Letzte Lebenszeichen

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Letzte Lebenszeichen
Briefe aus dem Krieg
Im vorletzten Kriegsjahr haben sich die Lehrerin und der Hauptfeldwebel kennen gelernt – in einem Kino in Hohensalza. Ein halbes Jahr
später, im Januar 1945, ist die Hochzeit von Adele und Karl-Wilhelm
Neitzke. Schon zehn Tage danach muss der Hauptfeldwebel wieder an
die Front, wo er in den Wirren des Krieges von einem versprengten
Truppenverband zum nächsten geschickt wir d. Verzweifelt schreibt
der frisch Vermählte dennoch über zw ei Monate hinweg Briefe an
seine Frau, ohne jemals eine Antwor t von ihr zu erhalten. D enn sie
befindet sich inzwischen auf der Flucht und gerät in Gefangenschaft.
Als sie endlich die letzten, sehnsüchtigen Worte ihres Ehemannes in
den Händen halten kann, ist dieser längst v ermisst gemeldet. Adele
Neitzke hat ihren Ehemann nach der Hochzeit nie wieder gesehen.
Wie die Feldpostbriefe dieses Soldaten erzählt jeder Brief, jede Karte
und jeder Gruß in den „Letzten Lebenszeichen“ über die Schicksale
von Söhnen, Männern und Vätern fern der Heimat und von den tiefen Verbindungen der Menschen zueinander.
Letzte
Lebenszeichen
Aus über 1 000 Einsendungen haben wir eine Auswahl von Feldpostbriefen getroffen, um sie in den „Letzten Lebensz eichen“ in ihrer Eigenheit und zugleich in ihr er Vielfalt zu versammeln. Diese Wahl ist
uns nicht immer leicht gefallen. D enn zu jedem dieser B riefe gehört
eine Lebensgeschichte und schließlich der schmer zliche Verlust eines
geliebten Menschen. Wir wünschen uns, dass heutige G enerationen
dieses Drama nicht wiederholen werden.
Olav Teichert und Brigitte Rathmann
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Briefe aus dem Krieg
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Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge e. V.
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Letzte
Lebenszeichen
Briefe aus dem Krieg
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Inhalt
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 3
Vorwort
Reinhard Führer
9
Letzte Lebenszeichen
Leo Anderka
Paul d’Apolonia
Artur Bäumle
A
Wenn doch schon ein Ende wäre
14
Wer weiß, wie alles noch kommt
15
B
Da war aber die Hölle los
22
Du wirst neugierig sein, wie es bei uns zugeht
28
Ohne Nachricht von Euch
31
... keine Ritterkreuze, nur Splitter ins Kreuze
34
Ich sitze hier in einem Erdloch meines Geistes
41
Erich Bruschke
Ich bin gesund und munter
45
Otto Buchholz
Die einzige Beruhigung, die man hat
48
Josef Beck
Franz Blaha
Hans-Joachim Breitenbach
Rolf Bruns
Jürgen Fritz Johann Campsen
C
So, mein Lieb, ich muss schließen
52
Briefe aus dem Krieg
3
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 4
Heinz Dürmaier
Josef Einig
Joseph Ernstberger
Willi Gley
Georg Gräfe
Hermann Grimrath
Stefan Gruber
Andreas Güner
August Willy Hagel
D
Zum Muttertag ...
56
Wovor ich Euch bewahren möchte
60
Dann wird alles sein, als ob nichts gewesen wäre
63
E
G
Was ich Euch noch sagen möchte
66
... vielleicht halten wir ihn doch auf
70
Ich werde ganz fest an Dich denken
72
Jeden Tag bekomme ich eine größere Wut
74
Lasse mich doch nicht so lange war ten
76
H
Nimm Dir nur einen guten Vater für unsere Kinder
80
Werner Hast
Ich selbst will Dir „Lebe-Wohl“ sagen
89
Max Helgert
Ich mache mir die größten Sorgen um Euch
91
Es ist allerhand los hier
95
Martin Hildebrandt
4 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 5
J
Günther Jokisch
Adolf Jonderko
Wenn ich Dich nicht hätte, liebe Ma
98
... dann hau ihm so den Hintern voll ...
101
K
Jakob Kimmel
Schicke Dir hier einige Zigarren
106
Wir vermissen ihn auch heute noch.
108
Ja, es soll wohl nicht anders sein
110
Helmut Körner
Du Sorge beugst das Herz mir nicht
112
Klaus Kuhlow
Hoffentlich bleibt Euch das erspart
114
... so bin ich noch der einzige Überlebende ...
116
Wendelin Kliche
Herbert Kloos
Heinrich Kullick
M
Philipp Maul
Ich wurde gleich operiert
122
Lebt wohl, Euer Georg
125
... trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich durchkomme
131
Georg Müglitz
Hans Müller
Werner Arthur Nass
Karl-Wilhelm Neitzke
Erich Neumann
Max Neumann
August Meinhard Nissen
N
... an ein unerbittliches Schicksal glauben
136
Hoffentlich bekommst Du diesen Brief
139
Du weißt, der Mensch muss Glück haben
145
Ich will nicht, dass sie um mich weinen
147
Mir saß das Herz im Halse
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Briefe aus dem Krieg
5
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Herbert und Friedrich Oetjen
Ernst Posselt
Joachim Rühland
Hans-Eberhard Schattkowsky
O
... denn wir wissen ja noch nicht , was wird
P
Wenn man nur heil hier herauskommt
R
... immer noch ohne Post von Dir
S
156
160
164
... ohne Nazis besser
172
Draußen tobt der Krieg
175
Ich bin ganz närrisch vor Glück
178
Die Wunde ist sonst nicht gefährlich
182
Franz Schönberg
... denke, dass wir es schaffen werden
190
Gerhard Schulze
Ein Einschlag nach dem anderen
191
... eigentlich habe ich noch gar nicht gelebt
193
Macht Euch nur keine zu großen Sorgen
196
... dann ist man von aller Qual erlöst
198
Konstantin von Schaubert
Robert Schlösser
Hans und Heribert Schmidt
Otto Setzpfand
Bernhard Sperer
Jakob Stöcker
Karl-Heinz Trogisch
6 Letzte Lebenszeichen
T
Du sollst Dir keine dummen Gedanken machen
202
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Josef Ullrich
Friedrich Wache
Waldemar Wichmann
Armin Franz Wittich
Helmut und Herbert Worm
U
Essen reichlich und gut
210
... denn ich habe großen Appetit nach Kuchen
216
Nur Zigaretten und Sumpfwasser hatten wir
220
Der heutige Heldengedenktag mahnt
222
Nicht unser, sondern Dein Wille geschehe
230
W
Anhang
Alphabetisches Verzeichnis der Förderer
235
Bisher in unserer Volksbund-Buchreihe erschienen
236
Impressum
240
Anmerkung der Redaktion:
Die Zeitzeugenberichte in diesem Buch haben wir
der aktuellen Rechtschreibung angeglichen.
Die teilweise ungenügende Bildqualität bitten wir zu entschuldigen.
Briefe aus dem Krieg
7
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 8
Vorwort
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REINHARD FÜHRER
Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
So verschieden – und doch alle gleich kostbar:
Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg
„Herzliebste Elisa und Kinder! [...] I ch will gerne
noch das Zehnfache aushalten, wenn nur uns beiden
wieder einmal die S onne scheint. Und wenn es an ders kommen sollte, bewahre ein gutes Andenken an
mich. Gib unseren Kindern an meiner S telle einen
Kuss und D u bekommst im G eiste einen v on mir.
Mit vielen Grüßen, Dein Josef“
Dies sind die Zeilen eines Soldaten, der weiß, dass er
Reinhard Führer, Präsident des
womöglich bald sterben wir d. Seine letzten Gedan- Volksbundes Deutsche
ken, gefasst mit dem kleinsten Stummel eines Bleistif- Kriegsgräberfürsorge e. V.
tes auf dünnem Feldpostpapier, gelten seinen Lieben.
Heute ist dieser B rief ein Z eitdokument, das den
Nachgeborenen aus erster H and von Kummer und
Elend des Krieges berichtet.
So wie Josef Beck aus Rannungen sandten viele S oldaten des Zweiten Weltkrieges
ihre letzten Worte in Form eines Feldpostbriefes in die ferne Heimat. Und so wie Josef Beck, der am 13. Juli 1941 in Weißrussland fiel, kehrten viele dieser Briefeschreiber nie zurück. Manche haben bis heute kein würdiges Grab.
Viele dieser Geschichten, von denen uns die F eldpostbriefe als letzte Lebensz eichen
berichten, haben wir dank der Hilfe unserer Förderer nun zu einem Zeitzeugenbuch
zusammenstellen können. Diese Sammlung von letzten Briefen an die Lieben daheim
eröffnet nicht nur einen Blick auf den Soldatenalltag an der Front, sondern auch auf
das Leben der Mütter, Ehefrauen und Kinder.
Viele Millionen Feldpostsendungen gingen im Zweiten Weltkrieg zwischen Heimat
und Front hin und her . Und doch ist jeder einz elne Brief unendlich w ertvoll und
überaus wichtig. Sie sind so verschieden wie ihre Verfasser. Besonders kostbar sind sie
Briefe aus dem Krieg
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durch ihre Unmittelbarkeit. Selbstverständlich werden viele Briefe voller Absicht so
geschrieben, wie man sich ihr e Wirkung zuhause erhofft. Vor allem das Grauen des
allgegenwärtigen Tötens bleibt vielfach ausgespart. Denn will man die Familie daheim
noch zusätzlich belasten? Oft gibt es motivierende Worte. Die Gedanken der Soldaten gelten den Angehörigen, die sich doch bitte keine Sorgen machen sollen: Es ginge
doch schon wieder, die Verletzung sei eigentlich ganz harmlos, und immer seien sie
bis jetzt ganz gut durchgekommen, warum auch nicht weiterhin!
Viele Verfasser erzählen in aller N aivität über den Kampf mit Läusen, die B ewältigung ungeheurer Marschstrecken, versuchen das Leben in B unkern und Zelten zu
beschreiben, geben Auskunft über den eigenen körperlichen Z ustand, die Erschöpfung, die Verwundungen. Daneben scheinen in den Briefen nicht selten „die kleinen
Alltagssorgen“ auf.
Da geht es um mangelhafte oder fehlende Verpflegung, für einige auch um Tabak
und vor allem aber um den Heimaturlaub. Das mag banal klingen. Für die Menschen
im Krieg war es das nicht. D enn allein der B rief ist schon wichtig, ist er doch ein
kostbares Lebenszeichen für die Angehörigen zuhause. Sorgen und Kummer verblassen zumindest zeitweise, wenn der Ehemann, der Verlobte, der Sohn oder der Bruder
sich wieder einmal gemeldet hat.
Doch aus manchen B riefen spricht das G efühl von Ausweglosigkeit und Todesahnung. Einige Briefe werden wie Vermächtnisse oder Testamente verfasst. Zwischen
Dreck und Schlamm, in Todesnot im Granathagel der Gegner, geben die Feldpostbriefe den Soldaten eine letzte Möglichkeit, ihr e Gedanken an die H eimat und die
Lieben in Worte zu fassen.
Ein Feldpostbrief kann ein Leben, ein ganze Familie ins Unglück stürzen. Denn häufig sind es die Briefe der Angehörigen an die Soldaten, die, mit den Worten „Gefallen
für Großdeutschland“ versehen und zurückgesandt, nichts anderes als den Tod eines
lieben Angehörigen verkünden. So wird der Feldpostbrief zum letzten Lebenszeichen.
In unsere Zusammenstellung haben wir ganz bewusst auch die Schriften solcher Soldaten aufgenommen, die sich als Helden im Kampf gegen einen verhassten Feind sehen. Sie glauben an die Parolen eines verbrecherischen Regimes, sie glauben mit dem
eigenen Einsatz bis hin zum Tod etwas Gutes für ihr Land zu tun. A uch diese Texte
sind wichtige Zeitdokumente.
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Die Auswahl zeichnet sich ge wiss durch ihre hohe E motionalität aus und beansprucht deshalb nicht, für die Gesamtheit der Briefe repräsentativ zu sein. Die Männer beschreiben das grausam Erlebte jeweils auf ihre eigene Weise. Einer schreibt in
schnell aneinander gereihten Sätzen, durch unzählige Kommas getrennt. Der nächste
dichtet nahezu formvollendet, mit Witz, Humor und feinen Andeutungen. S ie alle
bieten Einblicke in die Seelen der Soldaten, was ihnen am Herzen liegt, worum ihre
Gedanken kreisen, worüber sie sich sorgen und wo von sie träumen – und sei dies
„nur“ ein selbstgebackener Kuchen aus der Heimat, von der Mutter oder der Ehefrau.
So wurden ihre Briefe zu wichtigen Schätzen für die Angehörigen. Vor allem Kriegskinder hängen an diesen Schriftstücken, hüten sie als hohes E rinnerungsgut, haben
häufig nicht mehr vom Vater erfahren als in seinen Briefen steht. Heute ist der Volksbund seinen Förderern zu größtem Dank verpflichtet, dass sie diese für sie persönlich
so bedeutenden D okumente für dieses G emeinschaftswerk zur Verfügung gestellt
haben.
Dafür und für ihre langjährige Unterstützung möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Zugleich versichere ich, dass der Volksbund auch weiterhin die Suche nach den
Vermissten und Toten der Weltkriege fortsetzen und ihr Andenken – so wie in diesem Buch – wahren wird.
Ihr
Reinhard Führer
Briefe aus dem Krieg
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Letzte Lebenszeichen
12 Letzte Lebenszeichen
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A
„Glücklich wär ich jeden Morgen
Spräch nur Lieb aus Deinem Blick.
Sähe ich nur Dich zufrieden
Selig wäre ich im Glück.“
Aus einem Gedicht von Paul d'Apolonia für seine Frau Änne.
Er starb am 13. März 1944.
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Leo Anderka
Eingesandt von Johanna Anderka (Tochter)
Leo Anderka wurde am 21. Dezember 1902 in Sol dvina geboren, war zunächst Beamter, dann Obergefreiter
bei der Infanterie. Er geriet in Kriegsgefangenschaft, erkrankte an Ruhr und starb am 1. Juli 1945 im Gefangenenlager Kalvarija (Kalvarienberg) in Zemun, Jugoslawien. Beerdigt wurde er am 2. Juli in Zemun auf dem
Friedhof Franctalsko.
Johanna Anderka, die Tochter, erinnert sich heute: „Im
Winter 1943 k am er, schwer erkrankt, nach Wien und
vier Monate später nach Istrien. Vor diesem Einsatz hatte er drei Tage Urlaub. In den letzt en Märztagen 1944
Leo Anderka
sah ich ihn zum letzt en Mal. Ich war damals elf Jahr e
alt. Insgeheim hoffte ich lange, dass er zurückkommen
würde. In den erst en Jahren nach dem K rieg kehrten
immer noch entlassene K riegsgefangene heim und, dachte ich, er brauchte ja Zeit, um
uns zu finden. Von unserer Heimatstadt Mährisch-Ostrau im Nordosten Mährens hatte
es uns bis an die dänische Gr enze verschlagen. Aber im Okt ober 1948 kam die Todesnachricht durch das Rote Kreuz.“
Brief an Frau und Tochter
24.11.1944, nach einem Fliegerangriff auf Ostrau
[...] Ich bin ja so froh, dass Euch beiden nichts geschehen ist. Wie groß ist der Schaden, steht von der Wohnung überhaupt noch etwas? [...] Heuer wirst Du mit Hannchen zum Hl. A bend allein sein, und ich w erde hier sitzen. Wenn doch schon ein
Ende wäre. Es haben es schon alle satt. [...]
Letzter Brief an die Tochter
14.3.1945, aus der Nähe von Pula – Istrien
[...] Hier ist es schon ganz warm. D ie Bäume beginnen schon zu blühen. [...] G utes
Hannchen, Du bist schon groß, hilf, wo [Du] kannst der lieben Mutter, sie hat viel
zu tun, und ich kann nicht kommen und helfen. Bleibe gesund, liebes Kind, und folg
immer der Mutter. Mit Kuss, Dein Vater
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Paul d’Apolonia
Eingesandt und abgeschrieben von Wilfried d’Apolonia (Sohn)
Paul d’Apolonia erblickte am 21. April 1910 in Han nover das Licht der Welt. Er starb am
13. März 1944 in der G egend von Samoschitza in Russland und wur de auf dem Sol datenfriedhof Saretschje-Slobodka beerdigt. Heute befindet sich sein Grab auf der Kriegsgräberstätte in Sebesh an der russisch-lettischen Grenze.
Brief an Frau und Kinder
Osten, den 7.2.1944
Meine liebe Änne! Meine lieben Kinderchen Wilfried und Brunhild!
Kurz ein paar Zeilen von Eurem lieben Vati, sonst denkt Ihr nachher, ich habe Euch
vergessen. Liebe Änne, ich habe ja in dem vorigen Brief schon geschrieben, dass ich in
der nächsten Z eit sehr w enig Zeit habe, um zu schr eiben. Dasselbe ist nun eingetroffen. Ihr, meine Lieben, braucht keine Angst zu haben, v orläufig bin ich noch gesund [... Die] Strapazen sind ja sehr groß, aber bis jetzt noch ohne erhebliche Feindberüh rung. Es kann aber mit jeden Moment eintreten.
Vor ein paar Tagen habe ich wieder ein
paar liebe Briefe bekommen, aber leider
ist ja wenig Zeit, um dieselben in R uhe
durchzulesen.
Hoffentlich sind unser e Mütter wieder
beide auf P osten. Meine Mutter hat ja
nun nicht eher R uhe, bis alles wieder in
Ordnung ist. Ich will hoffen und glauben,
dass alles gut abläuft. Ob dieser Brief noch
schnell zu Euch kommt, weiß ich nicht,
denn die Post geht sehr mäßig. Der Russe versucht ja alles Mögliche, um uns bei
Laptevo abzuschneiden, aber unser e
Truppen sind heute zum G egenangriff
angetreten.
Meine lieben Stromers treiben wohl noch
Änne (geb. 20.3.1912) und Paul d’Apolonia
viel Rodelsport. Ja, liebe Änne, auch ich während seinem letzten Urlaub in Osterode
habe oft Heimweh nach Euch und mei- im Harz, September 1943
Briefe aus dem Krieg
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nem gemütlichen Heim. Hoffentlich geht alles mal schneller vorüber, als wir ahnen.
Lasst Euch, meine Lieben, nun recht herzlich umarmen, verbunden mit Küssen von
Eurem lieben Vati.
An meine lieben Eltern die besten Grüße und beste Gesundheit.
Brief an die Familie
Osten, den 22.2.1944 – abgesandt mit Feldpoststempel vom 12.3.1944,
dem Tag, an dem Paul d'Apolonia fiel
Meine liebe Änne! Meine lieben Kinderchen Wilfried und Brunhild!
Mitgeteilt hatte ich E uch, meine Lieben, ja schon, dass es mit der Schr eiberei sehr
traurig aussieht.
Die Lage ist eigentlich sehr miserabel, aber ich muss v ersuchen, ein kleines Lebens zeichen von mir zu geben, dass Ihr Euch nicht zu sehr ängstigt.
Was das heißt, Tag und Nacht auf dem Bauch liegen, [sich] nicht sehen lassen, nur
in einem kleinen Dreckloch, brauch ich ja nicht weiter zu beschreiben. 14 Tage schon
nicht gewaschen, nicht rasiert, na, aber die Russen selbst sind noch schlimmer. Aber
liebe Änne, ich will D ir das Herz nicht noch schw erer machen, das eine sei nur ge sagt, raus müssen wir bald aus diesem D reck. Augenblicklich ist mal wieder star kes
Granatfeuer, rechts und links v on mir schlagen sie ein. E in paar Verwundete haben
wir immer wieder.
Liebe Änne, ich muss mich beeilen, ich kann mich v or allem bedanken für das vierte Päckchen, das sehr schnell hier war, es hat alles vortrefflich geschmeckt, das heißt,
wenn ich mehr Ruhe gehabt hätte, das wär nicht zum Schaden ge wesen. Sonst geht
die Briefpost sehr spärlich und das Schlimmste ist ja, D u kannst sie noch nicht einmal lesen.
Jetzt ist es auch wieder sehr kalt ge worden, ich schätze 25 Grad. Dass da die S timmung nicht rosig ist, könnt Ihr Euch wohl vorstellen.
Liebe Änne [... nun fehlen im Brief einige Sätze, im Päckchen müssen wohl Zigaretten
gewesen sein ...] am gleichen Tage angekommen, so [ein] bisschen Rauch hält einen
noch immer hoch, vor allem wird die Nase etwas warm dabei. Ich liege bei Naswur, also in der Nähe von Nevel, wo direkt, kann ich selbst nicht sagen. So, Ihr, meine Lieben,
lasst Euch recht herzlich umarmen, drücken und küssen von Eurem lieben guten Vati.
Meine lieben Stromers geben viele Küsse.
Hoffentlich hat das Elend bald einmal ein Ende?
Grüße auch bitte unsere lieben Eltern.
Wann ich wieder zum Schreiben komme, weiß ich noch nicht.
Reichsmarken habe ich auch schon wieder eine lange Zeit, ich schicke sie heute noch.
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Stolzer Vater: Paul d’Apolonia mit seinen Kindern Brunhilde (geb. 24.9.1938) und W ilfried
(geb. 19.1.1934)
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 18
Letzter Brief an die Familie
Osten, den 8.3.1944
Meine liebe Änne! Meine lieben Kinderchen Wilfried und Brunhild!
Schon wieder ist unser Z igeunerwagen in Bewegung, keine ruhige Minute wird uns
hier in dem verfluchten Russland gegönnt. Kaum Zeit zum Essen, viel weniger zum
Schreiben. Auch die liebe Post von meinen Lieben ist sehr rar, aber von Zeit zu Zeit
kommt doch ein Lebenszeichen hier an und zur größten Freude seid Ihr alle gesund
und meine lieben Kinderchen tollen gesund im Schnee her um.
Liebe Änne, zu Deinem 32. Geburtstage [am 20.3.1912] sende ich Dir nun die herzlichsten Grüße und Küsse.
Unser gemeinsamer Wunsch, hoffentlich ein baldiges gesundes Wiedersehen in der
lieben Heimat und in den Armen meiner Lieben, möge in E rfüllung gehen.
Wie schön könnte es sein, w enn der lausige Krieg zu E nde wär und wir gemeinsam
deinen Geburtstag feiern könnten.
Leider ist noch kein Ende zu sehen und wer weiß, wie alles noch kommt.
Hoffentlich finden wir nun auch einmal wieder etwas R uhe, denn nötig haben wir
dieselbe bestimmt. Wenn wir doch bloß mal raus kämen aus diesem Dreck, aber wir
sind wohl nur für Russland bestimmt.
Heute haben wir Großkampfverpflegung bekommen. Vier Tafeln Schokolade, Kekse
und Zigaretten, aber nichts, um [es] nach H ause [zu] schicken. Päckchen w erden
nicht angenommen. Umsonst geben sie uns dieselben bestimmt nicht, der Krieger
braucht wieder Kraft. Aber weh tut es mir doch, w enn ich an meine lieben Kin derchen denke und ich esse die Schokolade.
Wenn ich kurz vor dem Urlaub stände, würde ich ja dieselben aufheben, aber leider
[... unleserlich ...]
Vor 14 Tagen habe ich schon mal [... unleserlich ...] empfangen. D ieselbe wollte ich
aufheben und was ist daraus geworden? Bei den schweren Kämpfen ist alles in russische Hände gefallen. Da könnt ihr euch ja denken, wie ich mich geärger t habe.
Na, die Hauptsache ist, ich bin gesund wieder dav ongekommen.
So, liebe Änne, nun feier e mit den lieben Kinder chen Deinen Geburtstag und mit
unseren lieben Eltern und denke an Deinen lieben Paul.
Lass Dich recht herzlich grüßen und küssen und fest umarmen v on Deinem lieben
Mann.
Hoffentlich sehen wir uns bald gesund wieder.
Recht herzliche Grüße und Küsse
Euer lieber guter Vati.
Für Oma Minna ein kurzer Geburtstagsgruß liegt bei.
18 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 19
Ein Gedicht von Paul d’Apolonia für seine Frau Änne,
verfasst während des Krieges in Russland.
Datum unbekannt.
Treue!
Halt’ die Treue mir, mein Mädchen
Halte Treue, wie ich Dir!
Sprich! Wer ist im ganzem Städtchen
wohl so beglückt als wir.
Wollen treu zusammen halten
Hand in Hand in Freud und Leid
Dann wird stets des Schicksals Walten
Stark uns finden jederzeit.
Leichter tragen wir die Sorgen,
Doppelt mehrt sich unser Glück.
Glücklich wär ich jeden Morgen
Spräch nur Lieb aus Deinem Blick.
Sähe ich nur Dich zufrieden
Selig wäre ich im Glück.
Und am Ende dankt hienieden
Dir mein Lieb mein letzter Blick.
Müsste ich dann von Dir scheiden.
Nähme ich als heilig Pfand
Deine Liebe Deine Treue
Mit als unser Lebensband.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 20
20 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 21
B
„Wie geht es Euch?
Meine Gedanken sind ja oft zuhause bei Euch.
Ich male mir aus, wie es sein könnte,
wenn ich daheim wäre.
Dies ist übrigens eine schöne Ablenkung
während des Marsches, besonders nachts,
wenn man beim Marschieren fast einschläft.“
Josef Beck an seine Frau Elisa.
Gefallen am 13. Juli 1944.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 22
Artur Bäumle
Eingesandt von Dr. med. Günter Bäumle (Sohn)
Am 4. September 1906 k am Artur Bäumle in Lörr ach
zur Welt. Seit dem 6. Januar 1943 ist er v ermisst. Der
Oberzahlmeister soll bei Stalingrad gefallen sein. Heute ist er auf einem der Gedenkwürfel der Kriegsgräberstätte in Rossoschka, Russland, namentlich verewigt.
Feldpostbrief an Frau und Kinder
Russland, den 10.8.1942
Meine liebe Hanni, liebe Buben!
Kürzlich reichte es nur zu einem Kärtchen für Euch,
meine Lieben. Ich habe nun v on Dir, mein Schatzi,
ein Briefchen vom 12. und 29.7. erhalten, sowie zwei
Artur Bäumle
Briefe von Günterle [der Sohn], wofür ich Euch von
Herzen recht innig danke. Von den angekündigten
13 Päckchen sind jetzt vier angekommen. Die Creme, Zahnpasta ist prima. Leider ist
der schon lange erwartete Schal noch nicht eingetroffen. Von Augusts Geburtstag habe
ich nichts gewusst, ich habe ihm einen Tag später zu seinem 35. Geburtstag gratuliert.
Unser Regiment ist nun durch Neugliederung [... einem anderen Bereich zugeordnet
worden ...], werden also nicht mehr von der 305. I. D. [Infanterie-Division] versorgt.
So kommt es auch, dass ich von August u. er von mir nichts mehr erfährt. Kraft und
ich sind noch beisammen und kämpfen uns gemeinsam dur ch. In den letzten Tagen
drücken die Russen im Kessel des großen Donbogens ganz gewaltig gegen unseren
Regimentsabschnitt. Tag und Nacht, Stunde um Stunde rollen schwere und schwerste Panzer gegen unsere Linien. Bis jetzt wurden im Abschnitt über 100 Stück abgeschossen. Einmal sind sie sogar durchgebrochen, aber die Freude währte nicht lange.
Da ging es allerdings toll her, denn keiner wusste, was los war und w er „wen“ eingeschlossen hat. E ine Feldküche von uns haben die H unde geschnappt und leerge fressen. Wir hoffen auf baldige Rückgabe. Was ist denn eigentlich in Frankreich los?
Hoffentlich hauen unsere den Engländer und Amerikaner zusammen. Hier herrscht
eine Bombenhitze, vor allen Dingen eine elende Fliegen- und Stechmückenplage, die
einen Tag und Nacht belästigt. I ch bin auch ziemlich schlank ge worden, aber ich
fühle mich pudelwohl dabei. Wenn wir nur bald mit diesem Hexenkessel fertig wür-
22 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:29 Seite 23
den. Major Braun wurde auch verwundet durch 3 Granatsplitter im rechten Arm. Er
geht aber nicht zurück ins F eldlazarett, da er in diesen kritischen Tagen sein Btl.
[Bataillon] nicht verlassen will. Dr. Heinz habe ich auch gesehen. E r sieht zum E rbarmen schlecht aus, unser lieber D r. Ich bin ge sund, mit Zahnschmerzen habe ich
auch nicht mehr zu klagen, da der P lagegeist draußen ist. Sind die Flieger auch in Heilbronn gewesen?
Geh nur mit den B uben sofort in den K eller, nicht
dass etwas passiert, das wäre das Furchtbarste, das ich
mir denken könnte. Kraft hat nun auch einen Pfundswagen, ich habe ihn herausgeholt mit unserem Beutewagen. Der Kühler hat etwas abgekriegt, aber er geht.
Nun bin ich entlastet, da ich 4 Wochen lang sein Btl.
[Bataillon] noch mitversorgt habe, da Kraft ohne je des Fahrzeug war. Familie Öfler u. Fr. Dr. Heinz haben sich sicher über Deinen Besuch gefreut. Allmählich fehlt es hier an Wasser, Kartoffeln und Pferdefutter, da es eine ausgesprochene Steppengegend ist und
Artur Bäumle
ziemlich[e] Kamele, allerdings auch 2-Beinige herumlaufen. Bleibt mir bitte immer schön ge sund und
schreibt oft. Ich sende Euch für heute die herzlichsten Grüße und die heißesten Küsse. Dein Dich innig liebendes und immer fest an E uch denkendes Vaterle
Das Bildchen von Günterle ist sehr nett und er ist gut getr offen und ich schicke es
anbei wieder zurück. Leider hatte es ei nen Knick bekommen.
Feldpostbrief an die Kinder
Russland, den 24.9.1942
Mein lieber Günterle u. Sieger!
Dein liebes Briefle vom 31.8. habe ich mit großer Freude und vielem Dank erhalten.
Wie ich daraus er fahren habe, habt I hr wieder alle Post auf einmal bekommen. I ch
weiß nicht, woran das immer liegt; ich habe auch gestern noch v on Mutti 2 Briefe
vom 26.8. und 1. 9. erhalten. Wie ich sehe, hat nun also bei Dir und Sieger die Schule begonnen. Jetzt müsst Ihr aber auch feste lernen, damit Vati und Mutti stolz auf
Euch sein können. Als ich Dir in meinem letzten Brief schrieb, eh ich nach Stalingrad
fuhr, habe ich Dir versprochen, Dir ein Erlebnis zu schreiben.
Also will ich meine „R eiseeindrücke“ schildern. Ich bin mit einem B-Krad, das ist
eine Beiwagenmaschine, losgebraust früh morgens um 8 Uhr v on Peskowatka – das
liegt ca. 20 km nördlich von Kalatsch u. direkt am Don. Man hört hier sehr gut das
Briefe aus dem Krieg
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Rollen des Geschützdonners von Stalingrad, so dass sich ein Wegweiser erübrigt. Auf
der ganzen Strecke sind die Spuren der harten Kämpfe sichtbar: zerschossene Panzer,
abgeschossene Flieger, tote Pferde und Russen zeichnen die Vormarschstraße der Armee. Leider auch kleinere deutsche Soldatenfriedhöfe mahnen die vorüberziehenden
Truppen. Um 9 Uhr, es ist hinter Dimitrymka gewesen, ging es durch einen von den
Russen ausgehobenen Panzerdeckungsgraben. Diese Gruben haben den Zweck, deutsche Panzer aufzuhalten, nicht erfüllen können, obwohl Panzerkuppeln wie gesät als
Deckung dort waren. Sie wurden überrannt, die B unker genommen, die sich verzweifelt wehrenden Besatzungen aufgerieben oder gefangen genommen. Meist jedoch
mussten die Russen in den Löchern drin einzeln totgeschlagen werden, da sie sich nicht
ergeben wollten. Hinter Karpowka stießen wir gegen 10 Uhr auf den 2. Befestigungsgürtel der Festung Stalingrad. Wieder bot sich unseren Augen dasselbe Bild der Vernichtung, das die deutschen Waffen dem erbittert und zäh ringenden G egner zuge-
Die beiden „Buben“ Günter und Siegfried zusammen mit Mutter und V ater
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fügt hatten. Nach einer weiteren Fahrtstunde erreichten wir durch Staub und schlechte Straßen fahrend den Stadtrand von Stalingrad, den Vorort Minina. Allerdings ist
dieser Ort nur nach der Kar te festzustellen gewesen. In Wirklichkeit steht dort kein
Stein mehr auf dem ander en: das Werk unserer Stukas!! [Sturzkampfflugzeuge] –
Während unserer ganzen Fahrt zogen unaufhörlich Stukageschwader, Bomberformationen mit Jagdschutz (Jäger) über uns hinweg nach Stalingrad.
Stalingrad liegt an der Wolga entlang. Es hat ca. 450 000 Einwohner und zieht sich
25 km am Fluss lang hinauf und misst eine Breite von 8 km. Die Wolga ist hier 1,5 km
breit, hat aber sehr w enig Wasser und ist dadur ch nur 700 m br eit. Die Stadt muss
sehr schön liegen, leider war das S tadtbild durch dichten Rauch und Q ualm völlig
eingehüllt. Die Stadt zerfällt geographisch in die Nord- und Südstadt. Im südlichen
Stadtteil waren unsere Truppen bereits zur Hälfte eingedrungen, d. h. bis zur B ahnlinie, die von Kalatsch her mitten durch
den südlichen Teil der S tadt führt. Wir
wollten nun an den Wolgastrand vorfahren, um das schöne Lied „Es steht ein
Soldat am Wolgastrand“ zu singen, was
leider ohne in die R ussen hin[ein]zufahren nicht möglich war. So drehten wir ab
und hofften am Bahnhof in das Stadtinnere reinfahren zu können. D a war aber
die Hölle los. Die deutsche Artillerie, die
ringsum vor der S tadt in F euerstellung
steht, trommelte unaufhörlich mit allen
Kalibern auf den B ahnhof, dass uns die
Fetzen nur so um die Ohren flogen. Eine
Deto na tion,eine Feuersäule und [eine]
Stichflamme nach der ander en erschütterten die Erde, dass man glaubte, keinen
festen Grund unter den Füßen zu haben.
Wir sind bis dicht an den B ahndamm
vorgefahren und stellten plötzlich fest,
dass wir in der v ordersten Linie war en.
Infanterie, Pioniere und F lak [Flugabwehrkanone] – als Infanterie eingesetzt –
lagen um und auf dem B ahndamm in Johanna und Artur Bäumle
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Deckung. Der Russe auf der anderen Seite, was wir am Pfeifen der MG-Kugeln [Maschinengewehr] feststellten. Wir stellten das Krad unter einem B aum ab und schauten dem harten Ringen der Infanterie zu. Plötzlich haut ein schwerer Brocken unserer eigenen Ari [Ar tillerie] ca. 100 m v or uns ein. Es er folgte eine Rie senexplosion
und ein Gaskessel flog in die Luft. Da hat aber alles gewackelt. Ein Feldwebel, der als
Zugführer eingeteilt war, schreit plötzlich: „Gas, Gas". Schnell setzten die S oldaten
die Gasmasken auf und wir mussten schleunigst abhauen, da wir das D ing nicht
dabei hatten. In rasender Fahrt über Telefonleitungen, umgestürzte Masten und Wegweiser, über Leichen toter R ussen fuhren wir aus dem G efahrenbereich heraus und
fuhren weiter nördlich, um dor t vielleicht in das S tadtinnere zu kommen. Als wir
wieder in die Nähe der v ordersten Linie kamen, stiegen wir aus und arbeiteten uns
zu Fuß, d. h. auf dem B auch vorwärts, da es schwer um uns her um gepfiffen hat te.
Wir hatten Glück und erreichten einen verlassenen Bunker, in dem nur noch 4 tote
Russen lagen, einen P unkt, von dem aus das ganz e Kampffeld schön zu übersehen
war. Leider fehlte mir jetzt ein Fotoapparat, denn da hätte ich manch schöne Kampfszene bildlich festhalten können. Gute 100 m vor uns brannte ein Güterzug, der von
unserer Artillerie in Brand geschossen wurde. Auf einmal drangen aus der Stadtmitte
kommend dichte Rauchschwaden über die ganze Stadt – ihre Ausdehnung nehmend
– vorbei. Der Qualm war so dicht, dass man keine 5 m weit sehen konnte. Außerdem
biss der Rauch so in den A ugen, dass die Tränen einem nur so r unterkullerten und
man Atembeschwerden bekam. Wir machten unsere Nastücher mit Kaffee aus der
Feldflasche nass und hielten sie vor Augen, Nase und Mund. Wie schwarze feenhafte
Schatten gingen neue S toßtrupps in dem Q ualm als Verstärkung zum Angriff v or.
Wie wir später v on der Höhe aus feststellten anhand des S tadtplanes, den ich als
Führer des Erfassungskommandos des Rgts [Regiments] von der Division bekommen
hatte, sind die Rie senerdölbehälter längs der Wolga in B rand geschossen wor den.
Diese Rauch- und Qualmsäule hüllte die Stadt völlig ein und es war dir ekt unheimlich. Die anrollenden Stukageschwader verschwanden in dieses N ichts von Rauch.
Bald hörte man jedoch das Heulen der Sturzsirenen und gewaltige Detonationen, die
einem die Füße unter dem Leib w egzureißen drohten, erschütterten die E rde.
Fensterscheiben habe ich in ganz Stalingrad-Süd nicht den kleinsten Rest mehr feststellen können. Die großen Hochhäuser, Getreidesilos, Kirchen ragen als ehemalige
Wahrzeichen Stalingrads unversehrt aus den ringsum in Schutt und Asche gefallenen
Häusern hervor. Wie lange werden sie wohl noch stehen in dieser Hölle? Jedes Haus
muss einzeln genommen werden. Ist der Infanterist ein oder 2 Häuser weiter, schießt
es schon wieder aus einer D ach- oder Kellerluke von rückwärts. Daher dauert auch
die Einnahme so unendlich lange, da es nichts Schlimmer es gibt als einen Häuser-
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und Straßenkampf. Gerade hier aber ist der R usse Meister und durch seine an und
für sich hinterlistige Kampf weise doppelt gefährlich. D ie Zivilbevölkerung ist noch
teilweise in der Stadt, allerdings nur alte Männer und F rauen und Kinder. Die hokken stur neben ihren zerschossenen Häusern und grubeln aus deren Trümmern noch
ihre Haushaltsgegenstände wie K ochtöpfe usw. heraus. D ie kleinen Kinderle sammeln Splitter und spielen unbesorgt auf der Straße, die Frauen holen Wasser auf ihren
an einem [... Bügel ...] befestigten E imer. Die Leute machen sich aus dem Leben
nichts, weil sie noch nie „gelebt“ haben. Nach 5-stündigem Aufenthalt fuhren wir wieder zurück. Außer Trümmer hatten wir nichts feststellen können. Ein Splitter schlug
in den Seitenwagen, einer an den Rahmen unser es Motorrades, als wir ausgestiegen
sein mussten. Die Folge war, dass wir noch einen Rahmenbr uch hatten, aber tr otzdem sind wir abends glücklich zu H ause oder besser im E rdloch gelandet. So, nun
hoffe ich, dass D u mit meinem B ericht zufrieden bist und auch D einem Brüderle
alles genau erzählst.
Ich grüße und küsse Euch beide sowie Mutti recht herzlich und hoffe,
dass Ihr noch alle gesund seid.
Euer gesundes Vaterle
Johanna Bäumle mit ihren Kindern Siegfried und Günter
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Josef Beck
Eingesandt von Christa Enders (Tochter)
Josef Beck aus R annungen, geboren am 19. Dezember 1910, fiel am 13. Juli 1941 in
Weißrussland. Sein Freund Gottfried Nöth, der mit ihm in der gleichen Einheit dient e,
suchte nach Josef Beck, fand ihn und beer digte ihn. Das Grab von Josef Beck befindet
sich noch immer in Borowucha/Polozk in Weißrussland. Auch Gottfried Nöth, geboren am
23. Januar 1910, überlebte den Krieg nicht. Er fiel am 10. August 1942.
Letzter Brief an Ehefrau Elisa
9.7.1941
Herzliebste Elisa und Kinder!
Wir haben heute seit Mittag Ruhe und diese Zeit muss ich ausnützen, um Dir einen
Brief zu schreiben. Man kommt für gewöhnlich nicht dazu. Ich denke, dass Du gespannt auf Post wartest, genau so wie ich. Der letzte Brief von Dir stammt vom 19.6.,
das war also vor drei Wochen.
Wie geht es Euch? Meine Gedanken sind ja oft zuhause bei E uch. Ich male mir aus,
wie es sein könnte, wenn ich daheim wäre. Dies ist übrigens eine schöne Ablenkung
während des M arsches, besonders nachts, w enn man beim M arschieren fast einschläft. Die Heuernte wird fertig sein. Die Sehnsucht, Dich und unsere Kinder einmal zu sehen, ist zu groß bei mir. Wenn ich diesen Feldzug gut überstehe, dann werde
ich ja doch bald einmal heimkommen. Du wirst neugierig sein, wie es bei uns zugeht.
Wir schlafen meist im Freien unter Zelten, zehn Mann in einem Zelt. Es ist da sehr
eng und auch har t, besonders wenn man kein Stroh findet. Wir schlafen aber doch
sehr gut, weil wir eben müde sind. Die Schlafzeit dauert vier bis fünf Stunden, manchmal auch weniger. Wenn einen die Wache betrifft, gehen noch mal zwei Stunden ab.
Am Tag trage ich zw ei Paar Strümpfe und die S tiefel, Du kannst Dir denken, wie
warm da die Füße stecken. U nd die Sonne scheint unbarmherzig von früh vier Uhr
bis abends neun Uhr . Lange Unterhose und Hemd trage ich seit acht Tagen nicht
mehr. Der raue S toff hat mich zuerst etwas gejuckt, aber man ge wöhnt sich. D ie
Rockärmel sind aufgekrempelt, der Kragen und ein Knopf sind auf. Außerdem trage
ich Gasmaske, Spaten, Seitengewehr, Brotbeutel, Feldflasche, Pistole, Stahlhelm und
das Sturmgepäck, welches aus Zeltplane, Kochgeschirr, Reinigungsgerät, Seife, Handtuch, Rasierzeug, Flickzeug und Pulver besteht. Der Rock hat drei Löcher, das fällt
aber jetzt nicht auf.
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Voriges Jahr in F rankreich hatte ich es schlechter . Da musste ich Karabiner und
90 Schuss tragen. Heuer bin ich MG-Schütze. Aber wenn’s brenzlig wird, müssen ich
und ein ge wisser Wolf aus S ommerhausen das M aschinengewehr und 600 Schuss
Munition tragen. Das Maschinengewehr wiegt ungefähr 30 Pfund.
Wenn wir auf dem Marsch sind und es sind einmal zehn Minuten Rast, legt man sich
hin. Ob das ein Acker oder ein Graben ist, ist gleich. In einer Minute ist man eingeschlafen. So manchmal fällt einer vor Erschöpfung hin, was bei mir noch nicht vorgekommen ist. Du glaubst nicht, wie wir die motorisierten Truppen beneiden. Wir liegen
heute fünf bis sechs Kilometer vor dem Düna-Fluss. Der Übergang ist bis jetzt nur an
einigen Stellen geglückt. Unsere Pioniere bauen schon seit zwei Tagen an einer Brücke
und es will nicht gelingen. Der Fluss ist sehr reißend und die Russen ruhen auch nicht.
Du brauchst keine Angst zu haben. Gewöhnlich sind noch motorisierte Truppen vor
uns. Aber man kann ja nicht wissen. Der Herrgott wird mich schon beschützen. Wir
haben bis jetzt ja immer Glück gehabt. Aber beten kannst Du ruhig für mich, so oft
Du Zeit hast. Ich komme ja so selten zum Beten. Manchmal fängt man das Fluchen
an, wenn die Strapazen gar zu gr oß werden. Manchmal würde man eine M ark für
einen Schluck Wasser bezahlen. Ich will gerne noch das Z ehnfache aushalten, wenn
nur uns beiden wieder einmal die Sonne scheint. Und wenn es anders kommen sollte, bewahre ein gutes Andenken an mich. G ib unseren Kindern an meiner S telle einen Kuss und Du bekommst im Geiste einen von mir. Mit vielen Grüßen, Dein Josef
Die Fußspuren der Soldaten, die Josef Beck beerdigt haben, sind deutlich zu erkennen.
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Brief des Freundes Gottfried Nöth an Elisa Beck
Russland, den 16.8.1941
Werte Elisa.
