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Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter
Stadtnachrichten S. 4 >>>
Schweizer und Russen
für saubere Seen
Vom Ticker
Petersburger “AntiEhrenbürger”
kommt aus Finnland
mm.- Der Projekt-Direktor
der finnischen StockmannGruppe,
Jussi
Kuutsa,
wurde mit einigen Stimmen Vorsprung von der
Bürgerinitative “Lebendige
Stadt” zum “UnEhrenbürger der Stadt St. Petersburg”
gewählt. Der Preis – ein Ziegel aus dem von der Stockmann Gruppe abgerissenen
Areal an der Ecke Newski
Prospekt – Uliza Wostanija
– wird ihm zugestellt.
Die Bürgerinitative “Schiwoi Gorod” (Lebendige
Stadt) wählt diese Form
des Protests um gegen die
Missachtung des Denkmalschutzes beim Bau des
neuen Verkaufskomplexes
zu protestieren.
Eine Reaktion des “ausgezeichneten” Finnen liegt
noch nicht vor.
Der 45-jährige Projektvorstand des finnischen
Mischkonzerns hatte in St.
Petersburg und mit dem
Stockmann Komplexe keinen leichten Stand.
Das Filet-Grundstück stand
seit der Perestroika immer
wieder im Kreuzfeuer. In
den 90er bis 2005 war das
Areal zeitweise im Besitz
der deutschen SP-AG in
Berlin für die der damalige
Vizegouverneur und jetzige
Ministerpräsident Wladimir Putin als Vertreter der
Stadt im Berairat saß. Die
Firma geriet in Deutschland
in den Fokus der Aufsichtsbehörden, und das Projekt
ging erst 2006 mit dem Einstieg von Stockmann wieder
auf die Zielgerade.
Der Komplex soll im Herbst
2010 eröffnet werden. Der
AntiEhrenbürger
Jussi
Kuutsa wird das bestenfalls in seiner neuen Funktion erleben. Er wechselt
im August von Stockmann
als Country Manager zum
Bauspezialisten SRV nach
Moskau.
Stadtnachrichten S. 4 >>>
Volkspolizist Dymowski
plant Bürgerpicknkick
Kultur S. 5 >>>
“Neues Museum” auf
Wassili-Insel
www.spzeitung.ru
Wirtschaft S.10/11 >>>
Petersburger
Wirtschaftsforum PEF
Fotogalerie S. 12 >>>
Demo für Versammlungsfreiheit
Altkanzler Schröder verteilte Jahreszeugnisse an der Deutschen Schule
Bundeskanzler
a.D.
Gerhard Schröder überreichte an der Deutschen Schule persönlich
die ersten Jahreszeugnisse. Zusammen mit
Nordstream-Direktor Matthias Warnig
überbrachte er die
Botschaft, dass weitere
Sponsorengelder für
die Schule zusammen
gekommen sind.
Von Eugen von Arb
Gut gelaunt traf Gerhard
Schröder in der Deutschen
Schule auf der Wassili-Insel
ein, begrüsste Schulkinder
und Eltern und liess sich von
Schulleiterin
Magdalena
Schmid durch das Schulhaus führen. Mit Vergnügen
liess er sich in den Klassenzimmern auf Gespräche mit
den Kindern ein, beantwortete ihre Fragen und erzählte
aus der eigenen Schulzeit.
Während seinem Auftritt in
der Aula betonte Schröder,
dass die Deutsche Schule
Durchwegs gute Zensuren - “Lehrer” Schröder ist zufrieden.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
für ihn ein persönliches
Anliegen sei, nicht nur weil
er persönlich durch seine
beiden Adoptivtöchter und
Nordstream mit der Stadt
verbunden sei, sondern auch
weil sie Deutschland und
Russland einander näher
bringe und für den Wirtschaftsstandort Petersburg
wichtig sei.
Nordstream sponsert
Deutsche Schule
Ausserdem, so schloss er,
mache es einfach Spass,
glückliche Kinder zu sehen.
