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MUTTERTAG
Drehbuch für einen Kinofilm
von
HARALD SICHERITZ
ALFRED DORFER
ROLAND DÜRINGER
PETER BERECZ
© Fassung vom Juli 1993
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 1
AUFBLENDE.
EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG - TAG
Eine WEITE TOTALE zeigt uns den spröden Charme der Hugo
Breitner-Siedlung im Dunst eines sonnigen Frühlingsmorgens:
einige große Wohntürme im Stil der siebziger Jahre, umgeben
von zahlreichen kleineren Blocks und Reihenhäusern.
Darüber die ANFANGSTITEL. Die Straßen sind menschenleer,
nur an einer Hauswand stehen drei STADTINDIANER mit
interessanten Frisuren. Einer sprüht gerade die Parole
"Tod dem Architekten" an die Wand, die anderen blicken mit
würdevoll vor der Brust verschränkten Armen in Richtung des
näherkommenden Lärms.
Der ZUSTELLER rast auf dem röhrenden Moped in professioneller Schräglage um eine Ecke. Sein am Asphalt radierendes
Knie erzeugt eine Rauchfahne, sein Gesicht ist unter einem
gelben Sturzhelm mit geschlossenem Vollvisier verborgen.
STIMME DES VOLKES
(wie der "Jedermann"-Ruf)
Oaschloch!
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, SCHLAFZIMMER - TAG
Die weiße Schlafzimmereinrichtung wird durch eine Fototapete
des Typs "Herbstwald" ergänzt; über dem Ehebett hängt ein
Kruzifix. Die Jalousien erzeugen Zwielicht.
Im OFF dröhnt das Moped des Zustellers heran. EDWIN und
TRUDE fahren im Bett hoch. Edwin blinzelt zu seiner Frau
hinüber. Ihre verquollenen Augen sind geschlossen, der
Rest des Gesichtes ist durch eine Schönheitsmaske entstellt.
In ihren Haaren baume ln ein paar Lockenwickler.
EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG - TAG
Ein Schild verkündet, daß in der Breitner-Siedlung 422 Kinder
leben. Das Moped röhrt durchs Bild. Wenig später hören
wir im OFF seine Bremsen quietschen. Die digitale Anzeige
der Tafel korrigiert den Stand auf "421".
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, SCHLAFZIMMER - TAG
Im OFF verebbt der Lärm des Zweitakters. Trude fällt mit
einem Seufzer in die Kissen zurück. Edwin schaut auf die
Uhr und hebt vorsichtig den linken Fuß aus dem Bett. Eine
Matratzenfeder knarrt - Edwin vergewissert sich, daß Trude
weiterschläft.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 2
FORTSETZUNG:
Dabei senkt sich sein Fuß über eine auf dem Boden stehende
Schüssel Kartoffelchips. Edwin kann ihr um Haaresbreite
ausweichen und seufzt erleichtert.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Ein schmales Vorzimmer mit Einbaukästen im Stil der österreichischen Billigmöbelhäuser. Die quietschende Schlafzimmertür
öffnet sich langsam - Edwin quetscht sich durch den Türspalt
und balanciert auf knarrendem Parkett weiter. In letzter
Sekunde kann er einem Skateboard ausweichen.
Er hat kaum aufgeatmet, als er sich dem "Terminator"
gegenüber sieht - in Form eines lebensgroßen Posters an der
Tür zum Kinderzimmer. Über der Tür leuchtet eine kleines
rotes Warnlicht auf, aus dem OFF ertönt ein elektronisches
Piepsen.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KINDERZIMMER - TAG
Das von den Jalousien verursachte Halbdunkel läßt nur ahnen,
daß Mischas Zimmer einer chaotischen Elektronikwerkstatt
gleicht. Auf dem Monitor eines piepsenden Heimcomputers
sehen wir, wie eine Karikatur Edwins zu Boden plumpst. Darüber erscheint in blinkender Schrift: "Enemy attacks! All
Systems go!".
MISCHA erwacht, setzt sich im Bett auf und blickt zum Bildschirm. Er unterdrückt ein schadenfrohes Kichern. Aus dem
OFF ist Edwins unterdrücktes Stöhnen zu hören.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Edwin rappelt sich auf, greift nach der Türschnalle des Kinderzimmers - und wird von einem heftigen Stromstoß geschüttelt. Mühsam reißt er seine Hand los. Im OFF hören wir
Mischa kichern. Der "Terminator" blickt Edwin verächtlich
an.
EDWIN
(in wütendem Flüsterton)
Na, woat nur!
Edwin schleicht zum Klosett und öffnet vorsichtig die Tür.
Dahinter sitzt OPA, schräg an der Wand lehnend, auf der
Muschel und schnarcht.
EDWIN (cont.)
(flüstert)
Geh Papa, wos mochst denn do! Du
kannst do net am Klo schlafen,
heast!
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 3
FORTSETZUNG:
OPA
(erwacht)
Ah, legt's ihr euch scho nieder?
EDWIN
Psscht, sei leise. Es is scho
siebene in der Fruah. Laß runter
und geh' ins Bett.
OPA
Do hätt's mi glei im Heim lossn
können.
EDWIN
Papa, du woast no nie in an Heim.
OPA
Oba in Gfangenschaft, mein lieber
Freund -EDWIN
Psscht, du weckst jo olle auf!
OPA
Edwin, geh weg, i muaß auf's Klo.
Opa zieht die Klosettür zu und verriegelt sie. Edwin kann
seinen Harndrang nur schwer unterdrücken. Dementsprechend
komisch humpelt er zu einem Vorzimmerschrank und öffnet
ihn.
Eine Waschmitteltrommel kippt ihm entgegen, ihr Inhalt fällt
zu Boden: Edwin starrt verblüfft auf einen Haufen Kosmetikartikel - Aufkleber verraten deren hohen Preis.
Edwin kramt leise fluchend einen Klappmaßstab aus dem Kasten
hervor und beginnt die Lippenstifte und Cremedosen wieder
einzuräumen. Um seine Blase unter Kontrolle zu halten,
drückt er stöhnend eine Hand zwischen die zusammengepreßten
Beine.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, SCHLAFZIMMER - TAG
Trudes Hände sind in die Tuchent verkrallt.
tig und räkelt sich wollüstig.
TRUDE
(verzückt)
Gerry, du Tier! Aaah!
(fährt entsetzt aus dem
Schlaf hoch)
Herr Gratzl, des können'S doch net
mochn!
Sie träumt hef-
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"Muttertag"
Seite 4
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Ein Balkon mit hängenden Blumenkästen. In einer Ecke steht
ein Camping-Griller mit Blechgeschirr, an der Brüstung ein
Gummibaum. Edwin hopst durch die Tür. Er hat den Maßstab
und das Flugblatt eines Baumarktes in der Hand.
Er blickt sich verzweifelt um, geht dann entschlossen zum
Gummibaum und öffnet seinen Hosenlatz. Wir hören ein lautes
Plätschern. Edwin blickt erst entgeistert an sich hinunter,
dann zum Balkon links neben ihm.
EXT. WOHNUNG MÜLLER, BALKON - TAG
Auf dem Nachbarbalkon steht FRAU MÜLLER (im Schlafrock, mit
Sonnenbrille) und gießt laut plätschernd ihre Pelargonien.
FRAU MÜLLER
Guten Morgen, Herr Neugebauer!
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin läßt entsetzt von der geplanten Verrichtung seiner
Notdurft ab und schließt seinen Hosenlatz.
EDWIN
Äääh ... Guten Morgen!
Er beginnt mit dem Maßstab umständliche Vermessungen, deren
Ergebnisse er mit dem Flugblatt vergleicht. Er tritt von
einem Bein auf das andere. Frau Müller, die ihn gnadenlos
fixiert, ringt ihm ein gequältes Lächeln ab.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, SCHLAFZIMMER - TAG
Trude wankt schlaftrunken zu einer mit Kosmetika überhäuften
Psyche neben dem Bett und löst die Schönheitsmaske von ihrem
Gesicht.
TRUDE
Edwin!?
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin erschrickt heftig und preßt die Beine zusammen. Frau
Müller verrenkt sich den Hals, um sein Verhalten zu ergründen.
TRUDE
(aus dem OFF)
Edwin!?
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 5
FORTSETZUNG:
Edwin will in die Wohnung eilen. Dabei stößt er den Griller
um, was höllischen Lärm verursacht.
EDWIN
A so a Schaß!
EXT. STRASSE VOR BLOCK VII/STIEGE 3 - TAG
KURT Habitzl, der liebevoll seinen blauen Opel Kadett wäscht,
hält inne und lächelt in Richtung von Edwins Balkon.
KURT
Guten Morgen, Herr Neugebauer!
Wir sehen Edwins Kopf kurz auftauchen, dann neuerliches
Blechgetöse und einen kurzen Schrei.
INT. WOHNUNG SCHWALBACH, SCHLAFZIMMER - TAG
Ein HiTech-Doppelbett (eingebautes Radio, Punktleuchten
etc.), darüber zeigt ein Foto-Poster die Familie Schwalbach.
HERR SCHWALBACH und FRAU SCHWALBACH werden vom Lärm auf dem
Balkon der Neugebauers gleichzeitig aus dem Schlaf hochgerissen. Frau Schwalbach läßt sich wieder zurückfallen,
packt einen neben dem Bett lehnenden Besen und klopft damit
an die Decke, die ber eits Dellen aufweist. Herr Schwalbach
rennt wütend aus dem Zimmer.
EXT. WOHNUNG SCHWALBACH, BALKON - TAG
Schwalbach kommt aus der Wohnung gerast und brüllt zum Balkon
der Neugebauers hinauf. schwalbach I zag eich an!!
EXT. STRASSE VOR BLOCK VII/STIEGE 3 - TAG
Kurt unterbricht das Autowaschen und grüßt in Richtung von
Schwalbachs Balkon.
KURT
Guten Morgen, Herr Schwalbach!
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KÜCHE - TAG
Wir sehen das glücklich entspannte Gesicht Edwins; im OFF
ertönt das kräftige Plätschern eines Wasserstrahls:
Trude (im Morgenrock) füllt den Wasserbehälter der Kaffeemaschine nach. Die Küche ist abgewohnt, aber blitzsauber.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 6
FORTSETZUNG:
Am Eßtisch gesellen sich Mischa und Opa zu Edwin, der in
die Zeitung vertieft ist.
Trude streicht Brote und schenkt Kaffee nach. Opa hört an
seinem kleinen Taschenradio die Morgennachrichten - auf russisch, Langwelle mit schlechtem Empfang. Er tunkt genüßlich
sein Butterbrot in den Kaffee.
Mischa hat WILLI, das Meerschwein, auf den Eßtisch gesetzt
und ihm ein "Start-Ziel"-Transparent aufgebaut. Er macht
dem Tierchen einen Parcours quer über den gedeckten Tisch
frei. Trude eilt genervt zwischen Kühlschrank und Tisch
hin und her.
TRUDE
Geh, Mischa, kannst du bitte mit
dem Unfug aufhören.
(da Mischa nicht reagiert)
Tu den Willi von meinem Tisch.
Mischa, bist du taub!
OPA
Na, na, Trudl. I hör's eh.
Opa dreht das Radio noch lauter. Mischa versucht, dies mit
Anfeuerungsrufen für Willi zu übertönen.
TRUDE
Edwin, sag du auch amal was.
EDWIN
(ohne von der Zeitung
aufzublicken)
Hörst du nicht, was deine Mutter
sagt.
MISCHA
Jaaa.
EDWIN
Sog net immer "jaaa".
eh scho gnua von dir.
I hob heut
MISCHA
Jaaa.
Edwin will Mischa eine Ohrfeige verpassen, trifft aber nur
Opas Kaffeehäferl. Dieses fällt um und macht einen großen
Fleck auf das blütenweiße Tischtuch. Opa blickt Edwin mißbilligend an. Trude putzt den Herd, Mischa zieht eine
Grimasse, nimmt Willi v om Tisch und setzt ihn in seinen
Käfig.
EDWIN
Na, woat nur!
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 7
FORTSETZUNG:
TRUDE
Wos is denn scho wieder?
EDWIN
Äääh, nix ... Blumenerzeuger miaßt
ma sein, des Wochenend. Die
verdienen sich wieder dumm und
dämlich.
TRUDE
Eigentlich is eh schad drum. Sie
gehn eh glei ein. Und so richtig
a Freud hob i a net damit.
EDWIN
Kriagst heuer eh kane.
Trude kniet beim Tisch und säubert den Boden von den Speiseresten, die sich laufend dort ansammeln. Edwin versteckt
sich hinter der Zeitung.
MISCHA
Muttertag is eh für'n Hugo.
TRUDE
(richtet sich auf)
Paß einmal auf. Per Hugo sind mir
noch lange nicht, ja. Schau lieber,
daß du mit dem Essen fertig wirst.
MISCHA
Jaaa.
EDWIN
Na net "jaaa"!
(liest in der Zeitung)
Jetzt gibt's den Mazda 626 als
Sondermodell "Family". Do is ollas
dabei, ollas elektrisch verstellbar,
Wahnsinn. Und der kost wirklich
an Nepp.
TRUDE
Edwin ...
EDWIN
Bitte um 228.900.- verkaufen's den
da. Do müßt ma eigentlich beinhoat
zuaschlogn.
TRUDE
(spitz)
Ich glaub, wir ham das schon
besprochen. Wir brauchen neue
Möbel.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 8
FORTSETZUNG:
EDWIN
(resignierend)
Jo, jo, jo!
Trude läßt Wasser ins Becken und beginnt das Frühstücksgeschirr abzuwaschen.
MISCHA
I kriag aber schon mei "Lone Ranger"
City Bike, gell Papa?
EDWIN
Waun's noch mir gangen wär, hättest
scho den sauteuren Computer net
kriagt.
TRUDE
Zuerst wird anständig gwohnt und
dann erst wird gfohrn.
MISCHA
Ihr habt's immer gsogt, die Wohnung
wird erst hergricht, wenn der Opa
im Heim is.
Opa blickt auf. Betretenes Schweigen in der Runde, auch
der russische Nachrichtensprecher verstummt. Opa verläßt
den Raum und knallt die Tür hinter sich zu.
EDWIN
(überdeutlich)
Der Opa kommt in kein Heim, Mischa!
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Opa öffnet den Einbauschrank und entnimmt einer der darin
stehenden Waschmitteltrommeln zwei Sparbücher und steckt
sie in seine Jacke.
TRUDE
(im OFF, pikiert)
Oiso gut, moch ma hoit an
Winterurlaub in Kenia.
MISCHA
(im OFF)
Super.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KÜCHE - TAG
Edwin starrt entgeistert auf Trude, die mit verschränkten
Armen vor ihm steht.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 9
FORTSETZUNG:
EDWIN
Wos bitte? Kenia?! Nau kloa, und
im Summer noch Spitzbergen!
TRUDE
(spitz)
Warum net? Des wär zumindest amoi
wos. Andere mochn des jo a,
oder ...
EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG - TAG
MONTAGE: EVELYN (in aufreizender Sportkleidung) flitzt auf
Rollschuhen durch die Straßen der Siedlung. Zwei MÄDCHEN
spielen mit einem Wollknäuel Fadenabnehmen. Evelyn rollt
in das Fadenspiel und sorgt für Verwicklungen. Sie erregt
bei den PASSANTEN einiges, unter anderem Aufsehen. Wir
begleiten sie zu den folgenden Schauplätzen:
Neben der Apotheke, die eben öffnet, spielt eine STRASSENBAND
auf - sie besteht aus je drei Rentnern und Stadtindianern.
Die Mitglieder einer vierköpfigen RENTNERGANG tun so, als
ob sie bei den Passanten Geld für die Musik sammelten, rauben
allerdings in Wahrheit den Verblüfften ihre Rezepte und
Vorverkaufsfahrscheine.
Auf dem Parkplatz des Supermarktes lehnen einige MÄNNER
gemütlich an ihren Autos; sie rauchen, pfeifen Evelyn nach,
polieren ihre Autos, sprechen in Mobiltelefone oder lesen
Zeitung. Aus dem Supermarkt kommen eine FRAU und ein KIND;
sie schieben einen schwerbeladenen Einkaufswagen zu einem
Auto und beginnen schwere Taschen, Bier- und Weinkisten in
den Kofferraum zu laden.
Schwer, gö?
MANN
Net aus'm Kreuz heben.
Evelyn rollt am Rande eines Kinderspielplatzes vorbei. Der
HETZER (im Kampfanzug) läßt dort seine zwei DOBERMANNHUNDE
ihr Geschäft verrichten und lockt sie mit einer PullmanKappe.
HETZER
Wo is der Jugo? Such, such!
is der Jugo?
Wo
Evelyn flitzt an zwei mit bunten Graffiti ("Tod dem
Architekten", "Holt uns hier raus" etc.) verzierten
Telefonzellen vorbei - eine für Körperbehinderte, eine für
Wertkartenbenützer. In der letzteren steht Opa und trommelt
zornig auf das Telefon. Er versucht vergeblich, eine Münze
in den Wertkartenschlitz zu zwängen.
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"Muttertag"
Seite 10
INT. POSTAMT - TAG
Im kleinen Amtsraum des Postamtes Breitner-Siedlung gibt es
eine Telefonzelle und vier Schalter, davon sind jedoch nur
zwei besetzt ("Paketannahme", "Brief- & Telegrammaufgabe").
Hinter dem ersteren lümmelt der POSTBEAMTE an einem Stehpult, reißt ein Blatt vom Wandkalender (dieser zeigt jetzt
"Samstag, 8. Mai") und blickt auf die daneben hängende Uhr.
Es ist 8 Uhr 15. Hinter dem anderen Schalter ist die
SCHALTERDAME in die Lektüre der Tageszeitung vertieft.
Beide nippen genußvoll an ihrem Frühstückskaffee.
Wir hören das vertraute Röhren des Mopeds aus Szene 1. Das
Telefon der Schalterdame läutet. Sie reagiert nicht. Nach
dem zweiten Läuten macht sich der Postbeamte auf den langen
Weg zum Apparat.
SCHALTERDAME
(unwillig)
I nimm's scho!
Der Postbeamte glotzt das schrillende Telefon an.
terdame hebt ab.
Die Schal-
SCHALTERDAME (cont.)
Postamt Breitner-Siedlung,
Perlinger, Morgen.
Der Zusteller kommt in das Amt gehopst und steuert einen
Nebenraum an.