Deinen Brief vom 31. Juli am 15. August erhalten, wofür ich Dir von Herzen danke,
es war wieder eine traurige Erinnerung an meinen besten Freund. Ich konnte Dir die
traurige Nachricht über Deines lieben Josefs [Tod] nicht überbringen, so musste es
an meiner Stelle einer meiner Angehörigen tun. Josef fiel am 13. Juli, wurde aber als
vermisst gemeldet, was mich schw er kränkte, nicht mal zu wissen, wo mein bester
Kamerad geblieben sein sollte. So hatte ich drei Tage keine Ruhe. Wenn ich zu seiner
Kompanie kam, sah ich die wenig übrig gebliebenen Kameraden durch, ob ich Josef
nicht doch sehe, immer vergebens. Am vierten Tag, als wir wieder auf Vormarsch waren und etwas Rast hatten, [und ich] mich wieder er kundigte, so hieß es, dor t im
Wald liegen so 20 Mann. So machte ich mich wieder sofort auf den Weg, lief zurück
und was fand ich da, J osef mit seinem Kameraden aus G rafenrheinfeld, mit dem er
immer beisammen war, tot auf . So wurde es tr otz aller Trauer etwas leichter ums
Herz. Denn was wäre, wenn er nicht gefunden, oder wie wir so manchen imWald verbrannt und nicht wussten, ob es ein Russe oder Deutscher war, was noch schlimmer
gewesen wäre, wenn er als vermisst gemeldet wäre, wie es bei so manchen v on unseren Kameraden der Fall ist. Mittags gingen wir wieder hin, um sie zu beer digen. So
kam er mit 10 M ann von seiner Kompanie in ein gr oßes Grab. Er hatte aber nichts
mehr bei sich, war alles schon von seinem Truppenteil entfernt, was Dir vielleicht in
der letzten Z eit zugestellt wur de. Einer seiner Kameraden er zählt, sie haben auch
40 Mark aus seinem B rustbeutel heraus, ich hoffe, dass D u alles erhalten hast. D u
hast den Wunsch, er soll in seine H eimat überführt werden, was nun zur zeit nicht
möglich sein wird, der Transport ist ja sehr schwierig, Straßen überhaupt keine. Umständehalber wird es nicht gehen, darüber müsste ich selbst mit D ir sprechen, könnte vielleicht sein nach dem Krieg, D u könntest dich höchstens mal an seine E inheit
wenden, was anderes kann ich Dir auch nicht sagen. Und sollte ich die Heimat einmal wieder sehen, dann wird für mich noch mal eine schwere Stunde kommen, wenn
ich so allein in der Heimat ankomme und mein bester Freund an meiner Seite fehlt,
ich denke halt immer, es war Gottes Wille und wie lang wird es noch dauern, so werden auch wir drankommen. N un ist es halt nicht zu ändern, es ist ja sehr schw er,
wenn der Vater von seiner Familie gerissen wird, so kannst Du doch immer froh sein,
dass Du in guter Familie bist, wo [gemeint ist wohl: die] wieder für Dich sorgen wird.
Wir haben doch noch einen über uns, der wir d es wieder zum Guten lenken.
Ich will für heute schließen unter vielen Grüßen aus dem Feindesland u. ein baldiges
Wiedersehen, Deines Josefs Freund, Gottfried Nöth
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Franz Blaha
Eingesandt von Rudolf Blaha (Sohn)
Der Brief, den Franz Blaha am 16. Januar 1945 an seine
Frau und Kinder schrieb, ist sein letztes Lebenszeichen.
Er gilt seit diesem Zeitpunkt als vermisst. Offiziell heißt
es dazu, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den
Kämpfen fiel, die von Mitte Januar bis Ende März 1945
in Ostpreußen geführt wurden. Die ge nannten Orte
Johannisburg und Schwiddern heißen heut e Pisz und
Swidry und befinden sich in den Masuren. Geboren wurde Franz Blaha am 13. Februar 1896 in Michelsberg.
Letzter Brief an Frau und Kinder
Schwiddern, Dienstag, 16.1.1945
Franz Blaha als junger Musiker
Liebste Mama u. Kinder.
etwa Mitte der Zwanziger Jahre
Du wirst erstaunt und zugleich in Unruhe sein, dass
ich solange nicht geschrieben habe, und zwar das letzte Mal am Freitag, den 12., und
heute haben wir schon D ienstag, den 16. Glaube mir, liebste Mama, dass ich selbst
auch keine Ruhe darüber hatte, aber es war wir klich nicht anders möglich. U nsere
Schreibstube wurde nämlich ziemlich weit weg verlegt, früher konnten wir jeden Tag
schreiben und ging auch jeden Tag Post weg, auch
kam umgekehrt jeden Tag welche, aber das ist jetzt
ganz umständlich ge worden. Ich schrieb D ir ja im
letzten Brief, dass ich nach Gehsen fahren muss, um
Post und Verschiedenes zu holen. F uhr Samstag,
13.1. weg (früh um 9 Uhr) und kam erst S onntag
Abend 1/2 10 Uhr wieder zurück. Wie ich Dir bereits schrieb, dass am Ende für mich gar nichts dabei
ist, so war es auch, ich habe mich so geärger t darüber, aber leider nützte das nichts, bin nun auch schon
über 8 Tage, glaube ich, ist es schon, ohne Nachricht
von Euch und da morgen erst der nächste M elder
fährt und voraussichtlich erst am Donnerstag Abend, Passbild etwa im Alter von
den 18. zurückkommt, so muss ich mich bis dorthin 45 Jahren
Briefe aus dem Krieg
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gedulden, dass heißt, hoffentlich habe ich nicht P ech, dass wieder nichts dabei ist,
aber ich glaube bestimmt, dass dieses M al doch etwas dabei ist. D ann hat sich noch
ein Übel eingestellt, nämlich B eleuchtung, ich sollte Petroleum, Karbid und Kerzen
mitbringen, aber es war nichts v orhanden, so dass wir jetzt, bis wieder frisches B eleuchtungsmaterial [da ist,] nur Licht haben, was wir zum Essen, Anziehen und
Postenwechsel brauchen, so dass ich jetzt nicht mehr jeden Tag schreiben kann und
es hätte auch keinen Zweck, da ja die Post nur jeden dritten Tag erst weggeht. Also,
liebste Mama, muss ich Dich bitten, Dich in Geduld zu fügen, wenn Du jetzt weniger und in größeren Abständen Post von mir erhältst. Glaube mir, dass es mir auch
sehr leid darum ist, aber vielleicht tritt bald wieder eine Änder ung ein, denn beim
Barras gehen Änder ungen schnell v onstatten. Liebe M ama, wie nun die Z ustände
jetzt sind, kann ich auch nicht v erlangen, dass Du mir jeden Tag schreibst. Schau,
liebe Mama, wenn Du mir jeden zw eiten oder dritten Tag schreibst, muss es wohl
auch genügen. Einesteils hast Du weniger Arbeit und andernteils wür de sich ja die
Post auf der Schr eibstube häufen, w enn sie immer erst jeden dritten Tag abgeholt
wird. Ich hoffe, dass Du Verständnis dafür haben wirst und [Dich] nicht unnötig darüber aufregst. Liebste Mama, was macht Ihr denn alle, seid Ihr gesund? Ich hoffe es,
bei mir ist das auch der F all. Neugierig bin ich, was und wann N achricht über meinen Bruder kommt. Liebste M ama. Nun möchte ich D ir schreiben, welches Glück
ich wieder einmal hatte. I ch schrieb D ir doch damals, dass wir Älter en von einer
Zur Erinnerung an die Lazarett-Pfingsten, Biała Podlaska 1944, Franz Blaha ganz links
32 Letzte Lebenszeichen
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Übung weg herausgezogen und sofort in Marsch nach hier gesetzt wurden. Das war
am 7. Dezember und wie ich Samstag und Sonntag die Dienstreise machte, habe ich
zwei Kameraden von der Kompanie, aus der wir herausgezogen wurden, in Johannisburg getroffen und die erzählten mir, dass sie Schweres durchgemacht haben, seitdem
ich weg bin. Sie kamen am 9., also zwei Tage später, in Einsatz und wurden dort dauernd von den Russen von Granatfeuer belegt, abgesehen von den Strapazen, da sie in
einem Sumpfgebiet eingesetzt waren, hatten sie auch Verluste, 3 Tote, einer vermisst
oder auch tot, einem Kameraden hat es die rechte Hand abgerissen, der Kamerad aus
Marktredwitz hat Glück gehabt, da 2 Meter neben ihm eine Granate einschlug, aber,
Gott sei Dank, war es ein Blindgänger, so dass er mit dem bloßen Schr ecken davonkam. Also, liebe M ama, hatte ich schon zw eimal Glück, das erste M al, als ich früh
von Warschau wegkam und [am] Abend der Aufstand losging, und jetzt möge mich
das Schicksal weiterhin so behüten, dann können wir schon zu frieden sein. Die Kameraden, die mir das er zählten, fuhren in Urlaub, da sie jetzt wieder in R uhe sind.
Nun muss ich wieder schließen und kann E uch erst wieder in zwei Tagen schreiben.
Heute vor einem Jahr fuhr ich mit dem M ajor nach Wlodawa, wie die Zeit vergeht.
Den Brief gebe ich wieder mit der P ost auf, vielleicht geht er doch etwas schneller .
Verzeihe nur die schlechte Schrift, musste mich beeilen, da die ander en Kameraden
auch schreiben wollen, auch muss ich um 7 Uhr auf P osten ziehen.
Nun, meine Liebsten, seid mir recht herzlich gegrüßt und geküsst
von Euerem besorgten Tata.
Grüße an alle.
Den Brief gibt der Kamerad in Johannisburg auf.
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Hans-Joachim Breitenbach
Eingesandt von Berit Hübner (Enkelin des Schulfreundes)
Hans-Joachim Breitenbach wurde am 5. November 1919
in Berlin-Wilmersdorf geboren. Der Leutnant einer Panzerjägerabteilung fiel am 13. Januar 1942 bei Star aja
Russa in Russland. Auch sein Grab wird dort vermutet.
Ein großer Teil seiner Brief e ist an einen Schulfr eund
gegangen. In dessen F amilie wurden die Brief e von
Hans-Joachim Breitenbach, der ein Ein zelkind war, als
wichtige Zeitzeugnisse bis heute aufbewahrt.
Brief an den Vater
Russland, den 7.10.1941
Lieber Vati!
Hans-Joachim Breitenbach,
Über die „Wunderkiste“ – wie sie von meinen SoldaLeutnant in der
Panzerjägerabteilung 18
ten genannt wurde – habe ich mich riesig gefreut. Es
war mir wie Weihnachten, als ich all die schönen
Dinge auspackte; jedes ein G ruß aus der H eimat; jedes wur de genau angesehen,
gestreichelt und mit großem Hallo ausgewickelt. Besonderes Aufsehen hat natürlich
der Pelz erregt. Die einen nahmen es als schlechtes Vorzeichen, die anderen als gutes,
wenn sie meinten, dass wir ganz bestimmt nicht über Winter hierbleiben, wenn wir
uns schon so sehr darauf vorbereiten. Ich sage aber: sicher ist sicher; mich kann nun
nichts mehr erschüttern. D er größte Teil der Süßigkeiten hat auch schon seine B estimmung gefunden; nur das Pflaumenmus liegt noch in der Kiste, wie auch die un geborenen Puddings. Das alles soll erst den Weg aller Leckerbissen gehen, w enn wir
wieder hier mit heilen Knochen heraus sind. – A ber ich will nun erst einmal er zählen, wie es uns im letzten M onat ergangen ist. Also, es steigt der M onatsbericht für
September:
Bis zum 5. September lag ich mit meinem Zuge in Tur und sicherte dort im Rahmen
der Kompanie die E isenbahnbrücke über die Tigoda. Ich selbst lag mit meinem
Zugtrupp und einer G eschützbedienung in einem r ussischen Holzhaus; lebte dor t
glücklich und zufrieden; nur ab und an v on den Flöhen gepeinigt. Eines Morgens
jedoch wurden wir durch einen Zufall wach und stellten fest, dass die Bude über uns
lichterloh brannte – wohl B randstiftung – also S abotage! Wir nun, so wie wir uns
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schlafen zu legen pflegten, stürzten aus dem Fenster und mussten all unser Hab und
Gut dem Feuer überlassen. Ich hatte insofern G lück, als ich kur z vorher die Posten
kontrolliert hatte und noch in vollem Anzug war, so dass ich nicht – wie viele ander e
– nur mit Hemd und Hose und ohne Stiefel und Strümpfe in der Morgenkühle stand.
Dabei sind mir nun meine ganze Ausrüstung, Trainingsanzug, Bade- und Sporthose,
Feldbluse, Taschentücher, Wäsche, Strümpfe und tausenderlei andere Dinge verbrannt.
Denselben Tag bekam ich noch den A uftrag, mit einer P ak [Panzerabwehrkanone]
und 2 MG [M aschinengewehre] an die Tigoda-Mündung einen stehenden S pähtrupp zu legen. Da ich das Gelände von einem früheren Spähtrupp her kannte – da mals hatte ich 2 Gefangene gemacht –, so fiel wohl auf mich die Wahl, dort meinen
Haufen zu postieren und Übersetzversuche der Russen zu verhindern. In den nächsten Tagen erlebten wir dort auch tolle Sachen, denn der Russki setzte etwa 2 km weiter südlich v on uns über; wobei wir ihm aber unerhör te Verluste beibrachten. Es
wurde jedenfalls noch so toll, dass sogar die D ivision in heller Aufregung war. Nun
heißt die Ecke dort mit amtlichem Namen laut Divisionsbefehl: „Breitenbach-Eck“.
Es war eine verteufelte Ecke, mitten im Walde an so einer Flussmündung; Feind von
allen Seiten zu er warten, dauerndes MG- und G ranatwerferfeuer und der nächste
deutsche Soldat 6 km entfernt!
Bald wurde ich aber wieder herausgez ogen und mit meinem Z uge dem R egiment
Leyser unterstellt, in dessen A bschnitt der Russe mit Panzern durchgebrochen war.
Unsere Kradschützen sollten sie nach einem starken, vorbereiteten Stukaangriff [Sturzkampfflugzeug-Angriff ] wieder heraushauen. U nd wir immer feste mit dabei. I ch
fuhr also mit meinen 3 Kanonen gleich hinter der stürmenden Infanterie her, um ihr
den Panzerschutz zu geben. D ie vorderste Linie wur de etwas nör dlich der B ahn
Ssalizy-Ostaschkino vorgetrieben, wo auch meine Geschütze mitten in der vordersten
Linie in Stellung gingen – entgegen allen Vorschriften; ich hatte aber w eiter hinten
kein Schussfeld. –
Da wir ein ganz unheimliches Artilleriefeuer bekamen, gruben wir uns ein. Ich baute
mir die ganze Nacht über mit meinem Zugtruppführer und meinem Fußmelder einen
Unterschlupf: 2 m lang, 1 m breit und 60 cm tief in die Erde – tiefer sind wir wegen
des harten Lehmbodens nicht gekommen –, darüber Balken und Erde. In dieses Loch
mussten wir nun rückwär ts reinkriechen, zu dritt (!), und sollten es für 36 S tunden
nicht mehr verlassen. Denn am frühen Morgen setzte auf unserem Bataillonsabschnitt
ein Trommelfeuer ein, wie es 1916, nach Aussagen von Weltkriegssoldaten, an der Somme nicht schlimmer gewesen ist. Nach vorsichtigen Schätzungen sollen 20 000 Granaten auf unsere Stellungen gegangen sein, v on 15 russischen Batterien sowie zahlreichen Eisenbahn- und Fernkampfgeschützen. Wir haben für unser Leben keinen
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Pfennig mehr gegeben. Und wenn wir damals die N ase voll hatten, dann kann uns
das keiner verübeln. 2 schwere Koffer (15 cm) [schwere Granaten] sind im Umkreis
von 3 m, 3 weitere von 5 m und unzählige sonst um uns her um eingeschlagen. Nun
musst Du Dir vorstellen: in so einem kalten Loch, nichts zu essen, keine Decke, keine
Zigarette, keinen Platz, um sich zu bewegen. So haben wir einen Tag, eine Nacht und
noch einen Tag in diesem Loch gelegen und nur auf den Augenblick gewartet, in dem
ein Volltreffer uns alle zu S alami verarbeitet hätte. – Viele Deckungslöcher hatten
auch einen Volltreffer; so auch der des Fahrers von meinem 2. Geschütz, eines alten
Obergefreiten, verlobt, Liegnitzer. Wie durch ein Wunder ist in meinem Zuge weiter
nichts passiert. Dass der Obergefreite gefallen ist, mer kten wir erst am Schluss der
Kanonade, da wir ja die ganz e Zeit die Nase nicht einmal aus den Löchern nehmen
konnten. Bei den Infanteristen hat das Feuer allerdings ganz hübsch aufgeräumt. Die
Verwundeten mussten draußen liegen bleiben, w eil sich keine Maus bei uns blicken
lassen durfte; schon gab ’s Werfer- und MG-F euer. – N a, wir war en froh, als der
Höllentanz vorbei war.
Seit dem 9.9. liege ich nun in diesem A bschnitt. Doch jetzt ist es etwas r uhiger
geworden, wenn wir auch oft allerhand S achen herbekommen; in den ersten Tagen
noch täglich so 1 000 – 1 500 Schuss. Hier ist fast jeder Q uadratmeter umgepflügt.
Am Tage ist es unmöglich, sich draußen zu bewegen. Jeden Tag holt sich Freund Hein
seinen Tribut. Es ist ganz fürchterlich, hier liegen zu müssen und sich nur so abschießen zu lassen. – D as Essen, Munition und Post kommen nur nachts nach v orn; das
Essen meistens sauer, jedenfalls immer kalt; oft sind nur die Böden der Kochgeschirre
bedeckt; das ander e ist dur ch das dauernde H inlegen im Feuer ausgekippt. D ann
heißt es wieder Kohldampf schieben. Wir sind alle ziemlich herunter.
Ich war 17 Tage vorne, ehe ich für ein paar Tage abgelöst wurde. Aber was das heißt,
hier in dieser Hölle 17 Tage vorne zu sein, das kann sich keiner v orstellen! 17 Tage
kein warmes Essen – w enn überhaupt Verpflegung nach vorne kam –, 17 Tage fast
gar nicht geschlafen, 17 Tage eisige Kälte, viel R egen, feuchte Sachen, nasse Füße,
keine Decken, 17 Tage nicht gewaschen, nicht rasiert, immer Durst – manche tranken das dreckige Lehmwasser, das sich so in den Löchern ansammelte – und dauernd
Artillerie, Fliegerbomben, Granatwerfer, Panzer, schwere Maschinengewehre,
Scharfschützen; Feuer von vorne, von links, von rechts, von halb rechts hinten und
oben! – Da muss man Nerven wie Drahtseile haben! – An einem Tag haben uns die
Russen mit einer schweren Batterie aus einem Holzbunker herausgeschossen. Dabei
gingen mehrere Volltreffer auf unsere und andere in der Nähe stehende Bunker. Eine
Geschützbedienung von mir wurde aufgerieben. Es gab viele Tote und Verwundete
mit den scheußlichsten Verwundungen und auch, was ich hier zum ersten M al sah,
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auch Nervenzusammenbrüche aller Schweregrade bis zur Idiotie. Mein Zugtruppführer, ein alter Oberfeldwebel, erlitt ebenfalls einen so schweren Nervenschock, dass er
mit dem Flugzeug nach Deutschland transportiert werden musste. Die eine Bedienung war 4 Stunden verschüttet, ohne dass ihr Hilfe gebracht werden konnte. – Die
jungen Soldaten, die frisch aus der Heimat als Ersatz gekommen waren, waren so fertig, dass sie ge weint und geschrien haben. I ch musste sie einz eln wieder an die G eschütze bringen. Sie klammerten sich förmlich an mich und wollten nicht mehr v on
mir weggehen; als ob es bei mir sicherer wäre. Und da soll man noch die Nerven zusammenhalten.
Am 13.9. machten wir einen Angriff auf Ssalizy, das uns schon so ungeheure Verluste
gekostet hat. Während des Angriffs brach der K omp.-Chef [Kompanie-Chef ], ein
Ritterkreuzträger, zusammen. Ich übernahm dann für kurze Zeit die Kompanie. Aber
wir wurden wieder v om Russen im G egenstoß mit P anzern zurückgeworfen. Die
Kompanie war aber schon zu schwach: 2 O ffz., 4 Uffz., 35 Mann [Offiziere, Unteroffiziere]! Der dritte Zug war noch ganze 9 Mann stark! Bei den anderen Kompanien
war es ähnlich! B ei dem G egenstoß haben mir die F eindpanzer ein G eschütz mit
ihren 10,5-cm(!)-Kanonen zerschossen, während unsere Geschosse wie Erbsen an den
Panzerplatten abprallten. Dabei gab es auch noch einige Ausfälle. Aber es gelang uns,
doch noch einen Panzer zu erledigen. An dieser Ecke habe ich auch einen 52-to- und
zwei 32-to-Panzer abgeschossen. Für die Tage habe ich für meinen Z ug 1 EK I und
10 EK II [E isernes Kreuz 1. Klasse und E isernes Kreuz 2. Klasse] einger eicht, die
auch sämtlich bewilligt wurden.
Nun sitze ich nach einigen Erholungs- (sprich: anstrengenden Arbeits-) tagen wieder
hier vorne und komme mir wie ein Höhlenbe wohner vor; denn Tag und N acht
brennt in unseren Unterständen – wir sagen auf diese wackligen D inger „Bunker“ –
eine Petroleumfunzel. Es ist jetzt 4 Uhr morgens, lausig kalt, w eil wir keine Öfen
haben; und draußen macht sich der Russe bemerkbar. Wir liegen uns auf 100 – 50 m
an manchen Stellen gegenüber. – Wenn ich jetzt gleich mal rausgehen muss, um eine
Stange Wasser in die Ecke zu stellen, so w eiß man nicht, ob die H unde einen nicht
erkannt haben und so ein paar Sächelchen herüberjagen. D ie schießen sogar nach
einzelnen Leuten mit G ranatwerfern. Manchmal genügt es schon, w enn einer laut
hustet oder spricht. Es ist ganz unheimlich; fast immer K opfschüsse!
Deine Kiste ist in wenigen Tagen zu unserem AK [Artilleriekommando] gelangt, von
wo ich die M itteilung erhielt, sie dor t abzuholen. I ch habe sie dann dur ch die
Werkstattkompanie, wo ich als früher er Adjutant so gut wie zu H ause bin, abholen
lassen und sie von dort in unser Ruhequartier geschafft. Die Süßigkeiten waren gleich
verputzt, besonders, wo so viele sehnsüchtige B licke meiner Soldaten die Lecker bis-
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sen in A ugenschein nahmen. Und alle stellten einmütig fest, dass „M utti Breitenbach“ doch etwas von ihrem Hausfrauenhandwerk versteht. Alle warten schon auf die
nächste Kiste. Sie wollen auch alle tragen helfen, falls sie zu schwer sein sollte! – Den
Pudding koche ich mir bei meiner nächsten Ablösung, mit Schlagsahne und Rosinen.
Hoffentlich komme ich mit meinem Z uge ganz aus dieser E cke heraus, denn die
Division ist schon in einem neuen Frontabschnitt; nur die Panzerjäger sind noch hier.
Diese Division hier ist eine ostpreußische, die 21. I. D. Bekannte habe ich dabei noch
nicht getroffen.
Den Gert habe ich auch nicht mehr aufsuchen können, da wir gerade in diesen
Frontabschnitt geworfen wurden, als ich die N achricht erhielt, dass er in meiner
Nähe sei. Na, er hätte mich ja gar nicht beachtet, nachdem er zum Ritter kreuzträger
eingereicht worden ist; denn er liebt ja die Angabe. – A ber das ist alles nur G lückssache. – Wenn ich stärkere Kanonen hätte, brauchte ich mir nicht die H aare auszuraufen, wenn alle Granaten an den 52-Tonnern wie Murmeln abprallen. – H ier an
unserem Frontabschnitt gibt es keine Ritterkreuze; nur Splitter ins Kreuze; und unser
Wahlspruch heißt: Wir wollen heim, uns reicht’s (heim ins Reich). – Den Rest geben
uns noch die Läuse, F löhe und Wanzen, die sogar die Torturen der Entlausungsanstalt überstehen! Oder sind es wieder neue? Ich bin schon wieder reif für die Entlausung, aber werde frühestens erst am 12.10. abgelöst. – Also G eduld und weiter gesucht! In meinem Hemd fand ich heute wieder 12 Läuse; die Flöhe lassen sich leider
nicht fangen.
Aber von all diesen unseren Nöten erfährt die Heimat ja nichts; denn hier bei uns lassen sich keine Propaganda-Leute blicken. – Und wir schreiben so selten; denn schreiben heißt hier, seine Nachtruhe opfern. – Und dann wollen wir ja auch nicht klagen.
– Aber diesmal können wir auch nichts Lustiges berichten, denn wir haben schon seit
4 Wochen nicht mehr gelacht.
Wenn ich jetzt noch bei der Division wäre – ohne mich dahin zurückzusehnen –, so
wäre ich auf 8 Tage jetzt in B erlin gewesen, denn mein N achfolger ist per L uftibus
hingeflogen.
So, lieber Vati, jetzt will ich schließen; es ist jetzt 5 Uhr und unerträglich kalt geworden. – Deine Wäsche ist die einzige, die ich besitz e, abgesehen von der schmutzigen
Garnitur, die ich seit dem B rande bzw. einige Tage davor bis vor kurzem getragen
habe. Ich kann nicht mehr feststellen, welche Farbe das Hemd hatte! –
Wenn Du noch einmal ein größeres Paket an mich abschicken solltest, so kannst Du
vielleicht einen Benzinkocher besorgen, damit wir uns das kalte M ittagessen etwas
wärmen können, wenn wir vorne sind. Offenes Feuer können wir ja nicht anmachen.
Und Kuchen und Marmelade!
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Vielen, vielen Dank für die Wunderkiste; herzliche Grüße und ein gesundes Wiedersehen hoffentlich zu Weihnachten!
Dein
Hans-Jochen
Auszug aus einem Brief,
vermutlich an den Schulfreund
3.1.1942
[...]
Wir haben Tage erlebt, die es bisher – auch im Weltkriege – nicht gegeben hatte. Im
Wehrmachtbericht stand ja nur, dass Tichwin von uns wieder geräumt werden musste. – A ber was dieser Rückzug für uns bedeutete, kann sich keiner v
orstellen. –
Manche Inf.-Kp. [Infanteriekompanie] waren nur noch 7 Mann stark. – Durch eine
einzige Fliegerbombe hatte unsere Kompanie am 18.12. noch 11 Tote und 10 Verwundete. Auch ein Liegnitzer war dabei: Uffz. [Unteroffizier] Herbert Nitsch, aus der
Sophienstraße; ein ganz prächtiger Kerl. – Der Uffz. D. hat es verstanden, sich rechtzeitig nach hinten zu verdrücken; ich weine ihm keine Träne nach. In solchen Zeiten
bewähren sich nur die Stärksten und Tapfersten – und zu diesen gehörte er nun einmal nicht. – Der Lt. X. [Leutnant X.] soll auch wegen eines „Nervenzusammenbruchs“
(!) das Weite gesucht haben. Na, Soldat ist er ja nie ge wesen und nun herrscht wohl
beim Divisionsstab mehr Ruhe, denn Lt. X. v ersetzte ja alles durch seine Aufgeregtheit in panikartigen Schrecken. – Ich frage mich nur, wo denn diese Leute ihre Nerven gelassen haben; – die haben doch nicht den hunder tsten Teil von dem mitgemacht, von dem, was viele meiner Soldaten bisher schon erlitten haben! – Ich verstehe das nicht, dass man um sein bisschen Leben so eine Angst haben kann.
Weißt Du, wer sich ganz prima macht? D er Adju [Adjutant] vom Oberstarzt Dr.
Schoppe, der Stabsarzt Dr. Possart. Von Bettels und Major Hofmeister höre ich wenig; bin aber über zeugt, dass Hofmeister viel zu tun hat, denn 90 % der F ahrzeuge
laufen nicht mehr. Er hat auch das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse erhalten. Jetzt sollen noch mehr solcher Apparate verteilt worden sein; wer damit beglückt worden ist,
weiß ich nicht.
Du wirst Dich bestimmt wundern, dass ich so einen langen B rief schreibe. Ich hätte
ja so viel zu berichten, dass ich ganz e Bücher damit schr eiben könnte, aber alles
Erlebte lässt sich ja gar nicht schr eiben. [...]
Denn das hier in Russland ist ja kein Leben, das ist Kampf ums Leben. [...]
Überhaupt sind wir hier draußen ganz andere geworden; und viele werden uns nicht
verstehen. – Sie werden sich wundern, dass wir v om Kriege nicht er zählen werden,
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sondern nur harte, bittere Worte dafür finden; werden uns verübeln, dass wir in der
Zeitung höchstens nur den R oman oder den U nterhaltungsteil lesen; w erden uns
scheel ansehen, wenn wir die Radionachrichten abstellen; werden schimpfen, dass wir
von allem in R uhe gelassen werden wollen und oft ganz gr ob werden können; werden es nicht v erstehen, dass wir uns keine Wochenschau mehr ansehen können. –
Aber wir wissen warum! –
Wenn im Liegnitzer Tageblatt steht, dass Tichwin weit hinter der deutschen F ront
läge, während wir die letzten Reste und Trümmer der Division dieses Tichwin bis zum
letzten Mann verteidigen mussten, bis – ja, bis einfach keine S oldaten mehr da wa ren, dann wird vielleicht mancher ahnen, was in uns vorgegangen ist. – Hier war kein
PK.-Berichter [Propaganda-Kompanie], und kein PK.-B ericht erzählt von den letzten Männern in Tichwin. – Der Schreiber dieses Artikels hätte nur einen einzigen Tag
in Tichwin sein sollen; ich wäre sogar mit ihm in der Stadt spazieren gegangen; aber
der hätte nie mehr irgendetwas über Krieg oder Soldatentum geschrieben. – Der hat
wahrscheinlich diese Soldaten noch nie gesehen, wie sie in kleinen Grüppchen, humpelnd, hinkend und frierend den Rückzug antraten, mit Säcken um die Füße ge wickelt, auf Stöcke gestützt zurückgingen, alles unnötige Zeug zurückließen; vom Russen ungeschlagen, aber von der Kälte bezwungen. – Das war Tichwin! –
Und im Frühjahr werden wir wieder zum Angriff über den Wolchow antreten und
dem Russen das Land, in dem so viele unserer Kameraden liegen und das so viel Blut,
Tod und Grauen gesehen hat, wieder abnehmen. Ich hoffe, dass wir dann wieder dabei sind. – Vorläufig jedoch wollen wir einmal ein wenig ausruhen, am Iiebsten wäre
uns schon einmal U rlaub, aber es dür fen nur so w enig Leute fahren, dass ich z. B.
vielleicht erst im Januar 1946 dran wäre. [...]
Wir waren bis 19. D ezember im Einsatz und merkten von Weihnachten überhaupt
nichts, ja, wünschten uns sogar am H eiligabend auf dem M arsche zu sein, um ja
nichts von Weihnachten zu merken. – Aber als wir am 20. in R uhe kamen und alle
möglichen Weihnachtsvorbereitungen getroffen wurden, da kamen wir alle in die
richtige Feststimmung und erlebten eins der schönsten und ergr eifendsten Weihnachtsfeste überhaupt. Im nächsten Brief werde ich Dir darüber genauer berichten.
[...] und die brennenden Kerzen ließen uns Russland vergessen und weckten in uns
die Erinnerung an unsere Kindheit und die S ehnsucht nach der H eimat; nach ein
bisschen Liebe. [...]
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Rolf Bruns
Eingesandt von Else Fronz (Jugendfreundin)
Der Gefreite Rolf Bruns wurde am 27. September 1922 in Usedom auf der gleichnamigen
Ostseeinsel geboren. Er starb am 11. Juni 1942 im Lazarett des Hauptverbandsplatzes in
Orel, Russland. Inzwischen ruht Rolf Bruns auf der K riegsgräberstätte in Kursk-Besedino,
rund 500 Kilometer südlich von Moskau.
Else Fronz hat seine Briefe ebenso aufbewahrt wie all anderen Schriften des Rolf Bruns,
seine Tagebücher, Dramen, Tragödien, und in ihren letzten Lebensjahren eine Veröffentlichung durch das Historische Museum in Stuttgart angeregt: „Rolf war der Poet an der
Schule und für mich hat er zwei persönliche Bücher geschrieben.“
Else Fronz verstarb 2010 im Alt er von 87 Jahren. Sie hatte sich noch ein F oto von Rolf
Bruns Grab gewünscht.
Der Name von Rolf Bruns ist verewigt auf einer Stele der Kriegsgräberstätte Kursk-Besedino.
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Brief an die Freundin Else
Liebe Else,
zum zweiten Mal in Russland.
Ich wollte Dir vom Tode reden. Ich weiß nicht, warum er in letzter Zeit mich so be schäftigt. Ich bin ihm auf der Fähr te. Allzu oft steht er v or mir. Ich sehe ihn in tausend Farben und Formen, im Licht und Dunkel. Ich sehe in ihm auch das Schicksal
und hoffe auf seine „D ritte Sendung“ ... Ich habe auch einen G lauben an den Tod
und das Sterben, an etwas, worüber das „Gesetz Leben“ ein Schweigen breitet.
Ich muss mit D ir darüber reden, weil ich mich scheue, irgendeinem ander en Menschen davon zu sprechen.
Diese große Versuchung des Schicksals, vor der ich jetzt stehe, lässt alle Ströme durch
mein Herz und meine Seele gehen, die je flossen und Silber-Perlen in meinem Inneren und Meer-Schaum bildeten. Ich lasse mir nichts vergeben, sondern vergebe ihm,
wenn er mir allzu frühe kommt. Aber daran hängt meine ganze Voraussicht. Ich stehe
damit an einer Schwelle des Schicksals. Du musst mir versprechen, „wenn ich fallen
sollte“, nicht an D ein eigenes Leben H and zu le gen, nicht ... ich stocke hier , – ich
mag nicht weiterreden, weil ich den Schluss nicht ziehen kann, da ich an Deine letzte Konsequenz nicht rühren will.
Ich war und bin glücklich mit D ir, ich habe in allem einen Rückw eg gefunden, der
nie ein Ausweg sein kann. Ich bin mit meinem Schicksal versöhnt. Ich weiß um den
schönen Jubel Deiner Seele, wenn Du dieses hier lesen wirst. Er soll vollkommen sein,
ja! Ungemindert! Durch nichts getrübt, selbst nicht dur ch den Gedanken, dass Du
mich je verlieren könntest ...
Was ist es, dass Dich alles empfangen lässt? Mehr als Gedanken, mehr als Empfinden!
Ich kenne diese Kräfte! Sie sind allmächtig unter den Menschen und ewig. Trost und
Hoffnung, dass sich alles noch einmal zum Schönen und Herrlichen wende! Wer soll
Dich glücklich machen? Wer soll Dein Leben je an meiner S tatt erfüllen? Wer kann
es? Ich zweifle an all dem jetzt! Nur dass Dich nicht Verzweiflung treffe, wenn ich den
Tod finde, das ist meine Sorge, das ist meine Qual und mein Unvergessbares.
E., Du musst es über winden! E.! E.! Ich traue meinen G edanken nicht! Oh, bleibe!
Nun mag das Schicksal entscheiden ...
Tag für Tag gehen meine G edanken zu Dir. Neulich begann ich fast beiläufig, eine
Wahrheit zu erzählen vor einigen Kameraden. Und als ich geendet hatte, glaubten wir
alle, einen Roman oder ein Märchen, eine Geschichte gehört zu haben. Aber es war
doch Dein Schicksal, Dein Leben. Es war en Deine Schranken, Furchen und Felder
in der Weite Deines Daseins, die wie ein großer und schöner Zauber am inneren Auge vorübergezogen waren.
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Ich wäre meinem Schicksal für so manche Gabe dankbar, aber ich wüsste nicht, welcher Augenblick in Zukunft für mich größer wäre als das Wiedersehen mit der Heimat. Alles strömt mit einem Male zusammen, geballt wie ein schweres Nacht-Gewitter, und ich fasse mein Schicksal wieder in den S ternen mit der übermenschlichen
Kraft eines Aritonar oder eines Gotalis [unverständlich, vermutlich poetische Figuren
von Rolf Bruns].
Daneben aber quillt eine wundersame Freude aus den geringsten Worten, die Du mir
schreibst.
So dieser Brief, mit Bleistift geschrieben, natürlich aus dem A ugenblick entstanden,
ohne lange Überlegungen niedergeschrieben. E r enthält alles, was ich jetzt brauche,
eine kleine Wahrheit von Dir und – ein B ild! Das genügt, das ist bei w eitem mehr,
als Du mir mit einem langen, tieferen Briefe geben könntest.
Noch kein zweiter Mensch trat mir mit einer so gr oßen Bestimmtheit und unverrückbarer Zuneigung, mit einer so einmaligen Wesens-Zuneigung entgegen wie Du.
Ich habe früher vieles eher gesehen als andere, heute aber steige ich zu den furchtbarsten und reinsten Tiefen wie zu den heiligsten Höhen der D inge, und weiß es, denn
die Ernte kommt nach Saat und Befruchtung.
Während ich dies w eiterschreibe, tobt unten [...] ein Angriff . Es ist ein fur chtbares,
gewaltig-mitreißendes Bild. Die Sonne steht gerade in geballter Kraft hinter einer
Wolke im Westen. Eine einzige Feuerwand liegt im Grunde.
– Es ist um Mitternacht. Ich komme soeben von einem Grabenrundgang zurück. Die
Erde wird erschüttert von Granat- und Bombenexplosionen. D as Kerzenlicht tanzt
und flackert.
– Heute herrscht bisweilen eine eisige Ruhe. Kein Schuss fällt. Die Stille ist atemberaubend. –
Ich wollte Dir so manches noch schreiben. Ich träume schlecht, wache dafür aber um
so besser.
Die Nacht-Stunden im Graben geben mir alle nötigen und unnötigen G edanken. –
Man kennt nur noch G rundsätze (höchstens), Ideale sind v erlorengegangen. – Ich
weiß öfter nicht, wie ich mich ohne die täglichen Todesängste einst wohlfühlen soll.
Später wird dies mein erbitterter Kampf meines Schicksals geben. I m Grunde warte
ich ja nur auf ihn, w eil er die Ernte dieser Tage sein wird. – Es gibt genügend S tunden, wo einem das Herz übervoll ist von Sehnsucht und Hoffnung.
Es sind dies die furchtbarsten Stunden hier draußen.
Öfter muss ich mir D ein Bild ansehen, bei mir immer ein Z eichen, dass ich mir
irgendeine Ablenkung suchen muss. G ewöhnlich gehe ich dann – w enn es gerade
Nacht ist – in die S tellung hinaus. Die Kugeln bringen mich immer zu eisig-klar em
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Verstand, d. h. unter ihrem Segen werden mir alle Lasten leicht, und ich vergesse die
vielen „dummen kranken G eschichten“. Jetzt ist es 4 Uhr , die S onne steht schon
warm am Himmel. Um 1 [Uhr] liefen 5 R ussen frech und dazu noch aufr echt vor
unserer Stellung herum. Die ganze Front scheint in Bewegung zu geraten.
Still! Ich sitze immer noch im Licht, währ end draußen schon die Ler chen in den
glanzgetäfelten Himmel steigen.
Es nutzt alles nichts: So viel man mich lieben mag, ich bleibe einsam – ich fühle sie,
die rauschende Einsamkeit wie zwei Mahlsteine über und unter mir. Mein Herz und
meine Seele werden gemahlen, und aus ihrem Blut-Staube reift das Brot des Lebens.
Herr, Gott! Es ist weit mit mir gekommen! – Es ist ja schon N acht – haha! Nacht! –
Nacht! – Nacht! – Zwei Jahrtausende! – I ch sitze hier in einem E rdloch meines
Geistes.
Warum bloß keine Kugel trifft? –
Aber die Großen, es sind Siegfriede des Schicksals! Was bin ich denn? –
Es ist so still draußen. Aber liebe ich die Stille noch?
– Dort liegen Waffen. Ist Morden eine Lust? Und ich – ein L ust-Mörder, Blut! Bis
zum Munde im B lut. Und noch – schwimmen können! N och – über B lut etwas
sehen können!
Danke. Ich trinke schon, und wenn ich ertrinke, aber meine Pflicht tue ich.
P.S. [...] Am besten, Du vergisst mich und das andere kommt von selber! – Gleich ist
Mittag! Warum schlafe ich nur nicht??
Vergiss mich, E., es ist besser! Alle Hoffnung ist ja doch umsonst! Ich sterbe ja doch,
ehe unser Leben beginnt ...
Lebewohl!
Bald mehr.
Dein Rolf
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 45
Erich Bruschke
Eingesandt von Almut Bruschke-Reimer (Nichte)
Erich Bruschke wurde am 18. Mai 1920 in Breslau geboren. Der Unteroffizier starb mit 24 Jah ren am 20. Dezember 1944 bei Stuhlw eißenburg in Un garn. Auch
der jüngere Bruder Günter ist einen Monat spät er, im
Januar 1945, gefallen. Von drei Söhnen der Familie hat
nur einer überlebt. Erich Bruschke konnte bisher nicht
geborgen und umgebettet werden. Sein Name ist im
Gedenkbuch des Sammelfriedhof es im un garischen
Székesfehérvár verzeichnet.
Feldpostkarte an die Eltern
E.O., den 14.12.1944
Liebe Eltern!
Herzlichen Dank für all Eure lieben Briefe, die ich bei Gelegenheit noch beantworte. Liebe E ltern, glaubt mir sicher ,
wenn bei uns nicht so viel los wäre, dann
hättet Ihr alle Wochen Euren Brief. Aber
ich habe zur Zeit keine Zeit. Ich bin froh,
wenn ich wieder zw ei bis dr ei Stunden
schlafen kann. Es geht eben die ganz en
Monate wild bei uns her . Den langen
Brief habe ich schon lange liegen und
komme eben nicht zur F ortsetzung. Liebe Eltern, glaubt mir, da liegt kein böser
Wille oder sonst was vor. Ihr wer det[das]
aus dem langen B rief ersehen. Und nun
wünsche ich E uch ein r echt frohes und
gesundes Weihnachtsfest. Leider kann ich
diesmal nicht daheim sein.
Es grüßt Euch von ganzem Herzen
Euer Erich
Erich Bruschke aus Breslau,
1943
Heiligabend 1944 in Breslau: Die Eltern
(hier mit Sohn Walter) haben die Fotos der
im Einsatz befindlichen beiden Söhne Erich
und Günter unter den Christbaum gestellt.
Die Familie weiß noch nicht, dass Erich vier
Tage vor Heiligabend gefallen ist.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 46
Liebe Muttel,
um mich brauchst Du Dir keine Sorgen und durchwachten Nächte machen, ich bin
gesund und munter und ein gütiger Schutz engel waltet über mir.
Brief des Batteriechef an die Eltern
Ungarn, den 22.12.1944
Gläsener,
Oblt. u. Battr. Chef [Oberleutnant und Batterie-Chef ]
Sehr geehrte Familie Bruschke,
das Schicksal zwingt mich heute zu einer N achricht an Sie, die Sie genauso erschüttern wird, wie sie uns erschüttert hat. Die Vorsehung hat am 20. Dezember bei einem
starken feindlichen Angriff südlich S tuhlweißenburg von Ihrem Sohn, dem U ffz.
[Unteroffizier] Erich Bruschke, das höchste Soldatenopfer gefordert. Ich habe es einfach nicht glauben können, dass ein so tapferer und unerschrockener Soldat, der sich
stets in allen Lagen und S ituationen durch unermüdliche Einsatzfreude und Gewissenhaftigkeit auszeichnete, nach wenigen Stunden, ich hatte vorher noch mit ihm gesprochen, nicht mehr war.
In Breslau beim Fotografen, 1943: Noch ist die Familie Bruschke beisammen.
Erich Bruschke (3. von links) mit Bruder W alter (1. von links), Mutter Martha (2. von links),
Bruder Günter (4. von links) und V ater Ernst Paul (5. von links)
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 47
Bei dem Leitungsabbau zu seiner Messstelle fiel er durch Granatvolltreffer, neben einem
Kameraden seiner Messstelle. Er hat die Hand des Todes nicht mehr gespürt: denn es
ging alles zu schnell.
Die Freude, die ich ihm durch die Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse machen wollte, erlebte er nicht mehr, da die Urkunde erst vor einigen Tagen hier eintraf.
Ich habe durch dieses Schicksal einen meiner besten Unteroffiziere verloren, der sehr
beliebt war und den ich für die Offizierslaufbahn vorgesehen hatte. Seine Fähigkeiten
und Leistungen berechtigten zu größten Hoffnungen für seinen weiteren Lebensweg.
Seine klare und fes te Haltung als Mensch und Soldat habe ich schätz en gelernt. Er
ging von uns in v orbildlicher Pflichterfüllung, die uns in allen schw eren Stunden
Vorbild sein und uns sein stetes Andenken be wahren wird.
Ich weiß, dass Sie diese Nachricht auf das schwerste ergreifen muss. Nur der, den es
persönlich angeht, v ermag den Schmer z zu ermessen, den ich I hnen durch meine
Worte zuzufügen gezwungen bin.
Mögen Ihnen meine Worte trotzdem in den schw ersten Stunden Ihres Lebens ein
kleiner Trost sein.
In tiefster Anteilnahme grüßt Sie, Ihr N. Gläsener
In Breslau beim Fotografen, 1943: Hier noch vereint, lächeln die drei Brüder W alter, Erich
und Günter Bruschke (von links nach rechts) in die Ka mera. Nur Walter wird den Krieg
überleben.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 48
Otto Buchholz
Eingesand von Siegfried Buchholz (Sohn)
Otto Buchholz wur de am 17. Juli 1914 in Tergewisch (Targowisko, Masuren) geboren.
Wie so viele Soldaten wurde der Vater zweier Kinder im Russlandfeldzug eingesetzt. Der
Obergefreite starb am 22. Oktober 1941 bei Weretje im Raum Nowgorod. Hier wurde er
auch beerdigt, wie die Nachforschungen nach seiner Grabstelle ergaben.
Der letzte Brief an seine Frau Herta erreichte diese erst elf Tage nach seinem Tod.
Letzter Heimaturlaub von Otto Buchholz, Mai 1941: Herta (25) und Otto Buchholz (27),
Sohn Siegfried (2) und Tochter Edeltraud (4)
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Letzter Brief an die Ehefrau Herta Buchholz
Russland, den 16.10.1941
Mein liebes Frauchen!
