall frei zugänglichen Strand bekannt. Der Sandstrand ist bestimmt einer der schönsten in den Niederlanden und bildet mit dem Dorf ein natürliches Ganzes. Die Luft ist wunderbar sauber und die Sonne scheint häufig. DANKE für den Tipp! Sicht Nr. 66 Seite 31 Konstruktiver Streit der Generationen Jan Menzner Wolfgang Gründinger liefert im Presseclub Zündstoff für den Dialog zwischen Alt und Jung Wahlrecht ab der Geburt, mehr Informatikunterricht statt Latein und Altgriechisch, eine Politik, die nicht nur den Stillstand verwaltet, sondern die Erbsteuer erhöht, um Kitas zu finanzieren und eine junge Generation, die endlich einfordert, was ihr zusteht: Das alles und mehr hat der Soziologe und Demokratieforscher Wolfgang Gründinger in einer Diskussionsrunde im Presseclub gefordert. Der 31-jährige Gastredner macht damit genau das, wofür er laut Vorsitzendem Theo Schlüter eingeladen wurde: provozieren und für Diskussionsstoff sorgen. Dabei gibt es scheinbar nichts auf seiner Agenda, das nicht mit Fakten, Daten und Analysen belegbar wäre. Im Gegenteil. In seinem 20-minütigen Vortrag überschüttet er die Zuhörerinnen und Zuhörer mit Zahlen: Deutschland hat mit durchschnittlich 46,3 Jahren nach Japan die zweitälteste Bevölkerung. In 15 Jahren wird mehr als ein Drittel der Deutschen über 65 sein. Jeder zweite Lehrer in unserem Land ist heute über 50 Jahre alt, jeder dritte Wähler sogar über 60, im Jahr 2030 dürften es sogar 43 Prozent sein. Doch was ist die Quintessenz dieser „Datenflut“? Deutschland wird älter, wo ist das Problem? Gründinger sieht die Zukunft der heutigen jungen Generation bedroht. „Alte Menschen stimmen für die Gegenwart und die Vergangenheit, Junge für die Zukunft“, ist seine Meinung, die er mit einer weiteren Statistik begründet: Bei einer groß angelegten Befragung des Max-Planck-Institutes für demografische Forschung haben sich extreme Unterschiede zwischen den politischen Ansichten der über 65-Jährigen und 20-Jährigen gezeigt. Die Erhöhung des Kindergeldes unterstützt der junge Erwachsene um 85 Prozent wahrscheinlicher als sein älterer Mitbürger, eine Ausweitung der Elternzeit immerhin noch um 50 Prozent. Theo Schlüter provoziert gern – auch seine Altersgenossen. Für die Runde im Presseclub hatte er deshalb Wolfgang Gründinger eingeladen. Doch auch in der Realpolitik sieht Gründinger seine Sorgen bestätigt. „Über Nacht werden zig Milliarden schwere Rentenpakete geschnürt“, sagt er, „aber dann ist kein Geld für Kitas da.“ Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik durch „die Alten“ bestimmt wird, ist für ihn die Verweigerung eines Führerscheintests ab 70 Jahren – und das, obwohl die Altersgruppe etwa drei Mal so viele Unfälle verursache wie der Durchschnittsfahrer. „Die Alten klammern sich an ihr Auto, bis dass der Tod sie scheidet“, lautet sein Urteil. Was Gründinger offensichtlich nervt, ist das andauernde Herunterspielen der Wünsche der Jugend: „Immer heißt es: Jammert doch nicht – es geht euch doch gut.“ Tatsächlich gäben sich zu viele mit einem Dach, Essen und Internet zufrieden, behauptet er. „Die größten Fehler macht man dann, wenn es einem gut geht.“ Dabei sei die Lage gar nicht so gut wie immer behauptet werde. Eine weitere Statistik besagt, dass 2,6 Prozent der Deutschen auf Sozialhilfe angewiesen sind, bei den Kindern diese Zahl jedoch auf 18 Prozent ansteigt. Es sei also wahrscheinlicher, ein armes Kind zu treffen als einen armen Rentner. Daraus leitet Gründinger ab: „Ja, der Jugend gehört die Zukunft, aber alles andere, das Geld, die Firmen und die Politik, gehört den Alten.“ Außerdem bemängelt er die mangelnde Unterstützung zwischen den Generationen, denn er ist der Meinung, Solidarität sei nur noch dynastisch: Es gehe Senioren nur um ihre eigenen Kinder und Enkel. Beim durchaus auch etwas älteren Publikum stößt das Plakative in Gründingers Aussagen manchem auf. Das macht sich auch in der Dis- Nr. 66 Seite 32 kussionsrunde bemerkbar. Besonders viel Kritik erntet der Demokratieforscher für seine Generalisierung der „Alten“ und „Jungen“. Ein Zuhörer merkt an, besonders bei den Älteren sei das Geld sehr unterschiedlich verteilt – und auch zwischen Männern und Frauen. Man könne also nicht allgemein von den reichen Alten und den armen Jungen sprechen, ohne das Bild zu verzerren. Dazu komme, dass „die Grenze zwischen Jung und Alt nicht fest definiert ist“. Ist man schon alt, wenn man in Rente geht, oder doch erst ab 70 oder 80? Auch Gründingers provokante Aussage „Alte protestieren gegen Windräder und Stromleitungen, Junge für den Frieden“ wurde stark angegangen. Sie leitete sich ab aus einer Analyse, die zeigte, dass bei Stuttgart 21-Protesten prozentual gesehen mehr Rentner teilnahmen als bei Anti-Kriegs-Kundgebungen. Für eine Frau ist die Darstellung der älteren Menschen als Blockierer des Fortschritts auch eine persönliche Angelegenheit: „Wir haben früher auch gegen den Krieg protestiert“, sagt sie entschieden mit einem Hauch Empörung in der Stimme. Jetzt vorzuwerfen, die Alten würden sich dafür heute nicht mehr interessieren, sei unfair. Doch es gibt auch Zuspruch für Gründingers Thesen – nicht überraschend kommt dieser von den vergleichsweise jüngeren Zuhörern. Justus Wilhelm vom Presseclub ist ebenfalls der Ansicht, dass die 68er-Generation und die sogenannten Babyboomer Zeit ihres Lebens den politischen und gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland lenken werden – ganz einfach ihrer Anzahl wegen. Er selbst und die jüngere Generation seien „klein geboren worden“ – eine Aussage, die wiederum zu Protesten seitens der älteren Gäste führt. Es sind Gründingers Thesen, die die Diskussion bestimmen, mehr als die Bremer Beispiele für den Dialog der Generationen – das Mehrgenerationenhaus, die Gewitterziegen oder der Verein für Ambulante Versorgungsbrücken. Die Hitzigkeit und Emotionalität, mit der die Debatte geführt wird, lässt keinen Zweifel offen, dass Sicht das Thema „Alt und Jung – wie stehen die Generationen zueinander?“ alle berührt. Gastrednerin Marita Gerwin aus Arnsberg sieht das Gute daran: „Es ist schön, dass wir uns reiben – nur so entsteht Fortschritt.“ Auch Wolfgang Gründinger selbst findet zum Abschluss versöhnlichere Worte: „Wir brauchen die alten Menschen, um etwas zu bewirken. Das geht nur gemeinsam – denn alleine sind wir einfach zu wenig.“ Arnsberg – Ein Modell für Bremen? Eine Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter in Sachen Generationendialog. In dem 75.000-Einwohner-Ort Arnsberg greifen unter der Leitung der Fachstelle „Zukunft Alter“ alle Zahnräder ineinander. Beim Dialog der Generationen im Presseclub stellte Marita Gerwin das Projekt vor. Begonnen hatte alles mit einer Umfrage, die immerhin schon 20 Jahre zurückliegt. Damals wurden 28.000 Arnsbergerinnen und Arnsberger gefragt, wie sie sich ihr Leben im Alter vorstellen. Laut Marita Gerwin von „Zukunft Alter“ sind die Antworten sehr klar gewesen: „Sie wollten im engsten Kontakt zu den Jungen leben. Sie sagten, sie hätten so viel Zeit und Lebensweisheiten weiterzugeben.“ Gleichzeitig seien aber auch Sorgen geäußert worden, im „verletzlichen Alter“ ausgeschlossen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. In Arnsberg führte die Umfrage zu einem radikalen Umdenken, weil die Bürger bereit waren, sich einzubringen. So wurde aus einem reinen Verwaltungsthema plötzlich eine soziale Bewegung. Damals wurde auch Marita Gerwin ins Boot geholt – zusammen mit anderen Quereinsteigern. Die Sozialpädagogin gibt zu, dass auch sie selbst „erst Vorbehalte gegenüber Seniorenkränzchen hatte“. Doch mit Nachmittagskaffee hielten sich die Arnsberger nicht lange auf. Sie versuchten sich auf neuen Wegen – und hatten Erfolg. „Vom Klinikclown bis zum Kleintierzüchter, der mit seinen Hühnern das Altersheim besucht, haben sich alle beteiligt“, erzählt Gerwin. „Man glaubt gar nicht, wie kreativ Menschen sind, wenn man sie einfach mitmachen lässt.“ Sicht Nr. 66 Seite 33 Es sind Kleinigkeiten, die viel bewirken. Vor „Zukunft Alter“ gab es einen Kinderzirkus, der jedes Jahr in den Altersheimen und Krankenhäusern auftrat – nur ein einziger Tag der Begegnung. Heute ist der Zirkus Fantastello, in dem Jugendliche, Seniorinnen und Senioren gemeinsame Nummern einstudieren und zum Beispiel mit Tellern jonglieren, eines der Vorzeigeprojekte der Stadt. „Bei uns werden echte Verbindungen eingegangen“, freut sich die 61-jährige Marita Gerwin. „Nicht in geschützten Räumen, sondern auf der Bühne oder im Einkaufszentrum vor Zuschauern.