2.2. Salicylate

Transcription

2.2. Salicylate
Ungewöhnliche Stoffe in Arzneimitteln
14
2.2. Salicylate
Aufgüsse aus Pappel- und Weidenrinde verordnete schon der griechische Arzt
Hippokrates (460 - 377 v. Chr.) seinen Patienten gegen Schmerzen, Fieber und
rheumatische Beschwerden. Die Kräuterfrauen des Mittelalters sammelten nebst
Weidenrinden auch Mädesüß, ein auf feuchten Wiesen und an Seeufern wachsendes
Kraut, das dieselben Wirkungen erreichen konnte, weil es, wie später nachgewiesen
werden konnte, den selben Wirkstoff enthält. 1763 gab der britische Geistliche Edward
Stone den Bewohnern seines Heimatortes ebenfalls einen Aufguss aus Silberweide und
glaubte, damit Malaria-Anfälle erfolgreich behandelt zu haben. Auf die Idee, das
bewährte Malaria-Mittel Chinarinde durch die ebenso bitter schmeckende Weidenrinde
zu ersetzen, kam er durch seine Überzeugung, dass Heilmittel dort zu finden seien, wo
auch die Krankheitserreger herkommen: aus den Sumpfgebieten, wo ebendiese Weiden
wachsen. Die Weidenrinde bekämpfte zwar das Fieber mit großem Erfolg und linderte die
Symptome, doch gegen den Malaria-Erreger war sie machtlos.
Das fiebersenkende Mittel Salicylsäure reizt die Schleimhaut von Rachen, Mund und
Magen, was zu Blutungen führt. Sicherer wurde das Medikament erst durch den
deutschen Chemiker Felix Hoffmann der heutigen Bayer AG. Er stellte 1897 zum ersten
Mal Acetylsalicylsäure ASS her und nannte sein Produkt ASPIRIN.
Zunächst verkaufte die Firma Aspirin in Pulverform in Flaschen oder Papierkapseln, stieß
jedoch bald auf Probleme: Die genaue Dosierung war nicht gewährleistet. So entschloss
man sich, auf ein neueres - und zugleich auch billigeres - Verfahren zur Herstellung
umzusteigen: Mit Stärke vermischt wurde der Wirkstoff zu Tabletten gepresst, die in
Wasser schnell zerfielen (unsere heutigen Brausetabletten).
Wirkungsweise:
Wenn eine Zelle physikalisch oder chemisch gereizt wird (z.B. bei Verletzungen), gibt
ihre Membran Arachidonsäure (siehe Kapitel 2.8.) ab, die gleich in Prostaglandine
verwandelt wird. Unser Organismus reguliert mit dieser Substanz das Erweitern und
Verengen der Blutgefäße und das Zusammenziehen von Muskeln. Prostaglandine fördern
somit Schmerzen, Entzündungen und Fieber, also körpereigene Abwehrmechanismen.
Die Wirkung von ASS beruht auf der Blockierung des Enzyms, das für die Herstellung
von Prostaglandinen aus der Arachidonsäure verantwortlich ist. Dadurch wirkt ASS
analgetisch (schmerzstillend), antipyretisch (fiebersenkend) und antirheumatisch. Auch
bei der Behandlung von Sonnenbrand ist ASS wirksam.
Ungewöhnliche Stoffe in Arzneimitteln
15
Neben der schmerzstillenden Wirkung wird Aspirin auch Herzinfarkt-Patienten
verschrieben. Die Verklumpung von Blutplättchen in Blutgefäßen (Thrombose) kann im
weiteren Verlauf die Ader verstopfen. Eine Blockade in einem Herzkranzgefäß führt zum
Schlaganfall, in einer Arterie des Gehirns zum Schlaganfall. ASS verzögert die
Blutgerinnung indem sie die Bildung der gerinnungsfördernden Substanz Thromboxan
A2 unterdrückt. Für Menschen mit Bluterkrankheit (mangelnde Gerinnungsfähigkeit des
Blutes) ist ASS also eine gefährliche Medizin.