Mit recht herzlichem Dank erhielt ich D eine liebe Post, einen Brief vom 5.10. und
eine Karte vom 5.10. mit den guten Z igaretten und dann noch ein Päckchen v om
7.10. mit den feinen Sachen. Also recht, recht herzlichen Dank und zwei ganz große
Küsschen. Dass es Euch, meine Lieben, noch gut geht, freut mich sehr. Das ist wenigstens immer noch die einzige Beruhigung, die man hat.
Ich sitze gerade in einem Schw einestall, habe et was Schutz gesucht v or der großen
Kälte und dem Schneesturm. Morgen kommt wieder ein schwerer, ja ein sehr schwerer Tag, warten wie der Fuchs auf der Lauer, hoffentlich geht auch dieser Tag gut aus.
Von M. Krüger habe ich auch P ost, grüß ihn schön, ich kann jetzt nicht schr eiben.
Auch Deine liebe Post kann ich nicht beantwor ten, muss etwas r uhen. Der Urlaub
von all den Bekannten, der klaut einem die letzten Nerven. Wir liegen Tag und Nacht
ohne Schlaf im größten F euer, kalt, ohne H andschuhe, und was sonst noch alles
fehlt, und die H erren fahren auf Urlaub. Nun grüße noch alle r echt schön, sei D u
selbst recht herzlich, und auch die Kinder gegrüßt u. gek. v on Otto
Mai 1941: stolzer, glücklicher Vater Otto Buchholz mit seinen Kindern am damaligen
Wohnort in Bomst (heute Babymost) im Kreis Züllichau (heute Zielona Gora, Polen)
Briefe aus dem Krieg
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50 Letzte Lebenszeichen
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C
„Im nächsten Urlaub werden wir uns mal schöne Bilder
machen lassen. Wir haben nämlich kein vernünftiges Bild,
auf dem wir zusammen drauf sind.“
Jürgen Fritz Johann Campsen an seine Ehefrau.
Vermisst seit dem 24. Februar 1945.
Briefe aus dem Krieg
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Jürgen Fritz Johann Campsen
Eingesandt von Helene Daehn (Ehefrau)
Der am 3. August 1913 in Recht enfleht (heute Sandstedt) geborene Jürgen Campsen wird seit dem 24. Februar 1945 vermisst. Vier Tage nach seinem letzten Brief
ist er in der Gegend von Jülich und Düren verschollen.
Jürgen Campsen war Ober feldwebel und F lugzeugführer einer Ju 87 D. Sein Schicksal wird geteilt von seinem Bordfunker Helmut Steffen.
Letzter Brief an seine Ehefrau Helene
20.2.1945
Mein liebes gutes Frauchen!
Recht herzlich danke ich Dir für Deine lieben Briefe
Jürgen Campsen
Nr. 17 u. 12 vom 8.2. u. 29.1.45. Im 2. Brief Nr. 12
lagen einige Bilder bei, wo Du am Fenster sitzt, finde
ich am besten, auf den Bildern, wo wir zusammen drauf sind, finde ich [mich] nicht
nett. Du siehst ganz gut drauf aus, aber ich sehe ja toll aus, es kommt von den Lichtverhältnissen. Du willst ja noch mehr schicken, ich bin ja gespannt. Im nächsten Urlaub werden wir uns mal schöne Bilder machen lassen. Wir haben nämlich kein vernünftiges Bild, auf dem wir zusammen drauf sind. I ch freue mich schon so sehr auf
den nächsten U rlaub, vielleicht wir d es
im Sommer sein, schön wäre es und dann
müssten es 6 Wochen sein. Wie geht es
Dir, mein Lieb, hast Du immer noch so
viel Arbeit, übernehme Dich aber nicht.
Mir geht es sehr gut, wie immer , nur
möchte ich einige Tage bei Dir sein, mein
Liebes. Es sieht aber au gen blicklich nicht
danach aus, wir wollen hoffen, mein Lieb,
dass sich die Lage bald änder t, einmal
muss ja die Entscheidung fallen. Ich habe
genau wie D u ein noch sehr festes Vertrauen, es muss doch geschafft werden.
Letzter Urlaub mit Ehefrau Helene, Juni 1944
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Heiratsurkunde von Helene und Jürgen Campsen, Hochzeit am 12.4.1944 in Stade
So, mein Lieb, ich muss schließen, da heute sicherlich Einsatz sein wird. Die Wetterlage hat sich ja gebessert.
Dir, mein kleines F rauchen, wünsche ich alles, alles G ute und mit den besten
Wünschen und herzlichsten Küssen bin ich immer
Dein Jürgen
Als Flugzeugführer
Rechts im Bild Jürgen Campsen
Briefe aus dem Krieg
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54 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 55
D
„Ich weiß, wie wenig Trost Ihnen diese Zeilen sein können,
nur die Zeit und die Erinnerung an das Beste,
was Sie geopfert haben, vermag die Wunden zu heilen,
die das Schicksal schlug.“
Aus der Nachricht des Hauptfeldwebels
an die Eltern von Heinz Dürmaier,
gefallen am 26. April 1944.
Briefe aus dem Krieg
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Heinz Dürmaier
Eingesandt von Frank-E. Dürmaier (Neffe)
Heinz Dürmaier wur de am 10. Juni 1925 in Hangelar
geboren. Der Gefreite starb am 24. Juni 1944 bei S ervin, 60 K ilometer südwestlich von Bobruisk in Weißrussland (Belarus). Dort soll sich auch sein Gr ab befinden. Mehr ist nicht bek annt über den damals ger ade
19-jährigen Sol daten.
Letzter Kartengruß an die Mutter
21.5.1944
Zum Muttertag sendet Dir die besten Grüße
Heinz
Heinz Dürmaier
Der letzte, liebevoll gemalte Gruß an die Mutter im Mai 1944
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Schreiben des Hauptfeldwebels an die Eltern
Im Felde, den 25.7.1944
Geehrter Herr Dürmaier!
An Stelle des verwundeten Komp.-Führers [Kompanie-Führers] erfülle ich die traurige
Pflicht, Ihnen, geehrter Herr Dürmaier, mitzuteilen, dass Ihr Sohn, unser Kamerad und
tapferer Mitkämpfer, Gefreiter Heinz Dürmaier, bei den schw eren Abwehrkämpfen
bei Servin, 60 km südwestlich Bobruisk, am 24.6.1944 für Führer und Vaterland getreu seinem Fahneneid gefallen ist. Leider war es der Kompanie infolge der schweren
und wechselvollen Kampfhandlungen nicht möglich, Ihren Sohn zu bestatten.
Wir alle, die wir Ihren Sohn kannten, wissen, was Sie durch den schmerzlichen Verlust Ihres Sohnes verloren haben. Ich weiß, wie wenig Trost Ihnen diese Zeilen sein
können, nur die Zeit und die Erinnerung an das Beste, was Sie geopfert haben, vermag die Wunden zu heilen, die das Schicksal schlug.
Indem ich Ihnen, geehrter Herr Dürmaier, im Namen der Kompanie die aufrichtigste und tiefempfundene Anteilnahme versichere, verbinde ich zugleich den Wunsch,
dass Ihnen trotz Leid und Sorge, trotz der schweren Prüfung, die Gemeinschaft des
Volkes stets tiefe Achtung und Verehrung für das gebrachte Opfer entgegenbringt.
Ich grüße Sie in aufrichtigem Mitgefühl zugleich im Namen der Kompanie
Ihr Fritz
Hauptfeldwebel
Briefe aus dem Krieg
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E
„Jedes Stückchen Erde, das abgeerntet ist, muss sofort wieder
gedüngt und bepflanzt oder besät werden. Auch die Kleinsten
können helfen, Unkraut ausreißen und jäten. Dann müsst Ihr
im Frühjahr im Walde fleißig Erbsenreiser sammeln und jedes
Stück Holz, was Ihr auf der Straße oder im W alde findet,
müsst Ihr mit nach Hause bringen, ganz gleich, ob dick oder
dünn; denn im nächsten Winter wird es keine Kohle mehr
geben, und Ihr wollt doch nicht frieren, nicht wahr?“
Josef Einig an seine Familie.
Gestorben auf dem Rücktransport aus dem Gefangenenlager
zwischen dem 5. und 8. Oktober 1945.
Briefe aus dem Krieg
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Josef Einig
Eingesandt von Klaus Einig (Sohn)
Josef Einig wurde am 26. April 1903 in Wermelskirchen geboren. Zunächst war er Eisenbahner am Grenzbahnhof Nowy-Dwór-Mazowiecki, damals Bugmünde.
Sein Sohn Klaus Einig erzählt: „Als die russische O ffensive im Januar 1945 r ollte, floh er
und erreichte nach einer Irr fahrt [...] den Bahnhof Danzig-Langfuhr, wo er als Aufsichtsbeamter und Fahrdienstleiter eingesetzt wurde, bis der Kessel um Danzig geschlossen war.
Dann wurde er noch Soldat, geriet als Grenadier in russische Kriegsgefangenschaft, kam
ins Gefangenenlager Minsk und wurde dort schwerkrank im Herbst 1945 ent lassen. Auf
dem Heimtransport [zwischen dem 5. und 8. Oktober 1945] ist er an Ruhr gestorben.“
Vorliegenden Informationen zufolge befindet sich sein Gr ab derzeit noch in M insk,
Belarus.
Familie Einig Ende 1943 vor dem Mietshaus in W ermelskirchen mit ihren fünf Kindern. Von
links nach rechts: Renate (geboren 1930), Josef und Magdalene Einig mit Michael (geboren 1942), Doris (geboren 1937), Klaus (geboren 1934) und Norbert (geboren 1939)
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Letzter Brief, den Josef Einig an seine fünf Kinder
im Alter von zwei bis vierzehn Jahren sandte
Danzig-Langfuhr, den 15.2.1945
Liebe Kinder!
Diesen Brief richte ich aus einem besonderen Grunde an Euch alle. Wir gehen einer
sehr ernsten Zeit entgegen. Besonders die Ernährung macht mir Sorge. Das Einzige,
was sicher ist, ist dasjenige, was Stall und Garten hervorbringen. Nun müsst Ihr in diesem Jahr der Mutter besonders fleißig helfen, S tall und Garten zu versorgen. Schon
Doris und Norbert können fleißig Futter für die Kaninchen suchen. E rnährt Ihr die
Tiere reichlich, so werden sie dick und geben viel Fleisch und auch viel Fett. Für Klaus
halte ich es selbstv erständlich, dass er jeden Tag schon v om frühesten Frühjahr an
eine halbe S tunde Futter sucht. M utter wird Euch gerne z eigen, was und wo Ihr
suchen sollt. Auch die Sauber- und Trockenhaltung des Stalles ist für das G edeihen
der Tiere sehr wichtig. Und dann der Garten. Düngen und sauber halten ist hier das
Wichtigste. Mutter wird in die sem Jahr besonders sorgfältig darauf achten, dass nur
die Sachen im G arten gesät und gepflanzt w erden, die die meisten E rträge geben.
Helft nur alle fleißig mit. S ucht den Pferdedung von der Straße, wo Ihr nur könnt;
seid immer direkt dahinter her, nur keine falsche Scham; denn der Hunger tut später
weh. Jedes Stückchen Erde, das abgeerntet ist, muss sofor t wieder gedüngt und be pflanzt oder besät werden. Auch die Kleinsten können helfen, Unkraut ausreißen und
jäten. Dann müsst Ihr im Frühjahr im Walde fleißig Erbsenreiser sammeln und jedes
Stück Holz, was Ihr auf der Straße oder im Walde findet, müsst Ihr mit nach Hause
bringen, ganz gleich, ob dick oder dünn; denn im nächsten Winter wird es keine
Kohle mehr geben, und I hr wollt doch nicht frier en, nicht wahr? A uch wenn die
Fuhrwerke Briketts oder Kohlen oder Koks verlieren, hebt die Stücke sofort auf und
bringt sie nach Hause, selbst wenn Ihr mitten im Spiel seid. Und wenn Ihr mal ein
Stück Brot oder sonst etwas Essbares geschenkt bekommt, denkt an die G eschwister
und teilt mit ihnen auch das letzte S tück. Und wenn die Mutter mal auswärts geht,
um etwas zu bekommen, scheut keinen Weg und keine Last und helft ihr; denn sie
tut es nur wegen Euch. Sammelt auch im Frühjahr die Spitzen der Brennnesseln, damit Mutter schon frühzeitig nahrhaften Spinat kochen kann. Seid jederzeit bedacht,
dass es nur darauf ankommt, für Lebensmittel und H ausbrand zu sorgen, und setzt
jedes andere Ziel zurück; denn ich habe in den letzten Jahren und besonders die letzte Zeit so viel E lend gesehen, wovor ich Euch bewahren möchte. Unterstützt Euch
gegenseitig, wenn einem mal die N erven durchgehen sollten oder einem v on Euch
mal etwas zustößt. Besonders zu den kleineren Geschwistern seid rücksichtsvoll und
stoßt sie nicht zurück. D enkt auch ihnen gegenüber immer an das S prichwort:
Briefe aus dem Krieg
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„Geben ist seliger als nehmen.“ B etet auch täglich w eiter um das tägliche B rot. An
Gottes Segen ist alles gelegen; er sorgt für Wachstum im Garten und für M ensch,
Tiere und Pflanzen. Seid mildtätig gegen Arme und Hilfsbedürftige. Auch dies lohnt
Gott. Lest fleißig im Neuen Testament und achtet auf die Worte der Bergpredigt.
Magdalene Einig (geb. 6.5.1904) und Josef im Jahr 1943
Haltet stets Eure Mutter in Ehren und helft ihr, wo Ihr nur könnt. Geht fleißig zur
Kirche und haltet die Gebote. Bleibt Eurem katholischen Glauben treu und lebt auch
danach. Denn es ist nichts schlimmer , als äußerlich Christ zu sein und ander en ein
schlechtes Beispiel zu geben. Denkt auch immer daran, dass Gott Euer Vater ist; auch
wenn ich nicht bei E uch bin, so habt I hr doch Euren Vater im Himmel. Tragt ihm
Eure Nöten und S orgen vor, er wir d alles zum B esten lenken. Und wenn es auch
manchmal nicht nach unserem Willen ist, so beten wir ja täglich „Dein Wille geschehe, im Himmel und auf Erden“. Denkt auch stets daran, dass unser Leben auf Erden,
mit Mühsal und Not, nach unserem hl. Glauben nur die Vorbereitung ist auf ein schöneres, besseres Leben in der Ewigkeit. Sorgen wir, dass wir allzeit im Stande der heiligmachenden Gnade sind, damit wir uns im Falle eines plötzlichen Todes in der Herrlichkeit des Himmels, wo weder Hunger, Not, Kälte und Elend herrscht, wiedersehen.
Es segne Euch alle + Gott, der Vater, + der Sohn und + der heilige G eist, auf Erden
und in alle Ewigkeit.
Zum Schluss herzl. Grüße und Küsse, Euer Vater
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Joseph Ernstberger
Eingesandt von Dr. Reinhold Ernstberger (Sohn)
Joseph Ernstberger wurde am 27. April
1896 in Ebnath gebor en. Der Zollassistent
starb am 7. Februar 1945 in Küstrin.
Sein Sohn Dr . Reinhold Ernstber ger, der
damals 13 Jah re alt war, weiß über seinen
Vater zu erzählen: „Am nächsten Tag [nach
der letzten Postkarte des Vaters], also am
5. Februar 1945, wurde er so schw er verwundet, dass er nicht mehr gehen und
nicht mehr sprechen konnte. Am gleichen
Tag wurde das Haus meiner Elt ern durch
eine Fliegerbombe zerstört. Am 7. Februar
1945 starb mein Vater an den erlitt enen
Verwun dun gen.“
Vermutlich befindet sich sein Grab noch in
Kostrzyn nad O drą, dem polnischen und
größeren Teil der ehemals beiderseits der
Oder gelegenen Stadt Küstrin.
Die letzte Postkarte
an die Familie
Am 4.2.1945
Meine Lieben!
Heute am Sonntag gedenke ich besonders
an Euch und möchte wieder r echt herz- Joseph Ernstberger am Faschingstag 1933
oder 1934 mit seinem Sohn Reinhold im
liche Grüße übermitteln. D araus erseht Hof des kleinen Möbelgeschäftes, das am
Ihr auch, dass es mir immer noch gut geht 20. Oktober 1944 zur Hälfte zerstört wurde.
und die G esundheit nicht zu wünschen
lässt. Habt fernerhin ein festes Vertrauen und so es Gottes Wille ist, kommt auch der
Tag des Wiedersehens. Dann wird alles sein, als ob nichts ge wesen wäre.
Immer in treuen Gedenken
Euer Vater!
Briefe aus dem Krieg
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G
„Bleib gesund. Ich werde ganz fest an Dich denken
morgen früh, meine Liebste. Tu Du es auch.
Mein ganzes Herz für Dich.“
Hermann Grimrath an seine Frau.
Gefallen am 5. Juli 1943.
Briefe aus dem Krieg
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Willi Gley
Eingesandt von Regina Scholz (Tochter)
Willi Gley wurde am 27. Oktober 1909 in Amtsfreiheit geboren. Der Grenadier starb am
27. September 1943 in der Uk raine. Als Ort wird Zablocze oder auch Zablocie angegeben. Recherchen zufolge befindet sich sein Grab in Riwne (Ukraine).
Regina Scholz, die Tochter von Willi Gley, berichtet: „Unser Vater hat meiner Mutter, meiner Schwester (1931 geboren) und seinen beiden Geschwistern, so wie mir, am 27. Juni
1943 je einen Abschiedsbrief geschrieben.
Ich war damals erst zw ei Jahre alt und meine Mutt er hat mir zu meiner Konfirmation
1956 (ich war 14 Jahr e) meinen Brief überreicht. Ich habe ihn jeden Abend mit ins Bett
genommen und ihn immer wieder gelesen und bin immer wieder weinend eingeschlafen. [...] Dennoch bin ich glück lich, diesen Brief zu be sitzen und auch die letzt en Fotos.
[...] Meine Schwester findet ihren Brief leider nicht mehr.“
Ehepaar Gley
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Letzter Brief an die Ehefrau
Osten, den 27.6.1943
Meine liebe Mulle!
Die Umstände zwingen mich diesen Brief,
den ich schweren Herzens mich entschlossen habe zu schreiben [zu verfassen]. Erst
gestern habe ich wieder zwei Kameraden,
die von einer P artisanenkugel getötet
[worden] sind, zur letzten Ruhestätte getragen. Da kommt immer der G edanke,
was wird morgen oder übermorgen sein.
Bin ich es oder bist du es, Kamerad. Auch
unseren beiden Kameraden ist es nicht
mehr möglich gewesen an ihre Lieben zu
schreiben. Deshalb will ich vorher daran
denken und Euch das schreiben, was ich
Euch in diesem Falle noch sagen möchte.
Liebe Mulle, wir sind nun seit 15 J ahren
zusammen, haben beide gute und auch
schlechte Zeiten durchgemacht. Ich weiß,
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dass ich nicht immer so zu Dir war, wie ich es hätte sein müssen und wie D u es verdient hättest. Trotzdem glaube ich wohl sagen zu können, dass ich alles v ersucht habe, um Dich und unsere Kinder vor Hunger und Entbehrungen zu schützen, soweit
es in meinen Kräften stand.
Nun will ich Dir für all Deine Sorgen und Mühen, die Du mit mir und unseren Kindern hattest und noch haben wirst, von ganzem Herzen danken. Sollte das Schicksal
es schlecht mit uns meinen und ich eines Tages nicht zu E uch zurückkehren kann,
dann wünsche ich Dir und unserer Sonja und Ginalein alles Gute. Möge das große
Leid Euch dann die Kraft geben, dieses Schicksal zu tragen.
Liebe Mulle, sei dann unser en Kindern weiter eine gute M utter, wie Du es immer
gewesen bist. Vergesst nie Euren Vati! Denkt immer an ihn, so wie E uer Vati bis zur
letzten und schwersten Stunde an Euch denken wird.
Liebe Mulle, sollte einmal dann später an Dich die Frage herantreten, ob Du die Last
des Daseins nicht mehr tragen kannst, dann lasse Dein gutes Herz entscheiden, denn
ich weiß, dass es sich immer zu Gunsten unserer Kinder entscheiden wird. Ich weiß,
dass Kinder nicht immer so sind, wie die E ltern es wünschen. A ber wenn unsere
Im Vordergrund Familie Gley mit Kindern, im Hintergrund die Schwestern von Willi Gley
Briefe aus dem Krieg
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Familie Gley, die Kleinste ist Regina, 1941
68 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 69
Kinder auch nur ein bisschen von unserem Geist in sich tragen, dann werden sie sich
mit ihrer ganzen Kraft für ihre Mutti einsetzen.
Nun, liebe Mulle, will ich diesen B rief schließen in der H offnung, dass Du ihn nie
lesen brauchst. Sollte aber das Schick sal es anders wollen, dann „Leb wohl“ meine
liebe Mulle und vergiss mich nicht. Denke immer daran, dass Euer Vati bis zur letzten Stunde mit all seinem Denken bei Euch war. Mit Eurem Bild in der Hand wird
er die Augen schließen, wenn das Schicksal ihm das gestattet. B itte vergesst Euren
Vati nicht.
Für alle Liebe und Treue nochmals von Herzen Dank.
Letzter Brief an die Tochter Regina
Osten, den 27.6.1943
Mein liebes kleines Reginalein!
Gerade Dir diesen Brief zu schreiben, fällt
mir besonders schwer. Denn gerade Dir
gilt meine größte Sorge. Du bist noch so
klein und wirst D ich eines Tages nicht
mehr an D einen Vati erinnern. A ber
Mutti und S onjalein werden dafür sorgen, dass Du Deinen Vati immer im Gedächtnis behältst. Sie werden auch bei de
versuchen, Deinen Lebensweg so schön
wie möglich zu gestalten. Wenn Du dann Regina Scholz: „Mein Vater war sehr stolz
auf mich – hier unsere letzte Begegnung.“
groß bist, wirst D u eines Tages erfassen,
welche schwere Zeit Deine Eltern durchgemacht haben.
In dieser Stunde, wo ich diesen B rief schreibe, hoffe ich, dass das Schicksal mir die
Möglichkeit geben möge, unserer lieben Mutti, unserem Sonjalein und vor allem Dir,
mein liebes Ginalein, immer zur Seite stehen zu können.
Für Euch möchte ich leben und arbeiten.
Soll das Schicksal es anders wollen, dann wünsche ich D ir, mein Ginalein, alles Gute für Dein ganzes Leben. Vergiss Deinen Vati nicht und sei und bleibe stets ehrlich
und treu zur Mutti und zu Deinem Schwesterchen.
Leb wohl, mein Reginalein!
Briefe aus dem Krieg
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Georg Gräfe
Eingesandt von Ursula Böhm (Nichte)
Am 21. Juli 1920 kam Georg Gräfe in Weimar zur Welt.
Der Obergefreite hat den Russlandfeldzug vom ersten
Tag an mit gemacht. Ab Okt ober 1944 befand er sich
mit seiner Einheit an dem polnischen F luss Narew im
Einsatz. Seit Januar 1945 ist Georg Gräfe vermisst, man
nimmt an im R aum Braunsberg, heute Braniewo.
„Leider blieben alle meine Nachforschungen über sein
weiteres Schicksal bis heut e erfolglos“, ist das Einzige,
was die Nichte Ursula Böhm über das Verbleiben ihres
Onkels sagen kann.
Georg Gräfe als Soldat
Letzter Feldpostbrief an die Eltern
Im Osten, am 14.1.1945
Liebe Eltern!
Vorgestern habe ich zwar erst einen Brief an Euch geschrieben, aber da heute ein U rlauber fährt, will ich
die Gelegenheit benutzen, Euch noch einige Z eilen
zu senden. D as 2-kg-Päckchen habe ich v orgestern
mit vielem Dank erhalten.
Die schlechte Schrift müsst ihr schon um ständehalber entschuldigen, außerdem geht es in E ile. Es ist
jetzt 11 Uhr abends.
Heute hat bei uns der langer wartete russische Großangriff begonnen. Ein Vierteljahr lang war es r uhig.
Aber trau, schau w em. Punkt 8 Uhr heute früh, ich
war gerade beim Kaffeetrinken und hatte mir überlegt, dass es eigentlich S onntag ist, setzte das höllische Inferno ein. Wie das jüngste G ericht kam es
durch die L uft geheult, und schon bei den ersten
Georg Gräfe im russischen Winter
70 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 71
Granateinschlägen flogen unsere Fensterscheiben im Bunker entzwei. Das fängt
gut an, dachte ich bei mir . Er hatte ja
auch vorher genug Zeit zum Einschießen
seiner Geschütze gehabt. Jetzt geht es los,
sagte ich zu meinem Kameraden, der mit
am Tisch saß.
Durch langjährige E rfahrung weiß man
ja auch, ob es sich nur um einen F euerüberfall oder um einen An griff handelt.
Denn er beschoss zugleich die Front und
auch die rückwärtigen Verbindungs stra ßen. Jetzt kampieren wir wieder im Freien, und das ist weniger angenehm als im
Sommer. Aber man muss erst mal abwarten, was die nächsten Tage bringen, vielleicht halten wir ihn doch auf. Man muss
jedenfalls sein Herz in beide Hände nehmen. Gesundheitlich geht es mir noch
gut, was ich v on Euch auch hof fe und
wünsche. Ich möchte nun schließen und
wünsche Euch weiterhin alles Gute.
Herzliche Grüße auch an Tante Ida, Leni,
Berti, Ursula und B arbara sendet E uch
Georg.
Georg Gräfe mit seiner Mutter Emma Gräfe
und seiner Nichte (Ursula Böhm, welche
seine Briefe aufbewahrt hat) auf Heimat urlaub, 1941 im Garten seines Elternhauses
in Weimar
Georg Gräfe mit seinem Cousin Alfred
Römer auf Heimaturlaub 1943, im
Hintergrund der Weimarer Hauptbahnhof
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 72
Hermann Grimrath
Eingesandt von Hermann Grimrath (Sohn)
Dr. Hermann Grimr ath, Oberleutnant der
Reserve wurde am 25. Dezember 1910 in
Kapellen am Niederrhein geboren.
Sohn Hermann Grimrath fand den letzt en
Brief des Vaters an seine Mutt er in der en
Nachlass.
„Mein Vater, Dr. Hermann Grimr ath, ist in
den frühen Morgenstunden des 5. Juli 1943
von einer russischen Mine getötet worden.
Ehepaar Grimrath am 28.5.1943 auf ihrem
Bauernhof in Vennikel, Kreis Moers
Er war L eutnant eines Pionier zuges, der
den Auftrag hatte, Teile eines Bataillons
mit Floßsäcken und Fähr en über die Ok a
zu setzen, die an dieser Stelle noch ein kleiner Bach ist. Der Todesort ist bei Nowa Chutor,
einem kleinen Dorf auf halbem Wege zwischen Orel und Kursk.“
Vermutlich wurde Hermann Dr. Grimrath als unbe kannter Soldat auf die K riegsgräberstätte in Kursk-Besedino (Russland) überführt. Sein Name ist im Gedenkbuch des Friedhofs verzeichnet.
Dr. Hermann Grimrath (rechts) mit seinem Melder Roeßmann, 1942 in Rshew (Russland)
72 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 73
Brief an die Ehefrau
Russland, den 5.7.1943
Liebe Eltern!
Meine geliebte Frau, die letzten Tage waren gedrängt voll mit Märschen und al lem
Dienst, der mit B ewegung und Vorbereitung besonderer Maßnahmen zusammen hängt. Wir sind wieder in Stellung und haben eine andere Truppe abgelöst. Mein Zug
ist mit eingesetzt. Wir liegen ziemlich vorne in einer waldreichen Mulde, die dadurch
nur an Schön heit gewinnt, dass der Russe uns bis jetzt völlig in Ruhe lässt. Im Morgengrauen des kom menden Tages wird der Sturm beginnen. Da ich den B rief doch
nicht mehr loswerde, will ich ihn bis dahin bei mir behalten. Ich muss mit der ersten
Kompanie mit vorstürmen, um den Übergang über einen B ach zu schaffen. D rück
mir beide Daumen, damit alles klappt. Das Ganze wird wohl nur eine Offensive mit
begrenztem Ziel werden. Aber es ist eine ungeheur e Masse dafür aufgefahr en, vor
allem an schweren Waffen. Es wird ein or dentliches Gepolter geben! Ich habe alles,
so gut ich nur konnte, vorbereitet. Nun muss das Schicksal das Seinige dazu tun.
Seit den beiden Luftfeldpostbriefen blieb die Post von Dir aus. Ihr Inhalt ist im All gemeinen schon bespr ochen. Ist der A bschluss der neuen Lebensv ersicherung eigentlich getätigt? Wenn nicht, fragst Du vielleicht mal bei Lindes an. Es ist im merhin 6 Wochen her, seit ich sie beantragte.
Wie es in den letzten Tagen mit Fliegerangriffen stand, weiß ich nicht mehr, weil
mein Radio hinten geblieben ist. H offentlich seid Ihr noch alle gesund. H abt
Ihr auch so viel R egen wie wir? G erade
musste ich mich in mein Z elt flüchten,
aber Du siehst die Regenspuren trotzdem.
Bleib gesund. Ich werde ganz fest an Dich
denken morgen früh, meine Liebs te. Tu
Du es auch.
Mein ganzes Herz für Dich.
Dein Peter
Anmerkung des Sohnes:
„Das Datum des Briefes ist nicht richtig,
der Brief muss am Tage davor geschrieben sein, da unser Vater am 5.7.1943 um
6:35 Uhr zu Tode gekommen ist.“
Von Kameraden errichtete Grabstelle
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 74
Stefan Gruber
Eingesandt von Ida Ziegler (Tochter)
Stefan Gruber kam am 27. Dezember 1911 in Stuttgart
zur Welt. Während des K rieges wurde er sieben M al
verwundet – am 22. Oktober 1944 mit einem Bauch schuss. Zwei Tage später, am 24. Oktober 1944 erlag er
seinen schweren Verletzungen im Hauptverbandsplatz
Lottum in Holland.
Am 18.7.1956 wurde Stefan Gruber vom Katholischen
Friedhof Lottum auf die K riegsgräberstätte Ysselsteyn
im Kreis Venlo umgebettet.
Stefan Gruber, 1943
Uniformiert: Stefan Gruber (Mitte) mit zwei
seiner Kameraden
74 Letzte Lebenszeichen
Stefan Gruber ganz rechts mit Kameraden
in einem Unterstand in Russland, 1943
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 75
Letzter Brief an Ehefrau Anna
Holland 20.10.1944
Liebe Anna!
Zu Deinem Geburtstag wünsche ich Dir alles Gute, vor allem Glück und Segen, möge Dir alles in Erfüllung gehen, was Du Dir selber wünschst. Leider ist es mir in diesem Jahr wiederum nicht vergönnt, Dir mündlich die Glückwünsche zu überbringen,
in Gedanken bin ich jedoch bei D ir, aber nicht nur heute an D einem Geburtstag,
sondern alle Tage bin ich mit meinen Gedanken bei Dir und unseren lb. Kleinen. Wie
schön könnte es sein, wenn dieser verfluchte Krieg nicht wär, jeden Tag bekomme ich
eine größere Wut, dachte immer , dass bis O ktober eine entscheidende Wendung
kommen müsse, aber nichts ist bis jetzt gekommen und ich glaube auch an nichts
mehr, glaube nur, dass der Krieg noch so lange geht, bis voll alles kaputt ist. Wenn es
das Schicksal will, dass wir auch noch unser Leben lassen müssen, dann se hen wir
doch nichts mehr von diesem Jammertal und Elend.
Dir alles Gute wünschend grüßt und küsst Dich recht herzlich Dein Dich lb. Stefan.
Herzliche Grüße und Küsse an unsere Kinder von ihrem Papa.
Letzte Fotos von der Familie im letzten Urlaub, August 1944: Anna und Stefan Gruber,
Tochter lda, Sohn Stefan
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 76
Andreas Güner
Eingesandt von Helga Böhm (Tochter)
Andreas Güner wur de am 3. November 1912 in Wilhermsdorf geboren. Er gilt seit dem 8. Januar 1945 als
vermisst. Die Tochter Helga Böhm bericht et: „Es lag
nicht an meiner Mutter, dass mein Vater so wenig Post
bekam im Januar 1945, sondern an der ‚Kampfzone‘, in
der mein Vater stand: Kämpfe am Weichselbogen im
Raum Ciepielow.“
Andreas Güner
Die Suchanzeigen nach Andreas
Güner laufen seit Jahren.
76 Letzte Lebenszeichen
Letzter Brief an die Ehefrau
Osten, den 8.1.1945
Liebste Käthe!
Leider warte ich schon mehr ere Tage vergebens auf
ein Brieflein von Dir.
Ich bin immer v oller Unruhe, wenn ich nicht w eiß,
ob Ihr noch gesund seid bei dieser schw eren Zeit.
Ich weiß gar nicht, wie das kommt, dass ich so wenig
Post von Dir erhalte, ob Du, mein Liebling, so wenig
schreibst oder ob es an der Post liegt; und wenn man
keine erhält, hat man gar keine Lust selbst zu schreiben. Man weiß gar nicht, was man im mer schreiben
soll. Und dabei schreibe ich Dir doch, sooft es mir
die Zeit erlaubt.
Liebste Käthe, lasse mich doch nicht so lange auf ein
Brieflein von Dir warten, Du weißt es doch selbst, wie
es ist, wenn man so lange warten muss auf eine Nachricht von den Liebsten.
Will nun schließen, denn ich gebe es einem „U rlauber“ mit, damit Du ihn schneller erhältst.
Grüße die Renate und Helga von mir.
Es grüßt und küsst Dich Dein
Andreas
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 77
Käthe und Andreas Güner mit ihren Töchtern Helga und Renate, letzter Urlaub des V aters
im Winter 1943/44. Die Jüngere, Helga Böhm, ist viereinhalb Jahre alt.
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78 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 79
H
„Wenn ich nicht mehr sein sollte, dann behaltet mich bitte im
guten Angedenken und Du, liebes goldiges Mädel, heirate
dann später, wenn du eine Gelegenheit dazu hast, aber nimm
Dir nur einen guten Vater für unsere Kinder. Ob ich einer
gewesen bin, das kann ich nicht sagen, jedoch habe ich mich
redlich bemüht, ein guter Ehemann und Vater zu sein
und noch ein besserer zu werden.“
August Willy Hagel an seine Familie.
Gefallen am 4. Oktober 1943.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 80
August Willy Hagel
Eingesandt von Eva Hagel (Tochter)
Der am geb . 17. Mai 1906 in K indschen, Kreis Tilsit,
geborene August Willy Hagel war Stabsfeldwebel.
Zwischen dem 27. Januar und dem 3. Oktober 1943
schrieb er fünf Brief e an seine F amilie. Nur w enige
Stunden, nachdem er den letzt en Brief an seine sie benjährige Tochter Eva geschrieben hatt e, ist er am
4. Oktober im Raum Pekari, 20 km südlich von Kanew
in der Uk raine, gefallen. Zunächst wurde er auf dem
Soldatenfriedhof Babitschi bestatt et. Im No vember
2007 hat ihn der Volksbund auf den Deutschen Soldatenfriedhof Kiew umgebettet, wo heute auch sein Na Letztes Foto von August Willy
Hagel, aufgenommen im August 1943, nur wenige Wo chen
vor seinem Tod am 4. Oktober
1943. Seine Frau hatte ihn
kaum mehr wiedererkannt.
Aufgrund der schrecklichen
Erlebnisse an der Front war
er fast verstummt.
me auf einer Granitstele steht.
Seine Tochter hat die Brief e ihres Vaters aufbewahrt:
„Mein Vater hat jeden dieser Briefe so geschrieben, als
sei es der letzt e, aber richtig verabschiedet hat er sich
von uns, seiner Familie, bereits in dem erst en der fünf
Briefe, geschrieben an meinem 7.
Geburtstag, dem
27.1.1943.“
Erster Brief an Ehefrau Lina
und zum siebten Geburtstag seiner Tochter Eva
Am 27.1.1943
Mein herzliebes Weib!
Am 21.1. erhielt ich Deine Briefe vom 31. und 4. Januar und danke Dir von Herzen
dafür. Leider kam ich bisher nicht zum Antwor ten, denn wir stehen seit dem 22.1.
im Kampf gegen Partisanen und russische Reiterei. Heute Vormittag ist es ein wenig
ruhiger geworden und die Bomben allein können uns nicht stören. Wir haben schwere Tage hinter uns und unter Umständen noch schwerere vor uns. Wie es heißt, sind
wir eingeschlossen. Heute Nachmittag soll nun ein F lugzeug eintreffen und da wollen wir die Post mitgeben.
Meine liebe Ly, ich habe alle Post vernichtet, nur Deinen Brief vom 31.12. habe ich
bei mir in der Brusttasche und auf den will ich auch nur für heute eingehen und Dir
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darauf antworten. Du hast ihn am letzten Tag im alten J ahr geschrieben und viele
Wünsche zum neuen an mich und für mich ausgesprochen. Ich weiß, dass es dir mit
diesen vollkommen ernst ist und will mich nun auch D ir offenbaren.
Es kann sein, dass ich nicht mehr zu E uch komme und daher muss ich eingehend
Inventur machen. Wenn ich nicht mehr sein sollte, dann behaltet mich bitte im
guten Angedenken und Du, liebes goldiges Mädel, heirate dann später, wenn Du eine
Gelegenheit dazu hast, aber nimm Dir nur einen guten Vater für unsere Kinder. Ob
ich einer gewesen bin, das kann ich nicht sagen, jedoch habe ich mich r edlich bemüht, ein guter Ehemann und Vater zu sein und noch ein besserer zu werden. Sollte
mir das nicht mehr vergönnt sein, dann hat das Schicksal es eben anders gewollt und
ich und Ihr, wir müssen uns dem beugen. Eine Bitte habe ich noch! Verzweifle nicht
um die Zukunft und verliere der Kinder w egen nur nicht den K opf! Zum Sterben
habt Ihr später, sollte es nicht anders gehen, dann immer noch Zeit und Gelegenheit.
Und wenn Du mir danken willst, dann tust D u es, indem du star k und gläubig
bleibst und den Kindern die Z ukunft erschließt und erhältst und über sie wachst.
Das ist mein einziger und letzter Wunsch und den musst Du mir noch erfüllen. Ich
erwarte es von Dir, denn für Euch bin ich von Euch gegangen und nur deshalb ge gangen, damit Ihr weiterleben könnt und sollt. Meine letzten Gedanken werden bei
Euch weilen und sollte ich es können, dann w erde ich später über Euch wachen.
Du hast meine ganz e Liebe und mein Vertrauen und wirst mich nicht enttäuschen.
Das weiß ich und darum sehe ich der Zukunft ruhig entgegen.
Du wirst nun sagen, ich habe eine D ummheit mit meiner Ablösung gemacht. Es ist
nicht der Fall! Die Front ist jetzt überall. Es gibt in diesemWinter keine Unterschiede
in der Truppe und im Alter. Es muss auch der letzte M ann heran. Was hier vor sich
geht, das erfahrt Ihr aus Zeitung und Radio, nur ist es noch ein wenig schlimmer. Es
steht eine Übermacht vor uns an der ganzen Front, wie es niemand vorausgesehen hat
und erwarten konnte. Es liegt nun niemand im H interland und unbeschäftigt da,
sondern steht mit der Waffe dem Gegner gegenüber. Da steht der kinderr eiche alte
Vater neben dem 18-jährigen J ungen und der O T-Mann [Organisation Todt, die
Bautruppe] neben dem Arbeitsdienst und neben dem E isenbahner und alle w ehren
die einbrechende rote Flut ab.
Wir haben hier dauernd unbeständiges Wetter. Vorgestern taute es und über N acht
wieder eine Kälte um 40 G rad herum. Die Stiefel sind nass und nun gefr oren. Die
ganze Nacht nicht geschlafen. Z uerst waren es die P artisanen und dann sind wir
Streife gelaufen. Dann Partisanen von außerhalb der S tadt und hinterher Truppen.
Nun haben wir mit vielen Opfern die Straße in der Mitte freigemacht und halten uns
in der Igelstellung. Vor unserer Stellung liegen hunderte Tote, Männer, Frauen und
Briefe aus dem Krieg
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Kinder. Da muss man hart sein. Wer sich auf der Straße oder in den Häusern z eigt,
verliert sein Leben. Vorgestern bin ich 20 km mit 3 Autos weiter raus, um von außerhalb der Stadt den Angriff vorzutragen. Mit dieser Taktik kommen sie Schritt für Schritt
und Haus für Haus weiter vor und wir verlieren immer mehr an Bewegungsfreiheit.
In zwei Tagen sollen Panzertruppen von uns eintreffen und bis dahin müssen wir uns
halten. Unsere Verluste sind zum größten G lück bis heute noch sehr gering, doch
werfen sich die Flieger immer besser auf uns ein. Immer wieder müssen wir uns und
Soldaten ausbuddeln und die Bergung sichern. Geschütze haben beide Parteien nicht
und die Granatwerfer wirken auf feste Häuser fast nicht.
Evi hat heute ihren Geburtstag und Ihr werdet wohl alle am Tisch sitzen und fei ern.
Ich kann es leider nicht, denke aber auch daran. Wie doch die Zeit vergeht! Als ich
von Euch ging, war sie so alt wie H uschi und nun ist sie schon zw ei Jahre weiter.
Nun, mein liebes Mädel, nochmals Dir und den Kindern für die Zukunft alles Gute
und behaltet mich im guten Angedenken. Lebt alle r echt wohl und tapfer bis zum
Letzten. Viele Grüße und Küsse Euch allen und vielen Dank Dir, liebe Lina, für Deine Sorge und Liebe
immer Euer Papa
Zweiter Brief an seine Frau Lina
Nowo-Mokraswsk, 24.8.1943 – 30 km nördl. Djnepopetrowsk
Mein liebes Mädel,
gestern Abend bin ich endlich zum B atl. [Bataillon] gestoßen und mache [mich]
wohl morgen schon weiter zur Truppe in Richtung Lebedin-Gudjabsch westlich von
Charkow. Es geht hier zu, wie ich es mir auch in den schlimmsten M omenten nicht
vorstellen konnte. D as Batl. wurde in dem O rt, von dem ich in U rlaub fuhr, von
Panzern eingeschlossen und v ersprengt. Meine Einheit wurde gegen die begleitende
Infanterie eingesetzt und hatte 1 Toten und 5 Verw., darunter Uffz. [Unteroffiziere]
Stein und Sell und außerdem Thomalla mit Kieferschuss. Der konnte nicht sprechen
und schrieb es auf . Den Fz.Stab [Fahrzeugstab] hat man mit dem O berstleutnant,
1 Obltn., 1 Stfw., 1 Ofw. [Oberleutnant, Stabsfeldwebel, Oberfeldwebel], 15 Mann,
6 Autos gefangen genommen. Von der 1. Kp. [Kompanie] fehlen noch 12, v on der
2. Kp. 4 Mann. Man hat alles stehen und liegen lassen müssen. Akten, Waffen, Geräte, Munition, Autos usw. Der Zahlmeister und seine Uffz. haben sich das G eld in
die Taschen gesteckt u. die Unterlagen verbrannt. Die Leute haben einen Tag im Sumpf
festgesteckt und kamen erst am nächsten Tag durch unsere Panzer frei. Ein heilloses
Durcheinander! Nun ist auch Char kow besetzt und P oltawa bedroht. Als ich dor t
war, lag der R usse 10 km dav or, aber nur mit P anzerspitzen. Von meiner Einheit –
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Koppel usw. – habe ich nichts erfahren können, doch liegt die Division in schwersten
Kämpfen und soll eingeschlossen ge wesen und fast aufgerieben sein. Leute v on uns
haben sich schon ohne Waffen in Poltawa sehen lassen. Gestern fuhren 24 Urlauber
von hier zur Truppe und ich war te noch, bis die r estlichen eintreffen. Dann geht es
auch los.
Ich freue mich, dass ich nun noch in U rlaub war und E uch noch wenige Tage um
mich haben konnte. D as hat mich nun ein w enig aufgerichtet und E uer Bild u.
Leben wird mich in den kommenden Wochen stets begleiten. Es wir d hart zugehen
und offen gestanden – ich gebe wenig, sehr wenig auf ein Wiedersehen. Du wirst jetzt
wohl wochenlang ohne P ost bleiben. Bis ich bei der Truppe bin und eine F eldpostnummer erhalte und Euch von dort schreiben kann, wird wohl lange dauern. Komme
doch sofort zum Einsatz und während des Kampfes kann man wohl nicht schreiben.
Nun tausend herzliche Grüße u. Küsse – vielleicht die letzten –
sendet Euch allen von Herzen
Euer Papa
Sonntagsspaziergang mit Familie am westlichen Stadtrand von Frankfurt (Oder), aufgenommen im Spätsommer oder frühen Herbst 1942
Briefe aus dem Krieg
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Dritter Brief an Ehefrau Lina Hagel
Am 28.8.1943 – 16:00 Uhr
Mein liebes Mädel!
Nun wandere ich bereits 10 Tage in den verschiedenen Eisenbahnwagen durch Russlands weite Fluren und immer noch bin ich nicht am Ziel meiner Reise. Wenn wir –
was sehr fraglich ist – heute A bend noch fahren können, dann treffen wir morgen bei
der Truppe ein. Wir acht Mann haben das ewige Fahren, Halten, Warten auf den Anschlusszug schon übersatt und sehnen das Fahrtende herbei und wenn es uns noch so
dreckig ergehen sollte. U nser Regiment soll versprengt sein und hat nur noch 300
Köpfe am Sammelort. Ob sie noch da sind, w enn wir dort eintreffen, ist ebenfalls
fraglich. Wie es dem Batl. [Bataillon] während meines Urlaubs ergangen ist, habe ich
Dir bereits im 2. Brief geschrieben. Das Batl. selbst hat restlos alles verloren und der
Kommandeur ist stark angeschlagen. Und auch in der K ompanie geht es wie in ei nem gestörten Ameisenhaufen zu, alles nervös und verstört.
