Antwort auf die Fragen von Ortwin Runde, MdB, an die

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Antwort auf die Fragen von Ortwin Runde, MdB, an die
Kommission von Bundestag und Bundesrat
zur Modernisierung
der bundesstaatlichen Ordnung
Kommissionsdrucksache
0073-f
Professor Dr. Dr. h.c. Hans Meyer
Antwort auf die Fragen von Ortwin Runde, MdB,
an die Sachverständigen der Kommission von Bundestag und
Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung
zum Themenkomplex "Mischfinanzierungen"
Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Meyer
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Berlin, den 18. September 2004
Antwort auf
„Ergänzende Fragen zum Themenkomplex „Mischfinanzierungen“
von Ortwin Runde MdB
(Kommissionsdrucksache 0073)
Zur Frage 1:
Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 86, 266, 267) hatte im
Kern die alte Bundesrepublik im Auge. Die nachfolgende Entscheidung aus dem Jahre 1999
(BVerfGE 101, 158, 235) hat klargestellt, das der entsprechende § 11 Abs. 6 FAG nur zu
halten ist, weil die Haushaltsnotlagen-Bundesergänzungszuweisungen Ende 2004 auslaufen.
Schon die zitierte BVerfGE 86, 148, 261 hatte diese nur als „(vorübergehende) Hilfe zur
Selbsthilfe“ akzeptiert.
Zugleich hat BVerfGE 86, 148, 266 jedoch verlangt, dass auch „der Einsatz mittel- und
längerfristig wirksamer Maßnahmen zur Verstärkung der Wirtschaftskraft“ angezeigt ist. Nur
in diesem Zusammenhang ist auch der Einsatz der Gemeinschaftsaufgaben oder der Finanzhilfen nach Art. 104a GG sinnvoll. Freilich dürfte bei Art. 91a GG nur das Instrument der
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und bei Ländern mit größerem Agraranteil
das Instrument der Verbesserung der Agrarstruktur in Frage kommen. Die Möglichkeit, über
eine Standortentscheidung nach Art. 91b GG viel zu bewirken, dürfte höchst gering sein,
zumal solche Standortentscheidungen primär an forschungspolitischen Gründen auszurichten
sind. Dagegen lässt Art. 104a Abs. 4 GG dem Bund einen größeren Spielraum.
Der Hinweis des Kollegen Homburg (Komm.Drucks. 0073 a) auf den relativ geringen finanziellen Umfang, den die Gemeinschaftsaufgaben noch haben, wird durch die Möglichkeit der
Konzentration relativiert, die jedenfalls bei der einen oder anderen Gemeinschaftsaufgabe
möglich wäre. BVerfGE 86, 148, 267 sub (2)) sieht jedenfalls für die Investitionshilfen nach
Art. 104a Abs. 4 GG vor, dass der Bund nicht durch das an sich geltende „föderative Gleichbehandlungsgebot“ gehindert ist, die Hilfen wegen der Haushaltsnotlage zu konzentrieren.
Einer Übertragung z. B. auf die „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ oder der
„Agrarstruktur“ stünde in meinen Augen nichts im Wege.
Die Fragestellung geht von einem absoluten Verzicht des Bundes auf alle Mischfinanzierungstatbestände aus. Das schlösse Art. 104a Abs. 4 GG ein.
Mit den Kollegen Scharpf (Komm.Drucks. 0073-b und früher Komm.Drucks. 0029 S.
1-6) und Scholz (AU 0039 S. 7) halte ich an meiner Auffassung (Komm.Drucks. 20
und 25) fest, dass die begrüßenswerte Auflösung der Gemeinschaftsaufgaben nach
Art. 91 a GG durch einen offeneren Art. 104a Abs. 4 GG aufgefangen werden müsste.
Ein solch radikaler Verzicht würde die tatsächlichen – längerfristig wirkenden – finanziellen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes bei Haushaltsnotlagen reduzieren.
