Referatsammlung zum Thema Bindungen

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Referatsammlung zum Thema Bindungen
Fachhochschule Köln
Sozialpädagogik
Referatsammlung zum Thema Bindungen
zusammengestellt
von:
Nebahat Özdemir
Dagmar Wilbert
Spiel- und Interaktionspädagogik & Psychologie, SS 2005
Dozenten:
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
Inhaltsverzeichnis:
1
MUTTER – KIND – BINDUNG
1
1.1
Bonding
1.1.1
Wurzeln der Bindungstheorie
1.1.2
Definition Bindung
1
2
2
1.2
Der „Fremde – Situations – Test“
1.2.1
Die Fremde Situation
1.2.2
Untersuchungsepisoden
1.2.3
Untersuchungsbeobachtungen
1.2.4
Statistische Auswertung
1.2.5
Entwicklung von Bindung nach Ainswroth
2
2
2
3
3
4
1.3
Untersuchungsauswertung
1.3.1
Bindungsqualitäten
1.3.2
Bindungsstil A
1.3.3
Bindungsstil B
1.3.4
Bindungsstil C
1.3.5
D- Komponente
4
4
4
5
5
5
1.4
6
Ursache für sichere bzw. unsichere Bindung
1.5
Folgen einer nicht bestehenden Mutter – Kind – Bindung
1.5.1
Psychose
1.5.2
Neurose
1.5.3
Depression
1.5.4
Hospitalismus
1.5.5
Urmisstrauen
6
7
7
7
7
7
1.6
Literaturquellen
8
1.7
Referenten
8
2
BINDUNGEN IN GRUPPEN
9
2.1
Definition von Gruppe
9
2.2
Warum bilden sich Gruppen
9
2.3
Merkmale der Gruppenaktivität (nach Shaw)
2.3.1
Attraktivität der Gruppenmitglieder
2.3.2
Attraktivität der Gruppenaktivitäten
2.3.3
Attraktivität der Gruppenziele
2.3.4
Attraktivität der Gruppenmitgliedschaft
10
10
10
10
10
2.4
10
Wie verläuft Gruppenbildung
2.5
5 Stufen der Gruppenentwicklung (nach Caple)
2.5.1
Orientierungsstadium
2.5.2
Konfliktstadium
2.5.3
Integrationsstadium
2.5.4
Leistungsstadium
2.5.5
Stabilisierungsstadium
12
12
12
12
12
13
2.6
Gruppendynamik
13
2.7
Literaturangaben
14
-I-
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
3
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
BINDUNGEN IN PARTNERBEZIEHUNGEN
3.1
Die
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
Entwicklung von Bindungen in Partnerbeziehungen
Die Entstehung von Bindungen
Bindungsstile in Partnerschaften
Phasen und Aufgaben der Paarentwicklung
Literatur/Internet
15
15
16
18
19
20
3.2
Bindungsangst
3.2.1
Was bedeutet Bindungsangst?
3.2.2
Wie äußert sich Bindungsangst?
3.2.3
Wie wird Verlustangst erlebt?
3.2.4
Wie drückt sich dies in der Sexualität aus?
3.2.5
Eine Anekdote zur Nähe-Distanz-Balance
20
20
20
21
21
21
3.3
Wie die Erziehung spätere Partnerschaften beeinflusst
3.3.1
Psychologische Tipps - Negative Vorbilder - Reaktionsmuster im späteren
Leben
22
3.3.1.1 Harmoniesucht
3.3.1.2 Wiederholungszwang
3.3.1.3 Bindungsangst
3.3.1.4 Abgrenzung
3.3.2
Allerdings: Kindheit ist kein unveränderliches Schicksal
3.3.3
Literatur
3.3.4
Internet
21
3.4
23
Bindungsfähigkeiten / -Kompetenzen
22
22
22
22
22
22
23
3.5
Der Einfluss der Herkunftsfamilien auf die Partnerschaft
3.5.1
Erbgut und neuronale“ Programmierung“
3.5.2
Einflüsse auf Persönlichkeit und Selbstbild
3.5.3
Einfluss des Familientyps
3.5.4
Familiale Funktionsfähigkeit
3.5.5
Weitergabe familialen Erbes
3.5.6
Literatur
24
24
25
25
26
26
26
3.6
Bindungstypen / Studien
3.6.1
Sichere Bindung:
3.6.2
unsicher (ängstlich) - ambivalente Bindung:
3.6.3
unsicher (ängstlich) - vermeidende Bindung:
3.6.4
desorganisierte Bindung:
3.6.5
Literaturangaben:
26
27
27
28
28
29
3.7
Die
3.7.1
3.7.2
3.7.3
3.7.4
3.7.5
3.7.6
30
31
32
33
35
36
36
4
Entstehung einer partnerschaftlichen Bindung
Die erste Phase des Kontaktes: Die Aufmerksamkeitsphase
Zweite Phase des Kontaktes: Die Erkennungsphase
Die dritte Phase des Kontaktes: Die Gesprächsphase
Die vierte Phase des Kontaktes: sexuelle Erregungsphase
Literatur
Referenten
BEENDIGUNGEN VON PARTNERSCHAFTEN
37
4.1
Einführung
37
4.2
Auswertung des Interviews
38
4.3
Gründe für die Beendigung von Beziehungen
38
4.4
„Ich verlasse dich“
41
4.5
Die Interviews
42
- II -
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
5
5.1
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
BINDUNG AN DAS LEBEN
45
Suizid – warum Suizid?
45
5.2
Sterbehilfe
5.2.1
Aktuelle Diskussion
5.2.2
Rechtslage in Deutschland
5.2.3
Aktive Sterbehilfe
5.2.4
Passive Sterbehilfe
5.2.5
Diskussionsforum
46
46
47
47
47
47
5.3
Krisen als Chance zu einem kreativen Prozess (Suizidversuche)
48
5.4
Die schöne Seite des Lebens
49
5.5
Referenten
49
6
BINDUNGEN AN NORMEN UND WERTE
50
7
BINDUNG DER SOZIALPÄDAGOGEN AN DAS KLIENTEL
51
7.1
Helfersyndrom
7.1.1
Begriffsentstehung
7.1.2
Begriffe „helfen“ und „Syndrom“
7.1.3
Die Konfliktbereiche des Helfersyndromhelfers
7.1.4
Krankheitswert des Helfersyndroms
7.1.5
Zeichen und Merkmale des Helfersyndroms
51
51
51
51
51
51
7.2
52
Rollenspiel – problematische Arbeitshaltung eines Sozialpädagogen
7.3
Burnout – Syndrom
7.3.1
Definition
7.3.2
Symptome
7.3.3
Burnout förderliche Persönlichkeitsstile
52
52
52
52
7.4
Prävention von Burnout
53
7.5
Quellen
53
8
BINDUNG DER SOZIALPÄDAGOGEN AN RECHT UND GESETZ
54
8.1
Soziale Arbeit als bürokratisches Handeln
54
8.2
Sozialarbeit als Hilfe und Kontrolle – „Das doppelte Mandat“
55
8.3
Wann ist das „nichts tun“ strafbar?
57
8.4
„Das Heinz – Dilemma“ nach Lawrence Kohlberg
57
8.5
Prinzipien in der moralischen Entwicklung des Menschen
8.5.1
Das Vormoralische Niveau
8.5.2
Das Konventionelle Niveau (= herkömliche)
8.5.3
Das Postkonventionelle Niveau
58
58
59
59
8.6
BAGHR: Bundesarbeitsgemeinschaft der Hochschullehrer des Rechts an
Fachhochschulen des Sozialwesens in Deutschland
60
8.7
61
Recht weist vier Verknüpfungspunkte zur sozialen Arbeit auf
- III -
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
9
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
BINDUNGEN ZUR MUSIK- UND KUNSTSZENE
62
9.1
Einführung
9.1.1
Entwicklungspsychologische Aspekte
9.1.2
Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Präferenzen für bestimmte
Musikbranchen
9.1.3
Musik und die Subkultur als Mittel der Identitätsfindung bei Jugendlichen
9.1.4
Starkult und die Rolle der Medien
62
62
9.2
Der Mensch von Natur aus musikalisch?
64
9.3
Quellen:
65
63
63
64
9.4
Vorstellung von drei Musikstilen
9.4.1
Punk
9.4.1.1 Entstehung des Punk
9.4.1.2 New York Nihilismus
9.4.1.3 No Future – Lebenseinstellung
9.4.1.4 Hardcore Punk
9.4.1.5 Straight Edge – Lebenseinstellung
9.4.1.6 Die „Körperkunst“ der Hardcore-Szene
9.4.1.7 Die Kleidung in der Hardcore-Szene
9.4.1.8 Die Kommunikation in der Hardcore-Szene
9.4.1.9 MINOR THREAT LYRICS
9.4.1.10 Quellen
9.4.2
Hip Hop
9.4.2.1 Entstehung des Hip Hop
9.4.2.2 Gangster Rap
9.4.2.3 Graffiti Szene
9.4.2.4 Hip Hop in Deutschland
9.4.2.5 Konsum und Medien
9.4.3
Gothik / Metal
9.4.3.1 Gothik
9.4.3.2 Metal
9.4.4
Hörbeispiele zu den einzelnen Musikstilen
65
65
65
67
67
67
68
69
69
70
70
71
71
71
72
72
73
73
74
74
75
75
9.5
Fragen und offene Diskussionsrunde
75
9.6
Referenten
76
10 BINDUNG AN GEWOHNHEITEN
77
10.1
Struktur Stundengestaltung
77
10.2
Theaterrollen
78
10.3 Definition / Erklärung
10.3.1
Gewohnheiten
10.3.2
Sucht
10.3.3
Rituale
10.3.4
Bindungen an Gewohnheiten
10.3.5
Zwänge
79
79
80
81
81
82
10.4
82
Referenten
- IV -
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
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Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
11 BINDUNG AN HAUSTIERE
83
11.1 Einführung mit Begriffsdefinition
11.1.1
Ursprung des Haustieres
11.1.2
Kindchenschema
83
83
84
11.2 Mensch – Tier – Beziehung
11.2.1
Du – Evidenz
11.2.2
Diagramme
85
85
86
11.3 Wohlbefinden und Gesundheit
11.3.1
Psychologischer Effekt
11.3.2
Psychischer Effekt
11.3.3
Sozialer Effekt
88
88
88
88
11.4 Beendigung von Bindungen durch den Tod
11.4.1
Diagramme
11.4.2
Trauerprozess in vier Phasen
11.4.3
Trauerverhalten von Hunden
89
89
90
92
11.5 Tiere als Therapeutikum
11.5.1
Reittherapie
11.5.1.1 therapeutische Reiten
11.5.1.2 Heilpädagogisches Reiten
11.5.1.3 Reitsport für Behinderte
11.5.2
Delphintherapie
11.5.3
Dog – Water – Therapie
11.5.4
Blindenführhunde
11.5.5
Blindenführpferde
11.5.6
Signalhunde
11.5.7
Behindertenbegleithunde
11.5.8
Therapietiere
11.5.9
Schluss
93
93
93
94
94
95
96
96
97
97
98
99
102
11.6 Skurriles
11.6.1
Tattoos
11.6.2
Hund im Bett
11.6.3
Haustiere klonen
11.6.4
Prominente und ihre Haustiere
11.6.5
Haustiere in Kostümen
11.6.6
Haustiere nach dem Tod
11.6.6.1 Tiere beim Präparator
11.6.6.2 Tiere und Gräber
11.6.7
Hunde, Besitzer und ihre optische Ähnlichkeit
103
103
103
104
105
105
106
106
106
106
11.7 Literatur
11.7.1
Zu Bindung an Haustiere Allgemein
11.7.2
Zu Tiere als Therapeutikum
107
107
107
11.8
107
Referenten
12 BINDUNG ZWISCHEN STUDIERENDEN / FACHHOCHSCHULE
(FH)
108
12.1 Bindungsbeschreibungen: welche Beziehungen entstehen zwischen
Studierenden, FH und Mitkommilitonen
108
12.2
Beziehungen zwischen Studierenden und Studierenden
108
12.3
Beziehungen zwischen Studierenden und der Mensa
109
-V-
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
12.4
Beziehungen zwischen Studierenden und der Bibliothek
111
12.5
Beziehungen zwischen Studierenden und dem Medienbüro
111
12.6
Beziehungen zwischen Studierenden und Professoren
112
12.7
Beziehungen zwischen Studierenden und der Fachschaft
113
12.8
Befragung von Studenten
114
12.9
Referenten
115
13 PROFESSIONELLE HILFE BEI PARTNERBEZIEHUNGEN
13.1
116
Was sind typische Probleme und woher kommen sie?
116
13.2 Welche Formen therapeutischer Hilfe gibt es?
13.2.1
Eheberatung; Ehetherapie
13.2.1.1 Ausgang
13.2.1.2 Voraussetzung
13.2.1.3 Ablauf
13.2.1.4 Ziel
13.2.1.5 Dauer
13.2.1.6 Abstände
13.2.1.7 Kosten
13.2.1.8 Unterschiede: Eheberatung, Ehetherapie
13.2.1.9 Methoden
13.2.2
Systemische Familientherapie
13.2.2.1 Allgemeines Vorgehen
13.2.2.2 Ziele
13.2.2.3 Dauer und Kosten
13.2.2.4 Methoden
13.2.2.5 Systemische Familientherapie hilft, wenn …
13.2.3
Mediation
13.2.3.1 Was ist Mediation?
13.2.3.2 Merkmale der Mediation
13.2.3.3 Welche Anwendungsbereiche gibt es?
13.2.3.4 Rolle des Mediators
13.2.3.5 Grundlegende Methoden
13.2.3.6 Aktives Zuhören
13.2.3.7 Ich – Botschaften
13.2.3.8 Einzelgespräche
13.2.3.9 Brainstorming
13.2.3.10 Die wichtigsten Schritte des Mediationsverfahrens
13.2.3.10.1 Vorphase
13.2.3.10.2 Das Mediationsgespräch
13.2.3.10.2.1 Einleitung
13.2.3.10.2.2 Sichtweise der einzelnen Konfliktparteien
13.2.3.10.2.3 Konflikterhellung
13.2.3.10.2.4 Problemlösung
13.2.3.10.2.5 Übereinkunft
13.2.3.10.2.6 Umsetzungsphase
13.2.3.11 Wann ist Mediation sinnvoll?
116
116
116
116
116
117
117
117
117
117
118
118
118
119
120
120
121
121
121
122
122
122
123
123
124
124
124
124
124
124
124
125
125
125
125
126
126
13.3
Aufgaben des Sozialpädagogen
126
13.4
Referenten
127
- VI -
Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
1 Mutter – Kind – Bindung
1.1
Bonding
Die Mutter-Kind-Bindung hat ihren Anfang im sogenannten „Bonding“.
Unter Bonding versteht man die emotionale Bindung zwischen Mutter und
Neugeborenem, die sich bereits in der ersten Zeit direkt nach der Geburt
entwickelt. Bonding beinhaltet ein bestimmtes Verhaltensmuster der Mutter, mit
dessen Hilfe sie lernt, das Kind, das sie im Arm hält, als ihr eigenes anzunehmen.
Dieses Verhaltensmuster ist bei jeder Frau nach der Geburt fast identisch. Die
Mutter streichelt zunächst nur vorsichtig mit den Fingerspitzen über das Gesicht
des Kindes, dann mit der flachen Hand und wenig später wird sie es ganz in die
Arme nehmen. Dann beginnt sie mit dem Kind zu sprechen und es genauer
anzusehen, bis sie sich daran gewöhnt hat, ihr eigenes Kind in den Armen zu
halten, und sie es zum ersten Mal stillt.
So trägt die Natur Sorge dafür, dass die Pflegepersonen in der Nähe bleiben und
wenn nötig, Schutz und Hilfe bieten und fürsorgliches elterliches Pflegeverhalten
entwickeln. Es wird insbesondere in Alarmsituationen aktiviert, wenn das Kind
Angst hat oder sich unsicher oder unwohl fühlt, und es sichert das Überleben der
Spezies Mensch.
Bei der Ausbildung der Bindung kommt es darauf an, dass das Kind auch
Reaktionen auf die mütterlichen Kontaktversuche zeigt, z. B. durch Augen- oder
Körperbewegungen. Die gegenseitige Interaktion ist ausschlaggebend für das
Gelingen des Bonding. Interessanterweise haben Neugeborene genau in der
ersten Stunde nach ihrer Geburt eine ungewöhnlich lange Wachphase von fast
einer Stunde, die diese Interaktion erst ermöglicht.
Sowohl die Mutter als auch das Baby sind nach der Entbindung für eine bestimmte
Zeit von Opiaten geradezu überschwemmt. In diesem emotionalen Zustand hat
das Außen keinen Platz. Renate Fegter (Hebamme) meint dazu:
„Wenn wir uns angewöhnen könnten, den Abschluss einer Geburt erst nach
erfolgtem „Bonding“ zu sehen, gäben wir jedem Kind die Chance, zu lieben, eine
gesunde Entwicklung zu erleben und die eigene Persönlichkeit entfalten zu
können.“
Eine fehlende Bonding-Erfahrung kann eine Mutter-Kind-Beziehung belasten, weil
das Vertrauensverhältnis einen Bruch erlitten hat. Viele Frauen trauen sich dann
nicht zu, die Bedürfnisse ihres Kindes stillen zu können.
Doch nicht nur Mutter und Kind können sich emotional binden, sondern auch der
Vater und alle Personen die bei der Geburt anwesend sind, können sich auf die
gleiche Art und Weise emotional an das Kind binden. Eine Blutsverwandtschaft
stellt keine Vorbedingung für eine emotionale Bindung dar!
Obwohl das Bonding der ersten Lebensstunde eines Kindes von besonderer
Bedeutung für die Beziehung zwischen den Bezugspersonen und dem Kind ist,
kann es auch später noch nach- bzw. aufgeholt werden. Diese ,, Liebesarbeit``
muss beispielsweise auch von Adoptiveltern geleistet werden.
Die Erkenntnisse aus der Bindungsforschung haben großen Einfluss auf die
Geburtspraxis gehabt. Sie haben die Entwicklung hin zum sogenannten „rooming-1-
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in“, zu Hausgeburten, zur Anwesenheit von Vätern bei der Geburt, und zur Pflege
eines Brutkastenkindes durch die Eltern angestoßen.
Im englischen Sprachraum wird die Mutter-Kind-Bindung in „Bonding“ und
„Attachement“ unterteilt.
Unter Bonding wird das Fürsorgeverhalten des Erwachsenen verstanden und
unter Attachement das Bindungsverhalten des Kindes (also anklammern, weinen,
suchen, lächeln oder anschmiegen, um das Fürsorgeverhalten des Erwachsenen
auszulösen).
1.1.1 Wurzeln der Bindungstheorie
John Bowlby, ab den 40er Jahren Kinderpsychiater und Psychoanalytiker in
London befasste sich mit Trennungsreaktionen von Kleinkindern und mit Hilfe der
WHO (World Health Organisation) mit den Folgen früher Deprivation.
Mary Ainsworth befasste sich bereits 1939 mit dem Konzept der Sicherheit und
entwickelte die "Fremde Situation".
1.1.2 Definition Bindung
Bindung ist ein hypothetisches Konstrukt (nicht direkt beobachtbar), das sich auf
innere Organisation eines Menschen bezieht.
Bindungsverhalten: Klasse von Variablen und austauschbaren Verhaltensweisen
oder Signalen, z.B. Anklammern, Nachfolgen, Weinen, Rufen. Inhaltlich zentriert
sich die Bindung um Sicherheitsregulation, wobei die Bindungsperson (das
Kleinkind) die Sicherheit sucht und die Bindungsfigur dies bietet.
1.2
Der „Fremde – Situations – Test“
1.2.1 Die Fremde Situation
Der Fremde Situations-Test nach Mary Ainsworth, der Unterschiede in der
Bindungsqualität aufgreift, wurde mit 12 bis 24 Monate alten Kindern in Form
eines standardisierten Untersuchungsverfahrens durchgeführt. Bei dieser
Untersuchung
wurde
das
Bindungsverhalten
der
Kinder
in
acht
aufeinanderfolgenden Drei-Minuten-Episoden getestet, in denen das Kind in
zunehmender Intensität Unvertrautheit, Neuheit, Fremdheit und kurze Trennung
von der Mutter erfährt.
Zunächst wird dabei das Erkundungssystem angeregt und dann das
Bindungssystem.
1.2.2 Untersuchungsepisoden
1) Mutter und Kind werden vom Beobachter in einen Raum geführt. Die Mutter
setzt das Kind auf den Boden.
2) Mutter und Kind sind allein. Die Mutter liest eine Zeitschrift. Das Kind kann
die Umgebung und das Spielzeug erkunden.
3) Eine freundliche Fremde tritt ein, setzt sich, unterhält sich mit der Mutter
eine Minute lang und beschäftigt sich dann auch mit dem Kind.
-2-
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4) Die Mutter verlässt unauffällig den Raum, hinterlässt aber ihre Tasche. Die
Fremde bleibt mit dem Kind allein. Sie beschäftigt sich mit ihm und tröstet
es wenn nötig.
5) Die Mutter kommt zurück, während die Fremde geht. Mutter und Kind sind
allein. Die Mutter beschäftigt sich mit dem Kind und versucht es wieder für
das Spielzeug zu begeistern.
6) Die Mutter verlässt mit deutlichem Abschiedsgruß den Raum und lässt das
Kind allein.
7) Die Fremde tritt ein. Sie versucht, wenn nötig das Kind zu trösten.
8) Die Mutter kommt wieder, die Fremde verlässt gleichzeitig den Raum.
Anmerkung:
Das Experiment hat unter Laborbedingungen stattgefunden und kann mit einer
Wartezimmersituation verglichen werden. Die Mütter haben die ganze Zeit das
Geschehen durch die Einwegscheibe beobachtet und konnten über die Dauer der
einzelnen Episoden entscheiden. Neben dem Experiment wurden auch
Längsschnittuntersuchungen durchgeführt, bei denen Mütter interviewt wurden
und durch Vor- Ort Beobachtungen im Alltag auf ihr Verhalten mit den Kindern
getestet wurden.
1.2.3 Untersuchungsbeobachtungen
Informationen über die Qualität des Bindungsverhaltens wurden aus der Art
ermittelt, wie die Kinder die Mütter nach kurzer Trennung empfingen. Dabei
wurden vier Strategien der Nähe- Distanz und Emotionsregulation beobachtet:
•
•
•
•
Nähesuchen
Kontakthalten
Widerstand gegen Körperkontakt
Vermeidungsverfahren
1.2.4 Statistische Auswertung
•
•
•
In der Baltimore-Studie waren relativ viele Kinder als sicher (B) klassifiziert
worden
In der Bielefelderstudie war hingegen die Gruppe der Vermeider (A) am
größten.
Kinder mit einem ambivalenten Bindungsmuster stellen in der Regel die
Minderheit dar.
-3-
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1.2.5 Entwicklung von Bindung nach Ainswroth
1) Vorbereitende Abhängigkeit ( inital preattachment phase)
Dauer: Ab Geburt bis 8-12 Wochen
2) Entstehende Bindung (attachment-in-the-making)
Dauer: Ende Phase 1 bis ungefähr 7-12 Monate
3) Ausgeprägte Bindung (clear cut attachment)
Dauer: Ende Phase 2 bis ins zweite oder dritte Lebensjahr.
4) Zielkorrigierte Partnerschaft (goal-corrected partnership)
Dauer: vom Ende der dritten Phase an.
1.3
Untersuchungsauswertung
1.3.1 Bindungsqualitäten
Die Qualität der Bindungsbeziehung ließ sich aus der Art ermitteln, wie das Kind
die Mutter nach den Trennungen empfing (Szene 5 und 8). Dabei zeigten sich vier
Strategien der Nähe-Distanz- und der Emotionsregelung: Nähesuchen, Kontakthalten, Widerstand gegen Körperkontakt und Vermeidungsverhalten.
Aufgrund dieser Werte in den vier Strategien und dem Gesamteindruck des
Kindes im „Fremde-Situations-Test“ (FST) unterschied Ainsworth drei
Bindungsstile, die sie mit A, B und C bezeichnete.
So entstand aus den Untersuchungserfahrungen Ainsworths Konzept der sicheren
bzw. unsicheren Qualität der Mutter-Kind-Bindung (1978).
1.3.2 Bindungsstil A
Diese Kinder zeigten im FST bei der Rückkehr der Mutter wenig Emotionen. Sie
suchten nicht die Nähe, vermieden oder ignorierten die Mutter und behandelten
sie und die Fremde gleich. Sie zeigten ferner keinen Kummer sowie keinen
Widerstand gegen die Interaktion im Test. Sie beschäftigten sich statt dessen
weiter mit ihrem Spielzeug.
Anfänglich war für Ainsworth dies ein Ausdruck von emotionaler Reife und großer
Unabhängigkeit, doch bei ihrer Längsschnittuntersuchung erkannte sie, dass diese
Kinder wenig feinfühlige Fürsorge erfahren haben.
Die entsprechenden Mütter mochten keine Gefühlsausbrüche, wie z.B. heftiges
Weinen, sodass die Kinder gelernt hatten ihre Emotionsausdrücke zu minimieren
und ihre Bedürfnisse von der Mutter abzuwenden. Dies äußerte sich im Versuch,
dass die jeweiligen Kinder nach der Rückkehr der Mutter ihr den Rücken beim
Spielen zuwandten. So wurden diese unsicher vermeidenden Kinder meistens
schon im Babyalter zur Regulation ihrer Gefühle gedrängt.
Sie entwickelten die Erwartungshaltung, dass ihre Wünsche grundsätzlich auf
Ablehnung stoßen würden und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung
zustände. Ihnen fehlte die Zuversicht über die Verfügbarkeit ihrer Bindungsperson
ganz.
Bei drohender Gefahr vermeiden unsicher gebundene Kinder eher ihre
Bindungsperson, da sie aus Erfahrung wissen, dass von der Bindungsperson kein
Schutz zu erwarten ist.
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1.3.3 Bindungsstil B
Diese Kinder zeigten mehr oder weniger intensiv und direkt bei Nichtanwesenheit
ihrer Mutter Kummerregungen, bei denen sie sich auch nicht von der Fremden
vollständig trösten ließen. Doch kaum trat die Mutter ein, wirkten sie wie erlöst,
begrüßten sie freudig und suchten manchmal nur nach kurzem Kuschelkontakt,
um dann fröhlich mit der Mutter weiter zu spielen.
Entweder waren diese Kinder von Geburt an emotional stabil und nicht schnell zu
verunsichern oder sie hatten sehr einfühlsame Mütter und hatten sie vor allem in
den ersten Lebensjahren als verlässlich und offen erlebt. Sie konnten jederzeit
ihre Gefühle offen zum Ausdruck bringen und sich darauf verlassen, dass ihre
Mutter ihnen sowohl bei der Beseitigung ihres Kummeranlasses als auch bei der
Regulierung der Gefühle half.
Sie sind zuversichtlich in Bezug auf die Verfügbarkeit ihrer Bezugsperson und
wissen aus Erfahrung, dass diese sie im Bedarfsfall nicht im Stich lassen würde.
In dieser harmonischen Mutter-Kind-Beziehung erfüllt die Mutter die Rolle eines
„sicheren Hafens“ der immer Schutz bietet, wenn man dessen bedarf.
1.3.4 Bindungsstil C
Diese Kinder zeigten schon beim Eintreten der Fremden Empfindlichkeit und
äußerten ihren Kummer besonders emotional in Form von lautem Weinen. Bei der
Rückkehr der Mutter jedoch verhielten sie sich allerdings sehr ambivalent. Auf der
einen Seite suchten sie den Kontakt zur Mutter und klammerten, aber auf der
anderen Seite widersetzten sie sich ihren Kontakt- und Interaktionsversuchen
(besonders nach der zweiten Wiederkehr) z.B. durch Treten. Die Kinder fanden
nicht wieder zum Spiel zurück und waren emotional unausgeglichen.
Nach Ainsworth zu urteilen, erlebten sie das Verhalten ihrer Mutter
widersprüchlich: phasenweise überschwänglich herzlich und zugeneigt und dann
aber auch als nicht einschätzbar und unerreichbar. Sie sahen ihre Mutter als
gelegentlich fürsorglich an und waren ständig ängstlich bemüht ihre Liebe zu
erringen.
So entwickelten sie eine Strategie ihren Kummer eher zu übertreiben um so ihre
Notlage zu unterstreichen. Wenn die Bindungsbedürfnisse allerdings nicht
befriedigt oder missachtet bzw. unverlässlich beachtet wurden, mischten sich als
Folge in die Gefühle der Kinder Ärger, Wut, Angst und Enttäuschung über die
mangelnde Reaktion der Bindungsperson.
Der Erziehungsstil der Mütter solch gebundener Kinder wurde zwar als zugewandt
aber als unberechenbar gekennzeichnet. Die Mütter wussten nicht die
emotionalen Bedürfnisse und Nöte ihrer Kinder zu befriedigen oder zu lindern.
So verspürten ambivalent gebundene Kinder Unsicherheit hinsichtlich der Frage
ob die Bindungsperson bei Bedarf zur Verfügung sein wird.
1.3.5 D- Komponente
Als eine weitere Dimension zu den anderen drei Bindungsstilen beschreiben Main
und Solomon später (1990) Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, die sich nicht
eindeutig in die A, B oder C Bindungsmuster einordnen lassen.
So zeigten diese Kinder in Anwesenheit ihrer Mutter ein seltsames und bizarres
Verhalten wie Grimassieren, Erstarren oder andere stereotype Verhaltensweisen.
Sie scheinen sich in einem Konflikt zwischen Annäherung und Angst zu befinden,
zu dem sie keine verfügbare Strategie für ein bestimmtes Verhaltensprogramm
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haben oder sie schwankten zwischen mehreren Reaktionsstilen. Deshalb wurden
sie von Main und Cassidy (1998) als desorientiert und desorganisiert beschrieben.
Dieses
Verhalten
wurde
besonders
ausgeprägt
bei
Kindern
mit
Missbrauchserfahrung beobachtet. Dies konnte aber auch noch andere Ursprünge
haben: So beobachteten z.B. Ahnert und Lamb (2001) einen Anstieg an DMerkmalen bei Berliner Kindern aus dem Ostteil der Stadt, die in den Jahren der
Wende geboren wurden.
D-Verhaltensweisen können auf überdauernde Schwierigkeiten der Verhaltensregulation, auf vorübergehende Beunruhigung und auf anhaltende ängstigende
Erfahrungen hinweisen.
1.4
Ursache für sichere bzw. unsichere Bindung
Wie die Qualität der Mutter-Kind-Bindung ausfällt ist nach Ainsworth von der
Feinfühligkeit der Bindungsperson abhängig.
Mit Feinfühligkeit ist die Fähigkeit der Bindungsperson gemeint, die Signale des
Säuglings (z.B. Lächeln oder Weinen) richtig wahrzunehmen und zu interpretieren.
Die Interpretation sollte nicht durch eigene Bedürfnisse und Zustände „verzerrt“
werden. Wenn dieses Verständnis vorhanden ist, muss auf die Signale
angemessen und prompt reagiert werden. Dazu muss die Mutter bzw. die
Bindungsperson häufig vorhanden sein.
Die Beantwortung der Signale muss altersentsprechend ablaufen. Zum Beispiel
sollte das Kind, dass drei Jahre alt ist und laufen kann aber trotzdem immer noch
getragen werden will, nicht ohne Grund getragen werden.
Die sogenannte Frustrationsspannung sollte von der Bindungsperson ausgeübt
werden.
Das bedeutet, je älter das Kind wird umso länger können auch die Zeiten bis zur
Bedürfnisbefriedigung sein. Bei kleinen Kindern muss hinreichend rasch auf die
Bedürfnisse reagiert werden, weil die Gedächtnisspanne des Kindes noch zu kurz
ist, als dass es sich nach einigen Sekunden noch den Zusammenhang zwischen
seiner Aktivität und der Reaktion der Mutter merken könnte (Grossmann &
Grossmann, 1994).
1.5
Folgen einer nicht bestehenden Mutter – Kind – Bindung
Psychoanalytiker Rene A. Spitz – und viele andere Forscher – haben beobachtet,
dass Säuglinge und Kleinkinder körperlich und seelisch leiden und zu verkümmern
beginnen, wenn sie trotz einwandfreier Versorgung, Ernährung und Pflege
emotionale Zuwendung, geduldige Umsorgung, liebevolle Zärtlichkeit,
Körperkontakt und Ansprache durch die Eltern oder andere Bezugspersonen
entbehren müssen. Eine unpersönliche und beziehungslose Einstellung zum Kind
kann erhebliche und lebenslang andauernde Folgen für das Kind haben.
Einige Folgen können sein:
•
•
•
•
•
Psychose
Neurose
Depressionen
Hospitalismus
Ängste: Verlassenheitsängste, Vernichtungsängste, Panikgefühle
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•
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Kontaktschwierigkeiten
Alpträume
Selbstzerstörerische Tendenzen
Selbstmordgefährdung
Unfähigkeit zu vertrauen
Schwierigkeiten die eigene Identität zu finden
Anlehnungsbedürfnis, übermäßiges Klammern
Isolationsgefühle
Unsicherheit
Entscheidungsschwierigkeiten
Wahrnehmungsstörungen
1.5.1 Psychose
Bei einer Psychose sind wichtige psychische Funktionen erheblich gestört. Bei
einer Psychose treten meist Halluzinationen sowie schwere Gedächtnis- oder
Affektstörungen auf. Häufig erleben die Betroffenen nicht sich selbst, sondern ihre
Umgebung als verändert und haben im akuten Stadium meist keine Einsicht in die
Krankhaftigkeit ihres Zustandes.
1.5.2 Neurose
Allgemein versteht man unter Neurose eine Erlebnisbedingte Störung der
Reizverarbeitung im Gehirn. Neurosen sind störende, länger andauernde
psychische Einstellungen oder Verhaltensgewohnheiten, wie z.B. Angst,
Unsicherheit. Dies entsteht im Verlauf der Entwicklung des Menschen durch
bestimmte Erfahrungen z.B. ungelöste Konflikte und einschneidende Erlebnisse.
Den Betroffenen bleiben sie unverständlich und können von ihnen nicht
ausreichend kontrolliert werden. Im Gegensatz zu Psychosen haben die
Betroffenen immer noch ein Bewusstsein von der Störung unter der sie leiden.
1.5.3 Depression
Depression ist ein Zustand von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Erregung oder
Passivität, der Tage oder Wochen andauern kann. Die Ausprägung dieses
Zustandes reicht von depressiver Verstimmtheit bis zum depressiven Suport (einer
dumpfen Regungslosigkeit). Die möglichen Ursachen sind vielfältig. Häufig ist
Depression eine verständliche Reaktion auf schwere Verluste (Todesfälle,
Trennungen), Misserfolge oder Konflikte, deren Bedeutung nicht erkannt wird.
1.5.4 Hospitalismus
Mit
Hospitalismus
bezeichnet
man
leib-seelische
Störungsund
Verkümmerungserscheinungen im Säuglings- und Kleinkindalter, die auf
mangelnde emotionale Zuwendung und Reizvermittlung zurückzuführen sind. Bei
ihrer weiteren Entwicklung zeigen hospitalisierte Kinder in der Regel große
Störungen im körperlichen, motorischen und geistigen Bereich, insbesondere im
Gefühlsleben und im Sozialverhalten. Zudem wurde bei ihnen eine stark erhöhte
Sterblichkeitsquote festgestellt.
1.5.5 Urmisstrauen
Mit Urmisstrauen meint man , in den ersten Lebensjahren zurückgehende,
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negative Einstellung zu sich selbst, zu anderen Personen und zur Umwelt.
1.6
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
1.7
Literaturquellen
Oerter/ Montada (Hrsg.): „Entwicklungspsychologie“, Beltz 2002, 5. Auflage
Dirk Wendt „Entwicklungspsychologie“ eine Einführung
Heidi Keller (Hrsg.) „Entwicklungspsychologie“, Lehrbuch
Wikipedia, der freien Enzyklopädie „Bindungen“
Misek -Schneider, Karla: Skript zur Vorlesung „Entwicklungspsychologie 1“ an
der FH Köln, WS 2002
Lexikon: Brockhaus
http://www.rund-ums-baby.de
http://www.haus-samaria.de
http://www.kindqualimedic.de
http://www.kindergartenpaedagogik.de
http://www.stillen.org/docs/kongressbericht2002-bonding.pdf
Referenten
•
•
•
•
•
•
Sonja Stumm
Magdalena Bieker
Isabel Mirgel
Elsa Pollmann
Katrin Pesch
Julia Müller
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2 Bindungen in Gruppen
2.1
Definition von Gruppe
Für Homans (1972) ist eine Gruppe im Grunde bereits dann gegeben, wenn eine
überschaubare Personenmehrheit über eine längere Zeit in Interaktion steht. Seine
Definition der Gruppe "als eine Reihe von Personen, die in einer bestimmten
Zeitspanne häufig miteinander Umgang haben und deren Anzahl so gering ist, dass
jede Person mit der anderen in Verbindung treten kann und zwar nicht nur mittelbar,
sondern von Angesicht zu Angesicht" (Homans 1972) betont die Dauerhaftigkeit
(Persistenz) von Interaktionen im Sinne von face-to-face Beziehungen als primäres
Bestimmungsmerkmal. Der Ausformung bestimmter Strukturen und Verhaltensrichtlinien kommt dabei nur abgeleitete Bedeutung zu.
2.2
Warum bilden sich Gruppen
Es gibt hierfür recht unterschiedliche Gründe und Bedingungen. Abgesehen von der
Familie als Primärgruppe, in der unter normalen Umständen jeder Mensch
hineingeboren wird, kann man sich einer bestehenden Gruppe anschließen, weil ...
...man deren Mitglieder sympathisch findet, sich ihnen ähnlich und verbunden fühlt
(z. B. Freundesgruppe)
... man mit ihnen zusammen ein bestimmtes Ziel erreichen will, (z. B.
Leistungssportgruppe)
... sie einen bei der eigenen Zielerreichung unterstützen kann,
(z. B. Gruppe zur Prüfungsvorbereitung).
Man kann ...
rein zufällig in solche Gruppen geraten,
sie gezielt aufsuchen oder selbst aufbauen,
und man kann schließlich unfreiwillig in bestehende Gruppen gezwungen werden
(z. B. berufliche Arbeitsgruppen, Klassengruppen).
Gruppen können ...
einen hohen oder niedrigen Grad an formaler Struktur aufweisen (z. B.
Freundesgruppen im Vergleich zu militärischen Kampfgruppen),
mehr oder weniger offen und flexibel sein für Veränderungen,
mehr oder weniger stark von anderen Gruppen und sozialen Strukturen abhängig
und beeinflusst sein
und schließlich kürzere oder längere Zeit fortbestehen.
Diese Merkmale beeinflussen den Gruppenbildungsprozess und die Art und
Intensität sozialer Einflussprozesse in der Gruppe.
Versucht ein Individuum Mitglied einer freiwilligen, autonomen Kleingruppe zu
werden, ist die volle Gruppenmitgliedschaft das Resultat eines gegenseitigen
Bewertungsprozesses. Die Gruppe und das Individuum beurteilen: Werden die
beiderseitigen Nutzenerwartungen erfüllt? Wie wären die Resultate aus alternativen
Gruppenbeziehungen?
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Gefühle der Gruppenbindung und der gegenseitigen Verpflichtung stellen sich ein,
wenn die bereits eingegangene Beziehung lohnender war, bzw. wenn sie als für die
Zukunft lohnender eingeschätzt wird als die Mitgliedschaft in anderen Gruppen. Aus
der Sicht der Gruppe betrachtet, muss die Aufnahme des Individuums in die Gruppe
lohnender erscheinen als die Gewinnung anderer Personen.
2.3
Merkmale der Gruppenaktivität (nach Shaw)
Shaw (1981) nennt vier zentrale Merkmale der Gruppenattraktivität :
2.3.1 Attraktivität der Gruppenmitglieder
Situationsbezogene Merkmale:
physische Nähe zu den Mitgliedern
häufiges Zusammenkommen und
Genießen dieser Situation
Gelegenheit zur gegenseitige Beeinflussung
Gelegenheit für gemeinsames Tun
Interpersonale Merkmale:
physische Attraktivität
erlebte Ähnlichkeit
beobachtete Fähigkeiten
2.3.2 Attraktivität der Gruppenaktivitäten
Interessante und beliebte Betätigungen ermöglichen die Befriedigung elementarer
Bedürfnisse (z. B. Sport- oder Spielgruppe, Diskussionskreis, Chor).
