1 NLMR 6/2013-EGMR Sachverhalt
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1 NLMR 6/2013-EGMR Sachverhalt
NLMR 6/2013-EGMR 1 © Jan Sramek Verlag (http://www.jan-sramek-verlag.at). [Übersetzung wurde bereits in Newsletter Menschenrechte 2013/6 veröffentlicht] Die erneute Veröffentlichung wurde allein für die Aufnahme in die HUDOC-Datenbank des EGMR gestattet. Diese Übersetzung bindet den EGMR nicht. © Jan Sramek Verlag (http://www.jan-sramek-verlag.at). [Translation already published in Newsletter Menschenrechte 2013/6] Permission to republish this translation has been granted for the sole purpose of its inclusion in the Court's database HUDOC. This translation does not bind the Court. © Jan Sramek Verlag (http://www.jan-sramek-verlag.at). [Traduction déjà publiée dans Newsletter Menschenrechte 2013/6] L’autorisation de republier cette traduction a été accordée dans le seul but de son inclusion dans la base de données HUDOC de la Cour. La présente traduction ne lie pas la Cour. Sachverhalt Bei dem Bf. handelt es sich um einen irakischen Staatsbürger, der zur Zeit im jordanischen Amman wohnhaft ist. Nach Ansicht des Sicherheitsrates der UN war er für die Finanzen der irakischen Geheimdienste unter Saddam Hussein verantwortlich. Die Bf. ist eine Gesellschaft mit Sitz in Panama, deren Leiter der Bf. war. Nach der Invasion von Kuwait durch den Irak im August 1990 nahm der Sicherheitsrat der UN die Resolutionen 661 (1990) vom 6.8.1990 und 670 (1990) vom 25.9.1990 an, in denen er die Nichtmitgliedstaaten der UN aufforderte, ein Embargo gegen den Irak zu verhängen. Am 7.8.1990 nahm der Schweizerische Bundesrat die »Verordnung über Wirtschaftsmaßnahmen gegenüber der Republik Irak« (»Irak-VO«) an. Die Bf. behaupten, dass ihr Vermögen seit dort eingefroren ist. Nachdem die Schweiz am 10.9.2002 der UN beigetreten war, nahm der Sicherheitsrat im Mai 2003 die Resolution 1483 (2003) vom 22.5.2003 an, die insbesondere die Resolution 661 (1990) ersetzte. Darin wurden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, das in ihrem Staatsgebiet befindliche Vermögen des früheren irakischen Regimes rund um Saddam Hussein einzufrieren und sofort an einen Entwicklungsfonds für den Irak zu übertragen. Die Irak-VO wurde, unter anderem zur Berücksichtigung der Resolution 1483 (2003), mehrfach angepasst. Ihr Art. 2 sah im Wesentlichen vor, dass die Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der früheren irakischen Regierung, von hohen Amtsträgern derselben und von Unternehmen oder Körperschaften unter der Kontrolle oder Leitung dieser Personen, eingefroren werden sollten. Die von den Maßnahmen Betroffenen sollten in einer Liste im Anhang genannt werden, die vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (»EVD«, jetzt: Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung Österreichisches Institut für Menschenrechte und Forschung) nach den Vorgaben der UN erstellt werden sollte. Mit der Erstellung der Liste auf Ebene der UN wurde ein durch Resolution 1518 (2003) vom 24.11.2003 des Sicherheitsrats eingerichteter Sanktionsausschuss betraut. Am 26.4.2004 trug der Sanktionsausschuss die Bf., die ihren Sitz damals in Genf hatte, und ihren Leiter, den Bf., in die genannte Liste ein. Ab 12.5.2004 schienen die Bf. auch in der Liste nach der Irak-VO auf. Der Bundesrat nahm am 18.5.2004 die »Verordnung über die Einziehung eingefrorener irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Development Fund for Iraq« an, deren Geltung mittlerweile bis zum 30.6.2016 verlängert wurde. Die Bf. erklären, dass ihr seit 1990 eingefrorenes Vermögen in der Schweiz Gegenstand eines Einziehungsverfahrens in Anwendung dieser VO ist. Der Bf. verlangte vom EVD am 25.8.2004, das Einziehungsverfahren auszusetzen, da er direkt beim Sanktionsausschuss um Löschung aus der Liste ersuchen wollte. Nachdem der Bf. vergeblich eine mündliche Anhörung vor dem Sanktionsausschuss verlangt hatte, erbaten die Bf. am 1.9.2005 die Fortsetzung des Einziehungsverfahrens in der Schweiz. Am 16.11.2006 verfügte das EVD nach Einholung einer Stellungnahme der Bf. die Einziehung von deren Vermögen und legte die Modalitäten fest, nach denen es binnen 90 Tagen auf das Konto des Entwicklungsfonds transferiert werden würde. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Namen der Bf. in der Liste des Sanktionskomitees aufschienen und diese Liste von der Schweiz so zu übernehmen sei. Gegen die Entscheidung des EVD erhoben die Bf. insgesamt drei Verwaltungsbeschwerden beim Bundesgericht und verlangten die Aufhebung dieser Entschei© Jan Sramek Verlag 2 Al-Dulimi und Montana Management Inc. gg. die Schweiz dung. Sie verwiesen darauf, dass die Einziehung ihres Vermögens ihr Recht auf Eigentum verletzt hätte und das Verfahren, das zu ihrer Eintragung in die Liste im Anhang der Resolution 1483 (2003) und zur Irak-VO geführt hatte, grundlegende Verfahrensrechte unter anderem nach Art. 6 und Art. 13 EMRK verletzt hätte. Das Bundesgericht wies die Beschwerden mit drei beinahe identischen Urteilen vom 23.1.2008 ab. Es führte aus, dass die Schweiz die auf UN-Ebene erfolgte Listung grundsätzlich nicht überprüfen könne. Den Bf. sei aber vor Exekution der Entscheidung vom 16.11.2006 eine kurze Frist einzuräumen, um ihnen die Anrufung des Sanktionskomitees nach dem neuen Löschungsverfahren unter der Resolution 1730 (2006) vom 19.12.2006 zu ermöglichen. Die Bf. stellten am 13.6.2008 einen entsprechenden Antrag, der jedoch am 6.1.2009 zurückgewiesen wurde. Den Bf. wurde währenddessen mehrmals gestattet, auf das eingefrorene Vermögen zuzugreifen, um ihre Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Einziehungsverfahren zu bestreiten. Am 6.3.2009 entschieden die Schweizer Behörden, die Entscheidung zur Einziehung des Vermögens bis zum Urteil des GH und jenem des Bundesgerichts zur internen Wiederaufnahme im Falle der Feststellung einer Konventionsverletzung durch denselben aufzuschieben. Mit der Resolution 1956 (2010) vom 15.12.2010 schaffte der Sicherheitsrat den Entwicklungsfonds für den Irak ab. Seine Erträge wurden an die irakische Regierung übertragen. Rechtsausführungen Die Bf. behaupten, die Einziehung ihres Vermögens sei unter Verletzung von Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) angeordnet worden. I. Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK Der GH ist der Ansicht, dass die Beschwerde unter dem Aspekt der Behauptung einer Verletzung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht untersucht werden muss. 1. Zur Zulässigkeit Um festzustellen, ob er zuständig ist, über die Beschwerde unter Art. 6 Abs. 1 EMRK zu entscheiden, muss der GH untersuchen, ob sie in den Anwendungsbereich von Art. 1 EMRK fällt und so die Verantwortlichkeit des belangten Staates auslöst. Unter Berufung auf die Entscheidung Behrami und Behrami/F und Saramati/F, D und N bringt insbesondere die französische Regierung als Drittbeteiligte vor, dass die von den Mitgliedstaaten der UN zur Umsetzung der Österreichisches Institut für Menschenrechte NLMR 6/2013-EGMR Resolutionen des Sicherheitsrates unter Kapitel VII der Charta der UN gesetzten Maßnahmen der UN zuzurechnen seien und daher aus der Zuständigkeit des GH ratione personae herausfallen würden. Dieser kann dem nicht beipflichten. Er erinnert daran, dass er in dem genannten Fall zum Schluss gekommen ist, dass die strittigen Handlungen und Unterlassungen der KFOR, auf welche die Befugnisse vom Sicherheitsrat unter Anwendung von