Werner Katzengruber_2010

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Werner Katzengruber_2010
Katzengruber, Werner: „Wir machen Kunstgeschichte mit dem Ziel, unsterblich zu werden –
Interview mit Gerd Harry Lybke“, in: Mythos Führungskraft, 2010, Weinheim, S.230 – 244.
Werner Katzengruber
(H1) Intervie w mit Gerd Harry Lybke (16. Februar 2010)
Der 1961 in Leipzig-Meusdorf geborene Gerd-Harry Lybke zählt zu den welt weit erfolgreichsten
Galeristen. Sein ursprünglicher Berufs wunsch war Kosmonaut zu werden, wollte aber nicht
nach Moskau gehen um das Studium dort zu absolvieren. Sein nächster Berufs wunsch war
Atomkraft werke zu bauen, doch auch dieser wurde ihm ver wehrt. Er absolvierte darauf hin eine
Lehre bei den Kirow Werken in Leipzig und wurde Maschinenbaumonteur. Allerdings erfüllte
dieser Beruf ihn nicht und er beschloss Schauspieler zu werden. Nachdem seine Karriere durch
Berufsverbot unterbrochen wurde, landete er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in
Leipzig. Dort war er nicht als Student eingetragen, sondern als Aktmodell für die Studenten.
Durch den Kontakt zu den jungen Künstlern entdeckte er seine Chance und beginnt die Werke
befreundeter Maler in seiner Wohnung auszustellen. Die erste Ausstellung mit dem Titel „Die
neuen Unkonkreten“ legte den Grundstein für eine außerge wöhnliche Karriere und war der
Beginn seiner Arbeit als Galerist. Lybke, der von seinen Freunden Judy genannt wird, nutzte den
Mauerfall um die befreundeten Maler im Westen der Bundesrepublik bekannt zu machen. Das
Interesse an ostdeutscher Kunst war schnell geweckt und er brachte den Maler Neo Rauch an
die Spitze eine Bewegung die sich neue Leipziger Schule nannte. Er verstand es, Neo Rauch an
den international so entscheidenden Kunstmarkt der USA zu etablieren und sorgte dafür, dass
seine Bilder heute in fast allen relevanten Kunstsammlungen hängen. Lybkes Anspruch an seine
Arbeit ist simpel, er will Kunstgeschichte schreiben, unsterblich werden und so wie es aussieht,
ist er auf dem besten Weg dahin. In seinem früheren Leben in der DDR war er nach eigener
Definition ein Asozialer, am Rand der Gesellschaft lebender junger Mann, mit Berufsverbot und
vielen Träumen. Ich habe damals nur die Looser vertreten, die Künstler, die nicht angenommen
wurden, sagt Lybke heute und genau diese Schule hat mich als Galerist so erfolgreich werden
lassen.
Ich habe ihn durch eine Freundin kennen gelernt, die in seiner Galerie Eigen + Art in Berlin
arbeitete. Ihre Erzählungen weckten meine Neugier und ich lernte ihn kennen und schätzen. Er
stellte das Bild, dass ich von einem Galeristen hatte grundsätzlich auf den Kopf. Er führt
achtzehn Mitarbeiter in Berlin und Leipzig, die meisten von ihnen sind Frauen. Er ist auf allen
wichtigen Kunstmessen der Welt und trotzdem weiß jeder Mitarbeiter über alles was in der
Galerie passiert bescheid. Seine unkonventionelle und doch absolut klare Art der
Menschenführung ist allerdings auch in der Kunstszene außerge wöhnlich und so möchte ich
Ihnen unser Interview nicht vorenthalten.
F: Wie führst Du Deine Mitarbeiter/innen?
A: Eigentlich wird die Galerie ja geführt durch die Gesamtheit derjenigen, die hier arbeiten. Also
nicht wirklich von mir. Ich bin der Sammelpunkt, der Ausgleich und manchmal auch der
Prügelknabe, je nach dem was gerade passiert ist.
F: Das bedeutet, Du führst nicht sondern wirst geführt?
A: Nein, ganz und gar nicht. Ich gebe Dir ein Beispiel. Wir haben jeden Morgen um zehn uhr
dreißig eine Dienstberatung.
F: Nennt ihr dieses Treffen wirklich Dienstberatung?
A: Ja, klar. Klingt vielleicht et was spießig ist aber das beste Instrument um klar zu machen um
was es geht. Am Anfang dauerten diese Dienstberatungen noch eine Stunde aber das war
Quatsch. Heute sind alle Mitarbeiter vorbereitet und wir sind in einer viertel Stunde damit durch.