ZUSTELLER
Morgen!
POSTBEAMTER
(ruft ihm nach)
Nau, Wötmaster, gibt's a neiche
Bestzeit?
ZUSTELLER
(aus dem OFF)
Na, sowieso!
SCHALTERDAME
(ins Telefon)
Ja, Postamt ... ah so.
(spricht lauter)
Ja, Postamt. Wos? Nau, sicher
können'S bei uns Spenden einzahlen.
Die JUNGE MUTTER (mit Kopftuch) kommt mit einer Baby-Tragtasche herein, geht zum Briefschalter und läßt die Tasche
davor zu Boden fallen. Sie ist sehr nervös und unkonzentriert.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 11
FORTSETZUNG:
JUNGE MUTTER
Grüß Gott. I hätt gern a Kilo
Faschiertes, aber dünn
aufgschnitten.
Die Schalterdame wendet sich ihr langsam, mit dem Hörer am
Ohr, zu.
SCHALTERDAME
(phlegmatisch)
Wolln' S es in a Semmerl?
JUNGE MUTTER
Ja, aber ohne Knochen.
SCHALTERDAME
Ui, die Knochen san leider aus.
INT. TELEFONZELLE - TAG
Opa hat sich vor das Behindertentelefon gezwängt und schreit
in den Hörer.
OPA
Hallo?! Das muß ein Irrtum sein!
Ich will eine Spende einzahlen!!
... I hör's net! ... Nau oiso,
daun komm i jetzt mit die
Spoabüachln vorbei!
EXT. STRASSE VOR POSTAMT - TAG
Das Postamt ist ein grauer Quader zwischen anderen
Betonklötzen. Davor steht das Moped des Zustellers. Die
junge Mutter verläßt ohne der Babytragtasche das Postamt.
Ein roter Lieferwagen bremst quietschend und parkt - im
Retourgang - in der Ladezone vor dem Amt. Im OFF ertönt
ein unangenehmes blechernes Geräusch. MÜLLER, der gerade
ins Postamt geht, schaut kurz über die Schulter, bleibt
aber ungerührt. Der LIEFERANT springt lässig aus dem Auto,
öffnet die Seitentür und wirft Pakete auf einen mitgebrachten
Zweiradkarren.
INT. POSTAMT - TAG
Müller geht zu einem Schreibpult in der Mitte des
Schalterraumes und schreibt ein Glückwunschtelegramm. Er
blickt auf die Tragtasche mit dem schreienden Baby, bleibt
aber ungerührt. Der Lieferant kommt mit seinem Paketkarren
hereingefahren.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 12
FORTSETZUNG:
LIEFERANT
Morgen!
POSTBEAMTER
Morgen!
SCHALTERDAME
Morgen.
LIEFERANT
Wia hammas?
POSTBEAMTER
Schlecht hammas.
LIEFERANT
Wieso?
POSTBEAMTER
Die Waag is beim Service.
LIEFERANT
Nau, und wos tamma jetzt?
Schätzen?
Müller geht zum Schalter, beäugt begehrlich den Busen der
Schalterdame und gibt ihr das Telegramm.
MÜLLER
Nau, Pupperl, wia hammas?
SCHALTERDAME
(gelangweilt)
Geh bitte, schleich di.
Der Zusteller hopst mit aufgesetztem Sturzhelm und
hochgeklapptem Visier aus dem Nebenraum hervor.
ZUSTELLER
Auf Wiedersehen!
SCHALTERDAME
Herr Zapletal! Waun'S beim Billa
vorbeikumman, vergessn'S net auf
mein Obstgarten.
ZUSTELLER
Den krieg ich aber nicht auf mein
Moped, hahaha. Wiedersehen!
POSTBEAMTER
He, Zapletal! Wann'S bei da Trafik
vorbeifahrn: an Lottoschein und
drei Zünder.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 13
FORTSETZUNG:
SCHALTERDAME
Und 10 Briefmarken! Wiederschaun.
ZUSTELLER
Wiedersehen!
Der Zusteller läuft aus dem Amt.
POSTBEAMTER
Wüvü Packeln san's?
Der Lieferant blickt demonstrativ auf die Pakete.
fünf Stück.
Es sind
LIEFERANT
37,5.
Wos?!
POSTBEAMTER
Geh, schleich di!
LIEFERANT
(nimmt ein Paket vom
Karren)
Oiso, sog ma, des hot drei Kilo.
POSTBEAMTER
Na, Moment!
Sie werfen das Paket hin und her.
POSTBEAMTER (cont.)
Des is jo vü z'groß für drei Kilo.
Der Zusteller kommt aufgeregt hereingelaufen.
ZUSTELLER
Tag, bitte, ich bin es noch einmal.
Wem gehört denn der Lastkraftwagen
auf meinem Moped?
LIEFERANT
Nau jo, mir?
ZUSTELLER
Das is günstig. Könnten Sie ihn
mir bitte herunterholen?
LIEFERANT
Wos, jetzt glei?
ZUSTELLER
Nein, vom Moped. Es wär relativ
dringend, wegen der Spenderniere
für's AKH!
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 14
FORTSETZUNG:
Er zieht ein Plastiksackerl aus seiner Diensttasche und
hält es dem zurückweichenden Lieferanten vor die Nase.
ZUSTELLER (cont.)
Ich glaub fast, da wartet wer drauf.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KINDERZIMMER - TAG
Wir sehen Poster von Mischas Idolen - gewalttätigen Helden
und weiblichen Muskelprotzen.
Mischa nimmt ein elektrisches Küchenmesser aus der Verpackung
und stellt fachkundig eine Kabelverbindung zu seinem Computer
her.
TRUDE
(im OFF)
Edwin, woat! Du bist scho noch so
lieb und mochst ma die Buchhaltung
für die Pfoa, gö?
EDWIN
(im OFF)
Nix! Net jetzt! Es geht si eh
olles nimma aus.
Wir hören, wie im OFF die Wohnungstür ins Schloß fällt.
TRUDE
(aus dem OFF)
Mischi! Du mußt gehn!
MISCHA
Jaaa.
Er bastelt an dem Messer weiter. Die Tür geht auf und Trude sie ist geschminkt und auf feine Dame getrimmt - zwängt
sich mit einem vollen Wäschekorb ins Zimmer.
MISCHA (cont.)
I mog dobleiben, Mama, bitte. I
glaub, i hob a Darmgrippe und -Trude zerrt ihn energisch aus dem Zimmer. Eine fette
Fleischfliege setzt sich auf das Messer und löst sich sofort
in einer knisternden Rauchwolke auf. Auf dem Computerbildschirm erscheint das Bild einer Fliege und die Meldung
"object terminated".
EXT. BUSHALTESTELLE VOR DROGERIEMARKT - TAG
Beim Drogeriemarkt der Hugo Breitner-Siedlung befindet sich
eine Bushaltestelle.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 15
FORTSETZUNG:
Neben der Tür des Geschäfts hängen an ihren Leinen ein
KLEINKIND und die zwei Dobermänner des Hetzers. Man hört
"Wir lagen vor Madagaskar", gegrölt von Kinderstimmen. Ein
"EISBÄR" kommt aus dem Drogeriemarkt, blickt sich kurz um
und geht wieder hinein.
MICHAELA (mit Gitarre) erscheint an der Spitze der örtlichen
Jungschargruppe - BEATRIX Schmidt, KORKSI Schwalbach, KARLI
Klein und MÜLLER JUNIOR sowie zwei andere JUNGSCHARKINDER.
GERRY (in Polizeiuniform) kommt mit GERTI, die zwei schwere
Reisetaschen schleppt, zur Busstation. Gerrys Mobiltelefon
läutet, er holt es hervor und spricht hinein.
GERRY
Servas, Heinzi! Wos mochst'n so
umma siebene -GERTI
Gerry, bitte, geh.
mit mir woatn.
Brauchst net
GERRY
(hält den Hörer zu)
Oba Mausi! Jede Sekunde mit dir i
st eine kostbare.
(telefoniert weiter)
Waßt, mei Oi--, ah, die Gerti, f
oaht auf Kur. 14 Tage. Hallo!! J
etzt is er weg.
Gerry steckt das Telefon weg, simuliert Leidenschaft und
verpaßt Gerti einen tiefgehenden Kuß. Michaela lenkt die
Aufmerksamkeit der Kinder in eine andere Richtung.
INT. UNTERFÜHRUNG - TAG
Eine düstere, schmutzstarrende Fußgängerpassage unter der
mehrspurigen Stadtautobahn. Auch sie ist mit Graffiti
beschmiert: "Die Lämmer schweigen", "Tod dem Architekten",
"Dritter Weltkrieg - nicht gewinnen, dabei sein ist alles"
etc.
Mischa zappelt am unteren Treppenabsatz herum, während Trude mit Einkaufstaschen behängt, sein offenes Schuhband
zuschnürt.
MISCHA
Mama, i mog net. I wü bei Dir
bleiben.
TRUDE
Du gehst in die Gruppe.
i hör was!
(MEHR)
Und wehe
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 16
FORTSETZUNG:
TRUDE (cont.)
Noch so a Schand wie bei die Pfadfinder überleb i net.
Trude glättet Mischas Haar mit Spucke. Während sie den
Widerspenstigen ins unheimliche Halbdunkel der Unterführung
zerrt, hält sie ihm die Augen zu, um ihn vor dem grausigen
Anblick zu schützen: ein paar Meter vor ihnen wird der
Zusteller von den Rentne rn ausgeraubt. Der 1. Rentner
hält triumphierend das Säckchen mit der Niere hoch.
1. RENTNER
Pfau, a Niern!
2. RENTNER
I brauch eh ane! Is a rechte?
1. RENTNERIN
Is jo wurscht! Loß das verkehrt
einbaun.
2. RENTNERIN
(wendet sich zu Mischa
und Trude)
Is wos?!
Trude schleppt den fasziniert zusehenden Mischa weiter.
Super.
MISCHA
Schau, Mama!
TRUDE
Spinnst du, sog amoi? Es gibt nix
Ärgers, als waun wer sieht, daß du
wos gsegn host! Merk da des. Es
gibt Sochen, die sieht ma net, die
hört ma net und reden tuat ma scho
goa net drüber.
INT. TANKSTELLE, KASSENRAUM - TAG
Neben einer Auffahrt zur Stadtautobahn befindet sich eine
große Servicestation. Durch die Fenster des Kassenraums
sehen wir eine Autoschlange vor der Waschstraße. SCHMIDT
und KLEIN lehnen an einem Stehpult und trinken Bier, im
Radio läuft Marschmusik.
POSPISCHIL und Edwin stehen vor dem TANKWART.
POSPISCHIL
Amoi Aktivschaum, Hochdruckwäsche
mit Felgen Spezial, Unterbodenspülung und Hochglanzpolitur.
(MEHR)
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 17
FORTSETZUNG:
POSPISCHIL (cont.)
Und natürlich Innenreinigung mit
Cockpitspray. Is des eh mit
Fließwachs?
TANKWART
Na, selbstverständlich!
epoxyverstärkt!
Sogoa
Pospischil wendet sich von der Kassa ab.
TANKWART (cont.)
Und wos kriagn Sie?
EDWIN
Einmal normal, bitte.
Das Gespräch und die Musik verstummen, alle schauen Edwin
an.
EXT. BUSHALTESTELLE VOR DROGERIEMARKT - TAG
Mischa kommt atemlos dahergehetzt und wird unter den
hämischen Blicken der Jungschargruppe verlegen langsamer.
Trude folgt ihm in einiger Entfernung. Der SCHAFFNER taucht
auf.
SCHAFFNER
Bitte hinter die gelbe
Sicherheitslinie zurückzutreten,
Zug fährt ein!
Der Bus fährt vor. Der Busfahrer steigt, ein Selbstgespräch
führend, aus. Die Jungschargruppe steigt ein, ebenso Gerti.
Erleichtert grinsend winkt ihr Gerry nach.
GERRY
(zu sich)
Tschüß, mit Rosen!
Mischa schleicht mit hängenden Schultern an ihm vorbei zum
Bus.
GERRY (cont.)
Servas, Mischa. Wos is'n mit dir
los?
INT. AUTOBUS - TAG
Während Gerti vor sich hinstarrt, turnt die Jungschargruppe
lautstark auf den Sitzen im hinteren Teil des Busses herum.
Mischa kommt herein.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 18
FORTSETZUNG:
MICHAELA
So, jetzt sind wir wieder brav.
Ich werd euch jetzt den Neuen
vorstellen.
Mischa setzt sich und schaut zum Fahrer hinaus, der heftig
gestikulierend sein stummes Selbstgespräch führt.
MICHAELA (cont.)
Mischa, wenn du einmal aufstehst.
Mischa steht auf.
Korksi und Karli fixieren ihn feindselig.
KARLI
Geh bitte, den kenn ma doch eh,
das Ei.
MICHAELA
Der Mischa war bis jetzt in einer
anderen Jugendgruppe und hat dort
leider ein paar Schwierigkeiten
gehabt -BEATRIX
Was denn für Schwierigkeiten?
MICHAELA
(verlegen)
Bubenschwierigkeiten.
Beatrix, Karli und Korksi kichern hysterisch, Mischa schmunzelt hinter vorgehaltener Hand. Michaela überspielt die
Peinlichkeit, indem sie den Kindern Müllsäcke gibt.
MICHAELA (cont.)
Da gibt's jetzt, glaub ich, sicher
nichts blöd zu lachen. Der Mischa
wird jetzt eine Zeitlang bei uns
in der Gruppe bleiben.
Karli und Korksi zeigen Mischa drohend die Faust.
KORKSI
Nau woat, Neugebauer.
Michaela fixiert Korksi und Karli mit drohendem Blick.
MICHAELA
Und der Mischa wird sich sicher
sehr, sehr wohl fühlen bei uns.
EXT. BUSHALTESTELLE VOR DROGERIEMARKT - TAG
Der Bus fährt los.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 19
FORTSETZUNG:
Eine TOTALE zeigt uns, daß sich die nächste Haltestelle in
Sichtweite - etwa 200 Meter weiter, beim Hugo Breitner-Park befindet.
MICHAELA
(im OFF)
Jetzt wollen wir ein bißchen über
den morgigen, ganz besonderen Tag
sprechen.
MISCHA
(im OFF)
Muttertag!
KORKSI
(im OFF)
Oba geh!
KARLI
(im OFF)
Streber!
Gerry überquert gerade die Straße, als Trude bei der Haltestelle anlangt. Sie strahlt über das ganze Gesicht, will
ihm winken und nachrufen. Gerry spricht die FRISEUSE
anzüglich grinsend auf ihr falsch geparktes Mofa an. Trude
läßt entmutigt die Hand sinken.
Der Bus hält an der Haltestelle.
am Ziel und steigt aus.
Die Jungschargruppe ist
EXT. HUGO BREITNER-PARK - TAG
Zwischen den Hochhäusern befindet sich ein kleiner Park.
Er ist der Sammelplatz der Unterprivilegierten: der
Gitarrist der Straßenband entlockt seinem Instrument ein
bluesiges Heulen, die anderen Musiker machen Pause; die
Rentner zählen die erbeuteten Rezepte; die Stadtindianer
öffnen einen Karton Spraydosen. Im Hintergrund reinigt die
Jungschargruppe den Rasen vom üppigen Unrat.
Opa geht zur Mitte des devastierten Parks und setzt sich
erschöpft auf einen Steinsockel.
OPA
Griaß di, Hugo. Tuan dir die Füaß
net weh vom Stehn?
Opa zieht die zwei Sparbücher aus der Rocktasche und schlägt
sie auf.
OPA (cont.)
Heit moch i's. Wos sogst dazua?
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 20
FORTSETZUNG:
Wir erkennen, daß auf dem Sockel die Statue eines Mannes
steht, der man den Kopf abgeschlagen hat. Eine Inschrift
verrät jedoch die Identität des Denkmals: "Hugo Breitner Erfinder der Wohnbausteuer, Begründer des sozialen Wohnbaus".
Breitners Kopf liegt ein paar Meter neben Opa im Gras.
OPA (cont.)
Des wird leider nix wern, mit'n
Auto und der neichen Kuchl.
Gschieht eana recht, was manst,
Hugo?
(lauscht)
Genau!
Mi wern die net in a Heim stecken,
zu die gaunzen oiden Trotteln!
Opa steht auf, läßt aber die Sparbücher liegen. Ein
Stadtindianer mit abgebundenem Arm bemerkt das, läßt seine
Spritze fallen, nimmt die Bücher und klopft Opa auf die
Schulter.
STADTINDIANER
Opa, deine Sparbüachln!
EXT. TANKSTELLE - TAG
Edwin steht mit seinem alten Mazda 323 vor dem Kassengebäude.
Er redet auf Pospischil ein, der zu seiner prächtigen
Corvette geht. Edwin folgt ihm.
EDWIN
Des muaß ma si vuastelln! An 626er
um so an Preis! Taten Sie da net
zuschlagen?!
Pospischil bleibt stehen und schaut fasziniert zur Straße.
Edwin schaut verwundert in dieselbe Richtung und entdeckt
Evelyn.
Evelyn versucht rasch an HUBER vorbeizurollen, der sie
dreckig grinsend mustert. Edwin winkt und schreit herüber.
EDWIN (cont.)
Hallo, Evelyn -- ääh, Frau
Schöbinger, hallo!!
Evelyn ist abgelenkt, kann nicht rechtzeitig halten und
fällt Huber in die Arme.
HUBER
Nau hallo ... wos hamma denn do
Schönes?
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 21
FORTSETZUNG:
Huber begrapscht Evelyn. Edwin macht Anstalten, zu den
beiden herüberzukommen. Evelyn reißt sich verärgert los.
EVELYN
Sie entschuldigen, i muaß mit dem
Herrn kurz wos wengan Kirchenchor
besprechen.
Evelyn rollt kurz entschlossen zu Edwins Wagen. Er eilt
ihr nach; beide steigen ein. Huber und Pospischil schauen
ihnen verblüfft nach.
INT. AUTO EDWIN - TAG
Edwin legt den Arm um Evelyns Schulter.
EDWIN
(glückselig)
Hallo Schatzibärli.
ma reden.
Endlich könn
EVELYN
(wehrt ihn sanft ab)
Servus. Du, Edwin, i bin eigentlich
ziemlich unter Zeitdruck.
EDWIN
A so a Schaß!
