Kap.22 Chronische Pankreatitis

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Kap.22 Chronische Pankreatitis
GASTROENTEROLOGIE
CHRONISCHE PANKREATITIS
Definition: Eine irreversible morphologische Veränderung des Pankreasparenchyms
mit Funktionseinschränkung.
Klinik: Hauptsymptome der chronischen Pankreatitis (CP) sind Bauchschmerzen,
Maldigestion mit Steatorrhoe und, im Spätstadium, Diabetes mellitus.
Diagnostik: Goldstandard zur Diagnose ist die Histologie, die aber wegen der Lage
des Pankreas praktisch nie zur Verfügung steht. Die Diagnose beruht also auf Klinik
und Bildgebung. Als weitere Verfahren stehen genetische Tests und Funktionstests
zur Verfügung. Funktionstests eignen sich zur Diagnose einer Pankreasinsuffizienz,
deren häufigste Ursache im Erwachsenenalter die CP darstellt. Sie sind aber zur
Diagnose CP nicht nötig. Genetische Tests werden an Bedeutung zunehmen,
weniger für die Diagnose als für die ätiologische Abklärung der nicht durch Alkohol
induzierten Pankreatitiden.
Bei chronischer Pankreatitis ist das Risiko für ein Pankreaskarzinom erhöht.
Aufgrund der veränderten Morphologie des Pankreas mit Parenchymatrophie,
Verkalkungen, entzündlichen Schwellungen, Pseudozysten und Fibrose ist es aber
sehr schwierig, ein Pankreaskarzinom auszuschließen bzw zu beweisen. Es gibt
daher keine Empfehlung zur Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von
Pankreaskarzinomen bei chronischer Pankreatitis. Eine routinemäßige CA 19-9 –
Bestimmung ist nicht indiziert.
Im Augenblick ist die Dünnschicht-CT die beste Untersuchung zur Diagnose und DD
der chronischen Pankreatitis. Eine diagnostische ERCP ist nicht nötig. MRI/MRCP
sind gleichwertig aber weniger verfügbar. Durch eine Kombination mit SekretinStimulation können auch funktionelle Daten erhoben werden. Der Stellenwert der
Endosonographie ist nicht eindeutig geklärt. Im Zweifelsfall sollte eine EUS jedoch
durchgeführt werden.
Die abdominelle Sonographie dagegen ist bei unklaren abdominellen Schmerzen,
speziell bei Ikterus, ein nützliches initiales Verfahren.
Therapie: Die medikamentös-konservative Therapie der CP umfasst die
Schmerzbekämpfung sowie die Behandlung der exokrinen und endokrinen
Pankreasinsuffizienz.
Kein Alkohol und kein Nikotin! Allerdings ist die Compliance der Patienten oft
schlecht.
Bei Schmerzen müssen zunächst behandelbare Komplikationen durch eine CT
ausgeschlossen werden. Anschliessend erfolgt mit einem festen Schema die
Schmerztherapie. Falls periphere Analgesie nicht ausreicht, können z.B. DurogesicPflaster o.ä., Antidepressiva und Neuroleptika eingesetzt werden. Eine weitere
Möglichkeit stellt ein Versuch der Substitution von Pankreasenzymen dar. Ein
schmerzlindernder Effekt ist allerdings nicht sicher belegt. Weitere invasive
Massnahmen entweder endoskopisch oder chirurgisch erfolgen mangels Daten auf
individueller Basis (z.B. Stents, ESWL, duodenumerhaltende Kopfresektion, Puestow
etc.). Pseudozysten werden behandelt, wenn sie Beschwerden verursachen, z. B
durch Druck auf umliegende Strukturen, wenn sie an Größe zunehmen oder wenn
sie größer als 5 cm sind. Falls irgend möglich, sollten Pseudozysten vor Therapie
wenigstens 6 Wochen alt sein, da sonst keine stabile Kapsel entstanden ist. Vor
Therapie ist eine ERCP angezeigt, um eine mögliche Verbindung zum
Pankreasgangsystem zu zeigen. Cholestase bei CP stellt in aller Regel eine OpIndikation dar. Diese dient auch dem Malignomausschluss.
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GASTROENTEROLOGIE
CHRONISCHE PANKREATITIS
Chronische Pankreatitis- Diagnose
Leitsymptome: Chronische Bauchschmerzen, Maldigestion, Gewichtsverlust.