Dann ist alles klar und das was nicht klar ist, wird besprochen, in Arbeitsgruppen verteilt und die
müssen sich dann darum kümmern, denn am nächsten Morgen gibt es ja wieder eine
Dienstberatung und da sollte alles erledigt sein. Wichtig ist, dass das was reinkommt sofort in die
richtigen Kanäle geleitet wird und sich nicht im Tagesgeschäft verflüchtigt.
F: Ist Transparenz für alle Mitarbeiter wichtig?
A: Ja selbstverständlich. Jeder von uns weiß alles über das was in unseren Galerien, bei
unseren Künstlern und unseren Sammlern passiert. Jeden Abend wenn die Kolleginnen und
Kollegen mit ihrer Arbeit fertig sind, schreiben sie einen Tagesbericht. Alle Tagesberichte kommen
zu mir und ich kann mir ansehen, wer sich mit welchen Themen beschäftigt hat und wo es
Probleme gab. Aber nicht nur ich bekomme diese Tagesberichte, sondern alle Mitarbeiter
bekommen alle Tagesberichte, damit sie über die Tätigkeiten in den Galerien informiert sind. Jeder
weiß alles. Welche Mails beant wortet wurden und warum die eine Entscheidung so oder anders
ausgefallen ist.
F: Wie viel Zeit brauchst Du pro Tag um die ganzen Tagesberichte zu lesen?
A: Ich nehme mir morgens eine Stunde, manchmal eineinhalb Stunden Zeit um die Tagesberichte
zu lesen. Aber diese Zeit ist gut investiert, das kannst Du mir glauben. Wenn jeder Manager
wüsste, was seine Mitarbeiter den ganzen Tag so treiben, hätten wir hier weniger Probleme in
der Wirtschaft. Bevor meine Mitarbeiter im neun Uhr in die Galerien kommen, habe ich schon die
Kommentare und Ant worten geschrieben, die notw endig waren. Jeder hat also auf seine Frage
oder seine spezielle Problemstellung ein Schreiben von mir erhalten. Aber nicht nur der
Mitarbeiter, der eine Frage hat, bekommt eine Ant wort. Sowohl die Frage als auch die Ant wort
geht wiederum an alle Mitarbeiter, so dass jeder informiert ist. Wir sind ein System in dem alles
offen liegt und jeder weiß was der andere zur Zeit für Themen und Probleme hat. Nur durch
absolute Transparenz bekommen wir diese hohe Arbeitsqualität und das Vertrauen in die
Fähigkeiten der Kolleginnen und Kollegen.
F: Das klingt, als ob Deine Mitarbeiter mehr Zeit mit Lesen als mit Arbeiten verbringen.
A: Gar nicht, denn wir sind ein eingespieltes Team und unsere Arbeitsprozesse sind klar.
Außerdem hat es den Vorteil, dass wenn jemand ausfällt, alle anderen sofort wissen wo sie sich
einbringen können, damit kein Chaos entsteht. In den meisten Tagesberichten werden die
Tätigkeiten auch nur noch als Stichpunkte beschrieben. Nur wenn et was unklar ist, müssen wir
uns zusammensetzen um das Thema für uns zu klären.
F: Absolute Transparenz bei totaler Kontrolle, ist das Dein Erfolgsgeheimnis?
A: Was die Mitarbeiterführung betrifft, absolut. Wir sind hierarchisch strukturiert, wie bei der
Armee. Es gibt eine klare Befehlskette und klare Verant wortlichkeiten. Wir haben uns dieses
System selbst aufgebaut, weil es funktioniert. Bei den vielen Tätigkeiten die in unserem Job
anfallen wäre es für uns gar nicht möglich anders zu arbeiten. Vor allem für mich ist diese klare
Hierarchie und Offenheit wichtig, da ich ja sehr viel unter wegs bin. Das verlangt auch von mir viel
Disziplin, da ich von sieben bis neun Uhr alle Tätigkeitsberichte gelesen und meine Anmerkungen
dazu geschrieben haben muss. Egal wo auf der Welt ich gerade bin.
F: Gibt es ein klare Ziel für das alle Mitarbeiter arbeiten?
A: Pass auf. Lybke steht auf und ruft seinen Mitarbeitern zu: „Was ist das, was wir hier
machen?“ Im Chor ertönt eine Ant wort: „Wir machen Kunstgeschichte“. Siehst Du, so einfach ist
das. Im Zentrum unserer Arbeit stehen die Künstler, die wir vertreten. Die meisten Galerien
vergessen, dass ihr eigentliches Arbeitsmittel die Künstler sind. Das ist ganz gefährlich. Wir
arbeiten anders als alle anderen Galerien.
