Das bist du! - Institut für Ästhetisch

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Das bist du! - Institut für Ästhetisch
Universität Flensburg
Masterstudiengang Kultur-Sprache-Medien
Das bist du!
- Über die jugendliche Selbstdarstellung in sozialen
Netzwerken und die mögliche Entstehung einer neuen
Jugendkultur
Dozentin: Dr. Jutta Zaremba
Sommersemester 2011
05.09.2011
Yvonne Weihrauch
Matrikelnummer: 539145
Kanzleistr. 83, Zi. 4123
24943 Flensburg
[email protected]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Jugendkultur - Was ist das?
2.1 Zum Begriff der ”Jugend” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Jugendkulturforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Jugendkulturen heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
4
4
3 Soziale Netzwerke als Plattform jugendlicher Selbstdarstellung
3.1 Warum Mitglied werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Möglichkeiten der Selbstdarstellung am Beispiel studiVZ . . . . . .
3.2.1 Bildliche Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Gruppenmitgliedschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.3 Buschfunk, Apps und andere Kommentare . . . . . . . . .
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7
8
9
9
13
15
4 Fazit
17
Abbildungsverzeichnis
20
Literaturverzeichnis
21
i
1 Einleitung
Mit dem Einzug des Internets in die privaten Haushalte der deutschen Bundesbürger etwa
Anfang der 1990er Jahre wurde zugleich auch eine neue Generation geboren. Eine Generation, die vor allem durch ihre Vorliebe und Affinität für die neuen Medien hervorsticht,
was ihre verschiedenen Betitelungen deutlich zeigen: Als Cyber- oder Netz-Generation1 ,
als Millennials2 , Generation Internet oder auch Digital Natives3 wird sie bezeichnet. Gemeint sind damit all jene, die inzwischen zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen herangewachsen sind. All jene, die irgendwann in der Zeitspanne von 1980 bis 2000 geboren
wurden und denen die neuen Medien und der Umgang mit ihnen quasi in die Wiege gelegt
wurden. Diese Generation ist im Internet zu Hause und arbeitet oder spielt ”wie selbstverständlich mit elektronischem Equipment jeglicher Art.”4 Eine Entwicklung, die unter
anderem auch dazu führte, dass die ”Sozialisation von Jugendlichen [nun] unter [ganz]
anderen technisch-medialen und sozialen Bedingungen”5 stattfindet als es noch bei älteren Generationen der Fall war.
”Von früheren Generationen unterscheidet sie sich dadurch, dass hier erstmals eine
Jugend inmitten digitaler Medien heranwächst und erstmals in der Geschichte der
Menschheit mit einer wichtigen gesellschaftlichen Neuerung leichter zurechtkommt
als ihre Eltern.”6
Bei der Nutzung des Internets stehen heutzutage zunehmend Kommunikation und Interaktion im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, was schließlich auch zu dem Bezeichnung
Social Web führte. Darunter zusammengefasst sind die diversen Netzwerkplattformen wie
Myspace, facebook oder studiVZ, die Foto- und Videoplattformen (Flickr, YouTube, etc.)
aber auch Instant-Messenger (ICQ, MSN, etc.), Weblogs und Wikis.7 Bei einem Großteil der Generation Internet machen eben jene Plattformen inzwischen einen wichtigen
Bestandteil ihres Alltags aus. Sie bewegen sich dabei auf einem neuen Terrain, auf das
Eltern, Lehrer und die meisten anderen Erwachsenen bisher noch nicht oder nur begrenzt
vorgedrungen sind. Die Jugendlichen können sich also weitestgehend frei entfalten und
sich (versuchsweise) so darstellen oder inszenieren wie sie gern von anderen gesehen werden möchten. Ein neuer ”Kulturraum für diverse Netzkulturen durch die Möglichkeiten
einer Kommunikation über sogenannte Netz-Bilder”8 entsteht. Dass sich die Jugendlichen in einem Bereich bewegen, der von ”den Alten” noch nicht vollkommen eingesehen
1
Douglas Kellner in Hugger 2010: 12.
Vaske 2006.
3
Siehe Palfrey 2008.
4
Vaske 2006.
5
Schmidt 2009.
6
Hugger 2010: 12.
7
Schmidt 2009.
8
Richard u. a. 2010: 11.
2
1
wird, scheint bei vielen Jugendlichen den besonderen Anreiz auszumachen. Sie können
sich beispielsweise in den sozialen Netzwerken ungehemmt von einer ganz anderen Seite
zeigen, einn Seite, die die eigenen Eltern vermutlich noch nicht einmal kennen.
Im Rahmen dieser Arbeit wird am Beispiel von studiVZ eben diese Form der jugendlichen
Selbstdarstellung untersucht werden. Dabei werden vor allem Bilder (Profilfotos, Fotoalben, zugelassene Verlinkungen), Gruppenmitgliedschaften und das Updaten des eigenen
Status sowie das Kommentieren der Aktivitäten anderer User näher betrachtet. Es wird
weiterhin ein Blick darauf geworfen, ob sich an Hand dieser Informationen Rückschlüsse
darauf ziehen lassen, welcher Jugendkultur der- oder diejenige angehört und was bzw. wie
viel von den Jugendlichen durch die Gestaltung ihres Profils bewusst oder auch unbewusst
preisgegeben wird. Abschließend wird der Versuch unternommen, zu klären inwiefern es
sich beim Social Web bzw. - da der Fokus ja auf studiVZ liegt - bei den sozialen Netzwerken und ihren Inszenierungsmöglichkeiten eventuell um eine ganz neue Form von
Jugendkultur handelt oder ob es sich lediglich um eine Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeit bereits bestehender Szenenzugehörigkeiten handelt. Die zur Veranschaulichung
genutzen Abbildungen sind Ausschnitte aus Screenshots von studiVZ-Profilen, die für jedermann einsehbar sind. Persönliche Angaben der User, wie etwa Name, Geburtsdatum
oder Herkunft, spielen für diese Untersuchung keine wirkliche Rolle.