Im Endstadium: Diabetes mellitus
Sonographie
CT mit KM bei Erstdiagnose, nicht als Screening
MRCP und EUS
möglich,
Stellenwert noch
offen
Morphologisch chronische Pankreatitis (Pseudozysten, Kalk, Gangdilatation)
-
Verdacht auf PankreasCa*
Alkoholinduzierte CP
+
-
Chronische Pankreatitis
unsicher
DD
Bauchschmerzen*
Chronische Diarrhö*
Maldigestion/Malabsorption*
Familienanamnese
+
-
Testung Hereditäre
Pankreatitis
Trypsinogenmutation
Testung Hereditäre
Pankreatitis plus
rezessive Mutationen
(SPINK, CFTR).
Ausschluss autoimmune
CP (IgG4, ANA, Sjögren)
*Siehe entsprechendes Flussdiagramm
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GASTROENTEROLOGIE
CHRONISCHE PANKREATITIS
Chronische Pankreatitis-Therapie
Patient mit chronischer Pankreatitis und Schmerzen
CT ± ERCP ± EUS ± ÖGD
Pseudozysten (PS),
Gallengangsstriktur (GS),
Duodenalstenose (DS),
peptisches Ulkus (PU),
Pankreaskarzinom
Behandlung konservativ
(PU), chirurgisch (PS,
GS, DS), oder
endoskopisch (PS)
Leichte Vollkost, Nicht-Opiod-Analgetika,
Alkoholabstinenz, Schmerztagebuch und
Lebensqualitätsfragebogen
erfolglos
8-wöchiger Therapieversuch mit hoch dosierten
Pankreasenzymen (in Tablettenform) + Säuresuppression
erfolglos
Endoskopische Therapie in Erwägung ziehen
Endoskopische Therapie nicht durchgeführt oder erfolglos
Mit dem Patienten abwartende Haltung vs. Opiod-Analgetika und Risiko
der Drogenabhängigkeit vs. Nutzen und Risiken einer OP diskutieren
Entscheidung für chirurgischen Eingriff
Pankreasgänge
nicht erweitert
Pankreasgänge
erweitert
Drainage-OP
Nervenablation unter kontrollierten
Bedingungen erwägen
Ggf. OP
Modifiziert nach den Richtlinien der American
Gastroenterological Association zur Behandlung
von Schmerzen bei chronischer Pankreatitis
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GASTROENTEROLOGIE
CHRONISCHE PANKREATITIS
Exokrine Pankreasinsuffizienz:
Die Diagnose kann durch die Anamnese, die Klinik der Patienten mit den
Leitsymptomen Fettstuhl (Maldigestion), Gewichtsabnahme und Vitaminmangel
sowie durch die Elastase 1-Bestimmung im Stuhl gesichert werden.
1. Bestimmung von Elastase-1 im Stuhl
<100µg/g Stuhl:
schwere Insuff.
100-200µg/g Stuhl:
leichte -mittlere Insuff.
>200µg/g Stuhl:
keine Insuffizienz
2. Therapieversuch bei Verdacht (z.B.
chron. Pankreatitis)
3. Sekretin-Pankreozymin-Test in Einzelfällen bei
unklaren Befunden ( z.B. chron. Diarrhoe, Ausschluss
anderer Ursachen, morphologisch/anamnestisch V.a chron
Pankreatitis) (Anmeldung in Endoskopie, Tel. 2271)
Bestimmung von Elastase im Stuhl (klinische Chemie, Form 2 VNR 0320):
• kleine Stuhlprobe ausreichend (5g)
• Elastasebestimmung durch spezifischen ELISA
• kein Abbau von Elastase durch andere Pankreasenzyme im Darm
• sehr spezifischer Test
• schnell und billig
• falsch positive Tests möglich ( z. B. bei osmotischer Diarrhö)
Diät:
Eine Pankreasdiät im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Da die häufigste Ursache der
exokrinen Pankreasinsuffizienz eine alkoholische chronische Pankreatitis ist, sollte
eine Alkohol und Nikotinabstinenz eingehalten werden. Zur Verminderung des
Ausmaßes der postprandialen Stimulation der Pankreassekretion, sollten die
Patienten kleine, leichte Mahlzeiten einnehmen. Eine Fettrestriktion ist nicht
zwingend notwendig, soweit unter einer Enzymersatztherapie die exokrine
Pankreasinsuffizienz
kompensiert
werden
kann.
Eine
ausreichende
Enzymersatztherapie sollte eine ausgewogene Diät ermöglichen (z.B. 25g Fett pro
Mahlzeit gemäss Empfehlung der DGE). Vitamine sollten bei fortgeschrittener
Erkrankung substituiert werden.
