Rezepte von Flüchtlingen - Amnesty International – Münster

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Rezepte von Flüchtlingen - Amnesty International – Münster
Die Welt
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8 . A uf l a g
2016
Rezepte von Flüchtlingen
Die Welt
kocht
Rezepte von Flüchtlingen
Wir danken Ravana und Shakeela sowie der Kochgruppe in Harsewinkel stellvertretend für alle
Köchinnen und Köche für ihre Gastfreundschaft. Die jeweiligen Ländergruppen von Amnesty
International waren uns eine kompetente Unterstützung bei der Zusammenstellung der Hintergrundinformationen. Besonderer Dank gilt Andreas Schwantner von der Fachkommission Asyl,
Amnesty International, für den fachlichen Rat bei der Aktualisierung dieser Auflage.
Der Erlös aus dem Verkauf des Kochbuchs ist für die Asylarbeit von Amnesty International bestimmt.
Inhalt / 5
Inhalt
8-14Vorweg
15Zahlen zu Asyl 2015
16-23 Recht auf Asyl
46-55Palästinensische Autonomiegebiete
51 Falafel
52 Humus, Mujadara
53 Köfte, Nudel-Reis-Mischung
54 Tabouleh, Corchorus
55 Arabischer Kaffee
24-25Übersicht der Länder
26-33 Roma
31 Gefüllte Paprika
32 Peperoni Gulasch
34-45Türkei
39 Yaprak Dolmasi
40 Tavuk, Mercimek Corbasi
41 Dolmali Köfte
42 Pide
43 Börek
44 Kirsir
56-65Syrien
61 Babaganoush, Tarator
62 Kaldum
63 Qatayif
64 Raiba, Ma‘amoul
65 Klitscha
66-73Aserbaidschan
71 Schabalid Govurma
72 Safranreis, Fisinjan
73 Aserbaidschanischer Cay, Gyl
6 / Inhalt
74-85Iran
79 Polo Sefit
80 Mirza Ghasemi, Polo Abkesch
81 Joghurtsoße, Bademjan
82 Estamboli Polo
83 Keschmesch Polo, Supe Morgh
84 Ghorme Sabsi, Kuku Sabsi
85 Lubia Khoresht, Borani
86-92Kurden
91 Tirsik
92 Fasoli
94-105Afghanistan
101 Borani Bademjan
102 Quabili
103 Karaji
104 Banjan Borani
105 Dal Korma
106-115Pakistan
111 Kheer
112 Bombay Biryani
113 Joghurtsoße als Chutney, Basmatireis
114 Okra-Schoten
115 Paratha
116-125
121
122 123
124
125
Bangladesch
Katla
Roti
Egg Fried Rice, Champignon-Vali
Mixed Vegetable Curry
Dal Curry, Lachi/Lassi
126-134Myanmar
133 Kazanhinga
134 Ohn Nho Khou Sue
136-147Sri Lanka
143 Rote Linsen, Weißkohlgemüse
144 Rote Bete Gemüse
145 Schweinefleischcurry
146 Rolls
147 Fischfrikadellen
Inhalt / 7
148-157Eritrea
153 Birsen, Kartoffel-Kohl-Pfanne
154 Zigni
155 Bebere Sitarameme, Alitscha
156 Deita
157 Himbasha
158-165 163
164
165
Ruanda
Ibishyimbo n’Ibijumba, Amashaza mu gitoke
Igisafuriya
Bananencreme
166-173Ghana
171 Jollof-Reis mit Fleisch oder Fisch
172 Fufu „with light sauce“
173 Scharfe Pfeffersoße
184-191Paraguay
189 Empanadas
190 Sopa Paraguaya
191 Maiskuchen
192-198Guatemala
197 Horchata
198 Knoblauchbutter
2 00-207Mexiko
205 Guacamole al chipotles, Ensalada de frutas
206 Sopa de frijoles negros
207 Mais-Tortillas
2 08-213Literatur
214-215Asylgruppen von Amnesty International
174-182Marokko
179 Harira
180 Kefta mit Ei
181 Couscous
182 Rosenwassersirup, Mandelmilchsirup
vorweg
Vorweg / 9
Menschen auf der Flucht
In vielen Teilen der Welt werden Menschen aus
politischen Gründen verfolgt, inhaftiert, gefoltert
und sogar getötet. Ein kleiner Teil der Menschen,
die sich diesem Schicksal durch Flucht entziehen konnten, kommt auf der Suche nach
Schutz z.B. in die Bundesrepublik Deutschland.
