AVES Pfannenstil

Transcription

AVES Pfannenstil
AVES Pfannenstil
Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz (AVES)
Regionalgruppe Pfannenstil
Postfach • CH - 8636 Wald • Postkonto 80-10120-3
BULLETIN Nr. 49
April 2004
Wasserstoff: Energie der Zukunft?
Im Zusammenhang mit den schwindenden Reserven fossiler Brennstoffe wird oft Wasserstoff
als möglicher neuer Energieträger genannt. Was sind die Möglichkeiten und Probleme einer auf
Wasserstoff basierenden Energiewirtschaft?
Dieser Aufsatz gibt einen knappen Überblick über die vielschichtige, weitverzweigte und zum
Teil umstrittene Problematik einer auf Wasserstoff basierenden Energiewirtschaft. Viele Aspekte werden nur gestreift und andere gar nicht berücksichtigt (z.B. Kostenfragen). Es wird vor
allem der Einsatz von Wasserstoff für Fahrzeug-Antriebe betrachtet.
Eigenschaften
Wasserstoff, ein chemisches Element, ist ein farbloses und geruch- und geschmackloses ungiftiges Gas1), das 14 mal leichter ist als Luft2). Wasserstoff ist das leichteste aller Elemente.
Die Atome des „gewöhnlichen“ oder „leichten“ Wasserstoffs (1H) bestehen aus einem Proton
und einem Elektron. Der Atomkern des gewöhnlichen Wasserstoffs ist also einfach ein Proton.
Hingegen bestehen die Atomkerne des „schweren Wasserstoffs“, des Deuteriums (2H = D), aus
einem Proton und einem Neutron und die Kerne der Atome des Tritiums (3H = T) setzen sich
aus einem Proton und zwei Neutronen zusammen. Die natürliche Häufigkeit des Deuteriums
beträgt lediglich 0,015 Prozent. Tritium ist radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwertszeit von
12,3 Jahren in Helium (3He). Bei Temperaturen unter 2000 K 3) ist über 99,9 Prozent des Wasserstoffs zweiatomig, d.h. je zwei Atome sind zu einem Wasserstoffmolekül gebunden.
Wasserstoff ist bei gewöhnlicher Temperatur chemisch stabil, aber in Luft, Sauerstoff und in
Chlorgas leicht brennbar. Im Falle eines Brandes ist Wasserstoff insofern etwas heimtückisch,
als eine Wasserstoff-Flamme bei Tag praktisch unsichtbar ist. Das Leuchten der Flammen von
brennenden Kohlenwasserstoffen wird verursacht durch das Glühen der noch unverbrannten
Kohlenstoffpartikel. Da eine reine Wasserstoff-Flamme keine Festpartikel enthält, die glühen
könnten, gibt sie praktisch keine sichtbare Strahlung ab.
1
Wasserstoff ist gasförmig bei Temperaturen über 33,3 K (-239,9 °C) und beliebigen Drücken oder bei
normalem Atmosphärendruck (1,013 bar) und Temperaturen über 20,3 K (- 252,9 °C). K = Kelvin, siehe
Fussnote 3.
2
3
Dichte von Luft bei 1013 hPa und 0 °C:
1,29 kg/m
3
Dichte von Wasserstoff bei 1013 hPa und 0 °C: 0,0899 kg/m
1 hPa = 100 Pa = 1 mbar = 0,001 bar. Pa = Pascal.
3
Absolute Temperaturen werden in Kelvin (K) angegeben. Die absolute Temperaturskala hat den Nullpunkt bei – 273,15 °C. Diese Temperatur ist die tiefste Temperatur, die es gibt. Sie kann nie ganz erreicht, geschweige denn unterschritten werden. Die Skaleneinheit ist für Grad Celsius und Kelvin (nicht
Grad Kelvin!) die gleiche, d.h. Temperaturdifferenzen haben den gleichen Wert, ob sie nun in Grad Celsius oder in Kelvin angegeben werden, nur der Nullpunkt der beiden Temperaturskalen ist verschieden.
0 °C ist gleich 273,15 K.
2
Vorkommen
Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum. Rund 92 Prozent aller Atome sind Wasserstoffatome. Die Sterne, die interstellare Materie4) und auch die grossen, jupiterähnlichen
Planeten bestehen überwiegend aus Wasserstoff. Das nächsthäufigste Element ist Helium mit
etwa 7,8 Prozent; alle anderen, schwereren Elemente ergeben zusammen nur den Bruchteil
eines Prozents5).
Auch auf der Erde ist Wasserstoff ein häufiges Element. Ein Liter Wasser enthält 112 Gramm
Wasserstoff, da ein Wassermolekül aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff
besteht, was durch die wohlbekannte chemische Formel H2O ausgedrückt wird. Auch Kohlenwasserstoffe (wie z.B. Erdöl) enthalten (wie ja der Name schon sagt) Wasserstoff. Trotzdem ist
in der Erdkruste (bis 16 km Tiefe) Wasserstoff mit 15,4 Atomprozent nur das dritthäufigste
Element. Massenmässig ist er mit 0,9 Massenprozent sogar nur das neunthäufigste Element6.
Substitution fossiler Brennstoffe
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die globalen Erdölvorräte in wenigen Jahrzehnten zu Ende gehen werden. Meist weniger bekannt ist, wie sehr diese Prognosen immer wieder
korrigiert werden mussten. 1944 wurden die Weltreserven an Erdöl auf 10 Jahre geschätzt,
1950 wurde die Schätzung auf 20 Jahre korrigiert und 1990 lag sie bei über 40 Jahren – und
das, obwohl der Verbrauch in dieser Zeit ständig stark zunahm. Noch stärker nahmen aber die
bekannten Reserven zu, da ständig neue Erdöllagerstätten erschlossen wurden.
Trotzdem sind natürlich die Reserven endlich und werden irgendwann knapp werden. Ob das
nun in 40, 60, 100 oder gar 200 Jahren eintritt, ist eigentlich unwichtig. Wesentlich ist, dass
irgendwann Erdöl als Energiequelle ersetzt werden muss durch einen anderen Energieträger.
