alessandro Torriani, der Lausbub von der Insel Funzi in Kenia

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alessandro Torriani, der Lausbub von der Insel Funzi in Kenia
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ein tag im leben
Alessandro Torriani,
der Lausbub von der
Insel Funzi in Kenia
Aufgezeichnet von Emil Hager
Er hat sich in Kenia sein eigenes kleines Paradies
aufgebaut: Der Schweizer Alessandro Torriani
wohnt mit seiner Frau und den vier Kindern auf
der Insel Funzi und hat sich dort zum Hotelier
gemacht.
Auf der Insel Funzi vor der Küste Kenias wird
man nie richtig erwachsen. Ich fühle mich
eher wie ein Lausbub, habe immer wieder
neuen Schabernack im Kopf und darf auch
immer wieder neue Ideen umsetzen. Deshalb
ist hier sogar ein normaler Arbeitstag immer
wieder aufregend. Wir arbeiten zu dritt: Meine Frau Claudia, unser Sohn Alessandro Jr.
(wir nennen ihn Sandy) und ich, Alessandro
Sr. Nach einem frühen Frühstück gehen Claudia und Sandy meist an ihre Arbeit im Resort.
In dieser Zeit fliege ich unsere beiden kleinen
Kinder (Cincia 7, Luciano 6 Jahre alt) nach
Diani in die Schule. Dies deshalb, weil die
Flugzeit sechs Minuten beträgt, während dem
wir mit dem Boot und dem Auto 1,5 Stunden
benötigen würden. Ich habe mit 18 Jahren in
Wangen-Lachen/SZ fliegen gelernt und besitze heute eine Beechcraft Bonanza.
In unserem Resort-Team bin ich derjenige, der mit Ideen kommt. Ich nehme gerne
ein Projekt in Angriff, delegiere dann aber
ST 17/11 2. September 2011
Tochter Cincia liebt
nicht nur das Inselleben, sondern sie
geniesst auch die Tiere,
die ihr Vater hier
züchtet.
auch schnell. Ausnahmen sind technische
Projekte sowie das Finanzielle. Da mache ich
alles selbst. Meine Frau Claudia dagegen ist
sehr gut, was die täglichen Arbeiten im Resort betrifft: Vom Housekeeping über die Küche bis hin zu den Lagern und dem Papierwolf – das ist ihr Gebiet.
Unser Sohn Sandy ist seit zwei Jahren voll
dabei und hilft überall mit. Bei uns dreht sich
der ganze Tag um unsere Gäste. Dies ist relativ anstrengend, denn auf Funzi gibt es mehr
oder weniger keine Regeln: Man isst, wo man
will, wann man will und mit einer grosszügigen Auswahl. Der Gast ist vollkommen frei
und gestaltet sich den Tag nach Belieben.
Wer den Inseltraum hat, melde sich
Sie werden sich fragen, wie bin ich eigentlich
auf diese Insel gekommen? Ich habe viele
Jahre als Kaffeehändler für Jacobs Suchard
gearbeitet. Danach habe ich meine eigene
Kaffeefirma in Kenia gehabt. Wir hatten jedoch immer den Wunsch, in der Tourismusbranche Fuss zu fassen. Generosität schien
uns immer einer der wichtigsten Punkte. Dies
fanden wir jedoch selten. Die meisten Hotels
sind vom Gewinndruck her zu eng gebaut und
werden unflexibel geführt. So entschloss ich
mich, eine Insel zu kaufen, pflanzte Palmen
ein tag im leben
Die Hotels der Welt
waren ihm zu eng
gebaut. Also hat
Alessandro Torriani ein
neues geschaffen.
auch unsere eigenen Gewächshäuser für Gemüse und Salate, die aktuell im Bau sind. Vor
ein paar Jahren habe ich mir einen Bagger gekauft und eigenhändig 200 Hektaren Buschland umgesetzt und 300 000 Aborea- und
­Eukalyptusbäume gepflanzt. Eukalyptus hat
zwar viele Gegner, doch nur damit kann man
der stetigen Abholzung entgegentreten. Die
Menschen hier haben weder Strom noch Kerosin zum Kochen. Also holzen sie alles ab.
Über die Zeit unangenehm ist es, dass wir
viele nette Menschen kennenlernen, diese je-
Andernorts spielen die Kinder mit Hunden oder
Katzen, auf Funzi Island kann es durchaus auch
eine Schildkröte sein.
doch meist nach ein paar Tagen wieder aus
den Augen verlieren.
Mit viel Freude sind wir bei einem Waisenhaus für 150 moslemische Kinder engagiert, welches wir vor gut 20 Jahren mithalfen
zu bauen und seither weiter unterstützen.
Zurzeit sind wir damit beschäftigt, eine Kirche für die Christen auf der Insel zu bauen,
die nach ihrer Fertigstellung während der
Woche als Schule dienen soll.
◆
www.thefunzikeys.com
steckbrief Alessandro Torriani
Alter: 53 Jahre, verheiratet mit einer Kolumbianerin, 4 Kinder
Arbeitgeber: Selbständig
Arbeitsort: Insel Funzi /Kenia
Gelernter Beruf: Kaffeehändler
Berufliche Stationen: Vom Kaffeehändler zum
Jack of all trades
Hobbys: Fliegen und Hochseefischen
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und baute neun Bungalows auf einem Kilometer Strand verteilt. Dazu installierten wir
einen Pool, der von der Grösse her fast olympische Ausmasse hat. Dies für die paar wenigen Gäste. Wir mussten ausserdem auch unseren eigenen Strom und unser eigenes
Wasser organisieren.
Dank guten Beziehungen zum Präsidenten konnten wir sicherstellen, dass wir heute
das einzige Resort mit Privatstrand sind. Inzwischen haben wir sieben Inseln. Und falls
jemand einen ähnlichen Traum hat, soll er
oder sie sich gerne melden.
Die Hauptinsel Funzi ist speziell. Die 600
Einwohner sprechen eine eigene Sprache, Kifundi genannt. Diese wird nirgendwo anders
auf der Welt gesprochen. Die Menschen hier
lieben ihren Frieden und so gibt es auch heute noch keine Fahrzeuge ausser unsere: einen
Traktor und meinen Bagger. Man sagt ja, der
einzige Unterschied zwischen Knaben und
Männern sind die Kosten ihrer Spielsachen,
daher eben mein Bagger...
Irritiert durch all die Antibiotika in der
Tierhaltung haben wir unsere eigene Zucht
angelegt. Heute züchten wir knapp 300 Boran-Kühe, die wir mit Aberdeen-Angus und
Charolet kreuzen, Schweine und Hühner fühlen sich bei uns ebenfalls wohl. Alles Bio, wie
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