2.3.3 Attraktivität der Gruppenziele
Interessante und beliebte Betätigungen ermöglichen die Befriedigung elementarer
Bedürfnisse (z. B. Sport- oder Spielgruppe, Diskussionskreis, Chor).
2.3.4 Attraktivität der Gruppenmitgliedschaft
Aufforderungswert besteht durch:
die Möglichkeit zum Vergleich seiner Fähigkeiten und Meinungen mit den anderen
Mitgliedern
Unterstützung bei der Erreichung individueller Ziele
besondere Leistungsfähigkeit oder Ansehen der Gruppe im Vergleich zu anderen.
2.4
Wie verläuft Gruppenbildung
Moreland & Levine (1982) haben ein Modell der individuellen Gruppensozialisation
entwickelt, das in einem fünfphasigen Verlaufsprozess die Vorgänge zwischen dem
Eintritt in die Gruppe und dem Ausschluss aus der Gruppe beschreibt.
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Das Modell von Moreland & Levine (1982) unterscheidet zwischen der Suchphase,
Sozialisationsphase, Erhaltungsphase, Resozialisationsphase und
Erinnerungsphase.
Getrennt davon wird zwischen vier Rollenübergängen unterschieden, in denen
Veränderungen im gegenseitigen Beziehungsverhältnis zwischen Gruppe und dem
einzelnen Mitglied stattfinden: Aufnahme, Akzeptanz, Divergenz und Ausschluss.
Besonders interessant für sozialpsychologische Forschungen ist die Phase der
Gruppensozialisation, in der für die Gruppe und den Neuling das jeweilige
Akzeptanzkriterium erreicht wird. Akzeptanz kann für beide Parteien nach Moreland
& Levine (1989) über drei selbstbezogene und drei fremdbezogene Strategien
erreicht werden.
Die drei selbstbezogenen Strategien sind:
(1) Verringerung des eigenen Akzeptanzniveaus,
(2) Veränderung der eigenen Erwartungen und
(3) Veränderung des eigenen Verhaltens so, dass die andere Partei ihre
Erwartungen eher erfüllt sieht.
Die fremdbezogenen Strategien bestehen aus:
(1) Verringerung des Akzeptanzniveaus des Partners, indem man den Partner
verunsichert bezüglich der Angemessenheit seines Akzeptanzniveaus oder indem
man über Machtmittel verfügt (z. B. Informationen, Geld, Status), mit denen das
Akzeptanzniveau verringert werden kann,
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(2) Veränderung der Partnererwartungen, so dass der Partner nicht mehr erwartet
als
man selbst zu leisten in der Lage und bereit ist und
(3) Veränderungen des Partnerverhaltens, indem man z. B. Macht auf den Partner
ausübt.
Diese Strategien zur Erreichung einer akzeptablen Gruppenmitgliedschaft können
sowohl vom Individuum gegenüber der Gruppe wie auch von der Gruppe gegenüber
dem Individuum angewandt werden.
Die während der Sozialisationsphase von beiden Seiten gemachten Erfahrungen
haben Auswirkungen auf den Einsatz geeigneter Strategien zur Erreichung des
gewünschten Akzeptanzniveaus und die Art, wie die Partner zukünftig miteinander
umgehen.
Gruppen sind dynamische soziale Gebilde. Sie durchlaufen bestimmte Phasen, so
dass eine Person, die einer Gruppe beitritt, diese in einer bestimmten
Entwicklungsphase antrifft. Auch wenn davon auszugehen ist, dass verschieden
Gruppen (z. B. problemlösungsorientierte Gruppen, Sensivity-Trainingsgruppen oder
formale Arbeitsgruppen) recht unterschiedliche Entwicklungsphasen durchmachen,
so kann doch meistens ein allgemeines Entwicklungsschema ausgemacht werden.
2.5
5 Stufen der Gruppenentwicklung (nach Caple)
2.5.1 Orientierungsstadium
es gibt viele mehrdeutige Handlungen der Mitglieder
Verhalten ist unkoordiniert
Bemühungen zur Etablierung traditioneller Strukturen werden unternommen
man hört noch nicht so recht aufeinander
2.5.2 Konfliktstadium
viele Meinungsverschiedenheiten
Gruppenmitglieder sind sehr unzufrieden miteinander, stimmen mit Vorschlägen
nicht überein, unterbrechen oft die Diskussion, greifen einander persönlich an
2.5.3 Integrationsstadium
Phase des Ausgleichs
Mitglieder beachten sich gegenseitig, suchen Übereinstimmung
Polarisierung nimmt ab
2.5.4 Leistungsstadium
Gruppe ist funktionsfähige Einheit
Interpersonale Beziehungen sind gefestigt
Gruppennormen und -rollen sind etabliert
Probleme werden rational bewältigt
Gruppe arbeitet reibungslos
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2.5.5 Stabilisierungsstadium
Mitglieder sind mit der Gruppe zufrieden
Kein Interesse an Neubewertung ihrer Normen,
neuen Informationen und Veränderungen
Interesse ist auf Fortbestehen der Gruppe gerichtet
Gruppenentwicklung ist ein komplexer Prozess. Die meisten Gruppen benötigen
einige Zeit zur Orientierung. Zielorientierte Gruppen benötigen Zeit zum Erreichen
eines produktiven Entwicklungsstadiums, in dem die Energien der Mitglieder zur
Zielereichung optimal eingesetzt werden können.
2.6
Gruppendynamik
Die Gruppendynamik beschäftigt sich mit den Vorgängen und Abläufen in einer
Gruppe von Menschen. Es wird davon ausgegangen, dass die Eigenschaften und
Fähigkeiten einer Gruppe verschieden sind von der Summe der Eigenschaften und
Fähigkeiten der einzelnen Personen der Gruppe.
Es existieren verschiedene Gruppenmodelle. Sie versuchen, Gesetzmäßigkeiten in
Gruppen zu beschreiben. Häufig werden hierbei zwischen drei bis fünf aufeinander
folgende Phasen beschrieben. Das bedeutet nicht, dass jede Gruppe diese Stufen
oder alle durchläuft. Oft bleiben Gruppen bei einer Stufe stehen, fallen in eine
vorhergehende kurz zurück oder wiederholen sie, insbesondere, wenn die Gruppe
durch Neuaufnahmen bzw. Abgänge "gestört wird".
Fremdheitsphase
Jeder versucht sich von seiner besten Seite zu zeigen, versucht sich anderen
gegenüber so zu verhalten, wie er gern gesehen werden möchte und tastet vorsichtig
die anderen ab.
Orientierungsphase
Die einzelnen Individuen begreifen sich als Gruppe, es beginnt ein Prozess des
Rollenfindens; z.T. entstehen starke Machtkämpfe.
Vertrautheitsphase
Die Rollen innerhalb der Gruppe sind vergeben, jeder hat seinen Platz bzw. seine
Aufgabe. In dieser Phase ist die Gruppe am produktivsten, sie wird deshalb auch in
einigen Modellen als Arbeitsphase beschrieben
Differenzierungsphase
Die Gruppenmitglieder orientieren sich nach Außen, sehen aber die Gruppe noch als
Rückzugsgebiet an. Diese Phase wird nicht in allen Modellen beschrieben.
Abschlussphase
Die Gruppe löst sich auf, bzw. wird aufgelöst (zum Beispiel Schulklasse). Diese
Phase hat nur dann eine Bedeutung, wenn die Auflösung einer Gruppe absehbar ist
bzw. geplant.
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Den erwachsenen Mensch mit gutem Bindungsverhalten kennzeichnet:
• eine offene Art
• er hat eine hohe Fähigkeit zur Reflexion
• er kann gute und schlechte Erfahrung in sein eigenes Leben integrieren
• er kann zu den guten und schlechten Erfahrungen die dazu gehörigen Gefühle
entwickeln
• er hat eine eher positive Sicht von sich selbst und von anderen
• und er hat eine hohe Achtung von Bindung
• er tut sehr viel um diese Bindung zu pflegen und zu halten
Ein Erwachsener, der im Bindungsverhalten eher unsicher ist,
• ist ein distanzierter Mensch
• seine Angaben sind kurz und unvollständig
• meistens wird die Kindheit idealisiert
• er zeigt eine Affektarmut. Das ist die Überregulation der Affekte, man regelt
als vom Kopf her und lässt Gefühle - vor allem nicht zu. Menschen, die sich
nicht geborgen fühlen, können über ihre Gefühle kaum reden und ihre Gefühle
vor allem redend nicht gestalten
• Er hat ein überzogenes Interesse am Aufbau von Unabhängigkeit. "Ich will
unabhängig sein, ich will frei sein. Bindungen und Beziehungen sind eh nicht
wichtig."
Das Leben ermutigt uns zum Mitmachen, es ermutigt uns, dass wir es in der Tiefe
ergründen. und wenn ich frage: Wie viel Bindung braucht der Mensch? Dann heißt
das wie viel Bindung braucht der Mensch woran?
Für Erwachsene gilt im Wesentlichen die Bindung an das Leben, das sich so intensiv
an uns gebunden hat, dass es uns nicht auskommen lässt. Das merkt man jeden
Morgen.
"Kein Mensch betritt diese Welt ohne die bange Frage, ob und wie weit er in der
Liebe eines anderen Menschen geborgen sein kann. Und so lange sich diese Frage
nicht beruhigt, wird er es nicht wagen, in die Welt zu treten." So hat das Eugen
Drewermann formuliert, und ich glaube, damit ist im Grunde alles gesagt.
2.7
Literaturangaben
www.wikipedia.de
http://www.socioweb.de/seminar/gruppe/phasen.htm
Sehnsucht nach Geborgenheit oder Wie viel Bindung braucht der Mensch?
Gedanken aus einem Vortrag von Günter Funke
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3 Bindungen in Partnerbeziehungen
3.1
Die Entwicklung von Bindungen in Partnerbeziehungen
Die Entwicklungen von Bindungen in Partnerschaften konfrontieren die Beteiligten
mit unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen. Von der jungen Liebe bis
zur gesetzten Beziehung hat jede Entwicklungsphase ihr eigenes Thema.
Wie kommt jedoch zunächst einmal die Bereitschaft des Menschen eine Bindung
einzugehen, zustande? Laut Hans - Werner Bierhoff und Elke Rohmann ist der
Mensch durch die Evolution darauf angelegt in Familien, Partnerschaften und
sozialen Institutionen zu existieren. Durch die Verfolgung eines gewissen
Gesellungsstreben sucht er die Nähe zu anderen Menschen. Oftmals sind dies
wichtige Bezugspersonen zu welchen eine intensive emotionale Beziehung besteht,
die auch das Denken und Verhalten beeinflusst. Wichtige Bezugspersonen sind zum
Beispiel die eigenen Eltern, die eigenen Kinder, Beziehungs- oder Ehepartner und
Freunde.
Die Partnerschaft ist also ein wichtiger Bereich im Leben jedes Menschen.
Charakteristisch bei diesem Zusammenleben ist, dass zwei Menschen - im
allgemeinen - verschiedenen Geschlechts, erwachsen oder noch jugendlich, freiwillig
eine Beziehung eingehen. Kennzeichnende psychologische Merkmale diesbezüglich,
sind zum Beispiel: Bindungen, Intimität, Dauer und Abgrenzung.
Die Beziehungsbeteiligten verfolgen meist im Alltag die gleichen Ziele, da sie häufig
zusammenleben
und
ihren
Alltag
gemeinsam
gestalten.
Dem
privaten
zuzurechnende Lebensbereiche wie zum Beispiel Familie, Alltag, Urlaub, Haushalt
und Freizeit verkörpern innerhalb einer Beziehung wichtige Faktoren und verfestigen
im günstigsten Fall die Beziehung. Drei Formen der Partnerschaft können
unterschieden werden:
 die Ehe
 ein festes Verhältnis
 eine Lebensgemeinschaft
Die Partnerschaft nimmt auch in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert ein, da sie
wichtige gesellschaftliche Bereiche der Sozial und Wohnungspolitik, der Ökonomie
und der Juristik, der Soziologie und der Demographie, der Moral und der Medizin
miteinander verbindet.
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Demzufolge kann man von einer großen Bedeutung der Partnerschaft im
persönlichen sowie auch gesellschaftlichen Bereich der Mikro- und Makroebene
sprechen.
3.1.1 Die Entstehung von Bindungen
Wie
aus
der
Einleitung
hervorgeht,
verfolgt
der
Mensch
ein
gewisses
Gesellungsstreben. Aus diesem Gesellungsstreben entsteht ein Verhalten,
dass
geprägt von einem Bindungsmotiv, die menschliche Bindungsorganisation bestimmt.
“Ein
Bindungsmotiv
stellt
das
biologische
Bedürfnis
dar,
in
den
ersten
Lebensmonaten und bis in die Jugendjahre, Schutz, Sicherheit und Unterstützung
einzufordern. Durch diese Einforderung, werden die Möglichkeiten, sich ausreichend
entwickeln zu dürfen, und im Angesicht von Gefahren, die von der Umwelt ausgehen,
zu überleben“, (aus Bierhoff/Rohmann; Bindungen in Partnerschaften, online Familienhandbuch).
Der Tiefenpsychologe John Bowlby sieht diese Bindungsorganisation (auch “innere
Arbeitsmodelle”) als biologisches System, das dem Kleinkind dazu dient, in den
frühkindlichen Phasen auf Grundlage von
körperlicher Nähe und emotionaler
Entlastung, seine Eltern zu erreichen.
In
der
Entwicklung
älterer
Kinder
und
Jugendlichen,
verändert
sich
die
Bindungsorganisation. Die Bedeutung für die Bewertung der Bindung liegt hier
vielmehr in der sprachlichen Repräsentation und Kommunikation.
Aus den Erfahrungen darüber, wie die Beziehungen zu anderen Menschen bewertet
werden, entwickeln sich Einschätzungen, die in neuen Beziehungserfahrungen zum
Beispiel zu Emotionsregulationen in Belastungssituationen beitragen.
Allgemein kann man zwei unterschiedliche Grundtypen von Bindungspräsentationen
nachweisen:
1. Der sichere Bindungstyp und
2. Der unsichere Bindungstyp.
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Bereits im Kleinkindalter lassen sich diese zwei Grundtypen nachweisen:
Sichere Kleinkinder
Unsichere Kleinkinder
Weinen weniger
Suchen Nähe der Mutter ziehen sich aber immer wieder
zurück oder klammern übertrieben
Mutter wird nach Abwesenheit positiv begrüßt
Zeigen beim auf den Arm nehmen häufiger positive
Reaktionen, wie negative
Welcher Bindungstyp sich entwickelt, hängt von der Feinfühligkeit der Bezugsperson
ab.
“Dieses Konzept der Bindungstypen in Eltern - Kind Beziehungen beeinflusst die
Entwicklung einer Partnerschaft, “da sie ähnlich wie die Eltern-Kind Beziehung
organisiert sind” (aus Bierhoff/Rohmann; Bindungen in Partnerschaften, online Familienhandbuch).
Jedoch erkannte Bowlby, dass der Mensch, nicht nur durch seine frühkindliche
Prägung bestimmte Lebensrichtungen einschlägt, sondern dass der Mensch eine
lebenslange Entwicklung durchläuft, die zwar in den frühen Lebensjahren die
Grundlagen für eine bestimmte Richtung bildet, aber jedoch auch die Möglichkeit
aufweist, eine neue Richtung einzuschlagen.
Also, entsteht nicht zwangsläufig aus einem Kind mit unsicherem Bindungsstil ein
Erwachsener mit unsicherem Bindungsstil.
Längsschnittuntersuchungen, in denen die Stabilität der frühkindlichen Bindung
untersucht wurden, zeigen deutlich dass Bindungsstile keine Schicksale sind. “Zwar
finden sich in einigen Studien Belege für eine Bindungskontinuität, aber die Hinweise
auf Diskontinuität überwiegen. Das Bindungsmuster der Kleinkinder weicht vielfach
von der Bindungspräsentation der 18-Jährigen ab. Das hängt damit zusammen, dass
neben der ursprünglichen Bindungsorganisation des Kleinkindes die aktuellen
Lebensbedingungen eine bedeutsame Rolle spielen, also z. B. die Frage, ob die
Bezugspersonen unterstützend und verlässlich oder antagonistisch und chaotisch
sind und mit den Bedürfnissen des Kindes nichts anfangen können.
Auch aufgrund der fortschreitenden intellektuellen Entwicklung des Kindes entsteht
die Fähigkeit, die eigenen Beziehungserfahrungen zu überdenken und zu bewerten,
sodass Schlüsse gezogen werden, welche Art von Beziehung man sich wünscht.
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Diese Schlussfolgerungen können das zukünftige Beziehungsverhalten beeinflussen”
(aus Bierhoff/Rohmann; Bindungen in Partnerschaften, online - Familienhandbuch).
3.1.2 Bindungsstile in Partnerschaften
Wie die Bindung zwischen Bezugsperson und Kind, präsentiert auch jede
Partnerschaft
verschiedene
Bindungsstile.
Diese
Bindungspräsentation
in
Partnerschaften kann von vier Bindungsstilen in Partnerschaften ausgehen:
Sicheren Bindungsstil
Ängstlich-ambivalente
Ängstlich-vermeidende
Gleichgültig-
Bs
BS
vermeidende Bs
Positive Sichtweise des
Negative Sichtweise des
Negative Sichtweise des
Positive Sichtweise des
Selbst & des Partners
Selbst & positive
Selbst
Selbst & negative
Sichtweise des Partners
Kann Nähe zulassen
Ängstlich & daraufhin
Sichtweise des Partners
Angst vor Intimität
Vermeidet Intimität
verunsichert auf die
Beständigkeit der
Beziehung
Empfindet Partnerschaft
Fühlt sich zum Partner
Vermeidet tiefergehende
Betont eigene
als emotional
emotional hingezogen
soziale Beziehungen
Autonomie, empfindet
unterstützend
keine starke emotionale
Abhängigkeit vom
Partner
Genau wie Bezugsperson - Kind - Bindungen eine sichere oder unsichere Bindung
entwickeln, entsteht die Entwicklung von Bindungen in Partnerschaften. “Die Qualität
der Bindung lässt sich entsprechend der Ausprägung von Bindungsangst und
Bindungsvermeidung
beschreiben:
Jemand
der
hoch
ängstlich
und
wenig
vermeidend ist, weist einen ängstlich - ambivalenten Bindungsstil auf. Jemand, der
sowohl hoch ängstlich als auch hoch vermeidend ist, ist ängstlich - vermeidend und
jemand, der niedrig ängstlich und hoch vermeidend ist, wird als gleichgültig vermeidend gekennzeichnet. Untersuchungen zeigen, dass es für den Erfolg einer
Partnerschaft (Zufriedenheit, Stabilität etc.) günstig ist, sich an den Partner sicher
gebunden zu fühlen, und es zudem vorteilhaft ist, wenn der Partner einen sicheren
Bindungsstil aufweist“ (aus Bierhoff/Rohmann; Bindungen in Partnerschaften, online
- Familienhandbuch).
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3.1.3 Phasen und Aufgaben der Paarentwicklung
Entsteht nun eine Bindung in einer Partnerschaft, “durch auf Gegenseitigkeit
beruhenden Kontakt, der in einem mehr oder weniger großen Ausmaß an
körperlicher Attraktivität, Einstellungsähnlichkeit, Bedürfniskomplementarität und
Selbstenthüllung zum Ausdruck kommt“, müssen die Beteiligten immer wieder
verschiedene Aufgaben und Phasen der Entwicklung bestehen (aus Oerter,
Montada, S. 112, 2002, Beltz).
Die Paarentwicklung zeigt fünf unterschiedliche normative Entwicklungsphasen mit
jeweils spezifischen Entwicklungsaufgaben:
Phasen der Paarentwicklung
Entwicklungsaufgaben
Paare in der Frühphase ihrer Beziehung
- Lernen zusammenzuleben
- Klärung der Aufgabenverteilung zwischen den
Partnern
- Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Beziehungen
- Sicherstellung des Lebensunterhaltes als Paar
- Einigung zur Frage der Familienplanung
Paare mit kleinen Kindern
- Anpassung des Paarsystems an die Pflege und
Betreuung eigener Kinder
- Differenzierung zwischen Partner- und Elternrolle
-Ausübung einer funktionsfähigen Elternallianz
Paare mit älteren Kindern und Jugendlichen
- Aufrechterhaltung einer stabilen und befriedigenden
Paarbeziehung
- Anpassung an den Beziehungswandel im Umgang mit
älter werdenden Kindern
- Entlassen der Kinder in die Eigenständigkeit
Paare in der nachelterlichen Phase
- Aushandeln eines neuen Verständnisses der
Paarbeziehung
-Neuorientierung des Lebensstils als Paar und Person
-Integration neuer Aufgaben und Rollen im Kontakt mit
den erwachsenen Kindern
Paare in der späteren Lebensphase
- Anpassung an veränderte zeitliche
Rahmenbedingungen von Gemeinsamkeit nach dem
Ausscheiden aus dem Arbeitsleben
-Auseinandersetzung mit Gebrechlichkeit bzw. Tod des
Partners
-Klärung testamentarischer Verfügung gegenüber den
Nachkommen
(aus Oerter, Montada, 2002, S. 113,Beltz)
Diese dargestellten Phasen der Paarbeziehung verlaufen hier natürlich optimal.
Aufgrund der Entwicklungsverläufe und Wandlungsprozesse in den letzten Jahren,
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kommen verschiedene Varianten von Entwicklungsverläufen auf. Diese äußern sich
als nicht - normative Entwicklungsverläufe von Paarbeziehungen, zum Beispiel durch
nicht eheliche Paarbeziehungen oder Wiederverheiratungen.
Die jeweilige Bewältigung der Entwicklungsaufgaben in den verschiedenen Phasen
ist von großer Bedeutung für den Fortbestand des Paarsystems, egal welche
Entwicklungsverläufe bestehen (aus Oerter, Montada, 2002, Beltz, S.112).
3.1.4 Literatur/Internet
 Bierhoff, Hans - Werner
und Rohmann, Elke: Bindung in Partnerschaften.
www.familienhandbuch.de
 Oerter, Rolf und Montana, Leo (Hrsg.): Entwicklungspsychologie, Beltz, 2002
3.2
Bindungsangst
Bindungsangst und Verlustangst gehören unmittelbar zusammen: Um ein Gefühl
der Verlustangst zu entwickeln, muss man zunächst das Gefühl der Bindung kennen.
Angesichts der enormen gesellschaftlichen Bewegungen heutzutage (Flexibilität und
Mobilität als Werte unserer Leistungsgesellschaft) bedeutet eine Bindung an einen
anderen Menschen immer auch das Risiko, den Verlust desselben zu erfahren.
Bei manchen Menschen führen Verlusterfahrungen in der Kindheit zu einer solchen
inneren Leere, dass sie nicht mehr bereit sind, durch das Eingehen von Bindungen
weitere Verluste zu riskieren.
3.2.1 Was bedeutet Bindungsangst?
Wenn ein Mensch eine Bindung eingeht, so lässt sich diese bestimmen als der
Lernprozess, gegenüber einem anderen Menschen Vertrauen aufzubauen. Dieses
Vertrauen ist die Grundlage, um eine dauerhafte Beziehung mit wechselseitiger
Verantwortung auf freiwilliger Basis aufrechtzuerhalten.
Die erste Bindung zwischen Mutter und Kind dient als Modell für die spätere
Entwicklung. Gelingt diese Beziehung nicht oder kommt es zu einer für das Kind
schmerzhaften Trennung, bleibt immer eine Angst vor Abhängigkeit und damit Nähe
und Bindung bestehen.
Ursprünglich werden Menschen von einem Bedürfnis nach Nähe bestimmt. Lässt
sich dieses Bedürfnis nicht erfüllen, wird der Schmerz darüber verdrängt. In
extremen Fällen wird das Nähebedürfnis vom eigenen Ich abgekoppelt, um die
verletzte Psyche zu schützen. Damit scheint der Wunsch nach Nähe kontrollierbar zu
sein, und auch mögliche Abhängigkeitsängste werden so unter Kontrolle gebracht.
3.2.2 Wie äußert sich Bindungsangst?
Bindungsangst äußert sich häufig in einer Neigung zu Eigenbrötelei und im
unzureichend ausgeprägten Verantwortungsgefühl gegenüber Sozialpartnern
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(Familie, Freunden). Oft besteht auch eine Neigung zum häufigen und schnellen
Wechsel von Bezugspersonen, zu denen meistens auch nur flüchtige und kurzzeitige
Kontakte bestehen.
3.2.3 Wie wird Verlustangst erlebt?
Üblicherweise setzt Verlustangst eine Bindungsfähigkeit voraus, kann also auftreten,
wenn eine bestehende Bindung gefährdet erscheint, z.B. durch einen Dritten. Oft
drückt sich dann Verlustangst durch Eifersucht aus, hat also mit einem labilen
Selbstwertgefühl zu tun.
3.2.4 Wie drückt sich dies in der Sexualität aus?
Da die Sexualität zwar die am stärksten bindende Kraft in einer Partnerschaft ist,
gleichzeitig aber oft als abgespalten von Liebe und sonstigen stabilisierenden
Faktoren der Partnerschaft gelebt wird, kann die Bindungsfunktion oft nicht aufrecht
erhalten werden. Gerade hier wird die Zwiespältigkeit der Nähe-Distanz-Balance am
deutlichsten, sodass Störungen der partnerschaftlichen Bindung sich meistens zuerst
in der Sexualität zeigen, z.B. durch Angst vor oder Vermeidung von Nähe.
3.2.5 Eine Anekdote zur Nähe-Distanz-Balance
"Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertag nahe
zusammen, um durch die gegenseitige Wärme sich vor dem Erfrieren zu schützen.
Bald jedoch empfanden sie die gegenseitigen Stacheln und entfernten sich wieder
voneinander. Wenn dann das Bedürfnis nach Erwärmung sie wieder näher
zusammenbrachte, wiederholte sich das zweite Übel, so dass sie zwischen beiden
Leiden hin- und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung
herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten."
(Arthur Schopenhauer)
Redaktion Dr. med. Britta Bürger, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
3.3
Wie die Erziehung spätere Partnerschaften beeinflusst
Was Kinder für ihr späteres Leben vom Vater und was sie von der Mutter lernen,
entscheidet weitgehend die Erziehung. Es richtet sich aber auch nach den
individuellen Stärken der Eltern. Wer z.B. geduldig etwas vormacht, von dem wird
eher etwas übernommen, als von dem ungeduldigen fordernden Elternteil. Fest
steht: die Kinder lernen immer genau das, was die Eltern ihnen vormachen oder
vorleben. Dabei ahmen Söhne eher ihre Väter nach und Töchter die Mutter. Das es
nicht umgekehrt ist, liegt daran, dass Kinder sein wollen wie ihr Vorbild - und da ist
eben der Vater Vorbild für die Identifikation des Sohnes und die Mutter für die
Rollenfindung der Tochter. Es ist also gar nicht so verkehrt, sich die zukünftige
Schwiegermutter oder den zukünftigen Schwiegervater anzusehen - denn einiges
von deren Eigenarten hat der/die zukünftige Partner/in bestimmt.
Auch die Art der Partnerschaft der Eltern hat großen Einfluss - nicht nur auf die
kindliche Entwicklung, sondern auch ganz besonders auf die eigene Partnerschaft im
späteren Leben.
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3.3.1 Psychologische Tipps - Negative Vorbilder - Reaktionsmuster im
späteren Leben
Kinder, die in einer unglücklichen Partnerschaft groß werden, deren Eltern z.B. viel
streiten, erzeugen bei ihren Kindern hauptsächlich vier verschiedene
Partnerschaftsmuster:
3.3.1.1 Harmoniesucht
jeder Streit wird vermieden, es wird alles unter den Teppich gekehrt oder immer
nachgegeben. Dahinter steckt die Angst, dass Streit nur etwas Negatives ist und jede
Beziehung zerstört. Diese Menschen haben nicht gelernt, dass Streit etwas mit
Auseinandersetzung auch im positiven Sinne zu tun hat, dass Harmonie "Erstritten"
werden muss. In der Regel zerbrechen diese Partnerschaften aber gerade daran,
dass es an Offenheit mangelt und jeder im geheimen unzufrieden ist.
3.3.1.2 Wiederholungszwang
unbewusst sucht sich der erwachsene Mensch einen Partner/in mit der er/sie die
gleiche Misere erlebt, wie die Eltern. Er handelt nach dem Motto "Lieber das
bekannte Unglück als das unvertraute Glück". Er hält schlechte unbefriedigende
Partnerschaften aus, weil er es von zuhause nicht anders gewöhnt war und gar nicht
daran glauben mag, dass eine Partnerschaft auch befriedigend und glücklich sein
kann.
3.3.1.3 Bindungsangst
die Ehe der Eltern wurde als so beängstigend und verunsichernd erlebt, dass
ein solches Kind - häufig noch während der Kindheit - mehr oder minder
unbewusst beschließt: "Ich binde mich später nicht, dann kann mir auch
niemand wehtun". Es fehlt das Urvertrauen in die eigene positive
Bindungsfähigkeit - es überwiegt die Angst vor dem Verlassen, oder
Verlassenwerden.
3.3.1.4 Abgrenzung
die Kinder suchen sich im späteren Leben einen Partner/in, der/die das genaue
Gegenteil des eigenen Vaters/Mutter ist und auch im eigenen Leben achten sie
kritisch darauf, nicht so zu sein, wie die Eltern. Das setzt allerdings ein gesundes
Selbstbewusstsein voraus und eine frühzeitige Distanzierung von den eigenen
Eltern.
3.3.2 Allerdings: Kindheit ist kein unveränderliches Schicksal
Um den eigenen elterlichen Vorbildern zu entkommen, bzw. die eigenen
Bindungsängste aufzuarbeiten, muss ein erwachsener Mensch sich kritisch mit der
eigenen Kindheit auseinandersetzen - eventuell mit Hilfe einer Therapie - und den
Mut haben, eine Partnerschaft zu riskieren, in ihr eigene Fehler zu machen und
daraus zu lernen.
3.3.3 Literatur
Entwicklungspsychologie, Rolf Oerter, Leo Montada; 5 Auflage, Berlin 2002
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3.3.4 Internet
www.netdoktor.de , Dr. med. Britta Bürger, Fachärztin für Frauenheilkunde und
Geburtshilfe
www.familienhandbuch.de
3.4
Bindungsfähigkeiten / -Kompetenzen
Eine glückliche Partnerschaft zu führen ist anspruchsvoll. Nicht nur körperliche
Attraktivität, Persönlichkeitsmerkmale (Intelligenz, Alter,etc.), Schichtzugehörigkeit,
Einkommen, Bildung, Religionszugehörigkeit oder die Liebe zum Zeitpunkt des
Eingehens der Beziehung gewährleisten eine glückliche Partnerschaft. Um eine
Partnerschaft zu führen sind individuelle Fähigkeiten und Kompetenzen notwendig,
um Alltagsschwierigkeiten überwinden zu können und die Anforderungen der
Partnerschaft zu meistern.
Paare müssen imstande sein mit verschiedenen Entwicklungsaufgaben umzugehen,
Schwierigkeiten zu überwinden und an diesen Aufgaben wachsen zu können.
Die wichtigsten Bindungsfähigkeiten / -kompetenzen sind:
- angemessen miteinander kommunizieren zu können
(Kommunikationsfähigkeit / -kompetenz)
- Alltagsprobleme effizient zu lösen
(Problemlösefähigkeit / -kompetenz)
- Alltagsstress wirksam bewältigen zu können
(Stressbewältigungsfähigkeit / -kompetenz)
Der Umgang mit Stress spielt bei allen Punkten eine zentrale Rolle. Es gibt viele
Paare, die angemessen miteinander kommunizieren und auch Probleme gut lösen
können. Doch häufig fallen diese Kompetenzen unter Stress zusammen. Stress
bewältigen zu lernen ist daher auch für die Aufrechterhaltung der beiden anderen
Kompetenzen zentral
Als erstes sollten Paare all den Stress reduzieren, welcher nicht unbedingt notwendig
ist. Durch eine gute Organisation und Planung, Kooperation und umsichtige
Festlegung der beruflichen, familiären und persönlichen Ziele kann eine Menge an
Stress im Alltag reduziert werden.
Zweitens sollten beide Partner allein und als Paar stressfreie Inseln aufbauen, d. h.
Zeit definieren, an denen sie Zeit für sich und aneinander haben. Und drittens sollten
sie lernen, wie sie wirksam mit Alltagsbelastungen umgehen können, indem sie diese
Anforderungen realistisch wahrnehmen und interpretieren, sie positiv lösen und die
Wirksamkeit des eigenen Handelns erkennen.
Ein weiterer Punkt, der zur Erreichung des Beziehungsglücks von Bedeutung ist,
betrifft die eigenen Erwartungen an die Partnerschaft und den Partner. Häufig sind
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diese Erwartungen sehr hoch, manchmal auch unrealistisch und für den anderen
schwer zu erreichen. Ferner gilt es zu bedenken, dass sich beide Partner im Verlauf
der Partnerschaft entwickeln. Diese Entwicklung kann mit den eigenen Erwartungen
kollidieren oder diese Erwartungen an die Partnerschaft verändern und damit deren
Erreichung erschweren oder verunmöglichen.
Es gilt nicht nur, die Erwartungen an die Partnerschaft realistisch zu halten, sondern
auch zu erkennen, dass eine Partnerschaft einer kontinuierlichen Entwicklung
unterworfen ist und beide Partner miteinander Schritt halten müssen. Dazu gehört
zum einen das Interesse für den anderen und seine Entwicklung, zum anderen
jedoch auch die Fähigkeit, sich selber zu entwickeln und diesen Entwicklungsprozess
beiden gleichermaßen zuzugestehen.
Die Partner sollten nicht versuchen, den anderen nach den eigenen Vorstellungen
formen oder verändern zu wollen. Verhaltensweisen oder Eigenschaften des
Partners, die sehr störend sind und mit denen nur schwer gelebt werden kann, sollen
angesprochen und der Wunsch nach Veränderung geäußert werden. Was allerdings
nicht verändert werden kann, muss bis zu einem gewissen Grad akzeptiert werden.
Durch diese Haltung wird Veränderung häufig einfacher möglich, weil kein Druck
besteht, dem man nicht gewachsen ist oder gegen den man sich auflehnt.
Eine glückliche Partnerschaft zu führen ist damit immer auch ein Balanceakt
zwischen dem Stellen von Forderungen und dem Schließen von Kompromissen.
Beides sollte möglich sein.
3.5
Der Einfluss der Herkunftsfamilien auf die Partnerschaft
Die Herkunftsfamilien sind für die Partnerwahl und die Partnerschaft Erwachsener
von großer Bedeutung, weil sie
1. partnerschaftliches Erbgut weitergeben
2. in der Kindheit und der Jugend durch Vorbild und Beispiel, durch Belohnung
und Bestrafung wesentlichen Einfluss nehmen auf die Art und Weise wie
Partner miteinander kommunizieren und Beziehung leben
3. meist lebenslang in engem Kontakt mit dem Paar stehen und als Quellen und
Empfänger sozialer Unterstützung wie auch Reglementierung einen
wesentlichen Bezugsrahmen darstellen. Die Beziehung zwischen Eltern und
Kindern in auf- und absteigender Liste sind lebenslang meist enger als die
zum Partner, was viel Konfliktstoff bietet.
4. auch über den Tod hinaus durch Vermächtnisse, Verfügungen und ihren
Nachlass nicht selten erheblicher Vermögenswerte, aber auch durch
psychologische Bindungen, für ihre Nachkommen Bedeutung haben können.
3.5.1 Erbgut und neuronale“ Programmierung“
Mittels neuronaler Bahnungen und Verschaltungen werden schon vor der Geburt
Erfahrungen im Gehirn programmiert.
So kann es sein, dass die Schwangere besonderen familiären oder anderen
seelischen Belastungen ausgesetzt ist und damit die Belastungen (Stress) an das
Ungeborene weitergibt, so dass sich die Risiken für eine Fehlentwicklung des
Gehirns und der neuronalen Schaltungen im Gehirn des Ungeborenen erhöhen.
So entwickeln Kinder mit einer erhöhten Stressbelastung während der
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Schwangerschaft eine höhere Erregungsbereitschaft, indem die Stressgene in den
Nervenzellen angeschaltet werden und ein neuronales Alarmsystem arrangiert wird.
Solche Menschen neigen schon bei den geringsten Anlässen zu überschießenden
Reaktionen und entwickeln im Laufe des Lebens umfassende Schutz- und
Abwehrmechanismen. Dieses Verhalten steht einer positiven Lebensführung im
Wege und ist bei der Partnerwahl hinderlich.
3.5.2 Einflüsse auf Persönlichkeit und Selbstbild
Eltern, die stabile Persönlichkeitsmerkmale aufweisen, wie Extraversion,
Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Ressourcenreichtum
(die so genannten „ Big Five“) haben eine befriedigendere Paarbeziehung und
verhalten sich ihren Kindern gegenüber konstruktiver. Damit fördern sie einen
sicheren Bindungsstil und eine gesunde Entwicklung ihrer Kinder.
1 Eltern, die emotional irritiert sind neigen zu starker Behütung ihrer Kinder und
geben ihren Kindern wenig positive Anregungen
2 Eltern die wenig verträglich sind neigen zu mehr negativen Emotionen und
Disziplinierungsmaßnahem und provozieren bei ihren Kindern Trotz, Wut und
einen unsicheren Bindungsstil
3 Eltern die ihre Kinder ablehnen, weil sie unerwünscht waren, oder
unerwünschte Merkmale (Geschlecht, Aussehen etc.) haben, betreuen ihre
Kinder weniger verlässlich und lassen sie öfter allein. Geschieht dies in den
ersten drei Lebensjahren so fördern die Eltern beim Kind einen unsicheren
Bindungsstil. Die Kinder sind anfälliger für Selbstwertprobleme, emotionale
Irritierbarkeit, Depressivität, körperliche Beschwerden, Aggressivität und
Kontaktschwierigkeiten, sowie für unbewusste Aufträge und
Wiedergutmachungswünsche an den Partner.
4 Frühgeborene unterliegen in besonderem Maße solchen Risiken
5 Ebenso Kinder mit kritischen Lebenssituationen( Todesfälle in der
Familie……)
3.5.3 Einfluss des Familientyps
Unterschiedliche Familientypen sind: Scheidungs-, Stief-, Pflege-, oder
Adoptivfamilien.
Kommen Partner aus unterschiedlichen Familientypen, so steigert dies den
Verständigungsaufwand und die Konfliktanfälligkeit, weil die einzelnen Partner
unterschiedliche Perspektiven und Gewohnheiten mitbringen.
Personen aus Scheidungsfamilien haben ein negativeres Frauen oder Männerbild.
Die Trennungsrate bei Scheidungskindern liegt im Westdeutschen Bereich bei 118%.
Dafür gibt es folgende Erklärungen:
1 Je jünger die Kinder je jünger wahrscheinlich die Eltern bei der Scheidung.
Jüngere Mütter meistern die Scheidungsfolgen weniger gut als erfahrenere
Mütter
2 Je jünger das Kind umso kürzer war die Dauer der Ehe. Das Kind hatte wenig
Zeit eine gelungene Paarbeziehung zu erleben.
3 Kinder die früh eine Trennung miterlebten, halten Trennung für eine mögliche
Form der Konfliktbewältigung
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3.5.4 Familiale Funktionsfähigkeit
Familien und Paare brauchen bestimmte Vorraussetzungen, um gut funktionieren zu
können:
1. eine Werteordnung mit zuträglichen Werten, Normen und Regeln, die
untereinander kompatibel und von allen Angehörigen als gerecht empfunden
werden.
2. Wissen der Mitglieder über einander und relevante Lebensbereiche
3. eine sinnvolle und klare Rollen-, Ressort- und Aufgabenverteilung
4. klare Grenzen nach außen und zwischen den Subsystemen
5. konstruktive Kommunikations-, entscheidungs- und Steuerungsstrukturen
6. konstruktive Beziehungen und verlässliche Bindungen, eine intakte
Paarbeziehung der Eltern fördert vor allem in den frühen Phasen
Selbstwertgefühl und Bindungsfähigkeit des Kindes
7. funktionsfähige Subsysteme mit kompetenten Angehörigen
8. zuträgliche Modellvorstellungen über familiale Kultur
3.5.5 Weitergabe familialen Erbes
Die Weitergabe familialen Erbes geschieht im Rahmen alltäglicher Praxis mit den
Kindern. Lernprozesse finden über Modelle, Belohnung und Bestrafung statt, aber
auch über Stimmungen, die weitergegeben werden. In der Familie findet eine
Weitergabe von Tradition, Ritualen, Tabus und Symbolen statt. Familiendynamische
Probleme und andere Familienthemen finden auf diesem Wege Eingang in
individuelles Denken. Dadurch entsteht eine Familienkultur. In Bezug zur
Schwiegerfamilie ist es wichtig beide Kulturen aneinander anzupassen.