“ Fantastello ist nur eines von vielen Angeboten, die die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen beenden. Es gibt gemeinsame Workshops, Besuche im Kindergarten und vieles mehr. Gerade einmal 14 Kommunen in ganz Deutschland verfolgten einen vergleichbaren Ansatz, kritisiert Gerwin und findet klare Worte – auch an die Bremer Politik: „Eine Stadt, die heute nicht an diesem Thema arbeitet, hat die Zeichen der Zeit ganz einfach verpennt.“ Mit freundlicher Genehmigung von Jan Menzner und des Weser-Kuriers Bremen Der Kommentar Der Lösungsansatz Kinderwahlrecht Jan Menzner Wolfgang Gründinger sagt, heute brauchen wir die Alten, denn alleine schaffen wir es nicht. Die deutsche Politik richte sich nur nach den Wünschen der alten Hauptwählerschaft und deshalb solle man das Kinderwahlrecht ab Geburt einführen, um für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen. Und genau hier passiert ein Denkfehler. Ja die Alten wählen häufiger – aber wieso? Klar, es gibt rein rechnerisch mehr alte als junge Stimmberechtigte, aber wie sieht es mit der Wahlbeteiligung aus? Bei der letzten Bundestagwahl 2013 lag die bei den unter 30-Jährigen um rund 13 % niedriger als bei denen über 60. Gerade die Generation, um deren Zukunft es geht und die sich unterrepräsentiert fühlt, wählt also seltener. Man muss sich also nicht wundern, dass wir bei solchen Zahlen eine Regierung haben, die sich mit dem Internet so gut auskennt, wie Studenten mit Rentenfonds. Gründingers Anliegen, das Kinderwahlrecht einzuführen, kann aber, wenn überhaupt, nicht der einzige Schritt bleiben. Zur Erklärung: Er fordert, das Mindestalter von 18 auf 14 herabzusetzen, aber auch jüngeren Kindern, die ihren Wahlwillen bekunden, eine Stimmberechtigung zu erteilen. Bevor wir aber Grundschulkinder an die Wahlurnen lassen, in der absurden Hoffnung, sie seien nicht von Eltern oder Lehrern beeinflusst worden, gilt es doch zuallererst, deren politisches Bewusstsein zu fördern und fordern. Geschichte, Politik und Wirtschaft spielen, leider, immer noch eine untergeordnete Rolle in der heutigen Schulbildung. Wer von einem Abiturienten fundierte Meinungen über aktuelle politische Themen erwartet, wird in den meisten Fällen enttäuscht werden. Die Lösung kann also nicht ausschließlich sein, mehr Wähler zu generieren durch ein Herabsetzen des Wahlalters. Junge Erwachsene müssen früher mit politischen Fragen und Problemstellungen in Kontakt kommen, um sich tatsächlich eine eigene Meinung zu bilden, für die sie dann auch bereit sind einzustehen, zu wählen – und wenn es sein muss, auf die Straße zu gehen. Nur so können sie sich, auch ganz ohne „die Alten“, eine eigene Stimme verschaffen. Sicht Nr. 66 Seite 34 Beim Friseur Waltraud Ypersiel Du hast die Haare schön, du hast die Haare schön. Dies Lied kommt mir in den Sinn, wenn ich mich heute, am 21. September 2015, im Spiegel betrachte. Wer hat es noch mal gesungen? Es war eine Frau! Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal beim Friseur war. Es ist sicher schon dreißig Jahre her. Nicht, dass jeder jetzt denkt ich hätte meine Haare wachsen lassen bis zum Po. Nein, auch nicht als Zopf geflochten. Die Zeiten sind vorbei. Ich habe mir selbst regelmäßig die Haare geschnitten. Früher auch die Dauerwellen selbst gemacht oder die Haare gefärbt. Auch das ist vorbei, nur beim schneiden bin ich geblieben. Und das gar nicht mal so schlecht, wie mir immer mal wieder bestätigt wurde. Mein Beruf war es nicht. So hätte ich es auch dieses Mal wieder getan, wenn nicht ein netter Friseur einmal im Jahr (und das schon im vierten Jahr) einen freien Montag der Arnsberger Tafel schenkt, indem er Gutscheine ausgibt und zum waschen, schneiden und föhnen einlädt. Sechzehn Personen werden an diesem Montag von ihm und seiner netten Kollegin verwöhnt. Jedem Kunden schenken sie eine Stunde ihrer freien Zeit. Man nimmt sich viel Zeit um herauszufinden, was der Kunde wünscht und gibt so fremden Menschen, mit wenig Geld, die Chance auf einen guten Haarschnitt. Ich selbst bin total begeistert von meiner Frisur. So natürlich liegen und fallen die Haare. Jetzt kann der Herbst kommen. Stürme machen meiner Frisur nichts aus. Einmal schütteln und jedes Haar liegt da, wo es hingehört. Begeistert hat mich auch der etwas abgedunkelte Raum, gedämpftes Licht und meditative leise Musik, die mich zu einer Waschliege begleiten (noch nie davon gehört). Herrlich entspannt bekommt man liegend, sanft die Haare gewaschen und die Kopfhaut massiert. Meine Augen sind geschlossen. Hoffentlich schlafe ich nicht ein, denke ich. Einfach toll, ich fühle mich gut und werde verwöhnt. Danach der Schnitt, auf Kopfform und Haare abgestimmt. Wieder nimmt man sich sehr viel Zeit. Die leise Musik gibt mir ein behagliches Gefühl, ich fühle mich gut aufgehoben. Der Friseur gehört zu dem Verein F-i-F Forum impulsgebender Friseure e.V. Die Friseure und Friseurinnen arbeiten auf Naturbasis und mit gesundheitlich unbedenklichen Produkten. Sie nennen sich Naturfriseure und zeigen soziales Engagement im gesamten deutschsprachigen Raum. Und so heißt es auf der Einladung: Uns, den Friseuren von F-i-F ist es ein Anliegen, den Menschen behilflich zu sein. Uns liegt die Gesundheit der Menschen, der Mitund Umwelt am Herzen, mit großem Respekt für den jeweils eigenen Weg. Der F i-F Aktionstag ist zu einer festen, sich jährlich wiederholenden, Einrichtung geworden. Er findet immer am dritten Montag im September statt. Alle teilnehmenden Friseure arbeiten an diesem Tag für einen guten Zweck. Wer mehr darüber wissen möchte, web: www.f.i.f.info. Danke, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich für andere einsetzen. Toll. Etwas bange wird mir aber, wenn ich daran denke, wenn ich selbst wieder zur Schere greifen muss. TIPP: über den Link unten, gelangen Sie zu singenden Friseursalons. Viel Spaß. Tim Toupet und der singende Friseursalon "Du hast die Haare schön 2009" https://www.youtube.com/watch?v=fPHFdkeJMxo Sicht Nr. 66 Seite 35 Neuer Energieberater in Arnsberg Verbraucherzentrale NRW Wer sich in Arnsberg künftig zum Thema Energie beraten lässt, wird auf ein neues Gesicht in der Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW treffen: Diplom Ingenieur Carsten Peters ist ab dem 1. September der neue Energieberater für die Stadt und löst somit Dr. Johannes Spruth ab. Im Rahmen einer offiziellen Feier in der Beratungsstelle Arnsberg wurden heute der neue Energieberater vorgestellt und Dr. Spruth auch von Udo Sieverding, Vorstandsmitglied der Verbraucherzentrale und Heike Hirschmann-Graf, Gruppenleiterin Energieberatung offiziell verabschiedet. Dieser war in den letzten 20 Jahren der Energieberater für Arnsberg und hatte sich in dieser Zeit einen Ruf als allseits geschätzter Experte in Sachen Energiesparen verdient. Bis zum Jahresende wird der 65-jährige Spruth seinen neuen Kollegen noch begleiten und danach in den Ruhestand gehen. Bürgermeister Hans-Josef Vogel dankte dem alten und hieß zugleich den neuen Energieexperten willkommen: „Johannes Spruth hat seine Arbeit in den letzten Jahren hervorragend gemacht und sich sehr um den Klimaschutz in Arnsberg verdient gemacht. Wir freuen uns nun aber auch auf die Zusammenarbeit mit Carsten Peters und darauf, die bisherige Erfolgsgeschichte gemeinsam mit ihm fortzuschreiben.“ Energieexperte Carsten Peters freut sich ebenfalls auf seine neue berufliche Herausforderung. „Ich möchte den Arnsbergern mit Rat und Tat in allen Energiefragen zur Seite stehen, ihnen das notwendige Wissen vermitteln und sie mit meiner ganzen Beratungserfahrung unterstützen. Der direkte Kontakt zu den Menschen ist mir dabei besonders wichtig.“ Zuvor war der Diplom-Ingenieur als selbstständiger Energieberater im privaten und gewerblichen Bereich tätig; kennt sich also bestens mit allen Aspekten rund um Haussanierung und Energieeinsparung aus. Außerdem ist er kein Neu- ling bei der Verbraucherzentrale, denn in den letzten drei Jahren hat er dort schon auf Honorarbasis Energieberatungen durchgeführt. Im Laufe des Jahres wird die Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW in Zusammenarbeit mit der Stadt Arnsberg wieder eine Reihe von Aktionen anbieten. In diesem und dem kommenden Monat erfahren die Verbraucher/innen zum Beispiel alles zum Thema Heizkosten senken. Außerdem lernen die Bürger/-innen den neuen Energieberater bei Vorträgen und einer Ausstellung während der Arnsberger Klimaschutzwoche ab dem 18. September kennen. Im Winter bietet die Verbraucherzentrale dann wieder eine Thermografieaktion an. Und auch die Energiestammtische, die sein Vorgänger Dr. Spruth ins Leben gerufen hatte, wird Peters fortführen. Die Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW wird von der Stadt Arnsberg, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union gefördert. Die 90-minütige „Energieberatung bei Ihnen zu Hause“ kostet daher nur 60 Euro und kann telefonisch unter 0180 1115 999 (Festnetzpreis 3,9 ct/min, Mobilfunkpreis max. 42 ct/min) oder im Internet unter www. vz-nrw.de/energieberatung angefragt werden. Die Beratungsstelle Arnsberg in der Burgstraße nimmt natürlich auch Terminanfragen entgegen unter 02932 51097-03 (mo - fr 9 -12 Uhr) oder [email protected]. Die kostenlose telefonische Beratung erreichen Verbraucher/-innen immer montags bis freitags 9-12 Uhr unter 02932 51097-05. Nr. 66 Seite 36 Sicht „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Frau`n ...