2
2 Jugendkultur - Was ist das?
Bevor mit der eigentlichen Betrachtung der jugendlichen Selbstdarstellung im sozialen
Netzwerk studiVZ und der Untersuchung der Frage, ob hier eine neue Jugendkultur entstanden ist, begonnen werden kann, gilt es zunächst einen kurzen Überblick über die
Geschichte der Jugendkulturen sowie über ihre derzeitige Verbreitung und Entwicklung
zu geben. So drängt sich erst einmal eine ganz grundlegende Frage auf: Seit wann gibt es
überhaupt die Bezeichnung ”Jugend” oder ”Jugendliche” für Heranwachsende?
2.1 Zum Begriff der ”Jugend”
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts dürfte es diese Begriffe in ihrer heutigen Form und
Verwendung kaum gegeben haben. Zieht man ein einschlägiges Lexikon zu Rate, so ergibt
sich folgende Erläuterung: Jugend bezeichnet
”im weiteren Sinne den Lebensabschnitt von der Geburt bis zur Vollendung der
körperlich-psychischen Entwicklung; im engeren Sinne die Zeitspanne von der Pubertät bis zum Erwachsenenverhalten; gesellschaftlich die Gesamtheit aller jungen
Menschen einer Gesellschaft (oft eines Volkes), die noch nicht voll und/oder eigenverantwortlich (mündig) in deren Lebensprozess eingefügt sind. [. . . ] empfindet sich
[. . . ] die Jugend zugleich als Einheit gegenüber den Älteren, was besonders in Zeiten
der Unsicherheit und des Umbruchs zu Konflikten führen kann; die Jugend entzieht
sich dem Erziehungsanspruch der Älteren und sucht aus eigenen Kräften nach neuen
Lebensformen.”9
Gemeint ist also jene Altersgruppe, die zwar dem Kindsein entwachsen ist, aber noch
lange nicht die Reife und das Verantwortungsbewusstsein von Erwachsenen vorweisen
kann oder entscheideneder: die dies noch gar nicht muss. Dem Ende der Schulausbildung
schließt sich schon lange nicht mehr - wie es bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oft der Fall war - direkt der Arbeitsalltag, die Ehe und/oder das Kinderkriegen an.
Zwischen 12 und 25 durchlebt man heute, im 21. Jahrhundert, meist eine Phase seines
Lebens, in der man sich ausprobieren, seine Persönlichkeit entwickeln und diese ausleben
kann. Viele junge Menschen verleihen ihrer Einstellung zum Leben, ihren Ansichten und
Vorstellungen, aber auch dem, was sie begeistert und beschäftigt dann durch die Zugehörigkeit zu einer Jugendkultur öffentlich Ausdruck. Haben sie sich für eine entschieden10
und fühlen sich als Teil dieser, werden fast immer auch die bereits bestehenden Kleidungsund Verhaltensmuster übernommen. Man beginnt die spezifischen Musikgruppen aus der
9
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/bildung/index,page=1133838.html
Damit sei keinesfalls ausgeschlossen, dass sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene nicht im
weiteren Verlauf der Jugendjahre noch einmal, oft sogar grundlegend, ändern kann.
10
3
Szene zu hören, besucht entsprechende Events und Veranstaltungen und verbringt seine
Zeit zunehmend mit Leuten, die die gleichen Interessen und Ansichten teilen.
2.2 Jugendkulturforschung
Natürlich hat sich auch die Wissenschaft mit dem Phänomen Jugendkulturen beschäftigt.
Nach Krüger (2010) bezeichnet dieser Begriff ganz allgemein die ”kulturelle Inszenierung von Jugend”. Die Forschung ging in den 1960er Jahren zunächst noch von einer
”einheitlichen jugendlichen Teilkultur” aus. Jugend und ihre Kultur wurden also anfangs
nicht als eigenständige Formierung, sondern lediglich als ein Teil vom großen Ganzen
betrachtet. Bald wurde jedoch deutlich, dass man die zunehmend verschiedenen Ausprägungen junger Kultur nicht alle über den sprichwörtlichen einen Kamm scheren kann. Die
in der Zwischenzeit entstandenen Erscheinungen, wie etwa die Rocker und die Hippies,
waren sowohl untereinander als auch im Vergleich zur allgemeinen Kultur der Erwachsenen so verschieden, dass es einer Neudefinition von Jugendkultur bedurfte. Entsprechend
sprach man in den 1970er Jahren von jugendlichen Sub- und Gegenkulturen, denen zwar
zugestanden wurde einen eigenen spezifischen Lebensstil zu verfolgen, die aber immer
noch als ”Untereinheiten einer klassenkulturellen Stammkultur” galten. Auffallend sind
bei diesen beiden Begrifflichkeiten vor allem zwei Dinge: der Wechsel von der singulären
Kultur hin zum Plural der Kulturen, eine Neuerung, die man bis heute beibehalten hat, sowie die Andeutung eines (politischen) Protestcharakters, den die meisten Jugendkulturen
dieser Zeit inne hatten, der durch die Vorsilbe gegen- im Stichwort ”Gegenkulturen” zum
Ausdruck gebracht wird. Dem stetigen Wandel und der Weiterentwicklung der Jugendkulturen selbst, hat sich auch die Forschung immer weiter angepasst. Bereits seit den 1980er
Jahren ist dann nicht mehr nur noch von Teil- oder Subkulturen die Rede, sondern von
einer ganzen ”Vielfalt von Szenen und Events”. Eine Ausweitung, deren Ursprung vor
allem ”in der Entstehung von Massenkonsum und populärer Medienkultur in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts” zu sehen ist.11
2.3 Jugendkulturen heute
Jugendforscher Heinz-Hermann Krüger beschreibt in seinem Überblick ”Vom Punk bis
zum Emo” auch die weitere Entwicklung jugendlicher Kulturen. Während anfangs
”jeweils nur einige wenige und teilweise auch noch milieuspezifisch klar verortbare
kulturelle Stile die Jugendkulturlandschaft prägten, ist es vor allem seit den 1980er
Jahren zu einer kaum noch überschaubaren Explosion, Ausdifferenzierung und Vermischung oder zum Revival alter Stile in neuem Gewand gekommen.”12
11
12
Vgl. Krüger 2010: 13f.
Ebd.: 24.