Danach verteilte er den 15
Kindern ihr erstes Jahreszeugnis und liess es sich
nicht nehmen, die durchwegs guten Noten zu kommentieren. Im Namen der
Gouverneurin der Stadt St.
Petersburg gratulierte auch
die Vorsitzende des Bildungskomitees Olga Iwanowa Lehrern und Schülern zu
ihrem ersten Schul-Geburtstag. Nicht zufällig wurde
Schröder von NordstreamDirektor Mattias Warnig
begleitet, der nach den
Zeugnissen gewissermassen das “Geschenk” an die
Schule in Form eines Sponsorenbeitrags von 50.000
Euro überbrachte. Weitere
namhafte Beträge wurden
durch deutsche und russische Unternehmen gespendet, womit der Fortgang der
Schule bis auf weiteres gesichert ist.
Die Wichtigkeit einer solchen Schule erfuhr Warnig
beim Werdegang der eigenen Tochter, die wegen des
Fehlens einer Möglichkeit in
Russland das deutsche Abitur zu absolvieren, ein Internat besuchen musste.
Den Schulbesuch rundete
eine kurze Fussball-Session
mit Schröder, der zwar kein
Tor schoss, aber für gute
Laune im Publikum sorgte. Anschliessend fuhren
Schröder und Warnig weiter
zum nahe gelegenen Lenexpo-Gelände, wo sie am
Wirtschaftsforum teilnahmen.
PEF: Staatssekretär Jean-Daniel Gerber am Wirtschaftsforum
eva.- Staatssekretär JeanDaniel Gerber nahm mit
einer Delegation des schweizerischen Staatssekretariats
für Wirtschaft (SECO) am
Petersburger Wirtschaftsforum teil. Aus diesem Anlass
organisierte das Schweizer
Generalkonsulat St. Petersburg einen Empfang.
Gerber erklärte seinen Gästen kurz, welche Interessen
das SECO am PEF verfolgt.
Im Zentrum der Verhandlungen steht das Freihandelsabkommen, welches die
EFTA mit Russland absch-
Erfahrener Delegationsleiter: Jean-Daniel Gerber.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
liessen möchte. Es würden
schwierige Verhandlungen
meinte Gerber – andererseits
beschrieb er die Beziehungen
zwischen Russland und der
Schweiz als gut, lediglich die
weltweite Krise hätten den
Warenaustausch verringert.
Brigitte Scherrer, Länderbeauftragte des SECO bezeichnete das Forum als
sehr nützliche Plattform, um
Kontakte zu knüpfen – es
gäbe in Russland keine andere vergleichbare Möglichkeit,
um über Wirtschaftsfragen
zu verhandeln.
Schon der Russland-Besuch
von Wirtschaftsministerin
Doris Leuthard 2008 stand
im Zeichen des Freihandelsabkommens EFTA-Russland. Zwar unterstützt die
Schweiz den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO), sie möchte
dem Beitritt aber mit dem
Freihandelsabkommen zuvor kommen.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Künstler-Hooligans malen RiesenPenis auf Brücke
Stadtnachrichten
Seite 2
Kaiserliche Gärten - alle Macht den Blumen
Protest gegen die Allmacht des russischen Polizeiapparats. (fishki.ru)
eva.- In der Nacht vom 14.
auf den 15. Juni wurden wie
üblich die Newa-Brücken
für den Schiffsverkehr hochgeklappt – so auch die
Liteiny-Brücke. Doch als
sie oben war, staunte man
nicht schlecht: Ein 65 Meter grosser Phallus zierte
die Brücke – eine Blitz-Aktion der KünstlerhooliganGruppe “Voina” (Krieg).
Dank präziser Vorbereitung
gelang es drei Personen innerhalb einer Minute kurz
vor dem Hebemanöver
den Penis auf den Brückenboden zu zeichnen. Obschon der Skandal innert
Kürze bemerkt wurde,
konnte der Phallus aus technischen Gründen erst nach
Stunden entfernt werden.