Edwin drückt Evelyns Kopf unter das Armaturenbrett auf seinen
Schoß.
EVELYN
(aus dem OFF)
Sog amoi, hat's di!?
EXT. TANKSTELLE - TAG
Schwalbach kommt auf Edwins Wagen zu. Edwin fährt, um einer
Begegnung auszuweichen, zum Eingang der Waschstraße. Er
hat aufgrund seiner Nervosität Mühe, die Waschkarte in den
Automaten zu stecken.
INT. AUTO EDWIN - TAG
Der Wagen wird in die Waschstraße gezogen.
wieder frei.
Du spinnst
Edwin gibt Evelyn
EVELYN
jo, Edwin.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 22
FORTSETZUNG:
EDWIN
Heast, du kennst doch den
Schwalbach. Waun der uns
miteinander siecht, waß morgen die
ganze Pfoa, Schatzibärli.
EVELYN
(gequält)
Jetzt hör endlich auf mit dem blöden
Schatzibärli!
Edwin wird erneut zudringlich.
EDWIN
Am Einkehrwochenende woa dir des
Schatzibärli oba noch sehr angenehm,
was ich mich so erinnern kann.
EVELYN
(wehrt ihn ab)
Bitte, des woa vor vierzehn Tag.
Du wirst doch net glaubn, daß mit
uns zwaaaah! -Durch das offengebliebene Schiebedach strömt eine Menge
Wasser ins Wageninnere.
EDWIN
A so a Schaß!
Edwin versucht verzweifelt das Schiebedach zuzuziehen.
EXT. HUGO BREITNER-PARK - TAG
Straßenband, Stadtindianer, Rentner und einige AUSLÄNDER
lagern gemütlich um das Denkmal.
JUNGSCHARGRUPPE
(unisono, im OFF)
Ich wünsch der lieben Mutter
den schönsten Segelkutter -STADTINDIANER
Und ich mir gutes Futter.
JUNGSCHARGRUPPE
(unisono, im OFF)
Das größte Schloß auf Erden, einen
Wagen mit zehn Pferden.
Beatrix sammelt mit Müller junior in einem Müllsack
Injektionsspritzen, Präservative, Bierdosen und anderen
Abfall.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 23
FORTSETZUNG:
Michaela sitzt mit Korksi, Karli und den anderen etwas
abseits im gereinigten Rasen vor einem bunten Busch; neben
ihnen flattert der Gruppenwimpel.
JUNGSCHARGRUPPE (cont.)
(unisono)
Ich wünsch Dir neue Schuhe und K
leider in der Truhe. Ich wünsch D
ir tausend Rosen und viele neue H
osen.
MICHAELA
Bravo, Kinder.
Karli schlägt Beatrix seinen Fußball an den Kopf.
BEATRIX
Geh bitte, schleich dich!
Korksi raucht sich heimlich eine Zigarette an.
MICHAELA
Na Kinder, ihr habt's doch sicher
schon eure Muttertagsgeschenke
vorbereitet?
BEATRIX
Ich hab meiner Mutti ein Seidentuch
bemalt.
KORKSI
Na, da wird deine Mutti aber keine
Freude mit dir haben, wenn du ihre
Seidentücher bemalst.
BEATRIX
Und ich glaub, die Michaela wird
keine Freude mit dir haben, wenn
du da heimlich rauchst.
Korksi hat die Zigarette inzwischen an Karli weitergegeben
und zeigt triumphierend seine leeren Hände.
MICHAELA
Da raucht jetzt sicher niemand,
Karli. Und was schenkst du deiner
Mutti, Mischa?
MISCHA
Ich hab ihr was gebastelt.
Die Kinder kichern.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 24
FORTSETZUNG:
MICHAELA
Da gibt's jetzt sicher nichts blöd
zu lachen. Sehr schön! Was denn?
MISCHA
Ein elektrisches Küchenmesser.
MICHAELA
Aber Mischa, das bastelt man sicher
nicht. Das kauft man.
MISCHA
Ich hab's umgebaut. Damit sich
die Mama elektrisiert, abrutscht
und den Bauch aufschlitzt.
Alle starren entsetzt auf Mischa, der ein völlig unschuldiges
Gesicht macht. Ein Stadtindianer geht vorbei und macht
eine anerkennende Geste.
INT. DROGERIEMARKT - TAG
Trude schlendert, vom "Eisbären" in einiger Entfernung
verfolgt, durch die Regalreihen des Drogeriemarktes. Sie
nimmt mehrmals Kosmetikartikel in die Hand, blickt um sich
und legt sie wieder zurück.
Auf einem großen Tisch sind Muttertagsgeschenke aufgebaut.
Müller und Schmidt betrachten diese. Der Hetzer kostet
Hundefutter aus einer Probierdose. Klein testet die Dehnbarkeit eines Präservativs (mit den Händen).
Der KUNDE trägt einen weiten, prallgestopften Mantel.
zwängt sich an Trude vorbei zur KASSIERIN.
KUNDE
I hob nur gschaut.
Er
Wiederschaun!
EXT. HUGO BREITNER-PARK - TAG
Karli und Korksi kommen in Gangstermanier auf Mischa zu und
rempeln ihn an. Im Hintergrund spielt Michaela mit den
anderen Kindern Ball.
KARLI
Wos is, Gschissener? Mogst bei
unserer Bande dabeisei?
Karli und Korksi zücken zwei Spielzeugpistolen und richten
sie auf Mischa. Zwei Rentner gehen vorbei und nicken anerkennend.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 25
FORTSETZUNG:
MISCHA
Na.
KORKSI
Daun wean ma di oba haun.
MISCHA
Na guat, dann scho.
KARLI
Muaßt oba a Aufnahmsprüfung mochn.
MISCHA
Schwer?
KARLI
Na, goa net. Kennst die Evelyn,
die Schöbinger?
Mischa schüttelt den Kopf.
KORKSI
Nau, die Chorleiterin, die
Schöbinger!
KARLI
Bei der muaßt heit vur da
Abendmesse, vur da Kirchen, so
machen.
Karli versucht die Geste für "Fellatio" zu machen, schafft
es aber nicht ganz. Korksi scheitert ebenfalls. Mischa
beherrscht sie fehlerlos und führt sie lässig vor.
KARLI (cont.)
Nau jo, so kau ma's a mochn.
KORKSI
Oiso, ausgmocht? Bei der
Schöbinger.
Korksi versucht, die Geste für "Fellatio" richtig zu machen.
Mischa nickt mit zweifelndem Blick.
EXT. TANKSTELLE - TAG
Evelyn ist völlig durchnäßt und rollt übelgelaunt davon.
Edwins Auto steht in einer Ecke nach der Ausfahrt der
Waschstraße; der ebenfalls nasse Edwin schreit ihr nach.
EDWIN
Schau, Schatzibärli, wir sollten
wieder amoi wegfoahn ...
(MEHR)
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 26
FORTSETZUNG:
EDWIN (cont.)
(Evelyn entfernt sich
immer weiter)
Miteinand!
EVELYN
(schreit zurück)
Mit der ganzen Familie oder nur
mit der Frau Gemahlin?
INT. DROGERIEMARKT - TAG
Der Hetzer verläßt mit einer Riesenpackung DobermannKraftfutter das Geschäft. Im OFF hören wir seine Hunde
bellen. Trude kommt zur Kassa und legt ein Paar
Gummihandschuhe und eine WC-Ente auf das Kassapult.
Die Kassierin zieht die Waren über den piepsenden Scanner.
Hinter Trude warten der "Eisbär" und der JUNGE VATER (mit
zwei riesigen Windelkartons).
KASSIERIN
72,80 bitte.
Trude legt die genaue Summe auf das Kassapult.
KASSIERIN (cont.)
Danke schön, auf Wiedersehn.
Trude wendet sich zur Tür, aber der Eisbär verstellt ihr
den Weg.
EISBÄR
Einen Moment, bitte.
(hält Trude fest)
Darf ich Sie ausgreifen?
Trude erstarrt zur Salzsäule und ist sprachlos.
KASSIERIN
Oba Herr Übleis!
EISBÄR = DETEKTIV
(nimmt den Eisbärkopf ab)
Gestatten, Übleis, Hausdetektiv.
Wenn Sie bitte ablegen.
INT. POSTAMT - TAG
Pospischil kommt ins Amt und stellt sich neben Kurt an den
Schalter. Er glotzt der Schalterdame ins Dekolleté. Zu
ihren Füßen schreit das Baby in der Tragtasche.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 27
FORTSETZUNG:
POSPISCHIL
(ignoriert Kurt)
Hallo Schönste. Bitte ein Telegramm, oba mit Musik.
KURT
Moment! Ich möchte gerne mit meiner
Mutter in Scheideldorf telefonieren.
SCHALTERDAME
(zu Pospischil)
Wolln'S es probehören?
Nein, danke.
Mutter.
KURT
Ich kenne meine
Pospischil zieht sich mit dem klingenden Telegrammsortiment,
das ihm die Schalterdame reicht, zurück. Diese blickt auf
die Wanduhr (sie zeigt 11 Uhr 59) und wendet sich mit einem
erleichterten Seufzer an Kurt.
SCHALTERDAME
Wenn'S bitte in die Zelle hineingehn.
Kurt verschwindet in der Zelle. Opa betritt das Amt, schaut
sich um und kommt zum Briefschalter. Man hört Kurt ins
Telefon schreien.
KURT
(im OFF)
Hallo Mutter, hier spricht Kurt!
Ich wollt dir nur sagen, daß wir
nicht kommen können, morgen. Die
Hilde kann nicht. Die ist nämlich
morgen krank.
OPA
Guten Morgen. I bin der Spender.
SCHALTERDAME
Es is scho zwölfe. Mir ham zua.
OPA
Dann ham'S oba vergessn zum
Zusperrn.
SCHALTERDAME
Oiso kumman'S. Wos wolln'S jetzt?
Opa beugt sich zu ihr und brüllt in der Manier der
Schwerhörigen.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 28
FORTSETZUNG:
OPA
Ich hab eh vorhin angrufen deswegen!
Evelyn kommt hereingerollt und schwingt vor dem Schalter
ab. Pospischil pfeift anerkennend.
EVELYN
(zur Schalterdame)
Haben Sie Musiktelegramme?
OPA
Nein, leider.
SCHALTERDAME
Da miaßn'S Ihna an den Herrn do
hinten wenden. Dem hob i alles
gebn ...
Pospischil zeigt seine Zungenspitze und versucht aufreizend
mit den Telegrammen zu winken. Evelyn wendet sich angewidert
ab.
EVELYN
Ich nehm eines ohne Musik.
Die Schalterdame gibt Evelyn ein Glückwunschtelegramm.
OPA
Moment, junger Mann, i war zuerst
da!
SCHALTERDAME
Oiso, wos is jetzt?
OPA
Moment, gleich hab ich's.
Opa sucht verzweifelt die Sparbücher.
SCHALTERDAME
Tuat ma lad, mir sperrn glei zua.
Miaßn'S am Montag wiederkumma.
EVELYN
Moment!
(zu Opa)
Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie b
ehilflich sein?
OPA
Des wär nett. Wobei denn?
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"Muttertag"
Seite 29
INT. DROGERIEMARKT - TAG
Der Detektiv hat Trude genötigt, sich mit gespreizten Beinen
nach vorne an die Kassa zu lehnen und perlustriert sie
langsam und genußvoll - knapp an der Grenze zur unsittlichen
Berührung. Müller, Schmidt, Klein und der junge Vater
schauen interessiert zu. Schließlich hält der Detektiv der
schreckstarren Trude triumphierend einige Lippenstifte vors
Gesicht.
DETEKTIV
Aha, wos hamma denn do? Jetzt
sogn'S oba net, daß des in Ihre
Taschen ghupft is. Ich hab Sie
nämlich seit den Haarfestigern
beschattet. Frau Haberl, aufhüpfen!
Die Kassierin macht dem Detektiv Platz, er setzt sich an
die Kassa, zieht einen Notizblock und beginnt das Verhör.
DETEKTIV (cont.)
Sie werden natürlich ausnahmslos
zur Anzeige gebracht.
Trude ringt nach Luft. Der Kunde betritt neuerlich das
Geschäft. Er ist jetzt schlank, der zu große Mantel hängt
lose an ihm.
KUNDE
I schau nur.
Der Kunde verschwindet hinter den Regalen.
Also.
DETEKTIV
Name, Adresse?
JUNGER VATER
Heast, do brauchst net frogn. Des
is a Ausländerin, de waß net, wo's
wohnt.
DETEKTIV
Mischen Sie sich nicht ein.
TRUDE
Bitte entschuldigen Sie, mir is
das schrecklich peinlich. Ich tu
so etwas normalerweise nicht.
Bitte, zeigen Sie mich nicht an.
Ich bin im Pfarrgemeinderat ...
JUNGER VATER
Nau, des wird jo imma besser.
amoi a Ausländerin, owa geht
fladern.
Net
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 30
FORTSETZUNG:
Der Detektiv springt auf und pflanzt sich vor dem jungen
Vater auf.
DETEKTIV
So. Ich habe Sie bereits abgemahnt,
sich nicht einzumischen und jetzt
mischen Sie sich schon wieder ein!
JUNGER VATER
Pudl di net auf, Hustinettenbär.
Der Kunde geht mit ausgestopftem Mantel hinaus.
KUNDE
I hob nur gschaut.
Wiederschaun!
KASSIERIN
Wiederschaun.
DETEKTIV
Gut, ich verhaft Sie jetzt wegen
Ehrenbeleidigung.
JUNGER VATER
(schlägt den Detektiv an
die sensibelste Stelle)
Beruhig di amoi.
Der Detektiv schnappt nach Luft, greift zwischen seine Beine
und krümmt sich vor Schmerz. Der Schaffner kommt ins
Geschäft.
SCHAFFNER
Bitte hinter die gelbe
Sicherheitslinie zurückzutreten,
Zug fährt ein!
Der Detektiv schlägt zurück. Die Kassierin flüchtet in
einen Raum neben der Kassa. Es entsteht ein harmloser
Raufhandel. Müller, Schmidt und Klein beteiligen sich:
zahlreiche Kosmetikartikel und Babyutensilien werden als
Wurfgeschosse verwendet.
INT. POSTAMT - TAG
Evelyn findet die Sparbücher in Opas Jacke und drückt sie
ihm in die Hand.
OPA
Ah, Sie ham's!
((gibt die Bücher der
Schalterdame)
Do, des spend ich!
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 31
FORTSETZUNG:
Die Schalterdame schlägt die Sparbücher auf, blickt kurz
hinein und fixiert Opa zweifelnd.
Des Ganze?
SCHALTERDAME
522.456 Schilling?!
OPA
(beiläufig)
Jo.
Die Schalterdame blickt Opa forschend ins Gesicht.
zeigt sich ebenfalls beeindruckt.
Evelyn
EXT. PARKPLATZ VOR BAUMARKT - TAG
An der Ausfahrt des Parkplatzes stauen sich die Autos. Der
DIRIGENT besteigt das Dach eines Fahrzeuges und eröffnet
das Hupkonzert, das die AUTOLENKER veranstalten.
Der Grund für den Stau ist Edwin, der mitten auf der Fahrbahn
einen großen Karton in seinen Wagen zwängt, dann einsteigt
und losfährt. Der am Dach befestigte Sonnenschirm spannt
sich wie ein Bremsfallschirm auf. Das Auto kommt ruckartig
zum Stehen, das Hupkonzert steigert sich zu einem Furioso.
INT. POSTAMT - TAG
Pospischil tritt interessiert näher. Opa schaut unangenehm
berührt in die Runde. Evelyn zeigt ihm die Erlagscheine.
EVELYN
Schaun Sie, das is für Rußland,
das für die SOS-Kinderdörfer, das
für die AIDS-Hilfe und das für den
WWF.
OPA
Genau! Das nehm ich! Für die
weltweit notleidenden Tiere, die
brauchn's am Notwendigsten.
EVELYN
Ich füll Ihnen schnell den
Erlagschein aus.
SCHALTERDAME
Moment, die Losungsworte brauch ma
scho no.
OPA
Oiso, wegen mir brauch ma's nicht.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 32
FORTSETZUNG:
SCHALTERDAME
(streng)
Oba wegen mia.
Der Schaffner betritt das Postamt.
SCHAFFNER
Bitte hinter die gelbe
Sicherheitslinie zurückzutreten,
Zug fährt ein!
Opa nimmt eines der Sparbücher an sich und schlägt die letzte
Seite auf. Wir sehen das Losungswort "Zum frommen
Sparschwein". Er steckt es nach kurzem Nachdenken wieder
in seine Jacke.
OPA
Waun'S ma bitte hinten reinschaun.
SCHALTERDAME
(schaut im Sparbuch nach)
Ah jo, do steht's wirklich:
"Schöner wohnen". I trag's glei
ein.
EVELYN
Oiso, wie is die Summe jetzt?
SCHALTERDAME
No imma a Waunsinn. Oba bitte.
168.244 Schilling 40 Groschen.
POSPISCHIL
(tippt sich auf die Stirn)
Der Oide is jo net ganz dicht.
EVELYN
Des is oba net besonders gscheit,
Opi, des Losungswort ins Spoabiachl
hint einezschreibn. Do kaun jo a
jeda ohebn.
OPA
(lacht)
Na, Gott sei Dank!
INT. DROGERIEMARKT - TAG
Der Drogeriemarkt gleicht einem Schlachtfeld. Trude nimmt
den Kopf des Eisbärkostüms an sich und bewegt sich vorsichtig
zum Ausgang. Der Detektiv wischt sich Rasierschaum aus dem
Gesicht und zieht eine kleine Pistole.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 33
FORTSETZUNG:
Hände hoch.
DETEKTIV
Alle!
Müller, Schmidt und Klein heben die Arme.
MÜLLER
Um Gottes Willen, eine Waffe!
JUNGER VATER
(cool)
Das is doch keine Waffe.
eine Waffe.
Das is
Der junge Vater zieht einen 38er Magnum-Revolver. Die
Kassierin taucht hinter ihrem Verschlag mit einem riesigen
Sturmgewehr auf und richtet es auf die beiden.
KASSIERIN
Meine Herren, ich muß Sie eines
Besseren belehren: das ist eine
Waffe.
JUNGER VATER
Stimmt, das is eine Waffe.
Der Kunde kommt hereingeschlendert.
KUNDE
I schau nur.