4
Seiner Ansicht nach lassen sich die derzeitigen Richtungen der jugendkulturellen Szenelandschaft jedoch in fünf mehr oder weniger gleich große Kategorien einteilen. Als erstes
nennt Krüger hier die ”jugendkulturellen Stile im engeren Sinne mit längerer bzw. kürzerer Vorgeschichte”13 , die er entsprechend in ältere (Punks, Rocker, Skinheads, Gothics)
und neuere (Emos, Hip-Hopper, Graffiti, Techno) Szenen einteilt. Im Gegensatz zu diesen durch einen ”umfassenden ästhetischen Lebensstil” geprägten Gruppierungen stehen
jene, bei denen eine ”eindeutige politische Weltanschauung oder religiöse Sinnangebote”
im Mittelpunkt stehen.14 Dazu zählen etwa die rechts- und linksextremen Szenen (FaschoSkins vs. Antifa) oder die in den USA entstandene Gruppierung der Jesus-Freaks. Eine
weitere Kategorie stellen die ”ethnischen und aktionsorientierten Szenen”15 dar. Hier bezieht sich Krüger vor allem auf Jugendgangs sowohl im städtischen wie im ländlichen
Raum, die teilweise ebenso gewaltbereit sind wie die als aktionsorientierten Gruppierungen angeführten Hooligans und Ultras aus der Fußballszene. Die vierte Gattung, zu
der die ”sportiven und medialen Szenen”16 gehören, zeichnet sich vor allem durch ihren Fokus auf Erlebnis und Freizeit aus. Hierzu gehören im sportbezogenen Bereich neben dem ”braven Pendant” zu Hooligans und Ultras, den Fußballfans, auch die Skater,
Sportkletterer und Paintballspieler. Bei den Daily-Soap-Fans und den Computerspielern
stehen dagegen eher Medien im Mittelpunkt des Interesses. Als letztes nennt Krüger die
”institutionell-integrierte jugendkulturelle Gruppierung”17 , mit der er sich auf jene Szenen bedient, bei denen die Jugendlichen den Großteil ihrer Freizeit nach den Aktivitäten
eines Vereins oder Verbandes richten. Darunter fallen sowohl die klassischen Sportvereine
und Pfadfindergemeinschaften, aber auch Orchester und Chöre genauso wie die Jugendfeuerwehr oder die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG).
So sehr sich die Jugendlichen des 21. Jahrhunderts durch eine Zugehörigkeit zu einer der
diversen Jugendkulturen bzw. Jugendszenen auch abzugrenzen versuchen, eines haben
sie fast alle gemeinsam: Das Internet ist zu einem festen Bestandteil ihres Alltags geworden und die sozialen Online-Netzwerke nehmen dabei einen besonderen Stellenwert
ein. Es stellt sich nun die Frage, ob und wenn ja, inwiefern dieses Phänomen Einfluss auf
die einzelnen Jugendkulturen hat. Hat sich hier eine neue, übergeordnete Jugendkultur
entwickelt, die alle Mitglieder sozialer Netzwerke unter sich vereint, und die spezifische
Eigenschaften aufweist? Oder stellen Plattformen wie facebook, Myspace oder studiVZ
lediglich eine Erweiterung der medialen Präsenz realbestehender Jugendkulturen wie etwa Punk oder Gothic dar? Haben junge Menschen hier die Möglichkeit einer Gruppierung
anzugehören, die ihre Ansichten und Vorlieben widerspiegelt oder handelt es sich nur um
eine Form der Inszenierung und Darstellung einer bereits bestehenden Szenenzugehörig13
Krüger 2010: 25ff.
Ebd.: 30f.
15
Ebd.: 31f.
16
Ebd.: 33f.
17
Ebd.: 35.
14
5
keit? Diesen Fragestellungen wird im weiteren Verlauf der Arbeit auf den Grund gegangen. Als Veranschaulichung dienen dabei das größte deutschsprachige soziale Netzwerk
studiVZ 18 und die dort gebotenen Möglichkeiten sich selbst zu präsentieren.
Ein Vorteil des Internets und seiner zahlreichen sozialen Plattformen ist sicherlich, dass
es hier eigentlich keinerlei Einschränkungen: jeder kann sein wer und machen was er will.
Unter falschem Namen kann man jederzeit ein sogenanntes Fake-Profil erstellen und so
jemand sein, der vielleicht das komplette Gegenteil von einem selbst ist. In den realen Jugendkulturen kommt es dagegen vor, dass man eben nicht ohne Weiteres der Gruppierung
angehören kann, der man vielleicht gerne angehören möchte. So ist es etwa für muslimische Jugendliche schwieriger in den zumeist auf westlichen Werten und/oder christlichen Symbolen (Gothic- oder Jesus-Freaks-Szene) beruhenden Jugendkulturen Anklang
zu finden. In anderen Szenen wie beispielsweise den Skins oder der Hip-Hop-Kultur kann
wiederum das Geschlecht zum Problem werden, denn hier gibt es mitunter ”sehr rigide
Geschlechtsrollenbilder von hegemonialer Männlichkeit und weiblicher Unterwürfigkeit
[. . . ].”19 Frauen und Mädchen gelten als nicht gleichberechtigt und werden auch nicht als
ebenbürtig betrachtet, was oft dazu führt, dass sie in den entsprechenden Gruppierungen
weniger stark bis kaum vertreten sind. Es ist jedoch fraglich, ob jene, die in der realen
Welt gewissen Szenen nicht angehören können, dann über das Internet versuchen doch
noch Teil davon zu werden. Denn ”die Mehrheit der Internetnutzer verwendet das Netz
als Erweiterung des bereits existierenden Lebens. Sie führen ähnliche Handlungen sowohl
online als auch offline durch. Lediglich Geschwindigkeit und Effizienz haben sich verändert.”20
Bevor noch einmal genauer auf die Rolle des Internets und vor allem der sozialen Netzwerke im Zusammenhang mit den aktuellen Jugendkulturen eingegangen wird, wird zunächst die Nutzung jener Netzwerke für die Darstellung der eigenen Persönlichkeit näher
erörtert werden. Das Hauptaugenmerkt liegt dabei auf der Plattform studiVZ. Betrachtet
wird die Art und Weise, wie sich studiVZ-Mitglieder mittels Fotos, Gruppen und Statusmeldungen selbst inszenieren und gegebenenfalls jene Jugendkultur, der sie offline
angehören, auch im Internet (re-)präsentieren und/oder ausleben.
18
VZnet Netzwerke 2011.
Krüger 2010: 36.