Der kritische Zeitpunkt ist nicht erst dann, wenn die Reserven zu Ende gehen, sondern bereits
dann, wenn die Produktion mit dem Verbrauch nicht mehr Schritt halten kann. Von da an wäre
der Verbrauch grösser als die Produktion, was offensichtlich sofort zu grossen Problemen führen würde. Die Kohle-Reserven würden zwar noch weitaus länger reichen als die Öl- und GasReserven, aber das Verbrennen aller Kohle-Reserven kommt wegen der Kohlendioxid-Emission nicht in Frage.
Die Substitution sollte ohnehin erfolgen, bevor Erdöl und Erdgas wirklich knapp werden. Zum
Verbrennen sind Erdöl und Erdgas nämlich viel zu schade, da sie wichtige chemische Ausgangsstoffe sind für zahllose Produkte wie Schmiermittel (ohne die keine Maschine lange laufen würde!), Arzneimittel, Düngemittel, Lösungsmittel, Waschmittel, Kunststoffe, Faserrohstoffe, Schaumstoffe, Klebstoffe, Farben, Lacke, usw.
Wasserstoff: Keine Primärenergiequelle, sondern ein Energieträger
Als möglicher Ersatzstoff für das Erdöl wird meist Wasserstoff genannt. Dabei wird aber nicht
immer beachtet, dass – im Gegensatz zum Öl – Wasserstoff keine Primärenergiequelle ist. Da
auf der Erde Wasserstoff fast nur in chemisch gebundener Form vorkommt (Wasser, Erdöl,
Kohle, Organismen, einige Mineralien), muss er erst unter Energieaufwand gewonnen werden.
Bei der Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser muss sogar etwas mehr
Energie aufgewendet werden, als nachher beim Verbrennen des Wasserstoffs gewonnen wird,
da thermodynamische und chemische Prozesse stets einen Wirkungsgrad haben, der kleiner
ist als 100 Prozent.
4
Von der immer noch rätselhaften „dunklen Materie“ abgesehen!
Bei Häufigkeitsangaben ist darauf zu achten, ob sie sich auf Atomzahlen oder auf Massenanteile beziehen. Die oft zitierten Werte „73 % Wasserstoff und 25 % Helium“ bedeuten Massenprozente.
6
Massenmässig die häufigsten Elemente in der Erdkruste sind Sauerstoff (47 %) und Silizium (28 %).
5
3
Herstellung
Im Laboratorium und im Demonstrationsversuch
§
Metalle (ausser Kupfer und Edelmetallen) in verdünnten Säuren produzieren Wasserstoff.
§
Aluminium erzeugt auch in verdünnten Laugen Wasserstoff.
§
Alkalimetalle (z.B. Natrium und Kalium) und einige Erdalkalimetalle (z.B. Kalzium) reagieren mit Wasser und setzen Wasserstoff frei.
§
Heisser Wasserdampf reagiert auch mit Magnesium, Zink und Eisen und liefert Wasserstoff.
§
Reines Wasser leitet den elektrischen Strom nur schwach, durch Zusatz von Säure oder
Lauge wird jedoch seine Leitfähigkeit stark erhöht. Beim Stromdurchgang bildet sich an
der negativen Elektrode (Kathode) Wasserstoff und an der positiven Elektrode (Anode)
Sauerstoff.
Technische Herstellung
§
Dampfreformierung. Das zur Zeit am häufigsten eingesetzte Herstellungsverfahren ist die
Dampfreformierung. Dabei reagiert Erdgas oder Erdöl mit Wasserdampf bei hohen Temperaturen (mindestens 800 °C) und Drücken (etwa 25 bar). Es entsteht Wasserstoff und
Kohlenmonoxid. In nachgeschalteten Konverterstufen reagiert das Kohlenmonoxid mit
Wasserdampf, wobei sich Kohlendioxid und Wasserstoff bilden. In weiteren Stufen wird
der Wasserstoff von Verunreinigungen befreit. Die für den Prozess notwendige Energie
kann von aussen zugeführt oder durch teilweise Oxidation des verwendeten Kohlenwasserstoffs gewonnen werden.
§
Partielle Oxidation von Kohle oder Kohlenwasserstoffen. Bei unvollständiger Oxidation von
Kohle oder Kohlenwasserstoffen entsteht Kohlenmonoxid. Dieses wird (wie bei der Dampfreformierung) mit Wasserdampf zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt.
§
Elektrolyse. Bei Stromdurchgang durch einen alkalischen wässrigen Elektrolyten entsteht
Wasserstoff und Sauerstoff. Bei der zur Chlorherstellung verwendeten AlkalichloridElektrolyse entsteht Wasserstoff als Nebenprodukt.
Zur Zeit ist die Elektrolyse gegenüber den anderen Verfahren nicht konkurrenzfähig. Wenn
jedoch die fossilen Brennstoffe durch Wasserstoff ersetzt werden sollen, kommt als Herstellungsprozess nur noch die Elektrolyse in Frage. Selbstverständlich kann dann der dazu benötigte Strom auch nicht mehr von fossil gefeuerten Kraftwerken geliefert werden. Für die Stromproduktion im „Nach-Erdöl-Zeitalter“ kommen Wasserkraftwerke, Kernkraftwerke, Solarkraftwerke und Windkraftwerke in Betracht.
§
7
Solarchemischer Reaktor. Am PSI7 der ETH wird an einem zukunftsweisenden Projekt gearbeitet. Mit einem Parabolspiegel wird Sonnenstrahlung auf eine Reaktionskammer konzentriert, in der bei einer Temperatur von 2000 °C Zinkoxid dissoziiert wird zu Zink und
Sauerstoff. In einer zweiten, separaten Reaktionskammer reagiert Zink mit Wasser und
bildet Zinkoxid und Wasserstoff. Das Sonnenlicht wird mit Hilfe eines Heliostaten8 auf den
Parabolspiegel gerichtet.
Bei diesem zweistufigen Verfahren ist es auch denkbar, dass die Wasserstoff produzierende Reaktion nicht neben dem Solarreaktor installiert wird, sondern beim Energieverbraucher. In diesem Fall wäre nicht Wasserstoff, sondern Zink der Energieträger. Zink
würde vom Solarreaktor zum Verbraucher transportiert und dort zur Herstellung von Wasserstoff verwendet. Das dabei entstehende Zinkoxid würde rezykliert, indem es zum Solar-
Paul Scherrer Institut, Villigen.