Nun ist in diesen Tagen der erste Großangriff auf Berlin gestartet!
Ob sie auch in Ffo. [Frankfurt (Oder)] abgeladen haben? Hier kann man nichts darüber erfahren.
Die Stimmung hier ist immer noch sehr gut und die zurückkommenden S oldaten
und Verwundeten sind von dem diesjährigen Kriegsende voll überzeugt.
Wie ist bei Euch die Stimmung nach meiner Abfahrt? Ist es trostlos oder hat es sich
bei Dir bereits gegeben? Mir kommt es nach dieser R eise so vor, als ob ich gar nicht
in Urlaub gewesen bin. Alles ist schon so v erwischt und in meiner E rinnerung weit
zurück. Bei mir muss eine Wandlung eingetreten sein. Ich bin ohne große Erwartung
in Urlaub gefahren und nach D einem tapferen Abschied gleichmütig und r uhig
gegangen. Was das bedeuten soll, weiß ich bis heute nicht. Soll es die Gewissheit meiner Rückkehr oder meines Lebensschlusses sein?
Habe eine Büchse Rindfleisch erspart und sende sie Dir.
Dir und den Kindern alles Gute und herzliche Grüße
von Papa.
Vierter Brief von August Willy Hagel an seine Familie
Am Sonntag, den 12.9.1943 – 9:00 Uhr
Mein herzallerliebstes Mädel!
Du armes Weib, hast nun gewiss eine bange Zeit ohne Nachricht von mir durchgemacht. Leider war ich am Schreiben verhindert und nehme mir in einer Ruhestunde
mit aller Gewalt die Zeit dazu, weiß jedoch nicht, wann der B rief abgehen wird. Es
geht hier alles drunter und drüber. Doch alles der Reihe nach!
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Am letzten Sonntag um 3:00 [Uhr] morgens wurden wir abkommandiert und besetzten unseren Ortsausgang gegen durchgebrochene Kräfte. Tagsüber geschanzt, abends
Feindberührung. Am nächsten M orgen Angriff der R ussen bis zur D unkelheit.
Abends setzten wir uns ab und griffen am D ienstag früh selbst an. 5 km G eländegewinne. Nachts Absetzung und unter starkem Feuer und Druck in eine neue Stellung.
Mittwoch tagsüber schwerer Kampf mit Gegenangriff und dann abends wieder A bsetzung vom Gegner. Am Donnerstag bis 9:00 [Uhr] ganz ruhig wie auch in der verflossenen Nacht. Dann aber ging es kunterbunt und lustig zu. Trommelfeuer, Panzer,
Flieger in rauen Mengen. Verluste hoch. Dann griff der Russe um 10:00 [Uhr] an, und
zwar von beiden Seiten von uns aus und nach 15 M inuten auch bei uns. Die Flügel
von uns waren bereits in voller Flucht und wir bemer kten es nicht. Also war en wir
weit vor und standen vor der Abschirmung. Nun nichts anderes als schnellstens nach
hinten absetzen. Wir wurden redlich Maß genommen und es wur de uns nichts ge schenkt. Die Russen standen an beiden S eiten und wir mussten mittendur ch. Die
haben auf uns bis auf 100 m wie auf H asen geschossen. Es kann sich niemand diese
Lage vorstellen! Hinter uns, an beiden Seiten und schräg vor uns russische Infanterie,
zwischen uns schlagen die Ar tilleriegeschosse, Infanteriekugeln, Bomben und Bordwaffen ein. Der Himmel hängt voller Flugzeuge. Tanks sind schon vor uns und knallen von vorne. Wir über Berg und Tal, durch Wald, Acker, Wiese, Sumpf, Wasser,
Getreidefelder durch und um unser Leben gekämpft. 5 mal bin ich dur ch Panzersperren durch und noch mehr Mal[e] war ich am Boden und habe für Minuten keine
Kraft gehabt und wollte liegen bleiben. Dann aber schnell ein Gebet und schon ging
es einige 100 m weiter, bis der nächste Zusammenbruch kam. Zwei Tage vorher nichts
gegessen, heißer Tag und riesiger Durst. Sumpfwasser getrunken. Alles Entbehrliche
weggeworfen und dann um 15 Uhr war ich endlich dem F euer und den Tanks entronnen und am r echten Rand unser er noch stehenden F ront angekommen. D ort
übernahmen wir letzten 6 M ann den Infanterieschutz einer Batterie. Die kam dann
in Kampf mit 8 Panzern. 6 wurden getroffen u. einer traf die letzte von unseren drei
Kanonen. Ich fuhr dann mit den Verwundeten mit zum Verbandsplatz, habe dor t
geschlafen und bin am Freitag allein losmarschiert. Ich traf dann noch den Arzt und
5 Mann von uns und nun suchen wir den R est unserer Truppe. Von 300 waren vor
dem letzten Angriff noch 47 in S tellung. Was heute noch da ist, wir d weniger sein.
Meine Feuertaufe war also über alle M aßen gut und r eichlich. Habe mich wacker
gehalten und EK [E isernes Kreuz] und evtl. S turmabzeichen sind mir sicher. Kommandeur hat mich gelobt und mir die H and gedrückt. S oll wieder S pieß werden
beim F.A.B [Feld-Ausbildungs-Bataillon]. Viele Kameraden tot, die Verwundeten
gefangen (Fußverletzte). Die Lage ist noch ungeklär t und scheinbar stößt der R usse
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:30 Seite 86
weiter schnell vor. Seit gestern Abend Regen u. Wege grundlos. Ich lief bereits über
50 km. Neue Stiefel. Ein Paar Strümpfe als E igentum u. die Kleinigkeiten in der
Kartentasche ist alles, was ich habe. Tornister verbrannt, Kleiderbeutel, Decke, Stahlhelm, Gasmaske, Feldflasche verloren.
Nun tausend herzliche Grüße und Küsse allen von Eurem Papa.
Der fünfte und letzte Brief ist an die Tochter Eva gerichtet.
Am 3.10.1944
Mein liebes Mädel!
Eben erhielt ich D einen lieben Luftpostbrief vom 21.09. und danke D ir für Deine
Zeilen. Wieder ist es mir ein Trost in diesen dunklen Tagen und ein lieber Gruß von
meinen Liebsten, meinem Stolz!
Dein Päckchen ist bis heute nicht eingetroffen und nun werden wohl wieder Wochen
vergehen, ehe ich es erhalte.
Waren vorhin zur Ausmusterung durch die Division angetreten und auch ich wurde
wieder für würdig befunden, als Zugführer zur Kampftruppe zu gehen. Der Abstellungstag ist noch nicht fest, doch müssen wir ber eitstehen. Also gibt es wieder eine
neue Feldpostnummer und für mich ein Warten auf Post. Ja, so ist es im Leben und
Familienfoto, aufgenommen vermutlich Ende 1940. Neben den Eltern die Kinder: links
Marianne, 3 Jahre, in der Mitte Manfred, 7 Jahre, rechts die fünfjährige Eva
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gerade in diesen verdammt kritischen Tagen! Der Russe hat es geschafft, in der gr oßen Dnjeprschleife nach Osten etwa 100 bis 150 km südlich von Kiew einen Brückenkopf zu bilden und da müssen wir ihn raushauen. D as Gelände ist sumpfig und die
Panzer können nicht heran. Also Infanterie vor und rauf! Für Dich aber immer noch
kein Grund, traurig zu sein.
Gestern Abend habe ich nun allerhand geschrieben, so an Koppel, Onkel Fritz, Oma,
Rückert, Fritz [Schwager], an die F rauen meiner gefallenen U nteroffiziere, an zwei
Kameraden. Heute bist Du nun wieder an der R eihe. Auch an Walter Dzeik schrieb
ich. Nun bin ich mit der Verwandt- und Bekanntschaft restlos fertig und habe für
eine Zeit Ruhe. Frieda schrieb ich vorgestern und gratulierte nachträglich.
Wie geht es Dir, liebes Mädchen? Bis heute ging es mir sehr gut, nur das U ngeziefer
hat mich geplagt. Nun haben wir Läusepulver und heute werden wir wohl Ruhe haben. Mit dem Essen geht es, nur Ersatz für die verlorenen und verbrannten Klamotten haben wir immer noch nicht, also wenig Gepäck zu tragen. Es war doch gut, dass
ich damals den Photoapparat bei Dir ließ. Der wäre dann ebenfalls verloren gegangen.
Du bist nun wieder einmal den Weg, den wir gemeinsam letztens gingen, mit den
Kindern abgelaufen. Ja, wenn ich das doch auch noch einmal könnte! Genutzt haben
wir die kurzen Urlaubstage schon genügend. Was sollten wir denn auch sonst noch
getrieben haben? Wir hätten ja nach Sonnenberg und Zielenzig fahren können. Das
wäre hauptsächlich für Dich etwas Abwechslung gewesen und die Deikerts haben tatsächlich auf uns gewartet. Nun ist es aber vorbei und von Deikert habe ich seit dem
8.9. abends keine Nachricht. Man sagte mir, er soll auch gefallen sein, doch steht es
nicht fest und somit kann er v erwundet gefangen worden sein. Am letzten M orgen
habe ich ihn nicht mehr gesehen.
Nun ist also Bubi Bransch auch schon Soldat! Ja, die Jugend möchte heran und Anny
hat nun für zw ei Menschen zu sorgen. Wo steckt jetzt eigentlich E rich? Habe von
ihm nicht die Feldpostnummer.
Wie glücklich sind doch Lieseckes! D ie sind die ganzen Jahre ungetrennt und ungefährdet und können ihr Leben nach Wunsch gestalten. D ie Einschränkungen des
Krieges merken sie obendr ein auch w eniger, weil sie diese gemeinsam be wältigen
können. Wäre die Kindergeschichte nicht, könnte ihr Leben restlos zufrieden gelten.
Manfred hat sich nun doch fr eigeschwommen! Eine Leistung, die ich ihm nicht
zutraute. Nun muss er im Frühjahr den Kursus wiederholen, denn bis dahin hat er es
verlernt, weil die Badezeit doch nun v orbei ist. Wenn hier die S onne scheint, ist es
behaglich warm, ist es aber trübe, dann ist es kalt und die Nächte sind immer sehr
kalt. Das Wetter hat sich in den letzten Tagen gehalten. Geregnet hat es nicht.
Ja, Mädchen, nun kommen für Dich die Tage der unablässigen Sorgen um mich.
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Ich bin nun bald für den R est des Krieges oder so lange, bis mir etwas zustößt, bei
der Kampftruppe und daher in ständiger Gefahr. Höhepunkte sind ja nur die reinen
Kampftage, doch auch in Frontnähe passiert oft etwas.
Ich sollte Dir davon eigentlich nicht schr eiben, wie es hier tatsächlich zugeht, doch
wenn ich es dennoch mache, dann nur, weil es für mich schon vorbei ist und bis Du
es erfährst, ist die Geschichte ja schon so alt und indessen haben sich andere Dramen
abgespielt. Auch tue ich es, damit D u und die Kinder notfalls eine E rinnerung von
mir habt und der Junge später in Regimentsgeschichte Stellen findet, wo ich auch dabei war und für Euch mein Leben eingesetzt habe. So will ich auch heute auf beson derem Bogen die Kämpfe der 5 Tage so schildern, wie sie mir noch in E rinnerung
sind und auch die Karte dazu in ein Päckchen legen. Die einzelnen Tage habe ich da
mit I bis V bezeichnet. Für diese Sache will ich den heutigen Sonntagnachmittag benutzen. Ich weiß, es wird so lang wie ein Roman werden.
Die Geschichte mit der E rbschaft und Frieda wollen wir nicht mehr im Kriege an rühren. Vielleicht, wenn alles gesund zuhause ist aufgrund gütlicher Regelung. Ich mag
aber nicht gerne daran rühren. Sollen sich andere Leute danach den Anzug zerreißen.
Als Berlin letztens angegriffen wur de und das Radio dazu „B erlin und Umgebung“
betonte, hatte ich schon schwere Bange um Euer Befinden und war daher sehr froh,
als ich nun als erstes Z eichen Deinen Brief erhielt. Wußte ich doch, dass I hr noch
lebt. Scheinbar legt der G egner auf diese S tadt infolge mangelnder I ndustrie noch
keinen besonderen Wert und nun wird ja bald unser Gegenschlag einsetzen, der ihm
die Lust zu weiteren Einflügen nimmt. Wir Soldaten glauben und hoffen darauf, weil
es auch der Führer letztens sagte.
Nun werde ich diesen B rief für heute beenden und schr eibe Dir dann morgen wieder. Habe keinen Stoff mehr auf Lager.
Es grüßt und küsst Euch tausendmal herzlichst
Euer Papa
Eben kommt der Abmarschbefehl für uns in 40 Minuten.
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Werner Hast
Eingesandt von Renate Jonas (Tochter)
Der am 4. Dezember 1912 in Berlin gebor ene Werner
Hast ist am 30. Oktober 1944 in Norwegen gefallen. Er
ruht heute auf der K riegsgräberstätte in Ber genSolheim, Norwegen. Seiner Frau war es nicht mehr vergönnt, am Gr ab ihres Mannes zu tr auern, aber die
Kinder konnten dorthin reisen.
Letzter Brief an die Ehefrau Inge
und die Kinder
Liebste Käthe!
Mein Ingelein!
Bei zwei Flügen war es nun schon sehr schwer wieder
nach Hause zu kommen, bei dem einen Mal haben wir
selbst lange nicht geglaubt, dass wir es noch schaf fen
könnten! Es ist noch einmal gut gegangen, w eil wir
den Mut nicht v erloren haben und w eil wir genug
Glück gehabt haben. N ach alter F liegersitte haben
wir danach im Heimathorst „Geburtstag“ gefeiert. –
Wenn Du nun heute diesen Brief erhältst, so wird er
Dir sagen, dass ich einmal nicht mehr genug Glück in
einer schweren Lage gehabt habe und dass ich wahrscheinlich nicht mehr zurückkehr en werde, – zum
Heimathafen, nach Hause zu Dir und den Kindern.
Ich will aber nicht, dass fr emde Menschen Dir diese
bitteren Worte als Erste sagen sollen, ich selbst will
Dir „Lebe-Wohl“ sagen und hoffe, dass D ir der Abschied dadurch etwas weniger schwer wird.
Ich möchte D ir heute noch einmal danken für die
unsagbare Liebe und Treue, die Du mir immer ent gegengebracht hast in den langen, schweren und schönen Jahren, die wir uns gehört haben. Das Leben war
ja so unvorstellbar herrlich für mich, wenn ich bei Dir
Ingeborg und Werner Hast,
ca. 1939 in Berlin
Werner Hast mit Tochter
Renate, 1942 zuhause in Berlin
Briefe aus dem Krieg
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sein konnte, – und wir haben unsere Zeit gut ausgenützt! Ich denken nur an die Wochen in Zwischenahn und die Urlaubstage des letzten Winters und Frühjahrs! –
Für die Zukunft kann ich Dir und den Kindern nur Glück und Standhaftigkeit wünschen, denn I hr werdet es nicht leicht haben! A ber denke immer daran, wie viele
Frauen vor Dir ihren Mann schon hergeben mussten und wie viele es in der Zukunft
noch tun müssen. Das alles muss eben sein, damit die Kinder in Ruhe und Sicherheit
und Frieden aufwachsen und leben können. Wenn es D ir dann einmal zu schw er
wird, dann denke an unsere beiden Töchter und an unser Drittes, die Dich brauchen,
für die Du da bist und in denen ich w eiterlebe!
Ich grüße zum letzten M ale Dich, meine liebe Inge-Frau, Dich, meine große Karin,
Dich meine kleine Renate, und Dich, mein ungeborenes Kleines, das ich noch nicht
gesehen habe. Ich küsse Euch von Herzen
Euer Werner.
Diesen Brief hat ein Kamerad in Verwahrung genommen und sendet ihn D ir nun,
nachdem ich vermisst bin und fast keine Hoffnung mehr besteht, von mir noch etwas
zu hören.
Familie Hast mit den Töchtern Karin und Renate, ca. 1943 in Berlin
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Max Helgert
Eingesandt von Rudolf Helgert (Sohn)
Der am 18. Oktober 1911 in Plauen gebor ene Max Helgert fiel am D onnerstag, den
1. März 1945, durch Bauch schussbei Neustettin (Szczecinek) in Westpom mern. Kame raden begruben den Staatsobermaschinisten in Alt Valm, heute Stary Chwalim in Polen,
wo sich sein Grab vermutlich noch immer befindet.
Sein Sohn Rudolf Helger t erinnert sich noch genau da ran, als der Brief mit der Todesnachricht seine Mut ter Lotte Helgert 1946 in Plauen err eichte: „Für sie brach eine Welt
zusammen und als sie ihn las, stand ich ne ben ihr. Das Bild hat sich mir eingebrannt, ich
war noch keine vier Jahre alt, aber ich werde dies nie vergessen.“
Brief an die Ehefrau Lotte
Neustettin, den 16.2.1945
Meine liebste Mutti und liebster Rolfi!
Ich warte ja so sehnsüchtig auf P ost von
Euch, auch von meinen Eltern habe ich
noch keine bekommen, aber daran seid
Ihr bestimmt nicht Schuld, es wir d bestimmt an der Bahnverbindung liegen.
Wie ich so immer aus dem Wehrmachtsbericht höre, waren in letzter Zeit mehrere Angriffe auf Sachsen. Hoffentlich seid
Ihr verschont geblieben, ich mache mir
die größten Sorgen um E uch, wenn ich
nur recht bald mal Post bekäme. Fliegerangriffe haben wir hier gar nicht, toi, toi,
toi, aber dafür liegt der R usse nicht weit
von uns weg, ich bin ja gespannt, wie das
noch weitergeht, wir gehen hier tüchtig
Wache, sonst geht es mir aber gut, ich bin
auch gesund und wohlauf , das hoffe ich
natürlich auch von Euch allen. Wie geht
es unserem kleinen R olfi? Weint er im mer noch, wenn er abends ins B ettchen Lotte und Max Helgert, 1940
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geht? Ich habe mein Goldhäsel ja so lieb, wenn doch bloß dieser grausame Krieg bald
zu Ende wäre und ich dann immer bei Euch sein könnte, ich habe ja jetzt schon wieder so eine große Sehnsucht.
Meine liebste Lotti, hast Du schon mal nach unseren Aufnahmen gefragt? Wenn Du
sie bekommen hast, dann schicke mir bitte v on jedem eins, ich bin wir klich neugierig, wie diese B ilder geworden sind. H ast Du schon an unser e Möbel die Z ahlen
angeschrieben? Vorgerichtet wird wohl unser e Wohnung noch nicht, na, das wär e
auch nicht so schlimm, es ist bloß gut, dass D u bei den Eltern bleiben kannst. Nun
will ich für heute erst mal schließen, hoffentlich bekomme ich r echt bald von Euch
Post. Die herzlichsten Grüße und viele liebe Kusseln von Eurem Vati!
Für Rolfi seine Sparbüchse liegt auch wieder etwas dabei.
Viele Grüße an alle unsere Lieben!
Letzte Postkarte an Frau und Sohn.
Max Helgert fiel einen Tag später.
Abgestempelt ist die Karte am 13.3.1945 in Berlin.
O.U., den 28.2.1945
Meine liebsten beiden!
Ich will Euch kurz ein Lebenszeichen von mir geben, und E uch mitteilen, dass ich
trotz harter Stunden noch gesund und wohlauf bin, dieses hoffe ich auch v on Euch
allen, und wünsche, dass wir auch w eiterhin gesund bleiben. I ch würde Euch gern
mehr über die Lage schreiben, aber das geht nicht, alles andere wirst du ja durchs Radio erfahren.
Nun meine beiden Liebsten sende ich E uch die herzlichsten Grüße,
und hoffe auf ein Wiedersehen, immer Euer Vati!
Weitere herzliche Grüße an alle unsere Lieben! Hauptsächlich meinen Eltern.
Brief eines ehemaligen Kameraden an Lotte Helgert
Büttel, den 5.6.1946
Geehrte Frau Helgert!
Sie werden erstaunt sein, v on einem Unbekannten Post zu erhalten. Es war mir leider nicht eher möglich, an Sie zu schreiben. Da ich erst seit dem 13.05.1946 wieder in
Deutschland bin. War bis Ende April in meiner Heimat Alt Valm, Kreis Neustettin,
Pommern, da wurde ich von den Polen ausgewiesen und von Polen ging keine Post
ins Reich. Also, Ihr Mann Max Helgert ist am 1. Mär z 1945 bei Rück zugskämpfen
bei meinem Heimatdorf durch einen rechten Bauchschuss tödlich getroffen und später (ca. 3 Wochen, Aussage in einer Eidesstattserklärung) von uns deutschen Zivilisten
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Lotte und Max Helgert, 1940
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mit noch 10 deutschen Soldaten und Zivilisten beerdigt. Sie ruhen an einer Straßenkreuzung gemeinsam in einem G rab. Wir hatten ein H olzkreuz darauf errichtet und
auf jedem Grab einen Stahlhelm und Seitengewehr gelegt.
An Sachen hatte Ihr Mann nur den Trauring und Soldbuch. Dazu die Erkennungsmarke D 181/30 T. Der Trauring ist bei dem damaligen deutschen Bürgermeister
(Fritz Maass) abgegeben.
Also, falls Sie bis jetzt noch keine Gewissheit über den Verbleib Ihres Mannes von einer deutschen Behörde hatten, so haben S ie hiermit die bestimmte G ewissheit, dass
Ihr Mann, der Obermaschinist Maat Max Helgert, geb. 18.10.1911 in P lauen, den
Heldentod gestorben ist. Ich hatte schon mal v ersucht, Ihnen durch einen Ka meraden aus Reichenbach (Vogtl.) Nachricht zu geben, und zwar dur ch eine Fotografie,
wo Sie mit Ihrem Mann u. Töchterchen darauf waren. [...] Nun noch mein herzlichstes Beileid. Meine Adresse lautet:
Landwirt
Wilhelm Giese, bei H. Rusch
in Büttel, Krs. Steinberg, Westholstein
Max Helgert (zweiter von links) mit seiner Frau an Bord eines Minensuchbootes
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Martin Hildebrandt
Eingesandt von Johannes Hildebrandt (Bruder)
Martin Hildebrandt wurde am 18. November 1925 in
Hachenburg im Westerwald geboren. Der Grenadier
fiel am 12. Dezember 1944 im K ampfraum Aachen.
Martin Hildebrandt ruht heut e auf der K riegsgräberstätte in Lommel, Belgien. Sein Bruder Johannes Hildebrandt hat seine letzte Nachricht aufbewahrt.
Letzter Brief an die Familie
O.U., den 5.12.1944
Meine Lieben!
Seit 29. sind wir nun v orne. 2 Tage waren wir ziemlich weit vorne, sind aber nun et was weiter zurückMartin Hildebrandt
verlegt als Eingreifreserve und kommen je nach B edarf nach vorne. Augenblicklich liege ich mit noch
2 Kameraden in einem E rdbunker im Walde, wo uns die v erfl. Jabos [Jagdbomber]
nicht entdecken können, wir haben einen kleinen O fen drin und fühlen uns ganz
wohl. Am Tage machen wir noch etwas Ausbildung und in der Nacht wird geschanzt.
Ja, das ging auf einmal sehr schnell und wir standen im G raben. Es ist allerhand los
hier, und wenn man zum ersten Mal die Sache mitmacht, muss man doch noch allerhand lernen. Vorläufig sind wir ja noch nicht in der HKL [H auptkampflinie], aber
wenn es brenzlich werden sollte, werden sie uns schon holen. Im Übrigen haben wir
sehr viel Ari [Ar tillerie] hier, und er wir d hier be stimmt nicht weiterkommen. Die
Verpflegung ist einigermaßen und der Landser findet ja nebenher auch immer noch
etwas Essbares. Meine [Feldpost-]Nr. habt ihr ja nun, und so hoffe ich zu Weihnachten wenigstens Briefpost zu bekommen.
Herzlichst Martin
Briefe aus dem Krieg
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J
„Du kannst Dir gar nicht denken, Mama,
was das für eine Qual für einen ist,
manchmal ist mir auch alles egal,
wenn ich Dich nicht hätte, liebe Ma,
dann würde ich den Kram nicht mitmachen.“
Günter Jokisch an seine Mutter.
Vermisst seit Anfang März 1943.
Briefe aus dem Krieg
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Günther Jokisch
Eingesandt von Gisela Giepen-Jokisch (Cousine)
Günther Jokisch, geboren am 13. September 1923 in Essen, ist seit Anfang März 1943 in
Russland vermisst. Sein Name wurde auf der G edenktafel der deutschen K riegsgräberstätte Kursk-Besedino, Russland, verzeichnet.
Seine Cousine weiß zu er zählen: „Günther Jokisch wollte sich anfangs eigentlich zur
Marine melden. Der besorgten Mutter war es dann aber schließlich doch noch gelungen, ihn zu überreden, sich beim Heer zu melden. Sie war fälschlicher weise davon ausgegangen, dass ihr Sohn dor t als gelernter Koch vorwiegend in der F eldküche eingesetzt werden würde.“
Brief des jungen Soldaten an die Familie
Russland, 28.12.1942
Meine liebe Mama, Oma u. Friedchen.
Habe Deinen lieben Brief wieder bekommen. M ama, es ist nur schade, dass ich so
wenig schreiben kann, und wenn man Zeit hat, dann ist man auch so müde. Augenblicklich liegen wir noch im Quartier, aber es wird wohl bald weitergehen, wär doch
nur dieses Elend mal zu Ende. Du kannst Dir gar nicht denken, Mama, was das für
eine Qual für einen ist, manchmal ist mir auch alles egal, wenn ich Dich nicht hätte,
liebe Ma, dann würde ich den Kram nicht
mitmachen. Wenn wir uns doch nur mal
wieder sehen könnten, Mama, denn es ist
doch schon eine lange Z eit her, als ich
das letzte Mal zuhause war . Die Hälfte
von der Kompanie sind schon alle im Lazarett, von 20 Mann sind noch 2 übergeblieben. Haben alle Erfrierungen an Fü ßen und Fingern und manche ha ben an
den Nieren eine E rkältung, die be kommen dann ein dickes G esicht. Bei mir
sind nur die Fingerspitzen etwas nicht in
Ordnung, habe kein richtig Gefühl drinnen. Hoffentlich komme ich nur wieder
gesund nach H ause. Mama, die S tunde
Mutter Elvira Jokisch und Sohn Günther
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Abschied auf dem Bahnsteig in Essen: Mutter und Sohn, bevor es wieder an die Front ging
Briefe aus dem Krieg
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werd ich mein Leben nicht vergessen, wenn wir wieder beisammen sind. Dann bringt
uns aber keiner mehr auseinander. Ja, liebe Ma, hättest Du damals auf mich gehör t,
wie ich mich melden wollte, dann wär ich nicht in Russland jetzt, wär nicht verdreckt
und hätte bestimmt schon Urlaub gehabt. Wenn man hier nur mal wieder raus käme,
aber da ist auch kein G edanke dran. Bohnen-Kaffee haben wir auch wieder bekommen, haben uns schon oft aufgeschüttet, aber er schmeckt nicht so wie zu hause. Auf
die Marzipanwurst freut Menne sich schon.
Nun, liebe Mama, muss ich Schluss machen, denn die wollen alle schlafen, und es
grüßt und drückt Dich, u. Oma u. Friedchen,
Dein Günther
Schreiben der Dienststelle an die Mutter Elvira Jokisch
11.3.1943
Seit den schweren Kämpfen der letzten Wochen an der O stfront befindet sich I hr
Sohn nicht mehr bei seiner E inheit. Sämtliche N achforschungen blieben bisher
leider ergebnislos. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass er ebenso, wie es bei anderen bereits der Fall war, in Kürze wieder zu seiner E inheit zurückkehrt. Es ist je doch auch möglich, dass er sich einem ander en Truppenteil angeschlossen hat, oder
in ein Lazarett in den besetzten Ostgebieten oder im Reich eingeliefert wurde. Leider
ist es auch nicht ausgeschlossen, dass I hr Sohn gefallen ist.
Für den Fall, dass Ihr Sohn auf irgend einem Wege eine Nachricht zukommen lässt,
bittet die Dienststelle um Mitteilung seiner neuen Anschrift.
Andererseits wird die D ienststelle, sobald I hr Sohn bei seinem Truppenteil wieder
eintrifft, oder es gelingt, ander weitig Klarheit über seinen Verbleib zu erhalten, die ses
Ihnen unverzüglich mitteilen.
Die Dienststelle gibt sich der H offnung hin, dass es gelingt, I hnen günstige Nachricht über Ihren Sohn zukommen zu lassen.
Heil Hitler
Lauer
Leutnant
100 Letzte Lebenszeichen
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Adolf Jonderko
Eingesandt von Leonhardt Maniura (Cousin)
Adolf Jonderko wurde am 30. Juni 1927 in Schomber g geboren. Insgesamt hat er nur
vier Briefe schreiben können. Drei Tage nach seinem letzt en Brief fiel der Schütze am
5. Januar 1945 bei Filly in Belgien. Das Grab des noch nicht einmal 18-Jäh rigen befindet
sich auf dem Soldatenfriedhof Recogne-Bastogne. Der im Brief erwähnte Achim war sein
jüngerer Bruder, der wohl unbedingt noch Soldat werden wollte.
Cousin Leonhardt Maniura erzählt weiterhin: „Anastasia Jonderko, die Mutter [...], verließ
im Januar 1945 ihr en Heimatort Schomberg. [...] Unwissend darüber, dass ihr Sohn be reits tot war, schrieb sie ihm am 4. Februar 1945 aus Z wickau. Der Brief kam später zurück mit dem Vermerk ‚unzustellbar‘.“
Familie Jonderko – Adolf Jonderko (rechts im Bild mit weißem Hemd) neben seinen Eltern
Bruno und Anastasia Jonderko. Vor ihm sitzt sein jüngerer Bruder Joachim.
Briefe aus dem Krieg
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Letzter Brief an die Mutter
Westen, den 2.1.1945
Meine liebe gute Mama.
Habe soeben Deinen lieben Brief vom 26.11. erhalten. Vom Papa habe ich auch ei nen Brief bekommen, über welchen ich mich auch sehr freute. Die Tante Hedel schreibt
mir auch öfter und das fr eut mich auch ganz besonders. A uch erhielt ich einen netten Brief vom Bernhard, von Tante Marie und eine Weihnachtskarte von einem Mädchen, welches ich aber gar nicht kenne. Liebe Mama, ich danke wirklich Gott, dass ich
am Leben bin. Es hat nicht mehr viel gefehlt und da hättest D u Deinen Adolf nicht
mehr. Habe bereits einen N ahkampftag hinter mir . Eine einzige K ompanie hatte
beim letzten Einsatz 150 Ausfälle. Habe auch schon ein Trommelfeuer mitgemacht,
dass 2 Kameraden den Verstand verloren haben. Das Feuer dauerte 3 Stunden. Es war
ein schauriger Anblick, als man sah, als um mich dieVerwundeten stöhnten und man
nun nicht helfen konnte. S elbst ältere Soldaten sagten, dass sie so ein F euer noch
nicht mitgemacht hätten und sie fr oh waren, dass sie v on der Hölle dav on gekommen sind. Solche Weihnachtsfeiertage, wie ich dieses M al erlebt habe, wünsche ich
mir jedenfalls nicht mehr wieder . Über 8 Tage habe ich nicht ein A uge zugedrückt.
Als man sich dann niedersetzte, da macht[e] man auch schon die Augen zu und schlief.
Habe für den P apa schon einen v ollen Rucksack Zigarren und Tabak zurechtgemacht. Jetzt brauch ich nur noch die G elegenheit, das nach Hause zu schicken. Ich
freue mich auch, dass der Onkel Albert den Papa mit Rauchwaren versorgt hat. Der
Onkel hat sich bestimmt sehr gefr eut, dass er Weihnachten zu H ause verbringen
konnte. Wenn der Achim noch mal sagt, er möchte lieber draußen sein, dann hau
ihm so den Hintern voll, dass ihm das D raußensein vergeht. Als ich Deinen letzten
Brief gelesen hatte und als ich las, dass D u stolz auf mich bist, da standen mir die
Tränen in den Augen. Ich freu mich auch, dass die Leute in unserem Hause an mich
denken. Ich möchte dem P apa auch sehr gern schr eiben, aber so viel Z eit hat man
hier draußen nicht. Bedanke mich dafür in diesem Brief. Er soll mir aber nicht böse
sein. Er soll auch dem Herrn Schulz und den Klubmitgliedern einen schönen G ruß
ausrichten.
Liebe Mama, ich muss nun schließen, da ich noch kur z die anderen Briefe beantworten will. Was macht der Hansi? Sei nun recht herzlich gegrüßt von Deinem Adolf.
Die herzlichsten Grüße an Papa, Hans und Achim. Herzlichen Gruß an alle.
102 Letzte Lebenszeichen
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Antwort der Mutter Anastasia Jonderko
4.2.1945
Mein lieber Adolf!
Es ist nun ziemlich lange her , dass ich D ir geschrieben habe, da die P ost seit dem
15.1. in Schomberg nicht befördert wurde. Wir sind am 18.1. geflüchtet und kamen
nach Hartenau, von wo aus ich am 30.1. w eiterfuhr und bis ich endlich gestern
Abend in Zwickau gelandet bin. Wir befinden uns augenblicklich bei der F amilie
Przibylla, von der Tante Marie vom Onkel Roman die Schwägerin. Sie hat uns sehr
liebevoll aufgenommen und das Weitere wird sich finden.
Wie es dem Papa geht und wo er ist, w eiß ich nicht! Hoffe jedoch das Beste.
Der Babin ist auf dem Rad geflüchtet, da am 24. vom Grützberg die Artillerie schon
Beuthen beschossen hatte und [der] Bombenr egen ziemlich lange angehalten hatte.
Die Mädchenschule und die B euthstr. sind bombardiert, und später ungefähr nach
5 Tagen hörte ich, dass die P oststr. und O stlandstr. brennen. Der Russe kam v on
Kosel, Gleiwitz und Piekar und hat uns ganz eingeschlossen und der Babin ist durch
Ratibor gekommen, wo die Russen auch schon sein sollen.
Geflüchtet bin ich bloß mit dem A chim und Hans, die Tanten konnten sich nicht
entschließen und [es] ging sehr schnell in der N acht um 3 Uhr. Was wir hinter uns
haben, ist unbeschreiblich, und was uns bevorsteht, wissen wir nicht. Jedenfalls hoffe
ich das Allerbeste.
Schreibe Dir morgen wieder ein paar Zeilen. Was ich befürchtet habe, ist nun eingetroffen und Gott geb’s, dass sich alles noch zum G uten wendet.
Sei recht herzlich gegrüßt von Deiner Mutter, Hans und Achim.
Habe den Beschuss von den Russen 10 Tage gehört, denn es war nur 5 km v on uns
entfernt und die Toten und Verwundeten haben wir jeden Tag gesehen und konnten
aus dem Nest nicht fliehen, da es 15 km v on der Bahn entfernt war und uns kein
Mensch zur Bahn bringen wollte.
Briefe aus dem Krieg
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104 Letzte Lebenszeichen
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K
„...Kamerad Kliche hat uns nie hungern und dürsten lassen.
Da suchte er, bis er irgend etwas, was die Vormarschstraße in
ihrer Umgebung bieten konnte, fand, schlachtete, kochte und
hat jedes Gericht vorbildlich schmackhaft zubereitet.“
Aus der Nachricht des Kompanieleutnants
an Johanna Kliche zum Tod ihres Sohnes Wendelin,
gefallen am 15. Januar 1940.
Briefe aus dem Krieg
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Jakob Kimmel
Eingesandt von Gertrud Helf (Schwester)
Jakob Kimmel wurde am 2. Juni 1922 in Weißenthurm geboren, er fiel kurz nach seinem
zwanzigsten Geburtstag. Das letzte Lebenszeichen ist der Brief mit den Zigarren an den
Vater anlässlich des gemeinsamen Namenstages.
Die Schwester Gertrud Helf kann sich gut erinnern: „Es sollte die letzte Nachricht von ihm
bleiben. Wir warteten täglich vergebens auf ein L ebenszeichen von ihm. Es vergingen
Wochen banger Erwartung. Erst am Tag nach dem er wähnten Namenstag – Ja kobstag,
25.7. – kam die traurige Gewissheit, dass unser Bruder im K ampf um Sewastopol schon
am 14.6.1942 gefallen war. [...] Die letzt e Ruhe fand Jakob auf dem Soldat enfriedhof in
Bajdary [auf der Krim].“
Totenzettel von Jakob Kimmel
106 Letzte Lebenszeichen
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Abschrift der letzten Nachricht an den Vater
Osten, den 3.6.1942
Lieber Vater!
Schicke Dir hier einige Z igarren, die ich seit einigen Wochen am Sparen bin zum
Namenstag. Sie werden wohl einige Wochen zu früh ankommen, aber besser zu früh
als zu spät. Kann sie ja auch nicht so gut aufheben hier , und wer weiß, ob ich noch
mal so gut Z eit und Gelegenheit dazu bekomme wie jetzt. Es sind ja nicht so viele
wie im Vorjahr aus Frankreich, aber ich denke, D u wirst auch mit den w enigen viel
Freude haben. Wir bekommen in der Woche ja nur 2 bis 4 S tück und gestern bekamen wir Marketenderwaren, wo ich auch noch welche kaufte. Leider können wir dieses Jahr wieder nicht zusammen N amenstag feiern, aber wollen hoffen, dass wir es
nächstes Jahr wieder können. Will nun schließen, lass sie D ir recht gut schmecken,
wenn ich wieder welche habe, schicke ich sie D ir wieder. Also im Voraus die besten
Glückwünsche zum Namenstag und alles Gute wünscht Dir
Jakob
Briefe aus dem Krieg
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Wendelin Kliche
Eingesandt von Arno Kliche (Sohn)
Der am 18. März 1907 in Quilitz auf der Insel U sedom geborene Wendelin Kliche war
Schütze und der beliebte Koch seines Regiments in F rankreich. Er fiel am 15. Juni 1940
bei Changis-sur-Marne, wo ihn seine Kameraden auch begruben. Er wurde umgebettet
und ruht heute auf der Kriegsgräberstätte Fort-de-Malmaison in Frankreich.
Nachricht des Kompanieleutnants an die Ehefrau
Frankreich, den 9.7.1940
Sehr verehrte Frau [Johanna] Kliche!
Heute erhielt ich vom Regts.Stab Ihren so besorgt anfragenden Brief vom 2.7. zugestellt. Ich nehme an, dass S ie inzwischen v on der 1. K omp. [Kompanie] unseres
Regts.[Regiments], der Ihr lieber Mann doch eigentlich angehör te, Nachricht über
seinen am 15.6. erfolgten Heldentod bekommen haben werden.
Ich kann Sie nur trösten mit der Mitteilung, dass Ihr Mann einen raschen und unvermuteten Tod für seinen Führer und sein Vaterland gefunden hat in Ausübung seines
uns so notwendigen Dienstes als eifriger, nimmermüder und be währter Koch beim
Gepäcktross des Regts.
Schütze Wendelin Kliche trat im Mai zuerst als Fahrer zum Gepäcktross und fuhr in
der ersten Z eit einen erbeuteten LKW . Als eine fr z. Anhänger-Feldküche erbeutet
wurde, versah er außerdem noch Kü chendienst, in dem er dann ganz und gar aufging. Hier war er an seinem r echten Platze. An jedem Morgen war er der E rste auf,
besorgt um das leibliche Wohl der vie len Kameraden. Mir hat er den bes ten Dienst
damit bewiesen, denn er nahm mir viel Sorge und Mühe um die B eschaffung und
Einteilung der tägli chen Nahrung und K ost ab. Und wenn wir bei dem schnellen
Vormarsch oft v om Regt. unversorgt blieben, Kamerad Kliche hat uns nie hungern
und dürsten lassen. D a suchte er, bis er irgend etwas, was die Vormarschstraße in
ihrer Umgebung bieten konnte, fand, schlachtete, kochte und hat jedes G ericht vorbildlich schmackhaft zubereitet. Wie oft habe ich mit ihm in aller M orgenfrühe in
verlassenen Gärten Spargel gestochen, S tachelbeeren gepflückt oder ir gendwo und
irgendwann nach einer Wasserstelle oder einer gut getarnten und w ettergeschützten
Unterbringungsmöglichkeit für „seine“ F eldküche gesucht. Und „seine“ Feldküche
war immer sauber, das Essen immer pünktlich. Wir konnten uns kei nen besseren
Koch wünschen als ihn. D ieses Lob wurde auch von all den O ffizieren und Soldaten
108 Letzte Lebenszeichen
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ausgesprochen, die gelegentlich und hungrig zu uns kamen. Darum war Koch Kliche
bald ein bekannter und vielgenannter Kamerad ge worden. Wir alle, aber auch alle,
haben bei seinem Tode den K opf hängen lassen. D as Essen hat uns sobald nicht
geschmeckt, denn es war nicht von ihm. Er fehlte uns, wir vermissen ihn auch heute
noch immer. Keiner wird ihn vergessen, sein lebhaftes Wesen, seine Geschäftigkeit,
seine rasche Sprache. Jeder weiß von ihm etwas Gutes zu berichten. Denn sein Herz
war gut und hilfsbereit sein ganzes Wesen.
Wie sehr er an Ihnen, liebe Frau Kliche, und an dem Kinde hing, das spürten wir, wenn
er Heimatpost empfing, und erfuhren es ganz besonders am letzten Abend (am 14.6.),
ehe er mit Feldw. [Feldwebel] Koltermann und seinem Helfer Untffz. [Unteroffizier]
Bartetzko auf der gr oßen engl. Zugmaschine mit der Küche zum R egts.Stab [Regimentsstab] vorfuhr. Da erzählte er uns im engen Kreise von Frau und Kind und seiner
und der Familie Zukunft.
Sorge und Güte war sein Lebensner v. Der Herrgott lohne es ihm, indem er S ie Trost
finden lässt an seinem Kind in glück licher Zukunft.
Feldwebel Koltermann, der ihn begleitet
hat und ihm auch die letzte E hre erwies,
wird Ihnen die näheren Umstände seines
Todes berichten. Er hat ihn begraben, sein
Grab geschmückt und photographiert.
Uns rief die Pflicht zum w eiteren Vormarsch.
In herzlichem Beileid
gez. Hans Schiller, Ltn.
Letzte Ruhe für Wendelin Kliche auf der
Kriegsgräberstätte Fort-de-Malmaison
Briefe aus dem Krieg
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Herbert Kloos
Eingesandt von Gisela Kloos (Schwester)
Herbert Kloos wurde am 27. November 1927 geboren.
Er wuchs am Meer auf, in Barth an der Ostsee. Der nicht
einmal achtzehnjährige Matrose ist seit dem 10. April
1945 vermisst, als Ort wird Stralsund angegeben.
Letzte Briefe an die Mutter
Stralsund, 3.3.1945
Liebe Mutti!
Nun ist schon wieder eine Woche herum, seitdem ich
Deinen lieben Besuch hier hatte. Diese Woche wird
es nun nichts mit dem Ausgang, denn heute beginnt
in aller Frühe eine Bataillonsgefechtsübung, die den
Matrose Herbert Kloos, 1945
ganzen Sonnabend über dauert, und am Sonntag haben wir Gruppe vom Dienst. Es ist jetzt ¼ nach 12
und mit dem Schlaf für heute ist’s wohl aus. Ich bin nämlich von 12 bis 2 Läufer für
OVA [Offizier vom Alarmdienst]. Hier hat sich in zwischen allerhand verändert; unsere Gruppe besteht nur noch aus vier M ann, alle ander en sind zur I nfanterie abkommandiert worden, und von meinen zwei Kameraden, die in Untersuchungshaft waren, ist einer zum
Tode, der andere mit acht Jahren Zuchthaus bestraft
worden. Hoffentlich bleibt es uns erspar t, ihn selbst
erschießen zu müssen. H ast Du von Gisela noch
keine Nachricht? Sie muss doch wohl auch abgehauen sein. Nimm für heute die allerherzlichsten Grüße
entgegen von Deinem Herbert
In Barth an der Ostsee, 1943
110 Letzte Lebenszeichen
Stralsund, 7.4.1945
Liebe Mutti!
Nun ist es soweit, in den nächsten Tagen, wahrscheinlich am Dienstag (kann aber auch an einem an deren
Tag sein) werde ich abkommandiert zur Marine-Infanterie. Ja, es soll wohl nicht anders sein. Heute kam
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es ganz plötzlich. Der Zug musste antreten, dann wurde abgezählt und immer eine bestimmte Zahl musste ausscheiden. Von 22 Mann kommen 16 zur Marine-Infanterie.
Wir fahren zunächst nach An germünde, werden dort kurz überholt und dann ab in
die Hauptkampflinie. Für Deinen lieben Brief, über den ich mich wieder sehr gefreut
habe, recht herzlichen Dank. Dass es mit der Bahn geklappt hat, ist ja prima. Wenn
sich nichts grundlegend ändert, ist es also so, wie ich oben schrieb. Bevor ich hier abhaue, schreibe ich nochmal. Viele liebe Grüße auch an Gisela von
Deinem Herbert
Mit der Mutter in Zingst an der Ostsee, 1943
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 112
Helmut Körner
Eingesandt von Dr. Rosemarie Jünge (Ehefrau)
Helmut Körner wurde am 1. Mai 1920 in Terpitz geboren. Der Panzeroffizier fiel am 22. April 1945 im HalbeKessel. Er galt zunächst als vermisst. Heute ruht Helmut
Körner auf der Kriegsgräberstätte in Halbe.
