toskana - Windsurfen

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toskana - Windsurfen
TOSKANA
Wenn Gott ein Surfer wäre, dann stünde das Tor
zum Paradies vor Roberto Hofmanns Haustür in der Toskana. Denn da,
wo Geschichte lebt, wo Oliven reifen und Zypressen duften, wo zwölf
Monate im Jahr das Klima surferfreundlich bleibt, da ist das Leben schön.
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Fotos: Raffaello Bastiani, Text: Steve Chismar
R
oberto ist Lombarde. Genau genommen kommt Roberto Hofmann vom Lago Maggiore. Eigentlich ist er dann schon Schweizer – „il tedesco“, der Deutsche, schimpfen ihn ironisch seine italienischen Kollegen. Das stört ihn nicht, oder zumindest
lässt er sich das nicht anmerken, nicht hier in der Toskana, wo das Leben vor
Schönheit lacht. Er versteckt alles hinter seinem Redeschwall, gleich einem Quakkonzert von Enten im Teich. Sein Teich sind die Weltmeere – vor allem das Tyrrhenische
hat’s ihm jetzt angetan. Mal quakt er italiensch, mal deutsch, mal englisch, mal spanisch und
mal französisch: quak, quak, quak, quak, quak – ein multikulti Enterich, der jeden Satz wie
einen Paukenschlag aus „Vivaldis vier Jahreszeiten“ mit dem Handrücken auf der Brust seines Gesprächspartners beendet. So verwundert es keinen, dass Roberto schon nach einem
Jahr Dienst als Chef-Tester bei Roberto Ricci Designs (RRD) in Grosseto die schlagfertigsten
Theorien über Windprognosen in der Toskana erstellt: „Ola Madonna“, gackert er auf nordisch, „wenn die Sonne über der Talebene Grossetos knallt und alle Schafe nach Osten furzen, dann hat Marina die geilste Thermik in der Toskana.“ Schlag auf die Brust. Punkt! Aber
Spaß bei Seite: Hofmann weiß genau, woher der Wind bläst und wo man hin muss. Als alter Gardasee-Local ist ihm diese Eigenart als Wind-Scout geblieben. Und in dieser Eigenschaft
lieben und kennen wir ihn. Auch das Gackern natürlich. Das surf Magazin besuchte Roberto
im Sommer und im Winter auf seinem Landgut bei Marina di Grosseto und entlockte ihm bei
einer Flasche Rosso di Montalcino und Blutwurst Sanguinaccio – so herzhaft frisch, dass man
die Sau noch grunzen hörte – seine neu errungenen Surf-Geheimnisse über die wildromantische Toskana.
„Den Wind in der Toskana kann man in zwei Phasen einteilen“, erklärt Hofmann, „die
Herbst- bis Frühlingsphase mit kräftigen Tiefdruckgebieten und aufbrausenden Stürmen und
die Thermikphase im Sommer.“ September und Januar zählen, so Roberto, zu den
windärmeren Monaten. Im Januar und Februar herrscht oft der kalte Tramontana aus Nordost. Aber: das Tyrrhenische Meer misst auch im Winter fast nie weniger als 15 Grad. Ein
Kurzarm-Semi-Anzug (4 mm) reicht. Man surft hier, mit Ausnahme eines Kälteeinbruchs, das
ganze Jahr hindurch. Die Bedingungen können jedoch, je nach Windrichtung, sehr unterschiedlich sein, denn die Küste der Toskana erstreckt sich im Süden von der Halbinsel Monte Argentario bis Livorno und Pisa. Topographisch beschreibt die Küste in südlicher Richtung
ab Elba bei Piombino einen fast 90-Grad-Knick nach Südosten. Dort blasen Libeccio (Südwestwind) und Sirocco (Südostwind) im richtigen Winkel (im Norden ablandig) zur Küste.
Wenn zum Beispiel ein großes Tief vom Atlantik hereinläuft, ein stabiles Hoch unter der
Türkei liegt, bildet sich eine kräftige Südost-Strömung (Südostwind). Dann rollen auch in der
Toskana hohe Wellen an. Allgemein gilt: Wenn in Deutschland ein Tief aus dem Westen naht,
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Erste Doppelseite und links oben: Im herrlichen Nationalpark von Maremma surft
Roberto bei Ost-Südostwind vor Marina di
Alberese. Am Homespot Marina di
Grosseto loopt sichs besonders leicht
(rechts). Vor allem im Winter funktioniert
der Wavespot vor der Dorfkulisse von
Castiglione della Pescaia (rechts unten).
dann bläst’s in der Toskana meist aus dem
Südosten. Robertos Tipp bei Südost: „Der südliche Strand vom Monte Argentario (Feniglia) ist
mein absoluter Traumspot in der Toskana. Bei
Südostwind schiebt eine Welle in die riesige, sandige Bucht. Wenn der Wind dann auf Südwest
dreht, hat man perfekte Sideoffshore-Bedingungen mit zwei bis drei Meter hohen und sauberen Wellen.“ Auch die nördliche Seite vom Argentario (Gianella) weist bei Südwestwind gute
Sideshore-Bedingungen mit kleiner Welle auf.