20
Prommer u. a. 2009: 7.
19
6
3 Soziale Netzwerke als Plattform jugendlicher
Selbstdarstellung
Als Teil der Generation Internet oder der Generation Medien sind die zuvor dargestellten jugendlichen Szenen zunehmend auch im Internet und dort vor allem in den sozialen
Netzwerken vertreten. Kam man früher nach Hause, hatte man zunächst seine Hausaufgaben zu erledigen und durfte dann vielleicht das Radio oder mal den Fernseher für eine
Weile als Belohnung anstellen. Eltern duldeten keinen dauerhaften Medienkonsum und
schickten ihre Kinder lieber zum Spielen an die frische Luft. In diesen Tagen ist das Bild
jedoch ein komplett anderes: während beide Elternteile immer häufiger einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen müssen, um das nötige Geld zu verdienen, ist bei den von der
Schule heimkommenden Kindern oft die erste Amtshandlung den Computer und damit
das Internet einzuschalten und mit jenen Freunden, von denen sie sich gerade erst nach
Unterrichtsschluß verabschiedet haben, wieder in Kontakt zu treten. Dabei scheint es heute vor allem unter Jugendlichen beinahe zum guten Ton zu gehören bei Plattformen wie
facebook, studi- oder schülerVZ angemeldet zu sein - wer nicht mitmacht gilt schnell als
”out”.
”Das Hauptnutzungsmotiv im Umgang mit dem Internet ist für Jugendliche die Teilnahme an Kommunikationsprozessen: 73% der Jugendlichen nutzen mehrmals in der
Woche Instant Messenger, 57% Online Communities, 49% schreiben E-Mails und
29% kommunizieren per Chat. Doch obwohl eine starke medienvermittelte Kommunikation stattfindet, kommt das reale Face-to-Face-Treffen mit Freunden nicht zu
kurz, und fast alle Jugendlichen treffen sich mehrmals pro Woche mit ihren Freunden
(JIM 2008).”21
Mit dem Internet steht den medienkompetenten jungen Leuten ”ein scheinbar unbegrenzter Raum zur Verfügung” und garantiert - vor allem im Bezug auf besagte sozialen Netzwerke - ”Sichtbarkeit und bietet als Ort der zwei- oder mehrgleisigen Interaktion das
Potential zum Provokationsraum.”22 Und ist es nicht die Möglichkeit zu provozieren, die
für Jugendliche seit jeher besonders verlockend ist? Den Autoren von ”Flickernde Jugend - Rauschende Bilder”, Birgit Richard, Jan Grünwald, Marcus Recht und Nina Metz,
zufolge ”bildet Provokation im jugendkulturellen Rahmen bis heute die Bedingung für
die Mechanismen von Inklusion und Exklusion, an denen entlang Stil und damit letztlich
Gemeinschaft entsteht.”23
21
Friedrichs 2010: 31.
Richard u. a. 2010: 14.
23
Ebd.: 14.
22
7
3.1 Warum Mitglied werden?
Vielen Jugendlichen bietet das Social Web die Möglichkeit sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen, sich über verschiedenste Themen zu informieren und sich gleichzeitig
eine Meinung zu bilden und diese anderen mitzuteilen. Häufig steht aber auch einfach
die Vernetzung mit alten wie neuen Bekannten im Vordergrund - nichts will man verpassen, immer up-to-date sein und mitreden können. Gerade vor einer einschneidenden
Phase wie beispielsweise dem Studienbeginn ist eine Plattform wie studiVZ eine gute
Hilfe um schon einmal vorab Leute zu finden, die wie man selbst Erstsemester an der
entsprechenden Universität und in dem Studiengang sein werden. Man erhält auf diese
Art einen ersten Eindruck, findet vielleicht sogar schon erste Freunde und weiß über die
besten Anfänger-Parties Bescheid, ohne das eigene Zimmer, womöglich noch im Haus
der Eltern, vorab verlassen zu müssen. Es ist natürlich das eine, andere zu sehen und über
eine solche Plattformen ihnen in Kontakt zu treten. Nicht zu vernachlässigen ist dabei
vor allem der Aspekt, dass man ja auch selbst gesehen wird. Gerade in Zeiten von sozialen Netzwerken wird man leicht in die Lage versetzt ”selbst Zuschauer der eigenen
Selbstdarstellung zu werden und diese, durch die medial erwirkte Distanz zu beurteilen.
Entscheidend und neu daran ist der Prozess: der Produzent oder die Produzentin will sich
auch selbst sehen!”24
”Sei dabei in Deutschlands größtem sozialen Netzwerk
Tausch Dich aus über Fotos, Filme, Nachrichten, Gruppen
Bleib in Kontakt mit Freunden, Kommilitonen und Familie”25
So versuchen die Macher von studiVZ auf ihrer Homepage neue Mitglieder zu gewinnen.
Sei dabei, tausch dich aus, bleib in Kontakt - das klingt einfach, unkompliziert, simpel.
Wer möchte nicht gern auch über weite Strecken hinweg schnell und möglichst ohne
große Kosten mit den Lieben in Verbindung bleiben? Immer wissen was gerade passiert
und die Möglichkeit haben, sich jederzeit selbst mitzuteilen. All das und noch ein wenig mehr ermöglichen heutzutage die sozialen Netzwerke. Was hier von den Machern der
studiVZ-Homepage nicht erwähnt wurde, ist die sich zusätzlich im Rahmen der eigenen
Profilgestaltung bietende Gelegenheit anderen die eigene Persönlihckeit zu präsentieren und zwar genau so, wie man selber es für richtig hält. Man kann Seiten von sich zeigen,
die man sonst vielleicht nicht unmittelbar jedem offenbaren würde. Man kann aber auch
auf die Preisgabe persönlicher Informationen verzichten und so entweder die eigene Privatsphäre schützen oder, wenn dies gewünscht ist, sich bei anderen interessanter machen.
Denn je weniger der andere direkt über einen lesen kann, desto wird er am Ende sein.
24
25
Richard u. a. 2010: 14.
VZnet Netzwerke 2011.
8
3.2 Möglichkeiten der Selbstdarstellung am Beispiel studiVZ
Im Folgenden werden nun an Hand von Profilfoto, Gruppenmitgliedschaft und Statusupdate- bzw. Kommentarfunktion die Möglichkeiten zur Darstellung oder Inszenierung
der eigenen Person, die einem durch soziale Netzwerke geboten werden, näher betrachtet.