EXT. STRASSE VOR DROGERIEMARKT - TAG
Die Tür des Drogeriemarktes öffnet sich und Trude läuft
davon. Sie trägt zur Tarnung den Eisbärkopf. Dann hört
man einen kurzen Schußwechsel in der Drogerie, plötzlich
übertönt von einer gewaltigen Detonation. Der Detektiv im
Eisbärkostüm wird rücklings durch die Auslage auf die Straße
geschleudert.
Der Kunde kommt aus dem Geschäft gelaufen. Als er an dem
am Bordstein Liegenden vorbeikommt, fallen Tuben und Dosen
aus seinem Mantel - auf den Detektiv.
INT. POLIZEIKOMMISSARIAT - TAG
Das kleine Wachzimmer der Hugo Breitner-Siedlung ist von
Zigarettenrauch erfüllt. Aus einem Nebenraum ist das
Klappern von Kochgeschirr zu hören.
Gerry kontrolliert in seinem Terminkalender eine lange Liste
von Frauennamen. Der 1. POLIZIST sitzt am Schreibtisch,
hat den Telefonhörer zwischen Schulter und Kopf geklemmt
und sucht einen Bleistift.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 34
FORTSETZUNG:
1. POLIZIST
Hean'S, wolln'S mi pflanzen?
dazua in der Mittagspause?
(seufzt, notiert)
Nau guat, mia kumman.
No
Er legt auf und wendet sich an Gerry.
1. POLIZIST (cont.)
Im Drogeriemarkt ham's an Eisbärn
daschossn.
Der 2. POLIZIST schaut aus dem Nebenraum hervor.
2. POLIZIST
Do miaß ma oba aunzahn. Sunst
brennt ma's Bistro-Menü an.
GERRY
(schaut auf die Uhr)
Nau jo, Burschen, ohne mi. I bin
seit zwa Minuten dienstfrei und
mein Flieger wartet.
EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG - TAG
Opa kommt an einer Fußgängerampel mit Bedarfsschaltung an.
Zahlreiche Autos brausen vorbei. Opa drückt auf den Knopf,
wartet aber nicht auf das grüne Signal. Er betritt die
Fahrbahn mit einer theatralischen "Alles halt"-Geste. Im
OFF hört man, wie Autos mit quietschenden Reifen zum
Stillstand kommen, dann Blechgetöse.
Opa schüttelt indigniert den Kopf und überquert seelenruhig
die Straße.
EXT. MODELLFLUGPLATZ - TAG
Wir sehen tolle Flugmanöver von zwei Kampfflugzeugen (wie
die Modelltricks in alten Fliegerfilmen). Sie sind mit
GROSSAUFNAHMEN von Edwins und Gerrys konzentrierten
Gesichtern unterschnitten. Die beiden haben Fernsteuerungen
umgehängt. Gerry betrachtet Edwin mit einem Lächeln.
GERRY
I sog dir's, Edwin, jetzt hob i
ane, die kaun's wirklich - wau!
EDWIN
Host scho wieder a Blede gfundn?
GERRY
So bled is die goa net.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 35
FORTSETZUNG:
EDWIN
Nau, und wos sogt do dei Frau dazua?
GERRY
Die waß nix.
Das markante Geräusch eines abstürzenden Flugzeugs. Beide
ducken sich instinktiv. Ein Modellflugzeug rast knapp über
ihren Köpfen vorbei und stürzt im Hintergrund ab. SCHUSTER
kommt mit seiner Fernsteuerung herbeigerannt.
SCHUSTER
'Tschuldigen Sie bitte, mir is da
Servo abbrennt.
Er rennt zur Absturzstelle weiter.
GERRY
I hob überhaupt versprochen, daß i
net verrat, wer's is ...
EDWIN
Kenn i's?
GERRY
Kloa.
EDWIN
Von wo?
GERRY
Aus der Pfoa.
Geh kumm!
EDWIN
Wer is?
GERRY
Bleibt oba unter uns:
Schöbinger.
die
EDWIN
(verzweifelt)
Wos!? Die Evelyn?
Edwin läßt fassungslos die Fernbedienung sinken. Wir hören,
wie Edwins Flugzeug abstürzt und sehen eine GROSSAUFNAHME
von Edwins verzweifeltem Gesicht.
INT. PFARRHEIM, FESTSAAL - TAG
Auf der Bühne an einer Schmalseite des Saales bewegen sich
Evelyn und Trude in Bauchtanzkostümen zu orientalischen
Klängen aus einem Kassettenrecorder.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 36
FORTSETZUNG:
Der Festsaal des Pfarrheims ist, bis auf ein großes Holzkreuz und viele Plastiksessel, leer. Auf zwei Sesseln hängen
die Straßenkleider der Tänzerinnen, davor stehen Schuhe und
Sporttaschen. Aus einer lugt der Eisbärkopf hervor.
EVELYN
Na ja, es wird schon, Trudl. A
bißl mehr kreisen. Sog, host du
heut scho des Horoskop glesen?
TRUDE
Na.
EVELYN
Waßt, wos bei dir steht?
TRUDE
Na.
EVELYN
Liebgewordene Gewohnheiten werden
Ihnen zum Verhängnis.
TRUDE
(hält erschrocken inne)
Wos? Gefängnis?
EVELYN
Na, Verhängnis.
EXT. MODELLFLUGPLATZ - TAG
Eine TOTALE zeigt einen Modellflugplatz am Stadtrand. Am
Rande des Platzes sind die Autos der Modellsportfans geparkt.
Im Hintergrund hören wir den Lärm ferngesteuerter Rennautos.
MODELLSPORTLER lenken sie. Um sie herum einige ZUSCHAUER.
Der Hetzer und seine bellenden Hunde beobachten das
Geschehen.
Auf Edwins Wagen ist der Sonnenschirm jetzt verkehrt, mit
der Spitze nach vorn, festgebunden. Der völlig
niedergeschlagene Edwin und Gerry gehen auf ihre Autos zu.
GERRY
Geh, Edwin! Bist es doch eh gwöhnt,
daß er dir obstürzt!
Edwin beißt sich auf die Lippen und wirft die Trümmer seines
Flugzeugs ins Auto. Gerry läßt sich lässig in den
Schalensitz seines schwarzen Mazda 323 Sport fallen. Er
startet, rast davon und läßt Edwin in einer großen Staubwolke
zurück.
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"Muttertag"
Seite 37
INT. PFARRHEIM, FESTSAAL - TAG
Trude seufzt, klettert von der Bühne und dreht die Musik
ab. Dann läßt sie sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.
Evelyn schaut ihr verwundert nach und folgt ihr.
EVELYN
Wos is?
TRUDE
I wollt heut eh goa net kommen.
Außerdem muaß i no zum Friseur.
Trude nestelt umständlich an ihrer Pluderhose herum und
zieht sie vorsichtig aus. Evelyn geht mit Handtuch und
Necessaire durch eine Tür hinter der Bühne. Sie bemerkt
dabei den Eisbärkopf.
EVELYN
Trudl, wos host denn do für an
Bartwisch mit?
TRUDE
(verlegen)
Des is ... der Kopf vom Mischa.
Aus dem Nebenraum hört man das Geräusch einer Dusche.
EVELYN
(aus dem OFF)
Jetzt im Mai hot der a Gschnas?
TRUDE
Jo, des is hoit außertourlich.
(gefaßter)
Aber mir is lieber, er setzt an
Eisbärkopf auf, als er wird ma
drogensüchtig.
Trude bemerkt ein Foto von Gerry in Evelyns Tasche und steckt
es schnell in ihren Büstenhalter. Gerry kommt bei der Tür
herein.
Hallo!
GERRY
Schatzi!
Trude nimmt er erst wahr, als es für den unbemerkten Rückzug
zu spät ist. Trude bedeckt sich notdürftig. Evelyn kommt
aus der Dusche - neckisch in ihr Handtuch gehüllt.
GERRY (cont.)
Oh, Frau Trude ...
TRUDE
(flüstert)
Herr Gratzl ...
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 38
FORTSETZUNG:
EVELYN
Hallo Gerry ... äh ... Herr Gratzl!
Herr Gratzl, i würd sagen, es bleibt
dabei, wie verabredet, um 18 Uhr
bei mir. Und vergessen'S den
Schlauch nicht.
(zu Trude)
Er repariert mei Radl.
Ah jo?
TRUDE
Kaufst dir leicht eins?
EVELYN
Trudl ...
(zuckersüß)
Auf Wiedersehn, Herr Gratzl.
Trude läuft Gerry nach, der schon in der Tür ist.
schüttelt leicht verwundert den Kopf.
Evelyn
TRUDE
Herr Gratzl, warten'S! Wenn Sie
erlauben, eine kleine
Aufmerksamkeit.
(gibt Gerry ein
Werbefeuerzeug des
Drogeriemarktes und
einen Lippenstift)
Und das is für die Gattin!
GERRY
Hmm, ja, äh, danke.
EXT. KIRCHENPLATZ - TAG
Die moderne Kirche der Hugo Breitner-Siedlung können wir
eigentlich nur am schmucklosen Glockenturm und einem großen
Kreuz an der Wand als eine solche erkennen. Daneben befindet
sich das Pfarrheim - ein unauffälliger, niedriger Zweckbau.
Edwin fährt vor, steigt aus und duckt sich bitzartig hinter
seinen Wagen, als er Gerry aus dem Pfarrheim kommen sieht.
Dieser schwingt sich in seinen schwarzen Flitzer und braust
davon.
Edwin richtet sich auf, versteckt sich aber sofort wieder.
Der PFARRER tritt würdigen Schrittes aus der Kirche und
steuert das Pfarrheim an. Er begegnet dabei Michaela,
Beatrix, Karli, Korksi und Mischa, die eben vom Ausflug
zurückkehren. Er grüßt huldvoll im Vorbeigehen.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 39
FORTSETZUNG:
BEATRIX
(deutet zwischen ihre
Beine, erschrocken)
Bitte, Michaela, ich blut da!
MICHAELA
Jössas!
Wos!?
KARLI
Wos is?
MICHAELA
Nichts is, die Beatrix hat sich
geschnitten. Hast du da schon
einmal geblutet?
BEATRIX
Nein, nie ...
KORKSI
Pfau! Arg! Die hat si voll auf
an Glasscherbn gsetzt.
MICHAELA
Ich geh jetzt kurz mit der Beatrix
weg, ein Pflasterl holen.
Michaela verschwindet mit Beatrix im Pfarrheim.
KORKSI
Waßt eh, die muaß jetzt voll gnaht
wern.
MISCHA
Na.
KARLI
Wos haßt do "na"?
MISCHA
De Madln bliatn imma bei Vollmond.
KARLI
Pfau, echt?
KORKSI
(rempelt Mischa an)
Bist a bißl goschert, ha!
MISCHA
Wauns wollts, kaun i eich a paar
echt geile Computerdisketten
besorgen.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 40
FORTSETZUNG:
KARLI
Was für ein Spiel hast denn?
KORKSI
"Atomkrieg" oder "Gestapo"?
MISCHA
Geh, wos wüst mit de Kindereien.
I kaun eich den totalen Kinderporno
besorgen.
KORKSI
Geh, schleich di!
Karli zieht Korksi beiseite.
schauen auf die Uhr.
Sie tuscheln miteinander und
KARLI
Wannst den Porno live sehn willst,
dann muaßt mitkumman.
INT. PFARRHEIM, FESTSAAL - TAG
Trude packt ihr Bauchtanzkostüm weg, Evelyn sitzt leicht
pikiert auf einem Sessel und mustert Trude.
EVELYN
Heast Trudl, bleib steh.
zuagnumman?
Host du
Trude blickt an sich herab und quetscht ihren Bauch in Falten. Im Hintergrund taucht außen am Fenster Korksis Kopf
auf.
EVELYN (cont.)
(ironisch)
Ich glaub fast, du läßt dich ein
bißl gehn.
TRUDE
(leicht erschrocken)
Du manst - figürlich?
Der Pfarrer betritt mit einem Fotoapparat den Saal und
täuscht Erschrecken vor, als er die halbnackten Frauen sieht.
Er schließt sorgfältig die Tür hinter sich.
PFARRER
Oh! Oh ... Ich stör doch nicht?
Schon fertig mit der Probe? Wird
das was beim Pfarrkränzchen?
EVELYN
Nau jo, es wird reichen.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 41
FORTSETZUNG:
Trude, der ihr Bekleidungsmangel peinlich ist, will am
Pfarrer vorbei zu ihrem Straßengewand.
PFARRER
Ich hätt eine Bitte: könnten Sie
mir einen Gefallen tun?
(grinst)
Für die Ankündigung im Pfarrblatt.
Evelyn und Trude schauen einander fragend an.
EXT. PFARRHEIM, SEITENFRONT - TAG
Vor den Fenstern des Festsaales ist dichtes Gebüsch. Von
drinnen hört man die orientalische Musik. Karli steht auf
den Schultern von Mischa und Korksi. Er drückt stöhnend
seine Nase an die Scheiben.
KARLI
Na bitte, san die a Wahnsinn!
Voll geil.
KORKSI
B'sonders die Blade, gö?
MISCHA
Geh, loß mi a amoi!
Sie wechseln die Position und Mischa blickt durch das
Fenster. Korksi und Karli zerkugeln sich.
KORKSI
(süffisant)
Mocht's des daham a, dei Mutter?
MISCHA
(trotzig, kämpft mit den
Tränen)
Die mocht no gaunz andere Sochen.
INT. PFARRHEIM, KORRIDOR - TAG
Edwin kommt vorsichtig herangeschlichen und öffnet leise
die Tür zum Festsaal, aus dem orientalische Musik erklingt.
Er sieht mit großer Freude, wie Evelyn die Hüften schwingt,
prallt aber entsetzt zurück, als er neben ihr seine Frau
erkennt. Beide Damen tanzen halbnackt vor dem begeistert
fotografierenden Pfarrer.
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"Muttertag"
Seite 42
EXT. KIRCHENPLATZ - TAG
Edwin startet seinen Wagen und schiebt rasant zurück. Der
Schirm entfaltet sich, das Auto kommt ruckartig zum Stehen.
EXT. KIRCHENPLATZ / GASSEN - ABENDDÄMMERUNG
MONTAGE: Die Kirchenglocken läuten ohrenbetäubend zur
Abendmesse - sie übertönen alles, was an Dialog zwischen
den Akteuren dieser Szene auf dem Platz stattfinden mag.
Der Platz liegt im bizarren Licht der letzten Sonnenstrahlen,
die Stimmung erinnert an jene der Showdowns in besseren
Italo-Western. Das alte, verhutzelte KIRCHENWEIBERL verteilt
Pfarrmitteilungen an die KIRCHGÄNGER, welche spärlich
eintrudeln und im Gotteshaus verschwinden. Die Straßenband
spielt eine apokalyptische Weise, der Schaffner absolviert
seinen Auftritt.
In einer Nebengasse geht Evelyn auf den Kirchenplatz zu, in
einer anderen kommen Karli und Mischa. Die beiden machen
als Übung für Mischas Mutprobe die "Fellatio"-Geste.
Der TRINKER wankt in die Kirche, der Pfarrer tritt heraus
und blickt sich nach unpünktlichen Schäfchen um. Die
Rentnergang bittet ihn um eine Spende, er lehnt entrüstet
ab.
Evelyn verharrt kurz, um ihr Make-Up zu prüfen.
zögert, Karli zwingt ihn zum Weitergehen.
Mischa
Auf dem Platz steht der Pfarrer. Er sieht auf der einen
Seite Evelyn, auf der anderen Karli und Mischa kommen. Er
winkt allen zu, dreht sich um und geht in die Kirche.
TOTALE VON OBEN - unmittelbar hinter dem Rücken des Pfarrers
treffen Mischa und Karli auf Evelyn.
ZEITLUPE (wie bei einer Sportreportage) - Mischa macht die
bewußte Geste. Evelyn ist erstaunt, lächelt aber freundlich.
Im Gehen dreht sie sich noch einmal zu Mischa um und droht
ihm scherzhaft mit dem Finger. Karli ist fassungslos, Mischa
hebt wie e in triumphierender Fußballspieler die Arme. Das
Kirchenweiberl eilt von hinten herbei und schlägt ihm wuchtig
die Handtasche um die Ohren.
INT. FRISIERSALON - ABENDDÄMMERUNG
Der Salon eines Vorstadtfriseurs; man hat sich bemüht,
etwas vom Glanz der Schönheitsindustrie in die Hugo BreitnerSiedlung zu bringen: moderne Beleuchtungskörper,
Hochglanzplakate, Musikberieselung mit deutschen Schlagern
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 43
FORTSETZUNG:
Die Chefin - FRAU HABITZL - bearbeitet Frau Müller, FRAU
KLEIN schläft unter einer laut surrenden Trockenhaube.
Trude wird von der Friseuse bedient. Es fällt auf, daß mit
Ausnahme der Friseuse alle Frauen dieselbe Haartracht tragen.
Auf Sesseln an der Wand sitzen FRAU SCHMIDT und Frau
Schwalbach. Letztere blättert in einer Zeitschrift, auf
deren Titelbild eine barbusige Schönheit prangt.
FRAU SCHWALBACH
Des is ein Wahnsinn, wie die jungen
Madln heut herumrennen.
FRAU SCHMIDT
Der Herr Pfarrer hot eine Aktion
dagegen ankündigt.
FRAU MÜLLER
Jo, jo, die Ausländer san hoit
scho überall.
Die Friseuse frottiert Trude den Kopf.
FRAU HABITZL
Christl, waßt eh: für die Frau
Neugebauer die klassische
Muttertagswelle.
TRUDE
Moment bitte, Frau Habitzl. Ich
glaub', es wär amal Zeit für eine
... kleine Veränderung.
Alle Anwesenden unterbrechen das, was sie gerade tun und
starren Trude entgeistert an. Die Musik verstummt.
STIMME DES PFARRERS
(aus dem OFF)
Dank sei Gott dem Herrn.
INT. KIRCHE, ALTARRAUM - NACHT
Der Altarraum der Kirche entspricht der Außenarchitektur:
nüchternes Weiß, ein schmuckloses Holzkreuz über einem
Altartisch mit Blumensträußen. Abstrakte Motive zieren die
Scheiben der schmalen Fenster. Über der hinteren Schmalseite
des Altarraumes befindet sich eine Estrade.
