Sozialreferat

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Sozialreferat
Amt für Soziale Sicherung
S-I-AB 4
Zur Situation der Pflegeberufe/Altenpflegeberufe
und der Möglichkeit Hartz IV-Empfänger in der
Pflege einzusetzen
Antrag Nr. 08-14 / A 01820 von Frau StRin Eva Maria Caim
vom 15.09.2010
Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V 06526
1 Anlage
Beschluss des Sozialausschusses vom 19.05.2011 (SB)
Öffentliche Sitzung
I.
Vortrag der Referentin
Frau Stadträtin Eva Maria Caim hat am 15.09.2010 den als Anlage beigefügten Antrag
(Nr. 08-14 / A 01820) “Zur Situation der Pflegeberufe/Altenpflegeberufe und der
Möglichkeit Hartz-IV-Empfänger in der Pflege einzusetzen” gestellt und gebeten, diesen
gegebenenfalls im Zusammenwirken mit den in Frage kommenden weiteren Referaten
und Ämtern zu behandeln.
Dem termingerecht gestellten Antrag auf Fristverlängerung wurde zugestimmt.
1.
Einschätzung der Ist-Situation
Die Überlegung, den Fachkräftemangel in der Pflege mit Menschen, die sich in der
Langzeitarbeitslosigkeit befinden und/oder Hartz IV-Empfängerinnen und Hartz IVEmpfänger sind, zu lösen, ist nicht neu. Das Sozialreferat hat hier eine sehr klare
Haltung und spricht sich deutlich gegen diese Form der Lösungsfindung aus. Es
schließt sich damit auch den Berufsstandsvertretungen der Pflege wie z.B. dem
Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und dem Deutschen Pflegerat
e.V. (DPR) an.
Mit der Idee, die Personalprobleme in der Pflege durch den Einsatz von Hartz IVEmpfängerinnen bzw. Hartz IV-Empfängern bewältigen zu können, wird nicht
ausreichend anerkannt, welche Anforderungen eine fundierte professionelle
Versorgung pflegebedürftiger Menschen mit sich bringt.
Der Beruf der Pflege ist fachlich und menschlich sehr anspruchsvoll und eine
differenzierte Auswahl der für den Beruf geeigneten Menschen ist deshalb nicht nur
notwendig, sondern für die Qualität auch entscheidend. Es werden Ausbildungswillige gebraucht, die sich für die Arbeit mit den Menschen interessieren, gerne in
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einem sozialen Beruf arbeiten, Fachlichkeit erwerben möchten und sich mit dieser
anspruchsvollen Aufgabe identifizieren.
Die immer noch weit verbreitete Haltung „Pflegen kann jeder“ konterkariert nicht nur
die Leistung und Professionalität der beruflich Pflegenden, sondern zeigt auch, dass
der professionellen Versorgung Pflegebedürftiger ein untergeordneter Stellenwert
zukommt.
Für den Bereich der Qualifizierung in der Pflege gibt es in München verschiedene
Projekte, z.B. das Projekt „KultIQ - Kultursensible Integration und Qualifizierung“1, in
dem langzeitarbeitslose Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit haben,
sich zu einer/einem interkulturellen Pflege- und Betreuungsassistentin/Pflege- und
Betreuungsassistenten für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
Zur Möglichkeit bzw. zu den Erfahrungswerten, Hartz IV-Empfängerinnen und
Hartz IV-Empfänger in der Pflege in München einzusetzen ist festzustellen, dass es
Fördermöglichkeiten im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW)
für den Bereich Pflegeberufe/Altenpflegeberufe gibt. Dazu gehört der sog.
Bildungsgutschein, mit dem bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung
die Übernahme der Weiterbildungskosten und ggf. die Weiterzahlung des
Arbeitslosengeldes II zugesichert wird. Eine Förderung über BAföG kann als
aufzuzahlendes Arbeitslosengeld II nur als Darlehen gewährt werden, wenn eine
Ausnahmeregelung nach Sozialgesetzbuch zweites Buch, Grundsicherung für
Arbeitssuchende (SGB II) nachgewiesen ist.