“ „Das Hirtenbüblein“ (KHM 152) gekürzt von Sigrid Grobe Gedanken zu den Hirten an der Krippe. So wie in jedem Jahr, so habe ich mir auch heute wieder viel Zeit für den Aufbau unserer Weihnachtskrippe genommen. Das ist mir wichtig! Nun mache ich es mir bei Glühwein und Spekulatius gemütlich und rücke die Hirten noch etwas nach hier - etwas nach dorthin. Habe ich sie ins rechte Licht gestellt? Keine Frage - Maria und Josef gebührt der Platz mitten im Stall, Ochs und Esel im Hintergrund. Noch ist nicht Heiliger Abend und noch fehlt das Kind in der Krippe. Es scheint, als würden alle darauf warten. Und alle sind gekommen mit Geschenken für das Kind und seine Eltern - die Hirtin hält einen Krug in ihren Händen, der große Hirte mit dem Hund trägt ein Schaffell im Nacken, die junge Mutter mit dem Kind an der Hand hält eine Obstschale, der alte Mann stützt sich, tief gebeugt, auf seinen Stab, der kleine Gänsehütejunge hat am Wegesrand eine Christrose gepflückt und ein Hirte spielt auf der Flöte. Die Klänge eines selbst geschnitzten Instrumentes, ob Flöte oder Horn, vertreiben die Einsamkeit und rufen seine Tiere herbei. Ob Schafe, Ziegen, Kühe, Schweine oder Gänse, alle vertrauen ihrem guten Hirten. Ich rücke die Figuren noch näher zum Stall und meine Gedanken wandern zu jenem Hirtenvolk in jener Nacht auf dem Feld vor Bethlehem. Gibt es diese Hirten noch? Wohl trifft man sie noch in den Bergen der Mittelmeerländer, es gibt die Senner in den Alpen und die Schäfer in unseren Gegenden und alle stellen den gleichen Berufstand dar. Obgleich sich in den zweitausend Jahren ihre Aufgaben geändert und erleichtert haben, so sind doch ihre besonderen Fähigkeiten erhalten geblieben: das Schützen und Pflegen der ihnen anvertrauten Tiere. Auch die wind- und wetterfeste Bekleidung hat sich nur wenig verändert. Doch jener Hirte, der in der Weihnachtsnacht den Weg zur Krippe fand, ist aus unserer Zeit verschwunden. Er stand nie im Licht. Sein Stand war auf der untersten Stufe, am Rande der Gesellschaft. Er war verachtet und führte ein dürftiges Leben. Aber die Verantwortung für die Tiere gab ihm die besonderen Begabungen: hüten, heilen, helfen. Die Nähe zur Natur verlieh ihm das Wissen um die heilenden Kräuter. Beschützte er nachts seine Herde vor Räubern und Raubtieren, so hatte er auch stets den Lauf der Himmelskörper im Blick. Dadurch gewann er seherische Fähigkeiten. Und so entging ihm nicht das fremde Licht am Sternenhimmel, aus dem in der Heiligen Nacht Engel die frohe Botschaft verkündeten. In seiner Abgeschiedenheit, war er der Auserwählte, der als Erster die Nachricht vom Kommen des Erlösers erfuhr, trotz seines niederen Standes, oder gerade deshalb. Er folgte der Weisung der Engel und machte sich auf den Weg, obwohl er letztendlich nicht wusste, wohin er geführt wurde. Welch ein Vertrauen! Auch, käme doch heute noch einmal der Erlöser, um die Völker aus dem heutigen Wirrwarr zu befreien ... Eine Weihnachtskrippe ohne Hirten und Schafe ist für mich unvorstellbar! Sind es nostalgische Erinnerungen an die Kindheit oder ist es die Sehnsucht nach einer heilen Welt? Ganz gleich, ohne dieses Hirtenvolk würde etwas Bedeutendes fehlen. Denn erst die Hirten verleihen dem Ereignis der Heiligen Nacht die Wahrhaftigkeit. Diese einfachen Menschen sind mir nun sehr nah und sehr vertraut. Ich zünde eine Kerze an und stelle sie so auf, dass die Hirten an der Krippe im wirklichen Licht stehen, so wie es ihm zukommt. Mir wird warm bei den Gedanken an die Bedeutung des Weihnachtsfestes - und das kommt nicht allein vom Glühwein! Wie viele andere Handwerkerberufe, so haben auch die Hirten im Märchen einen hohen Sicht Stellenwert. Sie verkörpern das einfache Volk und sind am Ende der Märchenheld, dem das Königreich zusteht. Davon erzählt die Geschichte der Brüder Grimm. Sie erzählen in ihrer Bildersprache von dem schlauen Hirtenbüblein und dem mächtigen König ... Es war einmal ein bitterarmes Hirtenbüblein, das wegen seiner weisen Antworten berühmt war. Der König des Landes konnte und wollte es nicht glauben, wo er, der mächtige König in seiner Gottlosigkeit glaubte, immer und in allen Dingen Recht zu haben. Er ließ den Buben zu sich kommen: „Kannst du mir auf meine drei Fragen die richtige Antwort geben, so werde ich dich ansehen wie mein eigenes Kind und du sollst in meinem königlichen Schlosse wohnen. Meine erste Frage lautet: Sage mir, wie viele Tropfen Wasser hat das Weltmeer?“ Der Hirtenjunge erkennt den Sinn dieser Frage. Seine Antwort soll dem König sagen, dass es eine göttliche, eine höhere Macht gibt, höher als die des Königs. Und so gibt er zur Antwort: „Herr König, lasst zuerst alle Zuflüsse zum Meer verstopfen, damit kein Tröpflein dazu fließen kann. Dann will ich euch sagen, wie viele Tropfen im Meer sind.“ Sprach der König: „Höre meine zweite Frage Wie viele Sterne stehen am Himmel?“ Nr. 66 Seite 37 Der Hirte antwortet: „Gebt mir einen großen Bogen weißes Papier.“ Dann malte er mit einer Feder so viele feine Punkte darauf, dass sie kaum zu sehen und gar nicht zu zählen waren und dass einem die Augen übergingen, wenn man nur darauf sah. „Herr König, so viele Sterne stehen am Himmel, wie Punkte auf dem Papier – zählt sie nur!“ Doch niemand war dazu imstande. Sprach der König: „Sage mir, wie viele Sekunden hat die Ewigkeit?“ Der Hirtenjunge antwortete: „Herr König, da gibt es einen Diamantberg, der ist eine Stunde in die Höhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe. Dahin kommt alle hundert Jahre ein Vögelchen und wetzt seinen Schnabel daran. Wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei.“ Da ist der mächtige König von dem klaren Verstand des Hirtenbüblein und von seiner Demut so beeindruckt, dass auch er demütig wird. Und er sprach: „Du hast die drei Fragen beantwortet wie ein Weiser. Du sollt fortan in meinem königlichen Schlosse wohnen und ich will dich ansehen wie mein eigenes Kind.“ Der König hat sein Versprechen gehalten und nicht nur das - er hat ihn zu seinem weisen Berater und zu seinem Nachfolger berufen. Nr. 66 Seite 38 Sicht Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt Leipzig 1989 Marita Gerwin Leipzig. Eine moderne und pulsierende Stadt. Jung, dynamisch, aufstrebend. Ein touristisches Ziel für viele Menschen aus aller Welt. Wir denken gleich an Auerbachs Keller, an das Barfußgässchen, an die Thomaner-Sängerknaben, an die "Blechbüchse" oder an das jahrhunderte alte, legendäre Restaurant "Zum Coffee-Baum", in dem schon Johann Sebastian Bach und Johann Wolfgang von Goethe über Gott und die Welt philosophierten. Leipzig, die zweitälteste Universitätsstadt, mit einer bewegten Vergangenheit, die auch unsere deutsche Wiedervereinigung maßgeblich mit eingeleitet hat. Bei unserem Besuch in Leipzig treffen wir Rainer Müller an der Nikolaikirche. Er ist heute Mitte 40. Als Historiker und Zeitzeuge der bewegenden deutsch-deutschen Geschichte, die 1989 mit den Montagsdemonstrationen in Leipzig ihren Höhepunkt fand, begleitet er uns zu den Stätten der friedlichen Revolution. Wir hören seine persönliche Geschichte als 23jähriger, die symbolisch für viele junge Menschen war, die in den Zeiten vor der Wende zum Widerstand in der ehemaligen DDR gehörten. Heute, 26 Jahre später, steht er interessierten Schülern, Studenten und Gästen der Stadt als Zeitzeuge Rede und Antwort. Wir nutzen die Chance und begleiten ihn durch sein Leipzig. Rainer Müller engagiert sich heute im Auftrag der Stiftung "Friedliche Revolution. Wir gehen weiter!". Wir erfahren Dinge, die uns bisher in dieser Offenheit nicht bekannt waren. Woher auch? Hier sein persönlicher Rückblick in seine Biographie in den Zeiten vor der Wende. Rainer Müller durfte als Jugendlicher in der DDR trotz seiner sehr guten schulischen Leistungen kein Abitur Sicht Nr. 66 Seite 39 ablegen, weil er als junger Christ der obligaten Jugendweihe ferngeblieben und wegen seines Kleidungs-Aufnähers "Schwerter zu Pflugscharen" mit Repressionsorganen der SED-Diktatur in Konflikt geraten war. Er absolvierte eine Maurerlehre, fand wegen seiner