Schokolade vom Glatzenmann

Transcription

Schokolade vom Glatzenmann
MAX BRENNER
Schokolade vom Glatzenmann
Mit seiner Restaurantkette expandiert Max Brenner weltweit
08.02.2007- von Ralf Balke
von Ralf Balke
Wer Max Brenners Chocolate Bar am
Union Square in Manhattan betritt, fühlt sich wie am Filmset für den Blockbuster „Charlie und
die Schokoladenfabrik“. Pizza, Fondue und unzählige Getränkevariationen, hergestellt aus einem
Stoff, der süchtig macht und trotzdem legal ist. Im Sommer 2006 eröffnet, brummt der Laden
schon gewaltig. Auf über 450 Quadratmetern findet der Schokoholiker alles, was das Herz
begehrt. Sechs Millionen Dollar sollen hier jährlich umgesetzt werden. Und nur wenige Wochen
später eröffnete an der Lower East Side in New York die zweite, wenn auch nur halb so große
US-Dependance des Schokoladenimperiums. In diesem Frühjahr soll noch eine dritte in Las
Vegas hinzukommen.
„Jeder, der den Laden betritt, fragt, warum nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen
ist“, sagt Oded Brenner. Das Konzept des achtunddreißigjährigen Chocolatiers mit dem rasierten
Schädel ist schnell erklärt: „Bei Schokolade geht es um mehr als nur guten Geschmack und
Qualität, nämlich um die Emotionen, die mit dem Produkt verbunden sind.“ Brenner versteht
sich deshalb nicht einfach als Küchenchef, der ein paar neue Rezepte kreiert hat, sondern als
Botschafter einer neuen „Schokoladenkultur“. Der Konsum soll als sinnliches Erlebnis zelebriert
werden. Beispielhaft dafür ist „Suckao“, ein ganz besonderer Schokodrink im Angebot von Max
Brenner, dessen Name sich vom englischen „to suck cacao“ („Kakao schlürfen“) herleitet. Dabei
werden in einer Metalltasse Sahne, Gewürze und verschiedene Schokoladensorten
eingeschmolzen, die der Gast dann mit einem Strohhalm zu sich nimmt. „Das ganze hat etwas
von einem Ritual“, erklärte Brenner dem Fachblatt Nation’s Restaurant News. „Die Kerze und
wie alles schmilzt – das hat schon einen sehr romantischen Touch.“
Die USA sind nicht der einzige Auslandsmarkt für die kalorienreiche Romantik aus dem Hause
Brenner, aber der jüngste. Bereits seit einigen Jahren ist die Firma mit nunmehr elf Filialen in
Australien präsent, sowie mit jeweils einer weiteren auf den Philippinen und in Singapur. In Israel
sind es fünf Schokoladenrestaurants, die um Kundschaft buhlen. Pläne für eine Expansion nach
© Jüdische Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur und Jüdisches Leben
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/3476
Seite (1/3)
Europa gibt es derzeit keine.
Dabei wollte Oded Brenner eigentlich Schriftsteller werden. Aber irgendwie musste er nach dem
Militärdienst seinen Lebensunterhalt verdienen. Und als Brenner hörte, dass das israelische
Arbeitsamt Teilnehmern von Berufsausbildungskursen auch im Ausland finanziell unter die Arme
greift, beschloss er, Konditor zu lernen. Nach Stationen in Landeck in Österreich, Düsseldorf und
Paris kehrte er 1995 als erster Chocolatier des Landes nach Israel zurück, wo er sich mit seinem
Kumpel Max Fichtman und zwanzigtausend Dollar Startkapital selbstständig machte, um eine
kleine „Schokoladenboutique“ zu eröffnen. Aus den Tagen dieser Geschäftsbeziehung stammt die
Firmenbezeichnung Max Brenner, ein Kompositum beider Namen. Bald gehörten ihnen
zehn Läden. Doch 1999 stieg Max Fichtman aus und verkaufte seine Anteile an den israelischen
Unternehmer Boaz Sheinfeld, der seine Geschäfte überwiegend in den USA betreibt. Bei dem
Versuch, die „Schokoladenboutiquen“ auch dort populär zu machen, erlebten Sheinfeld und
Brenner jedoch eine Bauchlandung.
Rettung kam schließlich aus Australien und vom israelischen Lebensmittelkonzern Strauss-Elite.
Tom Haikin, ein Unternehmer aus Sydney, schlug Brenner vor, ein Schokorestaurant auf dem
Fünften Kontinent zu eröffnen. Die Idee für den Markenauftritt „Max Brenner – Chocolate by the
Bald Man“ („Schokolade vom Glatzenmann“) und das Konzept, Schokoladengenuss als Event zu
inszenieren, waren damit geboren. Und Strauss-Elite kaufte die Anteile an Max Brenner, die sich
im Besitz Sheinfelds befanden, zum Schnäppchenpreis auf.
Für Strauss-Elite war die Übernahme von Max Brenner Teil einer Expansionsstrategie. In
Osteuropa und Brasilien ist das Unternehmen bereits zu einem Marktführer in Sachen Röstkaffee
aufgestiegen, und in den USA konnte man mit der Fertigsalatmarke „Sabra“ großen Erfolg
verbuchen. Wie wichtig diese Auslandsmärkte für den israelischen Lebensmittelgiganten
mittlerweile sind, belegen die Zahlen. Rund vierzig Prozent des in den ersten drei Quartalen 2006
erreichten Umsatzes von rund 3,844 Milliarden Schekel (ca. 890 Millionen Dollar) werden
mittlerweile außerhalb Israels erwirtschaftet. Und mit Premium-Schokolade soll das
internationale Geschäft weiter ausgebaut werden. Geht das Konzept auf, so sollen in den
kommenden Jahren nach einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Forbes dreihundert weitere
Schokoladenrestaurants in den USA entstehen.
Mit dem Einstieg von Strauss-Elite wurde Oded Brenner nicht nur Partner des Unternehmens,
zugleich mutierte er mit seiner Person ähnlich wie Colonel Sanders bei der Hähnchenbratereikette
Kentucky Fried Chicken zum lebenden Logo der Schokoladenrestaurants. Gerne lässt er sich auf
Pressefotos mit schokoladeverschmiertem Mund ablichten oder erklärt in Videos, dass sein
Verhältnis zu Schokolade einer Lovestory gleicht. Als viel beschäftigter Chocolatier pendelt er
© Jüdische Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur und Jüdisches Leben
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/3476
Seite (2/3)
zwischen seinen beiden Wohnungen in Tel Aviv und New York hin und her, um neue Rezepte
werbewirksam zu präsentieren. Alles mit großem Erfolg. Nur mit der Schriftstellerei will es
irgendwie nicht richtig klappen. Sehr zu Brenners eigenem Bedauern liegt sein Roman immer
noch unvollendet in der Schublade.
© Jüdische Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur und Jüdisches Leben
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/3476
Seite (3/3)