Aber auch bei Nordostwind funktioniert der
Spot hin und wieder. Besser ist dann jedoch Punta Ala weiter im Norden. Wenn Ponente oder
Mistral aus West- bis Nordwest ballern, dann lohnen sich die Nordspots ab Piombino (San Vincenzo bis Vada). Westliche Winde sind im oberen
Teil der Toskana zuverlässiger, weil sie nicht
durch Korsika und Elba abgeblockt werden.
Dann ziehen die etruskischen Surf-Heere im
Eroberungsmarsch auf Vada zu: Veni, vidi, Vada.
An guten Tagen kann es dort dann voll werden
wie bei einer Eroberungsschlacht. Im Süden
geht’s zwar auch, nur muss der Mistral schon
ziemlich stark blasen, um über die Berge von Korsika hinwegzufegen.
Während der Monate Juni, Juli und August
hackt es zwar weniger, dafür sorgt das heiße,
trockene und hügelige Hinterland der Toskana für
eine sehr zuverlässige West-Nordwestthermik in
den Buchten südlich von Piombino. Die Insel Elba wirkt sogar an manchen Stellen als windbegünstigend, da die Thermik durch die Meeresenge beschleunigen
kann. Als beste Thermik-Spots gelten Castiglione della Pescaia, Marina di
Grosseto und Talamone. Man kann in diesen drei Monaten ohne weiteres eine
Thermik zwischen zwölf und 20 Knoten erwarten. Voraussetzung dafür ist ein
stabiles Hoch über Italien.
Für Robertos Hoch ist gesorgt: Denn er lebt sein dolce vita am Strand. Und
so lange er aufs Wasser kann – und das am liebsten jeden Tag – solange
bleibt er unser fröhliches Quitsch-Entchen.
SPOT CHECK MIT ROBERTO HOFMANN (siehe dazu Landkarte):
1) Calambrone ist der Homespot der Pisaner und gut für Wave-Einsteiger bei
Südwestwind. Autobahn Livorno ab und Richtung Calambrone nach Westen.
2) 3-Ponti, Livorno: Sehr gut bei Südost mit Sideshore-Bedingungen,
muss aber vorher aus Südwest geblasen haben. Der Einstieg an der Uferpromenade erweist sich als etwas schwierig, und der Strand ist oft am
Wochenende überfüllt. Im Zentrum Livornos Richtung Mare Lungo.
3) Vada: Bei West- und Nordwestwind der beste Spot mit guter Welle. Leicht
auflandig, türkises Wasser. Ausfahrt auf der Staatsstraße N1 Vada (Maut am
Autobahnende) und immer den Schildern (spiaggia bianca) zum Strand folgen.
Der erste Spot oberhalb der langen Mole.
4) Marina di Cecina (Le Gorette, fünf Kilometer südlich von Vada) hat Sideshore-Bedingungen bei Südost. Oft ein guter Ausweichspot, wenn der Südostwind noch nicht in Vada angekommen oder Vada überfüllt ist.
5) Marina di Bibbona: Gut bei Nordwestwind. Auf der Schnellstraße N1 RomLivorno die Ausfahrt Marina di Bibbona wählen.
6) San Vincenzo: Dies ist der letzte Spot, der nicht mehr in der Abdeckung
von Korsika liegt. Auch gute Sideshore-Bedingungen bei Nordwestwind. Bei
Ponente onshore und anspruchsvoll. Auf der Schnellstraße die Ausfahrt San Vincenzo folgen. Unendlich viele Spots am langen Pinienstrand.
7) Perelli: Superspot bei Ost- bis Südostwind mit guten Side-Onshore-Bedingungen und spaßigen Wellen. Ausfahrt Vignale-Riotorto
wählen, Schilder Richtung Piombino folgen und dann vor dem Kraftwerk (unübersehbar) links abfahren.
8) Follonica: Guter Spot bei sehr starkem Mistral direkt an der
Strandpromenade mit guten Sideshore-Bedingungen von rechts.
9) Punta Ala ist der beste Spot bei Tramontana (Nordostwind), perfekter Freestyle-Spot. Von Follonica Richtung Grosseto rechts nach
Punta Ala. Vor dem Ort rechts zum Spiaggia (Strand) abbiegen.
10) Castiglione della Pescaia funktioniert bei starkem Nordwestwind mit sauberen Wellen. Hat gute Thermik während der
Sommermonate. Gute Wellenreitbedingungen im Winter an der Hafenmole. Spots um Castiglione: Pinetina Süd im Sommer bei Thermik, Pinetina Nord im Herbst und Frühling bei Nordwestwind.
11) Marina di Grosseto: Guter Thermikspot im Sommer und einer
der besten Spots bei Südostwind. Flachwasser mit Chop, bei Sturm
auch anspruchsvolle Wellen. Von Grosseto etwa zehn Kilometer
westlich ans Meer. Dort am Nordstrand (Bagno Moreno) an der
Segelschule parken.
