Ein alter Freund sagt «Good Bye»

Transcription

Ein alter Freund sagt «Good Bye»
6
touring 10 10. Juni 2004
tourismus
zvg
Ein alter Freund
sagt «Good Bye»
1954 fuhr der legendäre
Routemaster-Bus erstmals durch die Strassen
der Londoner City. Heute,
50 Jahre später, neigen
sich die Tage dieses Doppeldeckers mit seiner offenen Plattform dem
Ende entgegen.
«Railway Replacement Service»
stand unübersehbar geschrieben,
als wir am Londoner Flughafen
standen. Die U-Bahn, von den Einheimischen «Tube» genannt, war
übers Wochenende in Revision. So
kam es, dass wir schon auf der
Fahrt in die City in den einmaligen
Genuss einer Fahrt mit einem
Doppeldecker-Bus kamen. Schon
bald tauchte der berühmte «Hyde
Park» mit seinem See, das märchenhafte Warenhaus «Harrods»
in Kensington und dann «Piccadilly Circus» mit der Eros-Statue auf.
Eintauchen ins Fahr-Erlebnis
Hier, im Herzen der City begegnen
uns noch viele Routemaster-Busse. Da gibt es einmal die Linie 8,
welche von «Victoria» her kommend über die «Oxford Street» weiter ins Quartier Hackney im Nordosten der Stadt fährt. Dort findet
sonntags der bei den Londonern
beliebte «Columbia Road Flower
Market» statt. Also besteigen wir
die offene Plattform des Busses
und geniessen die Fahrt auf den
komfortablen Plüsch-Sitzen im
Oberdeck.
«Die Geschichte des Routemaster ist so einmalig, dass es sich
lohnt, das Rad der Zeit um 50 Jahre zurück zu drehen», so Verkehrsexperte Steven Wood, welcher mit
uns die Fahrt geniesst und selbst
einen Routemaster besitzt. «Damals entschied «London Transport», die Entwicklung des zukünftigen Standardbusses selbst durchzuführen.» Einerseits musste an einen Nachfolger des Typ RT von
1939 gedacht und andererseits
sollte das Trolleybusnetz umgestellt werden. Nach intensivsten
Tests an den vier Prototypen wurden 1958 en bloc 800 Fahrzeuge
bestellt, welche ab 1959 in den Li-
Für den Routemaster naht die letzte Fahrt ins Depot.
Wissenswertes in London
■ Routemaster live: Am 24. / 25. Juli feiert der Bus seinen 50. Geburtstag. Erwartet werden rund
150 Routemaster. Am Sonntag
gibt es ein Fahrzeugkorso mit
historischen London-Bussen sowie (an beiden Tagen) Publikumsrundfahrten. Am Finsbury
Park endet die Routemaster-Linie 19.
Infos unter: www.tfl.gov.uk,
www.routemaster.org.uk,
www.finsburypark.org
■ Good Bye: Im Sommer 2004 verschwinden die Routemaster auf
den Routen 8 und 12, im Herbst
2004 sind die Routen 9, 73, 137
und 159 dran. Die noch verblei-
niendienst kamen. Bis 1968 entstanden darauf hin insgesamt 2876 Routemaster. Heute sind noch rund 500
der nur rund 7,5 Tonnen schweren
Fahrzeuge mit dem selbsttragenden
Aluminium-Aufbau in London in
Betrieb.
Zu Fuss geniessen
Vom «Piccadilly» mit Soho und den
unzähligen China-Shops ist es nicht
mehr weit zur Westminster Bridge,
benden vier Routen 13, 14, 19
und 38 werden im Jahre 2005 umgestellt.
■ Flowers & Tea: Sonntags geht man
nach Hackney zum «Columbia
Road Flower Market». Die Briten
lieben Blumen und Pflanzen,
aber auch Tee & Bagels im «Café
Columbia», 138 Columbia Road.
Routemaster-Linie 8 ab Victoria
oder Oxford Circus.
■ River Thames: Riesenrad «British
Airways London Eye», Tate Modern und Tower Bridge, im
Herbst auch Anlegestelle des
Raddampfers «Waverley» mit Tagesauflügen ans Meer.
BW
zum Parlament und Big Ben. Hier
beginnt unser Spaziergang dem Südufer der Themse entlang, dessen
Höhepunkte der Besuch des Riesenrades sowie der Tate Modern sein
wird: «Noch vor wenigen Jahren
prägten nicht mehr benutzte Lagerhäuser und Kraftwerksbauten das
Erscheinungsbild der Gegend», bemerkt Marcel Maag, der seit 1972 in
London lebt und bei der London
Bridge arbeitet. «Ich mag mich noch
gut erinnern, wie das 135 Meter
hohe Riesenrad in der Themse horizontal zusammengebaut und
dann aufgestellt wurde.»
Weiter flussabwärts treffen wir
auf den Oxo Tower aus den 20er
Jahren. «Weil Leuchtreklamen damals verboten waren, bauten die
Architekten einfach drei von innen
beleuchtete Fenster mit den Buchstaben O, X und O untereinander!»
Dann unterqueren wir die viktorianische Blackfiars Rail Bridge
und stehen vor der mächtigen Tate
Modern. Den Umbau des ehemaligen, von Sir Gilbert Scott 1952 gebauten 240-MW-Kraftwerks – er
zeichnete auch die berühmte Telefonkabine – zur Kunstgallerie, gestalteten die beiden Schweizer
Architekten Jacques Herzog und
Pierre de Meuron. Das rund 200
Meter lange Gebäude ist innen
zweigeteilt: Dem Fluss zugewandt
die sieben Stockwerke im ehemaligen Kesselhaus, dann der luftige
Raum der Turbinenhalle mit seinen Wechselausstellungen. «Diesen Sommer werden die Bilder
vom amerikanischen Künstler
Edward Hopper (1882–1967) sowie
des Belgiers Luc Tuymans (1958)
ausgestellt sein», so ein vom Ausstellungskonzept der Tate Modern
begeisterter Marcel Maag.
Beat Winterflood