Ein Heliostat ist ein Spiegel, der automatisch so bewegt wird, dass er jederzeit das Sonnenlicht in eine
gegebene Richtung reflektiert, d.h., dass er z.B. ständig einen Strahlungsempfänger oder einen Parabolspiegel bestrahlt.
8
4
reaktor zurücktransportiert würde. Zink könnte auch in Zink-Luft-Batterien direkt zur Stromerzeugung verwendet werden.
Verwendung
Zur Zeit dient Wasserstoff hauptsächlich als Ausgangsstoff in der chemischen Industrie für
Synthesen und Hydrierungen (in erster Linie zur Herstellung von Ammoniak als Vorprodukt für
Düngemittel), zum Füllen von Ballonen, als Raketentreibstoff, für die Erzeugung hoher Temperaturen in Knallgasgebläsen (z.B. für die Herstellung synthetischer Edelsteine) und für verschiedene chemische Prozesse, u.a. in der Halbleiterindustrie.
Bei der Substitution von fossilen Treibstoffen würde Wasserstoff zum Antrieb von Fahrzeugen,
Flugzeugen und Schiffen dienen.
Es wird aber auch diskutiert, ob nicht Wasserstoff die Rolle eines Energiespeichers übernehmen könnte. Wenn ein wesentlicher Anteil der Stromproduktion aus Sonnen- oder Windkraftwerken stammt, bestehen immer wieder Differenzen zwischen Produktion und Bedarf. Sonnenenergie-Anlagen liefern viel Energie im Sommer, wenn der Bedarf klein ist, und wenig Energie
im Winter, wenn der Bedarf besonders hoch ist. Vorbeiziehende Wolken bewirken starke
Schwankungen der Energieproduktion von Solarkraftwerken, die sich sehr ungünstig auf das
Stromnetz auswirken. Windkraftwerke liefern während Flauten keinen Strom. Solche Kraftwerke könnten während Produktions-Überschüssen Wasserstoff erzeugen, der dann wieder zur
Stromproduktion verwendet wird, wenn der Strombedarf die Produktion übersteigt.
Heizwert
Der spezifische Heizwert von Wasserstoff ist 2,8 mal höher als derjenige von Benzin. Während
das Verbrennen von 1 kg Benzin 42,5 MJ liefert9, werden beim Verbrennen von 1 kg Wasserstoff 120 MJ frei. Beim Vergleich von Wasserstoff mit Benzin muss aber auch die Dichte mitberücksichtigt werden. 1 Liter Benzin hat eine Masse von 740 Gramm, 1 Liter (gasförmiger) Wasserstoff (bei 20 °C und 1013 hPa) hat dagegen nur eine Masse von 0,084 Gramm. Wenn die
gleiche Energiemenge, die in einem mit 70 Liter Benzin gefüllten Tank eines Autos mitgeführt
werden kann, in Form von gasförmigem Wasserstoff bei normalem Druck gespeichert werden
sollte, müsste das Auto einen mit Wasserstoff gefüllten Ballon mit 7,5 Meter Durchmesser mitführen – eine offenbar eher etwas hinderliche Einrichtung.
Speicherung
Offensichtlich stellt sich für den mobilen Einsatz das Problem, wie Wasserstoff besser gespeichert werden kann. Zur Zeit gibt es nur wenige Methoden, die eine einigermassen hinreichende
Speicherdichte ermöglichen.
§
9
Gasförmiger Wasserstoff in einem Druckbehälter
Wasserstoff kommt schon seit langem in Stahlflaschen in den Handel. Die üblichen Fla10
schen haben ein Volumen von 50 Liter und einen Fülldruck von 20 MPa (200 bar) . Für
den Einsatz in Fahrzeugen sind diese Flaschen jedoch viel zu schwer. Seit einigen Jahren
gibt es „Composite-Tanks“, die leichter, aber auch wesentlich teurer sind. Ein dünnwandiger Behälter aus Aluminium, Stahl oder Kunststoff ist von einem Kohlenstoff-Fasern-Netz
ummantelt, das die erforderliche Druckfestigkeit liefert. Der Fülldruck beträgt 35 MPa
(350 bar); Behälter für 70 MPa (700 bar) sind in Entwicklung.
1 MJ = 1 Million Joule. 1 kWh = 3,6 MJ. kWh = Kilowattstunde.
1 MPa = 1 Million Pascal = 10 bar.
10
5
§
Flüssiger Wasserstoff in einem vakuumisolierten Tank (Kryobehälter)11
Höhere Speicherdichten werden mit flüssigem Wasserstoff erreicht. Die Herstellung des
flüssigen Wasserstoffs (- 253 °C !) ist jedoch sehr energieaufwendig, ein Drittel des Energieinhaltes des Wasserstoffs wird für die Verflüssigung verbraucht. Trotz bester WärmeIsolation fliesst ständig etwas Wärme von der Umgebung in das kalte Behälterinnere und
bewirkt eine Verdampfung des Wasserstoffs. Die Abdampfrate beträgt 0,4 bis 1 Prozent
pro Tag. Dies führt zu einem Druckanstieg im Behälter, und nach einer Standzeit von wenigen Tagen wird Wasserstoff durch ein Überdruckventil abgeblasen. Mit einem aktiven
Kühlsystem kann die Standzeit auf 12 Tage erhöht werden.
§
Einlagerung von Wasserstoff in Metallhydriden
Gasförmiger Wasserstoff kann an bestimmten Metallen und metallischen Legierungen angelagert werden. Geeignet sind Metalle wie Magnesium, Lanthan, Palladium und Legierungen von Titan, Chrom und Mangan, Magnesium und Nickel, Lanthan und Nickel, Zirkon
und Mangan. Bei hohem Druck bildet der Wasserstoff mit dem Metall oder der Legierung
eine chemische Verbindung, das Metallhydrid, wobei Wärme entsteht. Die Reaktion ist reversibel, d.h. durch Zufuhr von Wärme kann der Wasserstoff wieder freigesetzt werden.
Da der Wasserstoff chemisch gebunden wird, geht auch über lange Zeiträume kein Wasserstoff verloren. Da jedoch bezogen auf die Metallmasse typischerweise nur etwa 1,8
Gewichtsprozent Wasserstoff gespeichert werden können, sind Metallhydrid-Speicher relativ schwer und für den Einsatz in Fahrzeugen weniger geeignet.