Kapitel VII der Charta gültig delegiert worden waren, und der UNMIK1, eines Nebenorgans der UN, das unter demselben Kapitel geschaffen wurde, der UN zuzurechnen waren. Im vorliegenden Fall beauftragten die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates – insbesondere die Resolution 1483 (2003) – die Staaten hingegen, in ihrem eigenen Namen zu handeln und sie auf nationaler Ebene umzusetzen. Im gegenständlichen Fall wurden die vom Sicherheitsrat auferlegten Maßnahmen national durch eine VO des Bundesrates umgesetzt. Das Vermögen der Bf. wurde eingefroren und das EVD hat mit Entscheidung vom 16.11.2006 die Einziehung bestimmten Vermögens verfügt. Diese Akte stellen eindeutig nationale Anwendungen einer Resolution des Sicherheitsrates der UN dar. Die behaupteten Konventionsverletzungen sind daher der Schweiz zuzurechnen. Daraus geht hervor, dass die strittigen Maßnahmen von der Schweiz in Ausübung ihrer »Hoheitsgewalt« im Sinne von Art. 1 EMRK gesetzt wurden. Die strittigen Handlungen oder Unterlassungen können daher die Verantwortlichkeit des belangten Staates nach der Konvention auslösen. Das bedeutet auch, dass der GH ratione personae zuständig ist, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden. Der GH weist daher die Einrede der Unvereinbarkeit der Beschwerde ratione personae zurück (mehrheitlich; Sondervotum von Richter Sajó). Der GH kann auch dem Vorbringen der belangten Regierung zur Unvereinbarkeit der Beschwerde unter Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der Konvention ratione materiae nicht folgen, wonach sich die Bf. auf kein »Recht« im Sinne der Konvention berufen könnten und daher Art. 6 EMRK auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Er erinnert daran, dass die Bf. rügen, keinen Zugang zu einem Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren gehabt zu haben, das ihnen erlaubt hätte, die Einziehung ihres Vermögens anzufechten. Da dies direkt den Genuss ihres Eigentums gefährdet, können sich die Bf. auf einen »zivilrechtlichen Anspruch« im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK berufen. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass die Schweiz das 1. Prot. EMRK nicht ratifiziert hat, dessen Art. 1 das Recht auf Achtung 1 United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, das ist die seit 1999 bestehende Interimsverwaltung der UN im Kosovo. © Jan Sramek Verlag NLMR 6/2013-EGMR Al-Dulimi und Montana Management Inc. gg. die Schweiz des Eigentums garantiert. Angesichts des Vorgesagten weist der GH die Einrede der Regierung zurück (mehrheitlich; Sondervotum von Richter Sajó). Im Ergebnis ist die Beschwerde weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen Grund unzulässig und muss daher für zulässig erklärt werden (mehrheitlich; Sondervotum von Richter Sajó). 2. V orfrage: Das Nebeneinander der Konventions garantien und der den Staaten durch Resolutionen des Sicherheitsrates auferlegten Verpflichtungen Nach gefestigter Rechtsprechung sind die Vertragsstaaten unter Art. 1 EMRK für alle Handlungen und Unterlassungen ihrer Organe verantwortlich, egal ob sich diese aus dem nationalen Recht herleiten lassen oder aus internationalen rechtlichen Verpflichtungen. Die belangte Regierung sowie die französische und britische Regierung als Drittbeteiligte bringen vor, dass die Schweizer Behörden im vorliegenden Fall keinen Spielraum bei der Umsetzung der betreffenden Resolutionen des Sicherheitsrates hatten. Eine Maßnahme eines Staates, die in Umsetzung von rechtlichen Verpflichtungen aus seiner Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation gesetzt wird, muss als gerechtfertigt angesehen werden, wenn die betreffende Organisation den Grundrechten einen Schutz bietet, der