ablehnenden Haltung zum SED-Staat jedoch nur in kirchlichen Einrichtungen eine Anstellung als Betriebshandwerker. Wegen seiner Wehrpflichtverweigerung bei der NVA erhielt er keine Studienzulassung, obwohl er 1986 die Sonderreifeprüfung für Theologiestudenten an der Leipziger Karl-Marx-Universität bestanden hatte. Im folgenden Jahr begann er am Theologischen Seminar Leipzig zu studieren. Wegen seiner Kritik, die er im Rahmen der Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche am SEDfreundlichen Kirchenkurs übte, wurde er 1988 von dieser kirchlichen Einrichtung exmatrikuliert. Seit 1985 hatte Müller sein oppositionelles Engagement ausgeweitet. Er gab eine SamisdatZeitschrift heraus, engagierte sich in der Initiative Frieden und Menschenrechte, im Arbeitskreis Solidarische Kirche und in der Umweltgruppe Borna. Von 1987 an arbeitete er in der Arbeitsgruppe Menschenrechte um Pfarrer Christoph Wonneberger mit, war einer der Sprecher der unabhängigen Oppositionsgruppe Arbeitskreis Gerechtigkeit und gestaltete die montäglichen Friedensgebete in der Nikolaikirche mit. Nachdem es im Januar 1988 in Ost-Berlin zu Verhaftungen Oppositioneller im Zusammenhang mit der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration gekommen war, gründete er den „Sonnabendkreis“, der sich um die Vernetzung der Oppositionsgruppen in der DDR bemühte und aus dem die überregionale Arbeitsgruppe zur Situation der Menschenrechte in der DDR entstand. Im Vorfeld der Leipziger Luxemburg-LiebknechtDemonstration im Januar 1989 wurde Rainer Müller wegen angeblich geplanter oppositioneller Aktivitäten verhaftet. Mehrfach wurde er bei Demonstrationen festgenommen, mit Aufenthaltsverboten oder Geldstrafen belegt. Die Mariannenstraße 46 im zerfallenden Altbauviertel des Leipziger Ostens, die er gemeinsam mit anderen Oppositionellen bewohnte, wurde rund um die Uhr wahrnehmbar observiert. Als im Sommer 1988 die Kirchenleitung beschloss, einige oppositionelle Gruppen von der Gestaltung der Friedensgebete auszuschließen, verteilte Rainer Müller Tücher mit der Aufschrift „Redeverbot“, die sich einige vor den Mund banden. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Arbeitskreises Gerechtigkeit machten sie künftig den Vorplatz der Nikolaikirche zu ihrem Podium, verlasen Informationen und kündigten Veranstaltungen an. Damit hatte der Protest den kirchlichen Schutzraum verlassen. Zum Abschluss des Sächsischen Kirchentags im Juli 1989 fertigte Müller ein Transparent an, auf dem in chinesischen Schriftzeichen „Demokratie“ geschrieben stand, und führte mit anderen Oppositionellen einen Demonstrationszug in die Leipziger Innenstadt an: gegen das von der SED begrüßte Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking und für demokratische Veränderungen in der DDR. Nr. 66 Seite 40 Sicht Nachdem es bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig im September sowie am 7. und 8. Oktober 1989 auch in anderen DDR-Städten zu brutalen Übergriffen auf festgenommene Demonstranten gekommen war, verfasste Rainer Müller zusammen mit anderen einen Aufruf gegen Gewalt: „Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt! Wir sind ein Volk!“, den sie auf etwa 20.000 Flugblättern in Leipzig verteilten. Es war der Vorabend der entscheidenden Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989, die mit rund 70.000 Teilnehmern erstmals friedlich verlief. Nach der Wende studierte er Geschichte und ist heute als Historiker in Leipzig tätig. Zweieinhalb Stunden laufen wir mit Rainer Müller durch sein Leipzig. Wir beenden unseren historischen Spaziergang in der sog. „Runden Ecke“, in der ehemaligen Bezirksverwaltung für Staatsicherheit, die während der Montagsdemonstration 1989 von Leipziger Bürgern besetzt wurde. „Die seinerzeit von uns gefürchtete „Runde Ecke“ ist heute ein Museum, das uns bei allem Blick in die Zukunft mahnt, die Vergangenheit nicht auszublenden. Bitte betrachtet diese Epoche realistisch, verklärt sie nicht. Diese Zeit gehört zu unserer deutschen Geschichte, wie die Luft zum Atmen“, mahnt uns Rainer Müller zum Abschluss. Er ist ein besonnener Mensch, mit bewegter Vergangenheit, ein lebendes Geschichtsbuch, ein Zeitzeuge. Ich werde ihn sicher niemals wieder vergessen. Er hat uns geradeaus und unverblümt seine authentische Lebensgeschichte erzählt, eingebunden in historische Eckdaten der Wendezeit. Nachdenklich verlassen wir die „Runde Ecke“ und stürzen uns ins moderne Leipzig. Genießen, bummeln, schlendern, shoppen, schlemmen – alles, was zu einer Städtereise dazu gehört. Leipzig ist eine wunderschöne Stadt mit einem ganz besonderen Flair. Wir genießen die Stadt. Quelle: Persönliche Schilderungen des Zeitzeugen Rainer Müller, Historiker und Mitarbeiter in der Stiftung "Friedliche Revolution" in Leipzig. Wer weiter einsteigen möchte in diese Thematik, dem empfehle ich die Dokumentation des mdr-Fernsehen mit dem Titel „Damals 9. Oktober 1989“ unter folgendem Link: http://www.mdr. de/damals/09oktober89/artikel120288.html Kita-Kinder ernteten im Herbst Äpfel … Eigener Bericht Kita Entenhausen Bruchhausen Die Kinder der Kindertagesstätte „Entenhausen“ ernteten im Herbst verschiedene Apfelsorten von Bernhard Klenks Streuobstwiese in Arnsberg-Bruchhausen. Der 78-jährige ehrenamtliche Mitarbeiter der städt. Kita kommt seit 20 Jahren regelmäßig in den Kindergarten, um den angehenden Schulkindern praxisnah die heimische Natur zu erklären. „Vielen Kindern ist heutzutage nicht mehr bewusst wann in unserer Region das Obst reift und geerntet werden kann“, so der ehemalige Biologielehrer. Aus den geernteten Äpfeln bereiteten die Kinder in der Kita Apfelmus, Apfelgelee und leckeren Apfelkuchen. Selbst die Schalen werden getrocknet für Apfeltee genutzt. Sicht Nr. 66 Seite 41 5. Karneval der Generationen unter dem Motto: „Im wilden Westen“ Hildegard Henneke ten, leider inzwischen verstorbenen Hans Rath ins Leben gerufen wurde, wird auch im kommenden Jahr Menschen jeden Alters erfreuen und begeistern. „Der wilde Westen“ kommt am 2. Februar 2016 nach Arnsberg-Bruchhausen in die dortige Schützenhalle. Der Seniorenbeirat, die Fachstelle „Zukunft Alter“ und die drei großen Karnevalsgesellschaften aus Hüsten, Arnsberg und Neheim laden ein zum 5. Karneval der Generationen, der speziell für Senioren und für Menschen mit Demenz veranstaltet wird. Diese in Deutschland einmalige Karnevalsveranstaltung, die 2012 von unserem belieb- Der Seniorenbeirat und weitere ehrenamtliche Helfer kümmern sich - als Cowboys und Indianer verkleidet - um das leibliche Wohl der Gäste; die Karnevalsgesellschaften HÜKAGE aus Hüsten, die KLAKAG aus Arnsberg und BLAU-WEISS-Neheim werden mit ihren Prinzenpaaren, Tänzerinnen und mit Gefolge das Programm auf der Bühne gestalten und zur Musik der „Pauerländer“ kann geschunkelt und getanzt werden. Der Auftritt des Kinderchors der Musikschule Arnsberg erzeugt ganz sicher Tränen der Rührung und Begeisterung. Durch das Programm führt Jo Hafner, bekannt als Arnsberger Stadtführer und Musiker. Bitte T er min vor me r ken! Kommen Sie und spielen Sie mit uns „Cowboy und Indianer“ - wir freuen uns auf viele bunt kostümierte Gäste. Die Veranstaltung beginnt am 2. Februar 2016 um 14:30 Uhr in der Schützenhalle Bruchhausen Krellstraße, und endet um 16:30 Uhr, Einlass ist bereits ab 13:30 Uhr Im Unkostenbeitrag von 6 Euro sind Kaffee und Kuchen enthalten; weitere Getränke werden vor Ort direkt bezahlt; Sie bekommen die Verzehrkarten, die gleichzeitig Eintrittskarten sind, in der Zeit vom 11. bis 28. Januar 2016 in den Arnsberger Stadtbüros. Nr. 66 Seite 42 Sicht Aus „Der Dom“ Nr. 35 mit freundlicher Genehmigung Erzbistum Paderborn 30. August 2015 „In einer demenzfreundlichen Stadt leben alle gern“ Das Alter kann eine Stadt bereichern. Das beweist die Stadt Arnsberg mit großem Erfolg Arnsberg gilt als demenzfreundliche Stadt, die anderen Kommunen einen besseren Umgang mit Menschen mit Demenz vorlebt. Diesen Erfolg ihrer Demenzpolitik verdankt die Stadt dem Engagement ihrer Bürger, vor allem aber den Kommunalpolitikern, die Demenz als Pflichtaufgabe ernst genommen haben. Karl-Martin Flüter Die Situation hat jede Verkäuferin schon mal erlebt. Der ältere Herr kommt zum dritten Mal innerhalb weniger Stunden in den Laden und will schon wieder ein Brot kaufen. Auch Bernadine Genesio, Bäckereifachverkäuferin in der Arnsberger Bäckerei Theodor Greve, kennt diese Kunden und sie erkennt mittlerweile die Kennzeichen einer Demenz. Deshalb reagiert sie in dieser Lage möglicherweise mit einer kleinen Notlüge. nadine Genesio hat ihn ernst genommen und nicht behauptet, er sei vergesslich. Die Bäckereifachverkäuferin selbst ist einem Dilemma entkommen: Entweder hätte sie einem Kunden wider besseres Wissen ein überflüssiges Brot verkaufen müssen oder sie hätte ihn verärgert, weil er sich nicht respektiert fühlte. „Man braucht mehr Geduld im Umgang mit Menschen mit Demenz“, sagt sie. Damit kann Bernadine Genesio leben. Geduld ist ohnehin eine Schlüsselqualifikation, ohne die eine Bäckereifachverkäuferin nicht auskommt. Bernadine Genesio hat gelernt, wie sie mit Menschen umgeht, die an einer Demenz leiden. Eine Fachfrau des Demenz-Servicezentrums in der Region Südwestfalen hat 15 Bäckereifachverkäuferinnen der Bäckerei Greve über die Krankheit Demenz informiert und dabei viele alltagspraktische Tipps weitergegeben. Ausgebildet für den Umgang mit Menschen mit Demenz Claudia Greve (links) und Bernadine Genesio „Das Brot hat doch schon ihre Tochter geholt“, sagt sie – und schon ist allen geholfen. Die Tochter des Kunden, mit der Bernadine Genesio gesprochen hat, ist froh, dass sie nicht noch mehr Brot in der Küche stapeln muss. Der Vater geht zufrieden nach Hause. Ber- Die Veranstaltung trug den Titel: „Rama? Wo ist denn hier die Rama?