Und das ist ihr gutes Recht! In internationalen
Völkerrechtsverträgen wie beispielsweise der
Genfer Flüchtlingskonvention oder anderen
Resolutionen, wie der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte, haben sich Deutschland
und weitere Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union (EU) dazu verpflichtet, das Recht auf Asyl
und Flüchtlingsschutz umzusetzen. Mehr zu den
Grundlagen und zur Auslegung des deutschen
Asylrechts lesen Sie auf den Seiten 17-23. Im
politischen Alltag bleibt eine humanitäre Umsetzung des Asylrechts jedoch oft eine Wunschvorstellung, denn die deutsche und europäische
Flüchtlingspolitik ist an vielen Stellen auf
Abwehr und Abschreckung ausgerichtet.
zu einem solidarischen Miteinander führt.
Gleichzeitig wird die Debatte aber von vielen
skeptischen und fremdenfeindlichen Einstellungen und Handlungen geprägt: Zweifel an der
wirtschaftlichen Aufnahmefähigkeit Deutschlands, Sozialneid, Angst vor Terrorismus, Vorurteile gegenüber religiös und kulturell geprägten
Lebensweisen der Flüchtlinge. Diese Ängste
spielen der unterschwelligen Xenophobie sowie
dem mitunter sehr deutlichem Rassismus in der
deutschen Gesellschaft zu.
Das moderne Flüchtlingsschutzsystem entstand
auch als Reaktion auf die Gräueltaten des
Zweiten Weltkriegs, gerade weil man diejenigen
schützen wollte, die verfolgt wurden – für das,
was sie waren oder woran sie glaubten. Nach
dem starken Anstieg der Asylbewerberzahlen
im Herbst 2015 scheint dies durch die von der
Bundesregierung vorgenommenen Gesetzesverschärfungen im Asylrecht leider wieder in
Vergessenheit geraten zu sein.
Recht auf Asyl – politische Lösungen gefragt
Willkommenskultur und Angst vor dem Anderen
Die politische und gesellschaftliche Debatte
zur deutschen Flüchtlingspolitik ist ambivalent.
Zum einen setzen sich viele Menschen für eine
humanitäre Umsetzung des Asylrechts und des
Flüchtlingsschutzes ein. Viele Helfer/innen wollen Menschen nach ihrer Flucht Sicherheit und
Frieden geben, was als „Willkommenskultur“
< Über den Dächern von Istanbul
Unter Berücksichtigung der hohen Anzahl von
Flüchtlingen muss die Bundesregierung umdenken und neue Maßnahmen ergreifen, gerade
angesichts einer der größten humanitären Krisen
in nächster Nachbarschaft der EU – in Syrien.
Seit Beginn des Krieges in 2011 sind bis Oktober 2015 mehr als 4 Mio. Menschen aus ihrem
10 / Vorweg
Angekommen in Deutschland?
Geschnitten und gekocht
Heimatland geflohen, weitere 7,6 Mio. mussten
als Binnenflüchtlinge ihre Heimat verlassen und
leben nun gezwungener Weise an einem anderen
Ort in ihrem Land (Amnesty Report 2015).
Die unmittelbaren Nachbarländer Syriens, die
Türkei, der Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten
haben mehr als 80 Prozent der Flüchtlinge bei
sich aufgenommen. Alleine in der Türkei haben
1,9 Mio. Menschen Zuflucht gesucht (UNHCR
2015). In diesen Ländern erhalten die geflüchteten Menschen jedoch keine ausreichende
Versorgung in den Notunterkünften. Sie leben
meistens in Zelten ohne sanitäre Vorrichtungen
und mit unzureichender Lebensmittelversorgung.
Amnesty International fordert die EU-Staaten zur
verstärkten Aufnahme von Flüchtlingen auf.