3.5.6 Literatur
www.familienhandbuch, Peter Kaiser, Der Einfluss der Herkunftsfamilien auf die
Partnerschaft
3.6
Bindungstypen / Studien
Wie nun zahlreiche Studien belegt haben, prägt uns das frühe Bindungsverhalten
unserer Bezugspersonen (Mutter ist meist Primäre Bezugsperson) Die hieraus
resultierenden Bindungsverhaltensweisen zeigen Kinder in belastenden Situationen;
wissenschaftlich im „Fremde-Situations-Test“ von Mary Ainsworth erfasst. Ein
Bindungsmuster entwickelt sich in Reaktion auf das Verhalten, das die
Bindungsperson dem Kind gegenüber zeigt.
Der englische Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby wies als einer der
Ersten auf die enorme Bedeutung der frühen Bindungsqualität für eine gesunde
psychische Entwicklung hin. Anfang der 60er wurden Veröffentlichungen von der
Fachwelt noch reserviert bis ablehnend aufgenommen. In den vergangenen 20
Jahren hingegen wurde eine Fülle an Studien durchgeführt welche Bowlbys
Konzepte bestätigen: Die frühen Bindungserfahrungen beeinflussen in fundamentaler
Art und Weise die späte Gesundheit, Stressresistenz sowie die Beziehungsfähigkeit
von Menschen.
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Auch das Forscherehepaar Karin und Klaus Grossmann, welches drei Jahrzehnte
lang in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern Menschen von der Geburt bis
ins Erwachsenenalter begleitet hat, gibt an: „Bindungen zu anderen entscheiden
darüber, wie ein Mensch sich fühlt, wie er handelt, was er denkt und wie gesund er
ist. Welche Qualität diese Bindungen haben, ob sie Sicherheit vermitteln oder eher
Unsicherheit bewirken, das bahnt sich schon sehr früh an und beeinflusst das
gesamte weitere Leben. Der enge Kontakt zwischen dem Säugling und seiner
wichtigsten Bezugsperson legt den Grundstein für psychische Sicherheit oder
Unsicherheit.“
Auch Erwachsene zeigen in schwierigen Lebenssituationen
Bindungsverhaltensweisen wenn auch in „symbolischer und kulturell akzeptierter
Form“, wie Karin und Klaus Grossmann schreiben. „Sie weinen nicht lauthals aber
sie jammern und klagen. Sie schreien nicht nach einem Menschen, aber hängen sich
vielleicht ans Telefon um Nähe herzustellen.“
Im Bildungsinterview für Erwachsene (Adult-Attachment-Interview, AAI- Mary Main,
zus. mit Kaplan und George, 1985) beschrieben Erwachsene welche Beziehungen
sie zu den Eltern als Sechs bis Zwölfjährige hatten (sowie ihr aktuelles
Bindungsverhalten.) Bei der Auswertung wurde vor allem auf die Kohärenz des
Geschilderten geachtet.
Den vier kindlichen Bindungsmustern stehen sicher, unsicher (ängstlich)-ambivalent,
unsicher(ängstlich)-distanziert und desorganisiert (Bindungsrepräsentation mit
unverarbeitetem Trauma) im Erwachsenenalter gegenüber:
3.6.1 Sichere Bindung:
Sicher gebundene Kinder sind zuversichtlich in Bezug auf die Verfügbarkeit der
Bindungsperson. Die primäre Bezugsperson gilt als „feinfühlig“, sie stellt sich
aufmerksam und differenziert auf die Bedürfnisse des Kindes ein. (Sie gibt dem Kind
in der Regel das, was es braucht. Wenn es weint weil es hungrig ist, bekommt es zu
essen. Wenn es jammert weil es Zuneigung braucht, bekommt es sie.)
Die Bindungsperson wird als „sicherer Hafen“ wahrgenommen: den man verlassen
kann und bei Gefahr jederzeit wieder aufsuchen kann, um Schutz und Geborgenheit
zu erfahren.
Erwachsene mit sicherem Bindungsstil haben eine positive Sicht von sich und ihren
Mitmenschen. Sie betrachten andere Menschen als vertrauenswürdig und sehen
Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft als gegeben an.
In Beziehungen können sie Nähe gut zulassen. Sie wertschätzen ihren Partner.
Sicher
gebunden Personen haben die dauerhaftesten Liebesbeziehungen.
Aussage Erwachsener dieses Typus: „Ich finde es ziemlich einfach, zu anderen
Personen einen engen Kontakt herzustellen und ich fühle mich wohl, wenn ich von
ihnen abhängig bin. Ich habe keine Sorge, verlassen zu werden oder dass mir
jemand zu nahe kommen könnte“.
3.6.2 unsicher (ängstlich) - ambivalente Bindung:
Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindung wachsen mit Bezugspersonen auf, von
denen sie nie wissen, woran sie sind. Mal überschütten diese das Kind mit
Zuneigung und Liebe, mal ignorieren sie es völlig. Folglich haben dies Kinder sehr
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häufig Angst „vergessen“ zu werden. Sie können Trennungen von der bemutternden
Person kaum verkraften: Sie schreien, klammern sich an und sind nur schwer zu
beruhigen. Kümmert sich die Bezugsperson wieder um sie, reagieren sie oft
aggressiv und wehren die Zuwendung ab.
Kinder mit vielen unsicher-ambivalenten Bindungserfahrungen wachsen (nach der
Beobachtung von Alberti ) zu Erwachsenen heran, die durchaus intensive Nähe zu
anderen schaffen können, doch im nächsten Moment vor ihr flüchten. Sie pendeln
zwischen Hingezogensein und Rückzug und versuchen innere Leere durch
Ablenkungen, Arbeit und Suchtverhalten zu füllen.
Aussage Erwachsener dieses Typus: „ Ich finde, dass es anderen widerstrebt, mir
so nahe zu sein, wie ich es gerne hätte. Ich mache mir oft Gedanken darüber, dass
mein Partner/ meine Partnerin mich nicht wirklich liebt oder nicht mit mir zusammen
bleiben will. Ich möchte meinen Partner/innen sehr nahe sein und genau das
verscheucht sie manchmal.“
3.6.3 unsicher (ängstlich) - vermeidende Bindung:
Ängstlich- vermeidenden Kindern fehlt die Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit der
Bezugsperson. Sie haben häufig Zurückweisung erfahren und entwickeln die
Haltung, dass ihre Wünsche grundsätzlich auf Ablehnung stoßen.
Unsicher - vermeidend gebundene Kinder zeigten nicht, wenn sie in
Trennungssituationen Angst oder Trennungsschmerz empfanden. In physiologischen
Untersuchungen zeigte sich aber deutlich, dass diese Kinder unter enormen Stress
standen.
Erwachsene, welche von ängstlich – vermeidenden Bindungserfahrungen geprägt
sind, haben in ihrem Leben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im späteren Leben
Probleme mit Nähe. Enge Bindungen machen Angst, Kontakte werden lieber
gemieden. Bindungsvermeidende wirken kühl und desinteressiert auf andere. In
Wirklichkeit aber lassen sie andere Menschen lieber nicht so nah an sich heran weil
sie fürchten, enttäuscht zu werden.
Aussage Erwachsener dieses Typus: „ Wenn ich anderen nahe bin, fühle ich mich
dabei etwas unwohl. Ich finde es schwierig, ihnen vollkommen zu vertrauen. Ich kann
mir selbst nur schwer zugestehen, dass ich von ihnen abhängig bin. Wenn jemand
mir zu nahe kommt, werde ich nervös. Manchmal möchten die Partner/innen in
meinen Liebesbeziehungen von mir mehr Intimität, als mir angenehm ist.“
3.6.4 desorganisierte Bindung:
Die Forschung spricht von desorganisiertem Bindungsverhalten, wenn ein Kind in
Konfliktsituationen stereotype motorische Verhaltensweisen zeigt, seine
Bewegungen unterbricht und einige Sekunden lang erstarrt. Belastungen
überwältigen das Kind derart, dass es gar nicht mehr weiß, wo es noch Sicherheit
gibt.
Erwachsene, welche diesem Bindungstypen zugeordnet werden, leiden unter ihrem
unverarbeiteten Trauma (oder mehreren Traumata). Vermutlich sind sie erst nach
erfolgreich absolvierter Therapie in der Lage Partnerschaftsbeziehungen
einzugehen.
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Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine positive, sichere Bindung an die
Eltern eine gute Grundlage für eine sichere partnerschaftliche Beziehung zu sein
scheint. Das Ehepaar Grossmann gelangte nach langjährigen Studien zu dem
Schluss: Kinder, die feinfühlige Eltern hatten, „entwickeln sich zu Erwachsenen, die
selbst feinfühlig gegenüber den Bindungsbedürfnissen ihrer Partner sind und die
Bindungsbeziehungen wertschätzen“.
Karl- Heinz Brisch berichtet von einem weiteren Ergebnis der Bindungsforschung:
Danach haben Mütter, die Bindungen für wertvoll halten, „mit 75% Übereinstimmung
auch bindungssichere Einjährige. Umgekehrt zeigen die meisten Kleinkinder von
bindungsabwertenden Müttern im Alter von einem Jahr ebenfalls psychische
Unsicherheit. Die Weitergabe von Bindungssicherheit lässt sich auch für die VaterKind-Beziehung feststellen, „wenn auch nicht mit gleicher Intensität“, berichtet Brisch.
Kann die früh entwickelte Bindungsqualität verändert werden oder ist Bindung
Schicksal?
Das Forscherpaar Grossmann gibt hierzu an, dass frühe Einflüsse den Weg zu
psychischer Sicherheit oder Unsicherheit bahnen - „aber sie legen noch nichts fest“
- denn Bindung ist veränderlich!
Ein bindungssicheres Kind kann im Laufe seines Lebens unsicher im Hinblick auf die
Verlässlichkeit von Bindungen werden, wenn es im Leben mehrere enttäuschende
Erfahrungen durchmacht.- Umgekehrt kann aus einem bindungsunsicheren Kind
aufgrund mehreren positiven Erfahrungen ein psychisch sicherer Erwachsener
werden, so Inge Seiffge-Krenke, Professorin für Psychologie an der Universität
Mainz. (Studie Psychotherapie, Bindungsstile).
Auch ein als positiv und unterstützend erlebter Liebespartner kann psychisch
unsicheren Menschen zu neuen Beziehungserfahrungen verhelfen. Interessant ist in
diesem Zusammenhang das Ergebnis einer Studie über die Partnerwahl von
psychisch sicheren Menschen: Nur 50% von ihnen wählen einen ebenfalls
bindungssicheren Partner, die Hälfte verliebt sich in einen bindungsunsicheren
Menschen. Und verhilft diesem somit vermutlich zu mehr psychischer Stabilität und
Lebensglück.
„Menschen jeden Alters wirken am Glücklichsten und nutzen ihre Begabungen auf
die vorteilhafteste Weise, wenn sie die Gewissheit haben, dass mindestens eine
Person hinter ihnen steht, die Vertrauen besitzt und ihnen zu Hilfe kommt, falls sich
Schwierigkeiten ergeben“. ( John Bowlby)
3.6.5 Literaturangaben:
Alberti, Bettina: DieSeele fühlt von Anfang an. Kösel. München 2004
Brisch ,Karl- Heinz: Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie.
Klett-Cotta. Stuttgart 2003 (5.Auflage)
Gloger-Tippelt, Gabriele: Das Adult-Attachment-Interview. Durchführung und
Auswertung. In: Gabriele Gloger-Tippelt (Hrsg): Bindung im Erwachsenenalter. Hans
Huber. Bern 2001
Grossmann Karin, Grossmann Klaus: Bindungen- Das Gefüge psychischer
Sicherheit. Klett-Cotta. Stuttgart 2004
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Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
Grossmann Karin, Grossmann Klaus (Hrsg): Bindung und menschliche Entwicklung.
John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie und –
forschung. Klett-Kotta. Stuttgart 2003
Psychologie Heute. Titelthema: Bindungen. Januar 2005
3.7
Die Entstehung einer partnerschaftlichen Bindung
Man schließt im Verlauf seines Lebens zahlreiche Bekanntschaften, sei es in der
Schule, im Beruf oder im privaten Umfeld.
Hierbei wirken äußere Rahmenbedingungen mit, da man z.B. im Kindergarten und in
der Schule auf Gleichaltrige trifft, die oftmals aus dem gleichen räumlichen und somit
auch sozialen Umfeld stammen. Befindet man sich in der Ausbildung, oder im Beruf,
so trifft man auf Personen, bzw. Kollegen, mit denen man gleiche berufliche
Interessen teilt.
Murstein (1970) nennt in dem Zusammenhang zum einen die sogenannte „closedfield“ Situation, in denen äußere Umstände einen festen Rahmen vorgeben.
„Closed- field“ Situationen finden beispielsweise am Arbeitsplatz, auf einer Party oder
in einem Verein statt.
Zwischenmenschliche Begegnungen, die solchen „closed- field“ Situationen zu
geordnet werden können, folgen anderen Regeln als jene, die Murstein „open- field“
Situationen nennt.
Im Unterschied zu den „closed- field“ Situationen vermisst man bei den „open- field“
Kontakten den zwingenden Rahmen des Kennen Lernens.
Die Begegnungen, von z.B. Mann und Frau beruhen vielmehr auf Faktoren, die im
Folgenden dargestellt werden.
Das Statistische Bundesamt in Deutschland zählt 13.485.000 sogenannte SingleHaushalte.
Manche Menschen sind auf der Suche nach einem Beziehungspartner erfolgreich,
viele jedoch erleben bei der sogenannten Kontaktanbahnung herbe Enttäuschungen.
Woran liegt es?
Christiane Tramitz stellt die Entstehung einer Beziehung von Mann und Frau am Bild
eines Filters dar:
„ Beim ersten Kontakt filtern die Beteiligten Informationen übereinander. In mehreren
Schichten werden dann die jeweiligen wichtigen Erwartungen hinsichtlich des
Aussehens, des Charakters, der Weltanschauung und vieles mehr in einem
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gegenseitigen „Checking“ überprüft“ (Zitat aus Peter Kaiser, Partnerschaft und
Paartherapie, S 34).
Nach Givens (1978) sind es vier schleichende ineinander übergehende Phasen, die
den Kontakt von Mann und Frau kennzeichnen.
3.7.1 Die erste Phase des Kontaktes: Die Aufmerksamkeitsphase
In dieser Phase nehmen Äußerlichkeiten die zentrale Rolle ein, da der Betrachter zu
Anfang über keine anderen Informationen verfügt.
Weibliche, auf den Mann anziehend attraktive Merkmale sind z.B. große Augen, eine
kleine Nasenregion, ein kleines Kinn und weit auseinandergesetzte Augen. Diese
äußeren Merkmale fasst Konrad Lorenz unter dem Begriff des Kindchenschemas
von Frauengesichtern zusammen. Frauen Gesichter, die diese kindlichen Merkmale
aufweisen, sprechen beim männlichen Geschlecht dessen Beschützerinstinkt an.
Andere als attraktiv geltende Merkmale, die dem Kindlichen gegenüberstehen und
Reife
verkörpern
sind
beispielsweise
hervortretende
Backenknochen
und
eingefallene Wangenpartien.
Frauen zensieren Männer Gesichter als dann anziehend und attraktiv, wenn das
männliche Gesicht in kraftvoll dominanter Weise Männlichkeit signalisiert (vgl.
Cunningham, 1986), derb ist und ausgeprägte Wangenknochen hat (vgl. Guthric).
Verfügt das Äußere eines Mannes jedoch über kindliche Merkmale, so wirkt dieses
auf Frauen unmännlich.
Folgende Kriterien charakterisieren den ersten Abschnitt des Kontaktes, die
Stimulations- bzw. Aufmerksamkeitsphase:
Die Prozesse, die bei der Wahrnehmung von Personen zur Geltung kommen, folgen
in ihrem Fortgang den grundlegenden Wahrnehmungsprozessen.
Die
Person,
die
man
wahrnimmt
wird
im
Rahmen
von
gehirnlichen
Ordnungsleistungen in Kategorien zugeordnet und stereotypisiert.
Diese Ordnungsleistungen sind für die Verarbeitung und Übersicht bzgl. der Vielfalt
von Reizen förderlich. Dieser Prozess dient u.a. auch der Gedächtnis Organisation
bei Gesichtern (vgl. Langlois und Roggmann, 1990). Im Rahmen dieser
Kategorisierungsprozesse findet ein sogenanntes „secret ranking“ statt. Bei diesem
wird die Person, die man registriert, mit dem Prototyp des Idealpartners parallelisiert
( vgl. Zetterberg, 1966).
Perper (1985) beschreibt diesen Prototyp als „inner ideal template“: „ Die scheinbare
Gegenwärtigkeit dieses templates und das Verlangen, die echte Person nach diesem
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Vorbild umzumodeln deuten an, dass dieses Template auch neurophysiologisch
existent ist. Irgendwie- und welch ein Triumph wäre es zu erklären, wie. Enthält das
menschliche Hirn in einer neurophysiologischen Form ein bestimmtes Protobild
(etwa) einer Frau. Wird diese Frau gesehen, wird ein Template ein ungeheures
Netzwerk von Gedanken und Emotionen auslösen“ (Zitat aus Peter Kaiser,
Partnerschaft und Paartherapie.).
Dieses Template ist eine Art Muster, das sich im Laufe des Lebens z. b. durch den
Einfluss der Eltern, oder durch Assoziationen jeglicher Art mit vorangegangenen
zwischenmenschlichen Erlebnissen und Erfahrungen gebildet hat. Natürlich spielt
hierbei auch der Medieneinfluss eine elementare Rolle. Medien suggerieren und
formen das Idealbild eines anziehenden, schönen und attraktiven Menschen.
Treffen nun Mann und Frau aufeinander und die Frau passt z. b. in ein solches
ideales Muster, so wird der Mann danach intendieren diese Frau kennen zu lernen.
Während dieser Aufmerksamkeitsphase wirken demzufolge eine Vielzahl von
Signalen wie z.B.
gesichtliche, körperliche oder z.B. auch den Geruchssinn
betreffende Komponente, aufmerksamkeitserregend.
Eine Vielzahl von Untersuchungen indizieren, dass die Einschätzungsprozesse bei
der Wahrnehmung von Personen in einer massiven Geschwindigkeit ablaufen.
Ambady und Rosenthal (1992) belegen in ihrer Meta- Analyse, dass Mann und Frau
nur wenige Sekundenbenötigen, um den anderen zu beurteilen. Damit Mann und
Frau sich in die folgen
Phase begeben können, muss folgende wichtige Basis
vorhanden sein:
Er muss erkennen, dass Sie Interesse signalisiert, und natürlich auch umgekehrt.
Erst dann wird der Schritt in die zweite Phase eingeleitet.
3.7.2 Zweite Phase des Kontaktes: Die Erkennungsphase
Es sind nach Mc Cormic und Jesser (1993) vordergründig die Männer, die den
Kontakt aktiv in Form eines Gespräches einleiten. Frauen zeigen jedoch vor der
eigentlichen Gesprächseröffnung eine außerordentliche Aktivität. Das weibliche
Geschlecht verstärkt mit Hilfe von Signalen einerseits die männliche Aktivität, oder
sie blockt diese mit Hilfe von Signalen ab. Moore (1985) führte die wohl detaillierteste
Untersuchung dieser Signale durch. Er kam zu folgenden Ergebnissen:
Hauptmerkmale dieser Signale sind Submission und Sexualität. Zu den weiblichen
Aufforderungssignalen zählt primär das Blickverhalten. Dieses Verhalten lässt sich in
drei Blickarten unterteilen und unterscheiden:
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1. Der gänzlich ungerichtete Blick, der in kürzester Zeit sämtliche Eindrücke
sammelt, ohne dabei länger auf einer bestimmten Stelle zu verweilen.
2. Die „darting“- Blicke, kurze Blicke, die immer wieder zu derselben Person
wandern, sind als Vorboten eines Werbeverhaltens zu verstehen.
3. Blicke, die länger als drei Sekunden dauern. Solche Blicke erhalten
eindeutigen Aufforderungscharakter.
Bei der Kontaktanbahnung spielen auch die Augenbrauen eine wichtige Rolle.
Grammer et al. (1988) messen dem schnellen Heben der Brauen die Funktion eines
Ausrufungszeichens zu, nach dem Motto:
„ Pass auf, was ich jetzt mache, ist wichtig“.
Weitere weibliche Signale sind u.a.:
1
Ein ausgesprochen wirkungsvolles Lächeln, wobei Ekmann et al. (1988) in
diesem
Zusammenhang
17
verschiedene
Formen
des
Lächelns
unterscheiden. Es gibt dem zu folge das spöttische, schadenfreudige, das
ängstliche, das beschwichtigende, das freundlich gesonnene.... Lächeln.
2
Das ruckartige Zurückwerfen des Kopfes („head- toss“ genannt). Hierbei wird
das Kinn nach vorne geschoben und die Brauen leicht angehoben.
3
Selbstberührungen jeglicher Art, wenn z. B. Kleider geglättet werden
4
Das sogenannte „Lip pout“, hier werden die Lippen leicht zusammen gepresst nach
vorne geschoben, um voller zu wirken.
3.7.3 Die dritte Phase des Kontaktes: Die Gesprächsphase
Die dritten Phase kann ein besonders kritischer Abschnitt der Kontaktanbahnung
darstellen, denn die Person, die das Gespräch beginnt ( Bebachtungen in z.B. Bars
und Diskotheken haben ergeben, dass in der Regel der Mann das Gespräch beginnt
( vgl. Perper, 1985)) zeigt einerseits ihr offensichtliches Interesse an ihrem
Gegenüber, andererseits gibt sie mit der Gesprächseröffnung auch sehr viele
Informationen preis, wie z.B. die Qualität ihres Gesprächsinhaltes, die Stimme ( laut,
leise, schrill..) ein eventueller Dialekt. Diese Informationen können folglich den
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Einschätzungsprozess des Gegenübers positiv oder auch negativ beeinflussen.
Weitz (1974) sieht in der Gesprächseröffnung des Mannes ein Intendieren nach
Dominanz und Superiorität. Dieses männliche Streben nach Dominanz und
Überlegenheit wird in der Art und Weise der Gesprächseröffnung gefestigt.
Cunningham, (1989) und Kleinke et al. (1986) beschreiben vier unterschiedliche
Strategien der Annäherung:
1. „Es ist mir unangenehm, es Dir so direkt zu sagen, aber ich will Dich kennen
lernen“. Diese Taktik ist die direkteste, meistens ist sie verbunden mit einer
gewissen Emotionalität und Selbstenthüllung.
2. „Hallo, schönes Wetter heute“. Einerseits klingt diese Form der Anrede
belanglos und banal, jedoch ist die einzige und zudem sehr bedeutungsvolle
Information hierbei die Preisgabe von Stimme, Tonfall und Interesse am
anderen.
3. „Morgen Abend wirst Du wieder an diesem Ort sein, und ich werde Dir die
Attraktion der Stadt zeigen“. Diese Strategie wird von Männern sehr selten
eingesetzt, denn Frauen erkennen oft hinter dieser Äußerung ein männliches
Streben nach Dominanz.
4. „Hallo, ich heiße Tom, und wie heißt Du?“. Diese Taktik wirkt zwar scheinbar
auf den ersten Blick langweilig, sie ist jedoch die am erfolgsversprechendste.
Der weitere Gesprächsverlauf ist durch einen ritualähnlichen Schlagabtausch von
Frage und Antwort gekennzeichnet, bei welchem Mann und Frau das Interesse
füreinander bekunden.
Charakteristisch für diesen Wortwechsel ist zudem, dass die ersten Wörter weniger
dem konkreten Informationsaustausch als vielmehr der Intensivierung des Kontaktes
dienen. Es findet demzufolge zwischen Mann und Frau eine indirekte Form der
Konversation statt, die Malinowsky als „phatische Kommunikation“ bezeichnet. Die
Frau nimmt bei diesem ersten Wortwechsel eine dominante Rolle ein, da sie anfangs
den aktiven Part dieser Konversation übernimmt. Sie motiviert den Mann zum
Sprechen durch non verbales Verhalten, wie z.B. durch ihr Nicken, vor allem jedoch
durch ihre Blicke.
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3.7.4 Die vierte Phase des Kontaktes: sexuelle Erregungsphase
Um die vierte Phase des Kontaktes erreichen zu können, ist es essentiell notwendig,
dass die ersten drei Phasen im gegenseitigen Einverständnis durchschritten wurden,
und sich dem Näherkommen keine wesentlichen Hindernisse entgegenstellten. In
dieser Phase spielt die Sexualität eine elementare Rolle. Jedoch sind es
Berührungen, die diese Phase zu einem außerordentlich diffizilen Abschnitt im
Werbeverhalten machen, da Frauen und Männer äußerst divergent auf Berührungen
reagieren. „Männer suchen den Kontakt, Frauen hingegen versuchen ihn zunächst
zu vermeiden, zumindest wenn sie persönlich mit der Berührung konfrontiert werden“
(Zitat, aus Peter Kaiser Partnerschaft und Paartherapie, S. 49, Anderson et al.,
1987).
Ein wichtiger Aspekt bei dieser Phase des Kontaktes ist die unterschiedliche
Zielsetzung von Mann und Frau. Der z.B. männliche Werbepartner verfolgt
möglicherweise das Ziel einer kurzen Partnerschaft, eines sexuellen Abenteuers, der
weibliche Werbepartner sucht jedoch nach einer langfristigen Partnerschaft....
Eine Vielzahl von Interviews lassen
kommen,
dass
Männer
Buss und Schmitt (1993) zu dem Ergebnis
annähernd
Partnerschaften bevorzugen.
kurzfristige
und
Frauen
langfristige
Verfolgen Männer das Ziel einer nur kurzfristig
orientierten Partnersuche, so wählen sie folgende Strategien:
1
Zahlreiche sexuelle Bekanntschaften eingehen, was einen möglichst geringen
Werbeaufwand impliziert
2
Die Aufmerksamkeit jenen Frauen zuwenden, die sich sexuell freizügig geben,
Spröde und zurückhaltende Frauen sind uninteressant.
Ein entsprechend aufforderndes Verhalten, zu dem auch Berührungen zählen, wird
von diesen Männern bevorzugt. ( vgl. S. 50 Peter Kaiser, Partnerschaft und
Paartherapie).
Sind Männer jedoch auf der Suche nach einer langfristigen Partnerschaft, so
verfolgen sie weniger schnell das Ziel einer sexuellen Vereinigung. Frauen, die in
ihrem Verhalten dem Mann gegenüber zu deutlich und zu schnell ihr sexuelles
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Interesse offen baren, werden von diesem eher abgelehnt, dabei ihnen die Angst vor
einem weiblichen Seitensprung zu groß ist.
Doch nicht jede Frau, die einen offenherzigen Kleidungsstil bevorzugt und deren
Umgang mit Männern extravertiert und von Temperament geprägt ist, ist
zwangsläufig auf der dringenden Suche nach einer langfristigen Partnerschaft, oder
nach einem kurzen sexuellen „ Abenteuer“,
Missverständnisse
zwischen
den
Geschlechtern
vorprogrammiert.
3.7.5 Literatur
Peter Kaiser, Partnerschaft und Paartherapie
3.7.6 Referenten
•
Ezeliora, Willia
•
Hein, Nadine
•
Engels, Irene
•
Hartung, Melani
•
Hellmich, Jessica
•
Esser, Sylvia
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sind
daher
zwangsläufig
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4 Beendigungen von Partnerschaften
4.1
Einführung
Jeder von uns hat schon mal eine Partnerschaft beendet. Für manche war das
einfacher nach dem Motto: „ Ich bin frei für ein neues“, aber für viele ist die Trennung
sehr schmerzhaft verlaufen. Frauen haben oftmals bessere Beziehungen zu Eltern
und Freunden und erfahren daher in Krisenzeiten mehr Unterstützung. Männer
dagegen sind oftmals sehr abhängig von der Beziehung zu einem einzigen Partner.
Das endet dann schnell fatal. Aber zweifellos kann auch bei Frauen die Liebe den
Lebenswillen ausschalten.
Sexualforscher Schmidt sagt das auch nach vielen Trennungen, empfinden sich die
wenigsten als Versagen in Liebeselingen, eher als Streßende. Der Reihe nach
stellen sie versuche an, um desto besser die, endgültige Wahl treffen zu können –
auch wenn es dann oft beim Herumprobieren bleibt.
In der Hamburger Studie wünschen sich 83 Prozent der 30-Jährigen ausdrücklich,
mit ihrem Partner „ein Lebenslang zusammenzubleiben“.
Die US – Anthropologin Helen Fischer hat Menschen untersucht, die kurz zuvor
verlassen worden waren und dabei hat sie beobachtet zwei Gefühle: Wut und
Verzweiflung. Tatsächlich durchläuft, wer verlassen wird, zwei sehr unterschiedliche
Phasen. Zunächst kommt eine Phase des Protestes, man versucht, den Partner
zurückzubekommen. Das Ende der Beziehung treibt das Dopamin – System im Hirn
zu Höchstleistungen an, weil die Belohnung ausbleibt. Ungeahnte Energien werden
frei. Der Ex – Partner wird nochmals zum Mittelpunkt allen Handelns, die Liebe
intensiviert sich noch.
Um mit Plato zu sprechen: „Der Gott der Liebe ist dem Mangel allzeit zugesellt“.
Frau Fischer nennt das Frustrationsattraktion. Im Extremfall kann sie sogar im Hass
umschlagen. Aber Hass und Wut können dem Verlassenen auch dabei helfen, sich
aus der Bindung zu lösen und nach anderem Partner Ausschau zu halten. Zuvor
allerdings findet häufig noch eine Phase tiefer Verzweiflung statt. Die ganze Welt ist
grau, niemand ruft an. Viele Liebende fallen in Depressionen, wenn sie verlassen
werden. Aber auch Depression einen evolutionären Sinn haben kann. Eine
Depression jedoch ist ein glaubhaftes Zeichen an die Außenwelt, dass etwas richtig
im Argen liegt. Außerdem erleichtern manche Depressionen die Selbsterkenntnis.
Leicht depressive Menschen können sich selbst und andere realistischer
einschätzen.
In Rahmen dieser Thema haben wir einer reihe von Interviews durchgeführt, und
unterschiedliche Meinungen über die Trennung gehört aber für aller gab es einer
Tricks um den oder die Verlassene schneller zu vergessen am besten alles
verbannen was an die Ex – Liebe erinnert, aus ihrem Leben.
Keine Briefe, keine Karten, auf keinen Fall anrufen!
Spiegel – Gespräch „Der Stärkste Trieb der Welt“
Der Spiegel 9/2005
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4.2
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
Auswertung des Interviews
Interviews mit Menschen im Alter zwischen 17 und 61 Jahren
4 Männer und 11 Frauen
Beendigung per Brief: 1 Mal nach 2 jähriger Beziehung und
1 Mal nach 20 Jahren Ehe abgehauen und Brief hinterlassen
Im Gespräch: 8 Mal (Beziehung über: 1 Monat; 6 Monate; 1,5 Jahre; 2 Jahre; 3
Jahre; 2 Mal 4 Jahre; 8 Jahre)
Per SMS: 1 Mal (nach 5 Monaten Beziehung)
Per Telefon: 4 Mal ( 1 Mal aufgrund einer Fernbeziehung über 2 Jahre, 2,5 Jahre, 1
Monat, 4 Monate )
Offen für neue Beziehung: 6 Mal (unabhängig davon wer Schluss gemacht hat)
Niedergeschlagen und unfähig für Neues: 9 Mal
Diejenigen die Schluss gemacht haben fühlten sich zwar erst einsam und vermissten
ihren Partner, jedoch war es nur die fehlende Gewohnheit und bereuten ihre
Entscheidung nicht, da sie etwas anderes von einer Beziehung erwarteten.
Bei den restlichen beruhte es 2 Mal auf beiderseitigem Einverständnis. 1 Mal wurde
ein Psychiater beansprucht um über den Trennungsschmerz hinweg zu kommen und
nach 2 Jahren konnte er sich erst wieder auf eine neue Beziehung einlassen. 1 Mal
fanden die Partner nach 6 Monaten wieder zueinander.
4.3
Gründe für die Beendigung von Beziehungen
aus dem Buch „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“
von Allan und Barbara Pease
Im oben genannten Buch geht es um die kleinen, aber bedeutsamen Unterschiede
zwischen Mann und Frau. Gleichzeitig werden Gründe geliefert warum Beziehungen
scheitern.
Beispiele hierfür:
− Frauen und Männer sind unterschiedlich. Sie leben in unterschiedlichen
Welten, haben andere Wertvorstellungen und gehorchen anderen
Gesetzmäßigkeiten. Dies ist der Grund für so manche Auseinandersetzung.
Etwa die Hälfte aller Ehen enden vor dem Scheidungsrichter und ein Großteil
aller ernst gemeinten Beziehungen scheitert, bevor sie so richtig in Gang
gekommen sind.
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Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
− In Bezug auf Stärken, Talente und spezielle Fähigkeiten haben sich das
weibliche und das männliche Gehirn sehr unterschiedlich entwickelt. Männer
waren früher für das Jagen und das Erlegen von Beute verantwortlich, folglich
entwickelten sie auch keine großen Gehirnbereiche für den Umgang mit ihren
Mitmenschen. Frauen hingegen hatten die Aufgabe der Nesthüterin. Sie
waren auf effektive kommunikative Fähigkeiten angewiesen. Daher kommt es,
dass Frauen gerne über ihre Probleme reden, Männer dagegen schweigsam
sind, wenn es um Gefühle geht.
− Frauen sind wandelnde Radarstationen. Sie nehmen sofort wahr, wenn etwas
in ihrer Umgebung oder mit ihrem Umfeld nicht stimmt. Untreue Ehemänner,
die von ihren Frauen ertappt wurden, macht diese Fähigkeit seit Jahren ratlos.
− Wenn Männer unter Druck stehen, schütten sie sich mit Alkohol voll und
ziehen gegen andere Länder in den Krieg; Frauen naschen lieber Schokolade
und gehen zum Einkaufsbummel.
− Männer gehen gerne mal abends nach der Arbeit zusammen fort, um „in Ruhe
ein Bierchen“ zu trinken, und genau das herrscht dann auch: Ruhe. Wenn ein
Mann mit einer Frau zusammen ist, denkt diese, dass er sich absondert,
schmollt oder einfach keine Lust hat, an ihrem Gespräch teilzunehmen.
− Das weibliche Gehirn ist auf das Verwenden von Sprache als wichtigstes
Ausdrucksmittel programmiert, und darin liegt eine seiner Stärken. Wenn ein
Mann 5 oder 6 Sachen zu erledigen hat, wird er sagen: „Ich habe noch ein
paar Dinge zu tun. Wir sehen uns später“. Eine Frau dagegen wird jede Sache
einzeln und in willkürlicher Reihenfolge aufzählen und dabei alle Möglichkeiten
und Eventualitäten erwähnen, und das in voller Lautstärke. Das ist einer der
Gründe, warum Männer Frauen vorwerfen, dass sie zuviel reden.
− Männer sagen direkt was sie denken. Frauen hingegen sprechen eher
indirekt. Aus diesem Grund behaupten Männer, Frauen würden nur um den
„heißen Brei“ herumreden und verstehen daher nicht, dass diese indirekte
Ausdrucksweise einem ganz bestimmten Zweck dient. Sie hilft, Beziehungen
zu festigen, indem Aggressionen, Konfrontation und Unstimmigkeiten
vermieden werden. Zwischen Frauen schafft die indirekte Ausdrucksweise
Harmonie. Meistens funktioniert sie jedoch nicht bei Männern, denn die
verstehen die Spielregeln nicht.
− Die Sprache der Frauen ist emotional, die der Männer wörtlich.
− Männer haben ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen, Frauen
hingegen ein beschränktes. Einer Frau sollte man nie Richtungsangaben wie
„Fahren Sie Richtung Süden“ oder „Halten Sie sich 5 km lang westlich“ geben,
weil bei ihr der eingebaute Kompass fehlt. Statt dessen sollte man sich lieber
auf bekannte Orientierungspunkte beziehen: „Fahren Sie am Mc Donalds
vorbei, und halten sich dann Richtung Kreissparkasse“. Daher sollte man z. B.
einer Frau nie eine Straßenkarte in die Hand geben und erwarten, dass sie
diese lesen kann. Grade diese Situation führt bekannter Weise zu häufigen
Streitigkeiten.
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− Frauen können Fehler eingestehen, Männer versuchen sich rauszureden.
Beispielsweise fährt ein Mann, wenn er sich verfahren hat lieber stundenlang
durch die Gegend, eine Frau würde einfach nach dem Weg fragen.
−
Männer wollen Ergebnisse, sie wollen Ziele erreichen, Status und Macht, die
Konkurrenz schlagen und, ohne lange zu fackeln, zum Wesentlichen
vordringen. Das Bewusstsein der Frauen konzentriert sich mehr auf
Kommunikation, Zusammenarbeit, Harmonie, Liebe, das Miteinander und die
Beziehungen der Menschen zueinander. Dieser Gegensatz ist so groß, dass
es an ein wahres Wunder grenzt, dass sich Frauen und Männer überhaupt
daran wagen, ein gemeinsames Leben zu versuchen.
− Männer definieren sich seit jeher über ihre Arbeit und ihre Leistungen,
während
Frauen
ihr
Selbstwertgefühl
aus
der
Qualität
ihrer
zwischenmenschlichen Beziehung ableiten. Wenn eine Frau Probleme mit
ihren zwischenmenschlichen Beziehungen hat, kann sie sich nicht auf ihre
Arbeit konzentrieren. Wenn ein Mann an seinem Arbeitsplatz unzufrieden ist,
kann er sich nicht auf seine zwischenmenschlichen Beziehungen
konzentrieren.
− Frauen verlassen einen Mann nicht, weil sie unglücklich sind, was er ihr zu
bieten hat, sondern weil sie emotional nicht ausgefüllt sind.
− Für eine Frau ist das Ausgehen in ein Restaurant eine Art, Beziehungen zu
festigen, Probleme zu diskutieren oder einer Freundin Mut zuzusprechen. Für
Männer ist es eine praktische Art und Weise, mit Essen umzugehen - kein
Kochen, kein Einkaufen oder Abspülen.
− Für Frauen ist Einkaufen wie Reden, es muss keinen speziellen Anlass oder
Grund geben, sie müssen auch kein Ziel im Auge haben, und es kann sich
durchaus über mehrere Stunden hinziehen. Diese Art des Einkaufens führt
beim Mann nach spätestens 20 Minuten zu einem Kurzschluss im Gehirn. Für
einen Mann muss das ganze einen Sinn haben, ein Ziel und einen
Zeitrahmen.
− Der Geschlechtstrieb einer Frau wird ganz entscheidend von den Ereignissen
in ihrem Umfeld bestimmt. Wenn sie Angst hat, gefeuert zu werden, die Kinder
krank sind oder ihr Hund der weggelaufen ist, wird Sex das allerletzte sein,
wofür sie sich interessiert. Sie sehnt sich danach, ins Bett zu gehen und zu
schlafen. Passiert das gleiche einem Mann, ist Sex für ihn wie eine
Beruhigungstablette: eine Methode, die tagsüber aufgestauten Spannungen
abzubauen. Am Ende eines Tages passiert dann folgendes: Er macht sie an,
und sie schimpft ihn einen gefühllosen Schwachkopf; er bezeichnet sie als
frigide, und prompt bekommt er einen Schlafplatz auf der Wohnzimmercouch
zugewiesen.
− Männer wollen Sex, Frauen wollen Liebe. Damit eine Frau das Verlangen
nach Sex verspürt, muss sie sich geliebt, bewundert und wichtig fühlen.
Genau hier liegt das Problem. Ein Mann braucht Sex, bevor er sich auf
Gefühle einlassen kann. Unglücklicherweise ist es für eine Frau nötig, dass er
sich zuerst gefühlsmäßig öffnet, bevor sie auch nur den leisesten Wunsch
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nach Sex verspürt. „Der Sex ist der Preis, den Frauen für die Ehe zahlen. Die
Ehe ist der Preis, den Männer für den Sex zahlen“.
