Was brauchen Kinder?

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Was brauchen Kinder?
Prof. Dr. Cornelia Giebeler FH Bielefeld FB 4
Was brauchen Kinder?
Ein Beitrag von Prof. Dr. Cornelia Giebeler
FH Bielefeld, FB 4
Studiengangsleitung BA Pädagogik der Kindheit
Tagung:
„Unternehmensnahe Kinderbetreuung konkret“
28.11.07
Lessinghaus Bielefeld
Vortrag: Was brauchen Kinder?
Prof. Dr. Cornelia Giebeler FH Bielefeld FB 4
Was brauchen Kinder?
Gliederung
1. Historische Zugänge der Kindheitsforschung zu
Kindheit und KindSein
2. Konstruktionen der Kindheitsforschung
3. Wie schaffen wir Wissen über kleine Menschen
und ihr Lernen?
4. Beispiele von Lernen, Bildung und Erziehung in
der Kita
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Kontexte von Kindheiten
GesellSchaft
und
Lebenswelten
Kleine
Menschen
Kinder
Institutionen
Schulen
Kitas
Pädagogen/
Pädagoginnen
Geschichte der Kindheit
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Historische Wahrnehmungen von
Kindheit
Pieter Bruegel: Die Kinderspiele (1560)
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Historische Kinderbilder als Quelle
zur Erschließung von Kindheit
Historische Alltagsforschung
über Bildmaterial
Kriterium:
häufiger vorkommende
Materialien, Bekleidung, Spiele
Lassen Rückschlüsse auf gesellschaftliche Konstruktionen zu
Anthonis van Dyck: Die Balbi-Kinder (1625-1627)
Ausstellung im Frankfurter Städel über englische
Kinderportraits
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Kindheit ist ein normativer Begriff
Pädagogik ist eine historisch-spezifische Form des
Verhältnisses zu den Nachkommen
Wie wird durch aktuelle Kindheitskonstruktionen
das Erwachsenen-Kind Verhältnis thematisiert?
- nicht- reziprokes Sorgeverhältnis
- Bedürftigkeit von Kindern
Ergebnis: Wenn es um Kindheitskonstruktionen
geht, deutet der historische Bezug auf das
Generationsverhältnis als zentralem Bezugspunkt
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Die Entdeckung des kindlichen Akteurs setzt in
der Generationsbeziehung die nicht-reziproke
Sorgebeziehung zum Kind voraus.
Die Konstruktion von Kindern als handelnde
Subjekte, als Akteure ihres eigenen Lebens
jedoch verlangt kleine Menschen in ihrer
Leiblichkeit, Vielfalt, Eigensinnigkeit zu
akzeptieren und anzuerkennen.
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Kleinstkind
• Entwicklungspsychologische
Forschungsergebnisse
– Der kompetente Säugling (Dornes)
– Aktive Aneignung der Welt (Stern)
• Wahrnehmung
• Sprachentwicklung
• Motorik – Psychomotorik
– Bindungsqualität (Ainsworth)
• Vertrauen: sichere und unsichere Bindung
• Pränatale – postnatale Interaktion
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Kleinstkind
Neurobiologische Forschungsergebnisse
– Forscher in Windeln (Singer, Hüther)
– Gehirnentwicklung durch Interaktion/Aktivierung
emotionaler Zentren
– Rückentwicklung durch überstarke Aktivierung
– Störung/Traumatisierung bewirkt potentiell
psychiatrische bzw. Gehirnstörungen
• Deutungsproblem der Erkenntnisse für pädagogische
Kontexte
• Mangelnde pädagogische Forschungen
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Kleinstkind
Soziologische Forschungsergebnisse
• Transformationsprozesse von Lebenswelten mit
Kindern (Beck, Baumann, Sennett)
– Leitbildentwicklung gelungener Erziehung (du BoisDumont)
• Verhandlungshaushalt
• Befehlshaushalt
– Intergenerative Weitergabe kulturellen Kapitals
(Vincent/Ball/Kemp)
• CARE in der Tradierung von Mittelschichten
• CARE als Bestandteil von Verhandlungshaushalten
• Intensive Bemutterung
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Pädagogisches Verständnis von
Lernen und Bildung
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Kind als Akteur
Bildung von Geburt an
Forscher in Windeln
Kind im Selbstbildungsprozess und im
Selbstgestaltungsprozess von Aktivität und Passivität
Eigenaktives Lernen statt rezeptives Lernen
Motivation und emotionaler Zugang zur Welterkundung
Lernen in Beziehung und Bindung
Eigenaktive Welterkundung
Emotionale Bezogenheit – professionelles „Mothering“
Lebensweltorientierung
Integrativer Zugang zur häuslichen Umwelt
Prioritärer Verstehenszugang zu kulturellen und sozialen
Umwelten von Elternschaft/Mutterschaft
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Was brauchen Kinder?
• Care – Versorgtwerden und sich versorgen
können
• Zugewandtheit
• Bindung und Beziehung
• Sein können ohne Bewertung
• Gute Stimmung zwischen Erwachsenen
• Anregungsreiche Umwelt
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Was brauchen Pädagoginnen und
Pädagogen?
1.Pädagogische Selbstbewusstheit
Wer sich seiner eigenen Kindheit
nicht mehr deutlich erinnert,
ist ein schlechter Erzieher.
Marie v. Ebner-Eschenbach, österr.
Schriftstellerin, 1830-1916
2.Komplexe Verstehens- und
Handlungskompetenz
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Was manchmal vergessen wird…
• Kinder lernen von Kindern
• Die Gruppe als Lernfaktor
• Lernen geschieht durch Erfahrungen sammeln,
durch Taten, durch Erproben, durch eigenaktives
Lernen und dann Vergewisserung in der Gruppe
- nicht durch Selbstläufigkeit und
- nicht durch VERMITTLUNG
Das Trichtermodell wird in der Schule durch
Lehrstoff, in der Kita durch Regeln praktiziert
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Qualität: Kontrolle oder
Unterstützung?
• Kindergarteneinschätzskala (Tietze)
• Qualitätszirkel (Kronsberger Kreis)
• Sensibilisierung für Bildungsprozesse von
Kindern (Laewen/Andres)
• Selbstbildungsprozesse von Kindern im
Mittelpunkt (Schäfer)
• Programmentwicklung (Bildungspläne,
Bildungsvereinbarung)
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Anforderungen an
Qualitätsentwicklung im
Bildungsprozess
• Rahmenvorgaben – Anforderungen durch
Umstrukturierung (TAG, KiBiz,
Bildungsvereinbarung - Bildungspläne)
Qualität bemisst sich an Veränderungspotentialen,
nicht an abstrakten Kriterien (Honig)
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Beispiel Elternkontakt: die
Perspektive einer Erzieherin
„Und dann wirklich Leute die ihr Kind den ganzen Tag
dalassen. Mit zehn Monaten abgeben und um morgens die
ersten und nachmittags die letzten sind und ich dann
wirklich denk, dass ist für manche Kinder nicht gut und
wenn man drüber redet äh auch so keine Einsicht da ist bei
den Eltern könnt ihr es nicht mal nen bisschen eher
abholen oder die ist jetzt überfordert und die sind dann
zum Teil auch krank schwer erkältet und trotzdem den
ganzen Tag da... aber ansonsten hab ich eigentlich so fast
durchweg positive Erfahrungen gemacht so mit Eltern ne‘
es gibt halt immer wieder irgendwelche, wo es schwierig
ist.“(int12) II S.22/ 29-35
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Elternperspektiven und
Öffnungzeiten
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"Bisher ja also ich arbeite ja nur halbtags [...] also wenn ich voll arbeite wird's natürlich
wieder eng ne' das ist dann klar also dann müsst ich frühmorgens anfangen damit ich
dann auch pünktlich bis 5 Uhr abholen dann also wenn man acht Stunden arbeitet dann
muss man ja auch die Pausen mit einberechnen die man selber machen muss" (Intv. 4)
"Betreuungszeit ist völlig o.k. (ach so) die reicht aus die Öffnungszeit reicht nicht aus
[...] wenn ich Mitarbeiterbesprechung habe [...] abends im Anschluss n den normalen
Dienst das heißt also von halb fünf bis abends halb sieben (mh) oder wenn wir ZielBegleitung haben bis halb acht' und da brauch ich immer für Lisa ne andere Betreuung"
[alleinerziehende Mutter] (Intv. 5)
"ich bin aber jetzt dabei mich zu bewerben strebe ne Vollzeitstelle an und da ist das zu
/wenig/ da wird also schwierig das drumrum zu organisieren" (Intv. 7)
"wir arbeiten jetzt bis also 5 und da ich ehm zwar Teilzeit beschäftigt bin aber auch in
ganzen Tagen arbeite ist es für mich halt n bisschen schwierig weil die Kita um halb 5
zu macht [...] für mich könnt es halt ganz gut ne halbe Stunde länger sein" (Intv. 8)
"Das #0 geht #1 ((bisschen gedehnt)) dadurch dass mein Mann selbständig ist und seine
Zeiten frei einteilen kann ansonsten wär's sehr schwierig weil ich in Detmold arbeite ich
hab dann immer noch die Fahrtstrecke nach Detmold und dann käme ich mit meiner
Arbeitszeit nicht mehr hin" (Intv. 10)
"die passen mir nicht weil ich halt weiter weg arbeite [...] wenn ich nur nach meiner
persönlichen Situation gehen würde wär's schöner wenns um sieben Uhr anfangen
würde dann könnt ich persönlich auf mich individuell abgestimmt mein Kind vor vor
meinem Job da hin bringen so bringts die Oma hin" (Intv. 23)
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Der forschende Blick in der Praxis
als Qualitätsmerkmal
Lernen geschieht in Beziehung:
• Beobachtung von Interaktionen zwischen
Kindern, Eltern und Kindern, Pädagogen
und Kindern, Pädagogen und Eltern - intern
und extern
• Reflexive Analyse der Beobachtungen
• Entwicklung von Handlungsoptionen
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Pädagogik der Kindheit
Bachelor of Arts
Bildung von Anfang an…
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Pädagogik der Kindheit
neue Studienprofile im Bolognaprozess
• Verbindung von Elementar- Sozial- und
Primarpädagogik
• Profilbildung in Bewegung/Gestaltung,
Interkulturalität und Entwicklung
• Reflexive Kompetenz
• Beratungs- und Leitungskompetenz
– Internationale Orientierung als Grundlage der
Entwicklung der neuen Studiengänge in der BRD
– Bildungs- und Sprachlabor / Forschungs- und
Entwicklungspraxis als Bestandteil der Ausbildung
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Studienaufbau BA Pädagogik der Kindheit
Basics (1. – 4. Semester)
1 Propädeutik
2 Grundlagen der Pädagogik der Kindheit
3 Grundlagen der kindlichen Entwicklung
4 Kulturwissenschaftliche und
medienpädagogische Zugänge der Pädagogik
der Kindheit: Spiel, Gestaltung, Bewegung
5 Gesellschaftswissenschaftliche Bezüge der
Pädagogik der Kindheit und Grundfragen zur
Gesundheit von Kindern
6 Beratung, Recht und Sozialmanagementbezüge
zur Kindheit
7 Pädagogik der Kindheit - Vertiefung
Praxisphase 1 (1. – 5. Semester)
P1
Praktikum
Praxisphase 2
(Praxisprojekt über 3 Semester)
P 2-I
P 2-II
P 2-III
Praxisprojekt
Profile (5. – 6. Semester – Auswahl)
8
Entwicklung und Entwicklungsförderung in der
Kindheit
9 Spiel, Gestaltung, Bewegung
10 Interkulturelle Lebenswelten
Abschluss
11
Bachelorarbeit und
Kolloquium
Berufspraktisches Jahr mit staatlicher Anerkennung
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Aktuelles:
• Öffentliche Mittagsvorlesung zur Eröffnung des
BA Pädagogik der Kindheit
Di 12.00-13.00 Uhr Raum 207, FH BI KurtSchumacherstr. 6, Geb. D bis 22. 1. 08
• Podiumsdiskussion mit Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft
Di 11.00 -13.00 Uhr am 18. 12. 07 gleicher Raum
• Finissage der Ausstellung Kinderwelten weltweit
Di 13.00 Uhr am 18. 12. 07 Galerie der
Zentralverwaltung gleiches Gebäude
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Kontakt:
[email protected]
Informationen zu dem Studiengang Pädagogik der Kindheit :
http://www.fh-bielefeld.de/fb4
und zu Downloads und Schriften CG: http://www.fhbielefeld.de/article/articleview/2827/1/43?NavCatID=16