MARKEN, MUSTER UND MODELLE

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MARKEN, MUSTER UND MODELLE
HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT
(MARKEN, MUSTER UND MODELLE)
Die Beschwerdekammern
ENTSCHEIDUNG
der Vierten Beschwerdekammer
vom 6. September 2012
Im Beschwerdeverfahren R 419/2012-4
Versandhaus Walz GmbH
Steinstraße 28
D-88339 Bad Waldsee
Deutschland
Anmelderin / Beschwerdeführerin
vertreten durch Otten, Roth, Dobler & Partner Patentanwälte, Großtobeler Str. 39,
D-88276 Ravensburg-Berg, Deutschland
BESCHWERDE betreffend die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 9 985 839
erlässt
DIE VIERTE BESCHWERDEKAMMER
unter Mitwirkung von D. Schennen (Vorsitzender und Berichterstatter), E. Fink
(Mitglied) und L. Marijnissen (Mitglied)
Geschäftsstellenbeamtin: P. López Fernández de Corres
die folgende
Verfahrenssprache: Deutsch
ENTSCHEIDUNG VOM 6. SEPTEMBER 2012 – R 419/2012-4 – DIE MODERNE HAUSFRAU
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Entscheidung
Sachverhalt
1
Am 23. Mai 2011 meldete die Beschwerdeführerin die Wortfolge
Die moderne Hausfrau
als Wortmarke für die folgenden Waren und Dienstleistungen an:
Klasse 16 – Druckereierzeugnisse, insbesondere Kataloge und Prospekte.
Klasse 35 – Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen sowie Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Anstrichmittel, Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren,
Küchenartikel, saisonale Dekorationsartikel, Waren des Gesundheitssektors, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, Heimwerkerartikel und Gartenartikel, Hobbybedarf und
Bastelbedarf, Elektrowaren und Elektronikwaren, Fahrzeugzubehör, Feuerwerkskörper, Uhren
und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Papierwaren und Schreibwaren, Büroartikel, Täschnerwaren und Sattlerwaren, Einrichtungswaren und Dekorationswaren, Planen, Bekleidungsartikel,
Schuhe und Textilwaren, Spielwaren, Sportwaren, Lebensmittel insbesondere Süßwaren, Möbel,
insbesondere Regale, Hocker, Stühle, Beistelltische und Beistellschränke, Reinigungsmittel,
Tonträger und Datenträger, Sanitärwaren, Alltagshilfsmittel für den Haushalt, insbesondere für
Kinder und Senioren, Waren und Hilfsmittel für die Kleintierhaltung, Garten-Dekorationswaren,
Sanitätswaren;
Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel in den Bereichen:
Anstrichmittel, Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren, Küchenartikel, Saisonale
Dekorationsartikel, Waren des Gesundheitssektors, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren,
Bauartikel, Heimwerkerartikel und Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, Elektrowaren
und Elektronikwaren, Fahrzeugzubehör, Feuerwerkskörper, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Papierwaren und Schreibwaren, Büroartikel, Täschnerwaren und Sattlerwaren,
Einrichtungswaren und Dekorationswaren, Planen, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren,
Spielwaren, Sportwaren, Lebensmittel insbesondere Süßwaren, Möbel, insbesondere Regale,
Hocker, Stühle, Beistelltische und Beistellschränke, Reinigungsmittel, Tonträger und Datenträger, Sanitärwaren, Alltagshilfsmittel für den Haushalt, insbesondere für Kinder und Senioren,
Waren und Hilfsmittel für die Kleintierhaltung, Garten-Dekorationswaren, Sanitätswaren;
Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen in den Bereichen: Anstrichmittel,
Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren, Küchenartikel, Saisonale Dekorationsartikel, Waren des Gesundheitssektors, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel,
Heimwerkerartikel und Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, Elektrowaren und Elektronikwaren, Fahrzeugzubehör, Feuerwerkskörper, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente,
Papierwaren und Schreibwaren, Büroartikel, Täschnerwaren und Sattlerwaren, Einrichtungswaren und Dekorationswaren, Planen, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren, Spielwaren,
Sportwaren, Lebensmittel insbesondere Süßwaren, Möbel, insbesondere Regale, Hocker, Stühle,
Beistelltische und Beistellschränke, Reinigungsmittel, Tonträger und Datenträger, Sanitärwaren,
Alltagshilfsmittel für den Haushalt, insbesondere für Kinder und Senioren, Waren und Hilfsmittel
für die Kleintierhaltung, Garten-Dekorationswaren, Sanitätswaren.