Viele Schaulustige versammelten sich vor der Brücke
und einige Touristenbusse
machten Extratouren zur
“Phallus-Brücke”.
Wie die Gruppe verlauten
liess, protestierte sie damit
gegen die allgegenwärtige Kontrolle durch den
Polizeiapparat.
Nicht
zufällig wurde die LiteinyBrücke gewählt, die sich
gegenüber vom “Grossen
Haus”, dem Petersburger
Geheimdienst-Hauptquartier befindet. Einer
der “Voina”-Aktivisten
wurde
festgenommen,
und nach zwei Tagen wieder frei gelassen. Leonid
Nikolajew mit dem Künstlernamen Lenja E****ny
ist schon durch ähnliche
Aktionen bekannt geworden. Am 20. Mai sprang
er unweit des Moskauer
Kremls mit einem blauen
Pastikkübel auf dem
Kopf auf einen parkierten
Wagen des Sicherheitsdienstes mit Blaulicht - das
Ganze wurde gefilmt.
eva.- Im Michailowski-Park hinter dem Russischen Museum fand das dritte internationale Festival
“Kaiserliche Gärten Russlands” mit zwei Dutzend Landschaftskompositionen. Parallel dazu zeigte das
Museum zwei Ausstellungen zum Thema. Aus Anlass des Frankreich-Jahrs in Russland wurde die französische Gartenkultur zu einem Schwerpunkt der Ausstellung. Wichtigstes Thema in der Gartenausstellung war der Wettbewerb “Der französische Garten am Ufer der Newa”. Auf 23 Grundstücken zeigten
die Teilnehmer ihre blühenden und farbenprächtigen Projekte zu diesem Thema. Unter ihnen waren
freischaffende Garten-Designer sowie Firmen, die historische Themen der französischen Gartenkultur
mit zeitgenössischen Mitteln umgesetzt haben. Die Kreationen reichten von relativ banalen Konstruktionen mit plumpen französischen Klischees – Guillotine, Wein, Käse und Eifelturm - bis hin zu raffiniertwitzig arrangierten Gärtchen mit Stellwänden und Bänken, die mit ihrer blühenden Umgebung verschmolzen. Die Gartenschau wurde von einem Programm mit Livemusik, Kunstschmieden, Vorträgen,
Malkursen für Kinder begleitet. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Betonplatten zermalmen sechs Autos vor Baustelle
Aus unerklärlichen
Gründen fielen Betonblöcke einer Baustelle
auf parkierte Wagen.
eva.- Herunterfallende Betonplatten einer Baustelle
am Konogvardeski Boulevard haben sechs Personenwagen zu Schrott zerquetscht. Bei dem Unfall wurde
ein Autobesitzer in seinem
Wagen ernsthaft verletzt
und musste mit Kopf- und
Rückenverletzungen
ins
Spital eingeliefert werden,
schreibt Fontanka.ru.
Zwar ist die Ursache für den
Zwischenfall offiziell noch
nicht bekannt. Aber es wird
angenommen, dass das Baugerüst vor der historischen
Fassade, das mit einem riesi-
Innert Sekunden in Schrott verwandelt: parkierte Autos am Konogwardeiski Boulevard.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
gen Banner verdeckt ist, ins
Schwanken geriet und sich
die Betonelemente dabei
lösten und herunterfielen.
Die verantwortliche Bau-
firma Inteko gehört zum
Konzern der Moskauer
Bürgermeistersgattin und
Oligarchin Elena Baturina.