§
Graphit-Nanofasern
Ende 1996 erregte die Behauptung, dass in Graphit-Nanofasern bis 75 Gewichtsprozent
Wasserstoff gespeichert werden könne, grosses Aufsehen. Leider liessen sich diese Werte nicht reproduzieren. Trotzdem könnte die Wasserstoffspeicherung an Graphitfasern eine vielversprechende Möglichkeit bieten, selbst wenn nur Speicherdichten von etwa 5 bis
15 Gewichtsprozenten erreicht werden. Die Speicherung von Wasserstoff in KohlenstoffNanofasern ist in intensiver Entwicklung begriffen. Ob diese Entwicklungsrichtung zu einem Erfolg oder in eine Sackgasse führt, wird die Zukunft zeigen.
Die folgende Tabelle zeigt die besten Werte12 der Energiedichten für die wichtigsten Wasserstoff-Speichermethoden im Vergleich zu Benzin. Die volumenspezifische Energiedichte ist in
MJ oder kWh pro Liter angegeben.
Treibstoff
Speicherung
Wasserstoff
Benzin
Druckbehälter
Kryobehälter
Metallhydrid
Benzintank
massenspezifische
Energiedichte (inkl. Behälter)
8 MJ/kg
2,2 kWh/kg
21 MJ/kg
5,8 kWh/kg
1,8 MJ/kg
0,5 kWh/kg
36 MJ/kg
10 kWh/ kg
volumenspezifische
Energiedichte (inkl. Behälter)
4,2 MJ/l
1,2 kWh/l
6,8 MJ/l
1,9 kWh/l
4,2 MJ/l
1,2 kWh/l
29 MJ/l
8 kWh/l
Die Betankungsdauer von Wasserstoff-Drucktanks ist mit der Betankungsdauer von Benzintanks vergleichbar. Metallhydrid-Speicher benötigen wesentlich grössere Betankungszeiten.
11
Das griechische Wort „kryos“ bedeutet „Frost“, „Eis“.
Die Werte, die in der Literatur von verschiedenen Autoren angegeben werden, weisen zum Teil erhebliche Diskrepanzen auf. Es wurde versucht, möglichst übereinstimmende Werte zu zitieren. Trotzdem sind
die in der Tabelle angegebenen Werte mit Vorsicht zu verwenden.
12
6
Die Betankung mit flüssigem Wasserstoff ist etwas komplizierter als eine Benzin-Betankung.
Bei einer Erstbetankung muss das Tanksystem mehrmals evakuiert und mit einem trockenen
Gas (z.B. Stickstoff) gespült werden. Das System darf weder Luft noch Wasserdampf enthalten, bevor Wasserstoff eingefüllt wird. Luft ergäbe mit Wasserstoff zusammen ein explosionsgefährliches Gemisch, und Wasserdampf würde zu Vereisungen und damit zu Blockierungen
von Leitungen und Ventilen führen. Wenn das Tanksystem lediglich nachgefüllt wird, muss diese Spülung nicht durchgeführt werden. Jedoch sind auch in diesem Fall eine Reihe von Operationen erforderlich, die beim Benzintanken nicht notwendig sind (Ankuppeln der Leitung und
Dichtigkeitsprüfung, Erden der Betankungskomponenten, Evakuieren und Spülen des Kupplungssystems). Für den ganzen Vorgang wurden 1992 noch nahezu 20 Minuten benötigt. Inzwischen konnte die Betankung vollautomatisiert und auf 3 Minuten reduziert werden.
Sicherheit
Beim Wort „Wasserstoff“ denken viele Leute unwillkürlich sofort an die Luftschiff-Katastrophe
von Lakehurst.
Die „Hindenburg“-Katastrophe: Kein Wasserstoff-Unglück.
Das Luftschiff LZ 129 „Hindenburg“ war mit 245 m Länge das grösste Luftschiff, das je gebaut
wurde. Es startete am 3. Mai 1937 in Frankfurt am Main zu seiner 63. Fahrt, überquerte den
Atlantik in drei Tagen und kam am 6. Mai abends in Lakehurst an. Bei der Landung in gewitterhaftem Wetter geriet es in Brand und wurde vollständig zerstört. Dabei kamen 35 von den 97
Personen an Bord und ein Mann der Bodenmannschaft ums Leben.
Über die Ursachen des Unglücks wurde viel gerätselt. Die naheliegendste These war, dass der
Brand durch eine elektrische Entladung verursacht wurde. Zwar wurden auch Vermutungen
geäussert, der Brand sei durch einen Zünder oder eine Bombe an Bord ausgelöst worden oder
das Luftschiff sei aus der Ferne in Brand geschossen worden, jedoch gab es keinerlei Hinweise, die den Verdacht auf Sabotage hätten stützen können.
Während über die Brandursache viel spekuliert wurde, gab es (mindestens in der Öffentlichkeit)
keine Zweifel daran, dass der vernichtende Brand ein Wasserstoff-Feuer war. Zu dieser Zeit
existierten bereits (kleinere) Luftschiffe, die mit dem unbrennbaren, aber viel teureren und doppelt so schweren Helium gefüllt waren. Helium wurde damals praktisch ausschliesslich in den
USA produziert. Da ab 1925 durch ein Gesetz der technische Einsatz von Helium nur noch für
Zwecke der US-Regierung erlaubt war und im übrigen die Kosten für eine Heliumfüllung hundertmal höher gewesen wären, war die „Hindenburg“ mit Wasserstoff gefüllt. Es schien daher
selbstverständlich, dass die Wasserstoff-Füllung in Brand geraten war.
