Westfalen Blatt, 30.09.2013

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Westfalen Blatt, 30.09.2013
Westfalen Blatt
Montag, 30. September 2013
AL
360.1
360.2
360.3
360.4
Mit Waden-Antrieb über die B 61
50 000 sind am Aktionstag »Ohne Auto mobil« auf der
gesperrten Bundesstraße unterwegs
Bielefeld (WB). Den Radschnellweg von Bielefeld nach Herford – es gibt ihn
doch. Zumindest für einen Tag: Gestern sausten 50 000 Radler, Inliner und
anderweitig mit Rollen Ausgerüstete über die autofreie Herforder Straße.
Von Stefanie Hennigs und Bernhard Pierel (Fotos)
Zum dritten Mal hieß es amSonntag bei bestem Radelwetter »Ohne Auto mobil«. Acht
Stunden lang war die sonst stark befahrene Asphaltpiste zwischen den beiden Städten für
alles, was Abgase produziert, gesperrt. Auch die Strecke vom Ravensberger Park über Heeper
Straße und Schelpmilser Weg war für Autofahrer verbotenes Terrain. Rollen durfte dort nur,
wer sich Rad oder Inliner untergeschnallt hatte. Waden-Antrieb war gefragt.
Die Veranstalter hatten den Tag unter das Motto »Kurzurlaub auf der B 61« gestellt. Den
durften nicht nur die Teilnehmer auf der Strecke, sondern auch die Anwohner genießen.
Denen bescherte der autofreie Sonntag willkommene Ruhe vom Verkehrslärm und
Abgasgestank.
Zum Beispiel Renate und Heinz Wipper, die kurz vor der Stadtgrenze an der Herforder Straße
ihr Zuhause haben und gestern gemütlich nur einen Steinwurf von der Straße entfernt saßen.
»Ich habe kein Problem mit den Autos, trotzdem ist es so ganz schön«, meint Heinz Wipper.
»Das könnte man häufiger machen, so wie früher«, erinnerte sich Renate Wipper an die Zeit
der »autofreien Sonntage«, als während der Ölkrise 1973 Energie gespart werden sollte.
Energie, und zwar körpereigene, zeigten die Akteure dagegen auf der B 61. Mit
stinknormalen oder Tour-de-France-tauglichen Rädern, auf Ein- oder Liegerädern, mit
Elektro-Antrieb oder väterlichem Anschieben, im Kinder- oder Bollerwagen, mit
Walkingstöcken, Tretrollern, Skateboards, in Lauf- oder Wanderschuhen: Tausende waren auf
den gesperrten Straßen unterwegs. Marcel Rußkamp setzte auf Skiroller – Mini-Bretter mit
Rollen. »Das ist die optimale Gelegenheit zu fahren«, sagte der 19-Jährige.
Allerdings wurde es wegen der vielen Teilnehmer auch ohne Autos an manchen Stellen etwas
eng – etwa, wenn abrupt abgebremst werden musste, weil einer der zahlreichen Verzehr- oder
Aktionsstände am Straßenrand auftauchte.
Mehr Zeit zum Verweilen nahmen sich die Besucher des Ravensberger Parks, wo es viele
Infos und Aktionen rund ums Radeln gab. Dort informierten unter anderem Reinhard
Zurheide und Ramona Mede von der Abteilung Verkehrsunfallprävention der Polizei darüber,
warum kluge Köpfe mit Helm fahren. Ann-Kathrin Skeretsch und ihre Mitstreiter vom
Projekt »Schau an! Wir sind mobil« stellten Elektrofahrzeuge wie das »Fun2go« vor – ein
zweisitziges Dreirad.
Auf Elektroantrieb setzte dieses Mal auch Oberbürgermeister Pit Clausen. Gemeinsam mit
zahlreichen Vertretern aus Verwaltung, Politik und der Sponsoren startete Clausen zum
Prominenten-Radeln vom Ravensberger Park bis zur Stadtgrenze. An der Grenze zum Heeper
»Hoheitsgebiet« musste Clausen allerdings – anders als angedroht – keinen Zoll an den
mitradelnden Bezirksbürgermeister Holm Sternbacher entrichten. Stattdessen gab es Kaffee –
wie auch später beim interkommunalen Händeschütteln mit den Herforder Vertretern. Dass
die Herforder dabei eine Reifenlänge früher an der Grenze zwischen den beiden Stadtgebieten
ankamen, steckten die Bielefelder locker weg: »Schließlich hatten die Rückenwind!«
Den dürfte durch den Erfolg des Aktionstages auch eine mögliche vierte Auflage im Jahr
2015 erhalten haben. »Es ist bestens gelaufen«, bilanzierte Bielefelds Fahrradbeauftragter
Oliver Spree am späten Nachmittag. Trotz der hohen Geschwindigkeit, die einige zeigten,
kam es zu keinen gravierenden Unfällen. »Eine Frau ist über die Leine ihres Hundes gestürzt
und hat sich die Hand verknackst.« Eine 15-jährige Radlerin verwechselte Sportgel und
Getränk und musste zur Behandlung ins Krankenhaus.
100 Einsatzkräfte sicherten an 60 Streckenposten allein auf Bielefelder Gebiet die Strecke und
sorgten dafür, dass nicht doch Autofahrer auf der »Fahrradpiste« landeten. Ob die Herforder
Straße eventuell bis ins Stadtgebiet zur Radelstrecke wird – das könnte Thema bei der
Vorbereitung für 2015 werden.