In Deutschland stellten von Januar 2011 bis
Oktober 2015 knapp 700.000 Flüchtlinge aus
Syrien einen Asylantrag (UNHCR 2015).
Was die Asylsuchenden hier erwartet, ist oftmals nicht die lang erhoffte Sicherheit, sondern
ein Leben, das sie aufgrund von politischen,
rechtlichen und bürokratischen Hürden und
Einschränkungen meist nur in Trostlosigkeit,
Lethargie und Angst existieren lässt. So kann
es in Deutschland derzeit mehrere Monate
dauern bis ein Asylantrag gestellt werden kann.
Wurde der Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingereicht, können für die
Entscheidung ebenfalls viele Monate vergehen.
Einige südosteuropäische Länder, die keine EUMitgliedstaaten sind, werden von der Bundesregierung als sicher angesehen. Erst im Oktober
2015 wurden neben Bosnien-Herzegowina,
Mazedonien und Serbien nun auch Montenegro, Albanien und der Kosovo als sichere
Drittstaaten eingestuft. Amnesty International
weist immer wieder auf Grundlager eigener
Recherchen auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern hin. Möchten
Menschen aus diesen Ländern in Deutschland
um Asyl ersuchen, durchlaufen sie ein schnelleres Verfahren und erhalten nur in Ausnahmefällen einen positiven Bescheid.
Während Asylantragsstellende auf ihr Urteil
warten müssen, leben sie viel zu oft in einer
Welt, in der sie weder herzlich willkommen
sind, noch Möglichkeiten erhalten, sich eine
Vorweg / 11
Lebensperspektive zu erschaffen und ihre
kulturelle Identität zu leben. Der Kontakt zur
deutschen Bevölkerung wird ihnen dadurch
erschwert, dass sie zumeist in Gemeinschaftsunterkünften, abgeschieden von Stadtzentren,
untergebracht sind und ihnen kaum Möglichkeiten zum Spracherwerb eröffnet werden. Nur
selten kann die alltägliche Monotonie durchbrochen werden.
Kochen ist Heimat
Demonstration im Oktober 2013 in Gedenken an die ertrunkenen
Flüchtlinge vor Lampedusa
Ein Anlass dazu ist aber ganz sicher das Kochen heimatlicher Gerichte. Bei unseren Kontakten zu den geflohenen Menschen spüren wir
immer wieder, wie auf einmal der zermürbende
Alltag abgeschüttelt werden kann, wenn sie
die Möglichkeit erhalten, in die traditionelle
Esskultur einzutauchen. Mit einem Mal ist eine
Stimmung der Freude und der Fröhlichkeit da.
Diese Gelegenheiten sind selten, noch seltener
die Möglichkeit, sie mit Deutschen zu teilen.
Der Zwang, in Gemeinschaftsunterkünften zu
leben, gibt Asylsuchenden nur sehr beengten
Wohn- und Kochraum. In vielen Bundesländern
gehen die Einschränkungen noch viel weiter.
Dort werden die Flüchtlinge in Heimen mit
Fertiggerichten verpflegt. Deutsche Kantinenkost ersetzt dann den kleinen Bereich, in dem
eigene Essgewohnheiten bewahrt und gepflegt
werden könnte. Doch trotz dieser Umstände erfuhren wir bei Flüchtlingen immer wieder große
Gastfreundschaft, und es kam häufig vor, dass
wir zum Essen eingeladen wurden, wenn wir
mit Asylsuchenden zusammenarbeiteten, mit
ihnen über ihren Asylantrag, ihre Fluchtgeschichte oder ihre sozialen Probleme redeten.
So entstand die Idee, Informationen über die
politische Situation der Länder auch Ihnen,
liebe Leserin, lieber Leser, zusammen mit
deren typischen Gerichten in einem Kochbuch
näher zu bringen.
Notizen über dem Kochtopf
Immer dann, wenn wir von Flüchtlingen zum
Essen eingeladen wurden oder selber zum
gemeinsamen Kochen einluden, standen wir
mit Papier und Bleistift dabei und haben alles
genau protokolliert. So sind auch die zum Teil
nicht grammgenauen Mengenangaben zu verstehen (Hände, Tassen usw.). Wir haben alles
so aufgenommen, wie es uns gesagt wurde,
und es aufgeschrieben.