Während einerseits die Diskussion um die Finanzierbarkeit der Pflege sowie deren
Ausbildung geführt wird, wird andererseits vor dem Hintergrund der bekannten
Nachwuchsproblematik seitens der Bundesregierung noch zu wenig unternommen,
dass die Ausgebildeten anschließend nicht innerhalb weniger Jahre danach aus
dem Beruf aussteigen. Wiedereingliederungsmaßnahmen in Pflegeberufe führten
dazu, dass vier Jahre nach Abschluss der Maßnahme noch 60 % der
Altenpflegerinnen/Altenpfleger in der Altenpflege tätig waren2. Dies ist weder fachlich
nachvollziehbar noch volkswirtschaftlich vertretbar. Zudem werden zeitgleich
Zugangsvoraussetzungen für die Pflegeausbildung wieder herabgesetzt
(Hauptschulabschluss) und Qualitätsanforderungen für die Praxis der Pflege
kontinuierlich erhöht (z.B. Rahmenvereinbarungen zur Pflegeversicherung).
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat zuletzt die
Förderung der Berufsfachschulen für Altenpflege vor dem Hintergrund begrenzter
Haushaltsmittel neu geregelt. Es besteht aktuell insbesondere in Ballungsräumen
mit hohen Kosten eine Unterfinanzierung dieser Berufsfachschulen. In der Folge
1
2
http://www.biwaq.de/cln_016/nn_343982/DE/Projekte/Projekte/303__KultIQ.html
KLEINERT/DIETRICH (2005): Aus-und Weiterbildungen im Pflegebereich. Eine Analyse des Eingliederungsprozesses in
Erwerbstätigkeit. IAB Forschungsbericht Nr. 11/2005
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müssen laut Berufsfachschulen ggf. Auszubildende von ihrer Ausbildungsvergütung
(brutto: 1. Ausbildungsjahr: 820,- Euro, 2. Ausbildungsjahr: 882,- Euro,
3. Ausbildungsjahr: 982,- Euro ) bis zu 100,- Euro monatlich Schulgeld an die
Berufsfachschulen zahlen.
Gleichzeitig wirbt das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung,
Familie und Frauen im Rahmen der Kampagne “Herzwerker” 3 um junge Menschen,
die unter anderem für die Altenpflege gewonnen werden sollen. 2010 wurde dieses
Bündnis für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in der Altenpflege in Bayern
durch Sozialministerin Christine Haderthauer und die Verantwortlichen der
Verbände, der Kostenträger und der Arbeitsagentur ins Leben gerufen. Es sollen
mithilfe dieser Kampagne speziell die Schulabgängerinnen und Schulabgänger aus
den Haupt- und Realschulen für die Ausbildung in der Altenpflege gewonnen
werden.
2.
Darstellung des Jobcenters München zur Einsatzmöglichkeit von
Hartz IV-Empfängerinnen und Hartz IV-Empfängern in der Pflege
Das Jobcenter München legt für die Jahre 2008 - 2010 folgende Zahlen der
erfolgten Qualifizierungen im Bereich Pflegeberufe/Altenpflegeberufe von
Leistungsempfängerinnen und -empfängern für den Bezirk München vor
(Quelle: CoSach):
2008
2009
2010
Altenpflegerinnen und Altenpfleger,
Altenhelferinnen und Altenhelfer
Demenzbetreuung
18
85
82
Kinderpflegerinnen und
Kinderpfleger,
Vorbereitung auf Externenprüfung
21
17
71
Krankenpflegerinnen und
Krankenpfleger,
Krankenhelferinnen und
Krankenhelfer
0
1
53
Gesamt
39
103
206
Nach aktuellen Angaben des Jobcenters verfügen 63,2 % der arbeitslos gemeldeten
Leistungsberechtigten im SGB II über keinen Berufsabschluss. 7.613 bzw. 23,8 %
der Leistungsberechtigten, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, haben kein
Förderprofil. Demografische Entwicklungen führen zu einem steigenden
Fachkräftebedarf in bestimmten Branchen und Regionen. Gleichzeitig tragen
Geringqualifizierte ein erhöhtes Risiko, auch nach erfolgter Integration wieder
3
http://www.herzwerker.de/dachmarke.php
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arbeitslos zu werden. Bereits in den Jahren 2008 - 2010 hat aus diesem Grund eine
verstärkte Förderung/Qualifizierung im Pflegebereich stattgefunden.
Als Fazit ist festzustellen, dass die Beurteilung, ob Auszubildende durch ergänzende
Leistungen aus dem SGB II unterstützt werden können immer eine individuelle
Entscheidung ist. Die Prüfung muss in jedem Einzelfall vorgenommen werden und
kann deshalb nicht generell für eine Ausbildungsrichtung wie z. B.