Bei dem Hotelbauprojekt
handelt es sich um eine typische Aushölung eines historischen Gebäudes, von dem
ausser der Fassade nichts
mehr übrig bleibt.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Fotogalerie
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Gerhard Schröder gab der Deutschen Schule gute Noten
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Stadtnachrichten
Seite 4
“Volkspolizist” Dymowsky plant “Bürger-Picknick” als Protestaktion
Ex-Miliz-Major Alexei
Dymowski, der mit
seiner im Internet
verbreiteten Rede an
Putin über die Zustände im russischen
Polizeiapparat für einen Skandal sorgte,
will mit so genannten
“Bürger-Picknicks”
im ganzen Land gegen
die
widerrechtliche
Besetzung von Erholungszonen durch die
Mächtigen protestieren.
Von Eugen von Arb
An einer Pressekonferenz
erläuterte Dymowski den
Hintergrund für diese neue
Art des Protests. In Zusammenarbeit mit der Bürgerrechtsbewegung “Weisses
Band” will er friedlich und
im Rahmen des Gesetzes
Meetings an jenen Orten
organisieren, wo sich einflussreiche Geschäftsleute
oder Politiker illegal Land
für ihre Wohnhäuser oder
Datschen unter den Nagel
Tritt gegen die Mächtigen und ihre Willkür an: Alexei Dymowski. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
gerissen haben.
Konkret geht es um die geplante Datschensiedlung
“Osero” an der Küste des
“Komsomolskoe”-Sees bei
Priosersk, zu dessen Teilhabern Premierminister
Putin gehören soll.
Die ganze russische Gesellschaft sei von Selbstbereicherung geprägt – die
Mächtigen täten dies im
grossen Stil, die Kleinen
steckten sich ab und zu
einen Rubel in die eigene
Tasche.
Deshalb sei die Korruption
ein Übel, an dem praktisch
jeder russische Bürger beteiligt sei und das deshalb
nur gemeinsam durch
anständiges Handeln aus
der Welt zu schaffen sei.
Darum sei auch die geplante Reform des Polizeiapparats “von oben” eine
Farce. Warum sollten die
Mächtigen bei sich anfangen, fragte Dymowski.
Die angekündigte Kür-
zung des Personalbestandes führe lediglich dazu,
dass erfahrene Polizisten,
die sich nicht mehr mit
dem System arrangierten,
den Dienst quittierten.
Übrig blieben junge und
unerfahrene Beamte.
Die Probleme lägen viel
tiefer – die Bevölkerung
habe kein Vertrauen in
die Polizei und die Justiz,
gleichzeitig, seien die Polizisten völlig demotiviert.
Ein Grossteil der Polizisten haben diesen Beruf gewählt, um nicht ins Militär
zu müssen.
Dabei sei ihre gesellschaftliche Position miserabel.
Sie verdienten schlecht,
und von den angekündigten staatlichen Vergünstigungen für sie und ihre
Familien hätten sie bisher
wenig zu sehen bekommen.
Besonders
interessant
war, die Position des ExPolizisten Dymowski zu
hören: “Wenn Du am einzigen freien Wochenende
des Monats zum Einsatz
bei einer Demo eingesetzt
wirst, ist es Dir völlig egal,
wofür oder wogegen die
Leute demonstrieren. Du
willst nur möglichst bald
nach Hause, um Dich zu
erholen. Darum wünschst
Du Dir nur eines – nämlich dass die Veranstaltung
möglichst schnell aufgelöst
wird.”
Die Machthaber zählten
darauf, dass sich die Opposition spalte, erklärte Dymowski. Wolle eine
Bürgerrechtsgruppe Erfolg haben, müsse sie ihre
Einheit und die Solidarität
unter den Mitgliedern
wahren.
Wie solidarisch sich die
Petersburger Opposition
mit Dymowski fühlt, wird
sich bald zeigen, denn
schon am 10. Juli soll das
erste dieser “Bürger-Picknicks” steigen. Während
der Ferien- und Datschenzeit Leute für Politik zu begeistern, dürfte besonders
schwierig sein.
Ein Davoser und ein Russe engagieren sich für saubere Seen in Russland
Aus der Liebe zum
Davoser See organisierten ein Davoser
Bergbauer und ein
russischer Arzt eine
Aktion zur Sauberkeit
der hiesigen Seen.