Unter Rücksicht auf den Umfang dieser Arbeit wird der Fokus dabei hauptsächlich auf
der Plattform studiVZ liegen.
3.2.1 Bildliche Inszenierung
Der Entscheidung für eine Anmeldung beim Netzwerk studiVZ folgt nach der Abfrage
einiger persönlicher Daten die Aufforderung ein sogenanntes Profilbild hochzuladen, damit man von Freunden und Bekannten bei der Suche nach Kontakten später besser und
schneller erkannt werden kann. Zwar legt studiVZ dabei seinen Usern nahe ein Foto auszuwählen, auf dem man auch wirklich selbst zu sehen ist, kontrolliert oder restringiert
wird die endgültige Wahl jedoch kaum. An dieser Stelle bietet sich jugendlichen Teilnehmern die erste Chance sich darzustellen. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt:
man kann ein professionell aufgenommenes Foto hochladen, ein bis zur Unkenntlichkeit
bearbeitetes, eines, das Vorlieben und/oder Hobbies zum Ausdruck bringt, usw. Einzige
Bedingung: es muss eine Bilddatei im passenden Format sein und darf weder die Bildrechte Dritter verletzen noch dem studiVZ-Verhaltenskodex widersprechen.26
Bei der Analyse von solchen Profilbildern gibt es natürlich verschiedene Vorgehensweisen. So hat sich beispielsweise Rebekka Balsam (2009) in ihrer Untersuchung hauptsächlich auf ”die Pose als Mittel der Selbstdarstellung”27 konzentriert und hat dabei vor allem
auf Körperhaltung und Gesichtsausdruck, der ”das Zusammenspiel von Kopfneigen, Augenspiel und einer eher ernsten oder freundlichen Miene”28 bezeichnet, näher betrachtet.
Die Autoren von ”Flickernde Jugend - Rauschende Bilder” haben bei ihrer Untersuchung
der Profilbilder von NutzerInnen der Plattformen Myspace, facebook und studiVZ eine
Typologie mit drei Kategorien herausarbeiten können. Als erste Gruppierung nennen sie
”Reise- und Urlaubsbilder, die den UserInnen vor allem die Wahrzeichen der Metropolen
der Welt zeigen und damit Zeichen der Anwesenheit sind, als ’Beweis’ für das Unterwegssein an hippen Orten [...].”29 Den zweiten Typ von Profilbildern zeichnen vor allem
”Maskeraden, Kostüme und Verkleidungen” aus, während die dritte Kategorie dadurch
gekennzeichnet ist, dass hier die ”fotografische narzistische Selbstbespiegelung der eigenen Person” vermieden wird. Es soll viel mehr ”ein Haltung und eine Einstellung oder
ein Fantum”30 zum Ausdruck gebracht werden, indem man auf Bilder von Prominen26
Siehe VZnet Netzwerke 2011.
Balsam 2009.
28
Ebd.: 10.
29
Richard u. a. 2010: 48.
30
Ebd.: 49.
27
9
ten oder Computerspielfiguren zurückgreift.31 Neben diesen drei Hauptkategorien, gibt es
noch einige weitere beliebte Arten von Profilbildern: ein selbstgemachtes Foto des eigenen Spiegelbilds, die Füße oder Schuhe aus der Vogelperspektive, bei Handlungen und
Tätigkeiten oder mit dem besten Freund oder der besten Freundin.
Zwar wird es an einigen Stellen zu Überschneidungen mit diesen Untersuchungen und
ihren Ergebnissen geben, auf die man ausführlich Bezug nehmen könnte, doch in der
vorliegenden Arbeit soll weitestgehend unabhängig davon das Hauptaugenmerk auf der
Darstellung der eigenen Persönlichkeit, der Interpretationsmöglichkeit durch andere sowie auf dem Zusammenhang mit einer eventuell erkennbaren Szenenzugehörigkeit der
User liegen. Die hier vorgenommene Betrachtung und Auswertung von Profilbildern ist
nur beispielhaft und kann natürlich nicht das gesamte Spektrum abdecken.
Die erste und wohl häufigste Form der Selbstpräsentation mit Hilfe eines Profilbildes
ist die Portraitaufnahme. Dabei kann nur das Gesicht (”intimate distance”), das Gesicht
einschließlich der Schultern (”dose personal distance”) oder aber auch der gesamte Oberkörper zu sehen sein (”far personal distance”).32 Die Entscheidung für ein Portraitfoto ist
eine ”bedeutungsträchtige”, da die Person mit dem Zeigen ihres Gesichtes sehr viel von
sich preisgibt. Der gewählte Bildausschnitt bestimmt außerdem darüber, ”wie nah sie den
Betrachter an sich herankommen lässt.”33 Bei dieser Form der Selbstdarstellung kann die
spezifische Szene, der der User angehört, etwa durch Kleidung, Make-up (stark schwarz
geschminkte Augen etwa bei den Gothics), Haarschnitt (Irokesenfrisur der Punks) oder
sonstige aussagekräftige Accessoires, die im Bildausschnitt zu erkennen sein können, bewusst oder unbewusst zum Ausdruck gebracht werden. Die Mehrzahl der portraitartigen
Profilbilder jedoch zeigt Stinos, also stinknormale Jugendliche, die sich ohne auffallende
Szenemerkmale präsentieren.
Abbildung 3.1: Gothic
Abbildung 3.2: Punk
31
Vgl. Richard u. a. 2010: 48f.
Vgl. Balsam 2009: 11.
33
Ebd.: 11.
32
10
Abbildung 3.3: Stino
Doch nicht alle Nutzer von studiVZ geben gern so viel von sich Preis. Um sich in einem
solchen öffentlichen sozialen Netzwerk ein wenig Privatsphäre zu bewahren, greifen viele
User auf bearbeitet Bilder zurück. Auf diese Weise nutzen sie ein eigenes, individuellgestaltetes Foto, das Ausdruck ihrer Kreativität, ihrer Hobbies und Vorlieben oder ihres
Humors sein kann, ohne sich selbst dabei allzu direkt zu erkennen zu geben. Der Grad der
Unkenntlichmachung kann hier stark variieren, wie die Abbildungen 3.4 bis 3.6 deutlich
machen.