Der spärlich mit Kirchgängern besetzte Raum wird von
seltsamen, exotischen Klängen erfüllt: der Chor auf der
Estrade singt eine afrikanische Volksweise. Man sieht, wie
Evelyn dirigiert. Das Lied geht zu Ende, der Pfarrer tritt
ans Mikrofon vor dem Altar.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 44
FORTSETZUNG:
PFARRER
Wir danken auch der Chorleiterin
Evelyn Schöbinger, die diese
rhythmischen Klänge ...
INT. KIRCHE, ESTRADE - NACHT
KAMERASCHWENK über die Gesichter des KIRCHENCHORES: Müller
junior, ein SÄNGER, eine SÄNGERIN und der TRINKER. Im
Vordergrund steht Evelyn neben Edwin. Er ist zum Bersten
angespannt.
PFARRER
(aus dem OFF)
... aus Kenia mitgebracht und mit
unserem Chor einstudiert hat.
Laßt uns nun auf Mariens Fürsprache
hoffen und Gottes Erbarmen
herbeirufen.
EXT. HUGO BREITNER-PARK - NACHT
Die Straßenband spielt an einem kleinen Lagerfeuer - diesmal
"unplugged". Die Rentnergang liest die Briefe aus der Tasche
des Zustellers, die Stadtindianer sind mit Drogenkonsum
beschäftigt, die Ausländer sorgen mit Flaschen und Stöcken
für die rhythmische Untermalung der Musik. Alle stimmen in
den Refrain des Liedes ein.
Mischa, Korksi und Karli sitzen abseits auf einer Parkbank
und ziehen abwechselnd an einer Zigarette. Mischa hält
sich die Hand auf sein linkes Auge, das die Tasche des
Kirchenweiberls voll getroffen hat. Das andere Auge schielt
begehrlich auf Korksis tolles City Bike.
KARLI
(fachmännisch)
Des wird a Blaues.
MISCHA
(zu Korksi)
Loßt mi amoi mit dein Radl foan?
KORKSI
Hast die Diskettn mit?
MISCHA
Sicher.
Mischa gibt den beiden je eine Computerdiskette.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 45
FORTSETZUNG:
KARLI
Waun do nix Geiles oben is, dann
gfrei di auf morgn.
MISCHA
Morgn kaun i oba net, do is
Muttertag.
KORKSI
Nau und?
KARLI
Auf'n Muttertog wird gschissen.
INT. KIRCHE, ESTRADE - NACHT
Evelyn geht zu ihrem Mikrofon und schaltet es ein. Während
ihrer Rede sehen wir Edwins verbissenes Gesicht und den
Chor, der steif und kerzengerade im Hintergrund steht. Der
Trinker hat Schwierigkeiten, die Balance zu halten.
EVELYN
Viele Mütter unserer Gemeinde haben
die Freuden und das Glück der
Mutterschaft im Kreise ihrer
Familien erleben dürfen.
TRINKER
(mit starkem Hall)
Wir bitten dich, erhöre -Er wird von den anderen Chorsängern unsanft zum Schweigen
gebracht.
EVELYN
Einigen ist dieses Geschenk noch
nicht zuteil geworden. Gib ihnen
die Kraft, sich breit zu machen
für die Empfängnis, aus der der
Keim des Lebens entsprießt.
CHOR
(mit starkem Hall)
Wir bitten dich, erhöre uns.
Ein empörter Knabe nimmt dem Trinker den Hut vom Kopf.
Dieser hält die Geste der Pietät für einen kindischen Scherz.
TRINKER
(mit starkem Hall)
Geh, bitte!
Evelyn tritt zurück. Edwin beugt sich ganz nahe zu ihr und
beginnt auf sie einzureden.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 46
FORTSETZUNG:
EDWIN
Vom Gerry heat ma jo schene Sochn.
EVELYN
So, wos denn?
EDWIN
Er hat mir alles gebeichtet, du
Triebmensch!
EVELYN
Nau und?
EDWIN
Wos haßt "na und".
Sog amoi --
EVELYN
Edwin, du bist dran.
EDWIN
Wos? Ah ... Oh Herr, vielen ist
die leibliche Mutter -INT. KIRCHE, ALTARRAUM - NACHT
KAMERAFAHRT durch den Mittelgang. Wir sehen einige müde,
von den Strapazen des Familienalltags gezeichnete
Frauengesichter.
EDWIN
(aus dem OFF)
-- schon von hinnen gegangen. Als
Ersatz dafür ist mir eine Gattin
beschert worden. Gib ihr die Kraft,
ihre Bestimmung mit aller Liebe
und Sauberkeit zu erfüllen. Und
den Haushalt.
CHOR
(aus dem OFF, mit starkem
Hall)
Wir bitten dich, erhöre uns.
TRINKER
(aus dem OFF, mit starkem
Hall)
Geh, bitte!
INT. KIRCHE, ESTRADE - NACHT
Edwin beugt sich wieder zu Evelyn.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 47
FORTSETZUNG:
EDWIN
Du treibst es jo mit jedem!
EVELYN
I bin da do ka Rechenschaft
schuldig. Des woa doch eh nix mit
uns!
EDWIN
Waßt du no, wos du mir am
Einkehrwochenende im Bett ins Ohr
geflüstert hast?
INT. KIRCHE, ALTARRAUM - NACHT
Die Kirchgänger hören Plopp-Geräusche über die
Lautsprecheranlage, dann Edwin.
EDWIN
(im OFF, wehmütig)
"Du geiles Fickfroscherl, du!"
hast gsogt, waßt des nimma?
EVELYN
(im OFF, kalt)
Hast scho amoi an Frosch gsehn,
Edwin?
Die Köpfe der Kirchgänger wenden sich nach hinten zur
Estrade.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, SCHLAFZIMMER - NACHT
KAMERASCHWENK - Das Fenster steht offen, schwache
Lichtstreifen der Straßenbeleuchtung spielen auf den
Vorhängen. Man hört die markanten Geräusche einer sexuellen
Vereinigung.
Das Ehebett kommt ins Bild. Darin sitzen Edwin und Trude
im Schein der Nachttischlampe. Trude hat jetzt genau die
gleiche Frisur wie Evelyn.
Sie bemüht sich, in einem Buch zu lesen, als dessen
Lesezeichen wir das Foto von Gerry erkennen. Edwin lauscht
mißmutig den lauten Orgasmusschreien, die jetzt aus der
Nebenwohnung herüberdringen. Das Kruzifix über dem Bett
fällt neben Edwin herunter.
EDWIN
A so a Schaß!
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 48
FORTSETZUNG:
TRUDE
(sarkastisch)
Host du wos gsogt, Edwin?
EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG - NACHT
Wir sehen eine TOTALE der Siedlung mit hell beleuchteten
Fenstern. Wir hören im OFF Schießereien im Fernsehen,
brüllende Väter und weinende Kinder.
EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG - MORGENDÄMMERUNG
Wir erleben einen prachtvollen Sonnenaufgang über der
Breitner-Siedlung, welcher den Betonklötzen den Anstrich
friedlicher Feiertagsidylle gibt. Unsichtbare Vögel wagen
ein zaghaftes Gezwitscher.
Der Zusteller rast mit ohrenbetäubendem Lärm durch die
Straßen. Er trägt statt des Sturzhelms einen dicken
Kopfverband; der linke Arm ist eingegipst. Sein Moped
verliert den Auspuff und wird noch lauter.
STIMME DES VOLKES
Oaschloch!
Zwei Rentner plündern ein Blumenbeet. Der Zusteller hält
vor einem Hauseingang und will hingehen. Die beiden
Renterinnen versperren ihm böse grinsend den Weg.
An einer Straßenkreuzung steht eine schwarze Luxuslimousine
(Kennzeichen "W 1") mit geöffneten Türen; am Lenkrad lümmelt
todmüde der CHAUFFEUR. Im Fond sitzt der BÜRGERMEISTER und
starrt melancholisch in die Betonwüste. An seiner Schulter
lehnt die betrunkene SEKRETÄRIN. Sie studiert einen
Stadtplan. Der Bürgermeister glotzt in die Betonwüste.
BÜRGERMEISTER
Ich muß es doch wissen. Das ist
nicht meine Stadt.
SEKRETÄRIN
(kichert)
Du irrst dich, Hasi! Wir ham nur
die falsche Ausfahrt erwischt.
Der ARCHITEKT verrichtet schwankend seine Notdurft an einer
Hauswand - auf dieser prangt in großen Sprühlettern die
Aufschrift "Tod dem Architekten".
Der Hetzer kommt um die Ecke. Seine zwei Hunde bellen
wütend, er kann sie kaum zurückhalten. In einiger Entfernung
sehen wir drei Stadtindianer, die sich entschlossenen
Schrittes nähern.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 49
FORTSETZUNG:
CHAUFFEUR
I tät mi tummeln, Herr Architekt!
Der Architekt läuft zum Auto und springt auf den
Beifahrersitz.
CHAUFFEUR (cont.)
Wohin soll i foan, Herr
Bürgermeister?
BÜRGERMEISTER
Mir ist alles egal. Vielleicht
nach Kuba?
ARCHITEKT
(trinkt aus einer Flasche
Champagner)
Von mir aus. Oba um zehne muaß i
bei der Mama sein.
Die Limousine rast mit quietschenden Reifen davon. Der
Hetzer, die Hunde und die Stadtindianer treffen auf dem
Platz zusammen und blicken dem Wagen grimmig nach. Einer
der Stadtindianer schleudert sein Messer auf den Beton, wo
es steckenbleibt.
EXT. KIRCHENPLATZ - TAG
Die Glocken läuten, Trude und Mischa kommen aus der Kirche,
hinter den beiden folgen die Damen Müller, Schmidt und die
kleine Beatrix - alle in Festtagskleidung. Sie tuscheln
hinter Trudes Rücken; Frau Meier hat eine aufgeschlagene
Zeitung in der Hand und zeigt ein Phantombild von Trude.
FRAU SCHMIDT
Na, oiso i glaub net -FRAU MÜLLER
Naja, ähnlich schaut's ihr scho.
Die Damen gehen in Richtung Pfarrheim. Ein blauer Opel
Kadett hält, Kurt geht zu einem Stand, an dem die Rentnergang
Blumen verkauft. Die Straßenband hämmert einen MuttertagsSong.
TRUDE
Kumm Mischa, woat ma im Pfarrcafé
am Papa.
MISCHA
I ... I bleib eh in der Näh.
Mischa läuft, ohne die Antwort seiner Mutter abzuwarten,
zum Kirchenportal zurück.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 50
FORTSETZUNG:
Trude ruft ihm nach und geht in Richtung Pfarrheim.
TRUDE
Waun da Papa kummt und du bist net
do, kriagst wieder deine Watschen!
Karli kommt aus der Kirche - in Begleitung des Ehepaares
Klein.
MISCHA
Hallo Karli, i hob glaubt, am
Muttertag wird gschissen?
Karli bedeutet ihm verzweifelt, daß er schweigen soll.
MISCHA (cont.)
Hihihihi.
Karli zeigt ihm wortlos die geballte Faust und erhält dafür
von der aufmerksamen Frau Klein eine Ohrfeige. Die Familie
geht weiter. Mischa erspäht Korksi, der in Begleitung von
Frau Schwalbach erscheint.
Korksi hat - ebenso wie Mischa - ein blaues Auge und blickt
verheult zu Boden. Frau Schwalbach wirft Mischa im
Vorbeigehen einen vernichtenden Blick zu.
Hinter ihr und Korksi taucht das Kirchenweiberl auf und
macht die Geste für "Fellatio". Mischa eilt davon. Im
Vorbeilaufen macht er mit einem Fixiermesser einen langen
Kratzer an Kurts Auto - und wird vom 1. Polizisten auf
frischer Tat ertappt und am Arm festgehalten.
1.POLIZIST
Na, sehr gut. Wie heiß ma denn?
Mischa schweigt trotzig und stiert zu Boden.
INT. PFARRHEIM, CAFETERIA - TAG
In einem kleinen Raum des Pfarrheims haben sich die
Mitglieder der Gemeinde ein kleines Café eingerichtet.
Eine Fototapete zeigt einen Südseestrand, es gibt vier
Gästetische mit den obligaten Plastiksesseln. In einer
Ecke befindet sich eine Teeküche.
Die Damen Müller und Schmidt und Müller junior sitzen an
einem der Tische und tauschen die neuesten Informationen
aus.
FRAU MÜLLER
Wos für a Froscherl?
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 51
FORTSETZUNG:
FRAU SCHMIDT
Na, Goscherl.
MÜLLER JUNIOR
Nix. Fickfroscherl, i hob's genau
ghört.
Das Gespräch verstummt abrupt, als Trude den Raum betritt.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Auf einem Blumenkasten liegt der Eisbärkopf. Edwin kommt
aus der Tür; er schleppt ein Tischtuch und einen monströsen,
knallroten Klapptisch in Kofferform (mit zwei integrierten
Sitzbänken). Er versucht umständlich, diesen aufzustellen.
EDWIN
Geh, Papa, wo bleibst denn mit'n
Schirm! I muaß doch glei foahn!
Opa kommt langsam herausgeschlurft. Unter dem Arm trägt er
einen gelben Sonnenschirm mit Kunstbastfransen. Er lehnt
diesen in eine Ecke, dann wischt er sich den Schweiß von
der Glatze.
OPA
Ui, frisch is. I tät lieber drinnen
feiern.
EDWIN
(leicht genervt)
Mia kennan jo drin des
Muttertogsgeschenk net aufstelln.
Des hamma doch besprochn.
OPA
(weinerlich)
Do hol i ma eh wieda wos, wann's
so zaigt. Do hätt's mi glei im
Heim lossn kennan.
EDWIN
Geh, Papa - du woast doch no nie
in an Heim!
OPA
Oba in Gfangenschoft. In
französischer im Ersten und in
russischer im Zweiten Weltkrieg.
Die Franzosen woan eh um nix besser,
die Gfraster ... Edwin!
EDWIN
Wos is jetzt?
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 52
FORTSETZUNG:
OPA
Kaunst ma mei Sesserl außihoin? I
kaun scho nimma stehn bei dem Wind.
EDWIN
Es geht überhaupt ka Wind.
jetzt nur net sekkant!
Werd
OPA
(hält sich die Knie)
Auweh, auweh.
Edwin versucht, die Verkrümmungen von Opa nicht zu bemerken.
OPA (cont.)
Auweh, auweh, meine Knia!
net boid sitzn kaun ...
Waun i
EDWIN
Du bist heut wieder a Nervensäge.
Edwin geht seufzend in die Wohnung. Opa entspannt sich
sofort. Edwin bringt einen Plastikliegestuhl mit grellbuntem
Sitzpolster und drückt ihn Opa in die Hand.
OPA
Danke .
(nach einer Pause)
Edwin, i kaun mia'n jo net allan
aufstelln ...
Edwin beherrscht sich mit Mühe, nimmt den Liegestuhl und
versucht ihn - ebenso ungeschickt wie den Klapptisch aufzustellen. Opa schaut kurz zu.
OPA (cont.)
Woat, so geht des!
Opa stellt den Liegestuhl mit zwei sicheren Handgriffen
auf. Edwin kehrt seufzend zum Klapptisch zurück.
OPA (cont.)
(deutet auf den
Sitzpolster)
Edwin, I glaub, do is die Hülle no
oben.
EDWIN
Die bleibt a oben. Du trenzt
sowieso nur ollas aun.
Opa läßt sich brummend nieder. Edwin schafft es endlich,
die Tisch-Bänke-Kombination vollständig auszuklappen.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 53
FORTSETZUNG:
OPA
(belustigt)
Wos is denn des!?
Evelyn läßt sich mit einem gequälten Seufzer in die Kissen
fallen. Gerry huscht gebückt in Richtung Badezimmer.
INT. PFARRHEIM, CAFETERIA - TAG
Trude ist in der Teeküche mit dem Garnieren von Brötchen
beschäftigt. Die Damen Klein, Müller, Schmidt, Habitzl und
das Kirchenweiberl sitzen jetzt bei Kaffee und - vor allem Likör zusammen. Sie tuscheln miteinander, vor ihnen liegt
die Zeitung am Tisch.
FRAU KLEIN
Oiso, die Trudl woa doch immer so
korrekt ... mit'm Spargeld, zum
Beispiel.
FRAU MÜLLER
Wos waß ma, vielleicht -FRAU SCHMIDT
Wann's es wirklich is, muaß ma ihr
des Vertrauen entziehen.
Psscht.
KIRCHENWEIBERL
Achtung.
Das Kirchenweiberl nimmt die Zeitung vom Tisch und
verschwindet. Trude kommt mit einem Tablett Brötchen zum
Tisch.
FRAU SCHMIDT
Oiso, der Kaffee ist wirklich
röstfrisch. Und das Aroma ...
FRAU HABITZL
Der Eierlikör is oba etwas zu süß.
TRUDE
(setzt sich zum Tisch)
Ma sollt den eigentlich goa nimma
trinken. Jetzt, wo's die vielen
Salmonellen gibt.
Peinliches Schweigen.
Dann:
FRAU KLEIN
Jo, Salmonellen san wirklich wos
Wunderbares.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 54
FORTSETZUNG:
FRAU MÜLLER
Überhaupt wenn's ganz frisch sind.
Klein kommt herein und beginnt den Damen artig die Hände zu
küssen. Frau Klein kippt noch einen Eierlikör und erhebt
sich leicht schwankend.
FRAU KLEIN
In Gottes Nam, gemma. Bring ma's
hinter uns.
INT. POLIZEIKOMMISSARIAT - TAG
Gerry schmunzelt Mischa an. Der 2. Polizist lümmelt an
einem Pult. Der 1. Polizist sitzt am Schreibtisch und
telefoniert.
1. POLIZIST
Ein Sträußchen und ein Gedicht ...
ich hab dich lieb ... mehr weiß
ich nicht. Olles Guate, Mama.
GERRY
Schau, daß'd weiterkummst.
loß di nimmer dawischn.
Und
MISCHA
(sehr leise)
Danke.
Mischa flitzt hinaus, die junge Mutter kommt herein.
JUNGE MUTTER
I hätt gern a Kilo Faschiertes,
aber dünn aufgschnitten.
2. POLIZIST
Hamma heute leider nur mit Knochen,
Gnädigste.
Der 2. Polizist holt unter seinem Pult die Tragtasche mit
dem Baby hervor und hält sie der jungen Mutter hin.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin hat an die Wand eine Girlande drapiert. Er steigt
von der neuen Sitzbank und setzt sich darauf. Das Möbel
klappt zusammen; Edwin wird so eingeklemmt, daß er sich
nicht aus eigener Kraft befreien kann.