zumindest gleichwertig mit dem von der Konvention gewährten ist. Bietet die Organisation also einen derartigen gleichwertigen Schutz, besteht eine Vermutung, dass die Staaten den Ansprüchen der Konvention Genüge tun, wenn sie lediglich die rechtlichen Verpflichtungen aus ihrer Mitgliedschaft in dieser Organisation erfüllen. Demgegenüber bleibt ein Staat nach der Konvention voll für alle Akte verantwortlich, die nicht strikt auf seinen internationalen rechtlichen Verpflichtungen beruhen, insbesondere wenn er ein Ermessen ausgeübt hat. Der Großteil der vom GH bisher in diesem Zusammenhang entschiedenen Fälle betraf den Zusammenhang zwischen dem Recht der EU und den aus der Konvention erfließenden Garantien. Der GH stellt jedoch fest, dass er es niemals ausgeschlossen hat, diesen Test des gleichwertigen Schutzes auf eine Situation anzuwenden, in der es um die Vereinbarkeit von Akten anderer internationaler Organisationen als der EU mit der Konvention geht. Im Ergebnis befindet er, dass die Vermutung eines gleichwertigen Schutzes insbesondere darauf abzielt zu vermeiden, dass ein Staat einem Dilemma ausgesetzt ist, wenn er die rechtlichen Verpflichtungen geltend machen muss, die ihm aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer internationalen Organisation obliegen, die selbst nicht Mitglied der Konvention ist. Wie nun aber Österreichisches Institut für Menschenrechte der vorliegende Fall belegt, kann sich ein solches Dilemma für einen Staat genausogut aus seiner Mitgliedschaft in den UN wie aus seiner Zugehörigkeit zur EU als supranationaler Organisation im europäischen Bereich ergeben. Der vorliegende Fall eignet sich für eine Untersuchung im Lichte des Tests eines gleichwertigen Schutzes insbesondere, da die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates und vor allem § 23 der Resolution 1483 (2003) den Staaten kein Ermessen bei der Umsetzung der daraus erfließenden Verpflichtungen gewähren. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die gegenständliche Situation wesentlich von jener in Nada/CH, wo die Große Kammer festgestellt hat, dass die Schweiz einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung der betreffenden Resolutionen des Sicherheitsrates besaß. Was den im vorliegenden Fall verfügbaren Schutz anbelangt, gesteht die belangte Regierung selbst ein, dass das gegenwärtige System – auch in seiner durch die Resolution 1730 (2006) verbesserten Form, die es den Bf. ermöglicht, bei einem Focal Point ihre Streichung von den vom Sicherheitsrat erstellten Listen zu verlangen – keinen zur Konvention gleichwertigen Schutz bietet. Der GH teilt diese Ansicht. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch den Bericht des Sonderberichterstatters der UN für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte vom 26.9.2012 bestätigt. Der Sonderberichterstatter bringt dort klar zum Ausdruck, dass das durch die Resolution 1267 (1999) vom 15.10.1999 eingerichtete Sanktionsregime gegen die Al-Kaida trotz der beachtlichen Fortschritte im Hinblick auf das Verfahren durch die Resolutionen 1904 (2009) vom 17.12.2009 und 1989 (2011) vom 17.6.2011 des Sicherheitsrates, wodurch ein Ombudsmann eingerichtet wurde, in diesem Bereich immer noch nicht den internationalen Mindeststandard achtet. Der GH schließt sich dieser Schlussfolgerung vorbehaltlos an. Aus dem Fehlen eines dem Ombudsmann vergleichbaren Kontrollmechanismus im Rahmen des Sanktionsregimes gegen die frühere irakische Regierung nach der Resolution 1483 (2003) ergibt sich a fortiori, dass der auf internationaler Ebene gewährte Schutz nicht gleichwertig mit dem der Konvention ist. Im Übrigen kann nicht gesagt werden, dass die verfahrensmäßigen Mängel des Sanktionsregimes im vorliegenden Fall durch nationale Menschenrechtsschutzmechanismen ausgeglichen worden wären, da das Bundesgericht sich weigerte, die Begründetheit der strittigen Maßnahmen zu überprüfen. Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die Vermutung eines gleichwertigen Schutzes keine Anwendung findet. Der GH muss daher über die Begründetheit der Beschwerde betreffend den Zugang zu einem Gericht absprechen. © Jan Sramek Verlag 3 4 Al-Dulimi und Montana Management Inc. gg. die Schweiz 3. U ntersuchung der Beschwerde betreffend den Zugang zu einem Gericht Der GH befindet, dass den Bf., die vergeblich versuchten, die Einziehung ihres Vermögens bei den Schweizer Gerichten anzufechten, eine Beschränkung ihres Rechts auf Zugang zu einem Gericht zuteil wurde. Dies scheint von der belangten Regierung nicht in Frage gestellt worden zu sein. Daher muss untersucht werden, ob diese Beschränkung ein legitimes Ziel verfolgte und ob eine vernünftige Verhältnismäßigkeit zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel gegeben war. Laut Regierung verfolgte die Einschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht das legitime Ziel der Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Der GH ist bereit, diese Schlussfolgerung zu akzeptieren. Die vom Sicherheitsrat unter Kapitel VII der Charta der UN angenommene Resolution 1483 (2003), die der strittigen Beschränkung zugrunde liegt, hatte zum Ziel, den Mitgliedstaaten eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Stabilisierung und Entwicklung des Iraks aufzuerlegen. Es ging nach § 23 der Resolution insbesondere darum sicherzustellen, dass das Hab und Gut von hohen Amtsträgern der früheren irakischen Regierung – darunter des Bf., der laut dem Sicherheitsrat ein früherer Verantwortlicher für die Finanzen der irakischen Geheimdienste war – an den Entwicklungsfond für den Irak übertragen und dann an das irakische Volk zurückgegeben wurde, damit dieses Nutzen daraus ziehen konnte. Dieses Ziel ist völlig mit der Konvention vereinbar. Der GH akzeptiert das Vorbringen der Regierung, wonach die Weigerung der nationalen Gerichte, die Rügen der Bf. wegen der Einziehung von deren Vermögen inhaltlich zu untersuchen, von ihrem Bestreben beeinflusst war, eine wirksame Umsetzung der Verpflichtungen aus der genannten Resolution auf nationaler Ebene sicherzustellen. Was das Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel anbelangt, beobachtet der GH, dass das Bundesgericht in sehr ausführlichen Urteilen die Gründe dargelegt hat, aus welchen es sich als unzuständig ansah, die Anträge der Bf. auf Aufhebung der Einziehung zu untersuchen. Es hat im Übrigen überprüft, ob die Namen der Bf. tatsächlich in den vom Sanktionskomitee erstellten Listen enthalten waren und ob das betroffene Vermögen ihnen gehörte. Demgegenüber hat es sich geweigert, die Rügen der Bf. betreffend ihre zivilrechtlichen Ansprüche inhaltlich zu untersuchen. Bei der Resolution 1483 (2003) handelte es sich – anders als bei der Situation, die den Maßnahmen zugrundelag, über die sich der Bf. in Nada/CH beschwerte – nicht um eine Antwort auf eine drohende Terrorgefahr, sondern ging es darum, die Autonomie und Souveränität der irakischen Regierung wiederherzustellen Österreichisches Institut für Menschenrechte NLMR 6/2013-EGMR und dem irakischen Volk das Recht zu garantieren, frei über seine politische Zukunft zu entscheiden und seine natürlichen Ressourcen zu kontrollieren. Folglich stehen die strittigen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts, der seinen Ursprung 1990 hatte. Differenziertere und gezieltere Maßnahmen scheinen daher leichter mit einer wirksamen Umsetzung der Resolutionen vereinbar zu sein. Im Übrigen wurden den Bf. bedeutende