Von Eugen von Arb
Im Rahmen der Aktion
“2010 – Jahr der sauberen
Seen” besuchte der Davoser Landamman Hans Peter Michel das Leningrader
Gebiet und zeichnete Freiwillige, die sich an der Reinigung von Seen und ihrer
Umgebung beteiligt hatten,
mit Medallien aus, schreibt
“47News”. Mit diesem
Zeichen des Vertrauens
sollten die “See-Chefs” zu
weiterem Engagement ermuntert werden.
Ihre Aufgabe hatte darin
bestanden, bis zum Beginn
der Sommersaison Seen
Naturparadies Karelien - hier der See bei Kawgolowo.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
in den Regionen Vsewoloschsk, Tosno, Vyborg
und Kingisepp von Müll
zu befreien. Während so
genannter “Subbotniki”
hatten die Enthusiasten auf
ihren Territorien bis zu 12
Kubikmeter Müll (20-30
Säcke) zusammengelesen.
Er hoffe, er werde bei seinem nächsten Besuch ohne
Probleme das Wasser aus
diesen Seen trinken können, meinte Michel gegenüber den russischen
Medien. Von russischer
Seite tönte es allerdings
skeptischer – es sei bisweilen frustrierend: Am
Abend hinterliessen die
Freiwilligengruppen den
Ort, und am nächsten Tag
sei er wieder von Unrat
übersät, meinen einige der
Teilnehmer.
Tatsächlich hat die Konsumwut der letzten Jahre
in Russland zu einer krassen Zunahme wilder Deponien und zur Verschan-
delung von Parks, See- und
Flussufern mit Abfällen
geführt.
Unter grossem Aufsehen
von russischer Seite hatten
Hans Peter Michel und der
russische Geschäftsmann
Tamaz Mchedlize im
vergangenen Jahr das so
genannte “Brudersee-Projekt” zwischen dem Davosersee und dem “Blauen
See” in der Petersburger
Region aus der Taufe gehoben.
Symbolisch wurde eine
Flasche mit dem russischen
Seewasser in den Davosersee ausgeschüttet. Zuvor
nahm Michel aber noch
einen zünftigen Schluck
aus der Flache und sorgte
damit beim russischen Publikum für Furore.
Der FDP-Landamann gilt
in seiner Region als politischer Grenzgänger und
Sonderling. Der 1954 gebo-
rene Bergbauer und Oberst
der Schweizer Armee
studierte an der Fernuni
Hagen Psychologie und
schrieb seine Magisterarbeit zum Thema “Chaoten
sind auch nur Menschen”.
Zu diesem Zweck marschierte er auch schon mal
im “Scharzen Block” der
Gegner des WEFs mit.
Der Patron des Projekts
Tamaz Mchedlize, der in
Russland 18 Zahnkliniken
besitzt, verbringt seit einigen Jahren mit seiner Familie den Urlaub in Davos.
Er habe sich sofort in den
Davosersee verliebt – und
die Sauberkeit der Region,
meinte er gegenüber der
Davoser Zeitung. Er zeigte
sich betroffen vom fehlenden Umweltbewusstsein
seiner Landsleute und hofft
mit der Aktion “den Müll
aus den Köpfen” der Russen zu schaffen.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Kultur
“Neues Museum” auf Wassili-Insel eingeweiht
Ein privater Sammler
hat auf der Wassili-Insel das “Neue Museum”
mit nonkonformistischer Kunst gegründet.
eva.- Auf der Wassili-Insel
direkt gegenüber der MetroStation wurde das private
“Neue Museum” für zeitgenössische Kunst eröffnet.
Petersburg, das über kein
eigenes Museum für zeitgenössische Kunst verfügt,
erhält eine weitere Plattform
für die neueren Kunstströmungen.