Abbildung 3.4: Bearbeitet
Abbildung 3.5: Comic
Abbildung 3.6: Unerkannt
Im Internet finden sich für solche Zwecke diverse Seiten, die anbieten ein vom Nutzer
hochgeladenes Foto so zu verändern, dass es unter anderem aussieht als sei es aus einem
High School Jahrbuch der 1970er Jahre oder als sei es ein Panini-Sammelsticker zu einer
Fußball-WM der vergangenen Jahrzehnte. Vielen reicht aber auch schon das eigenhändige
Verändern von Fotos mit einem beliebigen Bildbearbeitungsprogramm. Wer unerkannt
bleiben und es sich ganz einfach machen möchte, kann natürlich auch auf das Hochladen
eines eigenen Fotos verzichten und die von studiVZ für männliche (Abbildung 3.7) und
weibliche User (Abbildung 3.8) generierten Darstellungen nutzen. Auf diese Art geht
man zum einen ungewollten Profilbesuchern weitestgehend aus dem Weg, da allein der
Name eines Users im Zusammenhang mit einer solchen anonymen Darstellung kaum
einen Fremden auf die dahinterstehende Seite lockt. Zum anderen ist es so für Freunde
und Bekannte aus der Vergangenheit schwieriger zu erkennen, ob es sich um die gesuchte
Person handelt.
Im Rahmen einer im Jahr 2009 selbstdurchgeführten Studie haben Elisabeth Prommer
und an dem Forschungsprojekt mitwirkende Studenten herausgefunden, dass mehr als
zwei Drittel der Teilnehmer auf ihrem Profilbild bei studiVZ möglichst authentisch wirken
möchten. Dabei legt etwa jeder Zweite wert darauf, dass es sich außerdem um ein schönes
Foto seiner Person handelt. Von den Befragten gab ebenfalls etwa die Hälfte an, dass sie
11
Abbildung 3.7: männlicher User
Abbildung 3.8: weibliche Userin
ihr Profilbild mehrmals im Jahr oder sogar monatlich ändert.34 Mit dem Wechsel des
Fotos bietet sich dem User die Möglichkeit sich von mehreren Seiten zu zeigen. Es kann
sich um Schnappschüsse aus dem Urlaub handeln, die belegen, wo man schon überall
gewesen ist (Abbildung 3.9); es können Aufnahmen sein, die während der Ausübung
eines Hobbies (z.B. das Spielen in einer Musikband, Abbildung 3.10) oder einer Tätigkeit
in einem Verein entstanden sind (Abbildung 3.11).
Abbildung 3.9: Urlaub
Abbildung 3.10: Band
Abbildung 3.11: Pfadfinder
Um sich möglichst authentisch und in all seiner Vielfalt darzustellen, gibt es noch zahlreiche weitere bildliche Darstellungsmöglichkeiten. Die eigene Sportlichkeit unterstreicht
man etwa mit einem Foto, auf dem man selbst beim Sportmachen zu sehen ist oder eines,
das entweder den Lieblingssportler oder die Lieblingsmannschaft hervorhebt (Abbildung
3.12). Auch wer ein Herz für Tiere hat und dies gern zeigen möchte, greift beim Profilbildwechsel gern auf eine Darstellung mit dem eigenen Haustier etwa zurück (Abbildung
3.13). Und auch für jene, die vielleicht ihren besonderen ganz Humor zum Ausdruck
bringen möchten bieten sich bei der freien Wahl eines Profilbilds unendliche Varianten 34
Vgl. Prommer u. a. 2009: 53ff.
12
von Nonsense über peinliche Situationen, die zufällig aufgenommen wurden, bis hin zum
Abbild des favorisierten Komikers (Abbildung 3.14).
Abbildung 3.12: Sport
Abbildung 3.13: tierlieb Abbildung 3.14: humoristisch
Neben dem Profilbild, das mehr oder weniger das Aushängeschild der eigenen Seite und
für den ersten Eindruck oft ausschlaggebend ist, können aber auch noch weitere Bilder
hochgeladen werden und in digitalen Fotoalben sogar nach Thema oder Anlass sortiert
werden. Offensichtlich lassen sich an dieser Stelle Facetten, die der User mit Hilfe des
Profilfotos und der allgemeinen Profilangaben noch nicht hervorheben konnte, sehr gut
mit ebensolchen Zusatzfotos und -alben ausdrücken. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Jugendszene kann hier gezeigt oder sogar noch betont werden. Fotos, die zeigen,
dass man auf Konzerten oder Festivals einschlägiger Musikrichtungen war, an sportiven,
musikalischen oder künstlerischen Wettbewerben teilgenommen oder Massenveranstaltungen wie etwa den Weltjugendtag oder den Christopher-Street-Day besucht hat, können
im Profilbereich ”Meine Fotos” also ebenfalls der eigenen Selbstdarstellung dienen.
3.2.2 Gruppenmitgliedschaften
Mit der Entscheidung für ein mehr oder weniger aussagekräftiges Profilbild und/oder das
Anlegen diverser Fotoalben sind die Möglichkeiten sich selbst darzustellen, zu zeigen
wer man ist und was man gerne mag noch lange nicht erschöpft. StudiVZ bietet seinen
Mitgliedern an, sich verschiedenen Gruppen anzuschließen, in denen man dann Gleichgesinnte kennenlernen, über diverse Themen diskutieren oder aber auch die nächste Party
oder den kommenden Urlaub mit Freunden organisieren kann. Die Seite verspricht:
”Egal wofür Du Dich interessierst - in unserem Netzwerk gibt’s garantiert die passende Gruppe für Dich! Reisepläne in den Süden? Auslandssemester in Skandinavien? Fangruppe Deiner Lieblingsclubs? Oder diskutieren über das ’Phänomen Fremdschämen?!’. Was es nicht gibt, wartet nur darauf, von Dir gegründet zu werden!”35
35
Siehe VZnet Netzwerke 2011.