Beschränkungen zuteil. Sie behaupten, dass ihr Vermögen schon 1990 eingefroren wurde, was von der Regierung auch nicht bestritten wird. Die Einziehung ihres Vermögens wurde am 16.11.2006 verfügt. Die Bf. sind daher des Zugangs zu ihrem Vermögen bereits seit eines beträchtlichen Zeitraumes beraubt, auch wenn die Entscheidung zur Einziehung noch nicht vollstreckt wurde. Ohne sich mit der Begründetheit dieser Maßnahmen befassen zu müssen, befindet der GH, dass die Bf. gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK das Recht haben, sie von einem Gericht überprüfen zu lassen. Die jahrelange Unmöglichkeit, die Einziehung anfechten zu können, ist in einer demokratischen Gesellschaft kaum denkbar. Daneben hat das Bundesgericht ausgesprochen, dass es Aufgabe der Unterinstanz sei, dem Bf. eine kurze und letzte Frist zu gewähren, um es ihm zu erlauben, vor dem Sanktionskomitee ein neues Löschungsverfahren unter Inanspruchnahme der Verbesserungen durch die Resolution 1730 (2006), wozu insbesondere die Schaffung eines Focal Point zählte, der Anträge auf Löschung empfangen kann, anzustrengen. Der entsprechende Antrag des Bf. wurde jedoch am 6.1.2009 zurückgewiesen. Die Regierung bringt zudem vor, dass die Schweizer Behörden vier Anträgen der Bf. stattgegeben haben, mit denen sie um Zugang zum eingefrorenen Vermögen für die Bezahlung ihrer Anwaltskosten ersuchten. Die Betroffenen wären auch von der Genehmigung informiert worden, auf das eingefrorene Vermögen in der Schweiz zurückgreifen zu dürfen, um das zukünftige Honorar eines amerikanischen Anwalts für das Einziehungsverfahren in der Schweiz und das Verfahren zur Löschung vor dem Sanktionsausschuss zu bezahlen. Diese Maßnahmen sind gewiss geeignet, die Einschränkungen im Hinblick auf den Genuss des Eigentums durch die Bf. in einem bestimmten Maß zu erleichtern, doch schaffen sie keine Abhilfe bezüglich der Unmöglichkeit, die Begründetheit der Beschränkungen von einem Gericht untersuchen zu lassen, weswegen sich die Bf. vor dem GH unter Art. 6 EMRK beschweren. Angesichts des Vorgesagten befindet der GH, dass es – solange auf der Ebene der UN keine wirksame und unabhängige gerichtliche Überprüfung im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Aufnahme von Personen und Einrichtungen in ihre Listen existiert – unverzichtbar ist, dass diese Personen und Einrichtungen befugt sind, die Untersuchung jeder Maßnahme in Anwendung © Jan Sramek Verlag NLMR 6/2013-EGMR Al-Dulimi und Montana Management Inc. gg. die Schweiz des Sanktionsregimes vor den nationalen Gerichten zu verlangen. Die Bf. kamen jedoch nicht in den Genuss einer solchen Kontrolle. Daraus folgt, dass ihr Recht auf Zugang zu einem Gericht in seinem Wesen beeinträchtigt wurde. Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (4:3 Stimmen; Sondervotum von Richter Lorenzen, gefolgt von Richter Raimondi und Richterin Jočiené). Strafe ohne Gesetz), Art. 8 EMRK (hier: Recht auf Achtung des Privatlebens) und Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz). Diese Beschwerdepunkte sind aus unterschiedlichen Gründen unzulässig und daher zurückzuweisen (einstimmig). III. Entschädigung nach Art. 41 EMRK II. Zu den anderen behaupteten Verletzungen Die Bf. rügen daneben mehrere Verletzungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren), eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 EMRK (Unschuldsvermutung), Art. 6 Abs. 3 EMRK (Verteidigungsrechte), Art. 7 EMRK (Keine Österreichisches Institut für Menschenrechte Da die Bf. keinen materiellen Schaden erlitten und auch keine Entschädigung für immateriellen Schaden oder Kosten und Auslagen verlangt haben, befindet der GH, dass ihnen keine Entschädigung zuzusprechen ist (einstimmig). © Jan Sramek Verlag 5