12 / Vorweg
EIn Kochbuch mit Tradition
Das Flüchtlingskochbuch erschien erstmals
1986 in zwei Auflagen und wurde zuletzt 2014
neu bearbeitet. Die große Resonanz veranlasste
uns zu einer Aktualisierung 2016. Da sich im
vergangen Jahr die rechtlichen Voraussetzungen
in Deutschland und die politische Situation in
den einzelnen Ländern geändert haben, wurden
die Texte erweitert und aktualisiert.
An dieser Stelle möchten wir noch das Feedback zu den vorherigen Auflagen des Kochbuchs, es seien zu wenig vegetarische Gerichte
enthalten, aufgreifen: Dieses Buch gibt die
Gerichte wieder, zu denen uns die Flüchtlinge
eingeladen haben. Unsere eigenen Vorstellungen, wie Flüchtlinge zu sein haben oder was
sie zu essen hätten, haben wir versucht zurückzuhalten. Um unseren eigenen Koch- und
Essgewohnheiten entgegenzukommen, haben
wir Abwandlungen und Tipps aufgenommen,
die auch ohne tierische Zutaten auskommen.
Zur Lektüre
In diesem Kochbuch können Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, einen Überblick zu der politischen Situation, zu militärischen Konflikten
und gesellschaftlichen Herausforderungen
in 19 Ländern verschaffen. Die Auswahl der
Länder ist jedoch in keiner Weise repräsentativ. Weder die Lage der Menschenrechte in den
Die Lage vor Ort: Amnesty-Mitarbeiter/innen sprechen mit Flüchtlingen in Griechenland.
Herkunftsländern noch die absolute Anzahl der
Flüchtlinge aus diesen Ländern, sondern einzig
und allein der Kontakt zu unserer Gruppe und
die Einladung zum Essen waren das Kriterium
für die Aufnahme in dieses Buch. So finden
sich neben „typischen“ Herkunftsländern politischer Flüchtlinge, wie Iranern oder Kurden,
auch Länder wie Paraguay oder Myanmar, aus
denen seltener Menschen in Deutschland um
Asyl ersuchen, im Kochbuch wieder. Ebenso
vielfältig ist die Art der Darstellung, denn alle
Texte verfassten die Mitglieder unserer Gruppe, mit Unterstützung der Länderexperten
von Amnesty International, und zeichneten
mit ihren individuellen Schreibtemperamenten
unterschiedliche Akzente.
Bewusst wurden Flüchtlingsgeschichten aus
dem gesamten Zeitraum der vergangenen 25
Jahre in diesem Buch belassen, um zu verdeutlichen, dass das Recht auf Asyl kein „Tagesthe-
Vorweg / 13
Auch mal probieren? Die Mitglieder der Asylgruppe beim Kochabend
ma“ ist. In frustrierender Regelmäßigkeit finden
Menschen auf der Flucht aus ihren Heimatländern nicht den Weg in die EU, sondern in
Zeitungs- und Fernsehberichte. Meist bedeutet
das: Sie sind ertrunken, erstickt oder erfroren
auf ihrer Flucht und werden zu Objekten auf
der Suche nach politischer Verantwortung unter
Entscheidungsträgern.
Das vorliegende Buch beruht auf Erfahrungen
aus dreißigjähriger Praxis in der Beratung von
Asylsuchenden. Gleichwohl können die Informationen aufgrund des rasanten Anstiegs der
Flüchtlingszahlen und der daraus folgenden
asylrechtlichen Entwicklungen in Europa den
aktuellen Stand nur unzureichend wiedergeben. Wir hoffen, dass es dennoch dabei helfen
kann, ein positiveres Bild von Flüchtlingen in
unserem Land zu vermitteln, als es leider an
vielen Stellen in den Medien und öffentlichen
Diskussionen gezeichnet wird.