EDWIN
A so a Schaß! Papa, hülf ma!
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 55
FORTSETZUNG:
Im OFF läutet es an der Tür.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Opa kommt aus dem Klo geschlurft und öffnet die Tür.
kommt grinsend herein.
Mischa
MISCHA
Servas, Opa.
OPA
Sei net frech!
EDWIN
(aus dem OFF)
Mischa!
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin wird zusehends verzweifelter, weil er sich nicht
befreien kann. Opa und Mischa kommen aus der Wohnung.
Mischa stellt den Meerschweinchenkäfig zu den Blumenkästen;
Opa setzt sich in den Liegestuhl.
MISCHA
Is des da Tisch für die Mama?
Hihihihi.
EDWIN
Hülf ma!
MISCHA
Nur, wennst da Mama nix von der
Polizei sogst.
Mischa stellt befreit mit einigen Handgriffen Edwin aus dem
Klappmöbel. Dieser rappelt sich mühsam hoch und gibt Mischa
eine schallende Ohrfeige.
EDWIN
Sei froh, daß heut Muttertag is.
MISCHA
Is ma wurscht.
EDWIN
(sehr gereizt)
Wos haßt "is ma wurscht"?! Du
deckst jetzt mit'n Opa den Tisch
und richtest den Griller her. Oba
ordentlich, daß des wos
gleichschaut.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 56
FORTSETZUNG:
MISCHA
(gelangweilt)
Jaaa.
EDWIN
(schreit)
Na nicht "jaaa". Das ist ein
Freudentag für deine Mutter und
für uns alle!
Edwin breitet das Tischtuch auf den Tisch, drückt Opa den
Sonnenschirm und Mischa den Eisbärkopf in die Hand.
EDWIN (cont.)
In zehn Minuten komm i mit der
Mama. Und dein Kopf räumst a weg.
Edwin läuft in die Wohnung.
in den Schoß.
Mischa wirft den Pelzkopf Opa
MISCHA
Des is net mei Kopf.
OPA
(betrachtet den Eisbärkopf)
Ah, ham mia Besuch?
INT. BLOCK VII/STIEGE 3, STIEGENHAUS - TAG
Das enge Stiegenhaus des Hauses liegt im Halbdunkel; nur
durch schmale Fensterschlitze fallen Sonnenstrahlen ein und
erzeugen zusammen mit der Gangbeleuchtung ein eigenartiges
Mischlicht.
Edwin montiert in aller Eile ein großes Lebkuchenherz
(Aufschrift in Zuckerguß: "Der lieben Mutter") außen an
die Wohnungstür. Dann läuft er zum Lift, flucht, weil dieser
besetzt ist und hetzt über die Stiegen hinunter. Im
Treppenhaus steht die festliche geschmückte OMA Schwalbach.
Edwin kann den Zusammenstoß gerade noch vermeiden.
Herrn Huber, der gerade um die Ecke biegt, gelingt dies
nicht - er bringt die Oma zu Fall. Sie schlägt an eine
Wohnungstür. Diese öffnet sich, der Hetzer blickt heraus.
Er hält eine Pump-Gun in der Faust, hinter ihm bellen die
Hunde. Seine Mutter steckt den Kopf unter seiner Schulter
durch.
MUTTER
Wer is denn, Herberti?
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"Muttertag"
Seite 57
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Mischa geht in die Wohnung. Kurz darauf ertönt von drinnen
laute Rockmusik. Opa nimmt das Meerschweinchen aus dem
Käfig und streichelt es. Neben ihm auf dem Liegestuhl liegt
der Eisbärkopf.
OPA
(wird vom Meerschwein
gebissen)
Au! Host an Hunger, gö, Willi?
Opa steht auf, setzt das Meerschweinchen auf den Liegestuhl
und sucht in den Blumenkästen nach Futter. Er findet nichts
Geeignetes, dreht sich um und setzt den Eisbärkopf in den
Käfig. Dann läßt er sich wieder genüßlich in den Liegestuhl
fallen. Mit Entsetzen spürt er das Tier unter sich und
zieht es langsam hervor - zu spät, es rührt sich nicht mehr.
Opa legt Willi vorsichtig in den Käfig zurück.
Mischa läßt in der Wohnung einen neuen Schwermetall-Hammer
anklingen.
INT. WOHNUNG SCHWALBACH, VORZIMMER - TAG
Schwalbach hält eine Diskette in der Hand und telefoniert.
Neben ihm steht der verheulte Korksi. Er wird von Frau
Schwalbach festgehalten.
SCHWALBACH
(während er Korksi
ohrfeigt)
Porno, Herr Inspektor, ich sage
nur Porno ... Kinderporno,
Lärmterror und die Frau ist die
gesuchte Diebin. Das Maß is voll.
INT. POLIZEIKOMMISSARIAT - TAG
Der 1. Polizist hält den Hörer in der Hand, in sicherer
Entfernung von seinen Ohren.
1. POLIZIST
(erschöpft)
Danke, Herr Schwalbach, wird sofort
erledigt.
Er knallt den Hörer auf die Gabel, knüllt seinen Notizzettel
zusammen und wirft ihn in den Papierkorb. Er zündet sich
eine Zigarette an. Das Telefon läutet, er hebt seufzend
ab.
1. POLIZIST (cont.)
Kommissariat Hadesgasse. Momenterl.
(MEHR)
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 58
FORTSETZUNG:
1. POLIZIST (cont.)
((ruft ins Nebenzimmer)
Gerry, für di! Eine Dame!
EXT. KIRCHENPLATZ - TAG
KAMERASCHWENK auf die Einmündung einer Seitengasse. Evelyn
kommt im knallbunten, knallengen Sportdress auf ihren Skatern
herausgerollt. Die düstere Musik aus den Kopfhörern ihres
Walkmans untermalt ihre melancholische Stimmung. Sie spricht
in Gerrys Mobiltelefon. Sie sieht von weitem Trude aus dem
Pfarrheim kommen. Diese bemerkt aber ihre Freundin nicht
und entfernt sich.
Der Platz gleicht einem verlassenen Schlachtfeld. Der Blumenstand ist leergekauft. Der Trinker sitzt auf den Stufen
des Kirchenportals.
EVELYN
Du host dei Spüzeug vergessen,
Schatzi. Waunst schön "bitte bitte"
mochst, bring i dir's vorbei.
(schmollt)
Nau guat, daun hoit net. Kriagst
es erst morgen. Bussi, oba net
durthin.
Evelyn steckt das Telefon weg und rollt davon. Edwin kommt
in seinem Mazda herangebraust, springt heraus und nimmt die
kläglichen Reste des Blumenangebots in Form von drei
traurigen Sträußen entgegen. Die Rentnergang bedauert, daß
sie nichts Besseres mehr zu bieten hat. Edwin blickt auf
die Uhr und läuft zum Pfarrheim.
Die Rentner zählen im Abgehen ihre Einnahmen. Der Trinker
kommt sternhagelvoll über den Platz getorkelt und rezitiert.
TRINKER
Der Apfelbaum muß Äpfel tragen,
zentnerschwer.
Aber im Herbst da darf er sagen,
ich mag nicht mehr.
Und abgenommen wird sie ihm, die
Last.
Ein halbes Jahr hat er dann Ruh
und Rast.
Mutter hat es kaum so gut als wie
der Apfelbaum.
Der Trinker versucht sich am leeren Blumenstand festzuhalten
und reißt diesen mit sich zu Boden. Edwin kommt wütend aus
dem Pfarrheim gelaufen, wirft sich in seinen Wagen und
prescht davon.
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"Muttertag"
Seite 59
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Opa im Liegestuhl, Mischa am Tisch. Die laute Rockmusik
aus dem OFF verstummt plötzlich. Trude betritt den Balkon
und entdeckt entsetzt, daß man mitten durch ihr
Lieblingstischtuch einen Sonnenschirm gerammt hat.
TRUDE
Seid's ihr völlig deppat worden?!
Mischa und Opa schauen Trude entgeistert an.
MISCHA
Wo is'n da Papa? Wieso bist du
scho do?
TRUDE
Wieso net?
MISCHA
Wegn da Überroschung.
OPA
Da Edwin holt die Trudl ob.
TRUDE
I bin scho do, Opa.
OPA
(deutet auf Trudes neue
Frisur)
Jetzt hob i di goa net kennt mit
dem neichen Kapperl.
Trude blickt sich um und entdeckt das zerrissene, um den
Schirmschaft gewickelte Tischtuch.
TRUDE
Sogt's, seids es narrisch?
MISCHA
Des is dei Muttertagsüberraschung.
TRUDE
Wos!? A Loch im Tischtuach?
"danke schön" sog i do!
Nau,
MISCHA
Da Papa wird si ärgern, daß du's
scho gesehn host.
TRUDE
(nach kurzer Nachdenkpause)
Goa nix wird er.
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"Muttertag"
Seite 60
INT. BLOCK VII/STIEGE 3, STIEGENHAUS - TAG
Edwin rast mit den Blumensträußen die Stiegen herauf, stürmt
in die Wohnung und schlägt die Tür hinter sich zu. Das
Muttertagsherz fällt zu Boden und zerbricht.
Trude, die sich hinter einer Ecke versteckt hält, seufzt
gequält.
EXT. HUGO BREITNER-PARK - TAG
Evelyn skatet durch den Park - vorbei am Denkmal und den
Stadtindianern, die dort lagern. Ein tadellos gekleideter
FEINER HERR kommt ihr entgegen; er führt seine FEINE MAMA
am Arm. Mit Verwunderung nimmt Evelyn zur Kenntnis, daß er
sie keines Blicke s würdigt und rollt davon. Die Mama deutet
mit einer Kopfbewegung auf die Jugendlichen und schaut den
feinen Herrn streng und auffordernd an. Der Herr löst sich
von ihr und geht auf die Stadtindianer zu.
FEINER HERR
Geh, Burschen, hätt's ihr vielleicht
a paar Schilling für mi?
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin hetzt aufgeregt hin und her. Mischa schnitzt mit dem
Messer am Tisch, Opa aalt sich im Liegestuhl.
EDWIN
Hergricht is natürlich no imma net
fertig. Wos hobt's ihr gmocht?
Nasenbohrt?
OPA
Wo is denn die Trudl jetzt
hingangan?
MISCHA
(leise zu Opa)
Kusch.
EDWIN
I hob's vaföhlt, jetzt kummt's
sicher z'Fuaß. Zuwos hob i des
Auto woschn lossn?
Man hört Schlüssel an der Wohnungstür.
Des is!
EDWIN (cont.)
Achtung!
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"Muttertag"
Seite 61
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Trude kontrolliert im Vorzimmerspiegel ihre Frisur, holt
tief Luft und geht in Richtung Balkon.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Die Gratulanten haben in einer Reihe vor dem Klapptisch
Aufstellung genommen. Edwin mit den weniger schäbigen, Opa
und Mischa mit je einem mickrigen Blumenstrauß; der brave
Sohn hat zusätzlich noch ein Päckchen in der Hand. Trude
erscheint und heuchelt Rührung.
EDWIN
Meine liebe Trude, Mutter, Mama,
Ehefrau, Schwiegertochter, kurz Gattin! Wie jedes Jahr wollen
die, wir ... dir, liebe Mutti,
wieder danken ...
Mischa spielt mit dem Messer und schlägt Opa mit dem
Blumenstrauß auf den Kopf. Der haut prompt zurück.
EDWIN (cont.)
... für alles, was uns so wichtig
ist an dir. Sei's der Haushalt
oder die Familie. Truderl, wir
danken dir.
Edwin überreicht Trude den Blumenstrauß. Sie gibt ihm und
den anderen beiden Gratulanten ein Pflichtküßchen. Mischa
stellt sich in Positur.
MISCHA
Wir wären nie gewaschen und meistens
nicht gekämmt -EXT. HUGO BREITNER-SIEDLUNG, BALKONE - TAG
MONTAGE - Wir sehen kurz geschnittene NAHAUFNAHMEN von
Beatrix, dem jungen Vater, Korksi, Karli, Müller junior,
dem Trinker, einem weiblichen Jungscharkind und einem
Stadtindianer, die Mischas Muttertagsgedicht fortsetzen.
MUTTERTAGSGRATULANTEN
-- die Strümpfe hätten Löcher und
schmutzig wär das Hemd. Wir äßen
Fisch mit Honig und Blumenkohl mit
Zimt, wenn du nicht täglich
sorgtest, daß alles klappt und
stimmt. Und sind wir dir auch
manchmal, oh Mutti, eine Last: --
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"Muttertag"
Seite 62
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
MISCHA
-- was wärst du ohne Kinder?
froh, daß du uns hast.
Sei
Trude applaudiert, Edwin gibt den Blick auf den Klapptisch
frei.
EDWIN
Und als wirklich kleines Präsent:
etwas, was wir uns alle schon so
lang gewünscht haben.
Auch Opa und Mischa treten zur Seite, Trude inspiziert das
Monstermöbel und mimt überraschte Bewunderung.
TRUDE
Jössas, a Campingtisch!
ausgebn ...
Sovü Göd
EDWIN
Für dich ist uns nichts zu teuer.
(versucht einen Scherz)
Do hamma unser Sparbuch gaunz schön
geplündert!
OPA
Genau!
(verdutzt)
Wos?
Mischa drückt Trude sein Päckchen und die Blumen in die
Hand.
MISCHA
Und das is von mir.
TRUDE
Noch was? Mein Gott, der Mischa.
Da bin ich aber gespannt.
(packt das elektrische
Küchenmesser aus)
Mein Gott, sowas Tolles! Danke,
Mischa. Bussi.
Trude gibt ihrem Sohn ein Küßchen.
MISCHA
Willst du's net glei ausprobiern,
bei die Koteletten?
TRUDE
Kloa, wo schalt ma denn ein?
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 63
FORTSETZUNG:
MISCHA
Ganz einfach -EDWIN
(reißt Trude das Messer
aus der Hand)
Das kommt nicht in Frage. Heut
kochen wir. Die Mama hat heute
Feiertag.
FRAU MÜLLER
(aus dem OFF)
Gehn'S, Herr Neugebauer!
Frau Müller hat sich gefährlich weit über ihre Balkonbrüstung
gelehnt und streckt die Hand herüber.
FRAU MÜLLER (cont.)
Wenn Sie's eh grad net brauchn,
borgen'S ma's. Unsere Koteletts
san so zach heit.
Der verdutzte Edwin händigt ihr widerspruchslos das Elektromesser aus. Mischa hält sich schützend die Hand vor die
Augen.
EXT. STRASSE VOR BLOCK VII/STIEGE 3 - TAG
Kurt öffnet galant die Beifahrertür und läßt Frau Habitzl
einsteigen. In einer Hand hält er einen Blumenstrauß, läßt
diesen allerdings fassungslos fallen, als er beim Schließen
der Tür den gewaltigen Kratzer entdeckt. Kurt inspiziert
das Ergebnis von Mischas Schandtat.
KURT
Ein Wahnsinn ist das! Hilde, steig
sofort aus. Der Muttertagsausflug
ist heuer gestrichen.
Evelyn flitzt in einer eleganten Kurve knapp an Kurt vorbei.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KÜCHE - TAG
Man merkt, daß unkundige Männerhände ein Grillfest
vorbereiten: Mischa und Edwin hantieren mit Spießen,
Tellern, Ketchup-Flaschen. Edwin versucht lässig zu pfeifen,
Opa mampft ein rohes Frankfurter-Würstel.
EXT. STRASSE VOR BLOCK VII/STIEGE 3 - TAG
Trude lehnt mißmutig am Balkongeländer und entdeckt Evelyn,
die eben vorbeiskatet.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 64
FORTSETZUNG:
TRUDE
Hallo, Evelyn! Hallo!
Evelyn schaut zu ihr hinauf.
Der Schaffner taucht auf.
SCHAFFNER
Bitte hinter die gelbe
Sicherheitslinie zurückzutreten,
Zug fährt ein!
Evelyn kann ihm gerade noch ausweichen, fährt aber einen
Zeitungsständer um und bleibt nach dem unvermeidlichen Sturz
auf dem Boden sitzen. Trude reagiert sofort, als Evelyn
ihr linkes, leicht blutendes Knie untersucht.
TRUDE
Kumm auffe, du brauchst a Pflasterl!
Geh, und bring glei a Zeitung mit!
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KÜCHE - TAG
Edwin gießt aus einer Flasche süßen Wermuts zwei Limonadengläser voll und wirft Oliven hinein. Er kostet
mißtrauisch, dann wird er auf Trudes Schreien im OFF
aufmerksam.
TRUDE
(im OFF)
Kumm, du gehst heit eh niemand ob!
EDWIN
(ruft in Richtung Balkon)
Trudl, was is denn los?
TRUDE
(aus dem OFF)
Nix, nur die Schöbinger Evelyn
kummt an Sprung zu uns!
Edwin spuckt Oliven und Wermut in die Abwäsche.
schneidet sich in den Finger.
Mischa
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, WOHNZIMMER - TAG
Das kleine, abgewohnte Wohnzimmer entspricht der typischen
Raumaufteilung "Polstermöbelgarnitur mit klobiger
Schrankwand", dazu ein großer Fernsehapparat.
Trude kommt vom Balkon und geht in Richtung Wohnungstür.
Edwin kommt ihr fassungslos mit den beiden Gläsern entgegen.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 65
FORTSETZUNG:
EDWIN
(verzweifelt)
Oba doch net am Muttertog ...
Hinter ihm erscheinen Mischa und Opa.
seinem leicht blutenden Finger.
Mischa lutscht an
MISCHA
I brauch's a net unbedingt ...
TRUDE
Du bist ruhig! Das ist mein Tag
heute!
EDWIN
Nein, liebe Trude, es ist auch
unser Tag.
MISCHA
Außerdem ham mir zuwenig Koteletts.
EDWIN
Genau!
TRUDE
Ma muaß si jo scheniern für euch.
Sie geht entschlossen aus dem Zimmer.
OPA
I verzicht gern auf mei Kotelett.
I kaun's eh net beißn.
Edwin und Mischa verfolgen zornig Opa, der auf den Balkon
flüchtet.
INT. BLOCK VII/STIEGE 3, STIEGENHAUS - TAG
Evelyn trippelt auf die Tür der Neugebauers zu. Sie hebt
das zerbrochene Lebzeltherz und tippt an den Klingelknopf.