Zum ersten Hochzeitstag sandte Helmut Körner seiner
Ehefrau Rosemarie ein G edicht. Es sollte das letzte Lebenszeichen werden, das sie von ihm erhielt.
Sommer 1944 in Italien
Hochzeit von Rosemarie und Helmut Körner am 26. März 1944
112 Letzte Lebenszeichen
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Helmut Körners letztes Lebenszeichen –
ein Gedicht für seine Frau zum ersten Hochzeitstag
26.3.1945
Du Sorge beugst das Herz mir nicht,
denn das ist meine Zuversicht:
nach Leidenszeit
folgt Fröhlichkeit!
Mag kommen, was da kommen mag,
wenn grau der Nebel, steigt der Tag
so schön empor
wie nie zuvor!
Ich scheid’ von Euch an Hoffnung reich,
mein Lieb und Dank bleibt ewig Euch,
und Gottes Güt’
auch Euch behüt’!
Helmut Körner mit Frau und Eltern im Januar 1944 in Greifenhain bei Borna, Sachsen
Briefe aus dem Krieg
113
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 114
Klaus Kuhlow
Eingesandt von Christiane Berg (Tochter)
Klaus Kuhlow wurde am 8. Oktober 1910 in der kleinen
Stadt Burgwitz in Thüringen geboren. Er war Landwir t
auf seinem Gut Neuenhagen im K reis Regenwalde in
Ostpommern. Hier lebt e die F amilie mit ihr en drei
Kindern.
Am 10. März 1945 k am Klaus Kuhlow in der G egend
von Stettin ums Leben. Der Leutnant ist vermutlich als
unbekannter Soldat auf die Kriegsgräberstätte im polnischen Stare Czarnowo überführt worden.
Klaus Kuhlow
Zuhause auf Gut Neuenhagen: Vater mit beiden Kindern Kolmar und Christiane, um 1944
114 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 115
Letzte Briefe an Ehefrau und Kinder
O.U., den 23.2.1945
Meine liebe Frau!
Heute sollst Du schnell wieder einen Brief von mir haben, es geht mir gut und ich bin
ganz guter Dinge, wenn auch die Tage manchmal nicht einfach sind und einen doch
vieles beeindruckt. Schließlich ist es ja nun keine allzu spaßige Sache, in Deutschland
Krieg zu führen. Man denkt immer an all die armen von hier vertriebenen Menschen,
deren Hab und Gut hier zerstört wird und die doch schließlich auch an ihrem Besitz
hängen. Das Schloss, in dem wir hausen, ist das E igentum von sehr reichen Leuten,
die sehr schöne Sachen haben, wunderbare Ölgemälde und Bücher. Dann steht hier
das ganze Kinderspielzeug herum und erinnert mich dauernd an unsere drei Bratzen.
Hoffentlich bleibt Euch das erspart und wenn es auch manchmal sehr schw er ist, so
kommt einem doch erst hier richtig zum Bewusstsein, worum es geht und dafür stehen wir ja hier.
In großer Liebe denkt Deiner und der Kinder
Dein Klaus
7.3.1945
Meine geliebte Frau!
Hoffentlich erreicht Dich dieser Brief und ich will froh sein, wenn Ihr alles gut überstanden habt. Ich habe mit Schrecken den Wehrmachtsbericht gehört, dass der Feind
schon bei Plathe steht, und ich bin in großer Sorge um Euch, ob es Dir auch geglückt
ist, rechtzeitig fortzukommen. Aber ich hoffe und bange jetzt um Nachricht, über alles
andere wollen wir nicht reden, wenn Ihr nur gesund seid und mir erhalten bleibt, dann
ist alles gut. A ber Materialien kann man wieder er werben, die Hauptsache seid Ihr.
Ich habe an Frau Hansen geschrieben und dieser Brief geht dort hin. Wir haben schwere Kampftage und der Russe drückt sehr und es ist zu allem ander en nicht leicht.
In Liebe denkt immer Deiner
Dein Klaus
Briefe aus dem Krieg
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Heinrich Kullick
Eingesandt von Iris Czyrnik (Großnichte)
Heinrich Kullick wurde am 6. August 1919 in Herten im
Ruhrgebiet geboren. Sein Verbleib war der Familie bis
ins Jahr 2009 nicht bekannt. Nachforschungen haben ergeben, dass der Gefreite am 8. September 1943 in Folge
seiner Verwundungen im Feldlazarett in Lesja verstarb.
Seine letzte Ruhe hat Heinrich Kullick auf der Kriegsgräberstätte in Solo gu bowka bei St. Petersburg.
Brief an die Eltern
Russland, 5.9.1943
Liebe Eltern!
Heute, da ich das zw eite Päckchen erhalten habe,
Heinrich Kullick, Oktober 1941
möchte ich E uch gleich einen B rief schreiben, gesundheitlich geht es mir noch sehr gut, dasselbe ich
auch von Euch hoffe und wünsche, der Kuchen war genauso wie im ersten Päckchen
verschimmelt, es ist schade, aber dafür waren die Plätzchen gut und haben noch mal
so gut geschmeckt, ich habe mich sehr darüber gefr eut und nochmals besten D ank,
Mutter, wenn Du mir noch mal Kuchen schickst, packe ihn nicht in Pergament ein,
sonst wird er wieder schlecht bei mir ankommen, leg ihn einfach hinein.
Liebe Eltern, von Lidi hab ich auch Post bekommen, ich habe mich sehr gefreut und
wie sie schreibt, hat sie es ja ganz gut getr offen, na, das ist die H auptsache und das
freut mich, sonst gibt es hier nichts Neues, es knallt wohl noch, aber lange nicht mehr
so wie einst vom 23.8. – 27.8., einen kleinen Splitter hab ich auch bekommen, an der
Hand, ist aber nicht schlimm. Morgen begraben wir einen Kamerad von mir, 19 Jahre,
wir beide haben zusammen im Loch gelegen, von meiner Gruppe sind wir noch zwei
Mann, einer aus Gelsenkirchen und ich. Liebe Eltern, ich schicke meine Besitzurkunde fürs Verwundetenabzeichen mit. Va, sieh mal zu, ob Du nicht eins kaufen kannst
und Westwall-Ostwall und Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern, so als eine
Schnalle, lass [es] aber zu Hause liegen, wenn ich in Urlaub komm, dann hab ich es,
es soll nämlich nichts mehr geben v on dem Zeug.
Nun, liebe Eltern, seid recht herzlichst gegrüßt von Eurem Sohn Heini
Gruß an Walter
116 Letzte Lebenszeichen
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Brief an den Schwager Walter
Russland, 8.9.1943
Lieber Walter!
Heute endlich komme ich dazu, Dir Deinen Brief zu beantworten, es hat zwar lange
gedauert, aber vorne im Loch geht es beim besten Willen nicht, dort nimmt man weder Schreibzeug oder all den andern Kram mit, na, heute geht es ja wieder , vergangene Nacht wurden wir abgelöst, 5 Tage waren wir im Dreck gewesen, das heißt: ein
Loch geschanzt, bis am Bauch im Wasser, nichts Besonderes zum Essen und Trinken,
es ist wohl alles genügend vorhanden, bloß das Vorbringen ist so schlecht, na, ich glaube, wenn Du mich oder Va und Mo mich gesehen hätten, würden mich nicht erkannt
haben. Aber leider ist auch der letzte aus meiner Gruppe gefallen, so bin ich noch der
einzige Überlebende von der Gruppe, es ist schade um die Jungens.
Ich sage nur eins, Walter, danke Gott und sei zufrieden, dass Du dies nicht alles mitmachen brauchst, der erste Krieg war wohl hart, aber zu diesem kein Vergleich. Aber
ich sag immer, es geht alles vorüber, bist Du nicht derselben Ansicht? Na, Walter, jetzt
mal zu Dir, wie fühlst Du Dir denn jetzt so, so ganz allein? Wo Lidi nicht da ist, vor
3 Tagen bekam ich v on Lidi Post, ich habe mich sehr darüber gefr eut, ich dachte
schon, sie hätten mich vergessen, aber doch nicht, denen gefällt es dor t in O.Bayern
sehr gut, lass sie ruhig unten für die kurze Zeit, wo der Engländer den Zirkus macht,
aber wenn ich in U rlaub komm, wird alles wieder O.-kee sein, w erden wir wieder
einen Kräftigen heben, Walter??????
Glaub mal, ich denke so oft an den letzten Tag von meinem Urlaub, war das nicht ein
richtiger Abschied, bloß zu Hause müsste er gefeiert werden, wär es noch mal so schön
gewesen, na, in Zukunft werden wir es anders machen, was macht den der Rennsport
noch, Walter? Fährst du noch nach Gelsenkirchen? Wenn ja, schlag mal zu, ich schick
Dir Geld und dann halb-halb.
Und wie geht es Dir denn noch so? Mir immer noch solala.
Und wie geht es zu Hause? Kommt der Tommy noch in dem Maße?
Nun, Walter, will ich schließen, lass es D ir gut gehen und sei her zlichst gegrüßt von
deinem Schwager Heini
Gruß an Vater und Mutter
Nachricht eines Kameraden an die Eltern
Im Felde, den 17.10.1943
Sehr geehrte Familie Kullick!
Im Besitze Ihres Schreibens vom 28.9.43 will ich Ihnen kurz schildern, wie Ihr Sohn
Heini verwundet wurde.
Briefe aus dem Krieg
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Ich kann leider heute nicht mehr genau sagen, ob es am 8. oder 9.9. war . Ich selber
war damals Schreiber der Einheit Feldpostnummer 10118 A. I hr Sohn befand sich
beim Tross, da er wunde Füße hatte. An dem [... unleserlich ...] Tage setzte uns die
russische Artillerie einige schwere Sachen in den Trossraum. Ihr Sohn saß in einem
Zelt und las die soeben empfangene P ost aus der H eimat. In einer Entfernung von
ca. 20 mtr schlug eine G ranate auf einen Baumstumpfen, was eine erhöhte Splitterwirkung zur Folge hatte. Ihr Sohn erhielt nun einen Granatsplitter in die linke Schulter, der in der M itte der Brust seinen Ausgang fand. Auch wurde er an der r echten
Hand verwundet. Ich selber habe geholfen, Ihren Sohn zu verbinden. Leider war die
Verwundung so schwer, dass der Tod schon seine H and nach ihm ausstr eckte. Ich
habe ihn dann noch in einen Sanka [Sanitätskraftwagen] verladen helfen und im Stillen gehofft, dass er doch noch durchkommen möchte. Ich habe Ihren Sohn als einen
ehrlichen und aufrichtigen Kamerad kennen gelernt und w erde ihn auch so schnell
nicht vergessen.
Ihnen möchte ich an dieser S telle meine her zlichsten Anteilnahme aussprechen zu
dem großen Verlust, der S ie getroffen hat. Weiß ich doch, wie schmer zlich es ist,
einen geliebten Menschen zu verlieren, da ich persönlich selber hart getroffen wurde,
da ich durch Bombenterror meinen Vater verloren habe und meine Mutter heute [...
unleserlich ...] schwerverletzt in einem Krankenhaus liegt. So will ich schließen in der
Hoffnung, dass ich I hnen mit meinen A usführungen dienlich ge wesen bin. Leider
kann ich I hnen kein B ild beschaffen, da wir zur Z eit in einem ganz ander en Abschnitt eingesetzt sind. A uch dürfte es sich in der Z ukunft nicht mehr machen lassen, da dur ch Frontverkürzungen die Grabstätte nicht mehr in unser er Hand sein
wird. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
Willy Loschelden
Obergefr.
F.P.Nr. 27756 C
118 Letzte Lebenszeichen
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Bild des Grabes, vermutlich vom 8.9.1943
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M
„Ja, der Kampf hier ist sehr erbittert und hart und es gibt
täglich viele, viele Ausfälle, trotzdem habe ich das Gefühl,
dass ich durchkomme. Ängstigt euch also nicht,
sondern vertraut unserem Herrgott,
der’s schon recht macht!“
Hans Müller an seine Familie.
Am 10. August 1942 an seinen Verwundungen gestorben.
Briefe aus dem Krieg
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Philipp Maul
Eingesandt von Heidrun Kern (Nichte)
Philipp Maul ist am 25. Juni 1913 in Dietzenbach geboren. Schwer verletzt schrieb der Unteroffizier seinen letzten Brief von einem Hauptverbandsplatz in der Nähe
von Smolensk. Abgeschickt wurde der Brief von einem
Kameraden. Philipp M aul verstarb am 16. Juni 1943.
Seine Kameraden beerdigten ihn auf dem Friedhof von
Duchowschtschina in Russ land, wo Philipp M aul Recherchen zufolge noch heute ruht.
Philipp Maul, 1913
Abschrift des letzten Briefes an den Bruder
Heinrich Maul und dessen Frau Katharina.
Mit den Grüßen an Zuhause und Liese sind
Eltern und Schwester gemeint.
8.6.1943
Ihr Lieben!
Entschuldigt als Erstes meine Schrift, I hr werdet es schon mer ken, warum es nicht
geht. Vielen Dank für Euer Päckchen vom 23.5. Wie Du schreibst, warst [Du] alleine
zu Haus; sei froh, dass Du Dir noch die Ruhe gönnen kannst. Auch ich werde für die
nächste Zeit etwas R uhe haben, aber R uhe mit sehr gr oßen Schmerzen. Denn am
17. auf 18.6. wurde ich an einem schw eren Bauchschuss ganz komisch verletzt. [...]
Jetzt liegt man hier, obwohl es noch geht. Ich wurde gleich operiert, was von großer
Wichtigkeit war. Wir haben nämlich einen Fachmann für Bauchschüsse mit diesem
Arzt [… unleserlich …], er arbeitet sehr gut. Jetzt, das Unglück wollte es zum zweiten
Mal, ein paar Tage später bekam ich eine L ungenentzündung dazu, jetzt begannen
die Schmerzen zum zweiten Mal. Ich will so langsam wieder Schluss machen, denn
meine Augen und Arme wollen nicht mehr , bin schon schwach. G ehe nach Hause
und zu Liese und spreche dort Bescheid über meine Lage, denn ich kann nicht jedem
schreiben. Liege noch im H auptverbandsplatz, weil ich noch nicht transpor tfähig
bin. Nun will ich schließen und wünsche E uch alles Gute.
Bis auf ein Wiedersehen
Philipp
Grüße an zu Hause und Liese
122 Letzte Lebenszeichen
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Hauptverbandsplatz
Feldp.Nr. 35530
O.U., den 18.6.1943
Liebe Frau Maul!
Ich habe die schwere Pflicht Ihnen mitteilen zu müssen, dass I hr Mann, der Unteroffizier Philipp Maul, am 16. Juni 1943 verstorben ist. Wie Ihnen Ihr Mann schon
unterdessen selbst mitteilen konnte, wur de er am 28. M ai 1943 mit einer B auchschussverletzung auf unserem Hauptverbandsplatz eingeliefert. Die Operation ging
glücklich vorüber und die H eilung der Wunde hatte schon so gute F ortschritte gemacht, dass mit einer Lebensgefahr nicht mehr zu rechnen war. Da trat im Laufe des
Spätnachmittages des 15. J uni 1943 eine doppelseitige L ungenentzündung ein, die
der noch geschwächte Körper nicht zu über winden vermochte. Am Morgen des folgenden Tages trat dann gegen 5 Uhr der Tod ein.
Auf dem H eldenfriedhof von Duchowschtschina wurde Ihr Mann heute früh um
10 Uhr an der S eite seiner Kameraden beigesetzt. E in Bild vom Grabe wird Ihnen
durch die Bildstelle der Einheit F.Nr. 09375 zugesandt. Die Kompanie der Gefallenen
übernimmt die Übersendung der hinterbliebenen Wertgegenstände.
Foto des Jahrgangs 1913 unmittelbar nach der Musterung, ca. 1932/33
Briefe aus dem Krieg
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In herzlicher Anteilnahme empfinde ich mit I hnen den Schmer z, der Sie bei E mpfang der Trauernachricht erfüllt. Der Krieg hat nun von Ihnen das schwerste Opfer
gefordert. Ihr Mann starb an den Folgen einer Verwundung, die er sich beim Einsatz
in treuer soldatischer Pflichterfüllung zugezogen hatte. Trauernd stehen wir hier im
Felde an den H eldengräbern unserer gefallenen Kameraden, aber auch in dem B ewusstsein, dass jeder von uns ebenso wie sie bereit sein muss, sein Leben einzusetzen
für die Sicherheit der Heimat.
Diese letzte Einsatzbereitschaft ist notwendig geworden, um den bolsche wistischen
Feind von den Grenzen unseres Vaterlandes abzuhalten. In der Gemeinschaft mit all
jenen Frauen und Müttern, die ein gleichgroßes Opfer bringen mussten wie Sie, mögen Sie Kraft und Trost finden in dem Schmerz um den lieben Toten. Ich spreche Ihnen zu dem schweren Verlust mein aufrichtiges tiefempfundenes Beileid aus.
Mit deutschem Gruß
gez. Dr. Köppel
Oberstabsarzt
Hochzeitsfoto des Bruders Heinrich und seiner Frau Katharina Maul vom 7. August 1937
124 Letzte Lebenszeichen
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Georg Müglitz
Eingesandt von Renate Mehrens (Tochter)
Georg Müglitz wurde am 3. Juni 1908 in Berlin gebor en. Als die Familie im Januar 1945
aus Berlin flüchten musste, hatte sie noch keine Nachricht über seinen Tod. Erst wesentlich später erhielt sie da von Kenntnis, dass der Vater am 31. Januar 1944 in Russland
gestorben war. Nachforschungen haben inzwischen ergeben, dass der Feldwebel einen
Kilometer ostwärts von Busuluk, einer Stadt im südlichen Russland (Oblast Or enburg),
begraben ist.
Renate Mehrens, die damals fünfjährige Tochter von Georg Müglitz, hofft: „Am 1. Mai
2010 bin ich 71 Jahr e alt geworden und glaube, dass ich zu Lebzeiten das Grab meines
Vaters noch einmal sehen darf.“
Brief an die Ehefrau Hildegard
Müglitz, vom 6.1.1941
Liebe Mammi!
Das war ein Drama! Ich fuhr zum Schlesier B ahnhof. Nach langem Warten hieß es,
dass einige Züge ausfallen würden. Als dann um 20:10 [Uhr] ein D-Zug einfuhr, stieg
Hildegard und Georg Müglitz mit ihren beiden Kindern, 1942 in Küstrin an der Oder
Briefe aus dem Krieg
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ich kurz entschlossen ein, da dieser schon 17:10 Uhr abfahr en sollte und ich damit
rechnen musste, dass der Zug [um] 19:37 Uhr, mit dem ich fahren sollte, bald ebensolche Verspätung haben würde. Der Anschluss in Frankfurt/Oder klappte und um
24:00 Uhr war ich im Lager.
Als Urlauber brauchten wir heute früh nicht mit heraus zum Schießen; mussten uns
um 9:00 Uhr melden und fuhr en dann mit Pfer dewagen in den Wald Holz holen.
Um 12:00 Uhr waren wir zurück. Nachmittags Schnee fegen, Waffen reinigen. Der
Tag fing also gut an.
Bei meiner Ankunft fand ich B riefe von Grössin [Tante von Georg Müglitz] und
Jenne vor.
Der Urlaub war zu schön und ich werde noch oft und lange daran zurückdenken. Sei
guten Mutes, liebe Mammi, es wird schon alles gut w erden. Ich danke Dir herzlich
für alles Gute, auch für das „P e t“ [Paket] vom Bahnhof Putlitzstraße. Bis jetzt habe
ich schön „Happa-Happa“ [Essen] machen können.
Nun sei herzlichst gegrüßt. Dir und der Mäusi [die Tochter Renate] viele Küsschen
Euer
Pappi
Die Kinder Renate und Joachim (zehn und
acht Jahre alt), 1948 oder 1950 im Sommer
126 Letzte Lebenszeichen
Brief an die Familie
17.11.1942, geschrieben im Rigaer
Lazarett
Meine letztwillige Verfügung
Ich will zunächst betonen, dass diese Zeilen nicht etwa aus einer trüben S tunde
oder gar einer Todesahnung heraus entstanden sind. Dieser Brief hat damit nichts
gemeinsam.
Auch soll er kein Testament sein, das meinen Angehörigen etwa meinen Willen aufzwingen will. Weiß ich doch keineswegs,
ob eine spätere Zeit und ihre Auswirkungen auf die Menschen mit meinen heutigen Ansichten überhaupt noch in E inklang zu bringen ist. D ie finanzielle An gelegenheit bedarf keiner länger en Behandlung. Nach einem bereits bestehenden Testament fällt alle meine H abe un-
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 127
geteilt meiner Frau zu. Ich will Dir, liebe Hildegard, dankbar sein, wie es je ein Mensch
sein kann, für das, was D u mir gewesen bist in den kur zen Jahren unserer überaus
glücklichen Ehe: Kamerad, Geliebte und Mutter Deiner Kinder, zu den oftmals auch
ich mich rechnete. Du vermitteltest mir ein Glück, das mich, den doch das Leben oft
hart angefasst hatte, mit vielem v ersöhnte, ein Glück, das mich in mancher trüben
Stunde der letzten Jahre immer wieder hochriss und mich manches erreichen ließ, vor
dem ich sonst verzagen wollte. Deine Tapferkeit hat mich mit Stolz erfüllt; denn nichts
trägt sich wohl schw erer als das Los einer Krieger frau. Und so möge Dir auch nach
meinem Tode ein Glück beschieden sein, auf das Du Anspruch hast durch die Liebe
u. Güte, die Du mir entgegengebracht hast. Ich weiß, dass Du dazu nichts tun wirst,
was unserem Namen und unser er Kinder unwür dig ist. Was Du auch immer tun
magst, es wird richtig sein! Lass Dich nicht durch eine unfruchtbare Trauer um mich
um Dein Lebensglück bringen. N ur eine Bitte: vergiss nie über D einem Glück das
Glück unserer Kinder. Solltest Du also eine Verbindung eingehen, so denke dabei an
sie. Der Gedanke, dass sie vielleicht einmal als H albwaisen aufwachsen sollten, hat
mir manches Mal die Augen feucht werden lassen. Und nur der Gedanke, sie in Deiner Obhut zu wissen, gab mir Trost. Erziehe sie zu braven Menschen, die sich in al lem vor Augen halten mögen, dass sie vieles von ihrem Sein denen verdanken, die
für sie starben. Verschaffe ihnen, w enn
möglich, eine gute Ausbildung.
Den Entscheid über Schließung oder
Fortführung des Geschäftes überlasse ich
Dir. Du magst selbst beurteilen, was hier
am zweckmäßigsten ist. S ollte die H inter bliebenen-Unterstützung ausreichend
sein, so sehe ich keine U rsache, Dich
durch Fortführung des Geschäftes Deinen
Kindern zu entziehen. A ber Du magst
darin selbst entscheiden.
Euch, liebe Eltern, wünsche ich Kraft und
Trost, diesen Schicksalsschlag zu über winden. Es ist immer mein Wunsch gewesen, Euch in glücklichen F riedenszeiten
für das zu entschädigen, was der Krieg an
Not und S orge über E uch brachte und Hildegard Müglitz mit ihren Kindern
Euch meine D ankbarkeit zu er weisen. Joachim und Renate, 1948
Briefe aus dem Krieg
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Ihr habt in den letzten Jahren viel Kummer erleben müssen und ich freue mich daher
über jede Stunde, in denen es meinen Lieben und mir gelang, E uch aufzuheitern.
Und nun ist auch E uer „Kleiner“ [die Eltern hatten drei Söhne, Georg Müglitz war
der Jüngste] zu einem Sorgenkind geworden.
Auch in Euren Herzen, liebes Röschen und lieber Richard [Richard war sein Bruder
u. Röschen dessen Frau] werde ich eine Lücke hinterlassen, wie ich wohl annehmen
darf. Die schwere Zeit hatte uns doch einander nähergebracht, und ich versprach mir
viel von der Zeit nach dem Krieg. Ich wünsche Euch und Euren Kindern von Herzen
alles erdenkliche Glück, das einem M enschen beschieden sein kann. M eine Bitte:
nehmt Euch meiner Lieben an. Mag dies mit Mühen und Umständen für Euch verbunden sein, so denkt bitte daran, dass mir nichts zu viel sein dur fte, bis ich die
Augen schloss.
Nun zu Euch, liebe Omi u. lieber Opi [die Schwiegereltern]. Eure Liebe u. Güte, die
Ihr mir und meinen Lieben entgegenbrachtet, hat mir manche S orge abgenommen
und mir vieles leichter gemacht. Ich kann Euch daher nur bitten, ihnen auch weiterhin, besonders aber jetzt Trost und Stütze zu sein.
Euch alle aber bitte ich immer wieder her zlich, nehmt E uch meiner Lieben an.
Schließt Euch enger zusammen und füllt dadur ch die Lücke aus, die ich hinterließ.
Von ganzem Herzen sei Euch allen nochmals Dank für alle Liebe u. Güte, die Ihr mir
zuteil werden ließet. Ich kann es Euch nun nicht mehr vergelten.
Ich wünsche Euch allen ein Leben voller Glück und Zufriedenheit. Lebt wohl.
Euer Georg
Fuhrbetrieb Müglitz in Berlin-Moabit: zehn Tempowagen mit neun Fahrern, ein Wagen wurde von Georg Müglitz gelenkt – wie hier auf dem Foto: eine Fahrt nach Küstrin, 15.9.1935
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Letzter Brief an die Ehefrau Hildegard
27.1.1944, 21:45 Uhr
Meine liebe, gute Mammi!
Ich benutze die morgige A bfahrt eines Urlaubers, um Dir ein paar Z eilen zu übermitteln. Mir geht es – wie gestern schon mitgeteilt – gut, ich bin gesund und munter .
Unbeschreiblich aber ist es, was die Männer auszuhalten haben. Sie liegen nun schon
wochenlang draußen, frei in Erdlöchern, ohne Dach bei Frost, Schnee und Tauwetter
mit Regen in einem Schlamm ohnegleichen. Ich habe dies ja auch bald zwei Jahre lang
mitmachen [müssen]. Als Mann in der Gruppe weiß [ich] also nur zu genau, wie hart
u. entbehrungsreich so ein Leben ist, das einem Menschen nicht einmal die be scheidene Behaglichkeit eines Tieres gestattet, das zum Abend seinen Bau beziehen kann.
Mein Urlaub ist noch nicht spruchreif. Die nächste Platzkarte dürfte einem Kameraden – Vater von vier Kindern – zustehen, dessen F rau ernstlich erkrankt ist u. mit
dem Ableben gerechnet wird. Sonst weiß ich nicht viel zu berichten. I ch hab Euch
alle sehr lieb und schenke E uch in Gedanken viele Küsschen. M anchmal denke ich
auch an Nahkampf, „entschuldige“ und meine auch [...], weise diese Gedanken aber
schnell als unzeitgemäß von mir.
Im Übrigen werde ich Euch schon auf Vordermann bringen. Junge, Junge, ich und
Feldwebel. Wenn mir das jemals einer gesagt hätte. A ber manchmal findet sogar ein
blindes Huhn ein Korn. Hoffentlich verkehrt Tante Julchen [Bekannte seiner Mutter]
noch mit ihrer Bekannten, wo doch ihr Neffe Feldwebel geworden ist. Ja, so fällt man
die Leiter hinauf. [...] Wir haben seit der Verwundung von Lt. [Leutnant] Langer am
Geschäftsbogen der Firma Müglitz – In seiner letzwilligen Verfügung überlässt Georg Müglitz
die Entscheidung über Schließung oder Fort führung des Geschäftes seiner Ehefrau.
Briefe aus dem Krieg
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31.12. den zw eiten Kompanie-Führer. Der erste ist A djudant bei einem ander en
Bataillon geworden. Der zweite und jetzige, Lt. Fricke, führte die Kompanie, als ich
im Dez. 1942 zum zweiten Mal verwundet wurde, und wurde dann am 5. März 1943
selbst verwundet. So, nun weißt Du alles aus meinem ereignisreichen Leben.
Lebt wohl, seid recht herzl. gegrüßt u. geküsst von
Eurem Pappi
Nachricht des Hauptfeldwebels der Kompanie Altenburger
5.2.1944
Sehr geehrte Frau Müglitz!
[...] erfülle ich heute die schmer zliche Pflicht Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Gatte, der
Feldwebel Georg Müglitz, Träger des EK II [E isernes Kreuz 2. Klasse], der N ahkampfspange, des Verwundetenabzeichens in Silber, des Infanterie-Sturmabzeichens
in Silber sowie der O stmedaille, am 31.1.1944 im Laufe der schw eren Abwehrkämpfe südöstlich Krivoi Rog gefallen ist. [...] E r starb bei der A bwehr eines feindlichen Angriffs am Morgen des 31.1.1944 durch Granatsplitterverletzung am Kopf.
Der Tod war sofort eingetreten. [...]
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Hans Müller
Eingesandt von Hans Müller (Sohn)
Hans Müller, geboren am 21. Februar 1903 in Bei merstetten, wurde am 9. August 1942 beim Angriff auf russische Stellungen bei K alatsch Donskaja durch einen
Bauchschuss verwundet. Er verstarb am darauffolgenden Tag, dem 10. August, und wurde beim Haupt verbandsplatz Platonow begraben. Den letzten Brief an
die Familie hatte der als Sanität er eingesetzte Soldat
hoffnungsfroh zwei Tage vor seinem Tod geschrieben.
Letzter Brief an die Familie
8.8.1942
Liebes Hexle!
Hans Müller
Liebe Mutter!
Liebe Lissi und lieber Hansi!
Grüß Euch Gott zusammen, Ihr Lieben! Heute Nacht wurden wir wieder für einen
Tag aus der S tellung zurückgezogen, und ich will die G elegenheit nützen, Euch zu
schreiben. Anbei auch wieder eine Paketmarke, damit Ihr mir ein größeres Paket schicken könnt. Vergesst den Süßstoff nicht und dann vor allem Gebackenes! So eine Art
Kuchen – das schmeckte mir, wenn’s möglich wäre –
In den letzten Tagen schrieb ich in der Stellung (Donbogen) etliche Karten, eine davon, der Sicherheit wegen auch nach Bollingen. Wir haben wieder sehr schwere Tage
hinter uns. Die Russen greifen fortgesetzt an. Unsere Kompanie hat schon mindes tens 50 Prozent Ausfall. Das ist dann kein erhebendes G efühl, wenn man nach dem
Ruhetag wieder in Stellung muss. Gestern habe ich einen schwer verletzten Kameraden den R ussen 60 M eter vor dem M aschinengewehr weggeholt. Ich konnte und
durfte ihn doch nicht einfach liegen lassen – und es ist mir nichts dabei passier
t,
obwohl die Russen wie wild schossen! Als ich ihn in S icherheit hatte, da habe ich
mich recht von Herzen gefreut und unserem Herrgott gedankt, dass er’s gelingen ließ!
Übrigens geschah dies am selben Platz, wo ich neulich mit einem Kameraden zusammen stundenlang mutterseelenallein zwischen circa 25 bis 30 russischen Panzern lag.
Ich schrieb Euch damals, ich sei dur ch ein Wunder gerettet worden, und ich seh ’s
heute noch so an. J a, der Kampf hier ist sehr erbitter t und hart und es gibt täglich
Briefe aus dem Krieg
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viele, viele Ausfälle, trotzdem habe ich das G efühl, dass ich dur chkomme. Ängstigt
Euch also nicht, sondern vertraut unserem Herrgott, der’s schon recht macht! Wenn
wir erst über den D on wären und der Wolga zu gingen, dann hätten wir wohl das
Schlimmste hinter uns.
Nun grüße und küsse ich E uch alle! Bleibt mir gesund und denkt meiner in Liebe;
wie auch ich täglich voll Liebe bei Euch bin!
Denn ich bin ja immer und immer ganz
Euer Hans
L.A. [Liebe A ...]! Solltest Du in nächster Zeit ein paar Mark weniger Gehalt bekommen, dann kommt das daher , dass ich als G efreiter mehr Löhnung bekomme. I ch
schicke dafür das Geld heim!
Ganz Dein Bub!
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 133
Das Grab auf dem Soldatenfriedhof bei Platonow
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134 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 135
N
„Ich will nun den Versuch machen, ob mich nicht doch von
Dir irgendein Lebenszeichen erreicht, und zwar sei doch so gut
und schreibe sofort an die hiesige Adresse. Wahrscheinlich
werde ich noch einige Tage hier sein.“
Der frisch vermählten Karl-Wilhelm Neitzke an seine Frau.
Vermisst seit 3. März 1945.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 136
Werner Arthur Nass
Eingesandt von Renate Bruhn (Tochter)
Werner Arthur Nass wurde am 15. März 1911 in Gr audenz geboren.
Der Unteroffizier starb am 26. Januar 1944 „im Osten“.
Bis heute konnte nicht in Er fahrung gebracht werden,
wo sich sein Grab befindet.
Briefe an die Ehefrau Edeltraud in Stettin
1.1.1944
Liebe Trautel!
Nur einen kurzen Neujahrsgruß aus vorderster Linie.
Es fällt mir alles sehr schw er. Verdreckt und müde
verbringt man in kalten und feuchten Erdlöchern die
Arthur Werner Nass, sein VerZeit und hat seine Mühe, die R ussen fernzuhalten.
merk: tief in Polen – 7 km vor
russischer Grenze – Sept. 1940
Doch trotz allem bin ich doch guter und zuv ersichtlicher Stimmung.
Was die kommende Zeit bringen mag, wis sen wir nicht, man muss eben an ein un erbittliches Schicksal glauben, gegen das man nicht wieder ankommt.
Die Post wird in nächster Zeit noch spärlicher werden als bisher.
Mach Dir keine unnötigen Sorgen!
Viele liebe Grüße und Küsse
Dir und den Kindern
Dein Werni-Mann
18.1.1944
[Geburtstag seiner Frau Edeltraud]
Liebe kleine Frau!
Endlich ist die Verbindung mit Euch wieder hergestellt! S eit dem 27.12.1943 habe
ich die schwersten Tage in meinem ganzen Leben gehabt. – Tag und Nacht in Kälte
und Schnee im Erdloch oder im Strohhaufen! Dazu schwere Kämpfe und Strapazen
seelischer und körperlicher Art, wie ich sie bisher noch nicht dur chgemacht habe. –
Doch wir wollen hoffen, dass alles w eiter so gut geht, wie bisher ... bis auf er frorene
Finger- und Zehenspitzen geht’s doch noch einigermaßen.
136 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 137
Bloß keine Post – – – auch nicht die Weihnachtspäckchen. –
Grüße alle, auch meine Eltern, ich bin zu schlapp und müde, um mehr zu schr eiben! –
Hast Du Blumen zu Weihnachten und heute gehabt? In aller Liebe
Dein Werni-Mann
Die Nachricht vom Tod durch den Kompanieführer
Im Osten, 5.2.1944
Sehr geehrte Frau Nass!
Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen den Heldentod Ihres lieben Mannes, unseres unvergesslichen Kameraden, anzuzeigen. Ihr Mann fiel am 26.1.1944, v ormittags um
Hochzeitsfoto von Edeltraud und Arthur Werner Nass, 14. April 1938
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 138
10:00 Uhr, in v orbildlicher Pflichterfüllung durch Artl. Volltreffer [Artillerie-Volltreffer]. Durch Splitter in Kopf und Brust wurde unser Kamerad tödlich getr offen.
Obwohl ärztliche Hilfe zur Stelle war, konnte der Arzt nur noch den sofor tigen Tod
feststellen. Vielleicht ist dies ein kleiner Trost für den schweren Verlust, der Sie betroffen hat, dass Ihr Mann nicht gelitten hat.
Nehmen Sie, liebe Frau Nass, meine und der K ompanie wärmste Teilnahme entgegen. Wir alle verlieren in ihm einen guten, allz eit fröhlichen Kameraden und einen
unerschrockenen Soldaten.
Wir haben unseren Kameraden am glei chen Tage mit militärischen Ehren auf einem
Friedhof zur letzten Ruhe gebettet.
Die Komp. wird sein Andenken stets in Ehren halten. In unseren Reihen wird er unvergessen bleiben.
Möge Ihnen die Zeit helfen, diesen schw eren Verlust zu tragen. D ie eigenen Sachen
Ihres Mannes und sein G eld gehen I hnen durch die F eldpost zu. Wegen Ihrer
Versorgung wenden Sie sich bitte an Ihre Gemeindebehörde. Ich verbleibe mit dem
Ausdruck aufrichtiger Teilnah meund Heil Hitler!
Ihr Küstner
Leutnant und Komp.Führer [Kompanie-Führer]
Edeltraud Nass 1948 in Brunsbüttel/Schleswig-Holstein, nunmehr alleinerziehend, mit ihren
drei Kindern, alle in Stettin geboren in den Jahren 1940, 1941 und 1944
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Karl-Wilhelm Neitzke
Eingesandt von Adele Neitzke (Ehefrau)
Karl-Wilhelm Neitzke wurde am 10. Oktober 1910 in
Köslin geboren und wuchs in Kol berg auf. Seit 3. März
1945 ist der Hauptf eldwebel im G ebiet der Danziger
Bucht vermisst.
Zwei Monate zuvor, am 3. Januar 1945 hatte Karl-Wilhelm Neitzke seine F rau Adele geheiratet. Für A dele
Neitzke war es Liebe auf den erst en Blick gewesen, als
sie Karl-Wilhelm Neitzke im Juli 1944 in einem K ino in
Hohensalza kennen gelernt hatte. Am 14. Januar 1945
musste er wieder zur Truppe. Adele Neitzke erzählt:
„Von mir hat er nie mehr etwas gehört, denn ich war am
18. Januar [1945] im Treck geflohen und am 22. Januar
in russische und polnische Gefangenschaft geraten.“
Karl-Wilhelm Neitzke, 1942
Briefe des frisch Vermählten
an seine Frau
Thurow – Neustettin, 29.1.1945
Mein liebes Adale!
Nach wochenlangen Märschen bin ich
nun hier auf einen Tag, um zu übernachten. Den Russen bin ich G ott sei Dank
entwischt. – Es war nicht immer leicht.
Überall, wo man hinwollte, tauchte im mer wieder eine Panzerspitze der Russen
auf. Ich habe nun noch dr ei Kameraden
der Division gefunden, und wir wollen
versuchen, unsere Einheit doch noch zu
finden. Tag und Nacht haben wir oft nicht
schlafen können, aber nun haben wir das
Schlimmste geschafft. – Wenn ich so täglich die F lüchtlingskolonnen sehe, habe Mit Verwandten und der Mutter, 1927 in
ich dauernd an Dich denken müssen. Ich Kolberg; rechts Karl-Wilhelm Neitzke
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:31 Seite 140
habe viele Bauern aus dem Kreise Hohensalza getroffen und dachte, Dich immer zu
finden. Wenn Du doch nur in Goldhausen wärst und nicht irgendwo auf der Land straße! Du kannst nun vorläufig nicht an mich schreiben, weil ich nicht weiß, wo ich
lande. Hoffentlich bekommst D u diesen B rief! Gestern gab ich einem F lüchtling
einen Brief für Dich mit. Ich schicke die P ost vorläufig nach Goldhausen. Morgen
früh wollen wir nach Neustettin, vielleicht hören wir dort Näheres. Bist Du auch schön
gesund? Zieh Dich nur immer schön warm an – auf Schönheit kommt es dabei nicht
an. Die Hauptsache, Du frierst nicht.
So, mein Liebes, grüße Deine lieben Eltern und Verwandten
und sei Du besonders herzlich gegrüßt und geküsst
von Deinem Karl-Wilhelm
Zollbrücke, den 1.2.1945
Mein herzliebstes Adale!
Bin nun hier im Bahnhofshotel für zwei Tage einquartiert und mache Streifendienst.
Wenn ich nur wüsste, ob D u nun tatsächlich in G oldhausen gelandet bist. Täglich
denke ich, wie Du wohl aus Reisern fortgekommen bist. Ach, wenn nur alles gut gegangen ist und Du nicht zu schlimme Tage durchmachen musstest. Es ist so fur chtbar schwer für mich, dass ich von Dir kein Lebenszeichen bekommen kann. Wie schön
Karl-Wilhelm Neitzke beim Skilaufen im Harz
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waren die Tage unseres Beisammenseins und wie schwere folgten. Dass ich noch lebe,
ist wirklich ein Wunder. In allem, was ich tue, denke ich an D ich. Ich mache mir so
viel Gedanken, ob Du wohl Deine Sachen aus Reisern bekommen hast. Und wo mögen von Huenes geblieben sein. An Deine Eltern habe ich noch gar keinen richtigen
Dankesbrief schreiben können. D en ganzen Tag auf A chse und keinen richtigen
Schlaf – das ist manchmal doch wirklich ... Was aus meiner Kompanie geworden ist,
bleibt mir bis jetzt schleierhaft. Die Suche setze ich fort. Ich vermute sie bei Traudenz.
Ich setze Dich laufend weiter von meinem weiteren Verbleib in Kenntnis. Falls Du
nicht in G oldhausen bist, w erden ja D eine Eltern die Post weiterleiten. Bleib mir
recht gesund, mein Kind, und lass D ich herzlich grüßen und küssen
von Deinem Karl-Wilhelm
Stolp/Pöm. 3.2.1945
Meine herzliebste Adale!
Sitze nun eben wieder in Stolp/Pom. und hoffe, nun richtig weitergeleitet zu werden.
Es soll Richtung G otenhafen gehen, woran ich aller dings noch nicht glaube. Wenn
nur der Zugverkehr funktionieren würde. Gestern habe ich ein sehr nettes Q uartier
in Zollbrücke gehabt bei einer Kaufmannsfamilie. Es war direkt ein Genuss, mal wieder in einem weiß bezogenen Bett zu schlafen.
Wie mag es D ir nun, mein Liebes, gehen? Wenn ich nur eine feste Anschrift hätte,
damit Du mir berichten kannst. I ch bin jetzt gar nicht w eit von Köslin – meiner
Heimatstadt – und trotzdem kann ich nicht hinfahren. Ich hoffe ja sehr, dass sich die
Lage bald festigen wird und wir wieder regelmäßig voneinander hören.
Bleib weiter recht tapfer und gesund. Viele liebe Grüße und Küsse nimm
von Deinem Karl-Wilhelm
Schwarzdamerkow, Kr. Stolp bei Rieger, den 6.2.1945
Liebstes, herziges Adale!
Ich will nun den Versuch machen, ob mich nicht doch von Dir irgendein Lebenszeichen erreicht, und zwar sei doch so gut und schr eibe sofort an die hiesige A dresse.
Wahrscheinlich werde ich noch einige Tage hier sein. I ch mache hier nun seit zw ei
Tagen Streifendienst und hoffe noch einige Tage hier zu sein. Wenn Du nun schreibst
und ich fort sein sollte, wird mir mein Quartierswirt die Post nachsenden. Wenn ich
doch nur wenigstens ein Lebenszeichen von Dir hätte!
Hier reißen die Flüchtlingstrecks überhaupt nicht ab. Dass ich hier noch mal in Pommern landen würde, habe ich mir nicht träumen lassen. D u warst doch mal hier in
der Nähe von Lauenburg – ich habe jetzt öfter daran denken müssen. J etzt beseelt
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mich nur immer ein G edanke, dass wir uns doch r echt bald wiedersehen wür den.
Wenn ich an unser letztes schönes B eisammensein denke, so kommt es mir v or wie
im Traum. Aber es muss alles wieder Wirklichkeit werden. Liebes Adale, darauf hoffe
ich und daran glaube ich fest. Ich bin in Gedanken ganz bei Dir und grüße und küsse
Dich herzlich, Dein Mann
Jütow, den 10.2.1945
Mein geliebtes Adale!
Heute habe ich mich nun bei der Frontleitstelle zwecks Weiterleitung gemeldet, und
der Erfolg ist gleich null. M an hat mich wieder hier behalten. Es ist einfach v erteufelt. Ich weiß nun wirklich nicht, was dies alles bedeuten soll. M an kommt sich vor
wie im Tollhaus. Wer weiß, wo ich morgen stehe. M eine Quartierleute in Schwarzdamerkow habe ich gebeten, falls P ost von Dir ankommen sollte, diese aufzuheben,
und wenn ich eine feste B leibe habe, mir diese P ost nachzusenden. Wann wird dies
Ungewisse nur ein Ende haben? Es ist zum Verzweifeln! Wenn ich doch endlich wüsste, dass es Dir gut geht. Mir wird immer mehr bewusst, wie ich an Dir hänge. Möge
mir recht bald eine Nachricht von Dir beschieden sein. Immer, Dein Karl-Wilhelm
Bütow, den 12.2.1945
Liebstes herziges Adale!
Immer noch ohne Nachricht von Dir, sitze ich jetzt noch in der Burg von Bütow. Am
Sonnabend kam ich hierher , und heute ist M ontag. Wenn ich nur wüsste, ob ich
noch längere Zeit hier bleibe, damit Du evtl. hierher schreiben kannst. Aber das viele
Grübeln hat ja keinen Z weck. Man sitzt hier wie ein G efangener. Ich schreibe nun
immer so selbstverständlich nach Goldhausen – gerade, als ob ich wüsste, dass D u
dort bist. Gebe Gott, dass es so ist und D u nicht in der Weltgeschichte umherirrst.