Wenn einem erstmal die Unterschiede zwischen Mann und Frau deutlich werden, ist
es verständlich warum so viele Beziehungen zwischen Mann und Frau scheitern.
Auch wenn man glaubt, dass sich Frauen und Männer in ihrer Art immer ähnlicher
werden, bleibt doch der kleine, aber bedeutsame Unterschied bestehen.
4.4
„Ich verlasse dich“
„Ich verlasse dich“ -es gibt wenige Worte, die weniger fassbar für uns sind als diese
drei. Wenn sie von unserem Partner geäußert werden, gleichgültig, ob behutsam,
aus einer Wut heraus oder in Form einer SMS oder eines Zettels, den er lieblos
hinterlassen hat, dann stützen wir in eine Trennungskrise. Dann beginnt für uns ein
langer Weg bis zur Bewältigung dieser Krise. Nur wer schon während der
bestehenden Partnerschaft Trauerarbeit geleistet und sich innerlich von seinem
Partner verabschiedet hat, gerät nach der Trennung nicht in emotionale
Schwierigkeit.
Man soll sich bewusst mit den Schmerzen und Konsequenzen der Trennung
auseinandersetzen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Doch Schritt für
Schritt klappt das gut. Wenn Sie weinen oder schreien möchten, dann machen Sie
das, lassen Sie Ihren Gefühlen freien Lauf( am besten ohne Zeugen )und nach
diesem Motto:“ Eine Stunde trauern, den Rest powern“. Frauen haben in der
Trennung einen Riesenvorteil im Gegensatz zu den Männern und zwar sie können
nämlich stundenlang mit ihren Freundinnen über ihre Probleme quatschen. Und
während sie das tun, lackieren sie ihre Fußnägel, essen u. s. w. Ist dies eine
Therapie für Herz und Bauch, sollte sich ihr Kopf sinnvollerweise die Gründe der
Trennung vor Augen halten. Schreiben Sie doch einmal auf, was gut und was
schlecht an Ihrer Beziehung war, was Sie vermissen werden und was Sie noch nie
an ihm/ ihr leiden konnten. Das hilft auch, in künftigen Beziehungen die gleichen
Fehler zu vermeiden. Vor allen, wenn Sie- ehrlich wie Sie sind- feststellen müssen,
dass Sie nicht ganz unschuldig an der ganzen Sache sind. Nur mit ehrlicher
Selbstkritik und- analyse wird beim nächsten Mann/ Frau garantiert alles anders.
Sich nicht als Trennungsopfer zu fühlen und aktiv die Trennung zu verarbeiten
bedeutet letztlich auch, sie zu akzeptieren. Erst wenn Sie das geschafft haben, ihn/
sie also für immer und ewig aus der „Abteilung Liebe“ ihres Herzens in die Abteilung
„Schöne, wenn auch schmerzhafte Erinnerung“ verbannt haben, sind Sie wirklich
über ihn/ sie hinweg. Der Weg dahin dauert- je nach Intensität der Liebesbeziehung
bis zu einem Jahr, manchmal auch nur vier- fünf Wochen. Irgendwann kommt der
Zeitpunkt, da haben Sie die Nase voll von Liebeskummer und Selbstmitleid. Dann
können Sie an ihn/ sie und ihre Beziehung denken, ohne dass es weh tut. Sie
können ein Päckchen mit ihm/ ihr und den Erinnerungen packen, hinter sich werfen
und sagen:
„Bye bye, ab heute ohne dich!
Und sich wieder neu verlieben.
Nur die wirklich hoffnungslose Fälle- brauchen dazu eine Eheberatung, eine
Trennungshilfe oder eine Psychologencouch, aber dazu zählen Sie ja sicher nicht.
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Ästhetik / Kommunikation SS 2005
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
4.5
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
Die Interviews
1. weiblich 24 Jahre
, Ich habe mich nach 1 1/2 Monaten von meinem Freund getrennt. Anfangs, vor
unserer Beziehung waren wir nur gute Freunde, doch ich dachte ich hätte ihn mehr
als lieb und so versuchten wir es miteinander. Leider stellte sich für mich heraus,
dass es doch mehr Freundschaft war als Liebe u trennte mich. Im ersten Moment
bereute ich es,da ich ihn sehr verletzt hatte,doch letztendlich fühlte ich mich auch
befreiter da ich mir nichts mehr vormachen musste.Mittlerrweile ist ein Jahr
vergangen und wir haben wieder eine super Freundschaft."
2. männlich 25 Jahre
, Ich wurde nach 2 1/2 Jahren Beziehung von meiner Freundin verlassen, wegen
einem Anderen. Am telefon! Es war für mich die Hölle, da ich dachte die Frau fürs
Leben gefunden zu haben. Ich habe sie angerufen, mehrmals, um noch mal über
alles zu reden, doch sie ließ sich verleugnen. Ich ging auf ihre Arbeit, doch sie
blockte ab und schmiss mich raus.
Es folgte eine Zeit von Depressionen und schlaflosen Nächten, wie sogar Gespräche
beim Psychologen und Behandlung mit Antidepressiva und Schlafmitteln. ! 1/2 Jahre
war ich am Boden. Heute bin ich in einer neuen, glücklichen Beziehung. Habe meine
Ex vor gut einem Jahr in einer Kneipe wiedergetroffen und wir haben uns gut
verstanden. Jedoch seither nie wieder was voneinander gehört. Damals war ich 22
Jahre.
3. Weiblich 23 Jahre
, Ich habe nach 1 1/2 J. meinen Freund verlassen. Damals war ich 16 und er 21.
Aufgrund von Eifersucht und nicht angemessenen Umgangs seinerseits wollte ich
nicht mehr.Zuerst war ich traurig ,weil es meine erste große Liebe war,doch dann
bereute ich nichts und merkte das ich viel mehr Spaß und weniger Sorgen ohne ihn
hatte. Seither haben wir so gut wie keinen Kontakt mehr. Beim letzen Treffen auf
einen Kaffee dachte ich nur, dass es ein ziemlicher Blödmann sei."
4. Weiblich 22 Jahre
,, Ich hatte eine Bez über 4monate, doch wurde sie auf beiderseitigen Einverständnis
beendet. Wir sind einfach zu schnell auf einer Party zusammen gekommen und
haben uns genauso schnell gemerkt, dass die Gefühle nicht ausreichen. Ich bin
glücklich, jedoch mag ich das ,,Single sein" nicht und möchte schnell wieder eine
neue Bez."
5. männlich 21 Jahre
Ich habe meinen Freund nach 9 Mon. verlassen. Wir haben über alles gesprochen
und er hat mir zu verstehen gegeben dass er noch nicht bereit für eine feste Bindung
sei. Als erstes war ich traurig, aber ich wusste dass es das richtige war. Trotz allem
habe ich tagelang geweint, aber habe gemerkt, dass sogar Ablenkung nichts nützt.
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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
Seminar: Bindungen
Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
Danach habe ich mich ausgetobt, jedoch im Hinterkopf immer nach einer neuen Bez
gesucht.Jetzt habe ich keinen Kontakt mehr und das ist auch gut so."
6. weiblich 19 Jahre
,,Ich habe nach 2 Jahren mit meinem Freund Schluss gemacht, und zwar per Brief.
Es hat einfach was gefehlt in der Bez. Nach der Trennung war ich glücklich wieder
frei zu sein, jedoch nicht offen für eine neue Bez., sondern Affären oder ONS. Heute
denke ich trotzdem gern an die Zeit zurück, und danke meinen Freunden die mir in
der Zeit beigestanden haben."
7. weiblich 23 Jahre
,,Ich habe nach 4 J. Bez mit meinem Freund Schluss gemacht. Ich habe es ihm im
Gespräch gesagt. Hinterher war ich trotz allen nicht fähig eine neue Bez
einzugehen."
8. Weiblich 20 Jahre
,,Ich hab nach 4 1/2 Jahren Fernbez, mit meinem Freund Schluss gemacht.
Angesicht zu Angesicht. Jedoch verlief die Trennung über 2 1/2 Monate. In der letzen
Trennungswoche waren wir noch zus im Urlaub und haben dort endgültig
beschlossen das Schluss ist. Zwar hatten wir vorher schon Pausen, jedoch immer
wieder neue Versuche gestartet. Der Grund für die Trennung waren viele
Kleinigkeiten, Gewohnheiten und das Alter. Zu jung. Es war einfach für mich
loszulassen, da ich mich vorher schon damit abgefunden habe .Heute schreiben wir
noch E-Mails und 4 Mon. danach hab ich mich ausgetobt.Will jedoch noch keine
neue Bez."
9. männlich 24 Jahre
,,sie hat mich nach 2 1/2 Jahren per Telefon verlassen.Der Grund dafür war, dass sie
sich durch ihr Auslandspraktikum von mir entfernt hatte. Meine Freunde waren
danach für mich da und zu ihr habe ich immer noch Kontakt."
10. weiblich 61 Jahre
,,Wir haben uns nach 18 Jahren geschieden. Im Gespräch sind wir beide dazu
gekommen, dass es nicht mehr geht. Freunde standen mir in der Zeit zur Seite und
die Bindung ist geblieben. Jedoch freundschaftlich."
11. weiblich 32 Jahre
,,Ich habe mich nach 1 1/2 J von meinem Freund getrennt.Danach standen mir
Freunde und Familie zur Seite. Der Kontakt wird teils gehalten. Bin jedoch noch nicht
offen für alles, für was neues!"
12. weiblich 41 Jahre
,, Ich habe mich nach 20 J. von meinem Mann scheiden lassen, Es ging schon
länger nicht mehr aber wir hatten Angst vorm Alleinsein. Ich bin daher in einer Nacht
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und Nebel Aktion abgehauen und habe nur einen Briefe hinterlassen. Seitdem bin ich
mit meinen Kindern alleine und lebe mein Leben. Ich möchte keinen neuen Mann
trotz 6 Monaten schon allein. Ich fühle mich noch nicht bereit, bzw. scheue mich vor
1 neuen Bez. Nach der Trennung habe ich mich schlecht gefühlt und einsam, jedoch
bereue ich nichts."
13. weiblich 19 j.
,, Ich wurde von meinem Freund nach 4 Mon. per Telefon verlassen. Nachdem ich 3
Tage nichts von ihm gehört hatte. Anfangs dachte ich er ist krank doch dann rief er
an und sagte zu mir, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich finde es
schwach von ihm per Telefon Schluss zu machen, dort fehlen Emotionen und
Gefühle. Trotz allem haben wir noch Kontakt."
14. männlich 22 Jahre
,,Ich habe mit ihr per SMS Schluss gemacht und hatte keinen Trennungsschmerz.
Ich wollte einfach was neues, das ,,Alte" war mir zu langweilig. Nun bin ich offen für
was Neues, habe keine Bindungsängste! Die Sache ist erledigt und wird aus dem
Kopf gestrichen! Sie war nur Zeitverschwendung."
15. weiblich 21 Jahre
,, Er hat im Gespräch mit mir Schluss gemacht und ich konnte es nicht wahrhaben.
Der Trennungsschmerz war groß. Ich habe 6 Mon. um eine neue Chance gekämpft!
In der Zeit war ich total niedergeschlagen, psychisch am Boden. Ich wollte in
Therapie wegen meiner Beziehungsangst. Habe trotz Trauer versucht neue
Beziehungen einzugehen, bzw neue Leute kennenzulernen, doch es war nicht
möglich. Mein Herz war und ist immer bei ihm geblieben. Jetzt hat sich das Kämpfen
gelohnt, denn ich bin wieder mit ihm zusammen."
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5 Bindung an das Leben
5.1
Suizid – warum Suizid?
Immer enger wird mein Denken,
immer blinder wird mein Blick,
mehr und mehr erfüllt sich täglich
mein entsetzliches Geschick.
Kraftlos schlepp ich mich durchs Leben,
jeder Lebenslust beraubt.
Habe keinen der die Größe
meines Elends kennt und glaubt.
Doch mein Tod wird euch beweisen,
dass ich jahre-, jahrelang,
an des Grabes Rand gewandelt,
bis es jählings mich verschlang.
(Pellmann, 1828)
Folgende Faktoren spielen eine besondere Rolle:
Alter: Pubertät, hohes Lebensalter (im Jahr 2000 war jeder 2. Selbstmord ein
Mensch über 60 Jahre);
• Krankheit: Depressionen, Drogenabhängigkeit, Alkoholismus,
Epilepsie, andere Anfallkrankheiten, Schizophrenie
(90% der Suizide werden heute im Kontext einer psychischen
Erkrankung
gesehen);
• Lebensumstände: Vereinsamung, Entwurzelung, Verlust, gestörte
Familienbeziehungen, Arbeitslosigkeit;
• Geschlecht – doppelt so viele Männer wie Frauen nehmen sich das Leben (zu
allen Zeiten).
• Die Methode: Männer wählen sicherer Methode oder in Kriegszeiten ist es
z.B. einfach an eine Waffe zu kommen
•
Ein Suizid geschieht in der Regel nicht aus einem Ereignis heraus, sondern ist meist
ein Ergebnis einer ganzen Reihe von belastenden Lebensbedingungen, die meist
schon in der Kindheit beginnen aber erst viel später durch ein erneutes Ereignis zum
Suizid führen.
Kurzschlusshandlungen kommen vor allem bei Kindern, Jugendlichen und Süchtigen
vor, bei denen die folgenden drei Stadien im Zeitraffer stattfinden.
Jedem Selbstmord gehen in der Regel drei Stadien voraus:
1. Die Erwägung des Selbstmordes zur Lösung von Problemen. In
dieser Phase können stimulierende Faktoren hinzutreten: z. B.
Erleben
eines
Selbstmordes
in
der
nächsten
Selbstmorddarstellungen in den Massenmedien.
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das
Umgebung,
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2. Der innere Kampf um das Für und Wider (Ambivalenzphase). Hierzu gehören
Selbstmordankündigungen, ungewohnte Kontaktsuche durch Gespräche mit
Angehörigen oder mit anonymen Beratern (Telefonseelsorge u. a.)
3. Der Entschluss zum Selbstmord. Jetzt werden Vorbereitungen für die Tat
getroffen (z. B. Abschiedsbriefe geschrieben, Nachlass geregelt), die Methode
der Tatdurchführung wird gewählt. Es ist die >> Ruhe vor dem Sturm<<, von
angehörigen oder Außenstehenden häufig miss gedeutet als >> Wendung
zum Guten<< (Heuer 1979, S.24)
5.2
Sterbehilfe
Belgien:
Seit dem 21.04.05 können belgische Ärzte Medikamenten Sets zur aktiven
Sterbehilfe in Apotheken erwerben. Euthanasie ist in Belgien seit September 2002 in
bestimmten Fällen erlaubt.
Frankreich:
Seit dem 19.04.05 hat das französische Parlament in 2. Lesung ein neues Gesetz
verabschiedet, das passive Sterbehilfe erlaubt. Aktive Sterbehilfe hingegen bleibt in
Frankreich als „Tötung“ verboten.
USA:
Diskussion um den Tod von Terri Schiavos:
Stellungnahmen:
Vatikan: Missbrauch der Natur des Lebens
Politik: gibt Wunsch auf aktive Sterbehilfe nach
Nicht-Ärzte: nur 9 % der Befragten sind gegen aktive Sterbehilfe
Ärzte:
fast ein Drittel gegen aktive Sterbehilfe
Spanien:
Aktueller Film „mar adentro“, „das Meer in mir“ bekam einen Oscar
Querschnittsgelähmter Mensch kämpft um würdevollen Tod
Quelle: www.aerztezeitung.de/magazin/sterbehilfe
5.2.1 Aktuelle Diskussion
Belgien:
Seit dem 21.04.05 können belgische Ärzte Medikamenten Sets zur aktiven
Sterbehilfe in Apotheken erwerben. Euthanasie ist in Belgien seit September 2002 in
bestimmten Fällen erlaubt.
Frankreich:
Seit dem 19.04.05 hat das französische Parlament in 2. Lesung ein neues Gesetz
verabschiedet, das passive Sterbehilfe erlaubt. Aktive Sterbehilfe hingegen bleibt in
Frankreich als „Tötung“ verboten.
USA:
Diskussion um den Tod von Terri Schiavos:
Stellungnahmen:
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Vatikan: Missbrauch der Natur des Lebens
Politik: gibt Wunsch auf aktive Sterbehilfe nach
Nicht-Ärzte: nur 9 % der Befragten sind gegen aktive Sterbehilfe
Ärzte:
fast ein Drittel gegen aktive Sterbehilfe
Spanien:
Aktueller Film „mar adentro“, „das Meer in mir“ bekam einen Oscar
Querschnittsgelähmter Mensch kämpft um würdevollen Tod
Quelle: www.aerztezeitung.de/magazin/sterbehilfe
5.2.2 Rechtslage in Deutschland
-
aktive Sterbehilfe ist trafbar
indirekte und passive Sterbehilfe: Straffrei bei Willenserklärung des Patienten
5.2.3 Aktive Sterbehilfe
Arzt schaltet die Geräte ab, der Betroffene wird nur mit Hilfe des Arztes sterben.
5.2.4 Passive Sterbehilfe
Der Patient schaltet selbst die Geräte ab, verhilft sich selbst zum sterben.
5.2.5 Diskussionsforum
„ Die tiefste Geborgenheit die ein Mensch erfahren kann, und die hat ganz intensiv
mit Bindung zu tun, ist die Geborgenheit im Leben selbst. Denn das Leben, das ich
Lebe, das Leben das mir geschenkt ist, hat sich so intensiv an mich gebunden, dass
ich es bis zum Tod nicht mehr los werde.
Aus: Sehnsucht und Geborgenheit
Wieviel Bindung braucht der Mensch
Von : Günther Funke
Quelle: www.existenzanalyse.ca.at/geborgenheit.html
Fragen:
Welche Aufgabe hat die Sozialpädagogin bspw. im Heim mit betroffenen Kindern,
Geschwisterkindern, Angehörigen?
Wo beginnt die Arbeit, wo hört sie auf?
-
eigene Erfahrungen
( christl.) Menschenbild
der Tod, Chance zum Leben?
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5.3
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Krisen als Chance zu einem kreativen Prozess (Suizidversuche)
Impulshandlung:
Auslöser entspricht den Lebensgeschichtlichen, traumatischen Erfahrungen
Mehrere unverarbeitete Krisen überdecken sich
Ein Auslöser reicht zu einem spontanen Entschluß
Gefühl alles wird zuviel
Bilanzselbsttötung:
Meist ältere Menschen, die eine Bilanz über ihr Leben ziehen
Was habe ich erreicht?
Sehr rationaler Entschluß
Eine Krise kann zu einem kreativen Prozeß werden, wenn:
Bekannte Lösungsmöglichkeiten nicht greifen und am Ende des Prozesses eine
Persönlichkeitsentwicklung stattfindet. Und der starke Wunsch nach einer Lösung
vorhanden ist.
Phasen kreativer Prozesse
Vorbereitungsphase:
Problem ist erkannt
Sammeln von Material zum Thema: Ideen, Lösungsmöglichkeiten
Emotion: Spannung
Inkubationsphase:
Problem spitzt sich zu
Lösungen werden wieder verworfen
Warten auf Inspiration
Emotion: Selbstzweifel, Unruhe, Frustration, Angst
Einsichtsphase:
Sinnvolle Erkenntnis
Aufatmen
Neuschöpfung der eigenen Person
Emotion: Freude, Erleichterung
Phase der Verifikation:
Vertiefung der Erfahrung
Was hat sich verändert?
Verinnerlichung, Aufarbeitung der neuen Lebensmöglichkeiten
Emotion: Konzentration
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5.4
Seminar: Bindungen
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Die schöne Seite des Lebens
Wie aus dem Nebel ein Leben wird, oder aus dem Vernebelten ein klarer, sonniger
Moment.
1. Nicht über Kleinigkeiten aufregen! Nicht zulassen, dass unwichtige Dinge das
Glück zerstören.
2. Akzeptiere das Unvermeidliche!
3. Sich den Wert einer Sorge bewusst werden und somit Grenzen setzen.
4. Die Kleinigkeiten, die kleinen Wunder des Lebens erkennen und sich an ihnen
erfreuen.
5. Lebe für den Tag und versuch nicht alle Probleme auf einmal zu lösen!
6. LÄCHELN !
5.5
Referenten
•
•
•
•
Anne Schmitt
Rhea Bärwolf
Katrin Schmitz
Hruzik Jacek
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6 Bindungen an Normen und Werte
-
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7 Bindung der Sozialpädagogen an das Klientel
7.1
Helfersyndrom
7.1.1 Begriffsentstehung
• Von Wolfgang Schmidtbauer 1978 eingeführt
• Bezeichnet die Tendenz vieler professioneller Helfer, die eigene Hilfsbedürftigkeit
dadurch abzuwehren, dass im beruflichen Umfeld Kontakt zu besonders
hilfsbedürftigen Personen gesucht wird.
7.1.2 Begriffe „helfen“ und „Syndrom“
•
•
•
•
Spontanes Helfen
Traditionelles Helfen
„Helfersyndrom-Helfen“
Def. Syndrom: Bezeichnet ein Krankheitsbild, dass durch bestimmte Symptome
gekennzeichnet ist, und dessen Ursache nicht oder nur teilweise bekannt ist.
7.1.3 Die Konfliktbereiche des Helfersyndromhelfers
•
•
•
•
•
Die in früher Kindheit erlittene Ablehnung seitens der Eltern
Die Identifizierung mit dem elterlichen Über-Ich
Die verborgene narzißtische Bedürftigkeit
Die Vermeidung von Beziehungen zu Nicht-Hilfsbedürftigen
Indirekte Aggressionsäußerungen gegen Nicht-Hilfsbedürftige
7.1.4 Krankheitswert des Helfersyndroms
• Das Helfersyndrom ist völlig harmlos, wenn es durch andere Elemente der
Berufsmotivation ausgeglichen wird.
• Ansonsten drohen Folgen wie:
-
Depressionen
Drogenmissbrauch
Psychosomatische Leiden
Erholungsunfähigkeit
Suizid
7.1.5 Zeichen und Merkmale des Helfersyndroms
°
°
°
°
°
Helfersyndromhelfer sind ängstlich, kontaktscheu, und hilfsbedürftig, was sie
jedoch verleugnen
scheinbare Hilfe erhalten sie von hilfsbedürftigen Personen, die sich an sie
wenden
in ihrer Persönlichkeitsentwicklung liegen Störungen vor
Sie helfen manchmal gegen den Willen einer Person
Frauen mit Helfersyndrom wirken oft unweiblich, Männer oft unmännlich
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7.2
Rollenspiel – problematische Arbeitshaltung eines Sozialpädagogen
7.3
Burnout – Syndrom
7.3.1 Definition
In den Siebziger Jahren wurde das Phänomen Burnout in den USA erstmals
untersucht und beschrieben, damals im Zusammenhang mit Angehörigen sozialer
und helfender Berufe. Heute weiß man, dass Burnout in etliche Berufsgruppen
auftreten kann.
Aronson, Pines und Kafry beschreiben „Ausbrennen“ als einen Zustand körperlicher,
emotionaler und geistiger Erschöpfung, „der häufig bei Menschen eintritt, die mit
anderen Menschen arbeiten [...] und die in ihren Beziehungen zu ihren Klienten oder
Patienten, zu ihren Vorgesetzten oder Kollegen die Gebenden sind“ (1993, S. 13).
Oft betrifft es gerade diejenigen, die sich einmal mit besonders viel Idealismus und
Enthusiasmus in ihre Arbeit gestürzt haben. „Ausbrennen“ bedeutet dann, das Gefühl
zu haben, nicht mehr helfen, nichts mehr geben können, sich total verausgabt zu
haben.
So etwas geschieht normalerweise nicht von einem Tag auf den anderen, man ist
nicht heute „Feuer und Flamme“ und morgen ausgebrannt. Meist ist es das Resultat
langandauernder Überlastung, oft im Zusammenhang mit intensivem Einsatz für
andere Menschen.
7.3.2 Symptome
Merkmale körperlicher Erschöpfung (psychosomatische Beschwerden), wie z.B.:
Energiemangel, chronische Müdigkeit, Veränderung der Essgewohnheiten, erhöhte
Anfälligkeit für Krankheiten, häufige Kopfschmerzen, Magenschmerzen,
Rückenschmerzen, Hörsturz, Tinitus
Merkmale emotionaler Erschöpfung, wie z.B.:
Niedergeschlagenheit - Hilf-und Hoffnungslosigkeit - das Gefühl, nichts mehr geben
zu können - Alltagsbewältigung, Familie und Freundeskreis werden unter Umständen
als weitere Anforderungen empfunden
Merkmale geistiger Erschöpfung, wie z.B.:
Entwicklung negativer Einstellungen zum Selbst, zur Arbeit und zum Leben im
Allgemeinen - das Gefühl von Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit
7.3.3 Burnout förderliche Persönlichkeitsstile
• Perfektionistische Einstellungen („ich muss alles richtig und 100-prozentig
machen, darf mir keine Fehler erlauben, bin für alles verantwortlich, muss allem
gerecht werden...“)
• Geringe Kompetenzerwartung („ich schaffe es ja doch nicht, ich habe gar keine
Chance...“)
• Ein sehr ausgeprägtes Harmoniebedürfnis („alle müssen zufrieden sein, ich darf
niemanden kränken...“)
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• Eine externale Kontrollüberzeugung („ich bin nur ein ganz kleines Rad im
Getriebe, Andere (mein/e Vorgesetzte/r) bestimmen über mich, ich bin nur eine
Marionette...“)
Zusätzlich wirkt sich die Doppelbelastung durch Beruf und Familie, besonders für
Frauen, negativ auf die psychische Widerstandsfähigkeit aus.
7.4
Prävention von Burnout
• Grenzen ziehen und Arbeit abgeben, auch wenn andere die Arbeit nur „halb so gut
•
•
•
•
•
•
machen“;
Regelmäßige Pausen einlegen - (auch Urlaub planen; Entspannungstechniken);
Freizeitbeschäftigungen suchen (z.B. Sport);
Sich Prioritäten setzen - nicht nur in der Arbeit auch in der Freizeit;
Auf den Körper hören - Warnsignale erkennen;
Lernen „Nein“ zu sagen - ohne Schuldgefühle;
Lernen - sich nicht an der Anerkennung anderer zu messen.
7.5
Quellen
Pines, Aronson, Kafry, Ausgebrannt. Vom Überdruß zur Selbstentfaltung.
Stuttgart, 1983; Schmidtbauer, Wolfgang, Burnout und Helfersyndrom,
München, 2002; www.sprechstunde.de (Burnout); www.burnout.inseb.de
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8 Bindung der Sozialpädagogen an Recht und Gesetz
8.1
Soziale Arbeit als bürokratisches Handeln
Rechtsvorschriften, Finanzierungsregelungen, Trägerschaften, kommunal- und
landespolitische Strukturen wirken bis in konkrete praktische Handlungssituationen
hinein und entsprechen keineswegs immer den unter fachlichen Gesichtspunkten
erkannten Bedürfnis- und Bedarfslagen.
Für den Sozialpädagogen als Teil der staatlichen SOZIALBÜROKRATIE folgt
daraus, dass er zwei „Herren“ gleichzeitig dienen soll, die nicht nur unterschiedliche,
sondern auch einander widersprechende und sich ausschließende Ziele verfolgen.
Während die Klienten individuelle, auf ihre persönlichen und konkreten Bedürfnisse
zugeschnittene Unterstützung suchen, fordert die Sozialbürokratie die Umsetzung
standardisierter, allgemein gültiger Regelungen und Vorschriften.
Bürokratisches Handeln folgt anderen Wirkungs- und Gestaltungsprinzipien als
pädagogisches Handeln.
Die Standardisierung und Typisierung, Kontrollierbarkeit und Planbarkeit von
Verwaltungshandeln lässt sich nicht konfliktfrei mit pädagogischen
Handlungsprämissen vereinbaren.
Auf der anderen Seite kann eine unvollständige AKTENFÜHRUNG dazu führen,
dass Fristen übersehen und berechtigte Ansprüche der Klientin aufgrund der
mangelnden Rechtskenntnisse des Sozialpädagogen erst gar nicht geltend gemacht
werden.
Rechts- und Verwaltungsvorschriften bieten Verfahrenssicherheit und
Verfahrensgerechtigkeit. Sie sichern, wenn auch in Grenzen, eine Hilfegewährung
ohne Ansehen der Person und beinhalten darüber hinaus für Klienten einklagbare
Rechte.
Die Standardisierung und Typisierung von Verfahrensabläufen ist auch ein
wesentliches Element für die Fremd- und Selbstkontrolle fachlichen Handelns.
Sozialpädagogen können Verwaltungshandeln als eine im Grunde berufsfremde und
lästige Pflicht wahrnehmen oder aber als ein wichtiges, wenn auch manchmal
mühseliges Aufgabengebiet.
Unabhängig davon beinhaltet sozialpädagogische Arbeit jedoch immer Elemente
bürokratischer Tätigkeit und ist als berufliches Handeln ohne diese nicht möglich.
So dienen beispielsweise die verschiedenen Arten der klientenbezogenen
Aktenführung allen Beteiligten:
° den Sozialpädagogen: als Gedächtnisstütze, zur Selbstkontrolle, zur rechtlichen
Absicherung,
zur Terminplanung, als Grundlage individueller Hilfeplanungen
und als Tätigkeitsnachweis
° Der Einrichtung: als Beleg für erbrachte Leistungen, als Basis für statistische
Erhebungen zur Nutzerstruktur, zur Stellenplanung und als Grundlage einer
Leistungsevaluation
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° institutionsübergreifenden Aufgaben- und Kooperationsverpflichtungen: als
Grundlage für Rechenschaftsberichte gegenüber Kostenträgern, als Datenpool für
die Sozialberichterstattung und zur Abstimmung verschiedener Leistungsbereiche
° den Klienten: als Beweismittel bei Beschwerden und Widerspruchsverfahren, als
ein Element zur Dokumentation und Kontrolle gemeinsam vereinbarter Ziele, Rechte,
Pflichten und Arbeitsabsprachen und gegebenenfalls als ein Instrument der Kontrolle
und Beschwerdeführung gegenüber der Sozialpädagogin
Die Qualität der Leistungen bestimmt sich eben auch darüber, ob es der
Sozialpädagogin gelingt, administrative Aufgabenstellungen und Anforderungen
sachgerecht zu bewerkstelligen und nicht als grundsätzlichen Widerspruch zum
pädagogischen Handeln zu begreifen.
Sozialpädagogen müssen pädagogische Sachverhalte in verwaltungspraktisches
Handeln übersetzen können – und umgekehrt.
Dies verlangt von ihnen:
° umfassende Kenntnisse der politischen, rechtlichen und administrativen
Rahmenbedingungen ihres Arbeitsfeldes;
° differenziertes Wissen über äußeren und inneren Strukturen der jeweiligen
Institution oder Organisation, in der sie tätig sind;
° eine differenzierte Reflexion der Wirkungen und Folgen bürokratischen Handelns;
° eine realistische Einschätzung der Grenzen und Spielräume sowohl des
pädagogischen als auch des administrativen Handelns und der eigenen Berufsrolle.
8.2
Sozialarbeit als Hilfe und Kontrolle – „Das doppelte Mandat“
Sozialpädagogen bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen
Klientenorientierung und gesellschaftlich aufgetragenen und institutionell
abgesicherten Kontrollaufgaben.
Das darin enthaltene Konfliktpotenzial, welches seit den 70er Jahren unter dem
Begriff des „ doppelten Mandates“ thematisiert wird, mag zwar institutions-,
gegenstands-, situations- und personenbezogenen unterschiedlich variiert und
akzentuiert werden, ist aber als struktureller Konflikt in allen Handlungsfeldern der
Sozialen Arbeit enthalten.
Soziale Arbeit ist Hilfe und Kontrolle.
STAATLICHE HILFEN werden unter der Bedingung bereitgestellt, dass durch sie
Normalität gesichert oder – zumindest in Teilen – wiederhergestellt wird. Zur
Sicherung diese Anliegens wird den Sozialpädagogen die Berechtigung, aber auch
die Verpflichtung zur Kontrolle ihrer Klienten aufgetragen. Klienten müssen sich im
Umkehrschluss den gesetzten Normalitätsstandards anpassen oder diese zumindest
offiziell anstreben. Sie müssen sich aber auch den mit der Hilfegewährung
verbundenen Kontrollen unterwerfen.
Beispiel:
Gewährung der Sozialhilfe – umfassende Auskunftspflicht über ihr
Einkommen
- 55 -
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Drogenabhängige die am Methadonprogramm teilnehmen wollen –
Einlassung auf psychosoziale Betreuung usw.
Aus der Perspektive der Sozialpädagogen mag sich ein Teil dieser Regelungen
durchaus als pädagogisch sinnvoll erweisen, aus der Sicht der Klienten können sie
jedoch als unzumutbare Eingriffe in ihre AUTONOMIE verstanden werden.
Sozialpädagogen sind nicht nur Helfer. Sie greifen im gesellschaftlichen Auftrag –
gegebenenfalls auch gegen den ausdrücklichen Willen des Klienten – in als
abweichend definierte Lebenslagen reglementierend ein.
Klienten erleben unter Umständen, dass ihnen Hilfe angeboten werden, die sie
entweder nicht verlangt haben oder die sich als für ihren Alltag untauglich erweisen.
Sozialpädagogen können dem Paradoxen des „doppelten Mandates“ nicht
entkommen
.
Soziale Arbeit zielt einerseits auf die Verbesserung individueller gestalteter und
gelebter Alltagspraxis und andererseits auf soziale Verteilungsgerechtigkeit.
Die hierfür notwendigen Mittel werden den Sozialpädagogen jedoch nur
eingeschränkt zur Verfügung gestellt. Insbesondere werden ihnen diejenigen Mittel
vorenthalten, die geeignet sind, auf sozialstaatliche Verteilungsprozesse Einfluss zu
nehmen.
Im Bewusstsein der Sozialpädagogen kann sich dies als Ohnmachterleben nach
oben und ethisch verwerflicher Machtausübung unten abbilden.
Individuelle personenbezogene Hilfe steht in einem grundsätzlichen Widerspruch zu
gesellschaftlich aufgetragenen Kontrollfunktionen.
Dieses Dilemma kann von den Sozialpädagogen nicht zugunsten einer Seite
aufgelöst werden.
PROFESSIONALITÄT drückt sich in diesem Zusammenhang durch eine
differenzierte Auseinandersetzung mit Prozessen der Machtausübung und
Ohnmachtsausübung aus.
Sozialpädagogen gelingt dies, wenn sie
° das „doppelte Mandat“ als Strukturbedingung ihres beruflichen Handelns
anerkennen;
° klären, welche Kontrollfunktionen von ihnen in ihrem Wirkungsbereich tatsächlich
ausgeübt werden müssen;
° die vorhandenen Kontrollbefugnisse ihren Klienten gegenüber transparent machen;
° Reflexions- und Evaluationsmethoden zur Kontrolle verdeckter Machtprozesse und
willkürlicher Machtausübung heranziehen;
° die Kontrolle ihres Handelns durch den Klienten nicht nur zulassen, sondern
systematisch in den Arbeitsprozess einbeziehen.
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8.3
Seminar: Bindungen
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Wann ist das „nichts tun“ strafbar?
Garantenstellung
Dieses ist dann strafbar, wenn das „nicht eingreifen“ in einen Geschehensablauf;
das nicht helfen trotz individueller Möglichkeit genauso schwer wiegt, als hätte die
„nicht handelnde“ Person die Tat durch aktives Tun begangen.
Vorraussetzung für eine solche Strafbarkeit ist, dass man dem Opfer gegenüber
durch persönliche Nähe, aus der Situation heraus oder dadurch, dass man es in
diese hilflose Lage gebracht hat zum Beistand und Schutz verpflichtet ist.
Dies führt dazu, dass grundsätzlich alle Taten in Bezug auf die Missbrauchs- und
Körperverletzungsdelikte auch durch ein Unterlassen der Hilfeleistungen begangen
werden können, was grundsätzlich zunächst in der gleichen Weise bestraft wird, wie
aktives Handeln.
Als Beispiel: Missbraucht ein Vater sein Kind, indem er es schlägt, vergewaltigt und/
oder es nötigt sexuelle Handlungen zu dulden oder an ihm vorzunehmen, so macht
er sich strafbar. Weiß die Mutter des Kindes von den Handlungen und unterlässt sie
es dem Kind beizustehen und es vor diesen Übergriffen zu bewahren, so begeht sie
grundsätzlich zunächst einmal genau die selben Straftaten durch Unterlassen, wie
der Vater durch aktives Tun. Beide sind Täter, da macht das Gesetz grundsätzlich
erst mal keinen Unterschied.
Das „Nichts-tun“ ist also dann strafbar, wenn man eine Pflicht zum Handeln hat und
es wird dann genauso bestraft, wie aktives Tun.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass sich Personen im Umfeld von Kindern strafbar
machen, wenn sie Kindesmissbrauch wissentlich nicht anzeigen, dem Jugendämtern
melden oder sich nicht in anderer Weise „ernsthaft bemühen“ dem Kind zu Helfen
aus dieser Situation heraus zu kommen.
8.4
„Das Heinz – Dilemma“ nach Lawrence Kohlberg
Eine todkranke Frau litt an einer besonderen Krebsart. Es gab ein Medikament, das
nach Ansicht der Ärzte ihr Leben hätte retten können.
Ein Apotheker der Stadt hatte es kurz zuvor entdeckt. Das Medikament war teuer in
der Herstellung, der Apotheker verlangte jedoch ein Vielfaches seiner eigenen
Kosten.
Heinz, der Ehemann der kranken Frau, borgte sich von allen Bekannten Geld,
brachte aber nur die Hälfte des Preises zusammen.
Nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem Apotheker brach Heinz in die Apotheke
ein und stahl das Medikament für seine Frau.
Quelle: Entwicklungspsychologie(4. Aufl.); S. 874 – 877; Oerter/Montana; Beltz-Verlag
An eine solche Vorgabe schließen sich Fragen an:
Sollte Heinz das Medikament stehlen oder nicht? Warum? Was ist schlimmer:
jemand sterben zu lassen oder zu stehlen? Warum?
Hätte ein Ehemann einen triftigen Grund zu stehlen, auch wenn er seine Frau nicht
liebt? Wäre es genauso gerechtfertigt, für einen Fremden wie für die eigene Frau zu
stehlen? Warum? Wird Heinz gefaßt; soll ihn der Richter verurteilen? Warum? Was
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können die Gründe sein?
Lawrence Kohlberg
1927 in einem Vorort von New York als Jude geboren ;
studierte Psychologie u.a. bei Carl Rogers und Robert Havinghurst; dissertierte 1958
mit seiner Arbeit über „Die moralische Entwicklung des Menschen“ und unterrichtete
als Professor (1968 – 1987) in der Harvard Universität; nach schwerer Krankheit
starb er 1987 durch den Freitod.
8.5
Prinzipien in der moralischen Entwicklung des Menschen
Kohlberg interessierte weniger die letzte getroffene Entscheidung, sondern vielmehr
die, für die Entscheidung zugrunde liegenden Prinzipien.
Er fand 3 Niveaus mit jeweils 2 Stufen heraus.
8.5.1 Das Vormoralische Niveau
Kennzeichnend:
Drohende Strafen, mächtige Autoritäten oder auch eigene Interessen;
Die Interessen anderer sind nur berücksichtigt, wenn sie sich auf die eigenen
Interessen beziehen.