Castiglione (Pinetina Nord) Richtung Marina di Grosseto.
12) Principina a Mare: Guter Spot (nur fünf Kilometer südlich von
Marina di Grosseto) bei Südwind. Die Alternative, wenn in Marina
di Grosseto der Wind zu auflandig bläst.
13) Marina di Albarese: Anspruchsvoller Spot (Strömungen,
Shorebreak), funktioniert am besten, wenn der Wind aus Ost-Südost bläst. Die Fahrt durch den Naturpark der Maremma lohnt sich.
14) Talamone: Absolute Flachwasser-Bedingungen und durch
die verstärkte, schräg ablandige Thermik (Fallwind etwas böig), die
beste Wahl im Sommer (Achtung: im Wasser befinden sich
mehrere Steinplatten). Vorteil: Die Sandbucht ist nur Wassersportlern (Kiter und Surfer) vorbehalten. Bei leichtem Südwestwind
verstärkt sich die Thermik mit einem netten Break an der Mole.
15) Bocche di Albegna und Strand von Gianella: Guter Spot mit
kleiner Welle bei Südwestwind. Bei Nordostwind weiter Richtung
Porto St. Stéfano fahrbar. Dieser Strand ist der nördliche Deich
vom Monte Argentario. Staatsstraße N1, Ausfahrt Porto St. Stéfano folgen. Nach 300 Metern rechts am Pinienwald abbiegen.
16) Feniglia: Wohl einer der besten Spots in der Toskana. Voraussetzung ist starker Südostwind, der Wellen aufbaut. Wenn der
Wind auf Südwest dreht (etwas böig), dann herrschen perfekte
Sideshore-Bedingungen. Der herrliche Strand ist der Süddeich vom
Monte Argentario. Gleiche Ausfahrt wie Spot 15 wählen. Richtung
St. Stéfano links Richtung Porto Ercole abbiegen und dann links in
die Sackgasse nach Feniglia fahren (Parkplatz am Ende).
1
Pisa
2
Livorno
3
4
5
6
Piombino
Follonica
7 8
Castiglione
9 della
Pescaia
10
Elba
Grosseto
11
12
13
80
Windtage mit 6 und mehr Beaufort
Gleitwindhäufigkeit in Prozent
70
60
Windtage mit 4-5 Beaufort
14
Monte 15
Argentario
16
50
40
30
20
10
0
Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
Wassertemperatur
14,5° 15° 16,5° 18,0° 20,2° 24,1° 26,8° 27,3° 25,5° 23,1° 18,0° 16,0°
Luft
11,1° 12,2° 14,4° 17,2° 21,7° 25,6° 28,9° 28,9° 25.6° 20,6° 15,0° 11,7°
60
50
INFOS TOSKANA
30
20
10
0
SO
N/NO
SO
N/NO
N/NO
SO/SW
SO/S
SW/W
SO
SW
S
SW/W
NW
SW/W
NW
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N
SW/W
SW/W
SO/S
SO/S
NNO
SO/S
NNO
Windrichtung in %
40
Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
Die Statistik
wurde über
30 Jahre am
Militärflughafen bei
Grosseto
erhoben. Im
Norden wird
z.B. Vada mit
mehr Nordwestwind
(NW) vernachlässigt.
ANREISE: Mit dem Auto etwa 800 Kilometer ab München. Zwei Routen: 1)
Über Parma, La Spezia, Livorno (ab Livorno bis Grosseto/Monte Argentario ist
die Autobahn mautfrei), 2) Über Bologna, Florenz, Siena, Grosseto (starker Verkehr, ab Siena Landstraße). SEHENSWÜRDIGKEITEN: Pisa, Florenz, Siena, Lucca, Massa, Populonia, Volterra, San Gimignano, Maremma Nationalpark,
Weinberge von Scansano oder Chianti. WELLENREITEN: Surfspots (im Winter): Le Canelle am Westzipfel des Monte Argentario, Castiglione della Pescaia
an der Mole, die Bucht von Barratti nördlich von Piombino. UNTERKÜNFTE: Allgemeine Reiseinfos über das Fremdenverkehrsamt Grosseto: Tel.
0039/0564/462611. Italienisches Fremdenverkehrsamt: Tel. 089/
531317. Im Internet unter www.enit.it. Für Womos und Camper gibt es kaum
Park- oder Stellplatzverbote. Man kommt vor allem in der Nebensaison immer
bequem an die jeweiligen Spots heran. ROBERTO RICCIS RESTAURANTTIPPS: Günstig: Pizzeria da Celso in Castiglione; Insider: Mastica Brodo in Istia
d’Ombrone, Papagone in Grosseto; Il Bivio nähe Vetulonia. SURFSHOPS: Blue
Reef in Vada (Tel. 0039/0586/789256), Hoasy in Livorno (Tel. 0039/
0586/401253), Marine Sports in Follonica (Tel. 0039/0566/44545,
Planet Riders in Grosseto (Tel. 0039/0564/418585, Surf Relax in Follonica
(Tel. 0039/0566/264050).