Weißt Du, Adale, ich habe immer an das B este geglaubt, aber es ist schw er, bei dem
augenblicklichen Geschehen an eine er trägliche Zukunft zu glauben. Trotzdem bin
ich der Meinung, dass das Gute sich durchsetzen muss. Ich war – wie Du weißt – voll
und ganz davon überzeugt, dass die Ostfront halten, und das, was an der Mittelfront
im Sommer 1944 passier te, sich nicht wiederholen wür de. Ich kann es auch noch
nicht fassen, und ich werde einfach nicht mit dem Geschehen fertig. Ich will jedoch
weiter darüber nachdenken – ob ich zu einem gr eifbaren Ergebnis kommen werde,
steht allerdings bei den Sternen. Das in den letzten vier Wochen Durchlebte hat mich
zu sehr beeindruckt, als dass ich gedankenlos darüber hinw eggehen könnte. In mir
ist alles aufgewühlt – man möchte irgendwie eingr eifen und ist dazu v erurteilt, nur
das zu tun, was befohlen wir d – dies ist mir zu w enig. Ich versuche, fatalistisch zu
142 Letzte Lebenszeichen
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denken – es ist mir einfach unmöglich. Vielleicht ist es gut so. Es ist ja auch alles halb
so schwer, wenn ich weiß, dass Du geborgen bist. I ch will heute A bend versuchen,
Schwarzdanerkow anzurufen, ob dort Post für mich vorliegt. Das ist der letzte Ort unseres Streifendienstes gewesen, den ich Dir angab. Wie lange wird es noch dauern, bis
ich eine feste Anschrift habe? Drücke beide Daumen, dass es sehr schnell sein möge!
Nun – mein Gutes – behalte weiter Deinen Mut und Dein starkes treues Herz und
sei sehr innig gegrüßt und geküsst v on Deinem Dich liebenden Karl-Wilhelm
Sophienwalde, W.Pr., den 18.2.1945
Mein herzgeliebtes Adale!
Gestern habe ich versucht, diesen Brief zu beginnen, aber es sollte nicht sein. Jetzt habe ich endlich einen Marschbefehl zu der Division, wo meine Kompanie seinerzeit eingesetzt war. Du kannst nun also beide Daumen halten, dass ich meinen alten Haufen
Im Sommer 1944 in der Nähe des Schulortes seiner späteren Ehefrau, die hier Lehrerin
war (Warthegau/Polen)
Briefe aus dem Krieg
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hoffentlich noch vorfinde. Wenn ich nur dort wäre – die ganzen letzten Tage war ich
recht niedergeschlagen. Es ist gerade kein Vergnügen, so in der Weltgeschichte umhergeschickt zu werden. Dazu nun die Sorge um Dich, und keine Post empfangen zu
können. Es ist in einem solchen Falle wirklich schwer, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Ich sitze eben auf einem H aufen Stroh in der Versprengtensammelstelle, und an schließend will ich nach einer F ahrgelegenheit suchen, die mich dem angestr ebten
Ziele zuführen soll. – Eben steht ein Postwagen da – also schnell viele liebe herzinnige Grüße nimm von Deinem Dich liebenden Karl-Wilhelm
Viele Grüße an alle!
Den 26.2.1945
Mein liebes Adale!
In aller Eile will ich Dir schnell meine neue Feldpostnummer 36599C mitteilen.
Bitte schreibe mir sofort, damit ich beruhigt sein kann. Viele Grüße an die ganze Familie. Dir ein inniges, liebes Küsschen von Deinem Karl-Wilhelm
Im Felde, den 3.3.1945
Meine herzgeliebte Ada!
Damit Du siehst, dass ich immer an Dich denke, send ich Dir aus dem Einsatz innige Grüße. Ich sitze eben mit einem Kameraden in einem P anzerdeckungsloch. Der
Iwan hat anscheinend G elüste. Gestern war wieder ein P anzerabschuss zu verzeichnen. Die Jungen waren ganz stolz. – Es war ein J osef Stalin, der stär kste, den der
Russe baut. Leider habe ich schon wieder mein ganz es Gepäck eingebüßt. Hoffentlich hast Du nun schon meine Feldpostnummer 36599C bekommen. Lass Dich für
heute umarmen und herzlich küssen von Deinem Karl-Wilhelm
Schreibe doch recht bald, ich warte sehnlichst!
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Erich Neumann
Eingesandt von Harald Neumann (Sohn)
Erich Neumann wur de geboren am 20. Juni 1916 in Scharnhorst , Kreis Lauenburg in
Pommern. Der Gefreite starb am 2. März 1943 in Russland beim Kampf um die Ortschaft
Radowanje, nahe der Stadt Dmitrowsk.
Sein Sohn, Harald Neumann, erinnert sich an den Vater: „Da ich selbst damals ein K ind
von vier, fünf Jahren war, kann ich mich nur w enig an meinen Vater erinnern, da er ja
meistens gar nicht zuhause war. Einige Erinnerungen sind geblieben: Er war ein lustiger,
lebensfroher Mann. Wenn wir Kinder zum Beispiel im Bett lagen, holte er sich Kochlöffel,
band ihnen Tücher um und spielte uns Kasperle vor; oder wenn er mit uns ins Kino ging,
stellte er sich beim F ilm mit Pat und Patachon (damals sehr beliebt) plötzlich im K ino
hin, formte mit der Hand eine Trompete und versah so den Stummfilm mit Musik.“
Letzter Urlaub im Januar 1943, Anna und Erich Neumann, Winter 1942/1943 in Lauenburg,
Am Schiefen Berg
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Letzter Brief an die Familie
Russland, 27.1.1943
Mein liebes Muttchen!
Nun muss ich D ir doch endlich schr eiben. Heute bin ich z ehn Tage von meinen
Lieben daheim fort. Es ist noch r echt so, als wenn ich noch immer daheim bin. I ch
hätte [... unleserlich ...], ich wusste ja nicht, wo ich hinkomme. N un, liebes Muttchen, bist Du ja etwas beruhigt, wir sind jetzt in Ruhe. Wir liegen jetzt 200 Kilometer hinter der Front. Du kannst Dir ja denken, wie lange es gedauer t hat, ehe wir zu
unserer Kompanie gekommen sind. A ber ich bin fr oh, dass wir diesen Winter in
Ruhe liegen.
Du weißt, der Mensch muss Glück haben. Es ist alles Gottes Schicksal. Nun geht es
erst nicht eher los, bis die Sonne wieder höher steht. Wenn ich das gewusst hätte, wäre
ich noch zwei Tage länger zu Hause geblieben. Nun, meine vier Lieben daheim, wie
geht es Euch? Jeden Tag, den ich hier bin, sind meine G edanken bei Euch. Es ist ei nem das Herz so schwer, dass ich nicht bei E uch sein kann. Wie schön waren die
schönen Stunden, die ich bei meinem süßen F rauchen und meinen kleinen Jungen
erlebt habe. Mit tränenden Augen bin ich zum B ahnhof gegangen und habe nur an
meine Lieben daheim gedacht. Es ist nun einmal so, das Liebste, was man hat, [...]
sich trennen muss. Aber nun, liebe Mutti, wollen wir uns damit abfinden. Es kommt
doch mal die Stunde, wo wir uns in den Armen halten, bis uns der Tod mal trennt.
Solch liebes Muttchen möchte ich nie verlieren. Wenn wir uns mal ein bisschen zanken, sind wir uns doch gleich wieder gut. Nun fehlt wieder das gute Mittag, das mein
Muttchen mir bereitet hat. Hast Du die Bilder schon geholt? I ch denke doch, dass
die Post jetzt schneller geht? Der kleine Manfred tat mir so leid, als er geweint hat, er
soll man nicht w einen, sein Papi kommt bald wieder auf U rlaub. Was machen die
anderen beiden kleinen Süßen? N un, mein süßes Mädchen, wollen wir mal wieder
[... unleserlich ...], dass der nächste U rlaub bald wieder kommt. Jetzt ist ja Urlaubssperre. Das dauert ja bestimmt bis Mär z. Nun wird Fritz ja nicht eher kommen wie
im April. Es gibt nur noch Euch und das heißt, für immer nach H ause.
Nun, mein Herz, geliebtes Frauchen, sende ich D ir tausend Grüße und Küsschen,
Dein Dich liebender Papi und tausend Küsschen und Grüße an die lieben Jungen
Gruß an (den) Schiefen Berg
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Max Neumann
Eingesandt von Winfried Neumann (Sohn)
Max Neumann wurde am 21. März 1907 in Klein Franzen geboren, einer Bauernsied lung im Kreis Schlawe.
Einzig der 7. August 1944 ist bekannt als Tag, seitdem
er vermisst ist. In einem offi ziellen Gedenkbuch des
Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sind Na me und persönliche Dat en von Max Neumann v erzeichnet.
Letzte Briefe an Frau und Kinder
7.1.1944
Meine liebe Meta!
Ich habe mich sehr gefr eut, so schnell wieder einen
Max Neumann, etwa 1944
Brief von Dir zu erhalten. Vielen Dank auch. Na, ich
bin ja auch nicht faul ge wesen und habe
auch schon paar B riefe für D ich unterwegs. Es ist doch schön zu wissen, dass
man Frau und Kinder hat, von denen man
weiß, sie warten auf mich.
Ich bin mit meinen G edanken ja auch
immer bei Euch und denke an den Tag,
an dem ich mit beschleunigten Schritten
auf mein Heimathaus zuschreiten kann.
Glaube mir, wenn man von zu Hause weg
sein muss, dann fühlt man es um so stärker, mit wem man zusammengehört.
Dass Klein-Marga so sehr dieses M al zu
mir fand, hat mich auch besonders ge freut, denn ich sehe daraus, dass D u dafür gesorgt hast, dass sie mich nicht v ergisst und so viel Z utrauen zu mir hatte.
Es kommt doch bestimmt dav on, dass Hochzeitsfoto des frisch vermählten Paares
Du zu ihr v om Papa gesprochen hast. Meta und Max Neumann, 1932
Briefe aus dem Krieg
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Stimmt das, Du? Und Winfried kommt mir v or, als wenn das Weinen nicht mehr
weit ist, wenn ich ihm auf Wiedersehen sage.
Na, das will ich ja gerade nicht, dass sie um mich weinen, aber ich sehe doch, dass sie
was von mir halten.
Und das, liebe Meta, wollen wir uns doch für unser ganzes Leben wünschen, dass wir
von unseren Kindern geliebt und geachtet w erden. Das ist doch das Schönste im
Leben, das man sich in der Familie denken kann. Auch Du?
Dieses innerlich glückliche G efühl übertrifft doch turmhoch alles M aterielle. Ich
glaube, wenn wir Schlösser besitz en würden und hätten die Kindesliebe nicht, es
würde bestimmt nicht schön sein, es sei denn, wir wüssten es nicht.
Es kommt hier unter Kameraden oft zu G esprächen, denen ich nur zuhör e und zu
mir denke, seid ihr arm, ihr wisst nicht was Liebe ist, könnt es ja auch nicht, denn
sie suchen es meistens da, wo es nicht zu finden ist. Fühlst Du es nicht auch, dass wir
erst durch unsere Kinder zur reinen Liebe gekommen sind, wenn wir beide am Kin derbett standen? Es strömte dann so etwas wie D ankbarkeit gegen Dich durch mein
Innerstes und ganz plötzlich fanden sich dann unser e Blicke zur inneren Verständigung. Waren das nicht Minuten höchsten Glückes? Nicht, Du?
Und wenn die Kinder dann zu Weihnachten so schön mit ihren Spielsachen spielten,
dann schoss mir bei ihrem Anblick so etwas Warmes durchs Herz und ich weiß, was es
Max Neumann (der Größte unter den Turnern), Turnverein Franzen, ca. 1930
148 Letzte Lebenszeichen
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war und weiß, dass es schön ist, aber mitWorten dies zu beschreiben und fremden Menschen davon zu sagen, das kann ich nicht – sie würden mich ja doch nicht verstehen.
Nun, liebe Meta, habe ich den Bogen vollgeschrieben, ob Du richtig verstehen wirst,
weiß ich nicht, aber ich glaube doch – es ist so schwer, das so auszudrücken, wie man
es fühlt.
Und nun noch kurz zu einer anderen Sache.
Es ist möglich, dass ich auch von hier wegkomme. Es sind gestern 60 Mann von unserem Battl. [Bataillon] abgestellt worden und heute sollen v on unserer Wache auch
wieder 8 Mann abgelöst werden. Wenn ich wegkommen sollte, schreibe ich sofort.
Nun nochmals vielen Dank und liebe Grüße an Dich und die Kinder.
Dein Max
Donnerstag, den 22.7.1944
Meine liebe Meta!
Endlich komme ich dazu, D ir einen B rief zu schr eiben. Liege hier in v orderster
Stellung. Deinen und Winfrieds Brief habe ich vor acht Tagen erhalten. Ich bin jetzt
Die Eheleute Meta und Max Neumann
Briefe aus dem Krieg
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vollständig arm geworden. Habe weiter nichts mehr, als was ich an habe. All die neue
Wäsche, Strümpfe, meine Rasierzeug – alles weg. Aber es geht hier allen so. Es ist hier
der Teufel los.
Mein erster Einsatz war gleich ein Angriff , wo ich schon einige Kleinigkeiten abgekriegt habe. Einen Splitter im linken Schulterblatt und einen im linken Becken. Der
im Becken, der wird raus müssen, der hindert mich. Der Arzt sagt, daraus wird vorläufig nichts. Die Leute werden hier vorne zu dringend benötigt und es kommt auf
jeden einzelnen Mann an. Also, habe alles gut überstanden. I n die Hosen habe ich
mir nicht gemacht. Wenn man mitten drin ist, ist alles nicht so schlimm. Wir sind
alle ganz schön zerschunden, aber gesundheitlich geht’s mir gut. Hoffentlich wird es
in dieser Ecke auch bald mal was r uhiger, damit man sich mal was ausr uhen kann.
Und nun hoffe ich auch von Dir bald wieder mal Post zu erhalten.
Viele liebe Grüße an Dich und meine Kleinen
Dein Max
und auf Wiedersehen nach Kriegsende.
Es ist wieder ganz schön M usik über unseren Köpfen, aber w enn sie so r eihenweise
neben einem einschlagen oder reinhauen, dann ist es schon anders.
Die Familie von Max Neumann auf dem eigenen landwirtschaftlichen Hof, 1942. Die Kinder
von links nach rechts: Winfried, Ingrid, ein Nachbarkind, Helga und Marga. Dazwischen:
Meta Neumann
150 Letzte Lebenszeichen
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August Meinhard Nissen
Eingesandt von Elke Olsen (Tochter)
August Meinhard Nissen wurde am 11. Oktober 1905
in Annerbüll gebor en. Der Stabsfeldwebel starb mit
38 Jahren am 16. Mai 1944 bei Pinsk, einer Stadt im
Südwesten von Weißrussland. Seine drei Töchter waren zu diesem Zeitpunkt sechs, acht und zwölf Jahre alt,
seine Frau gleichfalls 38 Jahre. Recherchen haben ergeben, dass sich das Gr ab von August Meinhard Nissen
derzeit noch in Nigowischtschi in der Ukraine befindet.
Letzter Brief an die Familie
Montag, den 15.5.1944
Meine liebe Mutti, Christa, Inge und Elke!
Post habe ich jetzt einige Tage keine von Euch, mei-
August Meinhard Nissen im
Alter von ca. 25 Jahren
Familie Nissen, 1940. Meinhard Nissen kam nach einer V erwundung aus dem Lazarett.
Seine Frau Bertha, älteste Tochter Christa (geb. 5.3.1932), zweite Tochter Inge (geb.
8.11.1935), dritte Tochter Elke (geb. 18.1.1938)
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Familie Nissen 1942, Hamburg
ne Lieben, ich hoffe aber, dass es Euch gut geht. Mit geht es auch einigermaßen, nur
hatte ich gestern einen kleinen U nfall, der mir leichte K opfschmerzen hinterlassen
hat. Ich wollte mit der Leuchtpistole schießen, da kam ich mit meinem komischen
Finger beim Nachfassen an den A bzug, der Schuss ging ab , die Pistole aber landete
mir genau auf der Nase. Außer meiner Prellung an Stirn und Unterkiefer hat die Nase
am meisten abbekommen und eine kleine Wunde erhalten.
Der Iwan ist hier in meiner neuen S tellung wirklich der Schr eckliche, jeden Tag
macht er MG- [Maschinengewehr] und Granatwerferüberfälle auf meine Insel. Gestern musste ich sogar tüchtig zu Boden, die E inschläge lagen gut, aber getr offen hat
er mich nicht. Es ist aber ja trotz allem ein komisches Gefühl, die Sachen rasseln und
pfeifen um die Ohren, der Dreck fliegt umher, ich kann Dir aber auch sagen, mir saß
das Herz im Halse.
[...]
Liebe Mutti, gestern habe ich wieder 100 RM [R eichsmark] an Euch abgesandt. Es
wird Euch wohl auch gut err eichen und gebrauchen wirst D u die paar Sachen wohl
auch können. D as Wetter war die letzten Tage ganz gut, es hat in der N atur gut
geschafft. Hier haben die Bäume schon B lätter angesetzt, die kriegen schon gr oße
Blattknospen. Meine beiden Hühner gackern draußen umher und haben so schöne
rote Kämme, aber Eier kann ich keine finden. An Essen fehlt es uns ja nicht, es wurde
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gestern schon wieder ein Schaf geschlachtet, es war aber das letzte der Hammelherde.
Die Hühner und Enten habe ich eigentlich die Absicht, sie mit nach Euch zu schleppen, auch wenn’s schwer fällt, werde ich es versuchen.
So, liebe Mutti, eben war ich bei meinem Vorposten, da habe ich dann gleich meine
Begrüßung vom Iwan erhalten: acht Schuss Granatwerfer. Wenn bloß erst der Krieg
ein Ende hat und wir alle gesund beisammen sind, damit ein neues Leben beginnen
kann. Wir beide haben ja auch noch vieles in unser er Ehe nachzuholen, nicht wahr,
liebe Mutti? Vom Urlaub habe ich noch nichts gehör t, wir müssen war ten, was im
Juni im Westen angeht und danach richtet sich auch unser U rlaub. Es wird ja auch
mal wieder Zeit, dass man mal zu F rau und Kinder kommt und in eine ander e Gegend, denn hier stumpft man ganz ab , und dazu sind wir doch noch zu jung. Für
heute, meine Lieben, will ich schließen. Die herzlichsten Grüße und innigsten Küsse
sendet Euch, meine Lieben, Euer Vati. Frohes Wiedersehen
Grab von Bertha Nissen mit Gedenkzeile für den Ehemann: Nissen Bertha geb. Laatz
5.12.1905 – 18.1.1991, Meinhard 11.10.1905 – 16.5.1944
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O
„Tabak doch auf Feldpostnummer 42461 schicken.“
Friedrich Oetjen an seine Eltern.
Vermisst seit Februar 1945.
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Herbert und Friedrich Oetjen
Eingesandt von Hermann Rosenhagen (Cousin)
Die Brüder k amen in R iede (Niedersachsen) zur Welt – Friedrich, der ält ere, am
27. Oktober 1921, Herbert zweieinhalb Jahre später am 4. April 1924. Beide haben den
Krieg nicht überlebt. Friedrich Oetjen starb wahr scheinlich im F ebruar 1945 an der
Ostfront. Er gilt seit dem als vermisst. Der Gefreite Herbert Oetjen starb einen Tag nach
seinem 21. Geburtstag aufgrund schwerer Verwundung am 5. April 1945 um 10:55 Uhr
an Bord des Lazarettschiffes Pretoria. Er ruht auf der Kriegsgräberstätte Vestre Kirkegård
in Kopenhagen, Dänemark.
Letzter Brief von Friedrich Oetjen
23.1.1945
Liebe Eltern! Heute komme ich mal wieder zum
Schreiben. Zuerst aber mal recht herzlichen Dank für
die Briefe vom 16. + 18. Januar. Es ist seit langer Zeit
wieder die erste Nachricht von Euch. Auch Päckchen
sind schon so lange nicht mehr angekommen. I ch
möchte wissen, wo wie stecken. Am F reitag geht es
voraussichtlich nach Katto witz, dann hat auch das
Etappenleben wieder ein E nde. Hoffentlich kommt
bis dahin noch was an. I ch bin nämlich mit dem
Essen schwer auf Kriegsfuß. Heute gab es nur
Friedrich Oetjen
1/3 Brot und Margarine. Wenn da ein ausge wachsener Mensch bis morgen Mittag auskommen soll,
dann muss er schon magenkrank sein und nichts essen dürfen. Ich jedenfalls reiche
damit nicht! – I hr fragt, ob ich alles G eld erhalten habe. Einmal 200 [Mark], dann
20 [Mark] im Brief und jetzt wieder 50 [Mark], zusammen 270 [Mark]. Sonst ist hier
nichts eingegangen. Nun zu dem H auptthema Tabak. Solltet ihr w elchen bekommen, so schickt ihn bitte noch nicht ab , denn wir wissen ja noch nicht, was wir d. –
Was wird jetzt mit Herbert???
Der Russe ist schon in Allenstein, D eutsch-Eylau, bis kurz vor Posen, und steht 30
bis 40 Kilometer vor Breslau. Wir haben jetzt ja noch Galgenhumor: Was macht der
Soldat, wenn er vor sich Panzer hat, hinten den Russen, links den Amerikaner, rechts
den Engländer, unten Minen, oben Flieger? Helm ab zum Gebet!!! –
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Zu Euren anderen Neuigkeiten kann ich schlecht was sagen. H offentlich werden sie
bald gesund und hoffentlich lassen sie noch mal ein Lebensz eichen von sich hören.
Damit nun Schluss für heute.
Es grüßt euch herzlich Euer Sohn Friedel
[Nachsatz:] Tabak doch auf Feldpostnummer 42461 schicken.
Letzter Brief von Herbert Oetjen
13.2.1945
Meine lieben Eltern! Es ist schon dunkel und habe
letzte Nacht so von Euch geträumt, da habe ich den
ganzen Tag an E uch denken müssen. Was ich ge träumt, war dasselbe, was man hier jeden Tag sieht
und immer wieder sehen muss. D as ist mir sehr ans
Herz gegangen. I ch habe den ganz en Tag darüber
nachdenken müssen. Es ist doch sehr komisch, ich
habe noch nie so viel an E uch denken müssen wie
gerade jetzt in diesen Tagen. Ich weiß, dass auch Ihr
wohl viel an uns denkt. O b Ihr auch so ein G efühl
Herbert Oetjen, 1942 oder 1943
habt, wenn man wieder so eine Nachricht hört, dass
es so über einen kommt, man möchte am liebsten
nichts hören und sehen, gar nicht leben. A ber was laufen bei Euch jetzt für Parolen?
Was habe ich Weihnachten gesagt? I ch möchte gerne wissen, wie die Lage so im
Großen ist. Hier hört man mal dies und mal das. Kaum etwas Vollständiges. Heute
sagte mir einer: „W as wollt ihr noch mit einem O.K.W .[Oberkommando der
Wehrmacht]-Bericht? Es ist ja doch alles Scheiße!!“ Wenn man schon eine solche
Antwort bekommt, was soll man dann denken, wozu dann überhaupt noch ein G ewehr in der H and halten? Adolf hat mal gesagt: „G ott verzeih uns die letz ten drei
Kriegstage!“ Sollte es sein, dass wir noch eine bahnbr echende Waffe haben, dann
muss sie doch meines Wissens in der nächsten Z eit eingesetzt werden? Denn sonst
können und werden wir doch in absehbar er Zeit nichts mehr zu essen haben. N ach
meinem Gefühl muss in den nächsten Wochen eine Wendung kommen, sonst weiß
ich nicht, was werden soll. Ich weiß nicht, ob es Euch auch so geht. Ich bilde mir ein,
ich habe immer eine kleine Verantwortung, wenn man das immer sehen muss. –
Na, hoffentlich geht bald ein Brief durch, dass ihr mal wisst, dass ich noch lebe und
es mir gut geht. D as hoffe ich auch v on Euch. Wie geht es F riedel? Und Conrad?
Wenn ihr mal schr eibt, legt bitte einen G ruß mit ein. Z um Schluss allen gute und
sehr herzliche Grüße von Eurem Herbert
Briefe aus dem Krieg
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158 Letzte Lebenszeichen
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P
„Nun, liebe Frieda, bis zum nächsten Brief den Kopf hoch,
es wird wohl alles gut werden.“
Ernst Posselt an seine Familie aus dem eingekesselten Königsberg.
Gefallen am 12. März Februar 1945.
Briefe aus dem Krieg
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Ernst Posselt
Eingesandt von Sven Thomsen (Enkel)
Ernst Posselt wurde am 23. Januar 1905 in Hohen westedt, Kreis Rendsburg geboren, er fiel in Königsberg am
12. März 1945. Zunächst wurde er auf dem F riedhof der
Domkirchengemeinde beigesetzt und 1999 mit Hilfe des
Volksbundes auf den neu en zentralen Sammelfriedhof
im heutigen Kaliningrad umgebettet.
Der Enkel Sven Thomsen hat die Erinnerungen seines
Großvaters aufbewahrt: „Aus vielen seiner Brief e und
den wenigen Fotos, die noch existier en, geht her vor,
dass er sich als Gefreiter um die Wehrmachtspferde gekümmert hat.“
Ernst Posselt
Im Jahr 2003 hat S ven Thomsen sein Grab in K aliningrad besucht.
Heimaturlaub in Ahrensburg-Wulfsdorf, Mai 1944: Ernst Posselt mit Frau und Kindern
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Letzter Feldpostbrief aus dem fast vollständig
eingekesselten Königsberg an Ehefrau Frieda
und die beiden Kinder Erwin und Marga
Im Osten, den 11.2.1945
Meine liebe Frieda u. Kinder: Ich komme nun dazu
ein Lebenszeichen zu senden. Viel kann ich nicht
schreiben. Mir geht es ja noch gut. B in seit Wochen
bei einer ander en Einheit. Wo der Pfer depark ist,
weiß ich nicht, ist ja auch egal. Wenn man nur heil
hier herauskommt, ist aber fraglich. Wenn nur der
Winter vorbei wäre, meine Finger sind angefr oren.
Nun, liebe Frieda, bis zum nächsten B rief den Kopf
hoch, es wird wohl alles gut werden.
Mit den besten Grüßen
Euer Papa
Ernst Posselt zu Pferd
Mit den Kindern Erwin und Marga, Mai 1944
Briefe aus dem Krieg
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R
„Ich schicke Dir das Päckchen in den nächsten Tagen,
will noch einen Kuchen dazu backen.
Hoffentlich sind die Plätzchen von Weihnachten noch essbar,
ich habe Dir zwei je 100 gr. geschickt.“
Gertrud Rühland an ihren Sohn Joachim.
Sie wusste nicht, dass er bereits einen Monat zuvor ,
am 14. Dezember 1943, gefallen war.
Briefe aus dem Krieg
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Joachim Rühland
Eingesandt von Lore Rühland (Schwägerin)
Joachim Rühland, geboren am 25. Januar 1925 in Braunschweig, kam am 14. Dezember 1943 nahe der Ortschaft
Kroschkina in Weißrussland (Belarus) ums Leben.
Von Joachim Rühland sind k eine Feldpostbriefe erhalten geblieben. Es gibt lediglich ein Schr eiben seiner
Eltern, das diese am 7. Januar 1944 an ihr en Sohn Jo achim absandten. Die Nachricht v on seinem Tod hatten sie noch nicht erhalt en. Rund einen Monat spät er,
am 2. Februar 1944, kam der Brief zurück. Er trug den
Vermerk „Gefallen für Groß-Deutschland“.
Der Reiter Joachim Rühland wur de in K roschkina
Joachim Rühland
bestattet.
Die ganze Familie Rühland, Herbst 1942 in Fallersleben
164 Letzte Lebenszeichen
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Brief der Eltern an ihren Sohn Joachim
Braunschweig, den 7.1.1944
Mein lieber Jochen!
Nun sind wir immer noch ohne Post von Dir, Dein letzter Brief war vom 13.12. Wir
hoffen aber stark, dass es D ir noch gut geht, w enigstens gesundheitlich, denn sonst
werdet Ihr wohl nichts zu lachen haben. J eden Tag wird Witebsk noch im Wehrmachtsbericht erwähnt, und wir wissen, was dort für schwere Kämpfe toben. Du armer Junge, bist immer da, wo es mit am schlimmsten ist. Wie oft habe ich schon in
diesen Wochen gedacht, wenn man doch bloß mal hinsehen könnte, ob er noch ge sund ist. Hast Du denn wenigstens unsere Post erhalten? Ich habe fast alle Briefe per
Luftpost geschickt, weil ich mir dachte, die kämen eher dur ch. Heute hat mir Frau
Schreiber ein Paket für Dich geschickt, das sie mir gestern in einem B rief ankündigte. Ich hatte Dir ja letztes Mal einen Brief von ihr und meine Antwort darauf mitgeschickt. Nun schreibt sie, dass Rudi mal geschrieben hätte, er hätte einen O berleutnant als Chef, und sie lässt D ich bitten, die Adresse desselben ausfindig zu machen.
Er liegt gewiss in einem Lazarett, Du schriebst ja mal, er sei verwundet. Sie glauben,
dass der Chef ihnen Auskunft geben kann. Frau Schreiber schrieb, in ihrer Nachbarschaft habe auch ein verwundeter Oberleutnant Eltern Auskunft geben können, dass
Gertrud und Wilhelm Rühland mit Sohn Joachim in Göttingen, Februar 1943
Briefe aus dem Krieg
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er gesehen habe, wie die R ussen deren verwundeten Sohn verbunden hätten. D ie
Eltern könnten nun beruhigt sein. Sie klammert sich nun daran, dass er in Gefangenschaft geraten sei und lebt. Wenn es Dir möglich ist, die Adresse zu erfahren, so tue
es, damit die arme Frau ihre Ruhe findet. Ich schicke Dir das Päckchen in den nächsten Tagen, will noch einen Kuchen dazu backen. Hoffentlich sind die Plätzchen von
Weihnachten noch essbar, ich habe Dir zwei je 100 gr. geschickt. Heute war unserem
Hänschen sein Geburtstag. Wir haben ihn ganz still verlebt, wir haben gar keinen Besuch gehabt und auch nicht gebacken. A ußer Tante Grete Maaß hat niemand da ran
gedacht, noch nicht einmal Tante Uhlenhut. Wir haben ihm auch nichts schenken
können, es gibt ja nichts. Vielleicht kommen Maaßens mal am S onntag, aber es ist
noch nicht bestimmt, da sie mit der Heizung allerhand Scherereien haben. Wolfgang
ist noch immer in M agdeburg, er hat uns auch mal geschrieben, und ich muss ihm
mal antworten. Bin neugierig, wo der mal landet. Nun will ich Schluss machen, Papa
kann noch ein bisschen weitermachen, denn ich muss noch an Frau Schreiber schreiben, das ist immer nicht so leicht. B leib mir also r echt gesund und hoffentlich be kommen wir bald Post von Dir. Mit recht vielen herzlichen Grüssen und Küssen bin
ich Deine Mutti
Joachim Rühland mit Bruder Hans-Herbert
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Mein lieber Junge!
Die erbitterten Kämpfe in E urem Abschnitt toben nun schon seit fast vier Wochen – und halten nach den B erichten
des OKW [O berkommando der Wehrmacht] mit unv erminderter Heftigkeit
an. Allein in diesem Raum dür ften nach
den bisherigen Berichten an die 500 Panzer vernichtet sein. Es ist da die größte
Zahl von allen Kampfab schnitten überhaupt und z eigt deutlich die A bsichten
unseres Gegners. – Sie werden aber, wie
wir alle zuv ersichtlich glauben, an der
Härte und dem Willen unserer tapferen
Jungen zuschanden w erden. – I ch habe
schon so oft betont, wie gerne ich in Euren Reihen stehen und mitkämpfen
möchte, und gerade jetzt, wo es har t auf
hart geht. Ich glaube immer noch, wo die
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Joachim Rühland während seines letzten Heimaturlaubs
Briefe aus dem Krieg
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physischen Kräfte nicht mehr hinhauen können, da wür de meine Ruhe einen Ausgleich schaffen und Euch von Nutzen sein können. – J edoch mit meinen 55 J ahren
sind das Träume, die keine Verwirklichung finden werden. Und so muss ich mich bescheiden und hier in der Heimat meine Pflicht tun. Aber in Gedanken, Junge, da bin
ich oft sehr oft bei Dir und rufe Dir ein „Durchhalten“ zu. Wie oft geschieht das auch
in der Nacht, wenn ich einmal wach w erde, und ich glaube dann immer , Du müsstest das merken und neue Kraft daraus schöpfen. D eine liebe Post vermissen wir ja
sehr, aber wir wissen ja, dass I hr kaum zur R uhe kommt, und w enn einmal, dann
habt Ihr vor allem Schlaf nötig und das geht unbedingt v or. –
Aber freuen werden wir uns, wenn dort einmal wieder Ruhe eingetreten ist und der
Postverkehr wieder regelmäßig läuft. Bis dahin halten wir Dich im Gebet umschlossen
und hoffen, dass D u die jetzigen Kämpfe heil und gesund überstehst. S onst gibt es
von hier nichts Neues zu berichten, außer dass S eppel Zumkeller über Neujahr hier
war. Leider haben wir ihn nur w enige Minuten sehen und sprechen können. Es geht
ihm jetzt wieder ganz gut und lässt er D ich herzlich grüßen. Die Lörracher haben Dir,
wie uns Tante Emma schrieb, ein Weihnachtspäckchen geschickt. O b das aber in
Deine Hände gelangt ist, kann unter den augenblicklichen Verhältnissen bezweifelt
werden. Wir hoffen es aber gern, da mit Du wenigstens etwas Heimatliches gehabt
hast. Mit dem nächsten Päck chen, das in einigen Tagen an Dich herausgehen soll,
schicke ich Dir auch einen Taschenkalender. Auch hoffen wir, dass Du bald wieder
unsere Post, Zeitungen und Zeitschriften erhältst. – Die Tage werden nun, zuerst noch
nicht bemerkbar, wieder länger und Du wirst sehen, dass eines Tages wieder die Frühlingssonne scheint und dann wir d das Schw erste auch wieder v ergessen sein. Also
behalte frohen Mut und wehre Dich Deiner Haut. – Denke auch, wenn es notwendig wird, an Nux vomica und Infludo [beides homöopathische Mittel]. Dir alles Gute
wünschend, sende ich Dir heute meine herzlichsten Grüße.
Dein Vater
Nachricht des Schwadronsführers an die Eltern
Dienststelle
Feldpost-Nr. 17938
O.U., den 25.12.1943
Sehr geehrter Herr Rühland!
Ich habe heute die traurige Pflicht, I hnen die schmer zliche Mitteilung machen zu
müssen, dass I hr lieber S ohn, unser guter Kamerad, R eiter Joachim Rühland, am
14.12.1943 bei den schweren Abwehrkämpfen südlich Newel, in soldatischer Pflichterfüllung, getreu seinem Fahneneide für Führer und Vaterland gefallen ist.
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Durch einen Kopfschuss ist Ihr Sohn, ohne zu leiden, sofort gestorben. Er wurde am
selben Tage in Kroschkina, etwa 20 km nördlich Gorodok bestattet.
Ich spreche Ihnen, zugleich im N amen seiner Kameraden, denen er stets ein tr euer
und guter Kamerad war, meine wärmste Anteilnahme aus. Mit ihm haben wir einen
unserer Besten verloren.
Für Sie bedeutet der Tod Ihres lieben Sohnes ein unsagbar schw eres Los. Möge die
Gewissheit, dass Ihr Sohn sein Leben für die G röße und den Bestand des deutschen
Volkes und Reiches hingegeben hat, Ihnen ein Trost in dem schweren Leid sein, das
Sie betroffen hat.
Mit dem Gefühl aufrichtiger Anteilnahme grüßt Sie
Ihr
I.V. gez. Schaaf
Leutnant und Schwadronsführer
Brief der Eltern vom 7.1.1944
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S
„Lebt wohl, grüßt alle und vergesst mich nicht,
eigentlich habe ich noch gar nicht gelebt.“
Otto Setzpfand an seine Eltern.
Gestorben am 4. Juli 1943 in einem russischen Kriegsgefangenenlager .
Briefe aus dem Krieg
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Hans-Eberhard Schattkowsky
Eingesandt von Christa Kiffner (Cousine)
Hans-Eberhard Schattkowsky wurde am 14. Juli 1927 in Guben in der Niederlausitz geboren. Der junge Soldat wurde als Flakhelfer eingesetzt und starb in russischer K riegsgefangenschaft am 23. Dezember 1945 in Kowel in der Ukraine. Seine Cousine Christa Kiffner, damals 12 Jahre, kann sich genau erinnern: „Im August 1945 kam er mit einem Gefangenentransport (Güterwagen) durch seine Heimat Guben [...] Als der Zug dann Richtung
Polen losfuhr, rannten wir bis zu einem nahe gelegenen Bahnübergang, da wir wussten,
dass der Zug dann ganz dicht an uns v orbeifährt. In dem Moment , als der Z ug an uns
vorbeifuhr, warf mein Cousin ein altes Kamm-Etui durch den Luftschlitz. Es wurde nicht
bemerkt und wir hoben es auf, als der Zug durch war. Im Etui befand sich eine Landkarte
und ein dicht beschriebener Z ettel. Das waren die letzten Zeilen, die meine Tante von
meinem Cousin erhielt. 1948 erhielt sie von einem aus der Gefangenschaft entlassenen
Arzt aus Leipzig die Nachricht, dass mein Cousin bereite 1945 verstorben war.“
Zettel 1
Liebe Mutti, liebe Verwandten!
Was ich erlebt habe, ist nicht wert, dass ich darüber schreibe. Aber es hat mir zu denken gegeben, dass gerade Du, liebe Mutti, wie immer Recht gehabt hast. Und wenn
ich nachdenke, wie es mir in letzter M inute noch gut gegangen ist, so kann ich nur
mit dem U-Bootfahrer-Wort „der liebe G ott hat seinen D aumen noch mal dazwischengehalten“ antworten. Ich hatte nicht geglaubt, dass noch einer von Euch in Guben ist. Dankt Gott und allen, die es ermöglicht haben, dass wir uns noch einmal gesehen haben. Wir müssen unser Schicksal er tragen, und wenn es Gott will, werden
wir uns wiedersehen. I ch werde jeden Sonntag genau um 12:00 Uhr der MEZ an
Euch denken, und dann wissen, dass man in der H eimat an mich denkt.
Liebe Mutti, mache Dir das Herz nicht so schwer. Wie viele Kameraden wissen nichts
von dem Schicksal ihr er Angehörigen! Leider ist mein letzter B rief mit den B ildern
nicht angekommen.
Ich habe auf dem Rückzug immer [… unleserlich …] und war in Zivil, als [… unleserlich …] wir v on Tschechen der russischen Wehrmacht übergeben wurden. Hätte
uns unser Führer eher die Wahrheit gesagt, wäre ich auch zu H ause. Wir waren bis
Großenhain auf dem Rückmarsch. I ch glaube ja auch, dass I hr vom Nazismus die
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Marinehelfer Hans-Eberhard Schattkowsky, 1944
Briefe aus dem Krieg
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Nase voll habt. Wir hätten das ohne Nazis besser haben können. Hoffen wir nur auf
gesundes Wiedersehen. Man sagte uns, dass jeder Kriegsgefangener erst auf Arbeits einsatz müsste. Nun muss ich schließen. Lebt wohl bis zum Wiedersehen. Herzliche
Grüße Euer Hans.
Ich habe noch das F amilienbild. Mein Zivil bis auf die H ose. Auch geht es mir
körperlich nicht schlecht. Es gab ja täglich 600 gr. Brot, 2 x 1/2 l warmes Essen und
[… unleserlich …]. Ich wollte immer [… unleserlich …] über die Grenze am 9. Mai in
Zivil nach Hause zurückkehren. Aber der Wirrwarr, der herrschte, brachte mich wieder
zu den Tschechen nach Brünn, wo ich auf einem Berge gefangen genommen wurde.
Geht man, wenn es geht, mit nach F rankfurt. Bei meiner Rückkehr finde ich E uch
schon. Falls, so hinterlasst N achricht [… unleserlich …] bei Vatis Grab in B lechbüchse oder unter Blumentopf.
Bleibt alle gesund, ich bleibe es auch. Es war schön, dass wir uns noch einmal gesehen
haben. Es wird uns die Wartezeit erleichtern. Sorgt Euch nicht allzu sehr um mich.
Ich komme wieder.
Nun seid alle gegrüßt von Eurem Hans-Eberhard.
Hoffentlich klärt sich auch bald das Schicksal v on Onkel Hans und Kurt.
Zettel 2
Liebe Mutti, liebe Verwandten!
Mir geht es gut. I ch bin in der Tschechei gefasst worden, von Vatis Tod wusste ich
schon paar Tage danach durch [… unleserlich …] Bleibt tapfer, ich komme nach Ableistung unserer Arbeitszeit nach Guben zurück. Ich habe mit dem ehemaligen Hauswirt von uns gesprochen und weiß nun B escheid über das, wie es E uch geht. Seit
Pfingsten war ich in G efangenschaft. Das Essen war nicht schlecht. 1 l S uppe und
600 gr. Brot täglich. Ich habe an Leib und Seele keinen Schaden genommen. Und tatsächlich noch keinen Hunger gehabt. Außer unserem Familienbild und Deinen letzten Briefen habe ich noch ein paar B ilder als Andenken. Eben esse ich mein Brot.
Zettel 3
Durch Herrn [… unleserlich …] weiß ich ja nun Bescheid. Mir geht es gut und ich
hoffe auf ein Wiedersehen. Bleibt tapfer und gesund. Ich bin seit dem 10. Mai in Gefangenschaft. Seit Pfingsten in Hoyerswerda. Wir bekamen täglich 1 l warmes Essen
und 600 gr. Brot. Ich habe noch das F amilienbild und werde jeden Sonntag Nachmittag an Euch denken. Bäcker Stiller hat in der Bäckerei gearbeitet und mich außer
der Reihe mit Essen erfreut. Vielleicht kommt er eher zurück. Er ist vorläufig noch in
Hoyerswerda. Grüßt seine Familie von ihm. Besonderes hat er mir nicht aufgetragen.
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Konstantin von Schaubert
Eingesandt von Christiane Groscurth (Schwester)
Konstantin von Schaubert wurde am 16. März 1925 in
Berlin geboren. Seit Februar 1945 ist er v ermisst im
Raum Budapest, Ungarn. Auf dem Soldatenfriedhof in
Budaörs westlich von Budapest ist der Name des Leutnants auf der Gedenktafel verzeichnet.
Die Schwester von Konstantin von Schaubert, Christiane
Groscurth, war dort. Sie berichtet: „Zu meiner großen
Überraschung bin ich in Budaörs in den Gedenkbüchern
im kleinen Friedhofsgebäude auf die beiden in den
‚Träu mereien‘ erwähnten Namen gest oßen: Richard
Schießl, geboren am 21. August 1924, und Heinz Han nibal, geboren am 27. Dezember 1923, vermisst seit
dem 6. Dezember 1944. Beim Namen Hannibal hatte ich
ursprün glich nur an einen Spitz namen gedacht.“
Konstantin von Schaubert auf
dem von der Mutter aufbewahrten Foto, aufgenommen im
August 1944
Aus einem Brief an die Eltern
20.12.1944, angekommen am 23.12.1944
Träumereien!
Ich sitze bei Kerzenlicht in einem nüchternen Büroraum, an dem vielleicht früher irgendein verstaubter Bürobeamter gesessen hat. Neben mir mein Grammophon. Ich
lege die erste Platte auf. Eine Melodie der Puszta. Leise klagend klingt das Lied durch
den Raum und hallt hohl von den kalten Wänden wieder. Ich denke an die ersten Tage in Ungarn, an die Puszta. Ein Name steht wie ein Markstein in meinem Gedächtnis: „Kaba“ – zugleich ein Begriff von der nüchternen Furchtbarkeit des Krieges. Ich
sehe die ersten Toten, brennende Panzer, höre die Einschläge der Stalin-Orgel, das
bellende Bersten der Granatwerfer.
Ich sehe das Heldentum des deutschen Soldaten, einen Straßengraben, kaum einen Meter tief, und doch ein Himmelreich, darin Offiziere, Mannschaften, Tote, Verwundete,
graue fahle Gesichter, totenähnlich. Dennoch! Die nächste Platte! Eine Jazz-Melodie
belebt den Raum. I ch sehe Budapest. Menschen, die vom Kriege keine Ahnung haben. Festlich gekleidet, Kaffees haben ihr e Türen halb offen, heraus tönt leise be schwingte, leichte Musik. Offiziere in Gala-Uniformen an der Seite schöner Frauen.
Briefe aus dem Krieg
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Ich komme mir vor wie ein Dorfjunge, der zum ersten Male in der Großstadt ist.
Jetzt klingt eine O perette auf. Wann war ich das letzte M al im Theater? Ich rieche
förmlich den D uft, den jedes Theater füllt. E in Gemisch von Parfüm, Puder und
Schweiß – da, ein Einschlag, er kann nicht weit weg sein, hat es jemanden er wischt?
Nun klingt aus dem N ebenraum ein Lied, das Lied meiner Männer . Ein richtiges
Seeräuberlied. Ich sehe ihre strahlenden Gesichter, ich sehe aber auch die G esichter
derer, die nicht mehr bei uns sind und doch einmal war en – Hannibal, wo bist du
geblieben? Weißt du noch, als wir in der einen N acht beide allein mit einer P anzerfaust und einer M.Pi. [Maschinenpistole] auf den T 34 [russischer Kampfpanzer] losgingen? Du erzähltest mir noch von deinen Eltern und Geschwistern, von deinem lieben Hamburg. Bist du tot? Oder lebst du noch irgendwo?