“, und griff damit die Situation von Menschen mit Demenz auf. Viele Betroffene leben in ihrer häuslichen Umgebung, mit Angehörigen oder sogar alleine. Doch die Selbstständigkeit kann im Alltag an Kleinigkeiten scheitern, etwa weil die Betroffenen vergessen, wo die Margarine im Supermarkt steht, ihre Ratlosigkeit aber nicht zugeben können. Wenn solche Situationen nicht fürsorglich aufgefangen werden, geht es irgendwann einfach nicht mehr. Verkäuferinnen wie Bernadine Genesio, die es gelernt haben, derartige Un- Sicht sicherheiten zu erkennen und damit umzugehen, sind deshalb eine große Hilfe. Wenn Menschen mit Demenz in ihrer sozialen Umgebung so aufgefangen werden, kann der Umzug in ein Heim zeitlich nach hinten verschoben, vielleicht sogar ganz vermieden werden. Claudia Greve, die Chefin von Bernadine Genesio, hatte die Fortbildung des Demenz-Servicezentrums über die Arnsberger „Fachstelle Zukunft Alter“ gebucht. Dort ist eine kleine, zielstrebige Frau seit 2004 mit dem Umbau Arnsbergs in eine altersfreundliche Stadt beschäftigt. Nr. 66 Seite 43 dell interessierte. Danach überschlugen sich die Medien in Lobeshymnen. Arnsberg sei „eine Stadt, in der niemand einsam ist“, titelte die „Welt“ und die Süddeutsche Zeitung schrieb, der Stadt in der nordrhein-westfälischen Hügellandschaft gelinge offensichtlich seit Jahren, was vielerorts große Probleme bereitet: „Sie integriert alte Menschen, wo immer es geht und entwirft immer neue, preisgekrönte Konzepte.“ Was macht Arnsberg anders als andere Städte? Leben Menschen mit Demenz hier tatsächlich besser als anderswo? Eine Einrichtung, die den Unterschied maßgeblich ausmacht, ist die „Fachstelle Zukunft Alter“. Dort haben eine Sozialpädagogin, ein Geograf und eine Pflegeexpertin in den vergangenen Jahren eine Bestandsaufnahme der demografischen Lage in Arnsberg erstellt und dann Vorschläge für eine altersgerechte Infrastruktur erarbeitet. Anders als sonst im politischen Alltag leider oft üblich, verpufften ihre Vorschläge auf dem langen Weg zwischen Ausschüssen und Bürgerbeteiligungen nicht. Sie konnten diese Wirkung entfalten, weil die Fachstelle als Teil einer Zukunftsagentur direkt dem Bürgermeister Hans-Josef Vogel zuarbeitete. Arnsberg ist auf dem Weg zu einer „Stadt des langen Lebens“ meint Marita Gerwin von der Fachstelle „Zukunft Alter“ in der Arnsberger Stadtverwaltung. Die Sozialarbeiterin Marita Gerwin ist Organisatorin eines Netzwerks von Verbänden, Initiativen und einzelnen Bürgern, die ein Ziel haben: „Wir wollen gemeinsam gute lokale Rahmenbedingungen für das aktive, aber auch das unterstützungsbedürftige Alter schaffen“, sagt Marita Gerwin. Das wollen auch andere Städte, aber in Arnsberg scheint das besonders gut gelungen zu sein. So gut, dass im Frühjahr sogar Bundespräsident Joachim Gauck zu Besuch im Sauerland war, weil er sich für das Arnsberger Mo- Der Rat der Stadt Arnsberg machte den Aufbau einer altersgerechten Infrastruktur überdies zu einer städtischen „Pflichtaufgabe“, stellte Geld und Mittel zur Verfügung. Das sei entscheidend gewesen, meint Marita Gerwin heute: „Damit wurde die Ausrichtung auf das Alter zu einer bestimmenden Größe in der Stadtentwicklung.“ Nicht nur schöne Worte machen, sondern die Stadt tatsächlich verändern. Das konnte nur gelingen, wenn möglichst viele Bürger mitmachten. Gleich zu Beginn hatte die Stadt deshalb die Arnsberger zu einer Auftaktveranstaltung eingeladen. 400 Bürger kamen und sie gründeten danach in den 15 Ortsteilen der Stadt Initiativen, entwickelten Ideen, unterstützten Projekte. Sicht Nr. 66 Seite 44 Die Stadt stärkte dieses breite Engagement und förderte gute Ansätze finanziell. Dabei wurde bald deutlich, dass dem Umgang mit Menschen mit Demenz entscheidende Bedeutung zukommt. „Eine demenz-freundliche Stadt ist eine freundliche Stadt, in der alle gerne leben“, sagt Marita Gerwin. Demenzkranke sind nicht auf eine abgeschottete Welt angewiesen, sondern sie brauchen vor allem mehr Aufmerksamkeit und Fürsorge. Ist diese Achtsamkeit gegeben, können Demenzkranke über einen langen Zeitraum in ihrem sozialen Umfeld leben. Außerdem: Nur wenn Demenz im Stadtbild „dazugehört“, wird sie wirklich „normal“. Wichtige Kompetenzen für das Zusammenleben lassen sich nicht unterrichten, sondern müssen im Alltag erfahren werden. Die Stadt rief die „LernWerkstadt Demenz“ ins Leben, setzte damit neue Impulse frei und stellte Unterstützung bereit, wenn diese von Arnsbergern angefragt wurde. So ist auch Claudia Greve auf die Idee gekommen, eine Demenzfortbildung für ihre Mitarbeiterinnen durchzuführen. „Unsere Filialen liegen vor allem im ländlichen Bereich“, sagt sie, „und gerade in den Dörfern kommt es häufiger vor, dass Menschen mit Demenz noch eigene Haushalte führen.“ Wenn sie ihre Backwaren ausliefert, hat Claudia Greve immer einen Blick auf die Passanten am Wegesrand. Es kommt vor, dass jemand dabei ist, der an Demenz leidet. Wenn sie meint, dass der Betroffene vielleicht nicht nach Hause zurückfindet, sagt Claudia Greve den Angehörigen Bescheid. Aufeinander zu achten ist auf dem Dorf leichter möglich, vor allem dann, wenn alle Beteiligten für die Krankheit Demenz sensibilisiert sind und wissen, was zu tun ist. Dank der „Zukunftsstelle Alter“ hat sich dieses Expertenwissen von unten auch im städtischen Arnsberg durchgesetzt. Die Fortbildung für die Mitarbeiterinnen der Bäckerei Greve stieß auf viel Anerkennung. Heute gehört die DemenzQualifizierung in der Arnsberger Berufsschule zum Lehrplan. Viele Geschäfte des Einzelhandels bilden ihre Verkäufer aus; Teams in Arztpraxen, die Mitarbeiter der öffentlichen Verkehrsbetriebe und Taxifahrer lernten, mit Demenzkranken umzugehen. Demenz ist bei vielen Arnsbergern kein tabubesetztes Thema mehr, dem man möglichst aus dem Wege geht. Im Gegenteil, viele einzelne Bürger und Arnsberger Vereine bringen sich ganz bewusst in die „Lern-Werkstadt Demenz“ ein. Der Kneipp-Verein Neheim-Hüsten ist beispielsweise regelmäßig bei den demenzkranken Bewohnern im Altenheim Ernst-Wilm-Haus zu Gast. Die Vorsitzende Eva Wünsche hat zu dem Treffen einen großen Korb Kräuter mitgebraucht. Der Duft erfüllt schnell den Raum. Zusammen mit der Kneipp-Trainerin Svetlana Martjan geht Eva Wünsche von Bewohner zu Bewohner und reibt mit einem feuchten Lappen über den Arm – Kneipp-Anwendungen, die vor allem die Frauen sichtlich genießen. „Anwendung ist Zuwendung“, sagt Eva Wünsche. Sie ist davon überzeugt, dass die Bewohner dank Kneipp weniger Medikamente brauchen. Die Einrichtungsleiterin Brigitte Schüttler freut sich auch deshalb, weil die regelmäßigen Besuche Struktur und Alltag ins Haus bringen. So funktioniert die „Mitmach-Stadt“, die sich Marita Gerwin erträumt. „Es ist gelungen, viele lebendige Netzwerke, Nachbarschaften und Sicht Nr. 66 Seite 45 sorgende Gemeinschaften nach dem Prinzip der geteilten Verantwortung zu entwickeln“, sagt sie. kennung für die geleistete Arbeit ist. Arnsberg erntet jetzt die Früchte seines langjährigen Engagements. Ein weiterer Nebeneffekt ist für die Stadt Arnsberg nicht unerheblich. Dank der erfolgreichen Zukunftsarbeit in Sachen Alter und Demenz hat Arnsberg internationalen Bekanntheitsstatus erlangt. Andere Städte müssen Unsummen für Marketingkampagnen ausgeben, Arnsberg kommt auch dank seiner guten Zukunftsarbeit in die Schlagzeilen. Das beweist nicht nur der Besuch des Bundespräsidenten. Ständig sind Delegationen aus dem In- und Ausland in der Stadt unterwegs. Zuletzt waren japanische Fachleute Ende August zu Gast. Das Interesse an den zukunftsweisenden Ideen und Umsetzungen aus Westfalen ist in Nippon groß. 2014 fand bereits ein deutsch-japanisches Symposium in Arnsberg statt. Marita Gerwin nimmt den Trubel gerne hin, auch weil er eine Form der Aner- Doch darauf kommt es Marita Gerwin nicht an. Wichtiger ist, dass sich Arnsberg auf dem Weg zu einer „Stadt des langen Lebens“ befinde, meint sie. Weil Marita Gerwin überzeugt ist, dass die Stadt diesen Weg tatsächlich eingeschlagen hat, will sie selbst gerne in „ihrer“ Stadt alt werden – sie ist sicher, immer die richtige Unterstützung zu finden: „Ich hätte keine Angst davor, in Arnsberg dement zu sein.