STUFE I:
 Charakteristische Orientierung an Bestrafung und Gehorsam
 Ob GUT oder BÖSE, hängt von den psychischen Konsequenzen ab
 Vermeidung von Strafe und Unterordnung unter die Autorität, da sie als
WERTE an sich gelten
Beispiel: Proband, 10 Jahre
„Heinz sollte stehlen, er sollte das Medikament kaufen. Wenn er das Medikament
stiehlt, könnte er ins Gefängnis kommen und müßte das Medikament dann doch
zurückgeben.“
STUFE II:
• Orientiert sich an den eigenen Bedürfnissen
• Probanden zeigen Ansätze von Gegenseitigkeit und Sinn für die gerechte
Verteilung, aber eigene Interessen stehen im Vordergrund („Eine Hand
wäscht die andere“)
Beispiel: Proband, 13 Jahre
„Heinz sollte das Medikament stehlen, um das Leben seiner Frau zu retten. Er mag
dafür ins Gefängnis kommen, aber er hätte immer noch seine Frau.“ „Sollte er das
Medikament auch stehlen, wenn es für einen sterbenden Freund wäre?“ „Das ginge
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zu weit. Er wäre im Gefängnis, während sein Freund gesund und frei sein würde. Ich
glaube nicht, daß ein Freund dies für ihn tun würde.“
8.5.2 Das Konventionelle Niveau (= herkömliche)
Es herrscht eine Tendenz zur Einhaltung wichtiger Sozialbezeihungen vor
STUFE III:
• Lösungsversuche beschränken sich auf persönliche bekannte Personen
(Familie oder andere Primärgruppen als Bezugsrahmen)
• Ein Konflikt entsteht, wenn die Interessen der wichtigen Bezugspersonen
nicht berücksichtigt werden können;
• dieser Konflikt kann noch nicht prinzipiell gelöst werden
Beispiel: Proband, 16 Jahre
„Wäre ich Heinz, hätte ich das Medikament für meine Frau gestohlen. Liebe hat
keinen Preis. Auch das Leben hat keinen Preis.“
STUFE IV:
• hier erweitert sich die Orientierung von persönlich bekannten Personen auf
übergreifende Systeme (Staat und Religionsgemeinschaften)
• das System als solches wird wichtiger, nicht mehr nur konkrete persönliche
Sozialbeziehungen
• oberstes Gebot: die Erfüllung des gegebenen Ordnungs- und
Rechtssystems, das die Rechte, Pflichten und Ansprüche aller regelt
Beispiel: Proband, 21 Jahre
„Wenn man heiratet, schwört man sich Liebe und Treue. Eine Ehe ist nicht nur Liebe,
sie bedeutet auch eine Verpflichtung, genau wie ein gesetzlicher Vertrag.“
8.5.3 Das Postkonventionelle Niveau
Das System wird als wandelbar erkannt. Das System wird nicht mehr einfach als
gegeben hingenommen, sondern durch eigenes Bemühen Änderungen angestrebt.
Eigene Wert- und Prinzipiendefinitionen werden angestrebt, um eine
Unabhängigkeit von Autoritäten (wie einzelne Gruppen oder Personen) zu
erreichen. Der Egozentrismus wird überwunden.
STUFE V:
• Verständnis: System wird als Gesellschaftsvertrag angesehen (ist prinzipiell
zwischen den Beteiligten verhandel- und veränderbar)
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•
•
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Wichtige Vorüberlegung: Maximierung des Gewinns für möglichst viele = neue
Dimension der Gerechtigkeit = Gerechtigkeit des Verfahrens (z.B. bei der
Entscheidungsfindung in unserer Demokratie: durch Wahl)
Menschenrechte werden als unantastbar angesehen (sie sind nicht
verhandelbar!)
STUFE VI:
• Vorherrschend ist hier die Suche nach allgemeingültigen ethischen
Prinzipien
• Diese Prinzipien sind abstrakt und nicht konkret (z.B. in der Diskursethik
vorkommend)
• Beispiele für geforderte Prinzipien aus der Sterbehilfe: Mitspracherecht aller
von der Entscheidung Betroffenen, Unparteilichkeit in der Aufnahme der
Information, der Abwägung der Argumente und der Interessen, die Möglichkeit
der Revision einer Entscheidung, wenn neue Argumente auftauchen
• Grundsätzlich: die bestehende Ordnung kann jederzeit in Frage gestellt
werden, wenn die Frage der Fairneß dagegen steht
8.6
BAGHR: Bundesarbeitsgemeinschaft der Hochschullehrer des Rechts an
Fachhochschulen des Sozialwesens in Deutschland
Bundesarbeitsgemeinschaft der Hochschullehrer des Rechts an
Fachhochschulen des Sozialwesens in Deutschland; gegründet 1970; ca. 120
Professoren des Rechts. Zu ihren Zielen gehört, die erforderlichen Standards des
Rechts im Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu gewährleisten und die
Rechts- und Verwaltungskompetenz zu sichern.
-
starke Tendenz zur Psychologisierung und Pädagogisierung
d.h. verschlechterte Handlungskompetenz in rechtlichen Dingen
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen werden in immer stärkerem Maße als Berater und
Vermittler von rechtlichen Hilfen für Menschen gefordert, deren materielle
Lebensgrundlage ungesichert ist oder die sich in psychosozialen Notlagen befinden.
Dies setzt umfassende Rechtskenntnisse, Anwendungskompetenz und die Fähigkeit
zum sicheren Umgang mit Behörden voraus.
Aufgrund einer multidisziplinären Ausbildung (methodisch, sozialwissenschaftlich
und rechtlich) ist der Sozialarbeiter im interpersonalen Prozess befähigt mit dem
Hilfesuchenden, die im Einzelfall angemessene rechtliche Hilfe festzustellen.
Für viele Mensachen ist der Sozialarbeiter der einzige Vermittler psychosozialer und
rechtlicher Hilfen, die eine positive Entwicklung und ein menschenwürdiges Leben
sichern. Rechtsanwälte werden von sozial schwachen Menschen meist nicht
aufgesucht, weil diese u. a. Angst vor den Kosten haben und nicht wissen, dass
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ihnen Beratungshilfe gewährt werden kann. Für Rechtsanwälte bedeutet dies viel
Arbeit bei geringem Lohn.
Die Realität, mit der sich Sozialarbeiter in der BRD gegenwärtig befassen, wird
bestimmt durch die ständig wachsende Zahl der Menschen in sozialen Notlagen.
Einige zum Beispiel: Arbeitslose, Süchtige, psychisch Kranke,
Sozialhilfeempfänger etc. .
8.7
Recht weist vier Verknüpfungspunkte zur sozialen Arbeit auf
1. Bei einem Beratungsgespräch; Rechtsberatung.
2. Ressourcen des Rechts für Klienten ausschöpfen.
3. Schranke und Rahmen der berufl. Tätigkeit(Grund-Strafrecht).
4. Grundlage der eigenen berufl. Tätigkeit(Datenschutz, Arbeitsrecht)
Der Sozialarbeiter braucht Rechtkenntnisse und die Fähigkeit, diese in die jeweilige
Problemlösung einzusetzen. Die Handlungskompetenz setzt die gleichen Regeln wie
für Juristen voraus.
Außer dem Fachwissen aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen
müssen die für die Soziale Arbeit notwendigen Schlüsselqualifikationen erlangt
werden. Sie umfassen nach Richter die Methodenkompetenz, die Sozialkompetenz
und die Selbstkompetenz.
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9 Bindungen zur Musik- und Kunstszene
9.1
Einführung
9.1.1 Entwicklungspsychologische Aspekte
Schon im Mutterleib sind Kinder ab ungefähr der 24. Schwangerschaftswoche in der
Lage, menschliche Sprache und Stimmlage wahrzunehmen. Den Rhythmus des
menschlichen Herzschlags hört das Kind während seiner intrauterinen Zeit etwa 26
Millionen Mal. Dieser Rhythmus bedeutet Vorhersagbarkeit, Sicherheit und
Verlässlichkeit. Musik, die im Tempo des Herzschlags pulsiert, ist in Schlaf- und
Wiegeleidern wieder zu finden, also in Musik, die wir als beruhigend und wohltuend
empfinden.
Im Mutterleib ist der Fötus vor lauten Außengeräuschen geschützt. Was er
tatsächlich wahrnimmt, hängt davon ab, wie sehr die Geräusche innerhalb der
verschiedenen Frequenzbereiche abgeschwächt werden. Abhängig von der
Dämpfung durch die mütterliche Bauchwand kann der Fötus Sprache und Musik in
den Frequenzbereichen unter 500 Hz hören, wenn diese den Geräuschpegel in der
Luft um 60 dB überschreiten.
Das Hörzentrum unseres Gehirns ist von vornherein so organisiert, dass es
automatisch auf spezielle musikalische Muster reagiert. Diese genetische
Voraussetzung wurde durch eine Studie der Mc Master University im kanadischen
Hamilton belegt. (Laurel Trainor/ Neurologe)
Die musikalische Entwicklung eines Menschen gilt wohl als Paradebeispiel für
Sozialisation und Enkulturation. Die Ausprägung hängt trotz genetischer
Voraussetzung nämlich vor allem vom kulturellen Rahmen und den
Sozialisationsbedingungen ab. Eine weitere musikalische Entwicklung gibt es nicht,
sie wird vollständig durch die jeweilige Kultur definiert. Man mag denken, dass Musik
zur reinen Lebensbewältigung als vergleichbar überflüssig erscheint. Jedoch ist die
Bindung des Menschen an Musik als Lebensbestandteil und kulturelles Gut sehr
wichtig.
Musik kann Trauer vertiefen und eine gute Stimmung verstärken. Häufig werden
Musikliebhaber immer wieder von derselben Opernarie zu Tränen gerührt oder ihnen
läuft ein Schauer über den Rücken. Auch physiologische Reaktionen des Körpers,
die bewusst nicht zu beeinflussen sind, werden durch Musik ausgelöst. Blutdruck und
Körpertemperatur verändern sich ebenso wie die Atmung. Wie schon früher
durchgeführte Messungen der Hirnaktivität zeigen, reagiert insbesondere das
Belohnungssystem des Gehirns, wenn Musik als angenehm empfunden wird.
All diese Reaktionen, ob Zufallsprodukt oder durch die Evolution erworben, sind
schon sehr alt. Darauf deutet der Fund einer mindestens 43.000 Jahre alten Flöte
aus der Steinzeit hin. Einfachere Formen des Musizierens wie gemeinsames Singen
dürften dagegen schon vor weitaus mehr als 200.0000 Jahren bestanden haben,
vermuten Paläontologen.
Ein weiteres Argument ist, dass in den USA in der Musikindustrie mehr Geld verdient
wird als in der Pharmaindustrie, und einige Fachleute vermuten, dass die Menschen
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in der westlichen Welt für Musik mehr Zeit und Geld aufwenden als für sexuelle
Bedürfnisse. Und das ist keine Entwicklung der Neuzeit.
In einigen urtümlichen Jäger-Sammler-Kulturen verbringen erwachsene Männer
täglich einige Stunden mit dem Vortragen ritueller Gesänge. Diese enge menschliche
Bindung zur Musik hat vermutlich eine biologische Wurzel. So ist gezeigt worden,
dass Musik bei Männern die Konzentration des Aggressionshormons Testosteron
senkt. Das vermeidet soziale Konflikte.
Bei beiden Geschlechtern setzt Musik die Konzentration des Stresshormons Cortison
herab. Einige Untersuchungen geben sogar Hinweise darauf, dass Musik zur
Ausschüttung von Oxitocin beiträgt. Das Hormon fördert die soziale Bindung
zwischen Mann und Frau und zu größeren Gruppenverbänden.
Es macht also biologisch Sinn, wenn unser Gehirn von natur aus musikalisch ist, wie
die Versuche von Laurel Trainor gezeigt haben auch wenn eine weiter gehende
Musikalität nicht jedermanns Sache ist.
9.1.2 Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Präferenzen für
bestimmte Musikbranchen
Schichten repräsentieren nicht nur unterschiedliche Berufe, Einkommensverhältnisse
und Bildungsniveaus, sondern auch unterschiedliche Subkulturen bezüglich der
Domäne Musik. Während zum Beispiel die klassische Musik seit jeher immer die
Domäne der gebildeten Mittelschicht war, ist Volksmusik eher in den
Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Bildungsniveau und manuellen Berufen
angesiedelt.
9.1.3 Musik und die Subkultur als Mittel der Identitätsfindung bei
Jugendlichen
Für Jugendliche im Prozess des Heranwachsens stellt die Musik in ihrer Vielfältigkeit
ein ideales Mittel zur Identitätsfindung dar, gerade in unserer gegenwärtigen
Lebensform, der kofigurativen Kultur, d.h. in einer mobilen, durch rasche Wandel
gekennzeichneten Kultur, in der die Lebensbewältigung in hohem Maß an
Orientierungsleistungen gebunden ist.
Neben der zwei Generationen umfassenden Kernfamilie sind Schule und Subkultur
der Gleichaltrigen wesentliche Orientierungsinstanzen. Gerade bei den Gruppen der
Gleichaltrigen („Peergroups“) finden sich meist Cliquen mit einer großen Vielfalt von
Ausprägungsformen des jugendlichen Lebensstils. Bei manchen Jugendstilen ist die
sprachliche Kommunikation und Argumentation zentral, ebenso das solidarische
Handeln im Dienste der Gruppe (Politisch motivierte und gesellschaftskritische
Gruppen). Andere bevorzugen die soziale Interaktion und das wechselseitige
Verständnis der nonverbalen Kommunikation. Diese Gruppen tauschen sich oft über
integrale Objekte aus, die den Mittelpunkt des Gruppenlebens bilden, wie z.B.
bestimmte Musikgruppen. Homogene Objekte wie Kleidung, Haarpracht und
Accessoires unterstützen Regeln und Thematik des Gruppenstils, sie dienen als
Symbole der Zugehörigkeit und zur Abgrenzung von anderen Gruppen.
Durch die Peergroup und durch sie getragene Subkultur werden die
gesellschaftlichen Defizite und Konflikte zum Ausdruck gebracht, man könnte sie
also als eine, von der Gesellschaft produzierte Einrichtung bezeichnen.
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Wenn etwa neue Musikgattungen, neue Sprachelemente (Jugendsprache), neue
Kleidung als insgesamt neuer Lebensstil kreiert werden, so ist dies zugleich als eine
Reaktion auf die Einseitigkeit des Hauptstroms der Kultur zu verstehen, der man
etwas Neues und anderes, das die unterdrückten Lebensbedürfnisse artikuliert,
entgegensetzt. Man kann die Subkultur also als Teilkultur bezeichnen, die neben und
mit der Gesamtkultur besteht.
9.1.4 Starkult und die Rolle der Medien
Nach einer Statistik nutzen dreiviertel aller Jugendlichen von 14 bis 19 Jahre fast
zwei Stunden täglich Medien wie Radio oder CD (Keller & Klingler, 1996).
Die Nutzung von Medien durch Jugendliche resultiert aus Entwicklungsaufgaben, die
sich im Lebensabschnitt des Jugendalters stellen. Sie geben Themen vor, mit denen
sich die Jugendlichen auseinandersetzen müssen, sie bestimmen im hohen Maß das
Alltagshandeln, auch wenn die konkret zu lösenden Probleme und Konflikte in ihrer
Struktur und ihrem Ablauf dem heranwachsenden selbst häufig nur schlaglichtartig
bewusst sind. Die Medieninhalte gewinnen also ihre Abstraktivität aus der
psychologischen Funktion, die sie für den Nutzer haben, im Guten wie im Bösen.
Besonders bei der Entwicklungsaufgabe „Umgang mit Sexualität lernen“, wird die
Rolle dieser Medien sichtbar. Ein Vergleich mit den vorliegenden Statistiken über den
Beginn sexueller Erfahrungen zeigt unmissverständlich, dass die Jugendmedien wie
etwa „BRAVO“ von viel zu frühen faktischen Normen des ersten
Geschlechtsverkehrs ausgehen (Fend, 2000, S. 263). Der dadurch ausgeübte Druck
kann nachdrückliche Konsequenzen für die weitere Entwicklung haben. Hierbei sei
auch die Thematik des Starkults von Jugendmagazinen erwähnt, die Stars der
Jugendlichen bilden Identifikationsfiguren für Leistungen, die sehr weit von den
eigenen entfernt scheinen. Durch Zusehen und Zuhören hat man an den Erfolgen
der Stars teil und erfährt dadurch eine Selbsteignung.
9.2
Der Mensch von Natur aus musikalisch?
Kanadische Neurologen haben nachgewiesen, dass unser Gehirn von Natur
aus auf Musikalität programmiert ist. (Quelle: Rolf H. Latusseck/ www.welt.de
vom 15.09.2002)
Sowohl eine positive als auch eine negative Reaktion auf Musik stellen eine
Gefühlsäußerung dar. Wo aber liegt die Verbindung zwischen dem physikalisch
Gehörten und der emotionalen Reaktion? Kürzlich durchgeführte Experimente geben
eine überraschende Antwort: Das Hörzentrum unseres Gehirns ist von vornherein so
organisiert, dass es automatisch auf spezielle musikalische Muster reagiert.
Laurel Trainor und Mitarbeiter von der McMaster University im kanadischen Hamilton
führten mit musikalisch nicht Vorgebildeten Personen Versuche durch, in denen den
Probanten kurz Musiksequenzen vorgespielt wurden.
Dabei endeten einige Tonfolgen fast unmerklich verändert auf einer normalerweise
nicht verwendeten Note. Diese unregelmäßig eingestreuten „Störungen“
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beantwortete das Gehirn mit deutlich erhöhter Aufmerksamkeit; die Nervenzellen
feuerten ein Signalmuster, das etwa eine Drittelsekunde lang andauerte.
„Das zeigt uns, dass das Gehirn selbst bei musikalisch nicht trainierten Menschen in
der Lage ist, automatisch eine musikspezifische Information zu verschlüsseln“,
schreiben die Autoren im „Journal of Cognitive Science“ (Bd. 14, S. 430)
Wenn das Gehirn also für musikalische Laien nicht erkennbare, subtile Musikmuster
selbstständig in Nervensignale umcodiert, dann kann diese Eigenschaft nicht erlernt
sein, sie muss bereits im Gehirn programmiert sein.
Dabei bleibt allerdings die Frage offen, ob diese Hirnleistung während der
menschlichen Evolution erworben wurde, weil sie einen Vorteil brachte, oder ob sie
ein Nebenprodukt der hoch entwickelten Hirnarchitektur ist.
9.3
Quellen:
− (Entwicklungspsychologie/ Oerter, Montada
− www.welt.de
− www.menschundmusik.de
9.4
Vorstellung von drei Musikstilen
9.4.1 Punk
9.4.1.1 Entstehung des Punk
Punk wird meistens mit England, speziell London in Verbindung gebracht. Doch
tatsächlich ist der Punk gar nicht in England entstanden, sondern hat dort lediglich
seinen ersten Boom erlebt, als viele der Jugendlichen damals mit ihrer
Lebenssituation unzufrieden waren, da sie keine Arbeit hatten. („No Future")
Die wahren Ursprünge des Punks liegen in den USA. Hier wurde 1966 eine Band
namens „Velvet Underground“ gegründet. Ihr Gründer war Lou Reed, heute
sozusagen der „Großvater des Punk".
Neben Lou Reed mit Velvet Underground entstand im damaligen New York noch
eine neuartige, umstrittene Kunstbewegung, die sich hauptsächlich in New Yorker
Untergrundszenen abspielte und die Ästhetik des Hässlichen betonte und zugleich in
Frage stellte. Diese Kunstrichtung hieß Nihilismus – nicht zu verwechseln mit dem
Nihilismus als Welthaltung!
Im Laufe der nächsten Jahre entstanden in New York weitere Bands, die erste
Punksongs schrieben. Darunter waren zum Beispiel auch „The New York Dolls“
(ursprünglich „The Dolls of New York“), die auffielen durch kurze, schroffe Songs, wie
es sie so bis dahin noch nicht gab. Was aber beinahe noch mehr auffiel, war ihr
damals eigenwilliger Kleidungsstil.
Als die New York Dolls auch in London auf Tour kamen, folgten Ihnen andere
Punkbands, die sich in der New Yorker Szene bereits gebildet hatten. Dank Bands
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wie „Suicide“, „The Modern Lovers“, „The Stilettos“ oder „Blondie“ entstand auch in
London eine kleine Punkszene.
Im Laufe der 70er Jahre wurde Punk immer bekannter und es gab die ersten
Plattenproduktionen. 1974 gründeten sich die legendären „The Ramones“. Sie gaben
sich als „Drei-Akkord spielende, idiotische Schwachköpfe" aus. Im Januar 1976
erschien zum ersten Mal die Musik- und Kulturzeitschrift „Punk“. Viele Leute sagen,
dies sei der Moment gewesen, an dem die neu geborene Szene einen Namen
bekam. (Punk, engl. = Abschaum, Dreck)
Die Anhänger der Szene fanden diesen Namen, den Legs McNeil, der Gründer der
Zeitschrift Punk für sie gefunden hatte, vorerst recht lächerlich. Sie alle sahen sich
nicht als Punk.
Im November 1975 hatten die „Sex Pistols“ ihren ersten Auftritt im „St. Martin's Art
College" in London. Nach dem sie nur fünf Songs gespielt hatten, wurde das Konzert
unterbrochen. Am nächsten Tag führten sie ihren 30-Minütigen Auftritt an der
„Central School of Art and Design“ fort.
Die ersten Auftritte der Sex Pistols lösten eine Initialzündung aus. Obwohl in ihren
Konzerten kaum 100 Besucher erschienen, inspirierten ihre Auftritte eine große
Anzahl der Zuschauer dazu eigene Bands zu gründen, oder bestehenden Bands
dazu, ihre Musikrichtung zu ändern. Es folgten Bands wie „The Clash“ und
„Damned“.
Das besondere an der Punkszene war, dass jeder daran teilnehmen konnte. Jeder
konnte sich auf die Bühne stellen und seine drei Akkorde auf der Gitarre schrammeln
oder einfache Uffta-Rhytmen auf den Drums klopfen. Das war Punk.
Und das ist der Grund, warum heute viele Leute sagen, Punk sei tot. Punk hat sich
verändert, hat sich weiterentwickelt und unzählige Unterarten entwickelt. Man kann
sich nicht mehr überall auf die Bühne stellen und seine drei Akkorde schrubben. Der
Punk hat sehr an musikalischen Qualitäten gewonnen. Er ist massentauglich und
somit auch kommerziell geworden.
In Teile der Punkszene sind viele optimistische Grundeinstellungen geflossen,
entgegen der früheren „No Future"-Einstellung. Punk hat sich vermischt mit vielen
andern Musikrichtungen und Einflüssen.
Punk, Punkrock, Emo Punk, Hardcore Punk, Punk'n'Roll, Poppunk, Skapunk,
Politpunk, Funpunk, Melodic Punk, Skatepunk, Deutschpunk, ... - Jede der PunkMusikrichtungen hat auch seine eigene Szene.
Es gibt jedoch gemeinsame Merkmale, die typisch sind für die Punk-Kultur:
Punk bringt seine Kritik durch Punkmusik, den Kleiderstil, aber auch Fanzines
(Fanzines sind Magazine, die von Fans für Fans gemacht werden. Sie werden oft
fotokopiert oder im Offsetdruck vervielfältigt. Die Macher der Fanzines sind
engagierte Mitglieder der entsprechenden Szene und betreiben das Schreiben und
Vervielfältigen der Hefte auf eigene Kosten und nicht selten in ihrer Freizeit) zum
Ausdruck.
Punk betont das Hässliche und will provozieren. Er stellt sich gegen die
Gewohnheiten, die herrschende Klasse, die Konsumgesellschaft, das Bürgertum und
gegen Snobismus. Durch seine strikte Antihaltung und einer Lebensart von „Anarchie
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und Chaos”, wendet er sich gegen das ihm vorgelebte hierachische
Gesellschaftssystem.
Manche Punks sehen für sich keine Zukunftsperspektive (Schlagwort: „No Future”
auf sich selbst angewendet), somit ist auch die oft körperschädigende Lebensart
vieler Punks zu erklären. Es gibt aber auch komplett gegenteilige Tendenzen in der
Punk-Szene, wie die Straight Edge-Bewegung.
9.4.1.2 New York Nihilismus
Anknüpfend an die Pop Art der frühen 60er Jahre suchten Künstler der
unterschiedlichsten Sparten hier eine „Punk-Art“ zu schaffen. Alles als wertlos und
trivial angesehene sollte als Ausgangspunkt für Kunst dienen und durch eine
möglichst schockierende Darstellung dieses Wertlosen sollte das herrschende
Wertesytem in Frage gestellt, die Kehrseite dieses Systems ausgestellt werden. Die
Szene setzte sich zusammen aus Kunststudenten, Musikern, Jungfilmern,
Videokünstlern, Fotografen und Journalisten, als typische musikalische Vertreter
dieser neuen Avantgarde sind Patti Smith, die New York Dolls, Iggy Pop, die
Ramones u. a. zu nennen.
9.4.1.3 No Future – Lebenseinstellung
In den 70er-Jahren ging es in England wirtschaftlich immer mehr den Bach runter.
Viele der Jugendlichen fanden nach ihrer Ausbildung keine Arbeit. Es gab kein
ausgereiftes Sozialsystem, so saßen viele der Jugendlichen auf der Straße.
Dadurch entstand der Hass, gegen die Gesellschaft. Und dieser Hass wurde noch
verstärkt, als die Jugendlichen merkten, dass die Gesellschaft total oberflächlich war.
Weil sie sich schäbig kleideten und sich verrückte Frisuren machten, wurden sie vom
kleinbürgerlichen Spießbürger in Schubladen gesteckt. Bewusst wollte man sich
dagegen auflehnen. So erlebte Punk in England einen wahren Boom. Vor allem bei
den Kindern der Arbeiterfamilien fand Punk seine Anhänger.
9.4.1.4 Hardcore Punk
Hardcore ist „metallischer“ und „aggressiver“ als „gewöhnlicher“ Punk. Innerhalb des
Hardcore gibt es stilistische Unterschiede: Old School bezeichnet, wie der Name
schon sagt, die Stilrichtung, die sich noch sehr an den Wurzeln des Hardcore im
Punk orientiert (in ihren Texten rufen Old School-Bands auch heute noch zur
Revolution auf); New School bezeichnet eine von Heavy Metal und Jazz beeinflusste
Stilrichtung (in ihren Texten betonen die Bands die Rolle des Einzelnen bei
gesellschaftlichen und politischen Veränderungen); Emocore ist die jüngste
Stilrichtung, im Vergleich viel melodischer und nähert sich an Alternative Rock und
Power Pop an (die Lyrics berichten vom Leiden des Einzelnen unter den
bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen oder behandeln auch einfach Themen
wie Freundschaft und Liebe) - die Szene ist sich nicht einig, ob Emocore überhaupt
noch als Hardcore gelten kann.
Die Hardcore-Szene positioniert sich gegen Sexismus, Rassismus und Kapitalismus.
Auch der Verzicht auf Drogen und auf Tierprodukte sowie das Engagement für
Menschen- und Tierrechte gehören oft zum Hardcore-Lebensstil (siehe StraightEdge-Lebenseinstellung).
“Hardcore wird nicht gehört, sondern gelebt“. In ihren Texten verkünden die Bands
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nicht nur ihre Meinung von Staat und Gesellschaft, sie propagieren den bewussten
und konsequenten Lebensstil. In ihren Texten verweisen sie auf die innere Stärke
jedes Einzelnen und den Rückhalt aus der Szene-Gemeinschaft, sie fordern dazu
auf, den gewählten Lebensstil konsequent beizubehalten, um so die Gesellschaft zu
verändern.
Trotz aller Diszipliniertheit und moralischen Vorstellungen wird auf HardcoreKonzerten ausgelassen gefeiert. Konzerte sind typisch für die Hardcore-Szene,
sowohl als Event als auch als Treffpunkt. Live-Musik ist ein unverzichtbarer
Bestandteil der Szene. Die Konzerte finden in günstig zu mietenden Räumlichkeiten
statt, in Jugendzentren, autonomem Zentren, Kneipen und Diskotheken, auch in
ehemaligen Lager- oder Fabrikhallen. Aufwändige Lichtanlagen oder
Bühnendekorationen sind nicht üblich; auf eine gute Soundanlage wird allerdings
Wert gelegt.
9.4.1.5 Straight Edge – Lebenseinstellung
Straight Edge bezeichnet einen Lebensstil und eine Jugendkultur. Der Begriff
"Straight Edge" geht ursprünglich auf einen Song der Hardcore Punk-Band „Minor
Threat“ zurück, die von Ian MacKaye (später bei Fugazi) und Jeff Nelson 1980
gegründet wurde.
In ihren Texten beschreiben sie ihre Abneigung über den üblichen Umgang mit
Drogen in der Punkszene. Ihrer Meinung nach hatte der Punk als Protestkultur durch
die Drogen sein ursprüngliches Ziel verloren: den Protest. Durch Abstinenz wollte
man wieder auf den geraden Weg zurückfinden.
Die Basis dieses Lebensstils wird überwiegend definiert durch die beiden Songs von
Minor Threat "Straight Edge" und "Out of Step (with the world)" von 1981. Vor allem
der Refrain des letzteren wurde von vielen Nachfolgebands als Grunddefinition von
Straight Edge verstanden:
Don't smoke
Don't drink
Don't fuck
At least I can fucking think
Diese Liedtexte erwiesen sich als äußerst einflussreich und ließen in den
kommenden Jahren diverse Straight Edge Hardcore Bands entstehen, wie SSD,
Youth of Today oder Gorilla Biscuits. Von da an blieb Straight Edge ein wichtiger Teil
der Hardcoremusik und vielfach definieren sich Hardcorebands auch darüber.
Bestandteil dieser Lebensphilosophie ist Abstinenz von bestimmten Dingen. Als
allgemein anerkannt gilt die Abstinenz von halluzinogenen Drogen, Zigaretten und
Promiskuität (=Sex mit häufig wechselnden Partnern).
Manche Anhänger der Bewegung erweitern den Begriff für sich persönlich, z.B.
durch den Anspruch, keinen Sex vor der Ehe zu haben. Umstritten ist die Meidung
der "Droge" Koffein. Selbst dem Sänger von Minor Threat wurde vorgeworfen, er sei
nicht "straight", weil er Kaffee trinke.
Seit dem Ursprung im Jahre 1981 hat sich die Auffassung des Begriffes Straight
Edge in der Hardcoreszene gewandelt. Für viele ist Straight Edge mittlerweile mit
dem Veganismus/Vegetarismus verbunden, welches ursprünglich nichts miteinander
zu tun hatte.
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So kann man die Abstinenz von Tierprodukten als Erweiterung des ursprünglichen
Straight Edge Gedankens ansehen.
Als problematisch erweisen sich Vertreter, die Straight Edge als politisches
Statement definieren. Die einzigen Quellen, die das belegen konnten, blieben die
Liedtexte, welche aber sehr viel Interpretationsspielraum zulassen. Durch das Fehlen
einer richtigen, festen Definition wurden in der Hardcorebewegung zahlreiche
Diskussionen über die Motive, Mittel und Ziele von Straight Edge ausgelöst.
Als Erkennungszeichen in der Szene wird häufig ein grosses "X" genutzt. Da in den
frühen 80er Jahren Punk-Konzerte fast ausschließlich in Clubs statt fanden, in denen
Alkohol ausgeschenkt wurde, durften Punks unter 21 Jahren diese nicht besuchen.
Daraufhin entstand die Praxis, noch nicht volljährigen Punks den Handrücken mit
einem "X" zu markieren - an diese wurde dann kein Alkohol ausgeschenkt und sie
konnten den Club betreten.
Die Abwandlung "XXX" kommt aus Washington D.C. und ist eine Anspielung auf die
dortige Flagge, bei der drei Sterne nebeneinander stehen. Weiterhin ist aber auch
die Abkürzung sXe geläufig.
Viele Straight-Edger malen (oder im extremen Fall: tätowieren) sie sich auf beide
Handoberflächen, um ihre Zugehörigkeit zu präsentieren.
Hieraus wird deutlich, dass der Lebensstil des Straight Edge eine Entscheidung für
das ganze Leben markieren soll. Nicht selten aber kehren Anhänger im Laufe der
Zeit ihrem früheren Bekenntnis wieder den Rücken zu, da es auf Dauer einfacher ist,
den gesellschaftlichen Zwängen und Versuchungen nachzugeben. Kritiker führen
weiterhin an, dass Straight-Edger sich elitär sähen und anderen ihre Ideale offensiv
aufdrücken möchten.
9.4.1.6 Die „Körperkunst“ der Hardcore-Szene
Wie bereits angesprochen lassen sich viele Anhänger dieser Szene tätowieren. Aber
nicht nur Straight-Edge-Motive sind üblich, sondern auch viele andere Motive, mit
denen Lebenseinstellungen oder einfach die Liebe zur Musik ausgedrückt werden,
indem man sich beispielsweise das Instrument tätowieren lässt, das man selbst spielt
oder den Band-Namen einer Band, mit der man sich selbst identifiziert.
Weitere „typische“ Motive, die jeweils ihre eigene Bedeutung haben, sind z.B.:
Brennende Herzen, die für ewige Liebe stehen
Schwalben, die als Liebesboten gelten
Totenköpfe, die die Angst vor der Zukunft symbolisieren
oder Engel, die ein Zeichen für Hoffnung sind
Ebenfalls typisch für die Hardcore-Szene sind Piercings jeglicher Art, sowie andere
„Body-Arts“ wie z.B. die Dehnung von Ohrlöchern.
9.4.1.7 Die Kleidung in der Hardcore-Szene
Hardcore-Kleidung war nie so extrem auffällig, doch gibt es einige
„Erkennungsmerkmale“, wie etwa Nietengürtel, lockere Jeans, Converse-Schuhe,
schwarz gefärbte Haare, Band-T-Shirts und Buttons an der Kleidung.
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Viele Jugendliche wollen jedoch durch ihre Kleidung auf sich aufmerksam machen
und ihre Zugehörigkeit zur Szene damit unterstreichen. Somit entsteht in einigen
Kreisen eine Art „Wettbewerb“, wer die „coolsten Klamotten“ hat. Besonders viel
Wert wird beispielsweise darauf gelegt, dass die Bands auf dem T-Shirt möglichst
unbekannt sind, um nicht als „kommerziell“ zu gelten.
9.4.1.8 Die Kommunikation in der Hardcore-Szene
Das wichtigste Medium der HC-Szene ist heute, neben persönlichen Kontakten, das
Internet. Vor allem den Foren wird eine große Bedeutung beigemessen. In diesen
Foren kennt sich fast jeder. Das Forum ist in verschiedene Rubriken eingeteilt.
Neben der Musik, politischen Themen und diversen Freizeitangeboten werden oft
auch belanglose Dinge besprochen und es werden auch Verabredungen getroffen.
Das Internet wird natürlich auch für überregionale Kontakte genützt. Freundschaften
in verschiedenen Ländern entstehen. Und neben dem Meinungsaustausch über
Musik und der Planung gemeinsamer Konzertreisen wird natürlich auch viel herum
gealbert.
Informationen über Konzerte und Platten werden größtenteils über das Internet und
über Bekannte weiter gegeben, das Hauptmedium ist ganz sicher
Mundpropaganda: „Ich geh dahin, kommst mit?"
Die auf Papier gedruckten Fanzines werden seit der Verbreitung des Internets immer
weniger. Besonders die Kleineren wurden vom Internet verdrängt. Auf Papier
erscheinen nur mehr die großen, wie etwa das Ox, das sogar am Kiosk erhältlich ist.
In der Regel sind solche Magazine aber nur in Plattenläden erhältlich oder müssen
bei Mailorder-Services oder im Abo bestellt werden.
9.4.1.9 MINOR THREAT LYRICS
"Straight Edge"
I'm a person just like you
But I've got better things to do
Than sit around and fuck my head
Hang out with the living dead
Snort white shit up my nose
Pass out at the shows
I don't even think about speed
That's something I just don't need
I'VE GOT THE STRAIGHT EDGE
I'm a person just like you
But I've got better things to do
Than sit around and smoke dope
'Cause I know I can cope
Laugh at the thought of eating ludes
Laugh at the thought of sniffing glue
Always gonna keep in touch
Never want to use a crutch
I'VE GOT THE STRAIGHT EDGE
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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Karla Misek-Schneider
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Prof. Dr. phil. Jürgen Fritz
"Out Of Step (With The World)"
(I) Don't smoke
Don't drink
Don't fuck
At least I can fucking think
I can't keep up,
Can't keep up
Can't keep up
Out of step with the world
9.4.1.10
Quellen
www.r-otten-s.de
www.laut.de
www.poisonfree.com
www.wildcat.de
www.plyrics.com
www.unbreakable.ch
www.wikipedia.org
www.jugendkultur.at
9.4.2 Hip Hop
Hip Hop ist nicht nur ein Musikstil, sondern bildet mit Rap, DJing, Breakdance und
Graffiti eine ganze Hip Hop Kultur.
9.4.2.1 Entstehung des Hip Hop
Die Hip Hop Kultur hat ihren Ursprung aus den frühen 70iger Jahren. Sie entstand in
den Ghettos der Bronx. In der Bronx wanderten im Verlauf der 60iger Jahre die
schwarze Ober und Mittelschicht in andere Vororte New Yorks aus, und hinterließen
dort so eine isolierte afroamerikanische Bevölkerung. Stadtbauliche Fehlplanungen
im sozialen Wohnungsbau und beim Bau einer Umgehungsstraße, die die Bronx vom
Rest der Stadt abschnitt, verstärkten den Effekt noch. So entstand ein schwarzes
Ghetto indem Bandenkriminalität, Verarmung und Verwahrlosung die Folge waren. In
dieser Weise von Mehrheitskultur isoliert, entwickelten sich eigene Formen der
kulturellen Organisation.
Daraufhin fanden illegale, meist spontan Organisierte Partys in alten
Fabrikgebäuden, auf den Straßen, oder in Parks statt. Die sogenannten Block
Partys.
Sie gelten als Anfang des Hip Hop.
Dort legten die ersten DJs Platten auf, und mischten diese zu neuen Beats und
Rhythmen. Den MC, also den Sänger gab es ganz am Anfang noch nicht. Es gab
legendlich eine Person zur Unterstützung des DJ, der die Menge anheizen sollte,
indem er einzelne Worte oder kurze Sätze rief. Dies entwickelte sich weiter und
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einzelne Worte und Sätze wurden zu richtigen Texten. Das war die Geburt des Raps
b.z.w. Sprechgesangs.
Einige der bekanntesten Künstler der ersten Rap Zeit waren: RUN DMC, die
SUGARHILL GANG, GRANDMASTER FLASH und AFRICA BAMBAATA.
Da diese Art von Musik immer attraktiver und bekannter wurde, begrenzte sie sich
nicht mehr nur auf die Bronx, sondern ereichte nach und nach auch die anderen
Stadtteile New Yorks wie auch andere Städte. Entgegen allen Erwartungen, ereichte
Hip Hop einen immer größeren Bekanntheitsgrad. Immer mehr Künstler wollten nun
diese Musik machen. Daraus entstanden dann immer neue und unterschiedliche
Arten der Musik. Mit Tupac Shakur und Notorius BIG hatte Hip Hop Mitte der 90iger
seine bisher erfolgreichsten Interpreten, die leider erschossen wurden sind. In den
90iger Jahren begann dann auch die Kommerzialisierung des Hip hop. Weitere
bekannte Künstler sind der WU TANG CLAN, Dr. DRE, SNOOP DOG und NAS.
9.4.2.2 Gangster Rap
Eine neue Art des Rap war der Gangster Rap, der Ende der 80iger Jahre aufkam. Im
Gegensatz zu den anderen Rap Formen wird hier ohne moralische bedenken über
Kriminalität und Gewalt gerapt. In manchen Fällen auch dazu aufgerufen. Eine der
berühmtesten Crew ist die „ Niggas With Attitude“ die N.W.A. aus Los Angeles. Ihnen
wurde immer vorgeworfen Gewalt zu verherrlichen anstatt dagegen anzugehen.
9.4.2.3 Graffiti Szene
Die Graffiti Szene gehört wie der Rap auch zur Hip Hop Kultur und ist für viele Leute
große Kunst und für viele nur Schmiererei.
• Graffitis entstand ende der 60iger in den New Yorker Stadtteilen Bronx,
Brooklyn und Queens. Am Anfang war Graffiti nur auf das massenweise
Schreiben von Tags (Decknamen) beschränkt. Sie waren nur mit Filzstiften
gemalt. : 1968 beginnt Julio 204, in Manhattan im Verlauf von zwei Jahren
eher unauffällig mit einem dünnen schwarzen Filzstift an immer neuen Orten
seinen Namen anzubringen. (204 ist die Nummer der Straße, in der er wohnt.)
Er findet einen Nachahmer in Taki 183, der nach seiner Schulzeit als Bote
arbeitet und seine Tags auch außerhalb seines Stadtteils anbringt. Taki 183
wird bekannt durch ein Interview in der New York Times vom 21. Juli 1971.
Dieser Artikel zieht eine Welle des Taggens (Bombens) nach sich.
• Schon bald wird es in New York immer schwieriger, überhaupt noch
aufzufallen. Deshalb werden die Signaturen immer kunstvoller und
komplizierter gestaltet. 1972 wird bereits das erste Masterpiece durch den
Writer Super Kool gesprüht.
•
•
•
1973 beginnen die Style Wars, friedliche Wettkämpfe einzelner Writer und
Crews um die besten Graffiti. Der Writer Pistol II verwendet als erster Bubble
Letters; die Writer Priest 167 und Pistol I führen als erste 3 D - Effekte in die
Pieces ein.