Und Du, Schiessl, weißt Du noch, als wir zusammen den Bunker bauten? Wo steckst
Du jetzt? Aber die Platte dreht sich weiter – man muss sie aber vorsichtig behandeln,
sonst bekommt sie einen S prung oder bricht ganz entzw ei. Beinahe wie beim Menschen. Draußen tobt der Krieg. In der Ferne fließt die Donau.
Gedanken bei Kerzenlicht und Musik eines Grammophons, aufgezeichnet am Abend
des 20. Dezember 1944. Vielleicht ist es Blödsinn, vielleicht kann mancher doch ei nen Sinn darin entdecken. Es gibt doch noch etwas Höher es, von dem wir Menschen
keine Ahnung haben. Wir glauben es zu kennen und kommen doch nicht im E ntferntesten heran.
Konstantin von Schaubert.
Abschiedsbrief an die Eltern in Obernigk (heute Oborniki Śląskie in Polen)
Budapest, den 30.12.1944, 13:30 Uhr
Meine lieben Eltern!
Wo ich bin, wisst Ihr. Wie es hier aussieht, sagt Euch ein kleiner Satz des Wehrmachtsberichtes täglich. Dieser Brief geht mit der L uftpost. Wann ich den nächsten B rief
schreiben kann, ist fraglich.
Mir geht es nach wie vor gut. Im Augenblick höre ich gerade das Werkpausenkonzert
des Wiener Senders. Wie sich die Lage in den nächsten Tagen hier entwickeln wird,
kann man noch gar nicht v oraussehen. Wir alle haben nach wie v or Hoffnung! Ich
selbst werde schon irgendwie durchkommen, so oder so. Habt also immer noch Hoffnung, selbst wenn Ihr lange nichts von mir hört. Im Übrigen habe ich ja bisher Glück
gehabt, warum auch nicht in Zukunft.
Grüßt mir das alte O bernigk recht schön. Das Gute ist, dass wir hier immer noch
elektrisches Licht haben und infolgedessen auch Radio hör en können.
Gestern bekamen wir Besuch aus der Luft. Einige Ju 52 brachten uns Munition.
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 177
Mein ganzes Gepäck hat der Russe leider auch schon geschnappt. I ch habe also nur
das, was ich anhabe. Das reicht aber auch vollkommen aus.
Der Russe greift uns dauernd und hartnäckig an. Bisher ist es ihm noch nicht ge lungen, in die Stadt einzudringen.
Dann bitte ich E uch, noch herzliche Grüße an Tante Gretel und überhaupt an alle
Obernigker sowie an das Schloss auszurichten. H abt Ihr alle noch vielen D ank für
das, was Ihr an mir getan habt. In wenigen Tagen steht ja ein neuer Jahresanfang bevor, mal sehen, was er uns bringt.
Euer Kontel.
Das Foto stammt aus
der Brieftasche des
Vaters Alexander v.
Schaubert, der noch
zum Volkssturm eingezogen wurde und
am 5.5.1945 bei
Potsdam fiel. Als er
etwa sechs Wochen
später gefunden
wurde, steckte das
Foto des Sohnes zwischen seinen
Papieren. Die Spuren
des Krieges sind auf
dem Bild deutlich zu
erkennen.
Briefe aus dem Krieg
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Robert Schlösser
Eingesandt von Wolfram Schlösser (Sohn)
Robert Schlösser wurde am 25. August 1914 in Duisburg geboren. Der Oberleutnant verstarb am 25. Juli 1943 in einem F eldlazarett bei Tores in der Uk raine. Sein Name wurde
auf einen Gedenkstein der Kriegsgräberstätte Apscheronsk in Russland aufgenommen.
Der Sohn Rober t-Wolfram Schlösser, das im Brief genannt e erwartete Kind, ließ zu seinem Gedenken einen Baum im Friedenspark in La Cambe (Normandie) pflanzen.
Letzter Feldpostbrief an die Eltern
Im Felde, den 22.7.1943
Liebe Eltern!
Beim plötzlichen Alarm am S amstag hatte ich leider nur noch Z eit, Irmgard davon
in Kenntnis zu setzen. Heute haben wir nun mal Ruhe. Nach ziemlich tollen Tagen.
Von Irmgard bekam ich gestern Abend eine so beglückende Nachricht!!! Unser Wunsch
nach einem Kind scheint erhört zu sein. Ich bin ganz närrisch vor Glück, und es hilft
mir über vieles hinweg, was ich hier erdulden muss. Ein paar Zeilen werden wohl gelegentlich durchkommen von mir. – In der Hoffnung, dass es auch E uch gut geht,
seid herzlichst umarmt.
Euer Robert
Nachricht des Feldlazaretts an die Ehefrau
Feldlazarett bei Tores (Ukraine)
O.U., den 25.7.1943
Sehr geehrte Frau Schlösser!
Ich habe die traurige Pflicht, I hnen mitzuteilen, dass I hr Ehegatte, Herr Oberleutnant Robert Schlösser, 3. K omp. Pi. Batl. 26, am 25.7.1943 mit B auchschuss ins
Feldlazarett, Feldpost-Nr. 27013, eingeliefert wurde.
Leider war es trotz aller nur erdenklichen ärztlichen Bemühungen und bester Pflege
nicht möglich, Ihren Gatten am Leben zu erhalten und unter zunehmender Schwä che verstarb Ihr Gatte am 25.7.1943 [um] 21 Uhr friedlich.
Schon bei der A ufnahme ins Feldlazarett war Ihr Gatte durch die Schwere der Verwundung sehr mitgenommen und dür fte er v on seiner Verletzung und den damit
verbundenen Leiden keine Einsicht mehr gehabt haben. Wir sind von dem traurigen
Ausgange tief erschüttert und erlauben uns, I hnen und allen I hren Angehörigen zu
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Gefechtsstand der Kompanie bei Nikiforoff-Stalino, 23. Juli 1943
Briefe aus dem Krieg
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diesem schweren Verluste unser tief gefühltes Beileid auszusprechen. Möge Ihnen das
stolze Bewusstsein zum Troste gereichen, dass I hr tapferer Mann sein Leben im
Dienste für Führer, Volk und Vaterland geopfert hat.
In der russischen Stadt Tschistjakowo, 65 km ostwärts der Stadt Stalino, wurde er auf
dem dortigen Heldenfriedhof des Lazaretts unter militärischen Ehren beerdigt.
Der Nachlass, soweit er sich bei dem Verstorbenen befand, geht Ihnen in den nächsten Tagen vom Lazarett zu. Nachlass, der sich evtl. noch beim Truppenteil befindet,
wird Ihnen von dort direkt übersandt werden.
Der Chefarzt des Lazaretts
I.V. gez. Koller Stabsarzt
Kompanie-Gefechtsstand, 23. Juli 1943: rechts im Bild Robert Schlösser – links schreibt
ein Kamerad
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25. Juli 1943: Robert Schlösser notiert die letzte Meldung des Bataillons, ehe er sei ne verhängnisvolle Fahrt mit den Sturm geschützen antritt – dies ist die letzte Aufnahme von ihm.
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Hans und Heribert Schmidt
Eingesandt von Katharina Schmidt (Schwester)
Hans und Heriber t waren die ält esten Söhne der
Familie Schmidt. Hans wurde am 20. Juli 1917 in Wesel
geboren, drei Jahre später, am 12. August 1920 erblickte Heribert in Emmerich das Licht der Welt. Beide
mussten im Krieg ihr Leben lassen. Der Leutnant Heribert Schmidt v erstarb am 1. Dezember 1943 an den
Folgen seiner Kriegsverletzungen im Bergsanatori um
in Lemberg (Lviv, westliche Ukraine). Seine letzte Ruhe
hat er auf der K riegsgräberstätte in P otelitsch in der
Ukraine erhalten.
Hans Schmidt, Student der Theologie, starb am 12. JaHans Schmidt
nuar 1945 in russischer K riegsgefangenschaft an den
Folgen einer Lungenentzündung. Ein Freund, Franziskanerpater Josef Scheff er, benachrichtigte Ende 1945
nach seiner Rückk ehr aus der G efangenschaft die Elt ern vom Tod ihres Sohnes: „Sein
Grab fand er, wie so viele andere Kameraden, dort in unmittelbarer Nähe unseres Lagers.
Auf seinem Grab steht ein Schild mit seinem Namen,dem Geburts- und Todestag.“ Das Lager befand sich bei Matwejew-Kurgan in der Nähe von Taganrog am Asowschen Meer.
Letzter eigenhändiger Brief von Heribert Schmidt an seine Eltern
Lemberg, den 10.11.1943
Ihr Lieben!
Heute fühle ich mich v erhältnismäßig wohl, und da will ich die G elegenheit wahrnehmen, um Euch ein paar Zeilen zu schreiben.
Ich liege hier nun im Lemberger B ergsanatorium in einem hellen fr eundl. Zimmer
mit sechs anderen Offizieren.
Gestern war der Friseur hier, und habe ich Bart und Haare schneiden lassen. Ich hatte
mich drei Wochen nicht mehr rasiert. Langsam geht es wieder bergauf. Am unangenehmsten ist die Gelbsucht, die so schlapp und unlustig macht. Ich habe also unterhalb des rechten Schlüsselbeins ein etwa mar kstückgroßes Loch, ziemlich tief . Den
Splitter hat man bisher noch nicht gefunden. D ie Wunde eitert jetzt sehr stark (tgl.
½ Tasse). Die Wunde ist sonst nicht gefährlich, w eil die Lunge nicht getroffen ist.
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Der rechte Arm ist auch fast unbe weglich. Das kommt aber nur dur ch die Wunde.
So ist denn auch die Schrift abscheulich!
In den letzten Tagen vor der Verwundung ging es bei der Truppe heiß her. Ich hatte
eine Kp. [Kompanie], die eine gefährliche Abriegelung in einem Dorf hatte, wir lagen
den Russen Haus gegen Haus (20 – 25 m) gegenüber.
Leider ging es ein paar Mal zurück und teilweise wieder vor, soweit beim linken N achbarn nicht ganz
aufgepasst wurde. Dadurch gab es auch bei uns böse
Verluste. Ich habe dabei meine Aktentasche mit
Waschzeug, Photoapparat, Schlafsack usw. verloren.
Am 26.10. mussten wir uns abends v om Feinde lösen, weil er rechts von uns sehr tief dur chgebrochen
war. Ich hatte mit meiner Kompanie noch die Sicherung nach rechts und zog dann bei dunkelster Nacht
den anderen nach. Zum Glück hatte ich Kar te und
Kompass. Bei Morgengrauen hatten wir unser Z iel
noch nicht erreicht. Ich war sowieso davon abgewiHeribert Schmidt
chen, weil ein eigener Spähwagen meldete, dass dort
die Russen schon seien. Ich fand aber doch glücklich
im Laufe des Morgens das Bataillon, und gingen gleich wieder in Stellung. Um 12:00
Uhr erhielten wir den B efehl, uns weiter vom Feinde zu lösen, B eginn 13:00 Uhr,
also am hellen Tage. Um 14:00 Uhr wurde ich durch Artilleriefeuer verwundet, verlor sehr viel B lut. Hilfreiche Hände brachten mich in S icherheit. Dabei muss ich
meine Brieftasche mit 350 RM verloren haben. Na ja, jedenfalls kam ich v erhältnismäßig schnell in Sicherheit!
Ich hoffe nun, dass bei Euch noch alles in bester Ordnung ist und grüße herzlichst
Heribert
[am Briefrand] Ich werde doch wohl noch einige Zeit hierbleiben. Schickt aber keine
Päckchen!
Handschriftliches Telegramm an die Eltern
Deutsche Reichspost, 21.11.1943
lemberg f 56/ 5400 21/11 10.44
theo schmidt
gartenstr. 2
ihr sohn leutnant heribert schmidt schwer verwundet zustand verschlimmert kommen
erwünscht einreise für höchstens 2 allernächste angehörige für 5 tage gestattet tele-
Briefe aus dem Krieg
183
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 184
gramm dient als ausweis für erlangen des durchlassscheines bei polizei und für 50 %
fahrpreisermässigung der reichsbahn auskunft bdi usv an heimat und zielor t
chefarzt bergsanatorium
lemberg galizien
Handschriftliche Briefe von Vater, Mutter und Bruder Hans Schmidt
an den Sohn und Bruder Heribert
Lemberg, den 27.11.43
Mein lieber kranker Junge! Wenn der Herrgott es will, bekommst Du diese Zeilen zu
lesen. Du wirst Dich dann erinnern, dass ich an D einem Krankenbett geweilt habe.
Wir haben uns gesprochen. Wie bin ich dem Herrgott dankbar, dass ich zu Dir eilen
konnte. Du hast ja sehr leiden müssen, und wir d es noch lange dauern, bis D u wieder etwas zu Kräften sein wirst. Gott wolle Dir weiter die Kraft geben, darum werde
ich ihn bitten. Leider muss ich D ich morgen verlassen. Wenn ich auch mit gr oßen
Sorgen von Dir gehe, so habe ich die Hoffnung, dass Gott Dir weiter beistehen wird.
Sei Du von mir herzl. gegrüßt, und wünsche ich Dir von Herzen weiter gute Besserung
Dein Vater.
Heribert Schmidt, 1941
184 Letzte Lebenszeichen
Heribert Schmidt, 1943
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 185
27.11.43
Mein lieber guter Heribert!
Nun sind wir schon 4 Tage an Deinem Krankenbett. An meinem Namenstag hatten
wir das Glück und die Freude, dass Du uns erkannt hast und so lieb mit uns gesprochen hast. Du hast mir sogar zum N amenstag die Hand gereicht und mir ein Küss chen gegeben. Wir sehen, wie Du leiden musst, u. wir sind auch wieder froh, dass Du
nichts davon spürst. So, wie der liebe Gott es will, wirst Du uns wieder gesund. Wir
alle haben sehr viel für Dich gebetet. Auch der Herr Kaplan hier ist sehr bemüht um
Dich, und gestern A bend haben wir in der G arnisonkirche für Dich eine hl. Messe
gehabt. Wir müssen nun leider morgen mit schwerem Herzen fahren. Aber wir beten
weiter für Dich. Wenn Du gesund wirst, lieber Heribert, so lobe u. preise Gott, und
dann sehen wir uns bald wieder in der H eimat.
Nun von Herzen Gottes Segen und gute Besserung. Du hast noch viel Pflege nötig.
Noch ein lieb Küsschen von Deiner Mutti.
[Hans] 27.11.43
Mein lieber guter Bruder!
Nach 4 Jahren durften wir uns gestern zum 1. Mal wiedersehen. Leider hast Du mich
nicht erkannt, da Du jetzt dauernd schläfst. Wir fühlen sehr mit, denn D u bist arg
krank. Ich überbringe Dir auch die bes ten Grüße von Tante Mia u. Tante Ella.
Sie alle, auch alle Deine Geschwister sind
voller Teilnahme für Dich. Wir wünschen
Dir alle, besonders ich, mein lieber B ruder, dass G ott Dich bald gesund macht
und das schwere Leiden von Dir nimmt.
Handschriftliches Telegramm
Deutsche Reichspost 1.12.1943
lemberg f 1800 1/12 18.40
theodor schmidt
gartenstr. 2
zugest. Br 2/12 Mettmann
leutnant schmidt heute früh
seiner verwundung erlegen
drahtantwort ob zur beerdigung kommen
chefarzt bergsanatorium
Hans Schmidt, 1943
Briefe aus dem Krieg
185
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 186
Brief von Hans Schmidt an seine Eltern
15.8.1944
Ihr Lieben daheim!
Nun ist es soweit. Ich liege jetzt auf der Bahn. Gleich wird’s losgehen. Die Sonne brennt
wieder erbarmungslos. Wir haben zu 10 Mann einen Waggon. Also äußerst bequem.
Gestern habe ich mehrmals überall Abschied genommen. Vom Pfarrer in der Stadt und
von den Kameraden dort. Sehr eindrucksvoll war der Abschied von den Ka meraden
hier, die mir einen kleinen Arbeitskr eis bedeuten. Was haben mich die Kame raden
bestürmt mit Fragen. Sie waren eigentlich noch reichlich unberührt von christlichem
Wissen. Aber sie hatten sich in ihr em Leben bemüht. Drum waren sie auch so aufgeschlossen jetzt, als sie die Gelegenheit hatten, mal in die Dinge tiefer einzudringen.
Dass mir das viel Freude gemacht hat, könnt Ihr Euch gut vorstellen.
So kann ich wohl sagen, dass C. in meinem S oldatenleben eine gewisse Ausnahme
darstellt. Leider gehören die – all die, zu denen ich ein besonders nettes Verhältnis
hatte – nicht zu meiner Einheit, bleiben also hier. So gesehen, stehe ich ziemlich allein.
Auch in meiner Einheit gibt’s wohl welche, aber die sind geistig nicht so ge weckt.
Familie Schmidt 1936, links neben der Mutter Heribert Schmidt, rechts neben dem V ater
Hans Schmidt – Im Detail v. l. n. r., erste Reihe: Heribert (*1920), Katharina Schmidt
(*1896), Käthi (*1928), Josef (*1931), Theodor Schmidt (*1889), Hans (*1917). Zweite
Reihe: Anni (*1922), Klärchen (*1921), Else (*1919), Theo (*1924)
186 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 187
So gehe ich mal wieder dur ch die Welt und lerne wieder ein neues F leckchen Erde
kennen. Einmal hört auch dieses Reisen auf. Ich mache mir nichts mehr daraus. Das
lässt mich alles kalt.
Gestern habe ich noch eine gr oße Freude gehabt. Durch den Pfarrer hatte ich hier
eine sehr ordentl. Familie kennengelernt, wo ich – wenn ich lange in der Stadt beim
Pfarrer war – schon mal übernachtet hatte. Es ist eine wohlhabende Familie aus Bessarabien. Sie sind dort geflüchtet und haben jetzt hier eine sehr anständigeWohnung.
Es sind sehr edeldenkende, gut gebildete Leute. Der Sohn ist Ingenieur, eine Tochter
verheiratet und die Jüngste, die ich näher kennenlernte, ist zu H ause. Es ist dies ein
ganz entzückendes wohlbehütetes Mädel v on 18 Jahren. Sie spricht gut französisch
und gebrochen deutsch und [ist] auch in religiösen Dingen sehr beschlagen. So etwas
findet man selten hier, wo d. Volksdeutschen gewohnheitsmäßig zur Kirche latschen
und von nichts eine Ahnung haben.
Auf das Meer muss ich jetzt v erzichten. Das wird mir in der heißen Z eit nicht so
leicht fallen. Vielleicht findet sich drüben ein Bach, wo man mal untertauchen kann.
Wohin ich komme, es liegt wohl zwischen Mühlbach und Hermannstadt (Siebenbürgen). Der Ort selber ist ganz unbedeutend.
Bei Euch ist hoffentlich noch alles gut. Wie weit treffen Euch denn die neuen Maßnahmen betr. „totaler Krieg“. Alois wird doch jetzt wohl fortkommen. Und wo wird
Anni untergebracht?
Wenn der Zug abfährt, will ich den Brief noch hier irgendwo abgeben.
Ich grüße Euch alle herzlich
Euer Hans.
Letzte Nachricht von Hans Schmidt
19.8.1944
Ihr Lieben daheim!
Nun müsst Ihr endlich wieder etwas von mir hören. Bin also unterwegs. Genieße dauernd die frische Luft. Die Fahrt ist recht angenehm. Nur geht sie sehr, sehr langsam.
Liegen nun schon 2 Tage vor Ploesti, das man alle Augenblicke bombardiert. Nur die
wichtigsten Züge werden durchgelassen. Eine Gefahr besteht nicht – nur geht es eben
langsam.
Da sitzen wir dann auf den Bahnhöfen herum wie so oft und studieren das Bahngeleise, die Signalanlagen, Lokomotiven u. Wagen. Darüber hinaus aber auch manchmal ein in der Nähe liegendes D orf und Land u. Leute. S o habe ich heute morgen
ein kaltes Bier u. gestern ein schönes Gläschen Wein zu mir genommen. Gesundheitlich bin ich ganz auf der Höhe. H offe, dass auch bei Euch alles wohl ist.
Briefe aus dem Krieg
187
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 188
Eben kommt der Fronturlauberzug hier vorbei, der hält nur ganz kur z.
Soll den Brief noch mitnehmen, drum kurz
Herzliche Grüße
Euer Hans.
Brief des Freundes, Franziskanerpater Josef Scheffer, an die Eltern,
ein Jahr später
Menden, den 8.10.1945
Sehr geehrte Familie Schmidt!
Ich erfülle hiermit eine traurige Verpflichtung. Seit kurzer Zeit bin ich wegen Krankheit aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, wo ich lange mit Ihrem Sohn
Hans zusammen in einem Lager in der Nähe von Taganrog am Asowschen Meer lag.
Von Beruf bin ich Franziskanerpater und gehörte bis zu meiner Einberufung zu dem
jetzt leider zerstörten Kloster in P aderborn. Sie können sich denken, dass H ans als
Theologiestudent und ich gute Freunde wurden. Oft hat Hans mir bei der hl. Messe,
die ich auch anfangs im Lager noch im G eheimen feiern konnte, ministrier t. Kurz
vor Weihnachten des vergangenen Jahres erkrankte Hans an einer ernsten L ungenentzündung. Anfangs hatte er die Krisis ganz gut überwunden, dann kam aber leider
ein Rückfall. Der Körper war aber schon so geschwächt, dass er diesen Rückfall nicht
mehr überwinden konnte, so dass H ans am 12. J anuar dieses Jahres gestorben ist.
Kurz vorher habe ich ihn noch mit den hl. S terbesakramenten versehen, die er bei
vollem Bewusstsein und mit ergreifender Ergebung empfangen hat. So war er gut auf
seinen Tod vorbereitet. Das mag auch Ihnen der beste Trost sein. Hans hat sein Le bensziel, das Priestertum, zu dem er sich ernstlich durchgerungen hat, nicht erreicht.
Der ewige Hohepriester Christus, vor dessen Willen wir uns alle in E rgebung beugen, hat ihn schon früh zu sich heimgeholt. E r wird ihm auch die Krone des ewigen
Lebens gegeben haben, denn der Tod ist für den gläubigen Christen ja nur das Tor
zum Leben. Ihnen allen aber möge der Herrgott Kraft und Trost sein, Ja zu sagen zu
dem großen Opfer, das er von Ihnen verlangt hat. Wir alle aber hoffen auf ein Wiedersehen in der Ewigkeit, denn uns ist jenes Tor noch verschlossen, durch das Hans
schon hindurchgeschritten ist.
In aufrichtiger Teilnahme und stiller Mittrauer grüßt Sie
Ihr
P. Josef Scheffer.
188 Letzte Lebenszeichen
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Grabstätte von Heribert Schmidt
Briefe aus dem Krieg
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Franz Schönberg
Eingesandt von Franz A. Schönberg (Sohn)
Franz Schönberg kam am 6. Juli 1907 in
Plathe (Westpommern) zur Welt. Als Datum
seines Todes wird der 8. Februar 1945
angenommen. Es ist der Tag, seitdem Franz
Schönberg vermisst ist.
Zuletzt war er in der G egend von Küstrin,
Reppen, West-Sternberg und Zorndorf eingesetzt.
Letzter Brief an die Ehefrau Hedwig
Küstrin, 5.2.1945
Meine liebe süße Hedi.
Will Dir schreiben, dass ich immer noch
gesund und munter bin.
Haben mehrere Stellungen zu halten und
denke, dass wir es schaffen werden.
Es grüßt Dir Dein
lieber guter Franzel
Viele Grüße an die Jungens
von Papa.
Franz Schönberg
190 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 191
Gerhard Schulze
Eingesandt von Hans-Heinz Schulze (Bruder)
Der Brief von Gerhard Schulze an seine Elt ern ist das
letzte Lebenszeichen des jungen G efreiten. Gerhard
Schulze kam am 31. Januar 1923 in L eipzig zur Welt,
der Feldpostbrief trägt den P oststempel „Neiße“. Sein
Bruder Hans-Heinz Schulz e, der gesund aus den
Kämpfen in der So wjetunion heimkehren konnte, hat
ihn bis heute aufbewahrt. Trotz mehrfacher Suche gilt
Gerhard Schulze seit März 1943 vermisst.
Letzter Brief an die Eltern
Osten, 22.3.1945
Meine geliebten, guten Eltern!
Der Gefreite Gerhard Schulze
Und wieder hat mich der liebe Gott vor einem grau- im September 1942
sigen Schicksal be wahrt! Am 15.3. früh 4:30 Uhr
(ich wurde gerade auf P osten abgelöst) begann der
Russe ein wahnsinniges Trommelfeuer, dass man aber auch nicht 2 Sekunden Unterbrechung feststellte, von und nach allen Seiten. Erst gegen 15 Uhr flaute es etwas ab.
Aber bis zu dieser Zeit war auch viel los! Bereits früh gegen 8 Uhr kam der Russe nach
mehreren Fronteinbrüchen über die Höhe in unser en Wald, wo wir im gerade fer tig
gewordenen Bunker hausten. Wir mussten türmen und dabei auch alle Sachen liegen
lassen. Nun hat keiner mehr was. Wir kamen in unheimliches Feuer hinein und lagen
volle 20 Minuten flach im Dreck. Ich werde das nie vergessen, wie ein Einschlag nach
dem anderen um uns lag. Gott sei Dank hatten wir keinen Volltreffer, nur einen Verwundeten hatten wir. Ich hatte auch G lück, ein S plitter traf auf meinen K ochgeschirrdeckel, sonst hätte ich das Ding ins Kreuz gekriegt. –
Wir wurden vom Russen eingekesselt, ein Erlebnis, das man nie vergessen kann. Wir
sind nun 4 Tage und Nächte ununterbr ochen unterwegs gewesen, immer gelaufen,
hoffend, dass wir irgendwo noch rauskommen. Wir hatten Infanteriekämpfe, mussten aber immer wieder w eiter. Wir sind – nachdem wir auch das G erät verlassen
mussten – 120 km getippelt, eine Leistung, die ich mir nie zugetraut hätte. M eine
Beine spürte ich nicht mehr , die Füße war en blutunterlaufen. Ich hatte den lieben
Gott immer um H ilfe gebeten, und er hat mir auch geholfen. I ch bin mit aus dem
Briefe aus dem Krieg
191
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 192
Kessel heraus. Wir haben uns in der N acht durchgeschlagen, aber es sind auch viele
Kameraden nicht durchgekommen.
Meine besten Eltern, ich schreibe kurz heute, wir sind jetzt in einem D orf zur Zusammenstellung, und gehen dann wieder zum E insatz. Wir müssen uns nun erstmal
etwas herrichten, und die Füße sind – nachdem ich die Schuhe und am F uß angeklebten Strümpfe ausgezogen hatte, fast nicht gebrauchsfähig. A ber diese An strengung war nicht ganz umsonst, wir sind – wenn auch bloß 10 Mann von uns 20 – erst
mal raus. Hoffentlich wiederholt sich das nicht noch mal. (Mir geht es gut jetzt, und
wir werden die paar Tage Ruhe ausnutzen, uns zu erholen.) –
Wie geht es nur E uch und unserem lb. Hasen? Durch die Versprengung im Kessel
von unserer Truppe habe ich mich einer neuen Einheit zuteilen lassen müssen, daher
wieder die neue F.-P.-Nr. [Feldpostnummer]. Ich weiß nicht, ob es Zweck hat, mir zu
schreiben. Ich denke viel an Euch. Hoffentlich hat nun alles ein Ende. In Liebe und
Verbundenheit bin ich mit herzlichsten Grüßen und Küssen Euer Gerhard.
Es ist wenig Zeit heute, an Gerlinde will ich gleich, ev. morgen schreiben!
Werdet Ihr heute einen ruhigen Geburtstag verleben? Gebe es Gott!
Euer Gerhard
Gerhard Schulze (links) mit Bruder Hans-Heinz im Juni 1943 in Mittweida, Sachsen
192 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 193
Otto Setzpfand
Eingesandt von Jürgen Fila (Cousin)
Der am 23. Mai 1919 in Berlin-Spandau geborene Otto Setzpfand geriet bei den Kämp fen um Stalingr ad in sowjetischer Gefangenschaft. Der Unteroffizier verstarb am 4. Juli
1943 in einem Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR.
Jürgen Fila, der Cousin von Otto Setzpfand, berichtet: „Um die Adventszeit 1942, ich war
im zehnten Lebensjahr, kam die Schwester meines Vaters in unser Haus, vor Freude weinend, hatte einen Feldpostbrief in der Hand und sagte schluchzend immer wieder „mein
Otti lebt, mein Otti lebt“. Es war sein letztes Lebenszeichen. [...] Den besagten Feldpostbrief meines Cousins habe ich aus der Erinnerung nachgeschrieben, denn das Ori ginal,
welches die Schwester meines Vaters aufbewahrt hat, ist am 28. März 1945 beim letzten
großen Bombenangriff auf Berlin-Spandau verbrannt.“
Erst 1995 konnte eine Suchanfrage beim Deutschen Roten Kreuz zur Auskunft über das
Todesdatum von Otto Setzpfand führen.
Winter 1940, mit „Krätzchen“ als Kopfbedeckung (links Otto Setzpfand)
Briefe aus dem Krieg
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1940, nach der Ausbildung als Rekrut (rechts Otto Setzpfand)
194 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 195
Niederschrift des letzten Briefes an die Eltern
Advent 1942
Liebe Eltern,
ich habe mich lange nicht melden können, habe oft an zu H ause gedacht, nun hoffe
ich aber, dass dieser B rief noch ankommt, denn hier in S talingrad verteidigen wir
Schutthaufen, Sinn hat das alles nicht mehr . Wir fressen, was tote Kameraden oder
tote Russen in den Taschen haben, demnächst sind Pfer de unsere letzten Reserven.
Noch bin ich gesund, aber abgemager t.
Es kommt nur noch vereinzelt Nachschub aus der Luft. Ju 52 landen noch und nehmen Verwundete mit. Ich hoffe, dass mein Brief mit raus geht. Es ist wahrscheinlich
das letzte Lebenszeichen von mir, denn ich komme hier nicht mehr lebend raus, wenn
die angekündigte Befreiungsarmee den Durchbruch nicht schafft.
Was die Waffen nicht schaffen, wird demnächst die Kälte schaffen.
Lebt wohl, grüßt alle und vergesst mich nicht, eigentlich habe ich noch gar nicht gelebt.
Euer Otti
Letzter Heimaturlaub im September 1942 vor der Beförderung zum Unteroffizier und dem
Einsatz an der Ostfront (links Otto Setzpfand)
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 196
Bernhard Sperer
Eingesandt von Bernhard Sperer (Sohn)
Familienfoto: Babette und Bernhard Sperer mit ihren Töchtern Ottilie (links) und Annemarie
(rechts), 1941
196 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 197
Bernhard Sperer, geboren am 11. August 1910 in Wittislingen, starb an den F olgen seiner schweren Verletzungen am 6. Dezember 1944 in einem Feldlazarett nahe der damaligen Ortschaft Lötzen. Der Obergefreite wurde aller Wahrscheinlichkeit nach als unbekannter Soldat auf die K riegsgräberstätte im heutigen Bar tosze überführt. Im Gedenkbuch des Friedhofs ist sein Name verzeichnet.
Letzter Brief des Verwundeten
Lötzen, den 29.11.1944
Meine Liebsten!
Teile Euch mit, dass ich am 22.11. verwundet bin. Ich habe einen Durchschuss durch
den Rücken. Meine Arme und Beine kann ich schlecht bewegen, aber es wird schon
wieder besser werden. Wenn es mir etwas besser geht, komme ich wieder weiter, aber
[ein] paar Wochen wird es sich wohl hinziehen. M acht Euch nur keine zu gr oßen
Sorgen, es wird schon wieder werden.
Wie geht es bei Euch?
Meine Anschrift ist jetzt Feldp. Nr. 09149.
Nun wünsche ich Euch auch alles Gute und grüße Euch recht herzlich
Euer Bernhard
Herzl. Gruß von Sanit. Wilhelm Dickmann u. Schw. Alberta.
Babette Sperer mit Sohn Bernhard im Arm,
links Annemarie, rechts Ottilie, 1943
Letztes Bild von Bernhard Sperer mit
Familie im Garten, 1943
Briefe aus dem Krieg
197
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 198
Jakob Stöcker
Eingesandt von Jakob Stöcker (Sohn)
Von dem Gefreiten Jakob Stöcker, geb. am 21. Oktober 1907, ist nichts geblieben als der
letzte Brief, den er am 4. Januar 1944 an seine Frau schickte.
Am 19. Januar 1944 wurde er vermisst gemeldet bei Jurakow-Kut, Krim. Offiziell ist er als
Verschollener des Zweiten Weltkriegs verzeichnet.
Letzter Brief an die Familie
Im Felde, den 4.1.1944
Meine Teuren in der Heimat!
Eine schwere, düstere Nacht hat sich wieder zu Ende geneigt und so möchte ich Euch
wieder ein Le benszeichen geben. Wir erwarteten diese Nacht einen großen Angriff,
aber er hat sich nicht ereignet, aber er wird nicht ausbleiben und ich sehe für uns fast
schwarz. Der Russe ist uns in 8- bis 10-facher Übermacht gegenüber, dazu haben sie
alle schweren Waffen, was uns völlig fehlt.
Dazu täglich die Flugzeugangriffe und wir
können nicht einmal abwehren. Wenn der
Russe auch so ein guter Soldat, das heißt
so gut ausgebildet wär e wie der D eutsche, so wären wir schon längst verloren.
Aber eines Tages wird er uns abschneiden
und einkassieren, dann werden wir nach
Sibirien wandern, w enn wir nicht bis
dahin einen kalten Arsch ha ben. Es ist
grauenhaft in dieser Lage und in die Z ukunft zu blicken, denn diese Krim wir d
so nicht zu halten sein. J a, die 98. D ivision hat schon immer schw ere Aufgaben
zu erfüllen [gehabt], zuerst am Mittelabschnitt, dann am Kubanbrückenkopf, wo
sie soweit noch gut herausgekommen ist,
und jetzt am B rückenkopf bei K ertsch,
aber ob wir diesmal noch herauskomJakob Stöcker
men, ist fraglich. Kann D ir die traurige
198 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 199
Mitteilung machen, dass der dritte Kamerad heute Nacht als vermisst gemeldet wurde. So sind noch ich und Ignatz von uns Alten hier. Er ging zum Essen holen und kam
nicht mehr zurück. Vielleicht hat ihn eine Kugel getroffen und [er] musste ohne Hilfe
liegenbleiben. Wie oft habe ich denselben Weg schon gemacht, ganze Nächte durch
mit Bunkerholz und Munition schleppen oder Essen holen und es pfiffen die Kugeln
gerade so an den Ohren vorbei, aber ich hatte immer das Glück. Aber der Krug geht
so lange zum Brunnen, bis er bricht. Aber man wird dabei so gleichgültig, dass man
sich sagt: Wenn es [einen] trifft, dann ist man v on aller Qual erlöst.
Sonst bin ich noch gesund, was ich auch v on Euch hoffe und ich wür de mit Sehnsucht schon Post erwarten, aber ich w erde mich noch eine Weile gedulden müssen.
So hoffen und glauben wir auf ein Wunder, denn nur dieses könnte uns r etten und
bitten den Allmächtigen, er möge uns ein gesundes Wiedersehen schenken. Damit
seid für heute gegrüßt und geküsst v on Eurem lieben Vati. Gruß an alle.
„Auf Wiedersehen!“
Briefe aus dem Krieg
199
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 200
200 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 201
T
„Ja, Altichen, ich könnte Dir sehr vieles erzählen,
doch im Brief hört sich alles schlimmer an, als es ist,
und Du sollst Dir keine dummen Gedanken machen.“
Karl-Heinz Trogisch an seine Frau.
Vermisst seit 1943.
Briefe aus dem Krieg
201
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 202
Karl-Heinz Trogisch
Eingesandt von Ingrid Ladwig (Tochter)
Der am 20. April 1909 in Tilsit, Ostpreußen geborene
Karl-Heinz Trogisch schickte Ende 1942 den letzten Brief
an seine F rau aus Stalingr ad. Als v ermisst gilt er seit
1943. Sein Name wurde zum Gedenken auf einen der
Namenwürfel der K riegsgräberstätte in Ros soschka,
Russland eingraviert.
Die Tochter Ingrid Ladwig sagt dazu: „Das war und ist
natürlich ein großer Trost für mich und auch für meine
Brüder, dass auch unser Vati an diesem Or t seinen Na men zurückerhalten hat. [...] Unser ganz großer Schatz
von unserem Vati sind ganze fünf Briefe, die er an un Karl-Heinz Trogisch
sere Mutti schrieb. Sie hat diese Briefe später abgetippt
und an uns Kinder weitergegeben. [...] Uns ist auch bekannt, dass mein Vater der Fahrer von Generalfeldmarschall Paulus war.“
Letzter Brief an die Ehefrau
Im Felde, den 26.12.1942
Mein liebes gutes Altichen!
Zuerst will ich Dir für Deinen lieben Brief danken, den ich schon vor einigen Tagen
erhielt. Es ist zwar ein älterer Brief, aber doch immer ein Liebes- und Lebensz eichen
von Dir. Beantworten will ich ihn nachher. Vorerst will ich etwas vom Fest schreiben.
Liebes Mädel, ich will hoffen, dass D u diese Tage mit den Kindern in fr oher Gesundheit verlebt hast. Auch wenn ich nicht habe bei D ir sein können, so soll D ich
das nicht abgehalten haben, ein frohes Weihnachtsfest zu feiern, die Hauptsache sind
ja unsere Kinder, denen Du trotz der schweren und ernsten Zeit doch ein frohes Herz
zeigen solltest. Sicher hast Du Besuch gehabt oder bist sogar selbst zu B esuch gewesen. Na, Du wirst mir ja v on den Tagen schreiben, wie alles so ge wesen ist und was
alles geschehen ist. Ja, Weihnachten ist nun vorüber, es sind dieses die ersten, die ich
nicht habe zu H ause verleben können. D iese Weihnacht wird mir auch immer in
Erinnerung bleiben, weil wir es unter ganz besonderen Verhältnissen feierten. Es hat
wohl keinen Zweck, viel herumzureden, denn Du würdest doch nur viele Fragen haben.
202 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 203
Hochzeitsfoto von Klara und Karl-Heinz Trogisch, 14. April 1937 (Königsberg)
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 204
Da will ich es lieber gleich schr eiben, es ist ja auch alles nicht so schlimm. N un, wir
sind seit über 4 Wochen eingekesselt und halten nun die von uns erreichte Front, bis
eben der Kessel von anderen Truppen hinten wieder zur Öffnung gezwungen wir d.
Selbstverständlich, dass man uns erst M unition und Sprit für Panzer und Fahrzeuge
durch die Luft bringt und dann erst ander es, Verpflegung, Post usw. Klar, dass die
Verpflegung nun nicht bedeutend ist und die Post selten ankommt, aber das ist nun
mal nicht zu ändern und wir müssen eben auch ohne Post und mit wenig Essen auskommen, es geht, denn es muss sein. Hauptsache bleibt, dass die Front vor uns gehalten wird und sie wir d gehalten. Wir lassen jedenfalls den K opf nicht hängen, denn
unser Führer kennt unsere Lage und hat uns E ntsatz zugesagt. Das genügt vollständig. Nun müssen wir jetzt eben aushalten. S o fehlte denn an H eiligabend alles, was
eben erst dazu gehört, vor allem die Post aus der Heimat. Aber das kommt später alles
nach und dann feiern wir doppelt. Heiligabend war still und ernst. Seit dieser Woche
bin ich wieder gesund, w enn ich auch noch etwas hinke und Verband habe, so geht
es doch. Meinen Wagen fährt ein Kamerad, da ich doch noch nicht ganz auf D eck
bin, darüber bin ich eigentlich ganz fr oh, denn so brauche ich gar nicht zu fahr en.
Habe wohl einen anderen Wagen übernommen, aber gefahren wird nicht. Na, jedenfalls bin ich auch in eine P anjebude [russisches Bauernhaus] gezogen, zu der A btei-
Karl-Heinz Trogisch mit seinen beiden Söhnen Manfred und Siegfried
204 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 205
lung (Adjutant), zu der ich nun auch gehör e. Hier haben wir auch H eiligabend gefeiert. Es feierte alles in kleinen Gruppen, so wie man wohnte. In unserer Bude steht
nun – in R ussland eigentlich noch nie gesehen – ein Klavier , das sogar sehr gut ist.
Das ist es denn auch klar , dass ich auch drauf spiele. Z ur Feier waren auch der G eneral und andere Offiziere da. Es war alles ernst und feierlich gestimmt. M ein Chef,
der mich hatte spielen hören, bat mich zu spielen und ich tat es dann ja auch. Da war
es plötzlich für mich Weihnacht, meine Gedanken waren bei Dir und den Kindern
und Dir und uns spielte ich das alte Lied der stillen N acht. Ich bin bei Dir gewesen
Ingrid mit ihren beiden Zwillingsbrüdern und ihrem V ater
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 206
trotz der großen Trennung, vielleicht hast Du es gefühlt und ich glaube, dass ich auch
Deinen Gedanken begegnet bin, denn ich glaubte Deine Nähe zu fühlen. Mein Spiel
hatte eine Ergriffenheit bei allen zur F olge und ich glaube, es hat beigetragen, dass
keiner diese Weihnachtsfeier vergessen wird. Der General drückte mir nur still die
Hand. So war unsere Weihnacht, Geschenke waren natürlich nicht da, von wo auch,
aber das ist ja unwichtig. Hoffentlich aber bald ein Brief. Die Päckchen von daheim
kommen ja noch lange nicht, erst w enn alles wieder klar ist. S ei aber nicht traurig
darüber, die Freude darüber ist nachher um so größer . Mache Dir auch bitte keine
Sorgen um mich, es wird schon alles werden, es hat schon ärger gebrauset. Die Feiertage sind dann bei D ienst und Arbeit v ergangen, denn Bunker sind sehr nötig und
Arbeit hält auch die Gedanken zusammen. Kalt haben wir es jetzt sehr. Gestern und
heute über 30 Grad [minus]. Wenn nur nicht solch starker Wind wäre, aber man erträgt auch so etwas. J a, Altichen, ich könnte D ir sehr vieles er zählen, doch im Brief
hört sich alles schlimmer an, als es ist, und D u sollst Dir keine dummen Gedanken
machen. Später erzähle ich Dir dann alles, was im Krieg geschehen kann. An M utti
habe ich geschrieben, doch wir d dieser Brief nicht angekommen sein, bitte sage ihr ,
dass ich auch an sie gedacht und geschrieben habe, ebenso an S igrid, die mir so oft
geschrieben hatte. – J a, zur B eantwortung Deines Briefes ist nun kein P latz mehr,
aber ich werde bald wieder schreiben. – In einigen Tagen nun ist dieses Jahr zu Ende,
möge uns das neue Jahr Erfüllung unserer Wünsche bringen. Ich wünsche Dir, mein
Liebstes, zum Jahreswechsel alles, alles G ute, Glück und Segen, vor allem natürlich
beste Gesundheit, den Kindern in ihr er Unschuld viel Glück und Segen, auch gute
Gesundheit ist zum G lück notwendig. Wir werden das neue J ahr auch in ernster
Stimmung erwarten, möge es uns den S ieg und Erfolg bringen. – Also, mein liebes
gutes Frauchen, sei nicht ängstlich. Wenn Dein Alter mal in der Klemme sitzt, er
kommt trotzdem wieder, die Überzeugung habe ich ganz fest. – Anbei ein paar Marken, denn die musst Du schon haben, sonst warte ich sehr lange auf Post. Ich möchte vor allem ja wissen, wie es Dir gesundheitlich geht, das ist mir so sehr wichtig, also
schreibe mir bitte oft. – Für heute werde ich mein Briefchen beenden. Nochmals Dir
und den Kindern alles, alles G ute, Glück und Segen zum Jahreswechsel. Meine Gedanken sind stets bei D ir und werden Dich auch ins neue J ahr begleiten. Den Kindern vom Vati viele liebe Küsse, Dir, mein liebstes Mädel, innigste Grüße und lange
heiße Küsse von Deinem, Dich über alles liebenden, sich sehr, sehr bangenden, dankbaren, treuen
Alten.
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U
„Immer noch bin ich ohne Nachricht von Dir,
und ich mache mir große Sorgen.
Wie lange werde ich nur noch warten müssen,
bis das erste Brieflein von Dir, mein Herzlieb, eintrudelt.“
Josef Ullrich an seine Frau Erna.
Gefallen am 29. Dezember 1944
Briefe aus dem Krieg
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Josef Ullrich
Eingesandt von Frank Ullrich (Sohn)
Josef Ullrich, der am 16. Januar 1910 in Gablonz an der
Neiße geboren wurde, kam am 29. Dezember 1944 in
Annweiler in der Pfalz ums Leben. Sein Sohn Frank war
zu diesem Zeitpunkt gerade erst zweieinhalb Jahre alt.
Auf dem Ehrenfriedhof in Dahn (Pfalz) hat Josef Ullrich
seine letzte Ruhe erhalten.
Seinen letzten Brief hat er am Tage seines Todes geschrieben. Der Sohn F rank Ullrich w eiß zu berichten: „Der Poststempel ist vier Tage danach datiert. Den
Brief erhielten wir am 20. Januar 1945. [...] Ich bin sehr
glücklich, dass nun, nach der Einheit , auch ich die
Josef Ullrich, Juni 1939
Möglichkeit habe, das Gr ab meines Vaters auf dem
wunderbar angelegten Friedhof zu besuchen.“
Letzter Brief an die Ehefrau Erna
29.12.1944
Mein geliebtes kleines Ernilein!