Kommen Sie mit uns auf eine kulinarische Reise um die Welt. Zur Orientierung: Die Länder
folgen einer Route, auf der die verschiedenen
Kontinente nacheinander bereist werden. Eine
Übersicht der Länder finden Sie auch auf
S. 24/25. Für uns gehörte das Kochen der Rezepte und natürlich das Essen zum Schönsten
bei der Vorbereitung des Kochbuches und wir
hoffen, dass auch Sie Freude am „Geschmack“
anderer Kulturen und Regionen dieser Welt
haben.
Wir wünschen Ihnen, liebe Leserin, lieber
Leser, eine anregende Lektüre, eine gelingende
Zubereitung der Gerichte und guten Appetit!
Asylgruppe Münster
Amnesty International, Bezirk Münster-Osnabrück
im Januar 2016
24 / WeltkaRte
Marokko
Mexiko
Guatemala
Ghana
Paraguay
WeltkaRte / 25
Roma
Aserbaidschan
Türkei Kurden
Syrien
Afghanistan
Iran
Palästinens.
Pakistan
Autonomiegebiete
Bangladesch
Myanmar
Eritrea
Sri Lanka
Ruanda
Übersichtskarte zu den
Ländern, aus denen die
Rezepte stammen
aserbaidschan
Aserbaidschan / 67
Von der Demonstration in die Haft
Am 10. März 2013 wollen drei junge Männer,
Bakhtiyar Guliyev (20 Jahre), Shahin Novruzlu
(17 Jahre) und Mahammad Azizov (20 Jahre), die der politischen Jugendgruppe N!DA
angehören, an einer Demonstration in der
Hauptstadt Baku teilnehmen. Sie wollen ihre
Stimmen erheben gegen die unaufgeklärten
Todesfälle beim aserbaidschanischen Militär. Doch bevor sie überhaupt demonstrieren
können, werden sie am 7. März von der Polizei
festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, Drogen und Sprengstoff zu besitzen und durch
Rowdytum aufzufallen. Es folgt ein Gerichtsverfahren, in dem sie zusätzlich wegen des
angeblichen Besitzes von Molotow-Cocktails
und der Störung der öffentlichen Ordnung
angeklagt werden. Die Behörden beziehen sich
dabei auf Beweismittel, die sie angeblich in
den Wohnungen der jungen Männer gefunden
haben. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu
zwölf Jahren.
Eine andere Wahrheit
Aus Sicht der drei Männer ist die Wahrheit
eine andere: Sie besaßen weder Drogen noch
Sprengstoff, stattdessen wurden ihnen die
Beweismittel von Zivilpolizisten während der
Durchsuchung ihrer Wohnungen untergeschoben. Zu ihren „Geständnissen“ wurden sie
gezwungen, wobei ihnen ein Rechtsbeistand
< Die Teppichstraße in der Altstadt von Baku
LÄNDERINFO Aserbaidschan
Amtliche Bezeichnung: Republik Aserbaidschan
Hauptstadt: Baku
Einwohner: 9,78 Mio.
Fläche: 87.000 km²
Lebenserwartung: 72,2 Jahre
Kindersterblichkeit: 25,68 pro 1.000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 99,8 %
Religionszugehörigkeiten: muslim. (93,4 %), russ.-orthodox (2,5 %), armen.-orthodox (2,3 %), Andere (1,8 %)
Politisches System: Präsidialrepublik mit
Mehrparteiensystem
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Menschenrechtsverletzungen: Folter, Misshandlungen,
Verletzung der Pressefreiheit, der freien Meinungsäußerung, der Versammlungs-/Vereinigungsfreiheit
Aktuelle Konflikte: Berg-Karabach
Ukraine
Kasachstan
Georgien
Armenien
Aserbaidschan
Turkmenistan
Türkei
Iran
68 / Aserbaidschan
Blick auf die Hauptstadt Baku
ihrer Wahl verweigert wurde. Sie klagen darüber,
während der Verhöre gefoltert und misshandelt
worden zu sein.
unter anderem der Europäischen Menschenrechtskonvention. Am 27.12.2011 wurde ein
nationales Aktionsprogramm zur Verbesserung
der Menschenrechtslage verabschiedet.
Abkommen zum Schutz der Menschenrechte
Rufmord, Körperverletzungen, Folter
Mindestens fünf weitere junge Männer sind
im Frühjahr 2013 unter ähnlichen Umständen
verhaftet worden, auch ihnen sind die Beweismittel untergeschoben worden. Sie alle wollten
bei einer friedlichen Demonstration ihr Recht
auf freie Meinungs- und Redefreiheit ausüben.
Ein Menschenrecht, das in Aserbaidschan stetig
verletzt wird, obwohl es durch nationales und
internationales Recht garantiert wird: Mit seiner
Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 gab
sich das Land seine Verfassung, die einen umfassenden Menschenrechtskatalog beinhaltet.
Die Todesstrafe wurde 1998 abgeschafft. Das
Land ist einer Reihe internationaler Abkommen
zum Schutz der Menschenrechte beigetreten,
Die Realität spricht eine andere Sprache.
Kritische Stimmen sollen mundtot gemacht
werden. Journalisten sehen sich Rufmordkampagnen ausgeliefert, wie die Reporterin
Khadija Ismayilova, oder ihnen drohen Körperverletzungen, wie dem Journalisten Idrak
Abbasov. Ein Polizist schlug ihn bewusstlos,
als er versuchte, die rechtswidrige Zerstörung
von Häusern am Stadtrand von Baku zu filmen.
Gesetzesänderungen erschweren Nichtregierungsorganisationen, kritischen Journalisten
und Religionsgemeinschaften die Arbeit. Die
Regierung unter Präsident Aliyev (seit 2003 im
Amt) geht mit Einschüchterungen und Inhaf-
Aserbaidschan / 69
tierungen gegen regierungskritische Personen
und Gruppen vor. Friedliche Demonstrationen
im Zentrum der Hauptstadt Baku sind faktisch
verboten und werden von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Es gibt zahlreiche Berichte über
Folter, insbesondere in Polizeigewahrsam. Die
Regierung hat im Mai/Juni 2013 den Straftatbestand der Verleumdung und Beleidigung auch
auf Publikationen im Internet ausgedehnt – als
weiteres Instrument, um gegen kritische Stimmen vorzugehen.
Keine der Wahlen in den letzten zehn Jahren
wurde von internationalen Beobachtern als frei
eingestuft. Gerade im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom 9. Oktober 2013 gingen
seit Anfang 2013 tausende Menschen in
unabhängig organisierten Protesten gegen die
Korruption und den Machtmissbrauch durch
die Regierung auf die Straße.
Parallel dazu verstärken die Mächtigen die
Repressalien – Oppositionspolitiker wie Ilqar
Mammadow von der REAL-Bewegung und Tofiq
Yaqublu von Müsavat, kritische Journalisten
und zivilgesellschaftliche Aktivisten wurden
festgenommen und häufig zu Verwaltungshaft
verurteilt, Nichtregierungsorganisationen wie
das EMDS (Election Monitoring and Democratic Studies Center) an ihrer Arbeit gehindert
und Zeitungen wie Azadliq und Yeni Müsavat
mit Verleumdungsklagen überzogen.
Beim Backgammonspiel
Flucht aus Aserbaidschan – ein Ausweg?
Aufgrund der genannten Menschenrechtsverletzungen und der Folgen des weiterhin ungelösten Konflikts um die Region Berg-Karabach,
die hauptsächlich von Armeniern bewohnt ist
und sich für unabhängig erklärt hat, fliehen die
Menschen aus dem Land am Kaspischen Meer.
Im Jahr 2013 reichten 905 Personen aus Aserbaidschan erstmals einen Antrag auf Asyl beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein.
In Deutschland leben 15.637 Personen mit
aserbaidschanischer Herkunft (Stand 2015).
Rezepte
aserbaidschan
Rezepte Aserbaidschan / 71
Schabalid govurma (Kastanienragout)
 Gäste & Feste 35-40 Min. M
Das Fleisch in kleine Stücke schneiden und 5 Min. abkochen (Wasser aufbewahren). In einer Pfanne mit Öl die kleingeschnittenen Zwiebeln anbraten
und das Fleisch dazugeben. Für 6 Min. anbraten.