F: Was machen andere Galerien anders?
A: Alle Galerien vertreten Künstler, so weit so gut. Nur diese Künstler werden auch noch von
vier oder fünf anderen Galerien vertreten. Jetzt kommt ein Sammler und will etwas von diesem
Künstler kaufen. Der Sammler weiß, dass der Künstler noch in anderen Galerien hängt. Also was
macht er? Er rennt von einer Galerie zur anderen, schaut sich die Bilder an, versucht im Preis zu
feilschen. Worum kümmert sich der Galerist? Er muss sich um den Sammler kümmern, denn er will
etwas verkaufen. Die Galerien in denen der Künstler hängt haben also ein Konkurrenzproblem.
Folge dessen wird dem Sammler über den Kopf gestreichelt, er wird umhegt und gepflegt, nur um
den Künstler kümmert sich keiner mehr. So ist das System in nahezu allen Galerien, sie müssen
Ihre Ware an den Sammler verklopfen.
F: Was machst Du besser?
A: Ich kümmere mich um meine Künstler und sie haben nur mich als Galeristen. Sie hängen nicht
in fünf Galerien, sondern nur bei mir. Und damit das so bleibt, muss ich dafür Sorgen besser zu
sein als alle anderen Galeristen. Ich bin verant wortlich für den Erfolg oder Misserfolg meiner
Künstler und sie müssen wissen, dass sie bei mir in den besten Händen sind. Wenn sie das nicht
mehr spüren, werden sie mich verlassen. Die anderen Galeristen müsse von ihren sechzehn
Wachstunden am Tag mindestens zehn dafür , um sich um die Sammler zu kümmern. Ich muss
das nicht. Bei mir muss nur das Produkt stimmen. Ich muss mich nur um den Künstler kümmern.
Dadurch ist der Künstler viel enger mit mir verbunden und das ist eine völlig andere
Zusammenarbeit, als wenn du nur mit Kunst handelst.
F: Deine Künstler müssen Dir sehr vertrauen, da sie ihr Schicksal in Deine Hände legen.
A: Ich muss den Künstlern doch auch vertrauen. Wir haben keine schriftlichen Verträge oder
irgend welche Papiere die den Künstler oder Galeristen zu Sklaven des Systems machen. Ich
muss jeden Tag der Beste für meine Künstler sein. Künstler kommen ja auch nicht von heute auf
morgen zu mir. Jeder Künstler mit dem ich arbeite, w urde von mir über vier oder fünf Jahre
beobachtet. Gleichzeitig habe ich den Künstlern die Gelegenheit gegeben, mich zu beobachten.
F: Nach welchen Kriterien wählst Du Künstler aus?
A: Er muss zu mir passen. Ich wähle nicht danach aus, ob ein Künstler einen interessanten Stil
hat oder et was besonderes auf die Leinwand gebracht hat. Das Bild ist völlige Nebensache,
uninteressant. Der Typ ist wichtig. Wenn Du einen Künstler aus wählst nur weil er jetzt gerade
drei gute Arbeiten gemacht hat bist du auf dem Holz weg. Wenn du ihn des wegen aus wählst
muss der arme Mensch diese drei Bilder immer wieder reproduzieren um dir zu gefallen. Viel
wichtiger ist der Mensch im Künstler. Wie entwickelt er sich? Kann er mit Niederlagen umgehen?
Ist er geerdet und nimmt er Kritik an? Besitzt er die Fähigkeit zur Selbstreflektion? Das sind die
entscheidenden Faktoren bei der Aus wahl eines Künstlers. Natürlich ist sein Werk auch eine
Frage der Qualität, so eine gewisse Grundsubstanz muss vorhanden sein, aber das ist ja
selbstverständlich. Wenn er sich selbst überprüfen kann und den Mut besitzt sich außerhalb
seiner Grenzen zu be wegen, dann kann man mit diesen Künstler zusammen arbeiten.
F: Bist Du in ständigen Kontakt mit Deinen Künstlern?
