Hufgeschwür - Tierklinik Binger Wald

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Hufgeschwür - Tierklinik Binger Wald
Der Huf und das Hufgeschwür – immer wieder ein Problem!
Dr. Kai Kreling, Tierärztliche Klinik Binger Wald, Waldalgesheim
Hufgeschwüre sind tägliches Brot in der Pferdepraxis. „Kommen sie schnell, mein Pferd kann
plötzlich gar nicht mehr aus der Box gehen“; solche oder zumindest ähnliche Anrufe
besorgter Pferdebesitzer beim Tierarzt schildern einen hochschmerzhaften Prozess, der sich
im Nachhinein ganz oft als ein relativ harmloses Hufgeschwür entpuppt.
Wie kann das passieren?
Dazu muss man einige Informationen zum Huf haben:
Hufaufbau
Der Huf oder besser das Hufhorn stellt die Verbindung zwischen dem sich bewegenden Pferd
und dem festen Untergrund her. Das Hufhorn ist nach innen durch die Huflederhaut und deren
Lammellenkonstruktion mit dem Knochen , dem Hufbein verbunden. Die Huflederhaut ist das
erste sensible Gewebe unter der Hornkapsel.
Saumband
Hufwand
/ Hor
Strahl
Weiße Linie
Hufsohle
Hufmaterial und – mechanik
Die Ansprüche an das Material Hufhorn sind sehr hoch. Es muss in der Lage sein ein 550
Kilogramm schweres Tier auf einer kleinen Fläche zu tragen. Dazu sollte eine deutliche
Stoßabsorption im Sinne eines Stoßdämpfers stattfinden. Der Materialabrieb muss auch noch
ständig ersetzt werden. Alle drei Aspekte kann das Hufhorn erfüllen. Das relativ harte
Material Horn wird im Bereich des Saumbandes ständig nachproduziert. Es wächst als
Röhrchenhorn Richtung Boden und bildet am unteren Rand der Hufwand den sogenannten
Tragrand. Die Sohlenfläche des Hufes ist gewölbt und kann so durch seine statische
Konstruktion einen wesentlichen Teil zur Stabilität des Hufes beitragen. Im hinteren Teil der
Sohle befindet sich der Strahl, dessen Hornsubstanz besonders elastisch konstruiert ist. Es ist
ein keilförmiges, nach vorne spitz auslaufendes Polster, das ein Auseinanderweichen der
hinteren Hufhornanteile, der Trachten, ermöglicht. Dieser Hufmechanismus garantiert durch
seine Pumpwirkung während der Bewegung des Pferdes eine gute Durchblutung im untersten
Beinabschnitt. Außer der Pumpwirkung ist der Hufmechanismus ein sehr effizienter
Stoßdämpfer. Beim Auftreten auf den Boden weichen die hinteren Hufanteile, die Trachten,
auseinander und dämpfen damit den Auftritt. Beim Abfußen schnellen sie wieder zusammen
und pressen das vorher eingesogene Blut aus den kleinen Gefäßen wieder zurück hoch in die
weiter oben gelegenen Beinabschnitte. Somit pumpt und dämpft der Hufmechanismus in
gleichem Maße. Dieses dynamische Gebilde Huf muss in seiner Hornkonstruktion neben
seiner Tragfähigkeit auch besonders flexibel sein. Für einen Spannungsausgleich sorgt neben
dem Strahl die weiße Linie. Sie befindet sich zwischen dem Sohlenhorn und dem außen
liegenden Tragrand. Ohne die weiße Linie würden Spannungen zwischen diesen
Hornstrukturen zu Rissen der Hornkapsel führen.
Wie und wo entstehen Hufgeschwüre?
Die weiße Linie besteht aus einem sehr weichen Horn. In dieses weiche Horn können sich
kleine Steinchen oder andere Fremdkörper einspießen. Werden diese Steinchen nicht entfernt
oder läuft das Pferd auf einem sehr steinigen Untergrund, drücken sich mehr und mehr
Steinchen übereinander in die weiße Linie und erreichen damit die sensible Huflederhaut.