Die Früchte in Wasser einweichen. Die Kastanien in einen Pfanne mit Sonnenblumenöl andünsten, die Früchte hinzugeben. Das Ganze auf mittlerer
Hitze anschwitzen bis die Kastanien gelblich schimmern (ca. 8 Min.).
Fleisch und Kastanien in einer Pfanne mischen. Etwas Wasser vom Abkochen des Fleisches dazugeben. Das Gericht mit Kurkuma, Pfeffer und Salz
abschmecken und bei niedriger Hitze noch mal 5-10 Min. erhitzen.
Das Gericht wird traditionell mit Safranreis serviert.
< Tomatenverkäufer in Baku
400 g Putenfleisch
oder Rindfleisch
2 Zwiebeln
100 g getrocknete Früchte
(Aprikosen, Pflaumen und
Turschu)
150 g Esskastanien
(geschält)
Kurkuma
Salz
Pfeffer
72 / Rezepte Aserbaidschan
Safranreis
400 g Basmatireis
2 EL Butter
½ TL Safranfäden
750 ml Gemüsebrühe
Salz
 Beilage  15 Min. M
Den Reis gründlich waschen, in einem Sieb zum Abtropfen beiseite stellen.
Butter in einem Topf erhitzen. Den Reis hinzugeben und 2 Min. anbraten. Mit
Gemüsebrühe aufgießen, Safran und Salz zum Reis geben und Hitze reduzieren. Topf zudecken und bei geringer Hitze köcheln lassen, bis das Wasser
aufgesogen ist. Zwischendurch ab und zu mit einer Gabel den Reis auflockern.
Fisinjan
500 g dicke Bohnen (rot)
1 Zwiebel
Tomatenpaste
150 g Walnüsse (gehackt)
Granatapfelkerne
Wasser
Salz, Pfeffer
Koriander
 macht satt  30 Min. M
Zwiebel würfeln und in einem Topf anbraten, die Bohnen dazugeben und mit
Wasser aufkochen. Tomatenpaste, Walnüsse und Granatapfel hinzugeben.
Das Ganze 15 Min. zusammen kochen, mit Salz und Pfeffer und Koriander
würzen.
Alternativ isst man dieses Gericht auch mit Innereien vom Schaf.
Rezepte Aserbaidschan / 73
Aserbaidschanischer Cay
 Der Klassiker  10 Min. M
Ceylon Tee
Samowar
Bereiten Sie den Ceylon Tee im Samowar zu, eine russisch-türkisch und
türkisch-persische Teemaschine, die aus einem mit Holzkohle oder auch
elektrisch beheizten (kupfernen) Kessel besteht und einen Ablasshahn
besitzt.
Dazu isst man Süßigkeiten, zum Beispiel Marmeladen wie Gyl.
Gyl
 Das Besondere  5 Std. M
Marmelade aus Rosenblättern, die es nur in Aserbaidschan gibt.
Die Marmelade wird abwechselnd aufgekocht und anschließend für 5 Stunden ruhen gelassen (4 Mal).
2 kg Rosenblätter
Rosenwasser
Zucker
rezepte von Flüchtlingen
Kochen für die Menschenrechte: Durch die
wöchentliche Beratungsarbeit lernten die Mitglieder der Amnesty Asylgruppe in Münster
viele Asylsuchende kennen. Der Begleitung im
Asylverfahren folgten Einladungen zum Essen –
so konnte das Amnesty-Team viele Gerichte aus
den Herkunftsländern kennenlernen. Während
des gemeinsamen Kochens schauten sie über
die Schulter, schrieben mit und teilen den internationalen, kulinarischen Reichtum gern mit
allen Kochbegeisterten.
AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e. V.
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„Die Welt kocht“ ist mehr als ein Kochbuch. Die
über 90 Rezepte – nach den Herkunftsregionen
der Flüchtlinge gegliedert – sind angereichert
mit Hintergrundinformationen zur Menschenrechtslage im jeweiligen Land und Wissenswertem zum Thema Asyl und Flüchtlinge in
Deutschland.
Jetzt in der aktualisierten, 8. Auflage.