Erst etwa 60 Jahre später wurde diese Überzeugung in Frage gestellt. Addison Bain, ein Ingenieur, der bei der NASA während Jahren mit Wasserstoff-Systemen zu tun gehabt hatte und
ein Wasserstoff-Sicherheitshandbuch ausgearbeitet hatte, besuchte 1990 das National Air and
Space Museum. Bei einem 7,5 m grossen Modell der „Hindenburg“ fand er auf einer Tafel den
Hinweis, der Wasserstoff sei explodiert. Bain wusste, dass Wasserstoff nicht einfach so explodieren kann und dass Wasserstoff – wie bereits erwähnt – mit nahezu unsichtbarer Flamme
13
brennt . Die Bilder des Unglücks zeigten aber ein hell leuchtendes Feuer. Diese Ungereimtheiten störten Bain, er begann der Sache nachzugehen und betrieb schliesslich während etwa
7 Jahren in seiner Freizeit intensive Nachforschungen in Archiven und Museen, studierte zahllose Dokumente und befragte Augenzeugen. Er entdeckte, dass immer noch Materialproben
der Hülle des Luftschiffs existierten, konnte sich welche beschaffen und liess sie untersuchen.
Es stellte sich heraus, dass der Schutzanstrich der Hülle aus Eisenoxid und Zellulose-ButyratAzetat mit Aluminiumpulver bestand und extrem leicht brennbar war. Der Brennstoff von Feststoff-Raketen hat eine sehr ähnliche Zusammensetzung, d.h. die „Hindenburg“ war sozusagen
13
Das kann auch sehr schön bei einem Space-Shuttle-Start beobachtet werden. Neben den hellen Strahlen der Feststoff-Raketen ist der Strahl des mit Wasserstoff betriebenen Haupttriebwerks blass und fast
unsichtbar.
7
mit Raketenbrennstoff bemalt! Der Anstrich hatte ferner eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit, was die Entstehung von elektrischen Aufladungen begünstigte.
Zur Zeit, als die „Hindenburg“ gebaut wurde, gab es noch nicht die heute zur Verfügung stehende Vielfalt von Kunststoffen. Der spezielle Schutzanstrich hatte deshalb mehrere Aufgaben
zu erfüllen: Straffung des Gewebes der Hülle, Schutz vor Feuchtigkeit und Fäulnis, Reflexion
des Sonnenlichts, um Aufheizung zu vermeiden.
Beim Landen wurden die ausgeworfenen Halteseile nass und stellten eine leitende Verbindung
zwischen Erdboden und dem Leichtmetall-Gerippe des Luftschiffs her, wodurch dieses auf Erdpotential kam. Die Hülle behielt aber noch ihr ursprüngliches Potential und die (möglicherweise
sehr hohe) Spannungsdifferenz, die vorher zwischen Luftschiff und Erde bestand, war jetzt zwischen Hülle und Gerippe. Eine elektrische Entladung entzündete dann den Schutzanstrich. Das
Feuer breitete sich entlang der Hülle nicht nur nach oben, sondern auch nach unten aus, was
beim einem Wasserstoffbrand nicht der Fall gewesen wäre. Erst einige Sekunden, nachdem
das Feuer begonnen hatte, entzündete sich der Wasserstoff und verbrannte weit oberhalb des
Luftschiffs in weniger als 60 Sekunden. Der Dieseltreibstoff für die Propellermotoren brannte
dagegen noch stundenlang.
Bain behauptete nicht, dass der Wasserstoff nichts zum Feuer beigetragen hätte. Das vernichtende Feuer wurde aber in erster Linie durch den Schutzanstrich verursacht, und ein mit Helium
gefülltes Luftschiff mit dem gleichen Anstrich wäre unter den gleichen Umständen ebenfalls
völlig zerstört worden. Tatsächlich verbrannte ein heliumgefülltes Luftschiff mit einem ähnlichem Schutzanstrich schon früher (1935) bei Point Sur in Kalifornien.
Bei seinen Nachforschungen in deutschen Archiven entdeckte Bain auch, dass die deutschen
Fachleute der Zeppelinwerke sehr bald nach dem Unglück die wirklichen Ursachen des Brandes kannten. Diese wurden jedoch geheimgehalten. Vermutlich wollten weder die ZeppelinWerke noch das Dritte Reich zugeben müssen, dass ein Fehler deutscher Ingenieure für das
Unglück verantwortlich war.
Deshalb wurde in der Öffentlichkeit während gut 60 Jahren die Wasserstoff-Füllung des Luftschiffs als Hauptursache des Brandes angesehen, was bewirkte, dass Wasserstoff als besonders feuergefährlich galt (und immer noch gilt).
Während die meisten Autofahrer kaum je darüber beunruhigt sind, dass sie knapp einen Meter
vor einem Tank sitzen, der mit bis zu 70 Liter hochentflammbarem Benzin gefüllt ist, wirkt der
Gedanke an einen mit Wasserstoff gefüllten Tank im Auto in der Regel beängstigend.
Wasserstoff: Nicht gefährlicher als Benzin
In Wirklichkeit haben eine grosse Zahl von Tests gezeigt, dass sowohl Druck- als auch Kryotanks für Wasserstoff in keiner Weise gefährlicher sind als ein Benzintank, sondern im Gegenteil mehr Sicherheit bieten. In Metallhydrid-Speichern ist der Wasserstoff gebunden, so dass
ohnehin keine Brandgefahr besteht.
Besonders eindrücklich war ein Versuch, der von M. Swain an der Universität Miami durchgeführt wurde14. Bei einem benzingetriebenen Fahrzeug wurde ein 1,6 mm grosses Loch in der
Benzinleitung erzeugt, und beim wasserstoffgetriebenen Fahrzeug wurde eine Verbindungsstelle in der Wasserstoffleitung undicht gemacht. Anschliessend wurde bei beiden Fahrzeugen der
ausströmende Treibstoff entzündet.
Beim wasserstoffbetriebenen Fahrzeug entstand durch das unter grossem Druck ausströmende Gas eine mehrere Meter hohe Stichflamme. Beim benzingetriebenen Fahrzeug begann die
Benzinlache unter dem Fahrzeug zu brennen.
Nach 1,5 Minuten wurde die Flamme beim Wasserstoff-Auto schnell kleiner, beim Benzin-Auto
begannen Reifen und Kunststoffteile der Karosserie zu brennen.
14
„Fuel Leak Simulation“, Dr. Michael Swain, University of Miami, Florida.
www.afdc.doe.gov/pdfs/Swain_Fuel_Leak_Simulation.pdf
8
Nach 2,5 Minuten war das Feuer des Wasserstoff-Autos erloschen, das Benzin-Auto dagegen
stand vollständig in Flammen und das Feuer hatte auf den Innenraum übergegriffen.