“ Bleibender Eindruck! Hanni Borzel Jedes Jahr wurden von unserem Bürgermeister die Angestellten der Stadtverwaltung und der nachgeordneten Einrichtungen in Hildburghausen zu einer kleinen Weihnachtsfeier in den Sitzungssaal des Rathauses eingeladen. Besonders nett und lustig gestalteten sich diese Feiern dadurch, dass jeder etwas an Speisen und Getränken spendete, man wollte ja nicht die Stadtkasse damit belasten. Noch mehr Spaß kam beim „wichteln“ auf - kleine Päckchen packen für eine Kollegin, die nicht wissen durfte, von wem es kam – so konnte man auch die lustigsten Geschenke machen und es gab immer viel zu lachen! Also erhielt ich auch ein nett in viel Seidenpapier verpacktes Geschenk. Beim Auspacken übersah ich allerdings, dass gleich hinter dem Päckchen noch in einem Teelicht ein winziges Flämmchen glimmte - dieses reichte immerhin noch aus, um das leichte Papier in Brand zu setzen! Plötzlich also eine riesige Flamme auf dem Weihnachtstisch und ein noch riesigeres Geschrei der ringsum Sitzenden. Aber noch war ich ja hinreichend reaktionsschnell, mit einer Pappe das Feuer fix ausgeschlagen - keine Gefahr, nicht einmal der Brandmelder hatte es bemerkt und die erschreckten Schreie gingen schnell in Gelächter über. Die Kosten für die angeschwärzte Tischdecke wollte mir der Chef augenzwinkernd vom nächsten Gehalt abziehen. Dieser kleine Vorfall war ja schnell vergessen – so meinte ich jedenfalls. Aber da hatte ich mich ein wenig geirrt. Bei der nächsten Feier hatte ich den ganzen Abend einen Feuerwehrmann an meiner Seite - wenn es auch nur eine Kollegin in Feuerwehruniform war! Und geschenkt bekam ich - wie könnte es anders sein - Eimerchen, Schaufel, Schlauch, und ne Flasche Sekt - also alles was man so zum Löschen braucht! Sicht Nr. 66 Seite 46 Bremer Arnsberg-Fan Theo Schlüter Mensch, wenn das Tante Anni und Onkel Bernhard noch hätten erleben können! Wie hätten sie sich gefreut, dass ich auf meine alten Tage noch ein Arnsberg-Fan geworden bin. Angesichts der tief in das Erinnerungszentrum meines Hirns eingebrannten Vorurteile gegen die Stadt war das keineswegs absehbar. Und es hat ja auch lange genug gedauert - 60 Jahre immerhin. Schuld an meiner plötzlich erwachten Sympathie ist der Bundespräsident. Denn wenn der nicht im Frühjahr 2015 nach Arnsberg gefahren wäre und ich das nicht in der Zeitung gelesen hätte, dann hätte ich auch nie Marita Gerwin kennengelernt. Und dass die einen für Arnsberg begeistern kann, ist für die Leserschaft dieses Magazins sicher nicht erklärungsbedürftig. Weil das wohl recht verworren klingt, besser der Reihe nach und ganz von vorn - und das heißt: Rückblick in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als ich noch ein kleiner Junge in Thülen (heute ein Statdtteil von Brilon) war. In dem landwirtschaftlich geprägten Ort war mein Vater außer dem Pastor der einzige, der eine Schreibmaschine besaß. Was zur Folge hatte, dass unsere große Wohnküche ziemlich oft von Bauern aus der Nachbarschaft bevölkert wurde, für die mein Vater den Schriftverkehr mit Behörden erledigte. Meistens kamen die Bauern - mit einem Schriftstück in der Hand - schon laut schimpfend zur Tür herein. Und fast ausnahmslos schimpften sie auf und über - Arnsberg. Dass Arnsberg einfach nur ein Synonym für die Bezirksregierung war, konnte ich damals - ich war fünf/sechs Jahre alt - natürlich nicht wissen. Und warum die Bauern seinerzeit so viel mit der zu korrespondieren hatten, erfuhr ich auch erst sehr viel später: Es war die Anfangszeit der Flurbereinigung in der Landwirtschaft. Da ging es um den Tausch von Ländereien, um Qualität der Äcker, um Förderung und Entschädigung - kurz: um reichlich Konfliktstoff. Und die zuständige Behörde dafür war die Bezirksregierung in Arnsberg Aber wie gesagt: Als Kind konnte ich das alles selbstverständlich nicht begreifen. Was bei mir hängen blieb, waren die eher griffigen Formulierungen aus dem reichhaltigen Wortschatz der aufgebrachten Bauern: „Die in Arnsberg spinnen doch“ oder „die in Arnsberg haben doch keine Ahnung“ oder „die in Arnsberg sind doch alle Sesselfurzer“ - um nur ein paar eher harmlose Beispiele zu zitieren. Leidtragende dieser meiner kindlichen Prägung waren zu meinem heutigen Bedauern auch meine Tante Anni und Onkel Bernhard. Die lebten nämlich nicht nur in Arnsberg, die schwärmten sogar von Arnsberg. Also - meinte ich - konnte doch mit denen irgendetwas nicht stimmen ... Zeitsprung ins Jahr 2015. Dass mir diese Geschichte heute überhaupt wieder einfällt, liegt - ich erwähnte es schon - maßgeblich an Marita Gerwin. Sie war nämlich - ich vermute, das hat sich in Arnsberg herumgesprochen Gast beim diesjährigen „Dialog der Generationen“ in Bremen und hat uns dabei ein Bild von Arnsberg präsentiert, das so ganz und gar nichts mit einer grauen Beamtenstadt zu tun hat, sondern mit Vielfalt und Farbe. Herzlichen Dank dafür. Und: Tante Anni und Onkel Bernhard, bitte seid mir nicht mehr böse! Sicht Nr. 66 Seite 47 Der Walnussbaum der Deutschen Einheit Rolf Hilje Am 3. Oktober wurde der 25. Jahrestag der Deutschen Einheit gefeiert. Über den Beschluss der Volkskammer der DDR zum Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 des Grundgesetzes stimmten 363 Abgeordneten ab. Davon stimmten 294 für den Beitritt, 62 dagegen und 7 enthielten sich der Stimme. Bereits acht Tage später unterzeichneten in Berlin der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der DDR Staatssekretär Günther Krause den deutsch-deutschen Einigungsvertrag. Nun aber zum Walnussbaum der Deutschen Einheit. Im Rahmen eines Berlinbesuchs 1990 in Ostberlin schenkten uns Freunde zum Abschied einen kleinen Ableger ihres Walnussbaumes. Auf dem Foto ist unschwer zu erkennen, dass sich dieser Walnussbaum auch unter dem rauen klimatischen Bedingungen des Sauerlandes prächtig entwickelt hat und in diesem Jahr besonders gut trägt. Diese Entwicklung wünsche ich mir trotz noch bestehender Probleme und Vorurteile für die Deutsche Einheit, die sich inzwischen nicht prächtig aber doch gut entwickelt hat. Sicher erinnern sich noch viele an die bewegenden Momente und Begegnungen beim Fall der Mauer in Berlin und dem Abbau der Grenzbefestigungen. Mit der Zeit vor und nach der Wiedervereinigung verbinde ich ganz persönliche Erlebnisse und Erinnerungen. Bei allen Vorbehalten sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Rahmen der Wiedervereinigung zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftssysteme zusammen geführt werden mussten. Ab 1968 habe ich mit meiner Familie regelmäßig Verwandten und Freunden in der DDR besucht. Die Walnuss symbolisiert unter anderem, dass erst die harte Schale zerbrochen werden muss, um an den Kern zu gelangen. Im Oktober 1989 waren wir mit einer Aufenthaltsgenehmigung bei Verwandten meiner Frau in Beelitz bei Potsdam. Damals fanden in Leipzig bereits Montagsdemonstrationen statt. Aber auch in anderen Städten der DDR war die Lage unübersichtlich und die Gerüchteküche brodelte. Unfreiwillig wurden wir Zeuge, wie motorisierte Einheiten der Volksarmee und Volkspolizei durch Beelitz in Richtung Leipzig fuhren. Da die Lage bereits sehr angespannt und kritisch war, beendeten wir auf Anraten der Verwandten unseren Besuch und kehrten in die Bundesrepublik zurück. Glücklicher Weise ist die weitere Entwicklung bis zum Fall der Mauer in Berlin am 9. November 1989 unblutig verlaufen. Wie nicht oft in der Geschichte verlief die Revolution friedlich. Jetzt war es endlich möglich, Freunde und Verwandte ohne die Hindernisse von Mauer und Grenzsperren zu besuchen. Sicht Nr. 66 Seite 48 Riga Uwe Künkenrenken Die fünfzigjährige Freundschaft meiner Frau, mit der Russin Swetlana K. war Anlass, Swetlana in ihrem Wohnort Riga zu besuchen (siehe Bericht Seite 8 und 9 ). Sweta, wie sie liebevoll genannt wird, ist Reiseleiterin und somit die beste Voraussetzung für uns, Land und Leute kennen zu lernen. Nach einem eineinhalbstündigem Flug ab Dortmund, mit der ungarischen Wizz Air, landeten wir auf dem 15 Km von Riga entfernten internationalen