A: Klar, wir sprechen ständig miteinander und beeinflussen uns gegenseitig. Das hat auch mit
Kritik zu tun aber am Ende des Tages geht es darum, dass wir alle aus uns das Bestmögliche
heraus holen können. Ich werde auch oft gefragt, ob sich ein Neo Rauch noch kritisieren lässt,
aber die Frage ist an und für sich schon falsch. Ein Künstler ist nur gut, so lange er sich auf Kritik
einlässt und daraus et was lernt. Du kannst nur wachsen, wenn du im ständigen Dialog mit
Menschen bist, die dir Feedback geben. Das ist ja das Problem mit Künstlern die fünf Galeristen
haben. Wenn so ein Künstler eine schlechte Phase hat und seine Bilder nicht so gut werden,
dann hat er die Möglichkeit auf vier andere Positionen auszu weichen. Wer macht das nicht. Er
muss sich der Kritik nicht stellen. Das ist wie bei Mitarbeitern. Wenn die keine klare Hierarchie
haben und nicht wissen, wer ihr Chef ist, dann w erden sie versuchen bei Fehlern immer dort hin
zu gehen, wo am wenigsten Sanktionen drohen. Bei mit kommt immer der Mensch zuerst, egal ob
bei Künstlern oder bei Mitarbeitern.
F: Hast Du jemals Managementtechniken gelernt oder Führungsseminare besucht?
A: Nein. Es ist doch nicht so sch wer. Wir haben eine klare Struktur und jeder weiß wer
Weisungsbefugt ist. So geht das einfach von oben nach unten und dennoch wird alles diskutiert.
Hierarchie und Team widersprechen sich nicht, im Gegenteil. Es gibt nur eine gute Teamarbeit,
wenn jeder auch seinen Platz im Team kennt. Nur dann kann nach der bestmöglichsten Lösung
gesucht werden. Wenn es dann Situationen gibt, in denen das Team nicht weiß was man
machen soll, dann muss es jemanden geben der Entscheiden kann.
F: Das heißt, Du lässt die Dinge so lange im Team bis Du selbst eine Entscheidung treffen musst
weil es das Team nicht kann.
A: Entweder ich treffe dann eine Entscheidung oder derjenige, in dessen Aufgabenbereich das
Problem fällt. Es gibt ja Bereiche die ich gar nicht mehr überblicke. Wie schon gesagt, ich kümmere
mich hauptsächlich um die Künstler.
F: Was ist Dein Ziel, was treibt Dich an?
A: Unsterblichkeit. Den Künstlern den Stellenwert zu geben den sie verdient haben. Wir sind
damit auch schon ziemlich weit.
F: Warum ist Unsterblichkeit so wichtig?
A: Na hör mal, warum sollst du denn sonst morgens aufstehen? Weltruhm, Kunstgeschichte
schreiben, Unsterblich sein, dass sind die Dinge die mich antreiben. Ich habe ein komplettes
Archiv der Galerie, vom ersten Tag an. Wichtig ist, dass dies schon zu Lebzeiten fertig ist, damit
es für die Nach welt auch nur in dieser einen Lesart verstanden werden kann.
F: Du lebst also um Dein Vermächtnis für die Nachwelt zu sortieren. Kommt dabei das Leben nicht
etwas zu kurz?
A: Nein, auf keinen Fall. Ich muss doch jetzt etwas vorbereiten damit die Leute Spaß haben nach
meinem Ableben.
F: Bist Du ein Machtmensch?
A: Klar ist Macht wichtig. Wer nicht versucht die Macht die er hat zu nutzen ist sch wachsinnig.
Ein wichtiger Punkt ist auch Mythos. Man muss Mythen schaffen um unsterblich zu werden. Die
Wahrheit von allem ist, auch schlechte Menschen strengen sich an. Aber nicht jeder hat mit dem
was er tut Erfolg. Ich wollte Kosmonaut werden, dann wollte ich Atomkraft werke bauen, dann
war ich Schauspieler und am Ende habe ich entdeckt, das ich einfach ein Galerist bin. Ich habe
einfach viele Dinge versucht um das Richtige zu finden. Wer macht das heutzutage schon?
F: Hast Du eine hohe Fehlertoleranz?
A: Ich er warte von allen Mitarbeitern dass sie Fehler machen. Das ist total wichtig, genau wie bei
einem Künstler. Wenn er keine Fehler macht, kann er sich nicht entwickeln. Wenn er keine Fehler
wahrnimmt ist das schlecht für seine Entwicklung und genau so ist es auch bei meinen
Mitarbeitern. Auch sie müssen Fehler machen für ihre Entwicklung. Das wichtigste ist, dass sie
ihre Fehler sofort anmelden. Das Schlimmste was passieren kann, sind Fehler die verschleppt
w erden. Damit das nicht passiert haben wir absolute Transparenz in allen Vorgängen. Jeder
weiß was wir für wie viel an wen verkauft haben. Das ist in anderen Galerien unmöglich. Ich bin
ein Verfechter der These, das nicht die Umstände die Situation bestimmen, sonder ich die
Umstände. Stell dir vor beim Billard spielen kommt es nicht darauf an wie du die Kugel triffst
sondern wie die Banden gestellt sind. Ich bin derjenige der die Banden so stellt, dass die Kugel
immer den richtigen Verlauf nimmt, egal wo du sie triffst. Das ist meine Art dieses Geschäft zu
betreiben.