Nach dem Versuch war das Wasserstoff-Auto nahezu unbeschädigt. Die Heckscheibe erreichte
eine maximale Temperatur von 47 °C, und die Temperatur auf den Rücksitzen stieg nicht über
20 °C. Das Benzin-Auto hingegen wurde völlig zerstört, und die Insassen hätten nicht die geringsten Überlebenschancen gehabt, wenn sie durch den Unfall eingeklemmt oder bewusstlos
gewesen wären.
Während beim Benzin-Auto ein kleines Loch in der Benzinleitung und eine Zündquelle (z.B. ein
Funken) für die Verursachung eines Brandes hinreichend gewesen wäre, hätten beim Wasserstoff-Auto 4 verschiedene Sicherheitssysteme gleichzeitig ausfallen müssen, damit es überhaupt zu einem Brand hätte kommen können.
Generell kann festgestellt werden, dass die Handhabung von Wasserstoff hinsichtlich Sicherheit nicht problematischer ist, als die Handhabung von Benzin.
Wasserstoffbombe?
Vielleicht denken manche Leute beim Wort „Wasserstoff“ auch an „Wasserstoffbombe“. Eine
Wasserstoffbombe hat jedoch überhaupt nichts mit dem technisch verwendeten Wasserstoff zu
tun. Bei einer Wasserstoffbombe, oder genauer gesagt, Fusionswaffe, findet keine chemische
sondern eine nukleare Reaktion statt. Wasserstoffatomkerne werden zu Heliumatomkernen
„verschmolzen“ („fusioniert“). Dabei wird nicht gewöhnlicher Wasserstoff, sondern Deuterium
(manchmal auch Tritium) verwendet, wobei Deuterium meist in Form von Lithiumdeuterid (eine
chemische Verbindung von Lithium und Deuterium) eingesetzt wird. Damit eine solche Kernverschmelzungsreaktion abläuft, sind Temperaturen von über 100 Millionen Kelvin erforderlich.
Solche Temperaturen können nur mit Hilfe einer „gewöhnlichen Atombombe“, d.h. mit einer
Fissionsbombe (Kernspaltung von Uran oder Plutonium) erzeugt werden15.
Dies ist jedoch keineswegs so einfach, wie es in vielen populären Darstellungen erklärt wird. Es
genügt nicht, eine gewöhnliche Atombombe mit einer grossen Masse von „Fusionsbrennstoff“
zu umgeben. Das funktioniert genau so wenig, wie wenn man versuchen würde, mit einer
Sprengladung einen Haufen Kohle anzuzünden. Wenn die Sprengladung explodiert, fliegen die
Kohlenstücke in alle Richtungen, aber sie werden nicht entzündet. Eine Wasserstoffbombe ist
eine höchst komplexe Anordnung, bei der kleinste Details für das richtige Funktionieren entscheidend sind. Zwar ist das Prinzip aus der öffentlich zugänglichen Literatur weitgehend bekannt, aber es gibt auch heute noch Einzelheiten, die geheim gehalten werden.
Es ist aus diesen Gründen absolut unmöglich, dass Wasserstoff, so wie er in der Technik verwendet wird, durch einen unglücklichen Zufall als Wasserstoffbombe explodieren könnte.
Antriebe
Wasserstoffmotoren
Ein Wasserstoffmotor ist prinzipiell ähnlich aufgebaut wie ein Ottomotor (Benzinmotor). Da die
Zündtemperatur von Wasserstoff mit 560 °C deutlich höher ist als diejenige von Dieselöl
(250 °C), ist Wasserstoff nicht geeignet für das Dieselprinzip16. Weil Wasserstoff eine wesentlich kleinere volumenspezifische Energiedichte als Benzin hat, sind bei der Gemischaufbereitung gewisse Anpassungen erforderlich. Ein Wasserstoffmotor hat zwar einen besseren Wir-
15
In einem Fusionsreaktor, in dem nicht eine explosionsartige Reaktion, sondern eine kontrollierte Fusion
erwünscht ist, wird die hohe Temperatur mit verschiedenen anderen Methoden erzeugt (s. Bulletin Nr. 26),
die jedoch völlig ungeeignet sind für die Zündung einer Fusionswaffe.
16
Beim Dieselmotor wird die Luft im Zylinder so stark verdichtet und dadurch erwärmt, dass beim Einspritzen des Kraftstoffs sich dieser durch die hohe Temperatur von selbst entzündet. Beim Benzinmotor
wird hingegen das Kraftstoff-Luft-Gemisch durch den Zündfunken der Zündkerze entzündet.
9
kungsgrad, aber eine kleinere spezifische Motorleistung (Leistung pro Hubraumvolumen) als
ein Benzinmotor.
Beim Verbrennen von Wasserstoff entsteht nur Wasserdampf und kein Kohlendioxid. Bei hohen Verbrennungstemperaturen könnte der Stickstoff der Luft oxidiert werden, so dass Stickoxide entstehen. Die Bildung von Stickoxiden kann jedoch weitgehend vermieden werden, indem durch ein mageres Gemisch, d.h. Verbrennung mit Luftüberschuss, die Verbrennungstemperatur gesenkt wird.
Am 11. Mai 2000 präsentierte BMW das erste in Serie gebaute Wasserstoffauto der Welt. Der
BMW 750hL kann sowohl mit Benzin als auch mit Wasserstoff betrieben werden. Mit Wasserstoff leistet der Zwölfzylindermotor 150 kW (204 PS). Er beschleunigt das Fahrzeug in 9,6 Sekunden auf 100 km/h und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 226 km/h. Der 140 Liter
fassende Kryotank liefert eine zusätzliche Reichweite von 350 km. Bemerkenswert ist ferner,
dass eine Anzahl dieser Wasserstoffautos für die Stromversorgung anstelle eines Generators
und eines Bleiakkumulators mit einer 5-kW-Brennstoffzelle versehen sind. Diese liefert genügend Leistung, um die Klimaanlage auch im Stand (ohne laufenden Motor) mit Strom zu versorgen.
Der Verein „Swiss Alps 3000“ stellte am 15. März 2004 auf der Kleinen Scheidegg den Prototyp
eines Pistenfahrzeugs mit einem Wasserstoffmotor vor. Das ursprünglich von einem Benzinmotor angetriebene Fahrzeug wurde von einem Garagisten auf Wasserstoffbetrieb umgebaut, und
der Metallhydridspeicher wurde an der Universität Freiburg entwickelt.