Flughafen. Von deutschen Kaufleuten im Mittelalter gegründet, liegt Riga im Süden des Rigarischen Meerbusens der Ostsee. Die gut erhaltene historische Altstadt und das Jugendstilviertel sind ganz besondere Sehenswürdigkeiten. Sie spiegeln die Geschichte der alten Hansestädte wieder. Beide stehen seit 1997 unter dem Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes. 2014 war Riga eine der Kulturhauptstädte Europas und ist mit rund 700.000 Einwohnern die Hauptstadt Lettlands. Der Wassergraben der ehemaligen Stadtbefestigung umschließt halbkreisförmig mit wundervollen Parkanlagen wie ein grüner Gürtel, die Altstadt. Überall großflächige Blumenbeete, Wasserspiele, Rosarien und Kinderspielplätze. Nach stundenlangen Wanderungen und Besichtigungen meldet sich schon einmal der Hunger. Ich steure das nächstbeste Restaurant an. Folge dann aber Swetas Rat: In der Altstadt sind die Restaurants primär auf Touristen ausgerichtet und selbst für deutsche Verhältnisse relativ teuer. Also ausserhalb der Altstadt essen gehen. Am besten dort, wo auch die Einheimischen hingehen. Außerhalb der Altstadt ist es sogar günstiger als in Deutschland! Sicht Nr. 66 Seite 49 Rigas romantische Altstadt … ... mit ihren typischen engen Gassen ... … und den Jugendstilhäusern in der Neustadt. Nr. 66 Seite 50 Sicht Weihnachtsbeleuchtung in Arnsberg- Neheim Meinolf Gerwin Sonntag, 1. Advent, 10:00 Uhr In der Reihenhaussiedlung Binnerfeld lässt der Rentner Meinolf G. durch seinen Enkel Michel drei Elektrokerzen auf der Fensterbank ihres Wohnzimmers installieren. Vorweihnachtliche Stimmung breitet sich aus. Die Freude ist groß. 10:14 Uhr Beim Entleeren des Mülleimers beobachtet Nachbar Julius K. die provokante Weihnachtsoffensive im Nebenhaus und kontert umgehend mit der Aufstellung des zehnarmigen dänischen Kerzensets zu je 15 Watt im Küchenfenster. Stunden später erstrahlt die gesamte Siedlung Binnerfeld im besinnlichen Glanz von 134 elektrischen Fensterdekorationen. 19:03 Uhr Im 35 km entfernten Kohlekraftwerk HammRhynern registriert der wachhabende Ingenieur irrtümlich einen Defekt der Strommessgeräte für den Bereich Arnsberg-Neheim, ist aber zunächst noch arglos. 20:17 Uhr Den Eheleuten Willi und Susi H. gelingt der Anschluss einer Kettenschaltung von 96 Halogenfilmleuchten durch sämtliche Bäume ihres Obstgartens an das Drehstromnetz. Teile der heimischen Vogelwelt beginnen verwirrt mit dem Nestbau. 20:56 Uhr Der Discothekenbesitzer Alfons K. sieht sich genötigt, seinerseits einen Teil zur vorweihnachtlichen Stimmung beizutragen, und montiert auf dem Flachdach seines Bungalows das Laserensemble "Metropolis", das zu den leistungsstärksten Europas zählt. Die 40 Meter hohe Fassade eines angrenzenden Getreidesilos hält dem Dauerfeuer der Nikolausprojektion mehrere Minuten stand, bevor sie mit einem hässlichen Geräusch zerbröckelt. 21:30 Uhr Im Trubel einer Julklubfeier im Kohlekraftwerk Hamm-Rhynern verhallt das Alarmsignal aus Generatorhalle 5. 21:50 Uhr Der 85-jährige Kriegsveteran August R. zaubert mit 190 Flakscheinwerfern den Stern von Bethlehem an die tiefhängende Wolkendecke. 22:12 Uhr Eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute mit leichtem Gepäck und sommerlicher Bekleidung irrt verängstigt durch die Siedlung Binnerfeld. Zuvor war eine Boing 747 der Singapur Airlines mit dem Ziel Sydney versehentlich in der mit 3.000 bunten Neonröhren gepflasterten Garagenzufahrt der Bäckerei Bröhrmayer gelandet. 22:37 Uhr Die NASA-Raumsonde Voyager 7 funkt vom Rande der Milchstraße Bilder einer angeblichen Supernova auf der nördlichen Erdhalbkugel. Die Experten in Houston sind ratlos. 22:50 Uhr Ein leichtes Beben erschüttert die Umgebung des Kohlekraftwerkes Hamm-Rhynern. Der gesamte Komplex mit seinen 30 Turbinen läuft mit 350 Megawatt brüllend jenseits der Belastungsgrenze. 23:06 Uhr In der taghell erleuchteten Siedlung Binnerfeld erwacht die Studentin Bettina U. und freut sich irrtümlich über den sonnigen Dezembermorgen. Um genau 23:12 betätigt sie den Schalter ihrer Kaffeemaschine. 23:12 Uhr In die plötzliche Dunkelheit des gesamten Hochsauerlandkreises bricht die Explosion des Kohlekraftwerks Hamm-Rhynern wie Donnerhall. Durch die stockfinsteren Ortschaften irren verstörte Menschen, Menschen wie du und ich, denen eine Kerze auf dem Adventskranz nicht genug war. Sicht Nr. 66 Seite 51 Mein Weihnachten Joyce Meißner Es ist ein Weihnachtstag. Am meisten freue ich mich auf die Geschenke und mit meinen Eltern und Bekannten zu feiern. Und ich freue mich auf das schöne Essen und Trinken. Ich bin aufgeregt, was ich wohl diesmal kriege. Und worauf freut ihr euch? Bestimmt auch auf die Geschenke und zu feiern mit euren Eltern. Ich hoffe, dass Schnee kommt, damit ich Schlitten fahren kann. Frohe Weihnachten Eine besinnliche Adventszeit … Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr 2016 wünschen auch wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser … die Redakteurinnen und Redakteure und alle Mitarbeiter Ihres Arnsberger GenerationenMagazins SICHT Sicht Nr. 66 Seite 52 „... mein Leben ist ein Fest, ein kurzes intensives Fest“ Begegnung mit Paula Modersohn-Becker und Rainer Maria Rilke Marita Gerwin In der Böttcherstraße in Bremen, ehemals eine Fassmacherstraße, heute ein Gesamtkunstwerk der 20er Jahre, begegnen wir der Malerin Paula Modersohn-Becker, die von Rainer Maria Rilke „wortmalerisch“ ins Bild gesetzt wird. Hier steigen wir in den Himmelssaal hinauf und bewundern die beeindruckende Atmosphäre dieses Baudenkmals. treffen sich in Berlin, Worpswede und Paris, für beide sind es Inspirationsorte. Neben zahlreichen Bildnissen entstanden in dieser Zeit impressionistische Studien der Worpsweder Moor- und Birkenlandschaft. Im Mittelpunkt des Werkes von Paula Modersohn-Becker steht jedoch der Mensch: vor allem Kinder, alte Frauen und Worpsweder Bäuerinnen regten sie zu Portraits an. Erst nach ihrem frühen Tod, nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde 1907, wurde ihr umfang reiches Werk gesichtet. Man erkannte in ihr eine große Wegbereiterin der Moderne. Paula Modersohn-Becker: Liegende Mutter mit Kind II, Sommer 1906, Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen Die individuelle Führung durch die Kunst-Ausstellung mit der Bremer Schauspielerin Kirsten Vogel genießen wir. Einzigartig in Szene gesetzt. Einfach toll und unvergessen! Wir tauchen ein in das Leben und die Werke von Paula Modersohn-Becker. 1876 in Dresden geboren, verbrachte Paula Modersohn-Becker einen Großteil ihrer Kindheit in Bremen und entschloss sich bereits in jungen Jahren, Malerin zu werden. Nach der Ausbildung an einer privaten Mal- und Zeichenschule in Berlin setzte sie ihr Studium ab 1898 in der Künstlerkolonie Worpswede bei Fritz Mackensen fort. Paula Modersohn-Becker: Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag Zwischen den Jahren 1900 und 1907 begegnen sich Paula Modersohn-Becker und Rainer Maria Rilke immer wieder unter wechselhaften Voraussetzungen. Die beiden jungen Künstler Das Hauptwerk der Museen Böttcherstraße ist am 25. Mai 1906 entstanden und gilt als erster Selbstakt einer Frau in der Kunstgeschichte überhaupt. Paula Modersohn-Becker stellt sich, selbstbewusst schauend, scheinbar schwanger dar. Tatsächlich aber war sie es zu diesem Zeitpunkt gar nicht. Sicht Nr. 66 Seite 53 Die Bremer Sammlungen Mit der Sammlung des Paula Modersohn-Becker Museums, dem umfangreichen Bestand der Paula Modersohn-Becker-Stiftung und den Beständen der Kunsthalle Bremen bietet Bremen einen unvergleichlich konzentrierten Ort zur Würdigung des Werkes der herausragenden Künstlerin Paula Modersohn-Becker. In ihren Tagebüchern und Briefen findet sich ein reichhaltiger Nachlass ihrer Begegnungen mit dem Freund und Dichter Reiner Maria Rilke. Die Schauspielerin Kirsten Vogel rezitiert sie so phantastisch, dass mir der Atem stockt. Ich tauche tief ein in die Gedichte zu den Bildern. Ich bin sicher: Sie gefallen auch Ihnen! Eine kleine Auswahl der Zitate stelle ich Ihnen gern vor. http://www.museen-boettcherstrasse.de Danke an Kirsten Vogel für diese wunderbare Museumsführung. Gerne wieder! Quelle: Paula Modersohn Becker in Briefen und Tagebüchern. Hg. von Günter Busch und Liselotte v. Reinken. Frankfurt a. M. 1979. Zweite erweiterte Auflage, hg. von Wolfgang Werner, Frankfurt a. M. 2007 Mir ist, als säß ich in der Ewigkeit und meine Seele waget kaum zu atmen, mit enggeschloßnen Flügeln sitzet sie und lauschet großen Auges in das Weltall. Und über mich kommt eine sanfte Milde Und über mich kommt eine große Kraft, Als ob ich weiße Blumenblätter küssen wollte Und neben großen Kriegern große Kämpfe fechten. Und ich