2
Mit Bescheid vom 17. Juni 2011 beanstandete die Prüferin die Anmeldung aus
absoluten Gründen gemäß Artikel 7 (1) (b) und (c) GMV i.V.m. Artikel 7 (2) GMV. Die Anmelderin nahm mit Schreiben vom 7. September 2011
Stellung und hielt ihren Eintragungsantrag aufrecht.
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Mit Entscheidung vom 4. Januar 2012 wies die Prüferin die Anmeldung für alle
Waren und Dienstleistungen gemäß Artikel 7 (1) (b) und (c) GMV i.V.m.
ENTSCHEIDUNG VOM 6. SEPTEMBER 2012 – R 419/2012-4 – DIE MODERNE HAUSFRAU
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Artikel 7 (2) GMV wegen fehlender Unterscheidungskraft sowie als beschreibende Angabe zurück.
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Der Ausdruck „Die moderne Hausfrau“ bestehe aus einer den Regeln der
deutschen Sprache entsprechenden verständlichen Wortfolge, die keine zusätzlichen Elemente aufweise, um als ungewöhnlich angesehen werden zu können.
Die maßgeblichen Verkehrskreise bestünden aus dem deutschsprachigen Publikum. Dieses würde die Wortfolge als eine verkaufsfördernde, lobende Aussage
wahrnehmen, die lediglich den Zweck habe, die positiven Eigenschaften der angemeldeten Waren und Dienstleistungen hervorzuheben. Die Wortfolge würde
im Sinne von „Frau von heute“, die vor allem den Familienhaushalt führe, wahrgenommen werden. Der Ausdruck „Die moderne Hausfrau“ mache den relevanten Verkehrskreisen unmittelbar deutlich, dass es sich bei den Waren und
Dienstleistungen um solche handele, die für moderne, fortschrittliche Frauen
bestimmt sind, die für die Haushaltsführung neben oder anstelle ihrer beruflichen
Tätigkeit verantwortlich sind. Einerseits gebe das Anmeldezeichen die Adressaten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen an. Andererseits enthalte der
Ausdruck einen Hinweis darauf, dass sich die Waren und Dienstleistungen inhaltlich mit modernen Hausfrauen befassen. Sämtliche beanspruchten Waren und
Dienstleistungen – einschließlich Maschinenwerkzeuge, Metallwaren oder Heimwerkerartikel – seien gerade auch an moderne Frauen und Hausfrauen gerichtet.
Das Anmeldezeichen „Die moderne Hausfrau“ enthalte mithin direkte Informationen zu Art und Bestimmung der Waren und Dienstleistungen.
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Mit der am 28. Februar 2012 eingelegten und am 2. Mai 2012 begründeten
Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, die Eintragungshindernisse
der Artikel 7 (1) (b) und (c) GMV i.V.m. Artikel 7 (2) GMV seien nicht anwendbar und die angemeldete Wortfolge sei unterscheidungskräftig. Auch sei der
Marke keine unmittelbar beschreibende Bedeutung zu entnehmen. Im Falle einer
Beanstandung im Bereich des Warenverzeichnisses käme eine Teilstreichung in
Betracht; in diesem Fall bittet die Beschwerdeführerin um einen verfahrensleitenden Hinweis.
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Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags rügt die Beschwerdeführerin
zunächst, es handele sich um eine mehrdeutige, interpretationsbedürftige Aussage, die keinen im Vordergrund stehenden Sinngehalt habe. Der Ausdruck „Die
moderne Hausfrau“ deute auf eine charakteristische Personengattung hin, ohne
jeglichen beschreibenden Sachzusammenhang mit den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen. Deren Inhalt, Art und Zweckbestimmung blieben dem Verbraucher vollständig unerläutert.
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Für einen Slogan sei die angemeldete Wortfolge „Die moderne Hausfrau“ extrem
kurz und deshalb einprägsam. Die Merkfähigkeit ergebe sich einerseits aus der
Verwendung des bestimmten Artikels, andererseits auch aus der interpretationsbedürftigen Zusammenstellung einer fiktiven Person. Der Ausdruck weise eine
gewisse Prägnanz und Originalität auf, weil die Begriffe „modern“ und „Hausfrau“ einen einander fast widersprechenden Sinngehalt aufwiesen. Der versteckt
auftretende Gegensatz zwischen Modernität und Fortschrittlichkeit und dem eher
altbackenen Bild einer Hausfrau rufe bei dem betroffenen Verkehrskreis einen
Denkprozess hervor, der den Ausdruck deutlich höher stelle als eine bloße
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Werbebotschaft. Nach den Vorgaben des EuGH-Urteils „Vorsprung durch Technik“ sei die Marke schutzfähig.
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Der betroffene Verkehrskreis sei nicht identisch mit der Gruppe der Hausfrauen.
Die Waren und Dienstleistungen richten sich teilweise an einen anderen Verkehrskreis als den vom Prüfer beschriebenen, z.B. an Senioren. Es sei nicht
auszuschließen, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise der
Wortfolge einen Herkunftshinweis entnimmt. Die erhebliche Präsenz der Produkte der Beschwerdeführerin in der Werbung erleichtere dem Verkehrskreis,
dem Slogan „Die moderne Hausfrau“ die Herkunft der damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
9
Die Beschwerde ist unbegründet, da der Anmeldung für alle zurückgewiesenen
Waren und Dienstleistungen zumindest die gemäß Artikel 7 (1) (b) GMV erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Zeichen Unterscheidungskraft, wenn es geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu
kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu
unterscheiden (Urteile vom 21. Oktober 2004, C-64/02, „Das Prinzip der
Bequemlichkeit“, Rdn. 33; und vom 7. Oktober 2004, C-136/02, „Maglite“,
Rdn. 29).
11 Diese Grundsätze gelten auch für Werbeslogans; die Eintragung einer Marke, die
aus Angaben besteht, die sonst als Werbeschlagworte, Qualitätshinweise oder
Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden,
ist nicht schon aus diesem Grunde ausgeschlossen (Urteile vom
5. Dezember 2002, T-130/01, „Real People, Real Solutions”, Rdn. 19; und vom
13. April 2011, T-523/09, „Wir machen das besondere einfach“, Rdn. 24). Die
Schwierigkeiten, die sich wegen der Natur bestimmter Kategorien von Marken,
wie Werbeslogans, bei der Bestimmung der Unterscheidungskraft ergeben, rechtfertigen es nämlich nicht, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der
Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihnen abweichen (Urteil vom
21. Oktober 2004, C-64/02, „Das Prinzip der Bequemlichkeit“, Rdn. 36).
12 Jedoch ist bei Werbeslogans stets zu prüfen, ob diese Bestandteile haben, die es
über ihre offenkundig werbende Bedeutung hinaus den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglichen könnten, sich die Wortfolge ohne weiteres und unmittelbar
als unterscheidungskräftige Marke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen
einzuprägen. Da die maßgeblichen Verkehrskreise einem Zeichen, das ihnen
nicht auf Anhieb eine für ihren Erwerbswunsch relevante Herkunfts- oder Bestimmungsangabe, sondern ausschließlich eine abstrakte Werbeaussage vermittelt, nur wenig Aufmerksamkeit entgegenbringen, werden sie sich weder
damit aufhalten, den verschiedenen denkbaren Funktionen der Wortgruppe
nachzugehen, noch, sich diese als Marke einzuprägen (Urteile vom
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5. Dezember 2002, T-130/01, „Real People, Real Solutions”, Rdn. 28, 29; und
vom 9. Juli 2008, T-58/07, „Substance for success“, Rdn. 22).
13 Ein Zeichen, das andere Funktionen als die einer Marke erfüllt, ist nur dann
unterscheidungskräftig im Sinne von Artikel 7 (1) (b) GMV, wenn es unmittelbar
als Hinweis auf die gewerbliche Herkunft der Waren und Dienstleistungen
wahrgenommen werden kann (Urteile vom 5. Dezember 2002, T-130/01, „Real
People, Real Solutions“, Rdn. 20; und vom 13. April 2011, T-523/09, „Wir
machen das besondere einfach“, Rdn. 31); auf mögliche weitere Bedeutungen
eines angemeldeten Slogans kommt es nicht an, wenn sich diese in Wirklichkeit
einander ähneln und von dem geläufigen Sinn der im Slogan enthaltenen Wörter
nicht abweichen und jedenfalls allesamt wiederum als anpreisend oder werbend
empfunden werden (Urteil vom 5. Dezember 2002, T-130/01, „Real People, Real
Solutions“, Rdn. 27).
14 Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft des angemeldeten Slogans „Die
moderne Hausfrau“ ist die vermutete Wahrnehmung durch das von den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen angesprochene Publikum zugrunde zu
legen (Urteil vom 9. Juli 2008, T-58/07, „Substance for success“, Rdn. 21;
grundsätzlich für alle Markenkategorien: Urteil vom 7. Oktober 2004, C-136/02,
„Maglite“, Rdn. 19). Hierbei handelt es sich aufgrund der verwendeten Sprache
um das deutschsprachige Publikum, d.h. in erster Linie das Publikum in
Deutschland und Österreich (siehe Artikel 7 (2) GMV).
15 Die zurückgewiesenen Dienstleistungen sind solche des Einzelhandels und des
Online- und Katalog-Versandhandels. Dessen Zweck besteht im Verkauf von
Waren an den Verbraucher. Dieser Handel umfasst neben dem Rechtsgeschäft
des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet,
um zum Abschluss eines solchen Geschäfts anzuregen, insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und im
Angebot verschiedener Dienstleistungen, die einen Verbraucher dazu veranlassen
sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber
abzuschließen (Urteil vom 7. Juli 2005, C-418/02, „Praktiker“, Rdn. 34). Die
Dienstleistungen in Klasse 35 richten sich damit an den allgemeinen Endverbraucher. Die Waren, die Gegenstand dieser Dienstleistungen sein sollen, sind
entsprechend den Vorgaben des „Praktiker“-Urteils näher spezifiziert. Sie decken
ein breites Spektrum ab und umfassen schwerpunktmäßig Waren, die bei der
Haushaltsführung benötigt werden. Die Haushaltsführung umfasst für gewöhnlich die Organisation des Haushaltsbereiches, dessen Wirtschaftsführung, Pflege
und Instandhaltung des Wohnbereiches und die Ernährung und Versorgung der
zum Haushalt gehörenden Personengruppe. Die beanspruchten Waren in
Klasse 16 sind Druckereierzeugnisse verschiedenster Art, einschließlich Versandhauskatalogen, die sich ebenfalls an jeden Endverbraucher richten.
16 Der Hinweis der Beschwerdeführerin, ein Großteil der Waren richteten sich an
„Nicht-Hausfrauen“, geht fehl. Beansprucht bleiben Dienstleistungen, nicht
Waren. Die Formulierung „Alltagshilfsmittel für den Haushalt, insbesondere für
Kinder und Senioren“ ist wegen des Begriffs „insbesondere“ nur beispielhaft.
Überdies umfassen „Senioren“ auch Hausfrauen und werden Kinder und
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Senioren, die Alltagshilfsmittel benötigen, regelmäßig mit Personen in einem
Haushalt zusammenleben und von diesen versorgt.
17 Der allgemeine Endverbraucher ist als normal informiert, aufmerksam und verständig anzusehen (Urteil vom 7. Oktober 2004, C-136/02, „Maglite“, Rdn. 19),
und sein Aufmerksamkeitsgrad ist im vorliegenden Fall eines Werbeslogans
nicht allzu hoch anzusetzen (Urteil vom 9. Juli 2008, T-58/07, „Substance for
success“, Rdn. 23). Auch bei Fachkreisen ist im Falle von Werbeslogans von
einer eher geringen Aufmerksamkeit auszugehen (Urteil vom 9. Juli 2008,
T-58/07, „Substance for success“, Rdn. 23; Entscheidung vom 22. April 2009,
R 1270/2008-4, „RIDERS WHO CARE“, Rdn. 14). Der Slogan ist für alle Endverbraucher gleichermaßen unmittelbar verständlich.
18 Die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 35 sind solche des Einzelhandels
und des Kataloghandels und richten sich, gleich ob sie schwerpunktmäßig Waren
betreffen, die für die Haushaltsführung benötigt werden, an alle Endverbraucher.
Auch die „Druckereierzeugnisse“ in Klasse 16 richten sich an alle Verbraucher,
z.B. in der Form von Tageszeitungen und Zeitschriften und in der Form von
„Katalogen“ als Versandhandelskataloge Das relevante Publikum definiert sich
aus den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, nicht, wie die Beschwerde
suggerieren will, aus dem Sinngehalt der Marke. Deshalb besteht das relevante
Publikum nicht (nur) aus „Hausfrauen“.
19 Die angefochtene Entscheidung hat die Bedeutung der Begriffe, aus denen die
Wortfolge „Die moderne Hausfrau“ zusammengesetzt ist, im Grundsatz zutreffend erläutert. In seiner Gesamtheit ist das Anmeldezeichen als „Frau von
heute, die vor allem den Familienhaushalt führt“ zu verstehen. Die Beschwerde
rügt auch keine andere Bedeutung als die von der Prüferin zugrunde gelegte,
sondern nur, dass die Wortkombination mehrdeutig und interpretationsbedürftig
sei.
20 Die angemeldete Wortfolge „Die moderne Hausfrau“ vermittelt in grammatikalisch korrekter, unmittelbar verständlicher und Worte der allgemeinen Umgangssprache verwendender Weise die Aussage, dass es sich bei Einzel- und
Versandhandelsdienstleistungen und den Waren in Klasse 16 um solche handelt,
die eine haushaltsführende Person in der heutigen Zeit – mithin dem neuesten
Stand in geschichtlicher, gesellschaftlicher, kultureller, technischer Entwicklung
entsprechend – im Rahmen der Organisation des Haushaltes benötigt. Während
heutzutage viele Haushalte von „Hausmännern“ geführt werden, dominiert im
gewöhnlichen Sprachgebrauch die feminine Form. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Begriff „Die moderne Hausfrau“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen als universaler Hinweis auf all das verstanden wird, was heutzutage im Rahmen einer zeitgemäßen Haushaltsführung
im eigenen Heim benötigt wird.
21 Die Aussage kann sich auf alle Waren und Dienstleistungen der Anmelderin beziehen, denn alle hier angemeldeten Waren und Dienstleistungen stehen im Zusammenhang mit einer zeitgemäßen Haushaltsführung. Im Zusammenhang mit
sämtlichen Waren und Dienstleistungen ist die Bedeutung „Die moderne
Hausfrau“ einschlägig.
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22 Die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 35 beziehen sich darauf, bestimmte näher bezeichnete Waren im Wege des Einzelhandels oder per Katalog
dem Endverbraucher zu präsentieren. Die Waren sind Haushaltswaren und finden
definitionsgemäß in verschiedenen Bereichen des Haushaltes zu dessen Organisation und Unterhaltung Verwendung. So gehören „Drogeriewaren und Kosmetikwaren“ für die körperliche Hygiene in jedes Badezimmer. „Küchenartikel“
werden für das leibliche Wohl der im Haushalt lebenden Personen oder „Einrichtungswaren und Dekorationswaren“ zur Ausstattung und Gestaltung der
Wohnräume verwendet. Eine haushaltsführende Person – egal welchen Geschlechts – wird diese in der Regel zum Zwecke der Haushaltsführung erwerben.
23 Entgegen der Rüge der Beschwerdeführerin sind unterschiedliche Schlussfolgerungen für die einzelnen beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht veranlasst. Auch „Maschinenwerkzeuge und Metallwaren“, sowie „Heimwerkerartikel“ sind zur Instandhaltung der Wohnräume erforderlich und gehören in den
Haushalt eines jeden do-it-yourself-Heimwerkers. Es ist Gang und Gäbe, im
eigenen Heim selbst Hand anzulegen, und zwar völlig losgelöst von der Geschlechterfrage. „Elektronikwaren“ lassen sich in jedem Haushalt finden. Breitbildfernseher und Musikanlage sind aus einem modernen Haushalt heutzutage
nicht mehr wegzudenken. Auch „Fahrzeugzubehör“ kann in Kaufhäusern im
Wege des Einzelhandels von jedem Endverbraucher für häusliche und private
Zwecke erworben werden. „Büroartikel“ werden ebenfalls im Bereich der privaten Haushaltsführung verwendet, z. B. um administrativen oder finanziellen
Pflichten nachkommen oder zum Selbststudium im eigenen Heim. Entscheidend
ist, dass in Klasse 35 nicht Waren beansprucht wurden, sondern Dienstleistungen
des Einzelhandels oder Kataloghandels, die sich an Endverbraucher richten und
in deren Rahmen verschiedene Waren als Bestandteil eines breiten Sortiments
angeboten werden, das sich schwerpunktmäßig an Privathaushalte richtet.
24 In jedem Falle beschränkt sich der Sinngehalt der Aussage “Die moderne
Hausfrau“ darin, dem angesprochenen Kunden zu vermitteln, es handele sich um
ein besonders vorteilhaftes Angebot, weil dem Endverbraucher im Wege des
Einzel- oder Versandhandels nützliche, praktische, hilfreiche und schöne Produkte für Wohnung und Heim angeboten und vertrieben werden, die dem gegenwärtigen Wissens-, Forschungs- und Technologiestand entsprechen. Die Aussage
„Die moderne Hausfrau“ stellt eine werbeübliche Angabe dar, mit einem umfassenden Produktsortiment die neuzeitlichen Bedürfnisse eines Haushaltes zu
befriedigen. Unabhängig davon, ob es auch „Hausmänner“ gibt, suggeriert die
angemeldete Wortfolge, dass sich das Angebot der Beschwerdeführerin an
Privathaushalte richtet und dem „modernen“ Kunden zeitgemäße Angebote
bietet.
25 In dieser offenkundig anpreisenden Aussage liegt auch nichts Unscharfes oder
Interpretationsbedürftiges.
26 Die Anmelderin hat eingewandt, der Slogan enthalte keine konkrete Aussage
über Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen. Indes ist es nicht erforderlich, einen solchen Bezug herzustellen. Erstens erfolgte die Zurückweisung nicht
wegen Verstoßes gegen Artikel 7 (1) (c) GMV. Zweitens kann das Fehlen der
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Unterscheidungskraft bereits dann festgestellt werden, wenn der semantische
Gehalt des angemeldeten Wortzeichens den Verbraucher auf Merkmale der Ware
hinweist, die deren Verkehrswert betreffen und, ohne präzise zu sein, eine verkaufsfördernde oder eine Werbebotschaft enthält, die von den maßgebenden
Verkehrskreisen in erster Linie als eine solche und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren wahrgenommen werden wird; ein solches Wortzeichen erlangt nicht schon dadurch Unterscheidungskraft, dass es keine Information über die Art der bezeichneten Waren enthält (Urteil vom 30. Juni 2004,
T-281/02, „Mehr für ihr Geld“, Rdn. 31). Dass die angemeldete Wortkombination keine Aussage darüber enthält, in welcher Form und in welcher Beschaffenheit die Produkte angeboten werden, führt daher zu keiner für die Anmelderin günstigeren Betrachtung. Moderne Vertriebsmethoden wie das OnlineShopping bieten eine große Bandbreite an Vertriebs- und Marketingmöglichkeiten. Insoweit spielt es keine Rolle, dass der Verbraucher aus dem Zeichen
nicht im Einzelnen ableiten kann, welche konkreten Haushaltsprodukte über
welche Vertriebskanäle und mittels welcher Medien (Internet, TV, Kataloge) beworben und vertrieben werden.
27 Zwar ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass eine formal ungewöhnliche
Struktur eines Slogans wie z. B. Witzigkeit oder ungewöhnliche Alliterationen zu
seiner Unterscheidungskraft beitragen kann (Urteil vom 21. Januar 2010,
C-398/08, „Vorsprung durch Technik“, Rdn. 47; Entscheidung vom
21. Juni 2004, R 130/2004-2, „DIE NAHE BANK“, Rdn. 28). Die vorliegende
grammatikalisch korrekte Wortkombination vermag dies jedoch nicht zu tun.
„Die moderne Hausfrau“ weist keinerlei Prägnanz oder Originalität aufgrund
eines sich angeblich widersprechenden Sinngehaltes zwischen den Begriffen
„modern“ und „Hausfrau“ auf.
28 Die angemeldete Wortfolge beschränkt sich somit darin, dem Kunden zu vermitteln, dass die von der Beschwerdeführerin angebotenen Waren und Dienstleistungen ein qualitativ hochwertiges Angebot bereitstellen. Die angemeldete
Wortfolge enthält über ihre anpreisenden, verkaufsfördernden Elemente keine
Bestandteile, die es dem angesprochenen Publikum erlauben würden, diese sich
als Kennzeichen einer bestimmten betrieblichen Herkunft einzuprägen. Somit
wird das angesprochene Publikum in der angemeldeten Wortfolge lediglich eine
allgemeine Anpreisung erblicken, ohne darin, zumindest auch, einen betrieblichen Herkunftshinweis auf ein bestimmtes dahinter stehendes Unternehmen zu
erblicken. Allgemeinen Anpreisungen ist es nämlich gemeinsam, dass sie den
Kunden vermitteln, er sei auf ein besonders günstiges Angebot gestoßen, um erst
in einem zweiten Schritt, nachdem die Aufmerksamkeit geweckt ist, dem
Kunden die Möglichkeit zu geben, die Einzelheiten des Angebots, einschließlich
seines betrieblichen Ursprungs, zu prüfen.
29 Die Beschwerdeführerin hat sich nur ganz pauschal auf eine erhebliche Präsenz
in der Werbung berufen, aber keinerlei Angaben zur Benutzung gemacht. Eine
Berufung auf Verkehrsdurchsetzung (Artikel 7 (3) GMV) ist darin nicht zu
sehen.
30 Eine Differenzierung nach den Waren, die Gegenstand der Dienstleistungen in
Klasse 35 sind, kam nicht in Betracht. Die Zurückweisung erfolgte nicht wegen
ENTSCHEIDUNG VOM 6. SEPTEMBER 2012 – R 419/2012-4 – DIE MODERNE HAUSFRAU
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eines beschreibenden Charakters für Waren. Vielmehr ist das Anmeldzeichen für
alle beanspruchten Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig. Eine Streichung einzelner Waren könnte an der Schutzunfähigkeit für Dienstleistungen
betr. die verbleibenden Waren nichts ändern. Für verfahrensleitende Maßnahmen
hinsichtlich der Formulierung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses bestand daher kein Anlass.
31 Dem Zeichen fehlt somit für alle zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen
jede Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 (1) (b) GMV. Ob die Anmeldung darüber hinaus auch als beschreibende Angabe zurückzuweisen war, kann
dahingestellt bleiben.
32 Aus dem Hinweis der Anmelderin auf das Urteil des EuGH „Vorsprung durch
Technik“ (Urteil vom 21. Januar 2010, C-398/08) folgt nichts anderes. Dem
Missverständnis, dass seitdem „erleichterte“ Voraussetzungen für die Eintragbarkeit von Werbeslogans gälten, ist der EuGH selbst unlängst entgegengetreten
(Urteil vom 12. Juli 2012, C-311/11, „Wir machen das Besondere einfach“).
33 Die Beurteilung der angemeldeten Marke steht im Einklang mit der Rechtsprechung, so dass der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Entscheidung des
deutschen Bundesgerichtshofes in der Entscheidung „Link Economy“ nicht
durchgreifen kann. Eine Vergleichbarkeit der beiden Fälle ist auch nicht zu erkennen. Ohnehin ist jede Markenanmeldung für sich zu würdigen, und die Frage,
ob jener Slogan, anders als der hiesige, ausreichend unterscheidungskräftige Elemente aufwies, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
34 Jedenfalls stellen weder identische oder ähnliche Eintragungen auf nationaler
Ebene noch Eintragungen des HABM für möglicherweise ähnliche Marken einen
Grund dar, nicht unterscheidungskräftige Anmeldungen gleichwohl zuzulassen
(Urteile vom 7. Februar 2002, T-88/00, „Maglite“, Rdn. 41; und vom
27. Februar 2002, T-106/00, „Streamserve“, Rdn. 67).
ENTSCHEIDUNG VOM 6. SEPTEMBER 2012 – R 419/2012-4 – DIE MODERNE HAUSFRAU
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Tenor der Entscheidung
Aus diesen Gründen entscheidet
DIE KAMMER
wie folgt:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
D. Schennen
E. Fink
L. Marijnissen
Geschäftsstellenbeamtin:
P. López Fernández de Corres
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