Strahltriebwerke
Auch Flugzeugtriebwerke können so modifiziert werden, dass sie mit Wasserstoff betrieben
werden können.
Brennstoffzellen
Langfristig dürfte aber der Wasserstoff statt in Motoren vor allem in Brennstoffzellen eingesetzt
werden. In einer Brennstoffzelle spielt sich im Prinzip der umgekehrte Prozess einer Elektrolyse
ab. Während bei der Elektrolyse durch elektrischen Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird, entsteht in einer Brennstoffzelle elektrischer Strom durch die (kalte) Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser. Mit dem so erzeugten Strom kann ein Elektromotor betrieben werden.
Der Wirkungsgrad einer Wasserstoff-Brennstoffzelle zusammen mit einem Elektromotor ist im
Fahrbetrieb rund zweimal so gross wie der Wirkungsgrad eines Benzinmotors.
Der für den Wasserstoff ungünstig ausfallende Speicherdichten-Vergleich zwischen Wasserstoff und Benzin (s. Tabelle auf Seite 5) verbessert sich daher deutlich, wenn der Wasserstoff
nicht in einem Verbrennungsmotor, sondern in einer Kombination Brennstoffzellen und Elektromotor eingesetzt wird.
Brennstoffzellen könnten aber nicht nur in Fahrzeugen, sondern auch in Kleinkraftwerken zur
Stromerzeugung eingesetzt werden.
Obschon das Prinzip der Brennstoffzelle bereits 1838 entdeckt wurde, hat erst ab etwa 1990
eine intensive Entwicklung eingesetzt, die immer noch im Gang und noch längst nicht abgeschlossen ist. Zur Zeit gibt es mindestens sechs verschiedene Typen von Brennstoffzellen mit
unterschiedlichen Eigenschaften und Vor- und Nachteilen.
10
Energiebedarf
Es stellt sich die Frage, wie gross der Energiebedarf wäre, um den für die Substitution der fossilen Brennstoffe benötigten Wasserstoff herzustellen.
Im Jahr 2002 wurden in der Schweiz Rohöl und Erdölprodukte mit einem totalen Energieinhalt
von 530'860 TJ verbraucht17. Zudem wurden 104'080 TJ Gas und 5'730 TJ Kohle verheizt.
Falls die gleiche totale Energiemenge von 640'670 TJ in Form von Wasserstoff durch Elektrolyse bereitgestellt werden sollte, wären dafür 7,12· 1017 J erforderlich, wenn für die Elektrolyse
ein Wirkungsgrad von 90 Prozent vorausgesetzt wird.
Dies entspricht der Jahresproduktion von 22 Kernkraftwerken mit je 1200 MW elektrischer Leistung und 7500 Betriebsstunden mit Nennlast.
Wenn diese Energie statt von KKW von Photovoltaik-Anlagen geliefert werden sollte, würden
diese eine totale Fläche von 6440 km2 beanspruchen. Dies ist mehr als die Fläche des Kantons
Bern.
Wenn statt dessen Windkraftwerke diese Energie produzieren sollten, wären dafür mehr als
65’900 Anlagen mit 2 MW Nennleistung erforderlich, die eine Fläche von 20'700 km2 (d.h. mehr
als die halbe Fläche der Schweiz) beanspruchen würden. Dabei wurden gleich gute Windverhältnisse wie auf der Schwäbischen Alb vorausgesetzt (s. Bulletin Nr. 47).
Während die erste Möglichkeit zur Zeit aus politischen Gründen kaum in Frage kommen dürfte,
sind die beiden anderen Varianten wegen des prohibitiv hohen Flächenbedarfs und der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes nicht realisierbar. Auch bei einem Offshore-Windpark mit
2000 Volllaststunden würden immer noch 49'400 2-MW-Turbinen und 15'500 km2 benötigt.
Damit würden aber die bereits in Bulletin Nr. 47 erwähnten Probleme (die für Windparks überhaupt zur Verfügung stehenden Nutzungsflächen und der Transport der Energie in die
Schweiz) noch enorm verschärft.
Somit stellt sich die Frage, wo denn diese Energie produziert werden könnte. Die Idee, riesige
Sonnenkraftwerke in der Sahara zu bauen und von dort den produzierten Wasserstoff oder
direkt den Strom zu exportieren, ist auch nicht ganz so problemlos. Wenn die von den Solarkraftwerken in der Sahara produzierte elektrische Energie in die Schweiz transportiert werden
soll, muss nicht nur die mittlere Leistung, sondern auch die rund viermal höhere Spitzenleistung
bei maximaler Einstrahlung übertragen werden können. Wenn diese Leistung durch HGÜLeitungen18 übertragen würde, wären 50 Leitungen mit je 2000 MW Übertragungskapazität
(oder 20 Leitungen mit je 5000 MW) erforderlich. Und dies allein für den Energiebedarf der
Schweiz. Es ist schwer vorstellbar, wie so etwas technisch und vor allem politisch realisierbar
sein soll.
Es drängt sich eine weitere Frage auf. Wie sieht wohl eine Solarzellenfläche oder eine Spiegeloberfläche nach einem kräftigen Sandsturm aus?
Es ist noch zu berücksichtigen, dass eine Brennstoffzelle mit einem Elektromotor zusammen
einen etwa doppelt so hohen Wirkungsgrad wie ein Verbrennungsmotor hat. Es fragt sich, wie
sehr sich dadurch der Energieaufwand reduziert.
Rund 56 Prozent des gegenwärtigen Endverbrauchs der Erdölprodukte werden für den Verkehr
verbraucht. Wenn nun in diesem Sektor Brennstoffzellen und Elektromotoren statt konventioneller Verbrennungsmotoren eingesetzt werden könnten, würde der Treibstoffverbrauch wegen
des besseren Wirkungsgrades auf etwa die Hälfte reduziert. Die gleiche Reduktion kann eventuell auch mit weitentwickelten Wasserstoffmotoren erreicht werden. Damit würde sich der Gesamtverbrauch an Wasserstoff auf etwa 77 Prozent des oben errechneten Wertes reduzieren.