erwache, voll Bewunderung schauernd… So klein, du Menschenkind! Und doch so riesengroß Die Wogen, die dir deine Seele küssen. PMB Tagebuch Herbst 1898 Denn Das verstandest du: die vollen Früchte. Die legtest du auf Schalen vor dich hin Und wogst mit Farben ihre Schwere auf. Und so wie Früchte sahst du auch die Fraun und sahst die Kinder so, von innen her getrieben in die Formen ihres Daseins. Und sahst dich selbst zuletzt wie eine Frucht, nahmst dich heraus aus deinen Kleidern, trugst dich vor den Spiegel, ließest dich hinein bis auf dein Schauen; das blieb groß davor und sagte nicht: das bin ich; nein: dies ist. So ohne Neugier war zuletzt dein Schaun und so besitzlos, von so wahrer Armut, daß es dich selbst nicht mehr begehrte: heilig. So will ich dich behalten, wie du dich hinstelltest in den Spiegel, tief hinein und fort von allem. Rainer Maria Rilke aus „ Requiem für eine Freundin“ Es ist ein seltsames Land. Wenn man auf dem kleinen Sandberg von Worpswede steht, kann man es ringsum ausgebreitet sehen, ähnlich jenen Bauerntüchern, die auf dunklem Grund Ecken tief leuchtender Blumen zeigen. Flach liegt es da, fast ohne Falte, und die Wege und Wasserläufe führen weit in den Horizont hinein. Dort beginnt ein Himmel von unbeschreiblicher Veränderlichkeit und Größe. Er spiegelt sich in jedem Blatt. Alle Dinge scheinen sich mit ihm zu beschäftigen; er ist überall. Und überall ist das Meer. Das Meer, das nicht mehr ist, das einmal vor Jahrtausenden hier stieg und fiel und dessen Düne der Sandberg war, auf dem Worpswede liegt. Die Dinge können es nicht vergessen. Das große Rauschen, das die alten Föhren des Berges erfüllt, scheint sein Rauschen zu sein, und der Wind, der breite mächtige Wind, bringt seinen Duft. Das Meer ist die Historie dieses Landes. Es hat kaum eine andere Vergangenheit. Rainer Maria Rilke „Worpswede“ weiter… Einst, als das Meer zurücktrat, da begann es sich zu formen. Pflanzen, die wir nicht kennen, erhoben sich, und es war ein rasches und hastiges Wachsen in dem fetten, faltigen Schlamm. Aber das Meer, als ob es sich nicht trennen könnte, kam immer wieder mit seinen äußersten Wassern in die verlassenen Gebiete und endlich blieben schwarze schwankende Sümpfe zurück, voll von feuchtem Getier und langsam vermodernder Fruchtbarkeit. So lagen die Flächen allein, ganz mit sich beschäftigt, jahrhunderte lang. Das Moor bildete sich. Und endlich begann es sich an einzelnen Stellen zu schließen, leise, wie eine Wunde sich schließt. Sicht Nr. 66 Seite 54 Bilderrätsel SICHT – Ausgabe 66 Das denkmalgeschützte Gebäude das wir suchen, liegt unterhalb des Schlossberges an der alten Straße nach Soest. An dieser Stelle befand sich der Burggraben, der den Zugang zum Schloss nach Norden schützte. Im 18. Jahrhundert wurde der Graben verfüllt. Es handelt sich um einen kleinen Kubus mit hinten abgewalmten Schieferdach. Das Häuschen steht im Schutz einer alten Linde, diese ist Naturdenkmal. Unsere Preisfrage: Wie heißt dieses Gebäude? Einsendeschluss: 13. Januar 2016 Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält zwei Gutscheine vom Nass: „Einen Tag Badespaß“ für je einen Erwachsenen. Lösungen bitte schriftlich an: Stadt Arnsberg, Fachstelle Zukunft Alter / GenerationenMagazin SICHT Clemens-August-Straße 120, 59821 Arnsberg, eines der Stadtbüros, oder mailen Sie unter: [email protected] Bei mehreren richtigen Einsendungen entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Auflösung SICHT – Ausgabe 65 Wir suchten das Burghaus Freseken Ausgelost wurde dieses Mal: Thorsten Aßheuer Herzlichen Glückwunsch zu einem Gutschein vom Nass für „Einen Tag Badespaß“ Lösung: Seite 7 Wer knackt die Nuss? Zitat 1: Was heißt schon für uns Frauen, mit Anstand alt zu werden? Lieber unanständig jung bleiben. Zitat 2: Die Jüngeren rennen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung. Lösungen zu ? bunt gemischt ! 1. Sputnik 2. Olymp 3. Eiffelturm 4. Kanada 5. Hera 6. HCI 7. Hawaii 8. Australien 9. Katzen 10. Sonnenkönig 11. Inkas 12. Islamabad 13. Ganges 14. Ural 15. Ägypten 16. Schlangen 17. Thailand 18. Kleinpapagei 19. Anti-Blockier-System 20. Istanbul Sicht IMPRESSUM: GenerationenMagazin der Stadt Arnsberg Nr. 66 Seite 55 BILDQUELLENNACHWEIS: Sicht Die Beiträge geben die Meinung des Verfassers wieder. Diese muss nicht der des Herausgebers entsprechen. Für Fehler in den Beiträgen ist ausschließlich der Autor verantwortlich. Die Redaktion behält sich vor: Artikel zu kürzen, zu überarbeiten zu drucken und elektronisch zu veröffentlichen. Beachtung der Bildrechte. Verwendung von veröffentlichten Bildern und Texten, nur mit Genehmigung der SICHT-Redaktion bzw. des Autors. Redaktion: Hanni Borzel, Marita Gerwin, Sigrid Grobe, Karola Hilborne-Clarke, Rolf Hilje, Uwe Künkenrenken Martin Polenz, Waltraud Ypersiel Layout: Petra Krutmann, Uwe Künkenrenken Bürgermeisteramt - Pressestelle: Sebastian Treller Herausgeber: Stadt Arnsberg, Der Bürgermeister, Fachstelle „Zukunft Alter“, Clemens-AugustStraße 120, 59821 Arnsberg Email: [email protected] www.arnsberg.de/zukunft-alter/sicht.pdf Titelbild: Stratenschulte Seite 4 / angieconscious_Pixelio.de Seite 5 / Kurt F.Domnik_Pixelio.de Seite 6 / Archuv B. Jochheim Seite 8 / 9 / 41 / 48 / 49 Uwe Künkenrenken Seite 10 / 12 / 20 / 21 / 22 / 23 / 30 / 40 / 46 privat Seite 14 / 15 / H.W. Wienand Seite 24 / 25 / Michael Hagedorn Seite 27 / 51 / 55 Thora Meißner Seite 28 / 54 /Hanni Borzel Seite 29 / 38/ 39 / Marita Gerwin Seite 35 / Verbraucherzentrale Seite 37 / Sigrid Grobe Seite 42 / 43 / 44 / K. M. Flüter Seite 47 / Karl Heinz Laube Pixelio.de Seite 52 / Pauls Moderson Museum Café ZEITLOS - der lokale Treffpunkt für Jung und Alt Wussten Sie, dass das Jugendbegegnungszentrum "Liebfrauen" in Arnsberg jeden Dienstag einen Generationentreff der besonderen Art veranstaltet? INFO: Jeden Dienstag von 15:00 bis 17:00 Uhr Eingang links neben dem Jugendzentrum, Ringlebstraße 12, 59821 Arnsberg 01.12.15 Faltkunst: Frau Böhmer faltet Sterne 08.12.15 Linoleumkunst: Die alte Druckmaschine arbeitet noch 15.12.15 Gemütlicher Nachmittag Frau Niesler begleitet uns mit der Gitarre bei Liedern, Geschichten und Gedichten zum Advent bei Gebäck und Bratapfelduft. Sicht Nr. 66 Seite 56 PINNWAND Ankündigung: „Aschenputtel – das Musical“ gastiert in Arnsberg Von der verhassten Stieftochter zur freudestrahlenden Prinzessin: wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Aschenputtel und das schönste Happy End aller Zeiten! Der deutschlandweit erfolgreiche Musical-Veranstalter Theater Liberi präsentiert den märchenhaften Klassiker fröhlich und dennoch romantisch inszeniert als einmaliges Familien-Erlebnis! Unterhaltung für Jungs und Mädchen ab vier Jahren und für alle, die die Prinzessin oder den Prinzen in sich zumindest für ein paar Stunden einmal wieder zum Leben erwecken wollen! Mittwoch, 23. Dezember 2015, 16:00 Uhr, Sauerland-Theater in Arnsberg Tickets im VVK je nach Kategorie inklusive VVK- und Systemgebühr: Für Erwachsene: 19 / 17 / 14 Euro Für Kinder von 3 bis 14 Jahre: 17 / 15 / 12 Euro Tageskassenpreise zuzüglich 2 Euro. Tickets gibt es an allen bekannten VVK-Stellen: ADAC, Graf-Gottfried-Straße 20, 59755 Arnsberg Stadtbüro Arnsberg, Alter Markt 19, 59821 Arnsberg und Score, Mendenerstraße 2, 59755 Arnsberg-Neheim Sicht 67. Ausgabe Neue erscheint Anfang März 2016 Redaktionsschluss: 13. Januar 2016 SOS Dienst Arnsberger Tafel für pflegende Angehörige Ausgabestelle Neheim Möhnestraße 35 02932 941286 Montag und Freitag: 09:00-12:00 Uhr Dienstag, Mittwoch und Donnerstag: 09:00-11:30 Uhr 14:00-17:00 Uhr Ausgabestelle Arnsberg Ruhrstraße 74 d 02931 936563 Mittwoch: 13:00 bis 16:30 Uhr Ausgabestelle Sundern Hauptstraße 54 02933 9099295 Donnerstag: 13:00 bis 16:30 Uhr Sie brauchen eine kurze Auszeit? Sie haben einen kurzfristigen Arzttermin? Wir helfen ehrenamtlich und kostenlos. Engagementförderung Arnsberg 02931 9638-104 Seniorenbeirat Sprechstunde mit Rentenberatung: Mittwoch, 3. Februar 2016 15.00 - 16.00 Uhr Jeden 2. und 4. Mittwoch im Monat 16:00 bis 18:00 Uhr Bürgerzentrum Bahnhof Arnsberg Clemens-August-Str. 120 59823 Arnsberg mit Rechtsanwalt: Mittwoch, 17. Februar 2016 15.00 - 16.30 Uhr im Bürgerzentrum, Bahnhof Clemens-August-Str. 116, 59821 Arnsberg Seniorenkino Neheim Apollo-Theater Seniorenkino Arnsberg Residenz-Kino-Center 27. Januar 2016 24. Februar 2016 Beginn: 14:30 Uhr Senioren Cafe mit den Arnsberger Stadtmusikanten Villa Bremer 23. Januar 2016 Beginn: 14:30 Uhr Titel entnehmen Sie bitte der Tagespresse. 17. Dezember 2015 14. Januar 2016 18. Februar 2016 Titel entnehmen Sie bitte der Tagespresse. 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr