Leseprobe

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Inhalt
Bergesgruß
Peter Rosegger 4
!usºug in die Berge
Auf die Berge!
Erich Kästner 6
Ludwig Eichrodt 8
Sonnige Weiden
Einem Berge
Friedrich Schiller 11
Christian Morgenstern 12
Das Hüttchen am Berge
Anna Ritter 15
Sommermorgen im Gebirg
Hermann von Lingg 16
Früh, wenn Tal, Gebirg und Garten
Heidi auf der Blumenwiese
Johann Wolfgang von Goethe 19
Johanna Spyri 20
Der Säntis über dem Bodensee
Sonnenaufgang auf dem Rigi
Annette von Droste-Hülshoff 22
Mark Twain 26
Ich will alleine über die Berge gehn
Der Berggrat
Erich Mühsam 30
Fridolin Hofer 32
Meta Brevoort besteigt das Bietschhorn
Mont Blanc
Lord Byron
Meta Brevoort 35
36
Gertrude Bell auf dem Engelhorn
Gertrude Lowthian Bell 38
Vielleicht, dass ich durch schwere Berge gehe
Gedanken am Fenster
Berg und Tal
Dolomiten
Carl Spitzweg 44
Hugo Salus 46
Heidi erlebt das Alpenglühen
Johanna Spyri 48
Oben am Berg
Max Dauthendey 50
Abend in Lans
Georg Trakl 53
Alphorn
Justinus Kerner 54
Eine sommerliche Mondnacht im Waldland
Eine Nacht in einer Schäferhütte
Wollte heim in meine Berge
Lebt wohl, ihr Berge
2
Rainer Maria Rilke 40
Franz Grillparzer 42
Peter Rosegger 57
Gertrude Lowthian Bell 58
Peter Rosegger 60
Christian Reinhold Köstlin 63
3
AUF DIE BERGE!
Auf die Berge möcht ich wieder,
Auf die sonnenfrohen Höhen,
Wo die schönen Lüfte wehen,
Aus der Stube, aus der Stadt!
Ha, die Brust, voll neuer Lieder,
Steig ich nieder in die Tale,
Sitze wonnig müd zum Mahle,
Das so viel der Freuden hat.
Schau dem Freund ins kühne Auge,
Lache mit dem blauen Himmel,
Mit dem ungetrübten Himmel,
Mit der ganzen heitern Welt.
Fühle wieder, was ich tauge,
So zur Freude, so zum Streite,
Noch zuvor des Unmuts Beute,
Weiß ich heute mich ein Held.
War die Mühe doch vergebens
All der zähen Plagegeister!
Zeig ich ihnen jetzt den Meister
Wohl zum Spott und zum Verdruss!
Freue mich so recht des Lebens,
Allem Guten, Freien, Schönen
Will ich glühen, will ich fröhnen,
Mich erfüllt ein Genius.
Ludwig Eichrodt (1827–1892)
8
9
HEIDI AUF DER BLUMENWIESE
Nun ging es lustig die Alm hinan. Der Wind hatte in
der Nacht das letzte Wölkchen weggeblasen; dunkelblau schaute der Himmel von allen Seiten hernieder,
und mittendrauf stand die leuchtende Sonne und
schimmerte auf die grüne Alp, und alle die blauen und
gelben Blümchen darauf machten ihre Kelche auf und
schauten ihr fröhlich entgegen. Heidi sprang hierhin
und dorthin und jauchzte vor Freude, denn da waren
ganze Trüppchen feiner, roter Himmelsschlüsselchen beieinander, und dort schimmerte es ganz blau
von den schönen Enzianen, und überall lachten und
nickten die zartblätterigen, goldenen Cystusröschen
in der Sonne. Vor Entzücken über all die ºimmernden,
winkenden Blümchen vergaß Heidi sogar die Geißen
und auch den Peter. Es sprang ganze Strecken voran
und dann auf die Seite, denn dort funkelte es rot und
da gelb und lockte Heidi auf alle Seiten. Und überall
brach Heidi ganze Scharen von den Blumen und packte sie in sein Schürzchen ein, denn es wollte sie alle
mit heimnehmen und ins Heu stecken in seiner Schlafkammer, dass es dort werde wie hier draußen (…)
Johanna Spyri (1827–1901), aus: Heidis Lehr- und Wanderjahre, Kap. 4
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ICH WILL ALLEINE
ÜBER DIE BERGE GEHN
Ich will alleine über die Berge gehn,
und keiner soll von meinen Wegen wissen;
denn wer den Pfad zu meinen Höhn gesehn,
hat mich von meinen Höhn herabgerissen.
Ich will alleine über die Berge gehn,
mein Lied soll ungehört am Fels verklingen,
und meine Klage soll im Wind verwehn; –
nur wer dem eignen Herzen singt, kann singen; –
nur wer dem eigenen Herzen klagt, kann klagen;
nur wer das eigne Herz erkennt, kann sehn. –
Hinauf zu mir! Ich will der Welt entsagen,
und will alleine über die Berge gehn.
Erich Mühsam (1878–1934)
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DOLOMITEN
Das ist der feierlichste Augenblick
Des Dolomitentags: die Sonne scheidet
Und, eben noch in Purpurrot gekleidet,
Fällt das Gestein in Urweltsgrau zurück.
Die Felsen starren hart wie das Geschick.
Doch wie ein Antlitz, das die Sonne meidet,
Weil es im Dunkel schon unsäglich leidet,
Auºeuchten kann, verºuchend Leid wie Glück:
So glühn noch einmal plötzlich die bizarren
Felsmassen auf, die steil zum Himmel starren,
Und leuchten in den Abend, grell und rot;
Als wollten diese Riesen all die Gluten
Des Sonnentags aus ihren Herzen bluten
Und in die Nacht versinken kalt und tot …
Hugo Salus (1826–1929)
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OBEN AM BERG
Kein Baum glänzte im Abend mehr, alle Blätter löschten
aus.
Ein paar Stimmen im Feld gingen nebenher, sprachen
vom Wetter und zogen nach Haus.
Oben am Berg, auf einem offenen Acker frisch gepºügt,
Stand ein Leiterwagen und war schwarz an den gelblichen Himmel gefügt.
Drinnen im Wagen, rot wie ein Rostklumpen, die Sonne
als Fracht.
Ein Bauer hat mit der Peitsche laut geschlagen, die
Deichsel hat gekracht,
Zwei Gäule haben angezogen und fuhren die Sonne in
die Nacht.
Max Dauthendey (1867–1918)
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