Ob deswegen „die Länder stärker bei Haushaltsnotlagen in die Pflicht genommen werden
müssten“, wenn man der Rechtsprechung folgt, ist die Frage des Abgeordneten.
„Die Länder“ kann mehreres bedeuten:
Einmal die Gesamtheit der Länder im Verhältnis zum Bund. Das ist möglicherweise nicht
gemeint, hat im Kontext aber seine Brisanz. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich
nicht in erster Linie die Mitfinanzierungsmöglichkeiten des Bundes für die Überwindung
von Haushaltsnotlagen im Auge. Es hat es vielmehr für „zuförderst nötig und besonders
dringlich“ gehalten, „Bund und Länder gemeinsam treffende Verpflichtungen und Verfahrensregeln festzulegen, die der Entstehung einer Haushaltsnotlage entgegenwirken und
zum Abbau einer eingetretenen Haushaltsnotlage beizutragen geeignet sind“, und zur
Klarstellung angeschlossen: „ Normative Vorkehrungen hiergegen – etwa im Rahmen des
Haushaltsgrundsätzegesetzes – sind daher durch Art. 109 Abs. 2 GG nicht nur nahegelegt,
sondern geboten“ (BVerfGE 86, 148, 266 sub b aa). Das sind ebenso starke wie in der
Praxis weder vom Bund noch von den Ländern beachtete Worte. Die Ländergesamtheit
wäre wegen des Zustimmungsrechtes zu einem solchen Gesetzes über den Bundesrat in
der Pflicht.
Zum zweiten könnten „die Länder“ in der Frage die Ländergesamtheit mit Ausnahme der
Länder in Haushaltsnot meinen und ihnen damit eine Hilfeverpflichtung gegenüber diesen
Ländern gemeinsam mit dem Bund auferlegen. Eben das verlangt die zitierte Entscheidung. Sie betont das bündische Einstehen, sieht als vorrangiges Handlungssubjekt zwar
den Bund an und von der Beistandspflicht auch „das Verfahren des Bundesgesetzgebers
und damit die an ihm beteiligten Organe des Bundes“ ergriffen, schließt aber mit der Feststellung: „Die finanziellen Lasten, die sich aus der Wahrnehmung dieser Pflicht (nämlich
des Bundes) ergeben, haben sowohl der Bund als auch die Länder zu tragen“(BVerfGE
86, 148, 264/265 sub a und aa).
Zum dritten könnten mit „die Länder“ in der Frage alle jene gemeint sein, die in einer
Haushaltsnotlage sind oder in Gefahr stehen, in eine solche zu geraten. Auch hier hat die
zitierte Entscheidung hinreichende Fingerzeige gegeben: ein Notfall „erfordert Anstrengungen und Einschränkungen auf allen Seiten“ (BVerfGE 86, 148, 270), also auch auf
Seiten des notleidenden Landes. Und kurz vorher stellt das Gericht auch ein Mittel vor:
„Die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (kann) daran gebunden werden,
dass sich das betreffende Land zur Aufstellung und Durchführung eines Sanierungsprogramms verpflichtet“ (BVerfGE 86, 148, 269 sub c aa).
Auch ohne Aufgabe der Mischfinanzierung kann der Bund alle die vom Gericht dargelegten Instrumente der Einbeziehung der Länder in die Beseitigung der Notlage benutzen.
Ihre Aufgabe ist aber, zumal bei „gleichzeitiger umfangreicher ‚Kompensation‘“, ein starkes verfassungspolitisches Argument, die Instrumente überhaupt oder verstärkt zu nutzen.
Zu den Problemen einer Kompensation verweise ich auf meine Äußerungen in der AU
0073 in Entgegnung auf die Vorschläge des Kollegen Kirchhof (AU 0056).
Zur Frage 2 schließe ich mich den Ausführungen des Kollegen Scharpf an (Komm.Drucks. 0073-b).