Offensichtlich würden dadurch die erwähnten Probleme nicht wesentlich entschärft.
17
18
12
1 TJ = 1 Terajoule = 10 Joule = 1 Million MJ.
HGÜ = Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
11
Angesichts der enormen Probleme bei der Energieproduktion durch Solar- oder Windkraftwerke sollte überlegt werden, ob 22 Kernkraftwerke nicht doch das kleinere Übel wären (trotz
der radioaktiven Abfälle, s. Bulletins Nr. 17 und 22).
Umweltbelastung
Wasserstoff: Der ideale Kraftstoff?
Wie bereits erwähnt, entsteht beim Verbrennen von Wasserstoff lediglich reiner Wasserdampf.
Im Gegensatz zur Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen bei der Wasserstoff-Verbrennung keine Kohlenwasserstoffe, keine Schwefeloxide, kein Kohlenmonoxid und auch kein
Kohlendioxid. Allerdings können bei einem Wasserstoffmotor sehr geringe Mengen dieser
Schadstoffe durch die Verbrennung von Schmierstoffen entstehen. Ferner bilden sich bei hohen Verbrennungstemperaturen Stickoxide, aber durch Verbrennung mit Luftüberschuss kann
die Stickoxidproduktion sehr gering gehalten oder sogar ganz vermieden werden. Mit Wasserstoff betriebene Niedertemperatur-Brennstoffzellen produzieren überhaupt keine Schadstoffe.
Aus diesen Gründen gilt Wasserstoff als besonders umweltfreundlicher Kraftstoff.
Leider wird die Umweltfreundlichkeit des Wasserstoffs durch die Untersuchungen19 einer Forschergruppe des California Institute of Technology in Frage gestellt. Das Forscherteam untersuchte, wie viel Wasserstoff in die Atmosphäre gelangen könnte, wenn alle fossilen Brennstoffe
durch Wasserstoff substituiert würden, und was die Folgen wären. Da die Wasserstoffmoleküle
viel kleiner sind als beispielsweise die Moleküle von Erdgas, dringt durch eine Undichtigkeit
wesentlich mehr Wasserstoff als Erdgas. Auf Grund der Erfahrungen mit dem Transport von
Erdgas, bei dem Verluste in der Grössenordnung von 10 Prozent auftreten, kam das Team zum
Schluss, dass bei einer Wasserstoffwirtschaft mit Verlusten zwischen 10 und 20 Prozent gerechnet werden muss. Der in die Atmosphäre entweichende Wasserstoff beeinflusst die höchst
komplexen chemischen Prozesse in der oberen Atmosphäre und könnte indirekt zu einer zusätzlichen Reduktion der Ozonkonzentration führen. Zwar sind die Schlussfolgerungen der Forschergruppe heftig umstritten, und die Gruppe weist ihrerseits auf die Unsicherheiten in ihren
Überlegungen hin, aber ihre Untersuchungen zeigen jedenfalls, dass Vorsicht angebracht ist.
Im Gegensatz zum Kohlendioxid, dessen Auswirkungen erst nach jahrzehntelanger Produktion
erkannt wurden, hätte man beim Wasserstoff jetzt die Möglichkeit, eventuelle negative Folgen
einer Wasserstoffwirtschaft schon im Anfangsstadium zu untersuchen und geeignete Gegenmassnahmen zu planen.
Eine Vision: Abgasfreier Alpenraum
Wenn auch eine langfristige weltweite Substitution der fossilen Brennstoffe durch Wasserstoff
noch mit etlichen Fragezeichen versehen ist, kann mittelfristig im regionalen Bereich der Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff durchaus einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der
Umweltbelastung leisten. So möchte zum Beispiel der Verein „Swiss Alps 3000“ die Vision „Abgasfreier Alpenraum“ verwirklichen, indem zunächst die über 1000 Pistenfahrzeuge in der
Schweiz sukzessive auf Wasserstoff-Betrieb umgebaut werden und neuanzuschaffende Fahrzeuge von Anfang an mit Wasserstoffmotoren ausgerüstet werden. Der Wasserstoff würde mit
Nachtstrom durch Elektrolyse produziert. Bei einer Umrüstung aller Pistenfahrzeugen in den
Jahren 2006 bis 2013 könnten die Schadstoff-Emissionen im sensiblen Alpenraum beträchtlich
reduziert werden. Insbesondere könnte die Emission von rund 85'000 kg krebserzeugendem
Russ-Feinstaub vermieden werden. Allerdings wäre noch zu untersuchen, inwieweit es sich
dabei nur um eine Verlagerung der Emissionen handelt (s. die Grenzstrom-Betrachtung in Bulletin Nr. 32).
19
T.C. Tromp, R.-L. Shia, M. Allen, J.M. Eiler, Y.L. Yung: “Potential Environmental Impact of a Hydrogen
Economy on the Stratosphere”, Science, Vol. 300, 13 June 2003, p. 1740.
12
Quellen
Sven Geitmann, „Wasserstoff & Brennstoffzellen. Die Technik von morgen“, Hydrogeit Verlag, Berlin 2002.
Klaus Heinloth, „Die Energiefrage“, Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden 1997.
Bjorn Lomborg, „The Skeptical Environmentalist“, Cambridge University Press, New York 2001.
Chronik-Bibliothek des 20. Jahrhunderts, Band 10,1936-1939, Bertelsmann, Gütersloh/München 1996.
Zahlreiche Internet-Quellen, u.a.:
Wasserstoff:
www.buerger-fuer-technik.de
www.dwv-info.de
www.energie-fakten.de
www.grimselstrom.ch/unternehmung/medien/ftwNewsbeitrag.2004-03-15.5247
www.hycar.de
www.hydrogeit.de
www.hyweb.de
www.neuhaus.com/swb
www.sun21.ch/PDF/Projektbeschrieb_SwissAlps.pdf
www.tekken.de/Ressourcen/Technik,%20Historie/Technik,Historie.htm
www.wochen-zeitung.ch/index.asp
Hindenburg:
www.ch2bc.org/hindenburg.htm
www.dwv-info.de/pm/hindbg/hbd.htm
www.engineer.ucla.edu/releases/blimp.htm
www.hydrogennow.org/Facts/Safety.htm
www.pilotundluftschiff.de/Lakehurst.htm
A.R.