13
Besucher eines Profils können mittels der dort vorzufindenden Gruppenliste nachlesen,
wozu sich der entsprechende User zugehörig fühlt und ob man das eher sympathisch oder
doch unangenehm findet. Von Religion und Politik über Sport und Freizeitgestaltung bis
hin zu Liebesgeständnissen an die Stars der Film-, Fernseh- und/oder Musikbranche. Hier
kann man sich lokalpatriotisch zu seiner Kleinstadtherkunft bekennen genauso wie zu seiner Unpünktlichkeit oder seiner Vorliebe für langes Schlafen. Während einige Gruppen
durchaus ernst als Diskussionsforen betrieben werden, ist eine Vielzahl von nicht allzu tiefgründiger Bedeutung und dient eher dazu, der Art des Humors des Profilbesitzers
Ausdruck zu verleihen. Statt eines albernen Profilbildes, das zeigen soll wie witzig der
User sein kann, kann man sich an dieser Stelle die Gruppen und ihre meist vielsagenden
Titel zu Nutze machen.
Abbildung 3.15: Gruppen, Bsp. 1
Abbildung 3.16: Gruppen, Bsp. 2
14
3.2.3 Buschfunk, Apps und andere Kommentare
Wer möchte kann sich im Rahmen seines Profils aber noch weiter offenbaren. Applikationen (Apps) bringen die User dazu, sich unter anderem zu ihrer Vorliebe für Karaoke oder
Doppelkopf zu bekennen. Man kann hier wieder vergleichen, mit wem man Gemeinsamkeiten teilt und wer ganz anders tickt.
Abbildung 3.17: Übersicht Apps
Dabei muss man natürlich nicht jeden Tag die Profile aller Freunde durchforsten, um
festzustellen, ob sie eine etwa eine neue App hinzugefügt haben, dafür hat studiVZ den
Buschfunk eingeführt. Die Nutzer haben hier die Möglichkeit direkt auf der Startseite
darüber zu informieren, was sie selbst gerade machen und was sie im Moment beschäftigt.
Sie können aber auch sehen, ”wer neue Fotos hochgeladen, wer sich mit wem befreundet,
wer welche neue App am Start hat”.36 Ideal, um andere zeitnah und möglichst indirekt
wissen zu lassen zu welchem Festival man beispielsweise am Wochenende fährt, oder
was man vielleicht von den aktuellen politischen Ereignissen hält, dass der geliebte Hund
gestorben ist oder die neuen Sportschuhe endlich geliefert wurden. Mit jedem Update
kann man sich so von Neuem präsentieren, sich den Freunden wieder ins Gedächtnis
rufen und zeigen, was man über Gott und die Welt denkt.
”Man beteiligt andere am eigenen Geschmack, ohne ihnen eine direkte Reaktion
abzuverlangen, ohne zu "nerven", wenn keiner reagiert. Wer will, kann etwas dazu
sagen, heißt die Regel. Und: Ich sage jetzt mal etwas über mich.”37
36
37
VZnet Netzwerke 2011.
Kaube 2011.
15
Während die einen diese Funktion ausgiebig nutzen und fast täglich ”funken” was sie
beschäftigt, sind andere eher introvertierter und lesen lieber was der Rest schreibt, statt
selbst aktiv zu werden. Und wer das alles überhaupt nicht mehr lesen möchte, der hat
natürlich auch die Möglichkeit den Buschfunk auszublenden. Aktualisierungen anderer
User muss man selbstverständlich nicht einfach stillschweigend hinnehmen. Für den Fall,
dass man sich direkt zu einem aktualisierten Status oder einem neu hochgeladenen Foto äußern möchte, haben die Macher von studiVZ eine Kommentarfunktion eingerichtet.
Man kann also nicht nur nachlesen, was der andere so macht, man kann direkt seine eigenen Senf dazu geben. Das können dann wiederum weitere Nutzer mitverfolgen und
ihrerseits kommentieren. Man erfährt auf diese Weise oft nicht nur etwas über den Urheber einer Meldung etwas, sondern an Hand der Kommentare auch über dessen vielleicht
noch unbekannte Freunde. Das alles frei nach dem Motto: ”Eine unkommentierte Aussage
ist eine nicht gehörte Aussage.” Denn ”Anwesenheit alleine schafft noch keine Existenz.
Und Existenz wird nur über aktive Teilnahme erzeugt.”38
38
Richard u. a. 2010: 92.
16
4 Fazit
Das Profil bei einem sozialen Netzwerk bietet Jugendlichen also diverse Möglichkeiten
sich so zu präsentieren wie sie sich selber sehen und gern gesehen werden möchten. Es
kann ihnen vor allem auch in jenen Momenten hilfreich sein, wenn die jungen Leute, die
oft noch am Anfang oder vielleicht mitten in der Selbstfindungsphase stecken, auf Grund
von andauernder Kritik von außen anfangen an sich selbst zu zweifeln. Wenn andere die
eigene Person in Frage stellen und man Zweifel daran entwickelt, ob man klug, lustig
oder interessant genug ist, ob man richtig oder falsch liegt mit seiner Meinung, dann bietet ein solches Profil oft die Gelegenheit der Rückversicherung. Jederzeit kann man selbst
nachschauen bzw. nachlesen, wer man ist, was man mag und was nicht, welche Überzeugungen und auch wie viele Freunde man hat. Allzu leicht vergisst man gerade in der
Pubertät, wer wirklich zu einem hält, Interessen teilt und einen einfach so mag wie man
ist - studiVZ kann helfen gewisse Zweifel aus dem Weg zu räumen. Wie gezeigt werden
konnte, machen soziale Netzwerke es nicht nur mögliche die eigene Person darzustellen,
sondern auch die Jugendkultur oder -szene kann zum Ausdruck gebracht werden. Auf
Fotos, in Gruppentiteln oder durch entsprechende Kommentare kann ein User deutlich
machen, welcher Gruppierung er sich zugehörig fühlt. Das Prinzip funktioniert jedoch
auch in die andere Richtung: diverse Jugendszenen aus dem realen Leben haben sich die
sozialen Netzwerke bereits zu Nutze gemacht, um auf sich hinzuweisen, Werbung zu machen und Mitglieder zusammenzubringen gibt es Gruppen, denen man sich anschließen
kann und durch die man andere Mitglieder mit der gleichen Einstellung und ähnlichen
Ansichten
”Das Internet bietet jeder nur erdenklichen Jugendkultur und Jugendszene einen geradezu unüberschaubaren Möglichkeitsraum, sich mit einem spezifischen Webangebot zu präsentieren, zu inszenieren, zu stilisieren, zu orientieren und zu vergemeinschaften.”39
Die neuen Medien und allen voran das Internet sind aus dem Alltag der heutigen Jugend
kaum mehr wegzudenken. Und soziale Netzwerke scheinen einen großen Anteil daran zu
haben. Hier können Jugendliche sich auszuprobieren, herausfinden wer sie sind und was
sie gut finden - dafür ”setzen sie sich der Beobachtung ihrer Freunde, Bekannten oder
der ganzen Welt aus, auf einer Bühne irgendwo zwischen ’privat’ und ’öffentlich’ [...].”40
Doch nicht nur Selbstfindung allein steht hier im Mittelpunkt. Besonders attraktiv ist wohl
die Möglichkeit sich über die diversen sozialen Netzwerke und Plattformen mit anderen
zu vernetzen und mit ihnen zu kommunizieren.