1973 oder 1975 wird der erste Whole Car, ein ganzer U-Bahn - Waggon,
gesprüht.
Das Anbringen von Graffiti auf Zügen führt zu scharfen Polizeiaktionen: Die
Betriebshöfe der New Yorker U-Bahn werden mit doppeltem Stacheldraht und
Schäferhunden gesichert. Polizeiaktionen, Säuberungen der Züge und das
Anti - Graffiti - Gesetz haben zunächst wenig Erfolg. (Erst mit Beginn der 90er
Jahre zerbricht nach ca. fünfzehn Jahren Kampf durch die Betreiberfirma der
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New Yorker Metro (MTA) in Zusammenarbeit mit der Polizei (Vandal Squad)
die New Yorker Zug - Writer - Szene.)
9.4.2.4 Hip Hop in Deutschland
Anfang der 80iger Jahre kam Hip Hop auch nach Deutschland. Die Musik verbreitete
sich durch Platten, Filme und GIs. Es entstanden Jams verschiedene
Veranstaltungen und es bildete sich ein Netzwerk. Hochburgen des Hip Hop sind
Hamburg, Berlin und Stuttgart. Am Anfang wurde in Deutschland nur auf Englisch
gerapt. Später begannen die Leute dann auch auf Deutsch zu rappen. Den
Grundstein dafür legte der MC Torch.
Mit den Jahren konnte sich Hip Hop in Deutschland etablieren, und immer mehr
Künstler kamen hervor. Dadurch das der Hip Hop auch hier immer kommerzieller
wurde schlugen viele neue Raper die Mainstream Schiene ein, um in die Charts zu
gelangen. Wie z.B. Sabrina Setlur oder Xavier Naidoo. Im Gegenzug entwickelte sich
aber auch die sogenannte Untergrund Szene und der Battelrap ( Kool Savas) weiter,
die normalerweise versucht diese Mainstream Schiene zu vermeiden um „real“ zu
bleiben.
9.4.2.5 Konsum und Medien
Die Hip Hop Maschinerie, die derzeit durch die globale Jugendkultur fährt,
erwirtschaftet jährlich mehr als 5 Milliarden Dollar. Hip Hop-Künstler und die
Botschaften, die sie rausschicken, erreichen mittlerweile jede Facette unseres
täglichen Medien orientierten Lebens – Filme, TV Shows, Radio, Internet, SMS,
Mode, ja sogar die Politik kommt nicht mehr an ihr vorbei. Der Hip Hop-Stil ist ein
wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft geworden, dessen Subkultur weltweit
Anschluß findet. Selbst der amerikanische Nachrichtensender CNN kündigte letztens
an, gewisse Elemente der Hip Hop Sprache („Lingo“) in seine tägliche
Berichterstattung zu integrieren. Dies ist eigentlich gar nicht so abwegig, bedenkt
man das große Interesse der Werbeindustrie an der Hip Hop Gemeinde und deren
Konsumenten (ca. 60 Milliarden Dollar werden jährlich in TV Spots und Werbung
investiert).
Hip Hop hat die Art und Weise, wie Musik gemacht wird, völlig verändert und den
Lebensstil einer ganzen Generation von Jugendlichen - beinahe weltweit - geprägt.
Hip Hop hat nicht nur Wesentliches zum Boom des Musikgeschäfts beigetragen,
sondern auch eine ganze Modeindustrie hervorgebracht - und mit Hip Hop haben die
Afroamerikaner zum erstenmal einen eigenständigen kulturellen Ausdruck gefunden
und diesen auch noch selber vermarktet.
In der Hip Hop Szene die sich jenseits von MTV und VIVA- Video Clips abspielt,
zählen weder Goldketten noch Autos oder teure Klamotten .Auch wenn es dank
Marketing Produkten wie z.B. 50- cent, Eminem oder Eko Fresh schwer zu glauben
ist, definieren sich die Jugendlichen in der Hip Hop Szene über ihr können in Musik,
Breakdance oder Graffiti. Hip Hop ist halt weit mehr als nur Musik, es ist eine
Lebenseinstellung.
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9.4.3 Gothik / Metal
9.4.3.1 Gothik
Die Gothic-Bewegung, wie wir sie heute kennen, ist stark geprägt von einer
Entwicklung in der Musikszene zu Beginn der 80-er Jahre. Damals entwickelte sich
aus der Punk-Szene ein neuer Musikstil, mit dem man sich von der konventionellen
Musik und der tanzfreudigen und bunten Discomusik der 70-er Jahre abgrenzen
wollte. Der eher langsame und schleppende Klang der Musik wirkt wehmütig und
düster und die Texte sind sehr melancholisch. Oft handeln sie von Tod, Schmerz,
Liebe, Gewalt, Verlust und Lebenstragödien. Im Gegensatz zur protestierenden
Punkbewegung setzte die Gothic-Szene eher auf Rückzug und Verweigerung. Es
wäre jedoch falsch, das Gothic-Phänomen nur auf den Bereich der Musik zu
reduzieren.
Gothic ist eine Subkultur, ein Stil und eine Lebenseinstellung, eine Art und Weise des
Denkens, die man unmöglich pauschal beschreiben kann. Der ‚rote Faden’ der
Gothic-Kultur ist die friedliche und unpolitische Ablehnung vieler Merkmale unserer
Gesellschaft, die Auseinandersetzung mit Tabus und die Anerkennung der
Gegensätze des Lebens. Viele Goths haben einen starken Hang zu Geschichte,
Literatur (besonders anspruchsvolle Literatur und Klassiker) und Musik, wobei
letzteres eine zentrale Rolle in der Gothic-Kultur spielt. Viele Goths neigen dazu,
vermutlich aufgrund ihrer eigenen Vorgeschichte, mit Schwächeren mitzufühlen, sich
in sie hineinzuversetzen und sich für sie einzusetzen.
In einer Gesellschaft, die Sterben und Vergänglichkeit verleugnet, deren Angst vor
dem Tod und Ringen nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit schon fanatisch ist,
pflegen Goths die symbolische Artikulation von Trauer und Tod und setzen sich mit
der eigenen Einsamkeit und Todesnähe kritisch auseinander. Der Anschein, dass
Goths eine gesteigerte Todessehnsucht besitzen, begründet sich mit der Tatsache,
dass sie den Tod und das Vergehen als selbstverständlichen Teil des Lebens und
des natürlichen Kreislaufs erkennen und akzeptieren. Demzufolge sind Tod und
Sterben häufige Themen in Gesprächen, Gedichten und der Musik
Für Gothics oder Grufties sind die dunklen Seiten des Lebens faszinierend. Und das
teilen sie ihrer Umwelt mit durch die Musik, die Kleidung und die Lebenseinstellung.
Mit ihrer schwarzen Kleidung, den dunkel geschminkten Augenhöhlen und Lippen,
den schwarzen Haaren und der leichenblassen Schminke tragen sie Schwermut und
Weltschmerz zur Schau. Manche mögen Kerzen, Friedhöfe, Totenköpfe und Särge.
Dabei sind echte Grufties nicht mit Satanisten zu verwechseln oder mit Leichen
ausbuddelnden Grabschändern. Der Gruftie will sich von der normalen Welt, den
traditionell feststehenden Werten und Normen abgrenzen. Er fühlt sich als
Tabubrecher, der in einer Gesellschaft der ‚ewigen Jugend’ und des ‚Immer-gutdrauf-Seins’ die Schattenseiten des Lebens (z.B. den Tod) ins Spiel bringt. Diese
dunklen Seiten, die dem Normalbürger eine Gänsehaut verursachen, werden von
den Grufties regelrecht kultiviert. Dabei ist die Farbe ‚schwarz’ der symbolische
Ausdruck für die Lebenshaltung und Zeichen der Abgrenzung zum ‚Normalen’.
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9.4.3.2 Metal
Gegen Ende der 60-er Jahre begann sich aus der traditionell Rhythm & Blues
orientierten Rockmusik eine härtere Spielweise zu entwickeln.
STEPPENWOLF′s "Born to be wild" von 1967 oder LED ZEPPELIN′s Hit ,,Whole
lotta love" von 1969 zählen zu den ersten Liedern des Hard Rock, der sich zu
entwickeln begann. Auch JIMMY HENDRIX und DEEP PURPLE (,,Smoke on the
water") zählen zu den Gründern der harten Töne, die dann in den Heavy Metal
übergingen. Schon seit den frühen Anfängen dieser Musikrichtung versuchten
Musiker, die Gesellschaft aus ihrem Tiefschlag zu reißen und ihnen die
unangenehmen Wahrheiten der Welt mit wütenden Liedern ins Gesicht zu brüllen.
Die Musik war und ist Ausdruck einer rebellierenden Jugend. Die Musik hat sich wie
jede andere Richtung auch von ihrer ursprünglichen Form zu dem heute bekannten
Metal sehr gewandelt. Mittlerweile wird Metal in viele verschiedene Unterarten
afgeteilt.
Jugendliche Heavy Metal Fans formen ihren Musikgeschmack mit einer derart
außergewöhnlich starken Absolutheit zu einer Lebenseinstellung, einer den ganzen
Alltag begleitenden Selbstdarstellungsweise, das man sich die Frage stellt, wie Metal
sich zu religiösität verhält. Die Musik wird als göttlich beschrieben, persönliche
Sorgen und Nöte werden durch die Botschaften der Bands gemildert, die Konzerte
werden zu einem heiligen Ort, an dem die irdischen Qualen vergessen werden
können. Oft werden Formulierungen wie: Das brauche ich zum Leben benutzt, die
zeigen welch hohen Stellenwert die Musik hat.
Meines Erachtens, gibt es drei wesentliche Gründe, warum Jugendliche sich für
Heavy Metal begeistern: Die Musik, die Authentizität der Bands und die
Gemeinschaft Gleichgesinnter.
9.4.4 Hörbeispiele zu den einzelnen Musikstilen
9.5
Fragen und offene Diskussionsrunde
Fragen zum Thema Bindungen an die Musik- und Kunstszene
1) Wann/bzw. in welchen Situationen hört ihr Musik?
2) Welchen Stellenwert hat Musik/Kunst für Euch?
3) Würdet ihr Euch selbst einer Musikszene zuordnen? Wenn ja, welche und
warum?
4) Was mögt ihr an der Musik/weshalb hört ihr diese Musik? (z.B. Texte,
Aussehen der Band, Beat, Szene)
5) Besucht ihr Konzerte oder Ausstellungen, wenn ja wie regelmäßig?
6) Ist Musik eine Form von Kunst für Euch?
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9.6
Referenten
•
•
•
•
Tim Wagner
Andi van der Mal
Laura Kümpel
Sebastian Nagelschmidt
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Seminar: Bindungen
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Seminar: Bindungen
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10 Bindung an Gewohnheiten
10.1 Struktur Stundengestaltung
Zeit
Inhalt
Ziel
auf die
Methode
09:30 – 09:45
aus der geordneten
je zwei Personen an
Uhr
Situation herausbringen Gewohnheit
den Handgelenken
aufmerksam
aneinander binden
machen
09:45 – 09: 55
Familienalltag mit
Gewohnheiten
Alltagszene
Uhr
Gewohnheiten
anschaulich
nachspielen
darstellen
Ab 09:55 Uhr
Frage nach
Versuch der
Offenes Gespräch,
Gewohnheiten (Judith,
Differenzierung
Diskussion,
Tafel Simone)
Stichwörter an die
Tafel schreiben
Frage nach der
Versuch der
Offenes Gespräch,
Bedeutung der
Antwort
Diskussion
Einleitung
Schwierigkeit der
Vorträge
Gewohnheiten
Abgrenzung klar
(Nadine)
machen,
Sucht (Sarah)
Versuch der
Rituale (Simone)
Erklärung
Gewohnheiten
(Sarah)
Bindung an
Gewohnheiten (Iwona)
Zwänge (Judith)
Am Schluss der
Frage, wie sich die
Auf die
Stunde
zusammengebundenen Gewohnheit
Personen gefühlt haben aufmerksam
und was es für sie
machen
bedeutet hat
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Entfesseln
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10.2 Theaterrollen
Oma:
Die Oma der Familie ist sehr gläubig. Sie besteht auf das morgendliche Gebet.
Außerdem gehört es für sie jeden morgen dazu ihre Tabletten in der richtigen
Reihenfolge und immer exakt zur selben Zeit einzunehmen. Sie führt die meiste Zeit
Selbstgespräche und fühlt sich auch ständig durch alles Mögliche gestört. Ihre Enkel
begrüßt sie mit einem Küsschen.
Vater „Paul“:
Vater Paul kommt erst später an den Frühstückstisch, nachdem er mehrmals gerufen
wurde.
Beim Eintreten in die Küche telefoniert er und bespricht neue Termine mit einem
Kollegen. Kurz begrüßt er seine Kinder: „Morgen Kinder“. Die weiteren
Familienmitglieder beachtet er nicht weiter und widmet sich direkt seinem Notebook.
Ständig zieht er an seiner Zigarette und blättert in seinem Terminkalender. Nach dem
gemeinsamen Beten fragt er kurz seine Familienmitglieder nach den Tagesplänen
und deren Terminen, anschließend beschäftigt er sich wieder mit Rauchen, Arbeiten
und Telefonieren. Als alle den Raum verlassen, kommt er noch einmal zurück in die
Küche. Mit dem Kommentar: „Ich wusste es...“ bläst er die noch brennende Kerze auf
dem Küchentisch aus und verlässt danach den Raum. Kurz darauf erscheint er noch
einmal und vergewissert sich auf ein Neues, die Kerze auch sicher ausgemacht zu
haben.
Die dargestellte Rolle des Vaters Paul soll auf einige Gewohnheiten aufmerksam
machen. Speziell stehen hier eine Arbeitssucht (Notebook am Tisch,
Terminkalender, Telefonieren), Nikotinsucht (ständiges Rauchen beim Frühstück)
und ein Kontrollzwang (schaut zwei Mal nach der Kerze) im Vordergrund.
Mutter „Gertrud“:
Mutter "Gertrud“ verkörpert eine nicht ganz einfache Rolle, denn sie steht einer
dreifachen Belastung gegenüber.
Sie ist gleichzeitig Ehefrau, Hausfrau und Mutter. Ihre Pflichten im Haushalt nimmt
sie sehr ernst, sie versucht stets alles sauber zu halten, um ihren Lieben ein
gemütliches Heim bieten zu können. Leider übertreibt sie es immer wieder, sie leidet
förmlich unter einem "Putzzwang".
Der Mutter liegt viel daran, ihre beiden Kinder "Jenny" und "Kevin" richtig zu
erziehen. Ihr ist es wichtig, dass sie sittliche Verhaltensnormen beherrschen. So ist
sie ständig damit beschäftigt, ihre Kinder auf Defizite und Fehlverhalten hinzuweisen.
Das Verhältnis zu ihrem Ehemann Paul leidet sehr darunter, dass er so stark in sein
Berufsleben eingebunden ist.
So sehen sich die Eltern nicht unbedingt oft und das schlimme ist, dass Paul sogar
beim Frühstück nur an seine Arbeit denken kann.
Die morgendliche Frühstückszeit ist Gertrud jedoch heilig. Sie wünscht sich ein
ruhiges Beisammensein mit der ganzen Familie, doch meistens geht es am
Frühstückstisch eher hektisch zu.
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Zusammenfassend kann man Gertrud als eine Frau bezeichnen, die es in ihrer
Position nicht immer einfach hat, aber trotzdem versucht, ein harmonisches
Familienleben
zu
leben.
Tochter „Jennifer“:
Tochter Jennifer kommt in die Küche und begrüßt Mutter und Oma. Dann setzt sie
sich an den Tisch und beginnt sich ihre Haare zu kämmen. Dabei wippt sie mit dem
Stuhl. Sie beginnt zu essen, ohne das allmorgendliche Gebet abzuwarten. Danach
fragt sie, warum es denn keine Brötchen gibt und als ihr Vater nach den
Tagesplänen fragt, schlägt sie vor, Eis essen zu gehen.
Die Rolle der Tochter Jennifer soll auf die Gewohnheiten Haare kämmen, mit dem
Stuhl wippen, die Rituale Gebet vor dem Essen, Brötchen-Frage und die Normen
nicht am Tisch die Haare kämmen und nicht mit dem Stuhl wippen aufmerksam
machen. Außerdem wird mit der Frage an den Vater, ob sie zusammen Eis essen
gehen könnten auf dessen Arbeitssucht hingewiesen.
Sohn „Kevin“:
Kevin stellt einen etwa 11-jährigen Jungen dar, der relativ uninteressiert am
Geschehen der Familie teilnimmt. Er beteiligt sich kaum an den Gesprächen seiner
Familienmitglieder am Frühstückstisch und beschäftigt sich fast ausschließlich mit
seinem Game Boy. Seine Mutter ermahnt ihn des Öfteren, das Spielzeug während
des Frühstücks beiseite zu legen. Kevin befolgt ihre Bitte jedoch nur mit Widerwillen.
Es lässt sich noch an weiteren Beispielen erkennen, dass Kevin keine guten
Manieren hat. Die sehr gläubige Großmutter muss immer wieder mit ansehen, dass
Kevin und seine Schwester mit dem Essen beginnen, ohne das Tischgebet
abzuwarten. Des Weiteren zieht Kevin seine geliebte Kappe nicht ab und schmatzt
während des Essens.
Die genannten Verhaltensweisen Kevins stellen Gewohnheiten dar, die unsere
Gruppe in Süchte, Normen und Rituale differenziert hat. Die Tatsache, dass Kevin
während des Essens seine Kappe nicht absetzt sowie laut schmatzt,
charakterisierten wir als Normen, die von der Familie gesetzt und nicht eingehalten
wurden. Das ständige Verlangen mit dem Game Boy zu spielen verstanden wir als
Spielsucht und das Tischgebet war für uns ein Ritual der Familie.
10.3 Definition / Erklärung
10.3.1 Gewohnheiten
Eine Weile haben wir nun über Gewohnheiten und deren möglichen Bedeutungen
diskutiert. Jeder von uns kennt den Spruch:„Die Macht der Gewohnheit“. Wie man
sieht wird er auch in der Presse gerne als Überschrift verwendet. Doch was ist
gemeint wenn man von Gewohnheiten spricht. Hier lautet der Untertitel: „Erstmals
widmet sich eine Studie dem Suchtverhalten von Studierenden“. Hier geht es um
Sucht. Ist das das Gleiche wie eine Gewohnheit? Oder wurde die Gewohnheit zur
Sucht? Das ist ein Beispiel für Fragen, die wir uns in unserer Gruppe gestellt haben.
Die Abgrenzung erscheint uns ziemlich schwierig und oft sehr subjektiv.
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Im Internet unter www.wikipedia.de konnte ich eine Definition allgemein zu
Gewohnheiten finden: Gewohnheit bezeichnet ein Verhaltensmuster, das durch
häufige Wiederholungen automatisiert und zur Routine geworden ist. Im Duden war
ähnliches zu lesen: „Gewohnheit ist, wenn etwas durch stete Wiederholung
selbstverständlich geworden ist.“
Allgemein konnte ich im Internet zur Ausprägung von Gewohnheiten noch folgendes
finden: „Wenn sich die Gewohnheit auf eine Mehrheit von Individuen erstreckt, dann
wird sie zum Brauch. Dehnt sie sich auf eine Folge von Generationen aus, so wird
sie zur Tradition.“
Wie wir in unserem kleinen Rollenspiel versucht haben darzustellen, haben wir für
uns die Gewohnheiten nach Süchten, Zwängen, Ritualen und Normen abgegrenzt.
Die Grenzen sind fließend und keinesfalls festgesetzt.
(Quellen: www.wikipedia.org, www.duden.de, Encarta 2005)
10.3.2 Sucht
Unter Sucht versteht man das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten
Gefühls- Erlebnis- oder Bewusstseinszustand.
Das Ziel von süchtigem Verhalten ist entweder Lustgefühle herbeizuführen und/oder
Unlustgefühle (z.b. Unruhe, Trauer, Wut etc.) zu vermeiden.
Neben den stoffgebundenen Süchten (z.b. der körperlichen Alkohol-, Nikotin,
Heroinsucht sowie der psychischen Cannabis- und Kokainsucht) gibt es die Süchte,
die durch jede Form menschlichen Verhaltens entstehen können (z.b. Magersucht,
Arbeitssucht, Spielsucht).
Die Suchtursachen sind in den biologischen, psychischen, sozialen und
gesellschaftlichen Faktoren zu finden (multifaktorieller Prozess). Ein biologischer
Faktor ist zum Beispiel, dass das menschliche Verhalten durch ein
Belohnungssystem gesteuert wird, dass auf den Botenstoff Dopamin beruht. Es
entsteht ein Wiederholungseffekt, das Individuum verspürt die „Lust nach mehr“. Das
Gehirn passt sich hierbei dem Konsumverhalten an.
Individueller Hintergrund ist in der Regel eine Selbstwertschwäche.
Suchtverhalten kennzeichnet den Prozess von der Erfahrung über den
Wiederholungszwang, der Dosissteigerung, der psychischen bzw. physischen
Abhängigkeit zu den Entzugserscheinungen (körperliche Symptome, wie z.b. Zittern,
treten auf, wenn der Zugang zum Suchtmittel unterbrochen ist). Suchtverhalten
entwickelt sich innerhalb einer Phase der Gewöhnung.
Weitere wichtige Kriterien der Sucht sind der Wirkungsverlust (die Wirkung des
Suchtmittels wird mit der Zeit durch Gewöhnungseffekte abgeschwächt) und der
Kontrollverlust (die Unfähigkeit, willentlich die Menge des Suchtmittels zu
begrenzen).
Zum Begriff der Sucht: Sucht geht auf das Verb „siechen“ zurück, welches krank sein
bedeutet. Aus diesem Grund wird Sucht als krankhaftes Verlangen verstanden.
Des weiteren sollte angemerkt werden, dass der Begriff „Sucht“ in wissenschaftlichen
Arbeiten nicht mehr verwendet wird, da er 1964 von der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) durch den Begriff der „Abhängigkeit“ ersetzt wurde.
(Quellen: www.wikipedia.org,www.blaues-kreuz.de,www.landesstelle-berlin.de,
www.jugend-hilft-jugend.de)
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10.3.3 Rituale
Ein Ritual zu definieren ist ebenfalls nicht so leicht. Man kann es aber ungefähr so
sagen: Rituale sind Ereignisse mit genau festgelegten Abläufen und Regeln. Rituale
kommen sowohl in der Biologie (genetisch festgelegte Verhaltensmuster, speziell bei
Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung), als auch in der Religion (wiederkehrende
Gebetsformeln, regelmäßige und berechenbare Handlungszeremonien) vor. Auch im
Arbeitsalltag gibt es eine Menge von Ritualen, die immer wieder kehren (z.b.
Frühstück, Arbeitsweg, verschiedene Arbeitsvorgänge, Pausen usw.). Sie festigen
den Arbeitsrhythmus und ermöglichen gleichzeitig den Ausbruch aus dem Alltag.
Unter Wikipedia wird Ritual so definiert: „Ein Ritual ist eine kulturell gebundene
menschliche Handlung, die durch geplante strukturierte Mittel die Wandlung eines
Lebensbereiches in über den Alltag hinaus reichende Zusammenhänge bewirkt.“
Rituale dienen außerdem der Rhythmisierung sozialer Abläufe. Deswegen teilt man
sie in drei Kategorien auf:
1. Zyklische Rituale: folgen dem tageszeitlichen, wöchentlichen, monatlichen
oder jährlichen Kalender
2. Lebenszyklische Rituale z.b. Initiationsrituale (bei Geburt, Mannbarkeit)
3. ereignisbezogene Rituale finden z.b. bei bestimmten Krisen wie Tod,
Hungersnot Anwendung
Rituale sind einem ständigen Wandel unterworfen, manche erneuern sich und treten
in veränderter Gestalt wieder in der Gesellschaft. Bestimmte religiöse Rituale lassen
sich z.b. im Sport, Starkult oder in der Werbung wiederentdecken.
(Quellen: www.wikipedia.org, www.infoquelle.de)
10.3.4 Bindungen an Gewohnheiten
Gewohnheiten sind angelernte, gebahnte, relativ automatisierte Reaktionsabläufe
(z.B. Verrichtungsgewohnheiten, Verhaltensgewohnheiten,
Anschauungsgewohnheiten, Denkgewohnheiten)
Grundsätzlich sollte festgestellt werden, dass jeder Gewohnheiten hat und auch
braucht. Gewohnheiten sind zuverlässig, sie geben Sicherheit sich bei
Veränderungen schnell zurecht zu finden, sie geben Mut, Halt und Orientierung im
Leben. Körperliche Gewohnheiten können uns oft Hinweise über die emotionalen
Bereiche geben, in denen wir uns befinden. Gewohnheiten geben den Rahmen für
das künftige Entscheiden.
Man kann unterscheiden zwischen:
•
Heterogenen Gewohnheiten, die unreflektiert aus Kultur und Gesellschaft
übernommen werden( Gesten , Bewegungen) aber auch Gewohnheiten der
Wahrnehmung, des Denkens, Erkennens und Urteilens oder auch äußere
Erscheinungsformen wie (Gesichtzüge, Kleidung, Sprache).
•
Autonomen Gewohnheiten, werden bewusst angeeignet und nicht
unreflektiert übernommen, sie werden eingeübt und charakterisieren die
Haltung des Individuums.
Gewohnheiten stellen nur dann ein Problem dar, wenn es gilt sie zu überdenken, neu
zu definieren oder sogar abzuschaffen.
Genau dieses ist jedoch wichtig um Veränderungsprozesse voranzutreiben und sich
jeden Tag die Chance neu geben zu können sich weiter zu entwickeln.
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10.3.5 Zwänge
Unter einem Zwang ist allgemein all das zu verstehen, wogegen man relativ zu
seinen Mitteln nichts unternehmen kann. Es muss etwas Bestimmtes ausgehalten
werden, ungeachtet dessen, ob man will oder nicht.
Aus psychologischer Sicht geht es bei einem Zwang um ein Handeln aus einem als
unausweichlich empfundenen Druck heraus.
Man kann zwischen äußeren und inneren Zwängen unterscheiden.
Mit einem "Äußeren Zwang" ist die Veranlassung zu einem ungewollten Tun durch
bestimmte Maßnahmen gemeint. Dabei kann es sich z.b. um Einsatz von Drohung
mit Gewalt handeln. Innere Zwänge beeinflussen die Gedanken-und Gefühlswelt. Es
geht dabei um einen unwiderstehlichen Drang, bestimmte Handlungen oder
Gedanken immer wieder von neuem zu wiederholen.
Da es eine große Vielfalt von Zwängen gibt, sollen hier nun einige kurz erläutert
werden:
"Objektiver/Absoluter Zwang": z.B. das Sterben eines Menschen, da kein Lebewesen
dazu in der Lage ist, sich dem Tod zu entziehen. Eigentlich würden
Grundbedürfnisse, wie die Nahrungsaufnahme mit zu dieser Kategorie zählen, aber
da man z.b. durch einen Hungerstreik selbst entscheiden kann, ob man etwas isst,
gehört dieser Zwang zu den "Bedingten Zwängen".
Gegen "Juristische Zwänge", zu denen Strafen wie Haft im Gefängnis zählen, ist man
unter normalen Umständen machtlos.
Als letztes Beispiel soll nun näher auf die "Psychopathologischen Zwänge"
eingegangen werden, zu denen z.b. Zwangsneurose, Zwangshandlungen und
Zwangsgedanken zählen.
Unter einer Zwangsneurose ist eine psychische Störung zu verstehen, bei der sich
dem davon Betroffenen regelmäßig bestimmte Gedanken, Impulse oder Handlungen
aufdrängen.
Jemand, der unter Zwangsgedanken leidet könnte z.b. ständig grübeln, was wäre,
wenn er etwas anders gemacht hätte. Oder auch die ständige Befürchtung, den
Partner zu verlieren kann zum Zwangsgedanken werden.
Beispiele für Zwangshandlungen wären unter anderem: Waschzwang,
Weglaufzwang, Putzzwang, Sammel-oder Kontrollzwang. Besonders bei den
Betroffenen ist, dass sie eine Einsicht in ihren Krankheitszustand haben. Sie kennen
die Folgen genau, wissen, dass das was sie tun nicht gut ist, aber sie können es
einfach nicht lassen. So sehen Menschen, die unter Waschzwang leiden zwar, dass
ihre Hände vom ständigen Waschen geschädigt werden, aber sie müssen gegen das
Gefühl, dreckig zu sein angehen. In vielen Fällen wird ein bestimmtes Tun als
unsinnig erfahren, aber das Entscheidende ist, dass es trotzdem getan wird.
(Quellen: www.wikipedia.org, www.zwaenge.de )
10.4 Referenten
•
•
•
•
•
Nadine Kopf
Judith Berg
Sarah Brandt,
Simone Schaffeld
Iwona Malcharzcyk
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11 Bindung an Haustiere
11.1 Einführung mit Begriffsdefinition
Unter Heimtier versteht sich ein Tier, das mit dem Menschen dauerhaft in einem
Haushalt zusammen lebt. Es wird unter Menschlicher Obhut gehalten und dient nicht
der wirtschaftlichen Nutzung. Der Ausdruck „Haustier“ schließt auch Nutztiere, wie
Hühner, Schafe und Rinder ein, die der wirtschaftlichen Nutzung dienen.
11.1.1 Ursprung des Haustieres
Der Hund stammt, wie wir alle wissen, vom Wolf ab. Vor etwa 15 000 Jahren begann
der Mensch den Wolf zu zähmen und an seine Nähe und Behausung zu gewöhnen.
Wahrscheinlich waren die ersten gezähmten Wölfe verwaiste Welpen, deren Eltern
von dem Menschen getötet wurden, von dem sie nun gezähmt werden sollten. Der
Mensch züchtete später mit den Wölfen, die keinen großen Freiheitsdrang hatten.
Dies waren für gewöhnlich Wölfe, die psychisch nicht besonders gefestigt waren und
besonders unterwürfig gegenüber ihren Menschlichen Herren waren. Meist hatten sie
eine Wolfs untypisch lange Welpenzeit. Von ihnen stammen unsere Hunde ab.
Verhaltensforscher kamen zu dem Schluss, dass Hunde im Grunde nichts anderes
sind, als nie erwachsen gewordene Wölfe. So bellen Wolfswelpen ebenso wie
Hunde. Ausgewachsene Wölfe hingegen heulen. Domestizierte Tiere haben kleinere
Gehirne im Vergleich zu ihren wildlebenden Vorfahren.
Der Hund ist insofern nichts anderes als eine durch menschliche Züchtung
entstandener, kindlicher und insoweit unselbständiger, sowie geistig
zurückgebliebener Wolf.
Heute gibt es weit über 100 Hunderassen weltweit.
Während Aussehen und Größe früher von speziellen Funktionen als
"Gebrauchshunde" für Jagd, Bewachung oder Hüten von Vieh abhingen, werden
heute Hunde hauptsächlich als Streichel- und Heimtiere gezüchtet und dem Prestige
und Modeempfinden der Hundehalter unterworfen.
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11.1.2 Kindchenschema
Im Laufe der Jahre wurden Tiere so gezüchtet, dass sie im Menschen ganz
bestimmte Emotionen auslösen. Nämlich solche Emotionen die beim Menschen den
Beschützer- und Helferinstinkt hervorrufen. Den Tieren wurden äußerliche Merkmale
angezüchtet, die beim Menschen ähnliche Emotionen wie bei Kleinkindern
hervorrufen. Sie finden es süß, niedlich oder putzig.
Merkmale:
- im Verhältnis zum Rumpf großer Kopf
- Hirnschädel überwiegt Gesichtsschädel
- vorgewölbte Stirn
- große Augen, liegen bis unter der Mitte des Gesichtsschädels
- weich-elastische Oberflächenbeschaffenheit
- Pausbacken
- Tollpatschigkeit
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11.2 Mensch – Tier – Beziehung
Die Beziehung zwischen Menschen und Haustieren ist immer emotionaler Natur.
Dies erklärt sich aus den vielen gemeinsamen Erlebnissen und dem engen
Zusammenleben. Die Bindung vom Mensch an sein Haustier ist immer individuell.
Entscheidend für die Entstehung einer Beziehung zwischen Menschen und Tieren ist
das Vorhandensein von Du- Evidenz.
11.2.1 Du – Evidenz
„Noch bist du für mich nichts als ein kleiner Junge, der hunderttausend kleinen
Jungen völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich
bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich
zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich
werde für dich einzig sein in der Welt ...“
(Saint-Exupéry 1997, 66f.)
Mit Du- Evidenz bezeichnet man die Tatsache, dass Menschen und Tiere
miteinander Beziehungen knüpfen können. Entscheidend ist die subjektive
Gewissheit, dass es sich in einer solchen Beziehung um Partnerschaft handelt.
Die Du- Evidenz funktioniert im Verhältnis zu Tieren (wenigstens zu für Menschen
ausdrucksfähigen Tieren, im Gegensatz zu etwa Insekten) ebenso gut wie im
zwischenmenschlichen Kontakt und bedarf keiner Sprache. Daher wählt der Mensch
als Heimtiere solche Tierarten aus, in deren Körpersprache bzw. deren Ausdruck von
Furcht, Wut, Neugierde oder Freude er sich wieder zu erkennen glaubt. Sozial
lebende Tiere eignen sich besonders gut zum Aufbau einer Du- Beziehung.
Menschen und Tiere wollen gleichermaßen eine derartige Beziehung eingehen, um
daraus emotionale und soziale Grundbedürfnisse stillen zu können. Der Mensch
sieht im Tier einen Kameraden mit menschlichen Qualitäten. Deshalb gibt der
Mensch dem Tier auch einen Namen, dadurch wird das Tier etwas besonderes, es
ragt aus der Masse heraus, wird ein Individuum und zu einem Familienmitglied. Ein
Aspekt der die Mensch-Tier-Beziehung zu etwas besonderem macht ist das
„Verstehen ohne Worte“. Das Tier kann zwar keine sprachliche Information
verstehen, es nimmt aber dafür intuitiv die Stimmung wahr, indem es nonverbale
Signale auffängt. Gesten, Blicke, Bewegungen und Berührungen, aber auch die
Stimmmodulation und der Sprachrhythmus im jeweiligen Kontext sind dafür
entscheidend. Einem Tier kann und muss man nichts vormachen. Es spürt
beispielsweise „die Niedergeschlagenheit seines Herrn, den sein Chef zurechtwies,
aber es kennt ihn nicht als Versager.“ Unsere Haustiere haben für jeden individuell
eine positive Bedeutung für unser Wohlempfinden.
Um einmal die Bindung zwischen Tieren und Menschen aus unserem Umfeld kennen
zu lernen, haben wir einen Fragebogen erstellt. Er wurde von 18 Leuten ausgefüllt.
Davon waren 4 Männer und 14 Frauen. Dabei wurden folgende Diagramme erstellt:
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11.2.2 Diagramme
14
13
12 12
12
10
9
8
8
8
Allgemein Haben/Hatten
Darauf bezogen
6
4
4
3
3
2
2
2
0
Nagetier
Hund
Katze
Pferd
Fische
Vogel
Reptilien Andere
Hier sieht man, dass 100 % der Probanden, die einen Hund haben, oder hatten, sich
auf diesen konzentriert haben. Wohin gegen bei Nagetier- und Katzenbesitzern
festzustellen ist, dass sich nur ein äußerst geringer Teil der Probanden auf diese
Tiere bezieht. Bei Tieren, die dem Menschen gegenüber kaum ausdrucksfähige
Zuneigung vermitteln, wie zum Beispiel Fische, hat sich der Proband auch nicht auf
das Tier bezogen.
Wie würden Sie die Bindung an Ihr Haustier
beschreiben?
es lebt so neben mir her
4%
11%
es ist mein ständiger
Begleiter
11%
ich bin abhängig von Ihm
4%
es ist immer da und freut
sich auf mich
es würde mir fehlen
44%
26%
es würde mir nicht fehlen
Hier wird deutlich, dass zu dem jeweiligen Heimtier meistens eine sehr enge
emotionale Bindung besteht.
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Wie alt waren Sie als Sie ein Haustier hatten?
6%
6%
55%
seit ich denken kann
10+20
21+30
31+40
41+50
51+60
33%
61+70
71+
Über die Hälfte der Probanden halten ein Haustier seitdem sie denken können, ein
drittel seit ihrer Jugend. Das zeigt, dass das Bedürfnis, ein Haustier als Gefährten zu
haben meist schon in jungen Jahren entsteht.
Wieso haben Sie sich ein Haustier angeschafft?
weil ich es mir ohne gar
nicht vorstellen kann
ich war so alleine
9%
39%
4%
9%
damit ich mal vor die Tür
komme
es sah so süß aus
einfach so
es passt zu mir
22%
17%
es tat mir leid
ich hätte mir keins
angeschafft
Nach Auswertung der Fragebogen ist anzunehmen, dass die Probanden, die ein
Haustier seit ihrer Jugend halten, sich ein Leben ohne Dieses gar nicht mehr
vorstellen können.
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11.3 Wohlbefinden und Gesundheit
„Das Tier bleibt ein Gefühlsanker in einer Welt der Unberechenbarkeiten, der
Trennungen, des permanenten Liebesverlusts, die auch jene betreffen, denen die
Kindheit keine lebensgefährlichen Wunden schlug, darüber hinaus erinnert die
Gegenwart des Tieres an die Gegenwart des Lebens, das jenseits der Spaltung von
‚Gut‘ und ‚Böse‘, jenseits der menschlichen Kriege und Verwundungen stattfindet.
Wir nähren uns von diesem Strom der Dauerhaftigkeit, der gleichmäßigen Bewegung
der Gezeiten, dem in der Muschel eingeschlossenen Rauschen des Meeres. Das
Schnurren der Katze vermittelt das Gefühl von Geborgenheit, weil wir in ihm den
Rhythmus eines anderen tieferen Atmens wieder erkennen.“
Aus dem Buch „Eine tierische Liebe“, von Psychologin und
Publizistin Hanna Rheinz
Wie bereits erwähnt, haben unsere Haustiere für jeden individuell einen positiven
Effekt für unser Wohlempfinden. Dazu gehört das körperliche Wohl, welches zu einer
psychischen Verbesserung führen kann und zu positiver Veränderung im sozialen
Leben.
11.3.1 Psychologischer Effekt
Physiologisch wirken sich Tiere vor allem günstig auf das Herz- Kreislauf- System
aus. Tierhalter sind oft gesünder als Nicht- Tierhalter und gehen seltener zum Arzt.
Tiere können das Immunsystem stärken. Haustierbesitzer nehmen weniger
Schmerzmedikamente, da beim streicheln des Tieres Endorphine produziert werden,
die ihrerseits Schmerzen hemmen. Nach einer Studie der „National Institutes of
Health“ erwiesen sich Katzenallergene, die in geringen Mengen Allergien auslösen,
in größeren Mengen als Möglichkeit vor Atemwegserkrankungen zu schützen.
11.3.2 Psychischer Effekt
Tiere wirken sich auch auf die Psyche und Emotionen ihrer Besitzer aus. Oft sind sie
eine Quelle der Begeisterung für ihren Besitzer und sorgen für Verbundenheit und
Humor. Sie bringen den Menschen immer wieder zum lachen und bauen Stress ab.
Die Stimmung hellt sich auf, Depressionen wird entgegen gewirkt. Außerdem
steigern Tiere die Motivation und regen zum ständigen Dazulernen an. Eine
Untersuchung aus den 80ern hat ergeben, dass Tierbesitzer glücklichere
Beziehungen führen und in stabileren Ehen leben. Wer ein Tier hält übernimmt
Verantwortung. Wer das mit Tieren kann, dem fällt das auch mit Menschen leichter.
Eine Grundvorrausetzung ist die Beziehungsfähigkeit. Nach großer Aufregung helfen
Tiere dem Menschen sich wieder zu beruhigen. Unsere tierischen Gefährten sind
auch in der Lage Spannungen zu vermindern, oder gar aufzulösen.
11.3.3 Sozialer Effekt
Tiere üben des Öfteren die Funktion eines „Eisbrechers“ aus. Sie erleichtern zum
Beispiel den ersten Kontakt zwischen einander fremden Menschen. Ein anderes
Beispiel wäre, dass sie es Menschen ermöglichen, sich zu öffnen, gleichsam aus
sich heraus zu gehen. Auf diese Weise tragen Tiere dazu bei, das soziale Netzwerk
ihrer Besitzer auszuweiten.