Pflegeberufe/Altenpflegeberufe zugesichert werden. Das Thema Zweitausbildung
kann sich bei der im Stadtratsantrag vom 15.09.2010 angesprochenen Möglichkeit
durchaus zu einem Problem entwickeln, sofern nicht eine andere Möglichkeit
besteht, Leistungsempfängerinnen und -empfänger die geplante Ausbildung über
einen Bildungsgutschein oder eine andere Finanzierungsart der Arbeitsagentur zu
ermöglichen.
Die Anfrage bei der Arbeitsagentur München hat ergeben, dass hinsichtlich der
beruflich Pflegenden aus Polen keine Zahlen ermittelt werden. Ab diesem Frühjahr
haben auch examinierte polnische Pflegekräfte die Möglichkeit der entsprechenden
Berufsausübung in der Europäischen Union.
3.
Anmerkung und Zusammenfassung
Abschließend ist anzumerken, dass sich die Landeshauptstadt München im Rahmen
ihrer Möglichkeiten bereits für den Zugang der Interessentinnen und Interessenten
zum Altenpflegeberuf aktiv einbringt und die ihr zur Verfügung stehenden
Handlungsspielräume nutzt.
Ebenso wird deutlich, dass der Einfluss begrenzt ist, wenn auf Bundes- oder
Landesebene Entscheidungen getroffen werden, die den Anreiz, diesen Beruf zu
erlernen, negativ beeinflussen bzw. auf Landesebene sogar mit widersprüchlichen
Entscheidungen agiert wird.
Zuletzt hat sich die Münchner Pflegekonferenz unter der Federführung des
Sozialreferats gemeinsam mit den Berufsfachschulen für Altenpflege,
Trägervertretungen und Berufsstandsvertretungen zum Thema
Altenpflegeausbildung und Nachwuchsmangel in der Altenpflege befasst und eine
entsprechende Empfehlung veröffentlicht, die 2010 auch im Landespflegeausschuss
entsprechend eingebracht wurde
(http://www.muenchen.de/Rathaus/soz/sozialesicherung/pflegekonferenz/402965/in
dex.html).
In einer Vorlage zu einem weiteren Stadtratsantrag zum Thema „Was braucht die
Altenpflege um die Versorgung der alten Menschen in der Zukunft zu sichern?“
(Antrag Nr. 08-14 / A 01941 vom 02.11.2010) wird umfassender zu weiteren
Aktionen und Projekten, die durch das Sozialreferat/Amt für Soziale Sicherung
organisiert werden, berichtet werden.
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Anhörung des Bezirksausschusses
In dieser Beratungsangelegenheit ist die Anhörung eines Bezirksausschusses nicht vorgesehen (vgl. Anlage 1 der BA-Satzung).
Dem Korreferenten, Herrn Stadtrat Benker, dem Verwaltungsbeirat, Herrn Stadtrat Dr. Babor, der Stadtkämmerei, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, dem Kreisverwaltungsreferat-FQA/Heimaufsicht, der Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege, der
Gleichstellungsstelle für Frauen, dem Seniorenbeirat und dem Sozialreferat/Stelle für interkulturelle Arbeit ist ein Abdruck der Sitzungsvorlage zugeleitet worden.
II.
Antrag der Referentin
1. Das Sozialreferat wird beauftragt, sich weiterhin gemeinsam mit den entsprechenden
Referaten für die Weiterentwicklung des Berufes Pflege aktiv einzubringen.
2. Der Antrag Nr. 08-14 / A 01820 von Frau Stadträtin Eva Maria Caim vom 15.09.2010
ist geschäftsordnungsgemäß behandelt.
3. Dieser Beschluss unterliegt nicht der Beschlussvollzugskontrolle.
III. Beschluss
nach Antrag.
Der Stadtrat der Landeshauptstadt München
Die Vorsitzende
Die Referentin
Christine Strobl
Bürgermeisterin
Brigitte Meier
Berufsm. Stadträtin
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IV. Abdruck von I. mit III.
über den Stenographischen Sitzungsdienst
an das Direktorium – Dokumentationsstelle
an die Stadtkämmerei
an das Revisionsamt
z.K.
V. Wv. Sozialreferat
1. Die Übereinstimmung vorstehenden Abdrucks mit der beglaubigten Zweitschrift wird
bestätigt.
2. An das Sozialreferat, S-III-M
An das Sozialreferat, S-I-WH/B
An das Referat für Gesundheit und Umwelt/ RGU-GVP-KVP
An das Kreisverwaltungsreferat, KVR I/24
An den Seniorenbeirat
An die Gleichstellungsstelle für Frauen
An die Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege
z.K.
Am
I.A.