Pankreasenzymsubstitution:
Bei Pankreasinsuffizienz müssen Enzyme substituiert werden. Ziel ist es ~30000 IE
Lipase pro Mahlzeit ins Duodenum zu transportieren. Wegen der Inaktivierung der
Lipase bereits im Magen müssen unter Umständen viele Kapseln pro Mahlzeit plus
Protonenpumpenblocker eingenommen werden. Wichtig ist, ein in einer Mikrogalenik
geschütztes und möglichst säurestabiles Präparat zu wählen. Durch die gleichzeitige
Gabe eines PPI kann der Verlust an aktiven Enzymen durch die Magensäure
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GASTROENTEROLOGIE
CHRONISCHE PANKREATITIS
reduziert werden. Die Mikrosphären sollten einen Durchmesser von 2-3 mm nicht
überschreiten, um eine zeitgleiche Magenentleerung mit den Nahrungsbestandteilen
zu gewährleisten. Enzymersatzpräparate sind auch als Granulate verfügbar und
sollten bei magenteilresezierten Patienten eingesetzt werden. Bei gastrektomierten
Patientin können ungeschützte, nicht säureresistente Präparate angewandt werden.
Bei den meisten Patienten ist unter dieser Therapie eine signifikante Reduktion,
allerdings keine vollständige Elimination der Steatorrhoe möglich. Eine weitere
Erhöhung der Lipasedosierung reduziert die Steatorrhoe nicht weiter, aber es kommt
zu einem signifikanten Anstieg von Bauchkrämpfen und Flatulenz.
Vitaminsubstitution:
Als Folge der gestörten Lipidresorption sind häufig eine Malabsorption der
fettlöslichen Vitamine A, D, E, K und damit verbunden deren Mangelerscheinungen
zu beobachten. Eine parenterale Substitution ist daher sinnvoll. Eine mögliche
Osteoporose
bei
schwerem
Malabsorptionssyndrom
und
sekundärem
Hyperparathyreodismus bedarf einer Behandlung.
Diabetes:
Ein pankreopriver Diabetes mellitus entwickelt sich bei ca. 30% bis 40% der
Patienten mit einer chronischen Pankreatitis. Die Therapie unterscheidet sich
grundsätzlich nicht vom Insulinmangeldiabetes und besteht primär aus einer
exogenen Insulinersatztherapie. Keine oralen Antidiabetika geben. Bei
unregelmäßiger Nahrungsaufnahme, fortwährendem Alkoholabusus und nonCompliance sollte die Insulintherapie bei Gefahr der Hypoglykämie (auch das
Glucagon fehlt) nicht zu straff durchgeführt werden (HbA1c zwischen 7-8% ist
akzeptabel). Insulin sollte initial mit 0,3 bis 0,45 IU/kg Körpergewicht/Tag dosiert und
dann angepasst werden.
Literatur:
http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/iverd003.htm
Leitlinie der DGVS zur chronischen Pankreatitis
http://www.bsg.org.uk/pdf_word_docs/pancreatic.pdf
PDF Datei der British Society of Gastroenterology
http://www.gastrojournal.org
Liste mit Guidelines der AGA, darunter auch:
American Gastroenterological Association Medical Position Statement: Treatment of pain in
chronic pancreatitis. Gastroenterology 1998; 115: 763-764.
Warshaw A., Banks P.A., Castillo C.F. AGA Technical Review: Treatment of Pain in chronic
Pancreatitis. Gastroenterology 1998; 115: 765-776.
DiMagno E.P. Gastric acid suppression and treatment of severe exocrine pancreatic insufficiency.
Best Practice&research Clinical Gastroenterology. 2001; 15:477-486.
Göke F.J.M., Göke B. Optimal control of diabetes mellitus in pancreatitis. In: Pancreatitis, Amman RW
et al. (Hrsg.). Springer 2005, 226-231.
Layer P., Keller J. Pancreatic Enzymes: Secretion and Luminal Nutrient Digestion in Health and
Disease. J. Clin. Gastroenterol. 1999; 28: 3-10.
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GASTROENTEROLOGIE
CHRONISCHE PANKREATITIS
Algorithmus zur Behandlung der Steatorrhoe
Pankreas-Mikrosphären
(2x25.000 i.E/Mahlzeit
Reduzierung
bzw. Elimination
erfolglos
Dosiserhöhung
(2-3fach)
erfolgreich
erfolglos
Säuresuppression
und/oder
Reduzierung der
Fettzufuhr
erfolglos
erfolgreich
Überprüfung der Compliance
(Chymotrypsin im Stuhl)
Incompliant
Wenn möglich,
Compliance herstellen
compliant
Diagnose überprüfen
Ausschluss anderer Ursachen
einer Steatorrhoe:
Sprue?
Giardiasis?
Bakterielle Überwucherung?
„blind-loop“-Syndrom?
ja
Behandeln z.B. Antibiotika
(Metronidazol)
Glutenfreie Diät
Modifiziert nach Layer et.al., J. Clin. Gastroenterol. 1999;28:3-10.
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