Die Tür wird geöffnet, Trude blickt heraus. Evelyn
überreicht ihr die auf der Zeitung arrangierten
Kuchentrümmer.
TRUDE
Danke, des is oba nett.
Evelyn bemerkt Trudes neue Frisur.
EVELYN
(mit leichter Ironie)
Super, die Haar. Echt originell.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 66
FORTSETZUNG:
TRUDE
Super, gö! Kumm eine, mia ham eh
vü z'vü zum Essen.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Mischa drückt sich ängstlich in die Ecke zum rauchenden
Griller, auf den er mit spitzen Fingern Koteletts legt.
Opa liegt im Liegestuhl. Edwin arbeitet mit finsterem
Gesichtsausdruck am Feuer. Trude und Evelyn kommen aus der
Wohnung.
TRUDE
(zuckersüß)
Schaut's, wen i euch da bring!
EVELYN
Grüß Gott.
OPA
Jo, halli hallo, wen ham wir denn
do?
TRUDE
Derf i dir vorstelln, des is mei
Schwiegervater, den kennst jo no
net. Des is die Evelyn Schöbinger.
EVELYN
Wir kennen uns doch eh - gestern,
von der Post, Opi, gö?
OPA
Jo, do woan mia oba no jünger, gö?
Opa beendet die für ihn heikle Situation durch das schnelle
Aufgreifen seines noch nicht überreichten Blumenstraußes.
OPA (cont.)
Jedenfalls, auch ich gratuliere
von ganzem Herzen!
Edwin und Mischa wenden sich betreten ab, Evelyn ist
verlegen, Trude ergreift die Initiative. Sie legt Opa
Zeitung und Lebkuchernherz-Trümmer in den Schoß. Opa beginnt
letztere mit Heißhunger zu verspeisen.
TRUDE
Das is lieb, Opa.
Edwin!
EDWIN
(leise, ohne aufzublicken)
Grüß Gott, Frau Schöbinger.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 67
FORTSETZUNG:
TRUDE
Mischa!
MISCHA
(fast unhörbar)
S'Gott.
EVELYN
(anzüglich)
Jo, Mischa! Hallo ...
Evelyn winkt lasziv mit der rechten Hand, Mischa beult
instinktiv mit der Zunge seine Wange. Trude geleitet Evelyn
zum Tisch, wo die zwei Gläser Wermut stehen. Die beiden
setzen sich. Opa widmet sich jetzt der Zeitung, Mischa
verdrückt sich in die Wohnung.
TRUDE
Mogst an Martini?
EVELYN
Jo, gern.
EDWIN
Soll i no an mochn?
TRUDE
Na danke, san eh zwa do.
EDWIN
(zornbebend)
Des is a Muttertog ...
Aus dem OFF erklingt die Hardrock-Version eines "Heintje"Klassikers ("Mama" o. ä.).
EXT. STRASSE VOR BLOCK VII/STIEGE 3 - TAG
Die Straßenband spielt auf der Ladefläche eines Klein-LKWs,
der langsam durch die Straße fährt. Von den Balkonen werden
den Musikern Münzen, aber auch Koteletts zugeworfen.
Vor Stiege 3 steht ein Ambulanzwagen. Müller steht davor
und blickt besorgt auf Frau Müller, die eben von 2 SANITÄTERN
verladen wird.
MÜLLER
I versteh des net. Auf amoi is
abgrutscht und scho hot's es drin
ghobt im Bauch.
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 68
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin sitzt Evelyn am Klapptisch gegenüber.
in der Zeitung, Trude steht in der Tür.
Opa blättert
TRUDE
Bin glei wieder do, i hol nur's
Besteck.
Trude geht in die Wohnung.
Evelyn will ihr folgen.
EVELYN
(ruft Trude nach)
I hülf dir!
Edwin hält Evelyn an der Schulter zurück.
EDWIN
(sehr erregt, drohend)
Dobleibst. Du host hier überhaupt
nix verloren.
Opa dreht sein Hörgerät lauter.
EVELYN
(mit einem Blick auf Opa)
Edwin ...
EDWIN
Es hat sich ausge-edwint! Du wirst
sofort auf dem kürzesten Weg den
Balkon verlassen!
EVELYN
(mit einem Blick auf Opa)
Edwin, ich bitt dich ...
Edwin springt auf, geht zu Opa und greift ihm ans Ohr.
OPA
Jetzt pfeift's.
Edwin nimmt Opa das Hörgerät aus dem Ohr und steckt es ein.
OPA (cont.)
Edwin! Sofurt gibst ma's zruck oder i sog's!
EDWIN
Wos sogst?
OPA
Ollas!
Edwin stürzt auf Opa zu, bremst aber, als Trude mit dem
Besteck aus der Wohnung kommt.
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 69
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, KINDERZIMMER - TAG
Mischa sitzt vor dem Bildschirm und studiert die harmlose
Computeranimation eines Softpornos - ein Frauenkopf stöhnt
ihm entgegen. Plötzlich erscheint das Gesicht des
Meerschweins Willi auf dem Bildschirm, begleitet von einem
lauten Löwengebrüll. Darüber wird die Meldung "Achtung!
Willi füttern!" eingeblendet.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Trude und Evelyn nippen an ihrem Wermut. Edwin entfacht im
Griller ein knisterndes Feuer und begutachtet die Koteletts.
Mischa kommt mit zwei Karotten aus der Wohnung gelaufen und
begibt sich zum Meerschweinchenkäfig.
MISCHA
Willi, Willi!
OPA
(in größter Verlegenheit)
Geh, wos tuast denn do! Geh weg,
der schloft jo.
Opa kann nicht verhindern, daß Mischa das tote Meerschwein
aus dem Käfig nimmt. Erst schließt er kurz die Augen, dann
ergreift er die Flucht nach vorn.
OPA (cont.)
I hob mi net auf eam draufgsetzt!
I woa's net!
Mischa starrt den toten Willi an. Edwin bläst mit einem
Blasbalg Luft auf die Holzkohlen, die beiden Frauen schauen
peinlich berührt vor sich hin.
MISCHA
(ganz leise)
Papa, Papa. Da Opa hot in Willi
totgmocht.
Edwin nimmt das Meerschweinchen, betrachtet es und legt es
vor Evelyn und Trude auf den Tisch.
EDWIN
(fachmännisch)
Jo, des is hin.
OPA
Schloft da Willi?
MISCHA
Opa, du Sau.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 70
FORTSETZUNG:
EDWIN
Mischa! Sowos sogt ma net, net
amoi zum Opa.
Edwin widmet sich wieder dem rauchenden Griller. Mischa
beginnt schrill zu weinen. Trude steht auf und legt tröstend
ihre Arme um ihn.
TRUDE
Mischi, Mischi! Kumm her do!
Schau, da Willi woa eh nimma da
Jüngste. Der sitzt jetzt gaunz
hoch oben im Meerschweinderlhimmel
und paßt auf di auf. Der is jetzt
dei Schutzengerl.
MISCHA
Oh Willi, oh Willi ...
TRUDE
Waßt wos, kriagst an neichen.
EDWIN
(vom Rauch zum Husten
gereizt)
Oda mogst an Hamster?
MISCHA
Na, an Dobermann.
TRUDE
Nur über meine Leiche!
OPA
Wos is jetzt mit'n Willi?
EDWIN
Du stell di net bled, Papa!
(schlägt Opa sanft auf
den Kopf)
OPA
Do hätts mi glei im Heim lossn
kennan.
TRUDE
(setzt sich wieder)
Könnte jemand so freundlich sein
und mir den Willi vom neuen Tisch
wegräumen?
Evelyn opfert sich, hebt Willi angeekelt vom Tisch und steht
auf. Sie weiß aber nicht, wo sie die Leiche hingeben soll
und blickt sich ratlos um.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 71
FORTSETZUNG:
Opa springt plötzlich auf, nimmt ihr das Meerschweinchen
aus der Hand und wirft es über die Balkonbrüstung.
TRUDE (cont.)
(blickt nach)
Jössas, die Pelargonien von der
Schwalbach!
EDWIN
(verächtlich)
Die gehn doch eh nie am Balkon.
TRUDE
Kumm, Evelyn. I zag dir wos.
EXT. WOHNUNG SCHWALBACH, BALKON - TAG
Am darunterliegenden Balkon der Familie Schwalbach zeigt
sich ein ähnliches Szenario wie bei Neugebauers: der Griller
raucht unter der Leitung von Herrn Schwalbach, an einem
Campingtisch sonnt sich seine Frau. Korksi hockt in einer
Ecke und starrt düster vor sich hin. Im Liegestuhl sitzt
die Oma. Sie betrachtet mit freundlichem Lächeln das tote
Meerschweinchen in ihrem Schoß.
OMA
Ah, ham mia Besuch?
Herr Schwalbach nimmt das tote Tierchen am Schwanz und blickt
zornbebend nach oben.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, WOHNZIMMER - TAG
Trude erklärt Evelyn, die ungeduldig von einem Fuß auf den
anderen tritt, ihre Pläne für die neue Einrichtung.
TRUDE
Und do kummerten braune Deckvorhäng
her. Synthetik natürlich, wengan
bügeln!
EVELYN
Du, Trudl, i glaub, i sollt jetzt
oba wirklich -Trude zerrt Evelyn regelrecht zur Balkontür.
TRUDE
Nix! Mia setzen uns am Balkon.
Woa eh scho höchste Zeit, daß amoi
d'Sun wieder scheint.
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 72
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Edwin und Mischa stochern düster im Griller herum, von dem
dicke Rauchschwaden aufsteigen. Opa liegt mit der Zeitung
im Liegestuhl. Trude schiebt Evelyn heraus.
TRUDE
I hob des Sauwetter eh scho nimma
ausghoitn. Es habt's ja a so a
Pech ghobt mit'n Wetter beim
Einkehrwochenende, wos ma da Edwin
erzöhlt hot ...
EDWIN
(schreckt auf)
Wos hab i?
Trude drückt Evelyn auf eine Bank und setzt sich dazu.
TRUDE
Ach, mia redn grod vom
Einkehrwochenende. I wär eh gern
mitgfahrn, aber waßt eh, mei Migräne -EVELYN
Host nix versamt.
OPA
San imma a Hetz, die Hüttenabende,
gö?
EDWIN
(nervös)
Sog, habt's es ka anders Thema?
TRUDE
Na, wieso?
EDWIN
(brüllt plötzlich sehr
laut los)
Des interessiert doch niemand, des
Einkehrwochenende!
Die anderen starren ihn verwundert an.
EDWIN (cont.)
Oder wollts mi quöln?
EVELYN
Oba, Edwin ...
EDWIN
(brüllt)
Du duz mich nicht vor meiner
Familie!
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 73
FORTSETZUNG:
TRUDE
Wos is'n los?
Edwin bekommt glasige Augen, schmeißt das Grillbesteck in
die Ecke und steckt die fettigen Hände in die Taschen des
Feiertagsanzugs.
EDWIN
Is eh scho ois wurscht ...
EVELYN
Reiß di zsamm ...
EDWIN
Mocht's wos wollt's, tuat's mi
steinigen ...
TRUDE
Edwin?
MISCHA
Papa?
EDWIN
Jo, es is hoit passiert.
wos trunken.
I hab
TRUDE
(lacht erleichert)
Na geh, des kaun doch amoi
vorkumman. Passiert doch jedem.
EDWIN
(fassungslos)
Dir is des a no wurscht?
EVELYN
Edwin, du mochst aus aner Mücke an
Elefanten.
EDWIN
(verliert die Beherrschung)
I moch an Elefanten!? Du mochst
an Trottl aus mir! Verführt hat
sie mich, im Suff!
MISCHA
Pfau, super! Da Papa hot wos mit
da Schöbinger!
Edwin gibt Mischa eine Ohrfeige, Trude starrt Evelyn an und
beginnt zu weinen. Opa versteckt sich hinter der Zeitung.
TRUDE
Wos is des für a Muttertog ...
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"Muttertag"
Seite 74
INT. WOHNUNG SCHWALBACH, VORZIMMER - TAG
Herr Schwalbach schreit erregt ins Telefon.
SCHWALBACH
Umbracht ham's es! Jawoll, eine
Anzeige!
INT. POLIZEIKOMMISSARIAT - TAG
Der 1. Polizist reicht den Hörer mit spitzen Fingern an
Gerry weiter.
GERRY
Wos is jetzt scho wieder?
1. POLIZIST
Jetzt behaupt er a no, daß wen
umbracht ham.
GERRY
(ins Telefon)
Gehn'S, a Mord? Beim Neugebauer?
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Opa versteckt sich hinter der Zeitung, Mischa kostet von
den Koteletts am Grill. Edwin steht in der Mitte und starrt
zu Boden. Evelyn versucht die heulende Trude zu beruhigen.
EVELYN
Bitte, Trude, es woa überhaupt
nix ...
TRUDE
(schluchzend)
Evelyn, wie kaunst ma sowos auntuan?
EDWIN
Bitte, wos haßt dir?
Mir!
EVELYN
Es woa nix.
EDWIN
Oiso bitte -EVELYN
(heftig)
Trudl, schau, wir ham hoit a bißl
wos trunken und daun is olles a
bißl obgrutscht ...
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 75
FORTSETZUNG:
EDWIN
(schreit)
Wo bin i obgrutscht!?
TRUDE
Reißts eich zsamm, redt's doch net
so vor an Kind!
EDWIN
(entsetzt)
Wer redt von an Kind!?
Wos?
EVELYN
Da Mischa is doch ka Baby mehr.
TRUDE
(feindselig)
Paß auf, i kenn mein Buam!
EVELYN
(vielsagend)
Jo, i a ...
EDWIN
Wos ...?
Evelyn fixiert Mischa. Trude, Edwin und Opa starren den
Knaben an. Mischa windet sich vor Verlegenheit. Schließlich
sucht er sein Heil in einer dreisten Lüge.
MISCHA
Wißt's, wos bei mir gmocht hot?
So!
Mischa macht die "Fellatio"-Geste. Trude und Edwin sind
sprachlos vor Entsetzen. Trude springt auf, nimmt Mischa
schützend in ihre Arme und streichelt seinen Kopf. Vom
Griller steigen düstere Rauchschwaden auf, die Koteletts
verbrennen langsam.
EDWIN
(zischt)
Wos hot's ...?
Evelyn springt auf.
EVELYN
(zu Mischa)
So, des is oiso der Dank dafür,
daß i da die Stangen ghoitn hob.
Du bist jo krank im Hirn!
EDWIN
(drohend)
Verführung Minderjähriger!
(MEHR)
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 76
FORTSETZUNG:
EDWIN (cont.)
Du ghörst aunzeigt!
EVELYN
(zornig)
Des reicht, i geh jetzt.
Edwin versperrt Evelyn den Weg.
er Mischa zu sich.
Dobleibst!
Mit der anderen Hand zerrt
EDWIN
Trudl, ruf die Polizei.
Trude läuft in die Wohnung. Opa stößt in der Zeitung auf
etwas offenbar sehr Heiteres.
OPA
Hahahaha.
EDWIN
Papa, es is überhaupt nix komisch.
Opa, der sich vor Lachen kaum halten kann, gibt Mischa die
Zeitung mit dem Phantombild von Trude.
MISCHA
Papa, die Mama is in da Zeitung.
EDWIN
Jetzt red net deppat.
Edwin nimmt in die Zeitung.
Blick.
Auch Evelyn riskiert einen
EVELYN
Ladendiebin, do schau her.
OPA
Die Trudl ... Hahaha.
Evelyn will die willkommene Ablenkung zur Flucht nützen.
Mischa zieht jedoch sein Fixiermesser und bedroht sie damit.
EVELYN
Mischa, bist deppat!
MISCHA
(in Gangstermanier)
Dobleibst.
EDWIN
A so a Schaß!
Edwin rennt in die Wohnung.
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"Muttertag"
Seite 77
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Trude telefoniert.
stürzt.
Edwin kommt mit der Zeitung hereinge-
TRUDE
Oiso, ich buchstabiere.
N-E-U-G --
EDWIN
Trudl, leg sofort auf.
TRUDE
Nein, das wird jetzt durchgezogen.
EDWIN
(entreißt ihr den Hörer
und schreit hinein)
Danke für Ihren Anruf, es hat sich
erübrigt.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Mischa hat Evelyn in die Ecke gedrängt und schiebt sich mit
dem Messer Koteletts in den Mund. Trude und Edwin kommen
herausgelaufen. Trude studiert ihr Phantombild in der
Zeitung.
TRUDE
Des bin net i. I hob a gaunz
aundere Frisur.
OPA
So, jetzt hätt i oba wirklich an
gsunden Appetit ...
Evelyn versucht an Mischa vorbeizukommen, weicht jedoch
erschrocken zurück, als dieser mit dem Messer droht. Edwin
starrt das Phantombild an, dann dämmert es ihm.
EDWIN
(schreit verzweifelt)
Kloa bist es, liag net! Des ganze
teure Glumpert im Kasten!
TRUDE
(resignierend)
I vasteh des net. Bis jetzt is
überhaupt nie wos passiert.
EDWIN
Wos haßt "bis jetzt"!?
Hobby oder wos?
Is des dei
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 78
FORTSETZUNG:
TRUDE
(müde)
Du gehst dafür immer fliagn.
EDWIN
Do daschiaß i oba kan dabei!
MISCHA
Die Mama hot wen daschossen.
Super!
EDWIN
Ich scheniere mich für dich.
(flüstert)
Ladendiebin ... wia des scho klingt.
(stellt sich direkt vor
Trude, schreit)
Es geht da do net schlecht bei
mir, oder? Du kaunst doch olles
ham von mir! Stöhln gehts. Es
muaß doch niemand hungern bei uns!
OPA
I schon.
Edwin setzt sich erschöpft auf die Bank, Trude ebenfalls.
Vom Griller her ziehen Rauchschwaden über die Szene.
EDWIN
(zu Evelyn)
Du bist an ollem schuld!
EVELYN
I hob mi net eigmischt! Ihr hobts
mi eingmischt! I geh jetzt.
EDWIN
(resignierend)
Jo, verschwind, is uns eh lieber!
Evelyn geht schnell zur Tür, aber Mischa verstellt ihr neuerlich - mit gezücktem Messer den Weg.
EVELYN
(ängstlich)
Mischa, hör auf mit dem Blödsinn!