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11.4 Beendigung von Bindungen durch den Tod
Wenn wir nun unseren lieb gewonnenen und treuen Gefährten verlieren, ist die
Trauer und der Schmerz oft groß. Dieser Trauerprozess ist ganz natürlich und ähnelt
dem den wir durchleben wenn wir einen Menschen verlieren der uns sehr nahe
stand. Es gibt bei beiden Trauerprozessen keinen fest gelegten Zeitplan. Die Dauer
hängt nach psychologischen Erkenntnissen von vielen Faktoren ab. Zum einen spielt
die Beziehung zwischen dem Trauernden und dem verstorbenen Tier eine Rolle.
Dann hängt es von dem Alter des Trauernden und dessen Persönlichkeit ab. Oft ist
der Trauerprozess auch geschichtlich und kulturell bedingt. Wir haben auch in
unseren Fragebogen nach dem jeweiligen Trauerprozess gefragt. Und dabei konnten
wir folgendes feststellen:
11.4.1 Diagramme
Wie lange haben Sie getrauert?
24%
35%
gar nicht
ein paar Tage
ein paar Wochen
12%
ein paar Monate
ein paar Jahre
29%
ich trauere seit
Da die Probanden meist eine sehr enge emotionale Bindung zu ihrem Haustier
hatten, haben sie verhältnismäßig viel Zeit für die Überwindung der Trauer benötigt.
Bei dem Anteil, derjenigen Probanden die gar nicht getrauert haben, handelt es sich
ausschließlich um die Besitzer der Haustiere die eine dem Menschen nicht ähnliche
Ausdrucksweise haben, wie z.B. Insekten, Vögel usw.
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Was haben Sie nach dem Verlust ihres Tieres
gemacht?
3%
33%
32%
ich war traurig
ich habe es beerdigt
nichts
ich habe ein neues
gekauft
ich habe keins mehr
gekauft
32%
Große Antwortanteile, wie „ich war traurig“ oder „ ich habe es beerdigt“
unterstreichen nochmals die enge Bindung der Probanden an die jeweiligen
Haustiere. Das viele der Probanden sich bald ein Neues gekauft haben, bestätigt
nochmals, dass sie es sich gar nicht ohne ein Haustier vorstellen können. Außerdem
versuchen sie so, nach Meinung des Diplom- Psychologen Oliver Walter ihre Trauer
zu vermindern und sich selbst das Gefühl zu geben wieder geliebt und gebraucht zu
werden.
11.4.2 Trauerprozess in vier Phasen
In den Ländern unserer „westlichen“ Kultur gibt es viele Menschen die Trauer als
eine störende und beeinträchtigende Reaktion sehen, die so schnell und effektiv wie
möglich überwunden werden muss. Viele Menschen jedoch zeigen, im Gegensatz zu
der Trauer um einen lieb gewonnenen Menschen, kein Verständnis und wenig
Toleranz wenn um ein lieb gewonnenes Tier getrauert wird. Wenn von dem
Trauernden von seinem Umfeld verlangt wird alle Bindungen an das verstorbene Tier
zu zerreißen, nennt man diesen Umgang mit der Trauer, von der USamerikanischen Psychologin Margaret Stroebe bezeichnet, „Abbruch der Bindung“.
Menschen die emotional an das Tier gebunden bleiben, gelten dem zu folge oft als
fehl angepasst, oder krank. Ein „Abbruch der Bindung“ kann die Trauer stören und
den Prozess verlängern. Es ist daher wichtig verschiedene Phasen der Trauer zu
durchleben. Man könnte den Trauerprozess in die folgenden drei Phasen einteilen:
1. Schock:
Die Person realisiert nicht, dass das Tier
gestorben ist. Sie kann es noch gar nicht
richtig fassen.
2. Verlust und Trennung:
Gefühle von Verlust und Trennung können
zu Fehlwahrnehmungen und Illusionen
führen. Das verstorbene Tier wird zum
Beispiel auf der Strasse gesehen, oder es
wird geträumt, dass es noch lebt.
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3. Verzweiflung:
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Wenn der Tod realisiert wird kommt es zu
Gefühlen der Verzweiflung, Einsamkeit, zu
depressiven Stimmungen, Schuldgefühlen
und Wut. Oft verschlechtert sich der Kontakt
zu Freunden und Verwandten, das Interesse
an gewohnten Aktivitäten geht verloren. In
dieser Phase kann es auch zu Appetitverlust
oder Fressanfällen kommen, zu vermehrtem
Alkohol- oder Nikotingebrauch, zu Durchfall,
Verstopfungen, Schlaflosigkeit oder
Konzentrationsstörungen. Viele erleben den
Verlust in dieser Phase am schmerzlichsten.
4. Ausklingen des Trauerprozesses: Der Trauernde kann an das verstorbene Tier
denken, ohne Verzweiflung zu erleben, er
kann sich wieder dem Leben stellen.
Diese Trauerphasen verlaufen meistens nicht streng nacheinander. Sie können
überlappen, parallel laufen, miteinander vermischen. Die Reihenfolge kann sich auch
verändern und überwunden geglaubte Phasen erneut auftreten. Es wir Fort- und
Rückschritte geben, sowie Schwankungen mit unterschiedlichen Gefühlen. Man kann
keinen genauen Zeitraum nennen, in dem der Trauerprozess möglichst
abgeschlossen sein sollte. Manchmal dauert es Jahre. Es müssen jedoch alle
Phasen durchlebt werden, damit die Wunden heilen und der Trauernde wieder einen
neuen Lebenssinn aufbauen kann.
Hierzu muss jetzt gesagt werden, dass sich diese Phasen der Trauer auf die Trauer
um verstorbene Menschen bezieht, sie kann jedoch auf die des verstorbenen Tieres
übertragen werden.
Auch wenn sich jetzt manch einer denkt, dass man so nicht um ein Tier trauert, sollte
man trotzdem respektieren, wenn jemand intensiv um sein verstorbenes Haustier
trauert. Diese Trauer ist eine normale Reaktion auf den Verlust eines lieb
gewonnenen Lebewesens, mit dem man viel Zeit geteilt und viel erlebt hat.
Unterlassen sollte man Ins- Lächerliche- Ziehen, unangemessene Ratschläge,
nutzlose Appelle und leere Redensarten. Sie wirken sich oft negativ auf den
Trauerprozess aus. Dahingegen ist es hilfreich mit der trauernden Person darüber zu
sprechen. Das Darüber- reden, Annerkennen und Durchleben der Gefühle trägt zur
Verarbeitung des Geschehens bei und unterstützt beim Durchschreiten der
Trauerphasen. Geduld, Anwesenheit und stumme Zuwendung helfen oft mehr als
Worte.
Auch wenn kein Lebewesen durch ein anderes ersetzbar ist, und der Trauerprozess
dadurch nicht beseitigt wird, ist es oft hilfreich einem anderen Tier wieder ein
Zuhause zu schenken. Man wird somit wieder gebraucht und kann Liebe geben und
empfangen.
Am Ende des Trauerprozesses steht dann die notwendige Rückkehr der trauernden
Person in ihren gewohnten Alltag.
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11.4.3 Trauerverhalten von Hunden
Bekannt ist aus den Medien auch das verzweifelte Such- und Trauerverhalten von
Hunden, wenn sie ihr „Herrchen“ oder „Frauchen“ verloren haben. Von Art und
Ausmaß erinnert diese Reaktion an eine schwere reaktive Depression. Die
Depression kann sich agitiert (unruhig, nervös, gespannt) äußern, wobei die Tiere
niemandem mehr gehorchen, oder sogar wild werden. Es kann aber auch zur
Apathie (Gefühllosigkeit, Teilnahmslosigkeit) kommen. In Einzelfällen kommt es zur
tödlichen Verweigerung von Nahrung. Auch lassen sich die Tiere nicht von anderen
Menschen trösten. Wenn der Hundebesitzer jetzt aber nicht stirbt, sondern länger
Abwesend ist, weiß der Hund zunächst nicht wie er sich Verhalten soll. Oft scheint er
dann sein „Herrchen“ oder „Frauchen“ nicht richtig wieder zu erkennen. Hier liegen
auch Parallelen zu Kindern, deren Mutter nach längerer Abwesenheit zurückkehrt.
Beim Hund handelt es sich um einen gefühlsmäßig an den Menschen besonders eng
gebundenen tierischen „Partner“.
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11.5 Tiere als Therapeutikum
Die besondere Bindung von Menschen zu Tieren lässt sich auch für die tiergestützte
Therapie nützen. Besonders in den letzten Jahren ist auf diese Möglichkeit immer
öfter zurückgegriffen worden. Die erstaunlichen Erfolge versprechen auch für die
Zukunft ein immer breiter werdendes Feld des Therapeutikum Tier, darum möchten
wir hier einige Therapien, ihre Ziele und Wirkungsweisen vorstellen.
11.5.1 Reittherapie
11.5.1.1
therapeutische Reiten
... ist die physiotherapeutische (krankengymnastische) Behandlung auf neurophysiologischer Basis mit und auf dem Pferd.
Die Therapie (meist Einzeltherapie) wird von einem Arzt verordnet und von
Physiotherapeuten mit Zusatzausbildung, unter Einsatz eines speziell ausgebildeten
Pferdes, durchgeführt. Bei dieser Art der Behandlung (die überwiegend in der
Gangart SCHRITT erfolgt) macht man sich folgende vom Pferd ausgehende
Bewegungen zu nutze:
- die dreidimensionalen
Schwingungen, die der
Pferderücken auf den Reiter
überträgt
- die Beschleunigungs- &
Bremskräfte (Bsp. beim Anreiten
& Anhalten des Pferdes)
- sowie die Zentrifugalkräfte (Bsp.
beim Reiten von Biegungen &
Seitwärtsgängen)
Zielgruppe sind Menschen mit unterschiedlichen neurologischen
Bewegungsstörungen z.B.
-
Ataxie (Gleichgewichts- & Koordinationsstörungen)
Spastik (zu hohe Muskelspannungen)
Dyskinesien (Störung der Bewegungsfähigkeit/ Motorik)
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Hier einige zutreffende Krankheitsbilder:
-
Multiple Sklerose
Skoliose (seitliche Wirbelsäulenkrümmung)
Bewegungsstörungen nach frühkindlicher Hirnschädigung
Schlaganfälle
Querschnittlähmung
11.5.1.2
Heilpädagogisches Reiten
Durch den Einsatz des Pferdes wird der Mensch im seelischen, körperlichen und
sozialen Bereich gleichermaßen angesprochen. Hierdurch entstehen Möglichkeiten
für Kinder, Jugendliche & Erwachsene...
- Entwicklungsverzögerungen
aktiv zu verbessern
- seelische Probleme
aufzuarbeiten
- Schulprobleme besser zu
meistern
- als Behinderter neue
Möglichkeiten zu entdecken
- Therapiemüdigkeit über das
Pferd aufzuheben
- Selbstvertrauen zu stärken &
Ängste zu überwinden
- Mit Einschränkungen durch
Krankheit oder Unfall leben zu
lernen
- und vieles mehr....
Zielgruppe sind Kinder, Jugendliche & Erwachsene mit:
- Verhaltensauffälligkeiten (Hyperaktivität, Ängsten, Aggressivität, Frustration...)
- Psychischer Erkrankung
- Lernbehinderung
- geistiger Behinderung
11.5.1.3
Reitsport für Behinderte
Hierbei steht der Sport im Vordergrund. Teilweise sind die Disziplinen in den
Paralympischen Spielen anzutreffen.
- 94 -
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11.5.2 Delphintherapie
Seit den 1980er Jahren ist die Delphintherapie bekannt. Dabei wurden die
Fähigkeiten dieses Tieres fast bis ins Mythische überhöht. Im Abendland hat das
Tradition bis in die Antike.
Ablauf Delphintherapie in Florida:
1. Zeigen des Delphins
2. Indirekter Kontakt am Beckenrand
3. Direkter Kontakt am Beckenrand
4. Direkter Kontakt im Wasser
An jede Delphintherapie ist auch eine Sozialpädagogische Betreuung gekoppelt.
Ziel ist kranke und behinderte
Menschen auf bestimmte Art
zu stimulieren. Besonders bei
hochgradig kommunikationsund kontaktgestörten Kindern
soll
die
Delphintherapie
hilfreich sein. Der Delphin soll
als „Eisbrecher“ dienen und
eine
Änderung
des
Sozialkontaktes bewirken.
Ziele sind u.a.:
- Der Umwelt gegenüber aufgeschlossener werden
- Knüpfung von sozialen Kontakten
- Konzentration und Aufmerksamkeit stärken
- ausgeglichener, kontaktfreudiger, selbstbewusster
- Benutzung sprachlicher Strukturen
- Erholsame Familienfreizeit für die Eltern
- Kritischen Reflexion ihres eigenen Erziehungsverhaltens
Die Kosten liegen für 3 Wochen bei ca. 20.000€
Bei all dem sollte man nicht vergessen dass es sich um domptierte Raubtiere
handelt, denen ihr Verhalten antrainiert wurde. Die nicht artgerechte Haltung führt bei
den Tieren oft zu aggressivem Verhalten, so werden Besucher von den Tieren
gebissen oder hart gerammt. Die Tiere suchen freiwillig keinen Kontakt zum
Menschen und wenn, dann ist dieser selten länger als fünf Sekunden. Ein heilsamer
Effekt ist anzuzweifeln.
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11.5.3 Dog – Water – Therapie
Die Dog- Water- Therapie (DWT)® ist eine Alternative zur Delphintherapie.
Vorteile:
- Vor Ort (Keine hohen
Reisekosten, langen Flug
anreisen, Temperatur- und
Zeitunterschiede)
- Langfristige Therapie
- engere Zusammenarbeit mit
den behandelnden Ärzten,
Pädagogen etc. und vor allem
eine langfristig integrierte
Teilnahme der Familie der
Patienten
- Von Wasser- kann im
Bedarfsfall auf Landtherapie
gewechselt werden
(bei Erkältung o.ä. bzw.
zum Kennen lernen)
- Zielgruppen & Ziele: siehe Delphintherapie
- Tiergerechtere Haltung ist möglich
11.5.4 Blindenführhunde
Im Metropolitan Museum in New York gibt es eine
chinesische Schriftrolle aus dem 13. Jahrhundert, die einen
Blinden zeigt, der von seinem Hund geführt wird.
Ein wichtiges Ziel ist sowohl die Unterstützung des blinden
Menschen im Alltag, als auch eine Befreiung aus der
sozialen Ausgrenzung.
Im Alltag bestehen die Aufgaben vor allem in der sicheren
Führung durch unwegsames oder fremdes Gelände, bzw.
dem Straßenverkehr.
Ein
positiver
Nebeneffekt
ist
eine
wachsende
Unabhängigkeit gegenüber anderen Personen, der Hund
dient außerdem als Kontaktmedium.
Die Kosten für einen Blindenführhund beginnen bei etwa 7.500€. Ein 4 wöchiges
Training mit dem Hund und dem neuen Besitzer ist nötig, da es sich um eine sehr
anspruchsvolle Ausbildung handelt. Die Ausbildung des Hundes dauert min 9
Monate mit 300 Trainingsstunden.
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11.5.5 Blindenführpferde
Diese Idee stammt aus den
USA (guide horses), wie die
meisten
tiergestützten
Therapien. Das Pferd ist für
die Aufgabe des Blindenführers (dadurch dass es die
Augen
sein
wichtigstes
Sinnesorgan sind) besser als
ein Hund geeignet (der sich
auf die Nase als wichtigsten
Sinn verlässt).
Ein großer Nachteil ist, dass
keine so intensive Bindung,
wie zu einem Hund entstehen
kann, denn das Pferd kann
nicht in der Wohnung des
Blinden leben.
So wird diese Alternative wohl
auch in Zukunft eine Ausnahme bleiben.
11.5.6 Signalhunde
Hunde für gehörlose Menschen
Taubheit führt oft zu einem Leben
voller Einsamkeit, Isolation und
Abgeschiedenheit.
Der Hund „übersetzt“ akkustiche Reize
der Umwelt für seinen Besitzer (z.B.
Babygeschrei,
Wecker,
Telefon,
Rauchmelder, Martinshorn).
Der Hund wird zum Kontaktmedium
mit der hörenden Welt. Es entsteht
eine Abhängigkeit zum Tier, die mit
einer besonders starken Bindung
einhergeht.
Das folgende Beispiel des tauben
Humphry
Brierley
soll
dies
verdeutlichen:
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„Im Jahre 1994 gab ich die Arbeit auf,
da die Kommunikation mit Menschen
immer schwieriger und schwieriger
geworden war, und verlor dadurch völlig
den letzten Rest an Selbstvertrauen.
Besonders
ängstigte
mich
die
Vorstellung, dass Menschen von hinten
auf mich zukamen oder dass mich völlig
unerwartet die Anwesenheit eines dritten
überraschte. So kam ich zu der
Schlussfolgerung, zu Hause zu bleiben
sei die bessere Wahl. Ich zog mich
immer mehr zurück, auf diese Weise
brauchte ich niemandem zu sagen, dass
ich taub bin. Den ganzen Tag saß ich in
einem Sessel, las oder schlief
abwechselnd. So konnte ich die Welt
ausschließen!...“
Humphry erzählt einige der Geschichten,
die er mit seinem Signalhund Ted seither
erlebt hat. Auch diese:
Seminar: Bindungen
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“...Ted zeigt auch seine eigene Art von
Humor. Wenn der Wecker läutet, weckt
er mich auf, indem er auf mich springt.
An Tagen, an denen ich die Uhr nicht
einstelle- beispielsweise an Wochenenden und in den Ferien- wacht der gute
alte Ted zur gleichen Zeit auf- fast auf
die Minute. Dann trampelt Ted wild auf
mir herum als wollte er sagen: Du
dummer alter Narr, Du hast vergessen,
den Wecker zu stellen!
...Es gibt viele Geschichten über mein
Leben mit Ted- er ist ein so wunderbarer
Hund! Er ist ein Lebensgefährte, der gar
nicht hoch genug eingeschätzt werden
kann, in erster Linie, weil ich im
Ruhestand bin, meine Frau aber noch
viele Stunden als Krankenschwester
arbeitet, weshalb ich sehr häufig alleine
bin. Und in dieser Zeit brauche ich in
meiner stillen Welt Ted ganz besonders.
Er sagt mir alles, was ringsum vor sich
geht. Er ist mein bester Freund!“
11.5.7 Behindertenbegleithunde
Der Service-Hund ist nicht nur
Helfer, sondern auch Begleiter
und Freund des Behinderten. Er
leistet ihm Gesellschaft und
steigert das Selbstbewusstsein
und
das
Selbstwertgefühl.
Durch die Hilfe des Hundes
wird
der
Behinderte
unabhängiger von Dritten. Und
ganz
nebenbei
baut
ein
Service-Hund
Barrieren
zwischen
Behinderten
und
Nichtbehinderten
ab
und
verstärkt damit den sozialen
Kontakt.
Aufgaben:
- Holen und Bringen von heruntergefallenen oder schwer erreichbaren
Gegenständen (z.B. Kugelschreiber, Geld)
- Holen und Bringen von Gebrauchsgegenständen (z.B. Brille, Handy, Geldbörse)
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Licht an- und ausschalten
Öffnen und Schließen von Türen
Öffnen und Schließen von Schubladen
Packtaschen tragen
beim Ausziehen von Kleidung helfen
beim Aufstehen oder Umsetzen stützen
Hilfe holen
und vieles mehr...
Info: Ausserdem gibt
es
EpilepsieEmotionsund
Diabeteshunde, die
ihren Menschen vor
Gefahren (Anfällen,
erhöhtem Blutzucker
etc) warnen.
11.5.8 Therapietiere
Als Therapietiere werden nicht nur Hunde und Katzen, sondern eine Vielzahl an
Tierarten eingesetzt. So z.B. Hühner, Ziegen, Kühe, Schweine, Kaninchen und viele
andere. Gerade diese Art der tiergestützten Therapie musste gegen einen hohen
Widerstand
und
Vorurteile
ankämpfen.
Bedenken
hinsichtlich
von
Gesundheitsproblemen durch den Besuch von Hunden auf Krankenhausstationen
oder die Genehmigung eines so engen Kontaktes zu Kindern durch Hunde.
11.5.8.1 Krankenhäusern
Früher war die Angst vor mangelnder
Hygiene einer der Gründe die dieses
Projekt scheitern lies. Der Einsatz
überall da, wo man mit normaler
Straßenkleidung auch hin darf, ist mit
keinen
hygienischen
Risiken
verbunden. Besonders der Einsatz
bei Komapatienten und deren
eigenen Tieren ist sehr Erfolgreich.
- 99 -
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11.5.8.2 Sonderschulen
Die Hunde verbessern den sozialen
Zusammenhalt der Klasse, die
sozialen Kontakte der Schüler
nehmen zu. Studien belegen, dass
sich die Aufmerksamkeit der Lehrerin
(Herrin des Hundes) zu richtet.
Lautes, auffälliges und aggressives
Verhalten
wird
gedämpft.
Unbeteiligte Schüler werden aus
ihrer Isolation gelockt und nehmen
vermehrt am Klassengeschehen teil.
11.5.8.3 Kindergärten
Kommen Kinder früh mit Tieren in
Kontakt zeigen sich unter anderem
positive Veränderungen in der
- sozio-emotionale Entwicklung
- kognitive Entwicklung
- positive Selbstbewertung
- Entwicklung von Empathie
- Ausgeglichenheit
und vieles mehr....
11.5.8.4 Behindertenheimen
Hunde akzeptieren Menschen mit
Handicaps
völlig
unvoreingenommen, sie geben vorbehaltlos
Zuneigung
und
Zärtlichkeit,
umgekehrt nehmen sie auch keine
Rücksicht auf die Behinderung oder
Launen. Es entwickelt sich eine
normale Beziehung, die „durchaus
menschliche
Züge
annimmt“
(Greiffenhagen 1991).
- 100 -
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11.5.8.5 Psychiatrischen Kliniken
Der Hund fordert den Menschen, gibt dem Alltag Struktur
und schafft so psychische Stabilität.
Diese Faktoren können die Ursachen
von
Depressionen
vermildern.
11.5.8.6 Häusern für Aidskranke
Tiere machen keinen Unterschied
zwischen krank und gesund und
nehmen den Menschen so, wie er ist.
Das ist vor allem für schwer kranke
Menschen eine positive Erfahrung.
11.5.8.7 Gefängnissen
In vielen Gefängnissen findet ein
Resozialisierungsprogramm statt, bei
dem 3-4 Insassen Paten eines
Hundes werden, ihn versorgen und
erziehen müssen. Diese Hunde
werden später oft zu Behindertenbegleithunden ausgebildet.
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11.5.8.8 Altersheimen
Ältere Menschen, die Heimtiere
besitzen, haben:
- ein Gefühl von „gebraucht
werden“
- fühlen sich nicht so allein
- weniger Depressionen
- weniger eingebildete
Krankheiten
„Im Tier lacht uns noch die
paradiesische Ahnungslosigkeit an.
Einfach nur sein. Ohne Bewusstsein
der eigenen Endlichkeit. Eine betagte
Katze, die nicht mehr aus dem Stand
aufs Schuppendach hochfedern kann,
sieht keine Sanduhr vor dem inneren
Auge rieseln. Sie ist zeitlos, weil sie die
Zeit los ist.
Die reine Leere beglückt. Denn wenn schon
der Tod in der Welt ist, wie schön wäre es da,
das nicht wissen zu müssen. (...) Die
Sehnsucht, die uns beim Anblick von Tieren
anweht, deuten Psychologen als ein
unbewusstes Sich-Erinnern an unseren
kreatürlichen Erbteil: an die Zeit, als wir selbst
noch uneingeschränkt Natur waren.“
11.5.9 Schluss
Abschließend möchten wir bemerken, dass die tiergestützte Therapie sicherlich eine
gute Alternative zu herkömmlichen Therapien darstellt, diese aber nicht ersetzt.
Allerdings liegt es in der Verantwortung der Fachleute, dass die Tiere artgerecht
gehalten und nicht überfordert werden, wie beispielsweise durch viele
Therapiestunden bei Pferden oder Delphinen.
Auch auf sinnvolle Fütterung, Pflege usw. ist zu achten. Keinesfalls dürfen Klienten
und Tiere sich selbst überlassen werden. In diesem Fall würden wir tiergestützte
Therapie ablehnen.
Werden jedoch gewisse Regeln eingehalten kann das Tier als Therapeutikum
sicherlich sinnvoll eingesetzt werden.
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11.6 Skurriles
11.6.1 Tattoos
Hier sind ein paar Beispiele die zeigen, dass viele
Menschen eine so enge Bindung zu ihren Haustieren
haben, dass sie sich für immer an sie erinnern möchten und
sie deshalb ein Tattoo von ihnen machen lassen.
11.6.2 Hund im Bett
Andere lassen ihren Hund sogar in ihren Betten schlafen.
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11.6.3 Haustiere klonen
Hier haben wir mal einen Text eingefügt den wir so im Internet gefunden haben.
Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht…
Möchten Sie eventuell ihr Haustier klonen?
Ein Leben ohne Fiffi und Mieze ist für viele Menschen unvorstellbar. Doch was
tun, wenn der geliebte Vierbeiner das Zeitliche segnet? Die US-Firma "Genetic,
Savings and Clone" (GSC) hat die Lösung parat: Sie bietet das Klonen von
Haustieren an.
"Wir verschaffen Ihnen ein Wiedersehen mit Ihrem toten Liebling!" So wirbt GSC
das sich als führendes Unternehmen für das Klonen von Haustieren bezeichnet.
Funktionieren soll das Ganze, indem dem Vierbeiner direkt nach dessen Ableben
Gewebeproben aus Maul und Magen entnommen werden. Aus ihnen werde
gemäß GSC die DNS isoliert. Das Erbgut werde dann in eine entkernte Eizelle
übertragen und einer Leihmutter eingepflanzt.
Seit vor zwei Jahren in der Produktionsfirma die ersten geklonte Katze, genannt
"Copy Cat", das Licht der Welt erblickte, reißen laut GSC die Anfragen nach
geklonten Tieren nicht ab.
Derzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, auch Hunde zu klonen, was ihnen
bislang allerdings noch nicht gelungen ist. Die "Produktion" von geklonten Katzen
soll hingegen schon im nächsten Jahr starten.
Doch Herrchen und Frauchen sollten sich genau überlegen, ob sie tatsächlich
eine identische Kopie ihres geliebten Vierbeiners haben möchten. Denn wirklich
billig ist das Klonen nicht: Ein Katzen-Klon kostet umgerechnet 41.000 Euro.
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11.6.4 Prominente und ihre Haustiere
Oft sind es Hunde, die von ihren Besitzern gestylt werden. Dann werden die Haare
gefärbt oder Strähnchen eingeflechtet. Sie werden geschoren, oder müssen
Kleidchen tragen. Bei Prominenten sieht man das oft. Kelly Osborn hat ihrem Hund
die Haare Pink gefärbt, Paris Hilton kleidet ihren Hund Tinkerbell und Moshammer
und die Jakobsisters haben/hatten auch immer ihren Hund dabei.
11.6.5 Haustiere in Kostümen
Manche Menschen haben es sich zur Aufgabe gemacht Kostüme für Tiere
herzustellen und andere wollen ihre Haustiere, meisten Hunde, mit diesen Kostümen
Individuell gestalten.
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11.6.6 Haustiere nach dem Tod
11.6.6.1
Tiere beim Präparator
Manche Haustierbesitzer lassen sich ihre Tiere nach deren Tod ausstopfen, oder
besser präparieren. Präparatoren raten jedoch davon ab Haustiere ausstopfen zu
lassen, weil sich der individuelle Ausdruck des lebenden Tieres kaum mit einem
Präparat nachbilden lässt. Trotzdem zählen Haustiere zu den häufigsten Aufträgen
der freien Präparatoren - und zwar in dieser Reihenfolge: Vögel, Meerschweine,
Hunde. Katzen kommen seltener zum Präparator.
Hier sieht man zwei sehr lebendig wirkende
Katzenpräparate.
11.6.6.2
Tiere und Gräber
Manche Haustierbesitzer lassen sich ihre Tiere nach deren Tod ausstopfen, oder
besser präparieren. Präparatoren raten jedoch davon ab Haustiere ausstopfen zu
lassen, weil sich der individuelle Ausdruck des lebenden Tieres kaum mit einem
Präparat nachbilden lässt. Trotzdem zählen Haustiere zu den häufigsten Aufträgen
der freien Präparatoren - und zwar in dieser Reihenfolge: Vögel, Meerschweine,
Hunde. Katzen kommen seltener zum Präparator.
Hier sieht man zwei sehr lebendig wirkende
Katzenpräparate.
11.6.7 Hunde, Besitzer und ihre optische Ähnlichkeit
Hier sind einige extreme Beispiele, die zeigen,
wie ähnlich mancher Hund seinem Besitzer
sieht. Im Laufe unserer Recherchen mussten wir
feststellen, dass dies häufiger vorkommt als man
glaubt.
„Haltet beim nächsten Parkspaziergang einfach
mal die Augen auf!“ ;-)
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11.7 Literatur
11.7.1 Zu Bindung an Haustiere Allgemein
http://www.uni-wuerzburg.de/sopaed1/breitenbach/delfin/bauer/text.htm#beziehung
http://www.naturundheilen.de/downpdf/mensch.pdf
http://www.regenbogenreich.de/trauerprozess.shtml
http://www.br-online.de/umwelt-gesundheit/sprechstunde/200309/st20030929.shtml
http://www.chrismon.de/ctexte/2004/9/tierliebe-dossier.html
http://www.animalprotection.de/haustiere1.hunde.htm
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/tiere.html
11.7.2 Zu Tiere als Therapeutikum
„Hunde helfen Menschen“ Alison Hornsby, Kynos Verlag
„Menschen brauchen Tiere“ Olbrich/ Otterstedt, Kosmos Verlag
„DELPHINE Unsere Liebe zu ihnen ist ihr Verhängnis“ PM, Ausgabe Mai 2005
www.tiergestüzte-therapie.de
http://forum.assistenzhundedeutschland.org
11.8 Referenten
•
•
Aline Sternberg
Inga Lehmann
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12 Bindung zwischen Studierenden / Fachhochschule (FH)
12.1 Bindungsbeschreibungen: welche Beziehungen entstehen zwischen
Studierenden, FH und Mitkommilitonen
Fachhochschule:
 Bibliothek
 Internetzugang
 Bücher zum ausleihen
 Zeitschriften
 Fachschaft
 Skripte
 Chillen
 Soziale Kontakte
 Mensa
 Essen
 Raum zum lernen oder Referate vorzubereiten
 Soziale Kontakte
 Medienbüro
 Medienutensilien
 Hilfe bei technischen Fragen oder Angelegenheiten
 Vorlesungsräume / Seminarräume
 Vorlesungen
 Seminare
 Prüfungsräume
 Professoren
 Informationsquelle
 Hilfe bei auftretenden Fragen
Mitkommilitonen
 Lerngruppen
 Referatteam
 Soziale Kontakte
 Informationsquelle
12.2 Beziehungen zwischen Studierenden und Studierenden
Studienkollegen spielen beim studieren eine große Rolle. Durch den sozialen
Kontakt zu anderen Studienkollegen erleichtert man sich das Studium erheblich.
Doch woran liegt das eigentlich?
Ein Mensch braucht soziale Kontakte um ein glückliches Leben zu führen. Dies
ändert sich auch dann nicht wenn ein Mensch studieren geht. Hier sollte sich der
Student also auch um soziale Kontakte bzw. „Freunde“ kümmern um sich das Leben
an der Uni zu erleichtern. Wer Freunde beim studieren hat, hat wesentliche Vorteile.
Zum einen hat er Menschen mit denen er sich hier und da mal über seine Probleme,
Erfahrungen und alltägliche Situationen austauschen kann, und zum anderen hat er
jemanden mit dem er Lerngruppen, ein Referatteam oder ähnliches bilden kann.
Lerngruppen steigern die Lernqualität um ein vielfaches mehr als wenn man alleine
versuchen würde sich den Lernstoff in den Kopf zu hämmern. Außerdem ist es
schöner wenn man ein Referat mit drei oder vier Personen machen kann als alleine,
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denn durch die Vielfalt der Gruppemitglieder erhöhen sich die Ideen und die daraus
resultierende Leistung und man lern die Kommilitonen auch in anderen Situationen
besser kennen. Ein weiterer Vorteil ist es, wenn man mal krank sein sollte und keine
Möglichkeit sieht in die Uni zu kommen, kann man einen Mitkommilitonen bitten,
Skripte, Protokolle, Schaubilder oder ähnliches, in sofern sie verteilt wurden,
mitzubringen und sie dem kranken Kollegen zu bringen oder sie für ihn
aufzubewahren.
Auch kann man sich mit Mitkommilitonen in der Freizeit beschäftigen wenn man
Langeweile hat und Sachen zu unternehmen wie z.B. ein gemeinsamer
Kneipenrundgang oder ein gemeinsames Sportprogramm, und dabei die
herrschende Beziehung pflegen.
Freunde an der Uni fördern den Spaß am studieren und dem Unileben und läst dies
nicht so dröge und leer erscheinen.
Allerdings fordert dies auch ein paar Regeln. Man muss seinen Mitmenschen
Vertrauen entgegenbringen und dies der Anderen nicht missbrauchen. Sobald ein
Vertrauensbruch besteht, fällt es den betroffenen Parteien sehr schwer sich wieder
aufeinander einzulassen und eine neue „Beziehung“ aufzubauen. Dies bringt eine
weitere Regel mit sich. Um das Vertrauen fördern zu können muss ein
ausgeglichenes „geben“ und „nehmen“ zwischen den Betroffenen bestehen. Das
bedeutet dass jeder der Personen sich bemühen muss etwas für den anderen zu tun,
und nicht nur einer von Beiden derjenige ist der dem Anderen ständig ein Gefallen
tut. Denn irgendwann würde derjenige der immer etwas gibt „ausgepowert“ und
sauer auf den anderen sein und das einseitige „Verhältnis“ nicht mehr tragen
können.
Auch müssen beide Parteien mal zurückstecken können, wenn sie merken dass ihr
Verhalten falsch oder destruktiv ist, um dem Gegenüber zu zeigen das man ihm
durchaus Vertrauen zu seiner Person, Handlungsweise oder Meinung
entgegenbringt.
Schlusssatz:
Knüpft soziale Kontakte auch an der Uni und pflegt diese so, das sie beiden Parteien
etwas bringen und daraus eine Freundschaft entstehen kann.
12.3 Beziehungen zwischen Studierenden und der Mensa
Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass die Mensa nicht nur ein Ort ist, an
dem man etwas zu Essen bekommt.
Vielmehr ist die Mensa ein Ort, an dem man sich trifft, Kontakte knüpft, lernt oder
einfach nur mal abschaltet, wenn man mal wieder genug hat von der Lernerei und
den Vorlesungen.
In meinen ersten zwei Monaten an unserer Fachhochschule habe ich die Mensa
auch so kennen gelernt.
Es gibt zahlreiche Internetseiten, die von den Mensen unterschiedlicher Universitäten
und Fachhochschulen in ganz Deutschland und auch außerhalb Deutschlands
berichten.
Nicht nur über deren Speisepläne, sondern auch über zahlreiche Veranstaltungen,
die in den Mensaräumlichkeiten angeboten werden.
Die meisten Autoren, die über ihre Mensa auf den jeweiligen Seiten geschrieben
haben, sehen diese als sehr wichtige Einrichtung an ihrer Fachhochschule oder
Universität an.
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Sie sehen ihre Mensa nicht nur als ein Restaurant an, sondern vielmehr als einen
Ort, der ihnen neben dem guten und vor allem sehr günstigen Essen auch noch
etwas mehr gibt. Nämlich die Möglichkeit sich in angenehmer Umgebung zu
entspannen.
Außerdem ist die Mensa ein guter Ort, um sich zu treffen. Schließlich läuft man sich
auf den meist eher großen Geländen der Hochschulen eher selten bewusst über den
Weg.
„Ein leerer Bauch studiert nicht gern!“
Das Essen, das in den Mensen zubereitet wird ist im Preisleistungsverhältnis
unschlagbar. Da kann keine Firmenkantine mithalten.
Das ist natürlich der ausschlaggebende Punkt, warum die Mensen so stark besucht
sind.
Ein weiterer Punkt, der mir auffiel ist der, dass das Personal in den Mensen
überwiegend als sehr freundlich und zuvorkommend bezeichnet wird.
So schreib z.B. eine Studentin aus Bochum, dass sie angenehm überrascht war, als
sie die Frau an der Kasse darauf aufmerksam machte, dass zu ihrem Gericht noch
eine Kartoffelbeilage und ein Salat gehöre, die sie sich ruhig noch nehmen könnte.
Bei meinem ersten Besuch in unserer Mensa ist mir genau das gleiche passiert. Ich
stand an der Kasse und die nette Frau an der Selbigen gab mir den Tipp, dass zu
meinem Essen doch noch Beilagen gehören.
Besonders beeindruckt hat mich dabei, dass hinter mir eine endlos zu sein
scheinende Schlange war und die Frau sich trotzdem die Zeit nahm, mir das System
zu erklären.
Es mag viele Leute geben, die dies als Selbstverständlichkeit ansehen. Ich für
meinen Teil habe es in ähnlichen Situationen in anderen Einrichtungen aber auch
schon anders erlebt.
Wer von uns hat sich noch nicht über gestresstes Personal aufgeregt, das einem
dann wegen der Hektik nur unzureichende oder gar keine Informationen gegeben
hat.
Es gibt bestimmt auch Einige die schlechte Erfahrungen mit dem Essen und vielleicht
sogar mit dem Personal gemacht haben. Ich würde, wenn es denn so ist, behaupten,
dass das nur Ausnahmen waren und am nächsten Tag das Essen besser war oder
das Personal eben freundlicher.
Das Angebot, welches die Mensen zu bieten haben, ist sehr vielfältig. Es gibt
vegetarische Gerichte, eine große Auswahl an Salat, Desserts, verschiedene
Beilagen zu warmen Speisen usw., für jeden ist also etwas dabei.
Wenn man dann das passende Gericht gefunden hat, setzt man sich an einen der
zahlreichen Tische. Diese sind so angelegt sind, dass man bestens mit den Leuten
am Nachbartisch kommunizieren kann.
Auf diese Art und Weise wurden in der Mensa mit Sicherheit schon viele neue
Bekanntschaften geknüpft, die einigen Male bestimmt auch zu Freundschaften
wurden.
So sind also in der Mensa schon viele neue Bindungen entstanden.
Somit ist die Mensa nicht nur ein Ort an dem für das leibliche Wohl gesorgt wird,
sondern auch ein Ort an dem soziale Kontakte geschöpft und gepflegt werden
können.
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Da die Mensa diese Eigenschaften verbindet ist sie von großem Nutzen für den
Studierenden.
Zwischen dem Studierendem und seiner Mensa besteht also eine große Bindung.
Darum möchte ich euch einen schönen Spruch, den ich zu diesem Thema gefunden
habe, mit auf den Weg geben:
„Eat and meet“
12.4 Beziehungen zwischen Studierenden und der Bibliothek
Um während seines Studiums auf Dauer auch nur irgendwas erreichen zu können,
ist es für den Studierenden immens wichtig, das er lernt. Zu jeder für ihn
anstehenden Situation, wie zum Beispiel Hausarbeiten, Referate oder ähnliches, sich
der passenden Literatur oder der richtigen Medien zu bedienen. Schließlich ist es
auch keine Schande wenn man Dinge nicht weiß, viel eher wenn man nicht weiß, wo
man sie nachschlagen kann. Im laufe seiner Studenten Laufbahn begegnet dem
Studenten eine Vielzahl von Hausarbeiten und anderen schriftlichen Arbeiten, die
alle eine gewisse Recherche erfordern. Viele Quellen können heutzutage im oft
gelobten Internet erschlossen werden, wodurch viele Studenten heutzutage oftmals
nicht einmal mehr das Haus verlassen müssen um an das nötige Fachwissen zu
kommen. Allerdings ist das auch oftmals nur theoretisch so unkompliziert per Maus
klick zu erledigen, da es auch sehr viele Wissensquellen gibt die man so in der Form
entweder gar nicht oder nur mühselig und über Umwege über das Internet bekommt.