Diese „lebende“ Struktur wird durch die eingeschleppten Bakterien infiziert. Der Körper des
Pferdes reagiert mit einer Entzündung und versucht durch Zelleinschmelzung die Infektion
lokal zu begrenzen. Dieser Prozess ist immer von Schmerz und lokaler Schwellung begleitet.
Die fest drum herum liegende Hornkapsel drückt nun gegen die Schwellungstendenz und es
entsteht ein noch deutlich verstärkter Schmerz. Vergleichbar ist diese Situation mit einer
Nagelbettentzündung des Menschen. Nur wir Menschen müssen nicht auf unserem Nagelbett
laufen! Das Pferd belastet zu diesem Zeitpunkt das Bein deutlich weniger oder auch gar nicht
mehr.
Infektionen der Huflederhaut entstehen nicht nur durch aufsteigende Infektionen über die
weiße Linie. Auch Risse in der Hornwand, so genannte Hornspalte, oder in die Sohle
eingetretene Fremdkörper wie kleine Nägel oder Glasscherben führen sehr schnell zu einer
Huflederhautinfektion und damit zu einer Huflederhautentzündung. Alle diese beschriebenen
Entzündungen werden auch als Hufgeschwür oder Hufabszess bezeichnet.
Hufgeschwür im vorderen Sohlenbereich - es tritt dunkel-schwarzes Sekret aus
Wie behandelt man ein Hufgeschwür?
Für den Tierarzt stellen Hufgeschwüre eine der angenehmsten Diagnosen dar. Ein Abdrücken
des Hufes mit der Hufzange, ein gezielter Schnitt mit dem Hufmesser und das Geschwür
entleert sich mit dunklem bis gelblichem Sekret. Das Pferd kann wie ein Wunder wieder
laufen. Nicht ganz so einfach sieht die Praxis aus. Manche Hufgeschwüre liegen sehr tief in
der Hornkapsel oder entwickeln sich langsam und die Lokalisation und die Behandlung ist
dann eher schwieriger. Doch in den meisten Fällen läuft das Pferd nach einigen Tagen nach
der Eröffnung eines Hufgeschwüres wieder lahmheitsfrei. Ist das Loch in der Sohle durch das
Aufschneiden besonders groß, empfiehlt es sich einen Hufverband oder später Eisen mit
Polster zum Schutz vor wiederholter Infektion der Huflederhaut anzubringen.
Hufeisen mit Lederplatte und Hanfpolster zum Schutz der Sohle
Was kann man vorbeugend tun?
Ausgewogene Ernährung, tägliche Hufpflege – das Auskratzen der Hufe – und eine gute
Stallhygiene sind die beste Vorbeuge gegen Hufgeschwüre. Besonders empfindliche Pferde,
die sehr häufig an Hufgeschwüren erkranken, sollten Eisen bekommen. Hufeisen schützen die
weiße Linie und helfen Hufgeschwüren vorzubeugen. Hat ein Pferd einen Hornspalt, sollte
auch er versorgt werden. Ein Eisen mit einer Schwebe, ein im Bereich des Hornspaltes zurück
geschnittener Tragrand, verhindert Druck auf den Spalt. Der Hufmechanismus führt somit
nicht bei jedem Schritt des Pferdes zum Auseinaderklaffen der seitlich des Spaltes gelegenen
Hornwände.
Hornspalt im hinteren Hornkapselbereich
Zusammenfassend ist ein Hufgeschwür für das Pferd, für den Besitzer und auch für den
behandelnden Tierarzt eine angenehme Diagnose. Besonders dann, wenn man die Dramatik
der ersten Minuten nach Erkennen der Lahmheit bedenkt und mit der in den meisten Fällen
schnelle Genesung vergleicht.
Kurzversion für eilige Leser
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Huf = Hufbein( Knochen) – Huflederhaut – Hornkapsel
Huf muss stabil und stoßdämpfend sein und Abrieb ersetzen
Hufgeschwüre sind Infektionen der Huflederhaut – vergleichbar mit einer
Nagelbettentzündung
Eintrittspforte der Infektion ist sehr häufig die weiße Linie
Beste Vorbeuge sind ausgewogene Ernährung, tägliche Hufpflege und Stallhygiene
Hufeisen helfen bei großer Anfälligkeit