MISCHA
Die verrat uns sicher bei da
Polizei.
Es läutet an der Tür.
Schweigen am Balkon.
OPA
I glaub, es hat gläut.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 79
FORTSETZUNG:
EDWIN
(entnervt)
Wer is des jetzt wieder?
Edwin rennt in die Wohnung. Mischa bedeutet Evelyn, daß
sie trotzdem keine Chance zur Flucht hat.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER - TAG
Edwin öffnet die Türe. Davor stehen zwei ZEUGEN JEHOVAS
und halten Erbauungszeitschriften vor ihrer Brust.
ZEUGEN JEHOVAS
(unisono)
Glauben Sie nicht, daß es gerade
jetzt an der Zeit wäre, Ihr Leben
neu zu überdenken?
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - AUSSEN, TAG
Trude sitzt am Tisch und starrt Evelyn an, die sich rückwärtsgehend der Balkontür nähert. Mischa spielt demonstrativ
mit dem Messer. Opa legt die Zeitung weg und lehnt sich im
Liegestuhl zurück. Wir hören, wie im OFF die Wohnungstür
zugeschlagen wird.
TRUDE
(verzweifelt)
Heast, Evelyn, du sogst doch niemand
wos?
EVELYN
(fatalistisch)
Irgendwaun dawischn's di sowieso.
Edwin kommt aus der Wohnung und nimmt Evelyn sanft am Arm.
EDWIN
(scheinbar ruhig)
Tua ma net lang um, wos kost's?
MISCHA
Genau, bestechen....
EDWIN
Du bist ruhig. Oiso, wiafü?
TRUDE
Gib's zua, du wüst mein Persianer.
I nehmert'n a.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 80
FORTSETZUNG:
EVELYN
Euch kaun kaner mehr helfen, ihr
seids völlig übergschnappt.
(schreit)
Loßt's mi auße!
EDWIN
Mischa, hol die Spoabüachln aus'm
Schlafzimmer.
Opa will Einhalt gebieten, läßt sich dann aber doch nur
entmutigt in den Liegestuhl sinken. Mischa eilt in die
Wohnung. Dumpfes Donnergrollen kündigt das Herannahen eines
Gewitters an. Trude und Edwin stehen vor der Balkontür und
starren Evelyn an.
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, SCHLAFZIMMER - TAG
Mischa wühlt im Einbauschrank, fördert jedoch nur Kleider
und schließlich einige harte Herrenmagazine zu Tage, welche
er kurz durchblättert. Dann entdeckt er das Foto von Gerry
im Buch seiner Mutter und betrachtet es verwundert.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Opa tut so, als ob er im Liegestuhl schlafen würde. Mischa
kommt aus der Wohnung und zwängt sich zwischen seinen Eltern
durch. Im Hintergrund verkohlen knisternd und rauchend die
Koteletts.
MISCHA
Papa, do is nirgends a Spoabüachl!
Opa schreckt aus dem Schlaf hoch, zieht die zwei Sparbücher
aus seiner Jacke, steckt aber das der Pfarrgemeinde sofort
wieder ein. Er erhebt sich langsam und hält Edwin das durch
ein Loch entwertete Familiensparbuch hin.
OPA
I hob's eh.
Trude reißt es an sich und schlägt es auf. Edwin glotzt
ebenfalls hinein. Der Himmel ist jetzt wolkenverhangen,
wir hören Donnergrollen. Opa zieht sich wieder in den
Liegestuhl zurück.
EDWIN
A so a Schaß ... Bist du völlig
deppat worden?!
OPA
Es braucht's des Göd eh net.
(MEHR)
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 81
FORTSETZUNG:
OPA (cont.)
Des ham jetzt die Tiere, die brauchen's notwendiger.
Edwin, Trude und Mischa kommen langsam und drohend auf Opa
zu.
OPA (cont.)
Die Frau Evelyn woa so nett und
hot ma beim Überweisen gholfen.
Lauter Donner. Trude beginnt laut zu weinen und läßt das
Sparbuch fallen. Edwin nimmt sie in seine Arme und
streichelt ihr tröstend den Kopf. Mischa stößt das Messer
neben Opas Hand in die Lehne des Liegestuhls, hebt das
Sparbuch auf und schaut hinein.
MISCHA
Mei City Bike ...
Opa nimmt das Messer an sich. Er schlurft zum Griller und
schneidet Koteletts in mundgerechte Stücke. Trude wendet
sich unter Tränen Evelyn zu.
TRUDE
Du hast unser Familienglück
zerstört.
Opa fädelt die Fleischstücke auf einen langen Grillspieß.
EDWIN
(schreit Evelyn an)
Wos host mit unserm Göd gmocht,
ha?!
EVELYN
Ihr seid's jo kraunk.
Evelyn wendet sich zur Tür.
MISCHA
Wo is mei Messer?!
Mischa entdeckt das Messer in Opas Hand, läuft hin und
entreißt es ihm.
EVELYN
Ihr ghört's jo eingsperrt, in a
Aunstalt, in a Heim!
Opa erschrickt sichtlich und verstellt Evelyn den Weg. Er
breitet verzweifelt die Arme aus. In der Rechten hält er
den Grillspieß.
FORTGESETZT:
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"Muttertag"
Seite 82
FORTSETZUNG:
OPA
Na, Fräulein Evelyn, Moment -Evelyn rennt ihm direkt in den Spieß und geht röchelnd in
die Knie. Edwin, Mischa und Trude fangen sie auf und starren
fassungslos auf das Blut.
OPA (cont.)
I sog's glei, i woa's net.
TRUDE
Jössas, Maria und Josef.
MISCHA
Pfau, arg.
EDWIN
Um Gotteswillen, waun des wer
siecht.
EXT. WOHNUNG MÜLLER, BALKON - TAG
Herr Müller sitzt einsam am Balkon, hat den Kopf in die
Hände gestützt und starrt geistesabwesend auf das
Neugebauer'sche Elektromesser.
EXT. WOHNUNG SCHMIDT, BALKON - TAG
Der Balkon der Familie Schmidt liegt dem der Neugebauers
gegenüber. Man sieht die Familie Neugebauer in der Wohnung
verschwinden. Frau Schmidt gibt ihrem Mann, der am
rauchenden Griller arbeitet, einen Wink, verdeckt Beatrix
die Augen und geht mit ihr in die Wohnung. Herr Schmidt
folgt ihnen stillschweigend.
FRAU SCHMIDT
Kumm, Trixi. Schau ma, wos im
Fernsehen is.
EXT. WOHNUNG SCHWALBACH, BALKON - TAG
Herr Schwalbach ruft zum gegenüberliegenden Balkon hinüber.
SCHWALBACH
Frau Schmidt, wos is denn do los?
Frau Schmidt schaut bestürzt herüber und hält sich die Hand
vor den Mund.
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"Muttertag"
Seite 83
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, WOHNZIMMER - TAG
Opa, Mischa, Edwin und Trude lassen Evelyn in der Mitte des
Raumes zu Boden fallen. Ihr Stöhnen wird lauter.
TRUDE
Bitte, tuat's wos, i kaun's net
leiden sehn!
Edwin und Mischa drücken Evelyn ein Kissen aufs Gesicht.
Sie bäumt sich kurz auf und greift nach dem Mobiltelefon.
Dann werden ihre Gliedmaßen schlaff. Opa legt einen Arm
schützend um die Schulter der schluchzenden Trude. Lauter
Donner im OFF.
OPA
Es is besser so.
Es läutet an der Tür.
TRUDE
(flüstert)
Na, bitte net.
OPA
I woa's net.
EDWIN
Psscht.
Er drückt Mischa und Trude fest an sich.
Es läutet wieder.
TRUDE
(flüstert)
Edwin, ich liebe dich.
Läuten und heftiges Klopfen an der Tür. Edwin drückt Trude
einen stummen Kuß auf die Stirn. Mischa schmiegt sich eng
an seine Eltern. Opa streichelt ihm liebevoll durch das
Haar.
GERRY
(aus dem OFF)
Aufmachen! Polizei!
Verzweifelt versuchen alle Mitglieder der Familie Neugebauer,
gemeinsam, Evelyn in den Teppich einzuwickeln.
GERRY (cont.)
(aus dem OFF)
Öffnen Sie oder wir müssen die
Türe einschlagen.
EDWIN
Is eh scho ollas wurscht.
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 84
INT. WOHNUNG NEUGEBAUER, VORZIMMER / STIEGENHAUS - TAG
Edwin kommt ins Vorzimmer und öffnet resignierend die Tür.
Davor steht Gerry, im Hintergrund sehen wir in sicherer
Entfernung Herr und Frau Schwalbach mit schadenfrohen
Gesichtern. Trude lugt mit offenem Mund hinter dem
fassungslosen Edwin hervor.
GERRY
(mit Augenzwinkern)
Herr Neugebauer, diese Herrschaften -(er deutet auf die
Schwalbachs)
-- haben gegen Sie eine anonyme
Anzeige erstattet.
Opa und Mischa versuchen gleichzeitig, ins Klo zu flüchten.
OPA
(zischt)
Geh weg, i muaß auf's Klo.
Mischa ist aber schneller und ihm die Tür vor der Nase zu.
Gerry zieht das tote Meerschwein Willi hinter seinem Rücken
hervor, hält es hoch und grinst.
GERRY
Sie sollen dieses Tier zu Tode
gequält und anschließend vom Balkon
geworfen haben.
EDWIN
Ja.
Jajaja.
Trude versucht, Gerry und den Schwalbachs den Blick auf die
Leiche zu verstellen und verstecken ihre blutigen Hände.
GERRY
Ich nehm ja stark an, daß das Tier
wahrscheinlich beim Balanzieren am
Balkongeländer unglücklich zu Fall
gekommen ist. Oder?
EDWIN
Jo, im Prinzip ...
FRAU SCHWALBACH
Na Moment, bitte so war des aber
net, ja.
GERRY
Sie mischen sich da nicht in eine
Amtshandlung ein.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 85
FORTSETZUNG:
SCHWALBACH
Na, und die Zeitung?
GERRY
Gehen Sie nach Hause und halten
Sie sich zur Verfügung.
Die Schwalbachs verlassen murrend die Szene. Gerry drückt
Edwin den toten Willi in die Hand, ohne die Blutspuren darauf
zu bemerken.
GERRY (cont.)
(lachend)
Mein aufrichtiges Beileid, Herr
Neugebauer.
EDWIN
(stottert)
Ja ebenfalls. Also danke, Gerry.
GERRY
Des kost di aber a Runde bei der
nächsten Clubmasterschaft. Oiso,
grüß euch, empfehle mich.
Gerry wendet sich zum Gehen. Trude zieht Edwins Hände hinter
dessen Rücken. Aus dem OFF ertönt das Läuten des
Mobiltelefons.
Gerry greift instinktiv an seinen Rock, um das Telefon
herauszunehmen. Das Läuten verstummt. Gerry macht eine
resignierende Geste.
Aus dem Teppich ragt Evelyns Hand mit dem Telefon heraus.
Mischa drückt einige Knöpfe darauf und verschwindet wieder
im Klo.
Gerry dreht sich noch einmal um und mustert die
angsterfüllten Gesichter von Edwin und Trude.
GERRY (cont.)
Blaß seid's olle, feiert's net
sovü! Baba.
EXT. WOHNUNG NEUGEBAUER, BALKON - TAG
Opa steht am Balkongeländer und schreit hinunter.
ihm kommt Edwin aus der Wohnung gelaufen.
Hinter
OPA
Herr Inspektor!
EDWIN
Papa, bist du waunsinnig!!
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 86
FORTSETZUNG:
OPA
Herr Inspektor! Wäu'S grad do
san: wo soll ma's denn hintuan,
die Leich, damit's kaner find?
EXT. STRASSE VOR BLOCK VII/STIEGE 3 - TAG
Gerry blickt zum Balkon hinauf. Dort sind mittlerweile
Edwin, Trude und Mischa um Opa versammelt und starren völlig
entgeistert herunter. Hinter ihnen steigen Rauchfahnen vom
Griller auf.
GERRY
(grinst)
Nau jo, haut's es halt am Griller.
Ein langsamer KAMERASCHWENK über die Gesichter von Edwin,
Trude, Mischa und Opa endet in der UNSCHÄRFE.
EXT. HUGO BREITNER-PARK - ABENDDÄMMERUNG
Aus der UNSCHÄRFE entstehen zahlreiche große Fleischstücke,
die auf einem riesigen Holzkohlengrill brutzeln.
Beim Grillfest der Pfarrgemeinde auf einem gepflegteren
Fleckchen des Parks herrscht ausgelassene Stimmung. Vor
dem Transparent "Bruder in Not - eine Aktion der
Pfarrgemeinde" spielt die Straßenband auf.
Die Herren Müller, Klein, und Schmidt stehen in der Nähe
des Grills, trinken Bier, futtern Fleisch und lassen ihr
bellendes, ordinäres Lachen hören. Einige Stadtindianer
und Rentner kommen zögernd herangeschlichen. Das
Kirchenweiberl verteilt an sie die vorbereiteten Papierteller
mit kleinen Portionen Fleisch.
Mischa flitzt auf einem nagelneuen City Bike über die Szene.
An einer langen Leine läßt er seinen Dobermann-Rüden
nachlaufen, der die Stadtindianer böse anknurrt.
Die Damen Klein, Schmidt, Habitzl und Gerti sitzen neben
anderen GÄSTEN an Heurigentischen bei Wein und Gegrilltem.
Auf den Tischen steht auch Schnaps und Likör; die Festgäste
stärken sich mitunter direkt aus der Flasche. Von weitem
sieht man Edwin und Trude herankommen.
FRAU KLEIN
Des is hoit a Familie, die
Neugebauers.
FRAU HABITZL
Naja, aber auch erst seit's den
Opa im Heim ham.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 87
FORTSETZUNG:
FRAU SCHMIDT
Wos i immer sog. Es genügt oft
aner, und die ganze Harmonie is
gestört.
GERTI
Genau. Wann i an die Schöbinger
Evelyn denk ...
FRAU KLEIN
Bei allem Respekt vor'm Herrn Gerry do hot die Polizei wieder amoi
ordentlich versogt.
GERTI
(mit neidischem Unterton)
Wo die wohl jetzt is? frau schmidt
Na, in Kenia wahrscheinlich, bei
ihre Neger.
FRAU HABITZL
Des kaun sie die leicht leisten,
mit unserm Sparbüachl!
Edwin und Trude kommen engumschlungen heran - sie wirken
wie ein junges Liebespaar. Sie haben die letzten Worte
mitgehört und mustern lächelnd das bunte Treiben.
Grüß Gott!
EDWIN
Nau, schmeckt's auch?
FRAU HABITZL
A bißl süßlich is es.
TRUDE
Nau ja, wissen'S, des kummt vom
Einfrieren.
Frau Klein erhebt sich untertänig und schluckt einen Bissen
hinunter. Mischa kommt mit seinem Hund herbeigeradelt,
steigt vom City Bike und zwängt sich zwischen seine Eltern.
Es entsteht ein Bild perfekter Familienidylle.
FRAU KLEIN
I dank im Namen aller für die
großzügige Spende! Wirklich
köstlich.
FRAU HABITZL
Eßt's ihr goa nix?
TRUDE
Danke, wir ham den ganzen Tag vorbereit und do hot ma kan Appetit
mehr.
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 88
FORTSETZUNG:
Edwin nickt zustimmend, Mischa radelt davon. Trude und
Edwin winken ihm nach. Gerry - in Uniform - kommt lässig
herangeschlendert und umschlingt Gerti von hinten.
GERRY
Tag, die Damen! Wo gibt's wos zum
Wickeln, Mausi, mir hängt da Magen
ausse!
GERTI
Kumm, Schatzi, i zeig dir's.
Gerry und Gerti schlendern zum Griller. Der Pfarrer kommt
mit einem Riesenstück Fleisch heran und läßt sich in einen
der freien Sessel fallen. Er mustert wohlgefällig die kleine
Runde, beißt herzhaft ab und hebt den für ihn gefüllten
Humpen.
PFARRER
Ja, es stimmt schon: groß muß sie
nicht sein, die Gemeinde - aber
fest gefügt in Glauben und
Verständnis. Prost, Mahlzeit!
EXT. EXOTISCHES LUXUSHOTEL - ABENDDÄMMERUNG
Die HOTELBAND erzeugt lustlos einen Exotik-Soundteppich;
Opa räkelt sich in einem Liegestuhl und läßt seine Auge
wohlgefällig auf einer BADENIXE ruhen, die sich im
Swimmingpool tummelt.
MARINA läßt einen Hulareifen um ihre üppigen Hüften kreisen,
STEFAN fährt auf einem Dreirad vorbei und zieht einen
kläffenden CHIHUAHUA nach. Opa mustert dies mißbilligend.
OPA
(zu sich)
Olleweil die Touristengfraster.
Die Badenixe steigt aus dem Pool und legt Rollschuhe an.
Ein farbiger KELLNER serviert Opa ein Bier. Opa kostet,
spuckt aber sofort wieder aus.
OPA (cont.)
Pfui! Des is jo warm! Do hätten's
mi glei im Heim loßn kennan.
KELLNER
Aber Opa noch nie in Heim gewesen.
OPA
Oba in Gfaungenschaft, mein lieber
Freund! In französischer im
Ersten ...
FORTGESETZT:
© 1993 by Sicheritz, Dorfer, Düringer & Berecz
"Muttertag"
Seite 89
FORTSETZUNG:
Der Schaffner tritt ins Bild.
SCHAFFNER
Bitte hinter die gelbe
Sicherheitslinie zurückzutreten,
Zug fährt ab.
Langsame RÜCKFAHRT auf eine TOTALE. Hinter einer gelben
Linie wird das FILMTEAM mit allen Geräten sichtbar.
Eine MASKENBILDERIN wischt die Schminke aus dem Gesicht des
Kellners - man erkennt den Darsteller von Edwin. Die
Badenixe nimmt ihre Badehaube ab - man erkennt die
Darstellerin von Evelyn. Auch Marina und Stefan kommen
über die gelbe Linie und entledige n sich ihrer Maske - man
erkennt die Darsteller von Trude und Mischa. Opa nimmt
sich Maskenteile vom Gesicht - man erkennt, daß er ein junger
Mann ist.
Die Ausrüstung wird abgebaut und verladen.
sich das Set.
Darüber SCHLUSSTITEL.
ABBLENDE.
Langsam leert