Hier kommt die Bibliothek aufs Spielfeld und kann mit ihren stärken glänzen. In einer
gut sortierten Bibliothek gibt es in etwa nichts wozu man nicht irgendwas finden
könnte, vorausgesetzt man weiß wie man danach suchen muss, oder wen man
danach fragen kann. Die Bücher sind normalerweise gut und nach Fachgebiet und
Themen sortiert. Wenn man aber dann doch mal den Überblick verliert, Stichwort,
den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, kann man jederzeit das Bibliotheken
Personal zu rate ziehen das einem dann in der Regel auch weiterhelfen kann und
wird. Und für den Fall das man dann doch mal wieder Quellen braucht die einem die
Bibliothek nicht in gebundener Form liefern kann, stehen in den meisten Bibliotheken
heutzutage auch Internet Rechner zur Verfügung über die man seine nötige
Recherche abwickeln kann, was besonders nützlich für jene Studenten ist, die
zuhause keinen Computer oder keine Internet Verbindung haben. Allerdings besitzt
die Bibliothek auch eine dunkle Schattenseite, die wie eine Spinne im Netz auf ihre
Beute lauert: Die oft unterschätzten Rückgabe Termine. Denn es gibt wohl nichts
was man als Student während des Studentenalltags so leicht aus den Augen verliert,
oder auch verdrängt wie irgendwelche Termine oder Fristen. Und so kann es
passieren das so manches Studenten Portmonee eine ganz eigene Bindung zur
Bibliothek aufbaut.
12.5 Beziehungen zwischen Studierenden und dem Medienbüro
Im Medienbüro kann der Student das notwendige technische Equipment ausleihen,
das er während seines Studiums braucht. Sowohl Kameras, Mikrofone,
Videorekorder als auch Fernsehgeräte können dort genutzt und auch geliehen
werden, wenn man zum Beispiel für ein bestimmtes Projekt einen Film oder ein
Hörspiel produzieren möchte. Das nötige Wissen zur Funktion der Geräte bekommt
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man vom Personal erklärt und man bekommt auch jederzeit zu allen aufkommenden
Fragen geholfen. Einrichtungen wie das Medienbüro fördern allgemein das immer
wichtiger werdende Medien bezogene arbeiten, das heutzutage in fast allen
Bereichen der Gesellschaft in irgendeiner Form auftaucht, und hat somit eine sehr
wichtige und nicht zu unterschätzende Funktion.
12.6 Beziehungen zwischen Studierenden und Professoren
Die wohl offensichtlichste Bindung zwischen Studenten und Prof’s ist in den
Vorlesungen zu sehen. Hierbei ist allerdings zu bemerken, dass in diesem Fall es
meist ein Prof mit einem Haufen von Studenten zu tun hat. Die Bindung ist somit
eher gering und beruht mehr auf der Seite des Studenten, da er dem Prof zuhört,
während dieser meistens einen Vortrag hält und somit zu allen und nicht nur zu
einem Studenten eine Bindung aufbaut.
Dann gibt es natürlich noch die Situation, in der der Student nach der Vorlesung zum
Prof geht und ihn etwas über das Thema fragt. Hier ist die Bindung schon etwas
individueller, wenn auch sehr kurzzeitig, da einer von beiden, meist der Prof nicht viel
Zeit hat.
Der Student kann natürlich auch das Angebot der Sprechstunden nutzen, die von
nicht allen, aber vielen Prof’s angeboten werden. Die Termine oder die
Telefonnummern zwecks Terminabsprache gibt es in jedem Vorlesungsverzeichnis.
Einige Prof’s kann man auch in der Mensa abfangen und mit ihnen ein Dinner
einnehmen. Dabei kann man dann die Bindung stärken und seine evtl. Anliegen
vortragen.
Allgemein kann man sagen, dass eine gute Bindung zum Prof die Motivation seitens
der Studierenden erhöht, da sie den Prof auch als Mensch kennen und so über evtl.
trockene Vorträge hinwegsehen können.
Auch kann man sagen, dass die Bindungen meistens unzureichend sind was aus der
Umfrage ergeht, welche wir für diesen Vortrag inszeniert haben.
Nun noch ein paar Witze die Studierende und Prof’s betreffen:
1: Ein Student, der im Examen durchgefallen war, telegrafierte an seinen Bruder:
"Nicht bestanden. Bereite Vater vor." Der Bruder telegrafierte zurück: "Vater
vorbereitet. Bereite Dich vor."
2: Prof kämpft mit dem Mikro und der Rückkopplung. Da sagt er: "Was ist den das für
ein Pfeifen?"
Student in der ersten Reihe gedankenverloren: "Das ist die Rückkopplung vom
Herzschrittmacher..."
3: Am Anfang der Klausur sagt der Professor: "Sie haben genau 2 Stunden Zeit.
Danach werde ich keine weiteren Arbeiten mehr annehmen." Nach 2 Stunden ruft
der Professor: "Schluss, meine Damen und Herren!" Trotzdem kritzelt ein Student
wie wild weiter... Eine halbe Stunde später, der Professor hat die eingesammelten
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Arbeiten vor sich liegen, will auch der letzte sein Heft noch abgeben, aber der
Professor lehnt ab. Bläst sich der Student auf: "Herr Professor... Wissen sie
eigentlich wen sie vor sich haben?" "Nein..." meint der Prof. "Großartig" sagt der
Student, und schiebt seine Arbeit mitten in den Stapel...
4: Q: Was ist der Unterschied zwischen einer Hausfrau und einem Studenten?
A: Die Hausfrau spült nach dem Essen...
12.7 Beziehungen zwischen Studierenden und der Fachschaft
Die Fachschaft ist die studentische Vertretung an der Fachhochschule d.h. sie
fungiert als Bindeglied zwischen der Hochschule und den Studierenden.
Das Tätigkeitsfeld der Fachschaft umfasst sehr viele Bereiche wie z.B.
-
Hilfestellung bei allen Fragen rund um das Studium
Vermittlung und Beratung bei Problemen mit DozentInnen oder ProfessorInnen
Hilfe bei der Studienplangestaltung
Bereitstellung und Verkauf von Skripten, Hausarbeiten und Mitschriften
Öffentlichkeitsarbeit
Interessenvertretung in der Hochschulpolitik
Mitarbeit in den verschiedenen Gremien der Hochschule
Des weiteren organisiert die Fachschaft diverse Veranstaltungen wie z.B. die
Studienfahrt der Erstsemester, öffentliche Partys, Diskussionen, Vorbereitung und
Aufruf zu Demonstrationen etc. Zur Zeit ist eines der Hauptthemen die eventuelle
Einführung von Studiengebühren. Hier recherchiert die Fachschaft und gibt alle
Informationen an die Studierenden weiter.
Wenn man aber einfach auch nur mit jemandem reden möchte oder Kaffee trinken
möchte ist man in der Fachschaft jederzeit herzlich willkommen. Die Mitarbeiter der
Fachschaft haben immer ein offenes Ohr für alle Probleme.
Eine aktive Mitarbeit der Studierenden in der Fachschaft ist erwünscht, damit die
Arbeit erfolgreich ist.
Zu den öffentlichen Fachschaftssitzungen, die alle 2 Wochen stattfinden, sind alle
Studierenden herzlich eingeladen.
Durch die vielfältigen Aufgaben der Fachschaft ist die Bindung von Studierenden an
die Fachschaft sehr groß. Bei allen Problemen kann man die Fachschaft aufsuchen
und man wird die richtige Unterstützung finden.
Vor allem für die Erstsemester ist die Fachschaft immer eine wichtige Anlaufstelle,
denn hier bekommt man Unterstützung und man fühlt sich nicht mehr hilflos sondern
bekommt den Rücken gestärkt.
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12.8 Befragung von Studenten
Im Anhang ist noch eine Auswertung eines eigens erstellten Fragebogen, den wir an
Studenten der Fachhochschule Köln ausgeteilt und ausfüllen lassen haben.
Pro Studiengang wurden 40 Studenten befragt.
Die Studenten konnten bei Frage 1. eine oder alle gegeben Möglichkeiten
anzukreuzen und ab Frage 2. nur noch zwei Kreuze setzen.
1. Welche Bindungen sind im ersten Monat deines Studiums entstanden?
BWL / VW
Design
Sp / Sa
Gesamt
Mitkommilitonen
Höheres
Semester
Prof‘s außerhalb
der Vorlesungen
Interne
Einrichtungen
40
40
40
120
15
18
19
52
14
8
6
28
6
20
28
54
Sp / Sa
Gesamt
2. Wie war dein Gefühl nach der ersten Zeit?
BWL / VW
Design
Heimisch
4
6
5
15
Dazugehörend
Unsicher/Unwoh
l
Alleine
Komme nur zum
lernen
23
28
31
82
9
4
7
20
5
2
2
9
3
1
-
4
3. Wie sieht die Situation ab dem 3.Semester aus, bzw. wie erhoffst du es dir?
BWL / VW
Design
Sp / Sa
Gesamt
Unverändert/
Wie am
10
7
9
26
Anfang
Intensiver
18
18
24
60
Kontakt
Routiniert
32
29
30
91
Erhoffe
schnelles
8
5
7
20
Ende
Alleine
-
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4. Was wünscht du dir von den neuen Bindungen für die Zeit nach dem
Studium?
BWL / VW
Design
Sp / Sa
Gesamt
Gefestigte
7
16
20
43
Freundschaften
Wie es kommt,
25
22
25
72
so kommt‘s
Lege keinen
Wert auf enge
8
5
13
Freundschaften
12.9 Referenten
•
•
•
•
•
Sarah Koulatedj
Fabian Opalecky
Patric Ott
Martin Wertenbroch
Dominic Schatz
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13 Professionelle Hilfe bei Partnerbeziehungen
13.1 Was sind typische Probleme und woher kommen sie?
-
Fremdgehen eines Partners
Stress (Kinder, Beruf, Freizeit, Freunde, Familie)
Gewalt seitens des Partners/der Partnerin
Verlieben in einen neuen Partner
Enttäuschte Erwartungen, z.B. Kinderwunsch
Emotionale Distanzierung; Streit und Konflikte bestimmen den Alltag
Mangel an Liebe, Respekt, Leidenschaft
Alkohol- und Drogenprobleme des Partners
Unbefriedigte Sexualität
Veränderung der Lebensverhältnisse, z.B. Geburt eines Kindes
13.2 Welche Formen therapeutischer Hilfe gibt es?
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten der professionellen Hilfe bei
Partnerproblemen.
Wir haben uns auf drei verschiedenen Therapieformen konzentriert:
Der Eheberatung/ Ehetherapie, der systemischen Familientherapie und der
Mediation.
13.2.1 Eheberatung; Ehetherapie
Man sollte nicht zu spät zu einer Eheberatung gehen, da immer wiederkehrende
Probleme sich schon stark festgesetzt haben und es schwer ist diese zu lösen.
13.2.1.1
Ausgang
Störung im Beziehungssystem, in dem Miteinander umgehen
13.2.1.2
Voraussetzung
− Interesse an der Erhaltung der Beziehung beider Partner
− Anwesenheit beider Partner ist von großer Wichtigkeit, da so die Beziehung
besser zu beurteilen und zu behandeln
− Keine Rolle spielt es, ob dabei nur ein Partner erkrankt ist („Symptomträger“
ist), da die Auffassung herrscht, dass beide Partner in einem gemeinsamen,
ihnen meist nicht bewussten Zusammenspiel die Symptomatik unterhalten
13.2.1.3
Ablauf
− Vorgespräch (ca. 80 Min)
- Man lernt Berater und dessen Arbeitsweise kennen
- Es wird am Ende entschieden, ob Beratung fortgesetzt wird o. nicht
− weitere Beratungstermine (50 min; 80 min)
- Paartherapeut moderiert das Gespräch zwischen beiden Partnern
- Berater/in ist unparteiisch
- Berater/in achtet darauf, dass Situation nicht eskaliert
- 116 -
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- Paartherapeut Motiviert das Paar über Bedürfnisse, Wünsche,
Partnerschaftsprobleme und Enttäuschung, Hoffnung und Liebe zu
Sprechen
- wichtig ist es, dass sich das Paar frei äußern kann durch die Begleitung
erhält das Paar neue Sicherheit miteinander
- die Schuld an der Störung der Beziehung wird nicht einem Partner
zugeschrieben, Sündenböcke gibt es nicht, da es immer um ein
gemeinsames Problem geht
13.2.1.4
Ziel
− Kommunikation zwischen den Partnern (Sorgen und Ängste von der Seele
reden)
− Wieder lernen sich gegenseitig zuzuhören
− Verständnis für einander aufbringen
− Neue Lösungsmöglichkeiten/ -vorschläge finden
− Auf ein bestimmtes Verhalten des Partners nicht mit einer sofortigen
− Sorgen und Ängste von der Seele reden
− Eigene Energie wieder finden
− Wieder Spaß miteinander haben
− Ein Glückliches Paar werden
13.2.1.5
Dauer
− ist unterschiedlich, kann man nicht eindeutig sagen
− die Länge richtet sich nach der Schwere der Beziehungsprobleme und den
Zielen
− manchmal reicht auch eine kurze Paartherapie zur Orientierung
− manchmal braucht der Prozess in der Paartherapie 1 Monat oder länger
− Paar entscheidet letztlich selbst
13.2.1.6
Abstände
− meist 14-tägiger Rhythmus
− anfangs bei akuter Krise: 1x die Woche
− Ende: meist größere Abstände (alle 3-4 Wochen)
13.2.1.7
Kosten
− Vorgespräch: 65 Euro
− weitere Bratungstermine:
50 Min.: 85 Euro
80 Min.: 130 Euro
13.2.1.8
Beratung:
Therapie:
Unterschiede: Eheberatung, Ehetherapie
Behandlung aktueller Probleme (Fremdgehen, Eifersucht,
Trennungsangst…)
Behandlung schwerwiegender Problem (können auch in Beratung
sichtbar geworden sein
- 117 -
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13.2.1.9
Methoden
Leiten sich u.a. ab von:
− systemischer Familientherapie
− Tiefenpsychologie
− Verhaltenstherapie
− Gestalttherapie
13.2.2 Systemische Familientherapie
Die Familie ist die Beziehung oder auch Bindung, in dem zwischenmenschliche
Beziehungen von allen Beteiligten am intensivsten erlebt werden. Deswegen
entstehen in der Familie auch am häufigsten Probleme und Schwierigkeiten. Sie
wirken im familiären Milieu intensiver als in andern weniger verflochtenen sozialen
Systemen.
Die systemische Therapie ist ein relativ junges Therapieverfahren und wird
zunehmend als Weiterentwicklung familientherapeutischer Ideen betrachtet. Schon
Sigmund Freud erkannte, dass die Familie einen wesentlichen Unterstützungsfaktor
darstellt. Die Therapie entwickelte sich aus der Arbeit mit schizophrenen Patienten.
Man sah, dass es Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und dem
Kommunikationsstil der Familie gab. Demnach entstehen psychische Auffälligkeiten
nicht für sich allein, sondern hängen mit dem persönlichen Umfeld desjenigen
zusammen und weisen eine bestimmte Bedeutung auf. Schizophrenie wurde damals
somit als Kommunikationsstörung gesehen.
Die Familientherapie lässt die Probleme der einzelnen Person an sich fast
unberücksichtigt. Sie ist demnach nicht am Individuum orientiert. Die Therapie
beschäftigt sich mit der Familie und betrachtet diese als System, das aus
Information und Kommunikation besteht. Typisch für jede Gruppenbildung sind
Regeln, die auch in der systemischen Therapie im Hauptaugenmerk stehen. Diese
Spielregeln beschreiben und begrenzen die einzelnen Verhaltensweisen der
Gruppen- bzw. Systemmitglieder. Taucht in einer Familie ein schwerwiegendes
Problem auf, wird dies so erklärt, dass ein System entstanden ist, welches dieses
Problem als Symptom aufrecht erhält. Das bedeutet die Familie als System ist auf
eine bestimmte Symptomatik zugeschnitten. Sie hat Spielregeln entwickelt, die dazu
dienen, dass das System sich nicht verändert. Es wird also nicht das Problem eines
Familienmitgliedes isoliert betrachtet, sondern das Verhalten aller Familienmitglieder
wird miteinbezogen. Auch wird das Symptom nicht als Störung betrachtet, sondern
als Bewältigungsversuche des Einzelnen für die Probleme, die ihn belasten.
Beispiele:
Wird ein Familienmitglied magersüchtig, wird es nicht als kranker Patient
gesehen, sondern als Symptomträger beispielsweise für
Kommunikationsschwierigkeiten im Netz der Spielregeln der ganzen Familie.
Wird ein Kind aggressiv, kann das dafür stehen, dass in der Familie Konflikte
nicht offen angesprochen werden.
13.2.2.1
Allgemeines Vorgehen
Leitsatz: „ Handle stets so, dass du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst.“
- 118 -
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1) Kundenorientierung: Vorab finden erste Gespräche statt über die Anliegen,
Ziele und Wünsche der einzelnen Familienmitglieder. Es bedarf einer sorgfältigen
Aufklärung mit folgenden Grundfragen: Wer will was? Von wem? Wie viel? Ab wann?
Bis wann? Wozu? Gegen wen?
2) Hypothesenbildung: es werden eine Vielzahl von Hypothesen gebildet um eine
möglichst große Vielfalt von Perspektiven und Möglichkeiten zu erhalten.
3) Zirkularität: Zirkuläres Handeln steht ihm Gegensatz zu linearem Betrachten. So
wird das Verhalten eingebunden in einen Kreislaufprozess gesehen.
Wenn man Familie als ein System ansieht, muss man das System in Verbindung
eines Kreisprozessen sehen, der seine eigenen Gesetzmäßigkeiten aufwirft. Ein
bestimmtes Verhalten, erzeugt ein anderes Verhalten, was sich wiederum auf das
vorherige Verhalten auswirkt.
Beispiel hierfür:
- das Kind will nicht ins Bett gehen und quengelt
- die Eltern werden ärgerlich und schimpfen
- das Kind wird trotzig und schreit
- die Eltern antworten mit größerem Ärger und Zwangsmaßnahmen
- das Kind steigert sich in heftigen Protest hinein
usw. ……
4) Neutralität: Das bezeichnet die Fähigkeit des Therapeuten für alle Mitglieder des
Systems gleichermaßen Partei ergreifen zu können.
5) Ressourcen-, Lösungsorientierung: Das System verfügt in der systemischen
Therapie bereits über alle Ressourcen, die zur Lösung seiner Probleme benötigt
werden. Dem System ist nur die Fähigkeit abhanden gekommen sie zu nutzen. Der
Konstrukt von Lösungen liegt also im Vordergrund.
In der Therapie wird den Familienmitgliedern nicht geholfen ihre Probleme zu
verstehen oder gar zu interpretieren, sondern es geht darum diese speziellen
Spielregeln zu erfassen, die das Symptom aufrecht erhalten. Wie bei einem Mobile
bewirkt eine Veränderung des Ganzen auch eine Veränderung des Einzelnen und
umgekehrt.
13.2.2.2
Ziele
Ziel ist es dabei das gefestigte System bzw. die festgefahrenen Strukturen
aufzubrechen, das System aus dem Gleichgewicht zu bringen und es somit zu
verändern. Das bedeutet mit Hilfe des Therapeut/ der Therapeutin soll das Geflecht
der Beziehungen Stück für Stück entwirrt werden. Dazu sollen die Regeln die
bestehen, durch Regeln ausgetauscht werden, die das Zusammenleben für die
Familie erträglicher machen. Das Schwergewicht liegt hierbei auf der
Kommunikationsebene.
Zielmöglichkeiten:
- neue Sichtweisen entwickeln
- Lösungen angstfrei ausprobieren
- Lebensphasen bewältigen
- lustvolle Zweisamkeit erleben
- sich in der Familie/Arbeitswelt wieder wohl fühlen
- wieder Lebendigkeit spüren
- Kräfte und Fähigkeiten wieder voll ausschöpfen können
- 119 -
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13.2.2.3
Dauer und Kosten
Die Dauer der Therapie beträgt in der Regel zwischen 5-12 Sitzungen, die sich aber
über Monate oder sogar Jahre hinziehen können, wobei eine Sitzung 60- 90 Minuten
dauert. Dabei soll in den Sitzungen selber lediglich ein Impuls oder eine Information
an die Mitglieder des Systems gegeben werden, die zu Veränderungsprozessen
führen können. Die Sitzungen können nicht angesehen werden, als sofortige
Hilfsmaßnahme. Der eigentliche Veränderungsprozess geschieht zwischen den
einzelnen Sitzungen, weswegen oftmals soviel Zeit zwischen einzelnen
Therapiesitzungen liegt (3-4 Wochenabstände). Es muss dem System Zeit und
Gelegenheit zur Veränderung gegeben werden, da sich die Spielregeln auch
innerhalb eines langen Zeitraumes gefestigt haben und nur durch langsames
Vorgehen aufgebrochen werden können. Die Kosten sind unterschiedlich. Es gibt
Therapien von 30 Euro, 60 Euro, aber auch 100 Euro pro Sitzung, was auch mit der
Anzahl der vorhanden Therapeuten einhergeht. Allerdings werden die Kosten bis
jetzt nicht von inländischen Krankenkasse übernommen, sondern müssen privat
abgerechnet werden.
Grundsätzlich können an der Therapie alle teilnehmen, die in das System involviert
sind und zur Veränderung beitragen können. So können die Teilnehmerzahlen
durchaus variieren. Es können Sitzungen nur mit Eltern, nur mit den Kindern oder
mit der ganzen Familie stattfinden.
13.2.2.4
Methoden
1) Die besonderen Fragetechniken sind ein Kennzeichen von Familientherapie,
so zum Beispiel die zirkulären Fragen:
„Was glauben sie denkt und fühlt ihre Tochter, wenn sie mit ihrem Mann
streiten?“
„Was tut ihr Mann, wenn ihr Sohn das tut, was sie depressiv nennen und wie
wird ihr Sohn dann darauf reagieren?“
Zirkuläre Fragen dienen nicht nur zur Information für den Therapeuten,
sondern zeigen auch wie unterschiedlich bestimmte Lebens- und
Erlebnissituationen in der Familie erfahren werden. So können gewohnte
Sichtweisen und Verhaltensweisen aus dem Gleichgewicht gebracht werden.
2) Familienskulptur: Eine sehr erlebnisintensive Methode. Dabei wird durch die
Mitglieder selber versucht, die Situation in einer Familie durch eine Art
Denkmal oder Statur darzustellen. Bei dem Erstellen kann auf
unterschiedliche Modalitäten geachtet werden.
- Durch den räumlichen Abstand wird dargestellt, wie nah oder distanziert sich
die Familienmitglieder fühlen.
- Durch die Größe kann dargestellt werden, wer sich in der Familie oben oder
unten fühlt, wer wie viel Macht hat und wer am wenigsten Einfluss besitzt.
- Gestik und Mimik kann Emotionen und Gedanken gut darstellen und
aufzeigen
- 120 -
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3) Mailänder Modell : Das Mailänder Modell besteht darin, dass zwei
Therapeuten mit der Familie arbeiten, während zwei weitere den Prozess
durch einen Einwegspiegel beobachten, sozusagen als reflektierendes Team.
Zwischen den beiden Teilteams besteht während der Sitzung Kontakt, so dass
man sich gegenseitig Ratschläge und Tipps geben kann. Gegen Ende der
Sitzung bespricht sich das ganze Team in einem Nebenraum und gibt
geschlossen eine Definition der Situation oder eine Aufgabe an die Familie
weiter. Man hat dieses Modell später so abgewandelt, dass es der Familie
durch Mikrofone ermöglicht ist, die Diskussionen des Teams mitzuhören um
eine Erniedrigung der Familie zu umgehen. Außerdem ging man nun davon
aus, dass die systemische Therapiesitzung sich selber als systemisch zu
begreifen hat und der Therapeut in das System involviert ist. Er beeinflusst
und verändert das System. Die Therapie wird nun weniger verstanden
bewusst auf Menschen einzuwirken und sie zielgerichtet in eine Richtung zu
verändern, sondern vielmehr wird ein Rahmen definiert, in dem
Veränderungen möglich werden.
13.2.2.5
Systemische Familientherapie hilft, wenn …
- in der Familie kaum noch gemeinsame Gespräche stattfinden oder
Kommunikationsprobleme herrschen
- Paare sich auseinander gelebt haben und kaum noch Gemeinsamkeiten
gepflegt werden
- geringste Meinungsverschiedenheiten zu massiven Konflikten führen
- permanente Verletzungen und gegenseitige Abwertungen stattfinden
- ein Familienmitglied Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Störungen
zeigt
- es häufig Spannungen, Streit, Beschuldigungen und gegenseitige Vorwürfe
gibt
- äußere Veränderungen (Krankheit, körperliche Beschwerden,
Arbeitsplatzprobleme, Arbeitslosigkeit, Umzug) die Familie belasten
- Lösungen auf Dauer gesucht werden
- Geburt, Pubertät, Ablösung oder Auszug eines Kindes sich als Problem
herausstellt
- ein Familienmitglied gestorben ist
- Resignation in der Partnerschaft empfunden wird
- Trennung oder Scheidung bevorsteht
Das Ende einer Therapie ist dann geschehen, wenn die Teilnehmer mit dem
Therapeuten der Meinung sind das beklagte Problem sei entweder hinreichend
gelöst bzw. gebessert oder aber man habe die Hoffnung aufgegeben es mittels der
Beratung zu lösen.
13.2.3 Mediation
13.2.3.1
Was ist Mediation?
- ein Verfahren der Konfliktlösung
- in den 60er und 70er in den USA entwickelt
- wörtliche Übersetzung ist „Vermittlung“, gemeint ist die Vermittlung in
Streitfällen durch einen unparteiische akzeptierte Dritte
- Ziel ist es eine einvernehmliche Lösung der Konfliktparteien zu finden, eine
Vereinbarung, die alle Konfliktparteien unterzeichnen und umsetzen
- 121 -
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Dabei ist nicht der Mediator der „Schiedsrichter“, sondern es liegt an den
Konfliktparteien selbst, eine optimale entsprechende Problemlösung zu
erarbeiten
selbst bei „Konflikt-Sackgassen kann eine Mediation erfolgreich sein
13.2.3.2
Merkmale der Mediation
- Einbeziehen aller Konfliktparteien
- Außergerichtliche Ebene
- Die Freiwilligkeit der Teilnahme
- Selbstbestimmung bezüglich der Konfliktlösung (die Entscheidungsbefugnis
wird nicht an Dritte abgegeben)
- Verhandlungsergebnis ist erst bindend, wenn alle Beteiligten zugestimmt
haben
13.2.3.3
Welche Anwendungsbereiche gibt es?
- Konflikte im persönlichen und politischen Bereich (hier besonders in
Umweltkonflikten zwischen Bürgerinitiativen) oder in Gruppen
- Regelung von Ehekonflikten und Scheidungen
- Nachbarstreitigkeiten, Mietkonflikten
- Schwierigen Verhältnissen bei Patch-work-Familien
- Zwischen verschiedenen Generationen (z.B. Schwiegersohn und
Schwiegermutter, Eltern und Kinder)
- Zwischen Eltern und Adoptivkindern
- Beim Erben und Vererben
- Familien mit verschiedenen Kulturen
- In Wohngemeinschaften
- Schulen und Jugendeinrichtungen
- Konflikten am Arbeitsplatz
- Im juristischen Bereich gibt es Modellversuche (Hier werden Täter und Opfer
zu Gesprächen zusammengeführt, um den Straftätern eine Einsicht in das von
ihnen begangene Unrecht zu vermitteln und ihnen statt einer Gefängnisstrafe
eine Entschädigungsleistung für das Opfer aufzuerlegen)
13.2.3.4
Rolle des Mediators
- muss von allen Konfliktparteien akzeptiert werden
- Mediator darf kein eigenes Interesse an einem bestimmten Konfliktausgang
haben
- Ist neutral und unparteiisch, darf kein Schiedsspruch oder Urteil sprechen
- Mediator bewertet oder urteilet nicht, nehmen alle Standpunkte ernst
- Mediator ist eine Hilfestellung für die Beteiligten, um ihre Gefühle und
Interessen klar zu werden und verständlich zu auszudrücken
- Mediator ist für den Gang des Gesprächs verantwortlich (die
Kontrahenten/innen für den Inhalt)
- Mediator ist eine Hilfestellung für eine einvernehmliche Problemlösung der
Streitenden, eine Lösung wird nicht von dem Mediator vorgegeben, sondern
von den Konfliktparteien erarbeitet (Mediator kann aber eigene Ideen als eine
von vielen Möglichkeiten vorschlagen)
- Mediator achtet darauf, dass keine sinnlosen oder unrealisierbaren
Vereinbarungen getroffen werden
- Mediator sorgt dafür, dass Machtungleichgewichte ausgeglichen werden bzw.
in dem Verfahren keinen Ausdruck bekommen
- 122 -
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Mediatoren können das Gespräch von sich aus abbrechen, wenn keine
verantwortbare Lösung gefunden wird.
Mediationen können auch durch mehrere Mediatoren durchgeführt werden.
Dies ist sinnvoll, wenn es sich um einen komplexen Konflikt mit mehr als zwei
Konfliktparteien handelt.
Mediatoren sollen nicht als Zeuge oder Gutachter in einem eventuellen
Rechtsstreit auftreten
13.2.3.5
Grundlegende Methoden
- muss von allen Konfliktparteien akzeptiert werden
- Mediator darf kein eigenes Interesse an einem bestimmten Konfliktausgang
haben
- Ist neutral und unparteiisch, darf kein Schiedsspruch oder Urteil sprechen
- Mediator bewertet oder urteilet nicht, nehmen alle Standpunkte ernst
- Mediator ist eine Hilfestellung für die Beteiligten, um ihre Gefühle und
Interessen klar zu werden und verständlich zu auszudrücken
- Mediator ist für den Gang des Gesprächs verantwortlich (die
Kontrahenten/innen für den Inhalt)
- Mediator ist eine Hilfestellung für eine einvernehmliche Problemlösung der
Streitenden, eine Lösung wird nicht von dem Mediator vorgegeben, sondern
von den Konfliktparteien erarbeitet (Mediator kann aber eigene Ideen als eine
von vielen Möglichkeiten vorschlagen)
- Mediator achtet darauf, dass keine sinnlosen oder unrealisierbaren
Vereinbarungen getroffen werden
- Mediator sorgt dafür, dass Machtungleichgewichte ausgeglichen werden bzw.
in dem Verfahren keinen Ausdruck bekommen
- Mediatoren können das Gespräch von sich aus abbrechen, wenn keine
verantwortbare Lösung gefunden wird.
- Mediationen können auch durch mehrere Mediatoren durchgeführt werden.
Dies ist sinnvoll, wenn es sich um einen komplexen Konflikt mit mehr als zwei
Konfliktparteien handelt.
- Mediatoren sollen nicht als Zeuge oder Gutachter in einem eventuellen
Rechtsstreit auftreten
13.2.3.6
Aktives Zuhören
Bedeutet:
- Zuhören mit dem Ziel, die Sicht der anderen Person zu verstehen.
- Verstehen heißt nicht, die Sichtweise der anderen Person zu übernehmen.
- Ziel dabei ist es, dass, wenn sich ein Mensch ganz aussprechen darf und
verstanden fühlt, er auch eher bereit ist, anderen anzuhören und Verständnis
für sie aufzubringen.
- Um zu überprüfen, ob man den oder die andere richtig verstanden hat, gibt
man von Zeit zu Zeit in eigenen Worten wieder; was man gehört hat und fragt
nach, ob es richtig zusammengefasst wurde (Spiegeln/ Paraphrasieren).
- Auf diese Weise kann man der erzählenden Person deutlich machen, dass ihr
tatsächlich zugehört wird.
- An entscheidenden Stellen werden auch die Kontrahent/innen aufgefordert,
sich gegenseitig zu spiegeln. Sie werden dadurch veranlasst, genau
zuzuhören und das Wesentliche des Gesagten zu erfassen.
- 123 -
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13.2.3.7
Ich – Botschaften
Die Kontrahent/innen werden angeleitet, von ihren eigenen Erfahrungen und
Gefühlen zu reden und sich nicht hinter Allgemeinplätzen zu verstecken oder in
Beleidigungen und Beschuldigungen der Gegenseite auszuweichen. Dabei sollen sie
klar benennen. um was es konkret geht (ging) und was für Gefühle das bei ihnen
auslöst (ausgelöst hat).
13.2.3.8
Einzelgespräche
In schwierigen Situationen können die Mediator/innen Einzelgespräche mit den
Konfliktparteien einschieben. Dort können die aufgetauchten Probleme ohne den
Druck, dass die "Gegenseite" mithört, geklärt werden. Auch können die
Kontrahent/innen auf diesem Weg den Mediator/innen Vorschläge mitteilen, die sie
vor der Gegenseite nicht offen aussprechen wollen.
13.2.3.9
Brainstorming
Kreative Ideensammlung, bei der alle Vorschläge unzensiert aufgelistet werden und
die brauchbarsten zur Weiterarbeit verwendet werden.
13.2.3.10
Die wichtigsten Schritte des Mediationsverfahrens
13.2.3.10.1 Vorphase
- am besten ist es, wenn die Konfliktparteien gemeinsam den Wunsch nach
einer Mediation äußern und entsprechende Schritte einleiten.
- Meist ergreift eine der Konfliktparteien die Initiative.
- Die Mediator/innen nehmen dann den Kontakt zu den übrigen
Konfliktbeteiligten auf und versuchen, sie zu einer Teilnahme am
Mediationsgespräch zu bewegen.
- Es ist auch möglich, daß die Initiative von Dritten ausgeht oder von den
MediatorInnen selbst. Diese sprechen dann alle beteiligten Konfliktparteien an
und schlagen den Versuch eines Mediationsgespräches vor.
- Voraussetzung für eine erfolgversprechende Mediation ist die Bereitschaft
aller Beteiligten, aktiv an dem Gespräch teilzunehmen und nach einer
einvernehmlichen Problemlösung zu suchen.
13.2.3.10.2 Das Mediationsgespräch
13.2.3.10.2.1 Einleitung
- Gespräch wird in einer wohltuenden, offenen und vertrauensfördernden
Atmosphäre durchgeführt, dabei sollte die Sitzordnung eine gleichwertige
Kommunikation untereinander ermöglichen und die einleitenden Worte ein
Klima des Angenommenseins und des Vertrauens schaffen. Die
Gesprächsteilnehmer/innen werden (noch einmal) über den Ablauf und die
Rolle der Mediator/innen und die Grundregeln informiert.
Unverzichtbare Grundregeln sind:
•
•
Ausreden lassen!
Keine Beleidigungen oder Handgreiflichkeiten!
- 124 -
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•
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Die Mediator/innen haben die Verantwortung für den Gang des Gesprächs
und greifen ein, wenn es erforderlich ist.
Weitere Regeln können gemeinsam vereinbart werden
-
offene Fragen werden geklärt
alle Beteiligten werden nach ihrer Bereitschaft gefragt, sich auf die Regeln und
das Verfahren einzulassen.
13.2.3.10.2.2 Sichtweise der einzelnen Konfliktparteien
- Jede Seite hat die Gelegenheit, den Konflikt aus ihrer Sicht zu erzählen. Sie
erhalten dafür soviel Zeit, wie sie nötig.
- Mediator/innen hören aktiv zu, stellen gegebenenfalls Fragen und fassen, das
Gehörte zusammen.
- Die anderen Kontrahentinnen hören in diesem Stadium nur zu und müssen
ihre Erwiderungen auf den Zeitpunkt verschieben an dem sie selbst mit dem
Erzählen an der Reihe sind. Sie können sich jedoch Notizen machen, um ihre
Einwände in Erinnerung zu behalten.
13.2.3.10.2.3 Konflikterhellung
Verborgene Gefühle, Interessen, Hintergründe
-
Herausarbeitung (soweit das noch nicht in der vorangegangenen Phase
geschehen ist) die mit dem Konflikt verbundenen Gefühle sowie die
Interessen und Wünsche
Alles was als Hintergrund zum offenen Streit von Bedeutung ist, soll zur
Sprache kommen. Die Mediator/innen sind bei der Erhellung des Konfliktes
behilflich, indem sie geeignete Fragen stellen und Hilfstechniken einsetzen.
Die Kommunikationsrichtung wird zunehmend auf den Kontakt der
Kontrahent/innen untereinander verlagert.
Kernsätze zum Verständnis einer Konfliktpartei sollen in eigenen Worten von
den Kontrahentinnen zusammengefasst werden (Spiegeln). BEISPIEL ??Die
Mediator/innen leiten sie dazu an und geben Hilfestellungen.
13.2.3.10.2.4 Problemlösung
Sammeln und Entwickeln von Lösungsmöglichkeiten
-
Wenn durch die vorangegangene Phase ein gegenseitiges Verstehen
ermöglicht wurde, können die Streitenden nun gemeinsam überlegen, wie sie
ihre Meinungsverschiedenheiten beilegen wollen.
Aus dem "Konflikt" wurde ein "Problem", für dessen Lösung alle
Kontrahent/innen
Mit geeigneten Methoden (z.B. Brainstorming) werden kreative Ideen
gesammelt und die interessantesten zu Lösungsvorschlägen ausgearbeitet.
13.2.3.10.2.5 Übereinkunft
- Die Konfliktparteien einigen sich auf die Lösungsvorschläge, die ihnen am
meisten zusagen.
- Sie regeln alle Fragen, die mit der Überprüfung und eventuell erforderlichen
Überarbeitung der Vereinbarung Zu tun haben. Gas Ganze wird schriftlich
festgehalten und von den Beteiligten unterschrieben.
- 125 -
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13.2.3.10.2.6 Umsetzungsphase
- Nach einer gewissen Zeit nehmen die Mediator/innen und die
Konfliktbeteiligten noch einmal Kontakt zueinander auf, um zu klären, ob die
Übereinkunft tatsächlich die Probleme gelöst hat.
- Falls nötig, müssen Korrekturen angebracht werden oder es muss ganz neu
verhandelt werden.
13.2.3.11
Wann ist Mediation sinnvoll?
Mediation ist sinnvoll, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
Der Konflikt kann nicht oder nur schlecht in direkten Gesprächen bzw.
Verhandlungen gelöst werden.
- Die Konfliktaustragung befindet sich in einer Sackgasse.
- Die Streitenden haben ein Interesse an guten zukünftigen Beziehungen
zueinander.
- Eine einvernehmliche Konfliktlösung wird von allen Beteiligten angestrebt.
- Die wichtigsten Konfliktparteien, wenn nicht alle, sind vertreten.
- Es gibt keine gravierenden Machtunterschiede. Falls doch, müssen entweder
die Schwächeren ihre eigene Machtposition verbessern (z.B. durch das
Entwickeln von guten Alternativen zum Verhandeln, das Suchen von
Verbündeten oder durch gewaltfreien Widerstand), oder die Stärkeren müssen
bereit sein, im Rahmen der Mediation auf ihre Machtposition zu verzichten.
- Es bleibt genügend Zeit, um eine einvernehmliche Konfliktlosung zu
erarbeiten.
Die Kontrahent/innen verfügen über ein Mindestmaß an Ausdrucksvermögen und
Selbstbehauptungsfähigkeit. Sie haben keine ausgeprägte psychische Krankheit
oder Behinderung, keine starke Sucht und werden nicht missbraucht oder gewaltsam
unterdrückt.
-
13.3 Aufgaben des Sozialpädagogen
Sozialpädagogen/innen arbeiten in Beratungsstelle, meist gibt es
Frauenberatungsstellen.
Die Beratungsstellen bieten auf der einen Seite rechtliche Informationsangebote über
die Trennung oder Scheidung eines Paares sowie deren Ablauf.
Auf der anderen Seite sind die Beratungsstellen die erste Anlaufstelle für eine
Konfliktbesprechung. Hier finden Kriseninterventionen statt (ca. 5 Sitzungen), um
eine Situation zu klären. Zentrale Ziele sind hierbei die Klärung für den Klienten
selbst, seine Fragestellung „Stimmt meine Wahrnehmung?“, Sicht in die
Vogelperspektive entwickeln. Der „Spielraum“ des Klienten soll größer werden, die
Möglichkeiten in der Krise sollen sich durch die neutrale geschulte Fachkraft
erweitern.
Dabei ist es wichtig, dass es sich um keine Langzeittherapie handelt und um keine
Persönlichkeitsveränderung. Wenn die Probleme tiefgründiger sind, verweist der
Sozialpädagoge/die Sozialpädagogin an weitere therapeutische Instanzen.
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13.4 Referenten
•
•
•
•
•
•
Katrin Eschbach
Anila Kadiri
Claudia Klein
Judith Kricke
Anna Robbel
Jessica von der Höh
- 127 -
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