Immer noch bin ich ohne Nachricht von Dir, und ich mache mir große Sorgen. Wie
lange werde ich nur noch war ten müssen, bis das erste B rieflein von Dir, mein
Herzlieb, eintrudelt. Habe Dir seit meiner Abfahrt von Bln [vermutlich Berlin] doch
fast jeden Tag geschrieben, das sind also bestimmt fast über 30 B riefe und von Dir
nicht ein einziges Brieflein. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich Dir schreiben soll.
Wenn man erst selbst ein paar Z eilen erhalten hat, dann hat man auch wieder neue
Anregungen zum Schreiben. Ich befinde mich noch in Ann weiler und hier geht es
mir soweit ganz gut. Vor allem kann ich mich über das Essen nicht be klagen, wirklich reichlich und gut, wie ich es schon lange nicht gehabt habe. Auch sonst hat man
seine Ordnung und dieser Zustand müsste nur recht lange anhalten, so wäre es schon
auszuhalten. Aber es kann ja jeden Tag eine Änderung eintreten, dass wir also wieder
zum Einsatz kommen. Damit muss man also alle Tage rechnen und sich damit abfinden, dann ist natürlich die schöne Z eit wieder zu Ende.
Gerne möchte ich nun endlich wissen, wie es D ir, mein Herzlieb, und meinem kleinen Frankilein geht, was Ihr so den ganzen Tag treibt und ob Ihr noch gesund und
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11. März 1943: Erna und Josef Ullrich mit Sohn Frank zwei T age nach seinem 1. Geburtstag
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munter seid. Es ist wirklich nicht schön, wenn man so im Ungewissen ist. Wenn nur
mal das erste Brieflein eintrudeln würde, dann würde ich ja doch r egelmäßig Nachricht erhalten. Auch würde ich mich sehr freuen, wenn Du mir die letzten Fotos von
meinem letzten Urlaub schicken würdest. Wie geht es meinen E ltern? Was gibt es
Vater und Sohn, Pfingsten am 26. Mai 1942
212 Letzte Lebenszeichen
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Neues bei Deinen Angehörigen? Ich komme mir vor wie abgeschnitten von der Welt,
wenn ich so gar keine Nachricht bekomme. Aber es ist ja sicher nicht Deine Schuld,
von Dir sind sicher schon einige Briefe unterwegs (schreib mir nur die genaue Anzahl
und immer am besten nummerier t. Dann kann ich w enigstens feststellen, ob ich
auch alles erhalte).
Das Jahresende rückt immer näher, wieder ein Silvesterfest, das wir nicht zusammen
verleben können. Wir werden hier am Silvesterabend einen Komp. Abend [Kompanie-Abend] veranstalten. Das heißt, w enn nichts dazwischenkommt und wir noch
hier sind. Mein Ernilein, auch an diesem Abend werden meine Gedanken besonders
daheim sein. Mein ganz großer Wunsch geht dahin, dass Du, mein Ernilein, in diesem kommenden Jahre auch viel Glück haben sollst, vor allem aber, dass Du gesund
bleiben sollst und wir endlich den lang ersehnten F rieden und damit ein glückliches
Wiedersehen und dauerndes Beisammensein feiern könnten.
Mein Herzlieb, für heute wieder recht innigliche herzliche Grüße
und viel liebe Küssel!
Dein Dich innig liebender Sefi
Grüße mir mein Jungerle vom Vati!
Grabstein von Josef Ullrich auf der Kriegsgräberstätte in Dahn, Oktober 1986
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214 Letzte Lebenszeichen
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W
„Drei Tage lang haben wir oft bis zum Bauch
im Sumpf gestanden und gehalten, ohne Verpflegung,
nur Zigaretten und Sumpfwasser hatten wir.“
Waldemar Wichmann an seinen Vater.
Vermisst seit dem 15. Juli 1944.
Briefe aus dem Krieg
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Friedrich Wache
Eingesandt von Mathias Wache (Enkel)
Friedrich Wache wurde am 13. Dezember 1909 in
Schlesisch Nettkow geboren. Einen Tag nach seinem
letzten Feldpostbrief an die F amilie, am 2. September
1942, fiel der G efreite bei Kämpf en südlich des La dogasees in Russland . Vermutlich wurde Friedrich
Wache als unbek annter Soldat auf die K riegsgräberstätte St. Petersburg-Sologubowka überführt.
Letzter Feldpostbrief an Frau und Kinder
1.9.1942
Liebe Frau, Kinder und Mutter
Liebes Frauchen, Deine lieben Briefe vom 21.8. und
Friedrich Wache, ca. 1930
26.8. mit den Schachteln Z igaretten habe ich erhalten und mich sehr gefreut. Über die Zigaretten staune ich, dass D u noch immer w elche bekommst. Meine Liebe, hab Deine Post alle
bekommen und bin sehr zufrieden. Ja, Du hast viel geschrieben, denn die Freude ist
doch immer groß, dass man lesen kann, dass alles ge sund und munter ist. Wollen
hoffen, dass alles so bleibt. Nun sind wir schon wieder unterwegs, aber wohin wissen
wir noch nicht. Wahrscheinlich wieder ganz nach vorn (Front).
Liebe Frau, wie ich lese, hast D u abgenommen und kannst kaum essen v om vielen
Grübeln und Nachdenken. Ja, meine Liebe, wenn ich auch zurückdenke, als ich noch
daheim war, habe ich auch ge grübelt, aber davon wird es nicht besser.
Ich verstehe, man ist immer in Gefahr, aber trotzdem muss man essen, deshalb werde
ich Dir öfter schreiben, damit Du Dich beruhigen kannst und immer w eißt, wie es
mir geht. Meine Liebe, wie ich lese, seid Ihr mit der Ernte zufrieden, das freut mich.
Dann wird es ja wieder reichen. Liebes Frauchen, es ist für Dich wirklich schwer, diese
Arbeit, und mir tut es auch leid, dass Du alles alleine machen musst. Das Gras hauen
ist doch keine Arbeit für Dich, das kannst Du Dir doch hauen lassen.
Ich sehe schon, dass D u krank werden wirst durch diese schwere Arbeit. Und dann
das ganze Grübeln. Aber Du weißt doch, was mein Wunsch ist, die Gesundheit. Und
genauso geht es mit Mutter, die hat es auch wir klich nicht nötig, so viel und schw er
zu arbeiten. Wenn ich zu Hause sein werde, wird es anders werden.
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 217
Hochzeitsfoto: Elisabeth und Friedrich Wache vom 21.11.1937, Schlesisch Nettkow
Briefe aus dem Krieg
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Der Maurer Friedrich Wache bei der Arbeit
218 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 219
Nun, meine Liebe, wie D u schreibst,
willst Du mir meinen Wunsch erfüllen
und mir einen K uchen schicken. D as
freut mich, denn ich habe gr oßen Appetit nach Kuchen.
Meine Liebe, G erhard [der älter e Sohn,
1942 aber noch ein Kind] soll zu H ause
bleiben, das möchte ich. A uch wenn ich
an der Front bin, Urlaub wird es für mich
geben. Auch diese Stunde wird kommen. Wohnhaus der Familie Wache in Schlesisch
Die Hauptsache, wir bleiben alle gesund. Nettkow
Die Tage sind hier noch schön, aber die
Nächte sind schon sehr kalt. Will nun schließen mit der Hoffnung, dass Ihr alle noch
gesund und munter seid, genauso wie ich, und will hoffen, dass wir auch bleiben,
damit wir uns in der Heimat wiedersehen. Nun sei herzlich gegrüßt und geküsst von
Deinem lieben Mann.
In Uniform (rechts Friedrich Wache)
Friedrich Wache
Briefe aus dem Krieg
219
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 220
Waldemar Wichmann
Eingesandt von Johannes Wichmann (Bruder)
Waldemar Wichmann wurde am 17. Juli 1922 in Swarren, heute Svarai in Litauen, geboren. Der Abiturient
der Schillerschule in Weimar und immatrikulier te Mediziner war seit Beginn des Z weiten Weltkrieges als
Soldat mit dabei. Er wur de verwundet, ein andermal
verschüttet und von Kameraden lebend ausgegraben.
Sein Bruder Johannes Wichmann kann sich erinnern:
„1940 ist er als Infant erist durch Belgien und Nor dfrankreich bis nach Dünk irchen marschiert. Ebenso
1941 von Bialystok bis zur A utobahn Smolensk-Moskau, d. h. rund 1 500 km.“
Waldemar Wichmann,
vermutlich 1943
Die letzten Briefe von Waldemar Wichmann 1944 be richten über die Kämpf e an der Südgr enze von Lettland. Ende A ugust erhielt die F amilie die Nachricht ,
dass er seit dem 15. Juli vermisst wird.
Zwei Tage später wäre er 22 Jahre alt geworden.
Die letzten beiden Briefe an die Familie
4.7.1944
Endlich komme ich wieder einmal zum Schr eiben, d. h., ich muss schr eiben, damit
ich nicht einschlafe. Seit 30.6. habe ich vier schw ere Tage hinter mir, die auf regendsten des ganzen Krieges. Vier Tage lang, immer nur bis zum Bauch im Sumpf stehend,
dazwischen eine Stunde geschlafen, drei Tage überhaupt keine Verpflegung bekommen. Da merkt man, was der Mensch aushalten kann. In diesen Tagen habe ich vier
Gegenstöße, zwei Spähtrupps, einen Stoßtrupp und fast Tag und Nacht Feindangriffe
überstanden. Vorgestern galt ich schon mit 23 Mann in Gefangenschaft geraten. Die
Russen hatten uns umzingelt, doch habe ich meine Kampfgruppe ohne Verluste herausgebracht.
Momentan kann ich gar nicht richtig laufen, weil ich vier Tage im Wasser gestanden
habe. Augenblicklich mache ich neben meinem Zugführer noch Kompanietruppführer, da mein Z ug Reserve ist. Meine Jungens können gerade das erste M al wieder
schlafen. Hoffentlich lässt uns der Russe in Frieden.
220 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 221
5.7.1944
Lieber Vater. Zu Deinem Geburtstag sende ich Dir aus dem vordersten Graben meine herzlichsten Glückwünsche. Ich hoffe, dass Du noch lange so gesund und munter
bist wie jetzt. Wir haben Tage schwerer Kämpfe hinter uns, was auch im OKW Bericht [Oberkommando der Wehrmacht] genannt wurde. Drei Tage lang haben wir
oft bis zum Bauch im Sumpf gestanden und gehalten, ohne Verpflegung, nur Zigaretten und S umpfwasser hatten wir. Jetzt sind wir aus dem S umpf raus, aber wir
haben sehr schlechte Stellungen. Mit meinen 20 Landsern muss [ich] fast einen km
verteidigen. Das kann man halt nur machen, w enn man beweglich ist, also einmal
hier mit Hurra hinein und einmal dort mit Hurra hinein. Vorhin konnte ich wieder
einmal schlafen, gleich 9 Stunden. Heute gab es Schokolade, Frontkämpferpäckchen
und Schnaps. D as bringt wieder etwas Schwung in die Knochen. [...] I n meinem
Zug-Gefechtsstand habe ich wunderbar riechende Rosen.
Nun Dir und den Lieben daheim viele G rüße.
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 222
Armin Franz Wittich
Eingesandt von Ingrid Heine (Tochter)
Armin Franz Wittich wurde am 9. Oktober 1911 in Bruneck (italienisch Brunic o) in Süd tirol geboren. Am 22. Juli 1944 wurde der Stabsgefreite mit schwerer Verwundung durch
Bauchschuss auf den Hauptv erbandsplatz gebracht und operiert. Er überlebte die Verletzung nicht und starb vier Tage später am 26. Juli 1944. Der Stabsarzt informierte die
Ehefrau Elly Wittich über die Beisetzung auf dem damaligen D eutschen Heldenfriedhof
in Kreuzburg, Lettland.
Heute ruht Armin Franz Wittich auf der Kriegsgräberstätte in Riga-Beberbeki, Lettland.
Brief an die Ehefrau und die Kinder
Im Osten, den 12.3.1944
Mein liebes gutes Schnuckel!
Deinen lieben langen B rief v. 15. II. hatte ich am 7. III. erhalten und beantwor tet.
Doch will ich für heute nicht versäumen, Dir recht herzliche Grüße zu senden u. des
Geburtstages unserer Ib. Erika zu gedenken. H offentlich ist mein Päckchen eingetroffen, sowie meine Geldsendung v. 26. II. – 50.- M [Mark]. Es tut mir immer leid,
wenn ein kleines Familienfest herangekommen ist u. weilt man als Vater in der Ferne,
dazu noch der böse Krieg u. auch das H eimatland mit Sorgen und Not immer noch
belastet. Doch dermaleinst wird bestimmt alles wieder gut u. schön, daran glaube ich
felsenfest.
Ich hoffe und wünsche, dass es D ir, mein Lieb, u. unseren lieben Kinderchen insbesondere gesundheitlich gut ergehen möge, kann es auch von mir berichten. Sechs lange Jahre sind vergangen, seitdem wir unsere Erika haben, möge sie sich auch w eiterhin gut machen u. der Herrgott sie behüten. Bald wird sie auch ein Schulmädel sein,
wie eilen die Jahre hin u. wie lange bin ich doch schon fort, es ist das 5te Jahr, leider.
– Sicher hast Du, mein liebes Frauchen, trotz der schweren Zeiten mit ein paar Kleinigkeiten dem Kind ein bisschen Freude bereitet, zu ihrem heutigen Geburtstage. –
Nun noch eine traurige N achricht, vor kurzem ist H err Hauptmann Uhlemann
gefallen, er wäre bald 50 Jahre alt geworden. Hast ihn ja auch gekannt. Diese Ostern
wird sein einziges Töchterchen Cristel konfirmiert, nun erlebt er es nicht mehr u. hat
sein Leben für G roßdeutschland geopfert. Er hatte öfter v on der Konfirmation gesprochen u. wäre auch sicher auf Urlaub gefahren, aber leider. Ja, wie viele Kamera den, welche man gehabt hat u. in der Heimat gekannt hat, sind nicht mehr unter uns.
222 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 223
Der heutige Heldengedenktag mahnt ja, dass wir unsere lieben Toten nicht vergessen
sollen, was wir ja auch niemals tun w erden.
Vielmehr [sollen] sie für alle Zeiten eine Verpflichtung für uns bleiben! –
Verschiedene Bilder habe ich ja zur Erinnerung, wo Hauptmann Uhlemann mit drauf
ist. Fast vier Jahre war er unser Chef u. E inheitsführer, – ja das ist der böse Krieg. –
Freue mich schon heute, mein innig geliebtes F rauchen, auf D eine nächste P ost,
leider geht sie so lange, bis sie in meine Hände kommt.
In nächster Zeit verlassen wir sicher unser Winterquartier, es wird sich Weiteres finden, jedem ist sein Schicksal beschieden, keiner kann ihm entgehen, so wie es der
Herrgott will, wird’s schon recht sein. –
Bei uns schneit und weht es noch tüchtig, wir stecken noch mächtig im Winter. Hier
im rauen Osten kommt der Frühling bestimmt 4 Wochen später wie bei Euch Lieben
in der Heimat, doch die Hauptsache, es scheint Euch bald die liebe Sonne, mir ist es
einerlei, ich habe sie im Herzen u. mein ewiger Lebensfrühling bist ja Du, meine süße
gute Elly! Nicht wahr, das weißt Du ja auch, wie D ein Armin Dich unsagbar liebt!!
Bald schreibe ich wieder, mein Lieb, meine Gedanken weilen zu jeder Stunde bei Dir,
mein Herzel, u. unseren lieben Kinderchen!
Ich bin stolz und glücklich über meine liebe Familie und ist sie mein Alles auf dieser
Welt! –
Sei nun umarmt u. innigst oft und oft geküsst von Deinem Dich liebenden und
getreuen Armin.
Auch viele liebe Grüße an unsere Kinderchen und für jedes gib auch K ussel vom
Vati.
Schreiben an die Ehefrau Elly
mit Grüßen an die Kinder,
auch der Hund Steffi wird genannt
Im Osten, den 14.4.1944
Meine liebe gute Elly!
Heute hatten wir den ersten sonnigen
Frühlingstag, der Schnee schmilzt nun
mit Riesenschritten, mit dem Pferdeschlitten geht es nun nicht mehr, dem Winter
Familie Wittich: die Eltern Armin Franz
sagt man gerne Lebewohl – auch sind die und Elly Wittich, die Töchter Traudel und,
Stare bereits da u. pfeifen munter in den auf dem Arm des Vaters, Erika
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 224
Bäumen, wenn auch noch kahl, doch die Knospen sind schon da u. bedürfen nur der
lieben Sonne, um zu springen. Auch bei Euch Lieben in der Heimat wird inzwischen
der Frühling seinen Einzug gehalten haben u. I hr freut Euch sicher gewiss genauso
riesig über ihn wie ich mich hier draußen im fernen O sten, nicht wahr! In wenigen
Wochen habt Ihr die Baumblut u. den Flieder blühend, welch eine schöne Zeit. Hier
ist dergleichen nichts zu sehen, nur Wald und Birken, flaches, weites unendlich scheinendes Land, es fehlt der H intergrund – Burgen, Hügelland! Schon heute fr eue ich
mich unsagbar darauf, meine liebe Elly, bis wir mit unseren Kinderchen ins Spreetal
spazieren gehen können oder nach der goldenen Höhe, nichts ist schöner , wie einen
Sommertag draußen in der Natur zu verbringen, mit einer Rast im Walde, wir brauchen da gar nicht unendlich weit zu gehen, die Umgebung von unserem lieben Bautzen ist ja weit und breit sehr schön! Sehr gerne habe ich Langebrück, oder wollen wir
dort ein paar Tage hin, das G ermaniabad ist sehr schön gelegen, oder die F orellenschänke, welche Du noch nicht kennst, auch ein hübscher Ausflug. Familie Weygant,
welche wir damals im Bahnhofshotel trafen, würde uns sicher gern für ein paar Tage
Pension gewähren. Es ist nur so nebenbei eine Idee von mir. Nach Oberbayern ist es
Wenn Armin Franz Wittich Urlaub hatte, kam natürlich auch die Mutter aus Dresden, um
ihren Sohn zu sehen: links die Töchter Marion und T raudel, die Mutter von Armin Franz
Wittich, die Eltern Armin Franz und Elly Wittich mit Tochter Erika
224 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 225
zu weit, u. mit Kinderchen nicht zu machen, diese Reise heben wir uns für nach dem
Krieg auf. Von einer Großstadt hat man jetzt gar nichts im Kriege, das steht nicht dafür, kostbare Urlaubstage in dieser Art zu verbringen. – Die Hauptsache ist natürlich,
erst mal daheim sein, manche Tage geht mir meine Sehnsucht nicht aus den Gedanken u. will kein Ende nehmen! Insbesondere nach meinem Dienst am Abend.
Wenn ich beim Schreiben sitze, wird mir schwer ums Herz!
Doch mit jedem Tag kommt der ersehnte Z eitpunkt näher, einmal wir d’s doch
wieder sein u. dann sind wir die glücklichste F amilie!
Es steht mir ja noch allerhand bevor, bis es so weit ist, doch wenn ich meine Zeit um
habe, komme ich bei einer anderen Einheit auch dran. Wenn hier unser Kommando
aufhört, gehen wir ja auseinander und jeder kommt woanders hin, das bringt die
Länge des Krieges mit sich, da kann man nichts machen, es wir d sich finden, bisher
habe ich ja immer noch Soldatenglück gehabt, so Gott will, auch weiterhin! –
Für heute keine besonder en Neuigkeiten bei mir , habe v orhin grad S ocken und
Taschentücher gewaschen, morgen möchte ich stopfen, das ist nicht gerade mein Fall,
aber es muss auch sein. I ch hoffe und wünsche von ganzem Herzen mein Lieb, dass
es Dir u. unseren Kinderchen immerhin gut geht, kann es auch v on mir sagen, bald
schreibe ich wieder. Freue mich schon heute auf die nächste Post, wenn ich etwas von
meinem Lieb dabei habe, bin ich immer sehr glücklich und fr oh!
Sei nun r echt herzlich gegrüßt, umarmt u. oft und innigst geküsst v on Deinem
immer lieb an Dich denkenden u. getreuen Armin
Kussel auch an Traudel, Erika u. Ingridel vom Vati
Auch Steffi grüße ich.
Brief an die Familie
Im Osten, den 17.5.1944
8 Uhr abends
Mein liebes gutes Schnuckel!
Eben komme ich von einem kleinen Spaziergang mit 2 Kameraden u. Hund zurück,
es war das erste Gewitter mit Mai-Regen heute Nachmittag gewesen, auch ein schöner
Regenbogen anschließend zu sehen, die L uft ist wunderbar u. es wächst zusehends,
man staunt, wie binnen w eniger Tage Birken, Gras u. Wiesenblumen wachsen. Die
Feldarbeit liegt noch recht zurück, noch keine Kartoffeln in der Erde in der II. Maihälfte, die Bauern sind noch beim Ackern. Hier ist der Winter zu lang u. doch ist es
ganz plötzlich ziemlich warm geworden, vor kurzem noch Schnee, so gar keine Übergangszeit wie bei uns. Ebenso kommt über Nacht im Osten hier der Winter, doch an
diesen wollen wir jetzt mal noch gar nicht denken, denn bis dahin hoffen wir doch
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 226
riesig, uns wiedergesehen zu haben, oder gar den ersehnten F rieden zu ha ben, das
wäre zu schön, um wahr zu sein!
Deinen lieben Brief, mein Herzel, vom 2. Mai fand ich soeben nach Rückkehr dieses erwähnten Spazierganges nach dem Dienste vor u. freute mich riesig darüber, so
dass ich gleich zur Feder greife u. Dir, mein Lieb, recht herzlich für Dein Ib. Schreiben danken will! Es freut mich sehr, mein Lieb, dass Du endlich einmal an Dich gedacht hast u. eine kleine B ekleidungsanschaffung gemacht hast, das muss auch mal
sein, hast ja sonst keine F reude in dem e wigen Einerlei des Alltags in diesen schw eren Zeiten, ich kenne ja D einen guten Geschmack u. würde mir es bestimmt gefallen, wenn ich mein Lieb sehen könnte. Ein Dirndelchen ist immer etwas Praktisches
für Kinder. So wird Erika hübsch aussehen. Die Kinder wachsen ja auch immerzu, da
muss auch mal etwas sein! Es heißt ja sowieso sehr haushalten mit den Punkten u. so
kann ja höchst selten an eine Anschaffung gedacht w erden, das verstehe u. bedenke
ich alles, mein innigst geliebtes gutes Frauchen!
Was mich betrifft, wird schon Rat werden, nach dem Kriege, ich habe ja auch noch
allerhand Brauchbares u. noch gut E rhaltenes zum Anziehen! – Es fr eut mich, dass
Herr Pfaff immer mal mit nach dem Garten schaut, das ist nett von ihm u. da gibt man
ja auch gern etwas, auch ich werde von Zeit zu Zeit mal etwas zum Rauchen für den
guten Mann mitschicken, leider kann man ja alles nicht so, wie man gern möchte, weil
Familie Wittich mit der Schwägerin von Armin Franz Wittich und deren Tochter Monika
sowie Nachbarkinder
226 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 227
eben leider immer noch der böse Krieg
ist. – Nun warst Du wieder so lieb, meine
gute Elly, u. hast mir einen K uchen gebacken, das sollst D u doch nicht ma chen, mein Schnuckel, ich will und dar f
Euch von dem Wenigen doch nichts wegessen! – Es ist mir verständlich, dass Frau
Schirmer ihren Sohn Erich nochmals vor
der Feindfahrt besucht hat. Es ist nicht
einfach für die U-Boot-Männer . Hoffentlich kommt er gesund wieder u. auch
erfolgreich, das ist doch die H auptsache
Tochter Ingrid mit dem im Brief erwähnten
dabei, dass so ein paar engl. Schiffe erle- Hund. Der Vater hatte ihn aus dem Feld
digt werden, den E hrgeiz hat doch jede mitgebracht als Geschenk für Tochter
Traudel. Er hieß Steffi. Er wurde später
U-Boot-Besatzung etwas zu schaffen, zu - auf
der Flucht gestohlen.
mal so junge Marine-Soldaten.
Ja, die Steffi, da bin ich auch gespannt,
wie sie sich wohl gemacht hat, die Hauptsache, der Hund gefällt Euch noch u. macht
Euch Freude, u. nicht zuletzt den lieben Kinder chen, dass Ingridel so hübsche Fortschritte macht, ist sehr schön. Traudel und Erika machen sich sicher auch gut. Auch
Du, mein heißgeliebtes gutes u. braves Frauchen, musst hübsch gesund bleiben, damit
Du all Deinen schweren Anforderungen gewachsen bleibst! Bald schreibe ich wieder!
Sei nun innigst umarmt u. r echt oft geküsst v on Deinem Dich über alles liebenden
u. getreuen Armin
Gib auch Kussel den lieben Kinderchen vom Vati
Letzter Brief von Armin Franz Wittich
Russland, 20.7.1944
Meine liebe Elli!
Wechselvolle Kämpfe mit den Russen, am 15. Juli wurde ich durch Bauch- und Lendenschuss verwundet. Ich bin nicht mehr in allergrößter G efahr, aber Schmer zen
habe ich genug. Ich darf nicht viel essen und trinken, was mich sehr schwächt.
Ich hoffe, in zirka zwei Wochen in ein Heimatlazarett verlegt zu werden.
Bis dahin grüße ich Dich und die Kinderchen recht herzlich und hoffe, dass alles wieder gut wird.
Dein getreuer und Dich liebender
Armin
Briefe aus dem Krieg
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Schreiben des Kriegspfarrers an Elly Wittich
Im Felde, am 23.7.1944
Sehr geehrte Frau Wittich!
Ihr Mann, St. Gefr. Armin Wittich, bat mich einige Zeilen u. Grüße von ihm an Sie
zu richten. Am 15.7. wurde er durch Bauchschuss schwer verwundet. Die Operation
ist gut verlaufen. Armin ist aber sehr schwach ge worden und hat immer noch hohes
Fieber. – M achen Sie sich nicht zu viel S orgen um ihn. E r befindet sich in guten
Händen und es wird alles für ihn getan.
Es besteht immer noch H offnung, dass er dur chkommt und wir können nichts
Besseres tun, als für ihn beten. –
Seien Sie auch von mir herzlich gegrüßt u. Gott befohlen!
I. Milz, Kriegspfarrer
Brief des Stabsarztes an Elly Wittich
Hauptverbandplatz der Einheit, Feldpostnummer 17929
O.U., den 31.7.1944
Sehr geehrte Frau Wittich!
Ich habe die traurige Pflicht, I hnen mitzuteilen, dass I hr Mann, der S tabsgefreite
Armin Franz Wittich, geb. 9.10.1911, der am 22.7.1944 mit schw erer Verwundung
auf den hiesigen H auptverbandplatz eingeliefert wurde, am 26.7.1944 um
2:00 Uhr nach soldatischer Pflichterfüllung für das Vaterland gestorben ist.
Ich spreche Ihnen zu diesem schweren Verlust mein aufrichtigstes Beileid aus.
Es handelte sich bei Ihrem Manne um einen schweren Bauchschuss durch Infanteriegeschoss. Bei der Schw ere der Verletzung war der Allgemeinzustand I hres Mannes
schon bei seiner Einlieferung auf den hiesigen Hauptverbandplatz als sehr ernst zu bezeichnen. Trotz aller Bemühungen von Ärzten und Sanitätspersonal gelang es nicht,
das Leben Ihres Mannes zu erhalten. Er entschlief ruhig am 26.7.1944 um 2:00 Uhr
in der Früh.
Möge die G ewissheit, dass er sein Leben für die G röße und den B estand unseres
Volkes und Reiches hingegeben hat, Ihnen ein Trost sein in dem schweren Leid, das
Sie betroffen hat.
Ihr Mann wurde unter militärischen E hren auf dem D eutschen Heldenfriedhof in
Kreuzburg/Lettland (in der Nähe des B ahnhofes) beigesetzt. S oweit Nachlass vorhanden, wird er sofort durch Feldpost an Sie übermittelt werden.
In allen Fürsorge- und Versorgungsfragen wird Ihnen das zuständige Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt, dessen Standort bei jeder militärischen D ienststelle erfragt werden kann, bereitwilligst Auskunft geben.
228 Letzte Lebenszeichen
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Ich grüsse Sie mit aufrichtigem Mitgefühl.
Heil Hitler!
Stabsarzt und Chefarzt.
Brief von Erich Kühnscherf, Schwiegervater von Elly Wittich
Dresden [...], 20.8.1944
Meine liebe Elly!
Nun hat sich meine H offnung, dass unser guter Armin die F olgen seiner schweren
Verwundung gut überstehen würde, leider nicht erfüllt.
Ich teile mit Dir die tiefe Trauer um diesen guten Menschen, der so lange treu und brav,
ohne zu murren, seine Pflicht fürs Vaterland getan hat, und dessen sehnlichster Wunsch
es war, nach einem siegr eichen Frieden wieder in tr euer Liebe für D ich und seine
Kinder leben und schaffen zu können.
Das Schicksal hat es leider anders ge wollt und wir müssen uns fügen, so schw er es
uns auch fällt.
Ich spreche Dir und D einen lieben Kindern meine allerher zlichste Anteilnahme
zu diesem schweren Verlust aus. Sei überzeugt, dass ich E uer Leid ermessen kann,
denn mit unserem Armin ist nicht nur ein guter , getreuer Ehemann und Familienvater dahingegangen, sondern ein in jeder Beziehung rechtschaffener Mensch, dessen
anständige und aufrichtige Gesinnung ich immer besonders schätzte.
Was wird der Arme gelitten haben, fern der Heimat bleiben zu müssen und seine Lieben, an denen er mit so gr oßer Liebe hing, nicht mehr sehen zu können.
Dass er für unser geliebtes Vaterland litt und starb, muss uns alle trösten. Hoffentlich
ist sein Opfer, wie das seiner vielen Kameraden, nicht umsonst gebracht wor den.
Dir und den Kindern einen her zlichen Gruß
Dein Schwiegervater Erich
Briefe aus dem Krieg
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Helmut und Herbert Worm
Eingesandt von Harald Worm (Bruder)
Helmut Worm, geboren am 26. Januar 1923, musste als Obergefreiter am 4. April 1944
erleben, wie sein jüngerer Bruder Herbert Worm, geboren am 19. Juli 1924, bei Pleskau
im Nordwesten Russlands fiel. Auch er selbst überlebte den Krieg nicht.
Der letzte der dr ei Geschwister, Harald Worm, berichtet: „Mein Bruder Helmut ist am
19. März 1944 im w eiten Russland zufällig zur gleichen Kompanie wie mein Bruder
Herbert abkommandiert worden – Herber t als M elder, Helmut im Kompaniegef echtsstand. Leider konnten sie nur 14 Tage beisammen sein. Am 4. April 1944 ist mein Bruder
Herbert durch einen Granatsplitter tödlich verletzt worden. Helmut war ca. 300 Meter
davon entfernt. [...] M ein Bruder Helmut hat sich spät er als med . Student zu einer
Sanitätskompanie versetzen lassen und [ist] in einem Lazar
ett tätig gew esen. Am
25. März 45 in Danzig schw er verwundet und mit F lugzeug nach Aarhus (Dänemark)
gebracht, wo er am 8. April 1945 im Luftwaffenlazarett verstarb.“
Herbert Worm wurde auf dem Soldatenfriedhof in Goloduscha beigesetzt und ist inzwischen auf die Kriegsgräberstätte in Sebesh an der russisch-lettischen Grenze umgebettet. Helmut Worm ruht auf der Kriegsgräberstätte in Aarhus, Dänemark.
Brief von Helmut Worm an seine Eltern und den Bruder Harald
Russland, 12.4.1944
Meine liebe Mama, Papa und Harald!
Mit einer traurigen N achricht muss ich heute meinen B rief an Euch beginnen. Ich
bitte Euch, und besonders Dich, liebe Mama, seid stark. Des Menschen Schicksal liegt
in Gottes Hand. Seinem Willen müssen wir uns beugen. Wie er uns das Leben gab ,
so kann er uns es auch wieder nehmen, dem einen bald, dem ander en später.
Es ist der schmerzlichste Verlust, den wir je erleiden konnten, dass unser guter H erbertl in Russland den Heldentod fand. Am 4.4.1944 war es. Wir lagen nach 4-tägigem
Fronteinsatz ein paar km weiter rückwärts in Bunkern. Da eröffnete der Feind Artillerie und Granatfeuer auf unsere Stellungen. Einer solchen Granate ist unser lieber Herbert zum Opfer gefallen. Das heißt ein etwa erbsengr oßer Splitter hatte genau sein
Herz getroffen, so dass er auf der Stelle tot gewesen ist. Es war ein kurzer und für ihn
schmerzloser Tod. So tief ich ergriffen war und so w eh es mir tat, ich musste G ott
danken, dass er unserem Herbertl einen so leichten Tod beschieden hatte. Ihr könnt es
gar nicht so begreifen, wie ich es schilder e, aber wenn man die anderen Toten gese-
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hen hat, dann v ersteht man es. I ch selbst war etwa 300 m v on der Unfallstelle entfernt. Auf die schreckliche Nachricht hin eilte ich jedoch sofort herbei und fand den
lieben Herbert tot im Schnee liegen. I ch konnte es für den ersten A ugenblick nicht
fassen, dass das wahr sein sollte. Ich musste denken, er schläft nur, seine Gesichtszüge
waren so ruhig und natürlich. I ch drückte ihm die A ugenlider zu und bat G ott, er
möge ihn zu sich hinauf in die e wige Seligkeit nehmen.
Es fällt mir schwer, Euch von solchem Leid berichten zu müssen, und ich weiß nicht,
wie ich Euch trösten soll. Es war immer unser Gebet, dass wir nach dem Endsieg wieder alle glücklich und gesund nach Hause zurückkehren sollten. Kein Glück wäre größer für uns. Doch Gott hat es anders ge wollt. Wie schön waren die Urlaubstage daheim und wie oft haben wir davon gesprochen, wenn wir uns nach den Arbeitsdiensten der ersten 10 Tage trafen. Jeden freien Augenblick benutzten wir, beisammen zu
sein. Geschrieben haben wir freilich wenig, weil wir immer sehr müde waren. Es waren 14 schöne Tage, die wir, unser Herbertl und ich verlebten, wenn sie auch, besonders die letzten 5, hart waren. Am 31.3. gingen wir in die vordersten Stellungen südlich von Pleskau. Ihr habt ja im Radio v on den dortigen Kämpfen gehört. Der lb.
Papa nahm zwar an, dass wir vielleicht nör dlich von Pleskau liegen würden, doch so
ist es. In diesem schweren Feuer ist uns beiden nichts passier t, außer dass ich eine
kleine Verwundung durch einen Splitter am linken Oberarm erlitt. Diese ist jedoch
so gering, als ob ich mich nur etwa in den Finger geschnitten hätte. Als wir beide einmal Essen holten, es war in einem rückwär tigen Dorfe, schlugen 2 F liegerbomben
dicht neben uns ein. Ich kann diesen Augenblick nicht vergessen. Doch dabei ist niemand etwas passiert. Gerade die Portionen, die der liebe Herbert ausgab, und die Kochgeschirre flogen durcheinander. Herberts erster Gedanke war ich und er rief mich an,
ob mir etwas zugestoßen sei, denn v or Dreck und Staub konnten wir eine Z eitlang
nichts sehen. Wir dachte alle, wir sind blind. Wenn ich einmal auf U rlaub komme,
will ich Euch alles genau erzählen. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen nun um
mich. Es war am 21. oder 22.3, als eine katholische M esse gelesen wurde. Wir gingen beide hin und empfingen die hl. O sterkommunion. Diesem Gottesdienst habe
ich es zum größten Teil zu verdanken, dass ich die ganz e Zeit so leicht überstanden
habe. Wir gingen damals alle neu gestär kt zurück. In den überstandenen, schw eren
Tagen war es immer mein Gebet: Herr, wenn es möglich ist, so lass uns beide gesund
und unversehrt aus diesen Kämpfen her vorgehen, aber nicht unser , sondern D ein
Wille geschehe. Wie Du es bestimmst, so wollen wir es er tragen. Nach so einem
Gebet konnte mich aber nichts mehr erschüttern. M ochte das Feuer noch so wild
sein, ich konnte vertrauen. In den größten Gefahren sieht man dies immer am deutlichsten. Ich weiß nicht, wie ich E uch trösten soll, liebe E ltern und Harald? Es ist
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schwer, aber ich bitte Euch immer wieder, richtet Euch auf und geht zu Gott, es wird
Euch leichter fallen. – I n uns wir d unser lieber H erbert weiter leben, solange wir
selbst leben. E r gab sein Leben für uns und unser D eutsches Vaterland. – Kaum
15 Tage war es uns beiden gegönnt, so nahe beisammen zu sein und wir haben uns
so gut verstanden. Ihr hättet das miterleben sollen. Der lb. Herbert war bemüht, wo
er nur konnte, mir die erste Z eit hier draußen an der Front so leicht wie möglich zu
machen. Er besorgte mir alles, was ich noch an A usrüstung usw. brauchte. Am liebsten hätte er es gesehen, w enn ich auch als Melder in den Kompanie-Trupp gekommen wäre. Leider hat er es nicht mehr erlebt. Der Herr Leutnant wollte mich erst einmal kennen lernen. Nach Herberts Tode setzte er mich an seiner S telle ein. Er wollte zwar sowieso Herberts Wunsch erfüllen. Vorn im Graben trafen wir uns, w enn es
nur irgendwie möglich war. Er sagte oft, „dass D u das alles miterleben musst“, und
hätte mich lieber noch in O berleutensdorf gewusst. Ich jedoch war fr oh über unser
Beisammensein. Ich erfuhr es erst später . Als unsere Gruppe, die in einem B unker
und Stellungen in einem kleinen Wäldchen lag, gleich am ersten Tag von allen möglichen Waffen stark beschossen wur de, da hat unser H erbert beim K ompanieGefechtsstand die ganze Zeit mit dem Fernglas uns beobachtet. Er hat sehr um mich
gebangt. Abends, als das Feuer nachgelassen hatte, kam er nach vorn und ich sah ihn
direkt aufatmen, als er uns und mich sah.
Die Verbindung zwischen uns und [der]
Kompanie war ja tagsüber unterbr ochen
gewesen. Wir gaben uns die H and und
freuten uns beide. Damals gab es auch nur
einen Toten. Am Freitag den 14.4.1944
wurden die G efallenen unserer Division
auf dem Heldenfriedhof bei Goloduscha,
das sind 12 km südw estl. von Pleskau,
unter militärischen Ehren beigesetzt. Der
Divisionspfarrer hielt eine ergr eifende
Rede und bat zu Gott, auch den Angehörigen Trost zu spenden und sie zu stärken, dass sie das O pfer ertragen sollen.
Ich konnte der B eerdigung beiwohnen.
Die Kompanie hatte Kränze machen lassen. Was mich sehr fr eute, war, dass mir
unser Hauptfeldwebel ein Täfelchen anfertigen ließ mit der A ufschrift: Ein letzSoldatenfriedhof Goloduscha, April 1944
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ter Gruß von Deinem Bruder Helmut. Die Tafel war von einen Kranz umgeben, in
dem Palmenzweige steckten. Wir haben das Grab fotografiert. Leider waren die Kreuze noch nicht fertig gewesen, auf denen der Name und die Daten des Gefallenen stehen. Mich hat es sehr befriedigt, dass ich weiß, wo unser lieber sel. Herbertl ruht, und
dass ich an seinem G rab für ihn beten konnte. E r liegt auf dem F riedhof in der
5. Reihe, Grab Nr. 109. Alle seine und nun auch meine Kameraden war en zutiefst
bewegt und zeigten mir herzliche Teilnahme an dem schmer zlichen Verlust, besonders der Ka merad Beck, von dem der lb. Herbert oft erzählte. Ich bin nun mit ihm
beisammen. Wir waren auch heute beide zur Messe und heiligen Kommunion. Es ist
heute der 17.4. Ich schicke Euch zwei Bildchen von der Messe mit und 2 Bilder, auf
denen unser lb. Herbert mit Uffz. [Unteroffizier] Wagner abgebildet ist. Ich bekam
sie von einen Kameraden geschenkt. I ch habe auch einen Z eitungsausschnitt beigelegt, von Pleskau, wie ich es selbst oft gesehen habe.
Der liebe Herbert ist am 4.4.1944 östlich Krapiwinka (südl. P leskau) gegen 1/2 10
Uhr früh gefallen (in der Kar woche).
Abschließend grüße ich Euch aus ganzem Herzen
und gedenke dabei unseres lieben Herberts
Euer Helmut
Soldatenfriedhof Goloduscha, April 1944
Briefe aus dem Krieg
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Anhang
234 Letzte Lebenszeichen
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ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER FÖRDERER
Wir danken allen, die uns ihre privaten Unterlagen (Fotos, Briefe etc.)
zur Veröffentlichung anvertraut haben!
Anderka, Johanna
14
Jünge, Dr. Rosemarie
112
d’Apolonia, Wilfried
15
Kern, Heidrun
122
22
Bäumle, Dr. med. Günter
Kiffner, Christa
172
114
Kliche, Arno
108
Blaha, Rudolf
31
Kloos, Gisela
110
Böhm, Helga
76
Ladwig, Ingrid
202
Böhm, Ursula
70
Maniura, Leonhardt
101
Bruhn, Renate
136
Mehrens, Renate
125
Berg, Christiane
Bruschke-Reimer, Almut
45
Müller, Hans
131
Buchholz, Siegfried
48
Neitzke, Adele
139
Neumann, Harald
145
Czyrnik, Iris
116
Daehn, Helene
52
Neumann, Winfried
147
Dürmaier, Frank-E.
56
Olsen, Elke
151
Einig, Klaus
60
Rosenhagen, Hermann
156
Enders, Christa
28
Rühland, Lore
164
Ernstberger, Dr. Reinhold
63
Schlösser, Wolfram
178
Fila, Jürgen
193
Schmidt, Katharina
182
Fronz, Else
41
Scholz, Regina
Giepen-Jokisch, Gisela
98
Schönberg, Franz A.
190
Grimrath, Hermann
72
Schulze, Hans-Heinz
191
Groscurth, Christiane
Sperer, Bernhard
196
80
Stöcker, Jakob
198
Heine, Ingrid
222
Thomsen, Sven
160
Helf, Gertrud
106
Ullrich, Frank
210
Hagel, Eva
175
66
Helgert, Rudolf
91
Wache, Mathias
216
Hildebrandt, Johannes
95
Wichmann, Johannes
220
Hübner, Berit
34
Worm, Harald
230
Jonas, Renate
89
Ziegler, Ida
74
Briefe aus dem Krieg
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Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 236
BISHER IN UNSERER VOLKSBUND-BUCHREIHE ERSCHIENEN
Bücher für Freunde und Förderer
Herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Band 1
Erzählen ist Erinnern
Kurzgeschichten aus
80 Jahren Volksbund
Kassel 1999
240 Seiten
Band 2
Schicksal in Zahlen
– vergriffen –
siehe Band 7
Kassel 2000
240 Seiten
en
vergriff
Band 3
Vor Leningrad
Wolfgang Buff - Kriegstagebuch Ost
29. September 1941 1. September 1942
Kassel 2009
120 Seiten
Band 4
Menschen wie wir ...
Teil I
Erinnerung an
geliebte Menschen
Kassel 2001
240 Seiten
236 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:32 Seite 237
Bücher für Freunde und Förderer
Herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Band 5
Menschen wie wir ...
Teil II
Erinnerung an
geliebte Menschen
Kassel 2002
240 Seiten
Band 6
Weihnachtsgeschichten
aus schwerer Zeit (1)
Erzählt von Freunden und
Förderern des Volksbundes
Kassel 2009
240 Seiten
Band 7
Schicksal in Zahlen
– vergriffen –
Informationen über die weltweite
Arbeit des Volksbundes und Verzeichnis
der deutschen Kriegsgräberstätten
en
vergriff
Kassel 2004
240 Seiten
Band 8
Stille Nacht, Heilige Nacht
Weihnachtsgeschichten
aus schwerer Zeit (2)
Kassel 2005
240 Seiten
Briefe aus dem Krieg
237
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:33 Seite 238
Bücher für Freunde und Förderer
Herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Band 9
„Krieg ist nicht
an einem Tag vorbei!“
60 Jahre Kriegsende – Erlebnisberichte
von Mitgliedern, Freunden und
Förderern des Volksbundes
Kassel 2005
240 Seiten
Band 10
Narben bleiben
Die Arbeit der Suchdienste
– 60 Jahre nach dem
Zweiten Weltkrieg
Kassel 2008
240 Seiten
Band 11
Unter den Sternen
Weihnachtsgeschichten
aus schwerer Zeit (3)
Kassel 2009
240 Seiten
Band 12
Namen für Rossoschka
Schicksale
aus Stalingrad
Kassel 2007
240 Seiten
238 Letzte Lebenszeichen
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:33 Seite 239
Bücher für Freunde und Förderer
Herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Band 13
Niemand den man liebt,
ist jemals tot
Spurensuche nach
deutschen Gefallenen
Kassel 2009
240 Seiten
Band 14
Treibgut des Krieges
Zeugnisse von Flucht und
Vertreibung der Deutschen
Kassel 2008
240 Seiten
Band 15
Der Frieden braucht
viele kleine Schritte
Pressefahrten des
Landesverbandes Bayern
1955 - 2008
Kassel 2009
240 Seiten
Band 16
Frieden hat seine Zeit
Aus der Vergangenheit für die Zukunft
lernen – Kurzgeschichten, Zitate und
Gedanken über eine friedliche Welt
Kassel 2009
240 Seiten
Briefe aus dem Krieg
239
Band17-Inhalt_NEU:Band17-Inhalt 11.10.10 11:33 Seite 240
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Frieden
240 Letzte Lebenszeichen
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