39
40
Hugger 2010: 14.
Kaube 2011.
17
”Sie entkoppeln den Kontakt zu Bekannten von physischer Anwesenheit. Ob man gerade in Semesterferien weilt, einen Umzug hinter sich hat, der Weltjugendtag schon
vorbei ist oder die anderen überhaupt noch wach sind, spielt auf Facebook keine
Rolle. Man kann kommunizieren, ohne auf die Klärung von Terminen, Organisationsmitgliedschaften und verlässlichen Tagesplänen angewiesen zu sein. Wie naheliegend, dass daran besonders eine Gruppe interessiert ist, die erst noch ausprobiert,
woran sie sich bindet und in welchen Rhythmen ihr Alltag verläuft.”41
Und wer sich bei facebook, studi- oderschülerVZ anmeldet um mit alten Bekannten und
guten Freunden auch über große Distanzen hinweg in Kontakt bleiben zu können, der
wird bei der Anmeldung automatisch dazu aufgefordert sich selbst anderen Usern zu präsentieren. Während die einen dabei so wenig wie möglich von sich preisgeben, gibt es
andere, die exzessiv Gebrauch von den Darstellungsangeboten der Plattformen machen:
von zahlreichen hochgeladenen Fotos über ellenlange Gruppenlisten bis hin zu ständigen
Updates des eigenen Status. Doch auch wenn die sozialen Netzwerke unter Jugendlichen
weit verbreitet sind, ihnen eine Bühne bieten, auf der sie sich so darstellen können wie
sie selbst sich sehen und auf der sie sich problemlos mit anderen austauschen können, ist
es wohl dennoch - im Hinblick auf die Frage nach der Entstehung einer neuen Jugendkultur - zu viel gesagt, wenn man behaupten würde, hier sei eine ganz neue Jugendkultur
entstanden. Soziale Netzwerke bieten nicht wie andere Szenen Musik, Ansichten oder
einen Kleidungsstil, mit dem man sich identifizieren könnte. Zwar vereinen sie zahlreiche
Jugendliche, doch kommen diese aus so verschiedenen realexistierenden Jugendszenen,
dass es wohl kaum möglich ist für eine eventuelle ”Jugendkultur der sozialen Netzwerke”
einen gemeinsamen Nenner bzw. ein Charaktersitikum zu finden und eine stabile Gemeinschaft zu bilden.
Wie zuvor bereits festgehalten wurde (siehe Kapitel 2.3), nutzt die überwiegende Zahl
der User das Internet lediglich als Erweiterung ihres bereits existierenden, realen Lebens.
Sie gehen online ähnliche Handlungen nach wie sie es auch offline tun. So kann man
auch hinsichtlich der Jugendkulturen auch eher von einer medialen Ausweitung bestehender Zugehörigkeiten und Mitgliedschaften ausgehen, als von einer neuartigen kulturellen
Gruppierung. Es wäre vielleicht sinnvoller - wie Jürgen Kaube in seinem F.A.Z.-Artikel
- statt von einer neuen Jugendkultur allgemeiner von einer ”Generation Facebook”42 zu
sprechen.
41
42
Kaube 2011.
Ebd.
18
Abbildungsverzeichnis
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
3.8
3.9
3.10
3.11
3.12
3.13
3.14
3.15
User
mit
Attributen
der
Gothic-Szene,
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kdjc2puM732ISiiOo3iVl8E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
User
mit
Attributen
der
Punk-Szene,
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kQf4nw1jaIzx5EpfMjZbe84 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Stino-User,
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kUOWlFqg401cE_rgDTq1LZM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
User als Fussballspieler, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kUP00i5wJCRXIIZSD1AoQtk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
User als Comicfigur, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kRiWV1G00zG98dKhSDsVnm4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
User ist nicht zu erkennen, wwww.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kRt756RYGW5JsgTPEVvA2F8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Generiertes Profilbild männlich, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kXDGbvZZdQuQxmjvcF0qC8o . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Generiertes Profilbild weiblich, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25ke_io5EMRHtmqAJWszcTisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
User zeigt sich auf Reisen, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kYYuvRUY8VV5gYVrEXvoT7c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
User
zeigt
sich
bei
Freizeitaktivität
(Bandmitglied),
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kZ25xtFqHMRt9byWJCPX8Zs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
User
zeigt
sich
bei
Freizeitaktivität
(Pfadfinder),
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kacdIxFV4t7z6mVtGaPRna0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
User zeigt Lieblingssportler, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kV4tnzclYEHQrBiOJlyPZlc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
User zeigt sich mit Haustier, www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kTF1QNb8nepQXqrB9dAXXNU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
User
setzt
auf
humoristische
Darstellung,
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye2-5kTt642fE2Qc7DfBpvAMbQE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Gruppenliste
I,
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kcPXhB6RNdWmJSQ39EApanE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
19
3.16 Gruppenliste
II,
www.studivz.net/Profile/dG9nUA9Itl39Kjhye25kZ0bm-ZB-MpnQh870Y5yl00/tid/102 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.17 Übersicht Apps, www.studivz.net/Gadgets/Overview . . . . . . . . . . .
20
14
15
Literaturverzeichnis
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Selbstdarstellung am Beispiel von studiVZ. Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch
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Digitale Jugendkulturen. Hrsg. von Kai-Uwe Hugger. Wiesbaden: Verlag für
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Zuletzt besucht am 30.08.2011. URL: http://www.faz.net/artikel/C3010
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21