Obwohl Aspirin und Medikamente, die die gleiche Wirksubstanz gegen Grippe- und
Fieberbeschwerden enthalten, seit über 100 Jahren in aller Welt in Unmengen
eingenommen werden, muss auf besondere Gefahren, die von ASS ausgehen,
hingewiesen werden: Magengeschwüre oder bei bereits vorhandenen Magengeschwüren
gefährliche Magenblutungen, weil ASS die Blutstillung erschwert. Insgesamt also ist
ASS nicht so harmlos, wie es die weltweite Verwendung vermuten lässt.
12 Tabletten (4 g Aspirin) täglich sollten ohne Probleme eingenommen werden können.
Viele Menschen versuchen, durch Eigenmedikation (Eigenbehandlung) einem
Herzinfarkt vorzubeugen und nehmen täglich - ohne Verschreibung eines Arztes Aspirin-Tabletten. Ob diese Maßnahme aufgrund der magenschädigenden Wirkung von
ASS wirklich sinnvoll ist, ist äußerst fragwürdig.
Durch minimale Veränderungen des Salicylsäure-Moleküls hat Hoffmann ein besser
verträgliches Mittel konstruiert. Durch die Einführung der Acetyl-Gruppe weist die
Substanz außerdem eine erhöhte Lipid-(Fett-)Löslichkeit auf, wodurch die analgetische
Wirkung gegenüber der reinen Salicylsäure noch gesteigert wird, weil die
Blut-Hirn-Schranke somit überwunden werden kann.
Aus dem Körper wird ASS recht langsam eliminiert. 1 g ASS ist nach 6 Stunden erst zur
Hälfte ausgeschieden.
Es gibt genügend Nahrungsmittel, in denen Salicylate enthalten sind:
Tomaten, Zwiebeln, Paprika, Zucchini, Auberginen, Gurken, Erdnüsse,
Ananas, Melonen, Mangos, Curry-Pulver, Himbeeren, Rosinen, Honig,
Mandeln, Pfefferminze, Oliven, Maiskörner, Fruchtsäfte, Wein, Bier…
Ungewöhnliche Stoffe in Nahrungsmitteln und Getränken
16
Der bei weitem einfachste Weg, Salicylate zu sich zu nehmen, ist jedoch das Teetrinken.
1 Tasse Schwarzer Tee liefert 3 mg, 5 Tassen täglich gar die lebensverlängernde Dosis
von 15 mg Salicylat. Bei besonderer Empfindlichkeit des Magens auf Salicylate sollte
man aber auf die vorher genannten Speisen und Getränke eher verzichten.
2.3. Phthalate
Vor einigen Jahren jagte eine Schreckensmeldung die andere: Phthalat in Babynahrung
wirkt “geschlechtsumwandelnd”; Phthalat löst Krebs aus und geht von
Plastikverpackungen in die darin enthaltenen Nahrungsmittel über.
Phthalate sind Derivate der Phthalsäure. Sie wurden bereits Mitte des 19. Jhds. hergestellt
und zuerst “Naphthalate” (Naphtha = Erdöl) genannt, dann aber auf “Phthalate” gekürzt.
Phthalate sind ganz und gar künstlich und weltweit verbreitet. Sogar die Bewohner des
Himalaya-Hochlandes können der täglichen “Phthalat-Dosis” nicht entgehen. Phthalate
finden sich nicht nur in der Babynahrung, sondern in nahezu jedem Lebensmittel.
Terephthalat verwendet man zur Herstellung von Kunststoffflaschen (PET) und
Kunstfasern (Polyester): Das einzelne Molekül (Monomer) wird bei der Herstellung zu
einem festen Bestandteil (Polymer) gebunden und stellt keine Bedrohung mehr dar.
Darüber hinaus werden Phthalate als Weichmacher für Kunststoffe (z.B. PVC) verwendet,
weil sie die Kunststoffe weich und biegsam machen. In dieser Form sind die Phthalate
jedoch nicht als fester Bestandteil fixiert, sondern wirken als “Gleitmittel” für die festen
Kunststoffmoleküle. Das bedeutet: Gelangt ein Phthalat-Molekül an die Kunststoffoberfläche, kann es entweichen und in die Umgebung abgegeben werden.