F: Bist Du ein guter Verkäufer?
A: Man sagt mir nach, dass ich ein guter Verkäufer bin. Aber, man kann bei mir nichts kaufen.
F: Sondern?
A: Alles schon weg (grinst dabei). Ein weiterer Unterschied zu anderen Galerien ist, dass unsere
Künstler nicht so viel produzieren. Z wanzig Bilder im Jahr ist vertretbar und sorgt auch für gute
Qualität. Diese z wanzig Werke sind bei einem bekannten Künstler auch nicht sch wer zu
verkaufen. In der Regel warten die Sammler schon darauf und ich muss mir eher überlegen, wer
welches Werk bekommt.
F: Du bist also nicht von der Wirtschaftskrise betroffen?
A: Doch, aber während andere Galerien siebzig Prozent Umsatzeinbußen haben, liegen wir
vielleicht bei fünfzig Prozent. Aber das ist mir relativ egal, denn unser Gewinn ist nicht geringer
ge worden. Ich bin Geschäftsmann das hat mit Kunstgeschichte erstmal nichts zu tun.
F: Nach welchen Kriterien machst Du die Preise der Bilder?
A: Der Preis kommt von alleine. Jeder fängt erst einmal bei null an und wenn er et was verkauft,
geht der Preis leicht nach oben. Was dann kommt sind die Faktoren Angebot und Nachfrage. So
lange alle Bilder verkauft werden, kann man auch mit den Preisen nach oben gehen. Der
Unterschied z wischen einem cleveren und einem nicht so cleveren Geschäftsmann ist, dass der
Clevere dieses Spiel nicht so weit treibt dass nur noch z wei Sammler da sind, die sich für die
Bilder interessieren. Die Anzahl der Mitspieler muss drei oder viermal so groß sein wie die Anzahl
der Ware, dann wird ein gutes Spiel daraus. Das ist wichtig, damit Du derjenige bist der
aus wählen kann, wer ein Bild bekommt und nicht umgekehrt. Der Preis hat nichts mit dem Bild zu
tun, er ist nur eine lapidare Feststellung. Er hat auch nichts mit der Qualität der Arbeit zu tun. Preis
ist losgelöst von aller Qualität.
F: Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?
A: Mehrere würde ich sagen. Nachhaltigkeit ist einer der wichtigsten Faktoren. Ich arbeite mit den
meisten Künstlern seit neunzehnhundertdreiundachtzig zusammen. Auch meine Mitarbeiter sind
sehr lange bei mir. Dieses Geschäft verstehst du nicht in drei Jahren, auch wenn es viele
glauben. Ich kenne wenig Galeristen die einen Künstler so lange begleiten und seine Karriere mit
prägen. Diese lange Zeit der Zusammenarbeit ist nie ohne Konflikte, aber wertvoll für die
Ent wicklung auf beiden Seiten.
F: Bist Du mit Deinen Künstlern befreundet?
A: Ich von meiner Seite aus, glaube ja immer noch, dass ich befreundet bin mit meinen Künstlern.
Ob das von der anderen Seite auch so gesehen wird hinterfrage ich an dieser Stelle nicht mehr.
Man kennt sich schon sehr lange und hat immer noch ein freundschaftliches Verhältnis
zueinander. Aber man verbringt die Nächte nicht mehr zusammen auf Partys oder Ausstellungen.
F: Bist Du ein Menschenfreund?
A: Ja, ich mag Menschen und wenn dir Menschen als Führungskraft nichts bedeuten, wirst du
auch nie wirklich gut werden. Während sich andere Menschen an Kunst werken begeistern,
begeistere ich mich für Menschen, die etwas be w egen, für et was einstehen und dafür auch
etwas tun. Führung bedeutet für mich, Menschen dort einzusetzen wo sie ihr Ding durchziehen
können. Ich kann nur so gut sein wie meine Künstler und meine Mitarbeiter. Viel mehr als
andersherum, denn meine Künstler hatten ihre Kunst auch schon bevor ich auf der Bildfläche
erschienen bin. Ich bin der ge worden der ich bin durch meine Künstler und die Menschen die mit
mir Kunstgeschichte schreiben wollen. Jeder ist nur so gut wie sein Team. Klingt banal ist aber
enorm wichtig.
Danke für das ausführliche Intervie w
Werner Katzengruber