Auf drei Etagen wird in erster Linie die Privatsammlung des Petersburger Unternehmers Aslan Tschechojew
gezeigt. Sie besteht aus einem
grossen Fond mit Werken
von “Klassikern” sowjetischer und postsowjetischer
nonkonformistischer Kunst,
wie Oleg Zelkow, Oskar
Rabin, Lidia Masterkow,
Anatoli Swerewa. Unter
den zeitgenössischen russischen Künstlern sind Oleg
eva.- Der Fotograf Artiom
Leschepjokow (geb. 1982)
wuchs in Südrussland auf
und organisierte seine ersten
Ausstellungen in Essentuki,
Kislowodsk und Pjatigorsk.
Sei den letzten drei Jahren
nimmt er auch an Projekten
in St. Petersburg teil und wurde unter anderem mehrmals
beim Canon-Fotowettbewerb
ausgezeichnet. Geprägt vom
klassischen Fotojournalismus
Kultur - Kurz
Eduard Kotschergin
erhält den National
Bestseller Book Prize
2010.
Grosser Bestand sowjetischer und postsowjetischer Kunst im “Neuen Museum.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
Kulika, Leonid Rotarja, Grigori Majofisa vertreten. Der
Sammler Tschechojew sagte
an der Eröffnung, er wisse,
dass seine Institution streng
genommen kein Museum
sei, und man werde sich auch
nicht offiziell als solches registrieren lassen. Doch sei das
“Neue Museum” auch kein
kommerzielles Projekt, und
man werde keine Kunstwerke verkaufen, sondern nur die
Sammlung mit Neuankäufen erweitern. Im “Neuen
Museum” sollen thematische Projekte gezeigt werden
– im Herbst wird das Werk
der nonkonformistischen
Künstlerin Ewgenia Michnowa-Woitenko vorgestellt. Zu
den Wechselausstellungen
werden Ausstellungskataloge
herausgegeben, und in Zukunft ist die Einrichtung eines Kunstateliers für Kinder
geplant. Tschechojew wurde
im südossetischen Zchinwali
geboren und ist Chirurg,
doch seit den frühen Neun-
zigerjahren betätigt er sich
als Geschäftsmann. Schon
vor zwanzig Jahren begann
er Kunst zu sammeln – seine
Sammelstücke kaufte er einerseits direkt bei den Künstlern im Atelier, andererseits
in Galerien und an Auktion
von Häusern wie Christie`s,
Sotheby`s, Phillip`s.
“Novy Musei”, W.O. 6. Linia
29, geöffnet Mi-Fre 11-19,
Sa-So 12-20 Uhr, Mo und Di
geschl. Tel. 323-50-90.
www.novymuseum.ru
Galerie “Borey” im Juli - Fotografie und urbane Etüden
eva.- Die Galerie Borey
stellt in ihrem Juli-Programm zwei völlig entgegengesetzte Richtungen
der Fotografie einander
gegenüber – die poetisch-utopischen Bilder
Sonja Persivals und die
klassisch-schwarzweissen Reportagebilder Artiom Leschepjokows. Zu
diesen Werken kommen
die unkonventionellen
Etüden Konstantin Poljakows.
Seite 5
Fotografie und Malerei im Borey-Juli-Programm.
Bild: Wikimedia Commons
nimmt er das Leben auf der
Strasse auf. In seiner Ausstellung “Schmale Spur” mit
Schwarzweissbildern, die bis
am 10. Juli zu sehen ist, steht
die Begegnung mit Menschen
im Mittelpunkt.
Malerei erweitert den Blick
Konstantin Poljakow (“Etüden” 13. bis 24. Juli) sieht in
der Etüden-Malerei mehr als
die Reproduktion auf einer
Leinwand. Für ihn stellt der
Arbeitsprozess eine Form
der Meditation dar, bei der er
sich einerseits in sein Motiv
vertieft und gleichzeitig den
Blick auf seine Umgebung
erweitert.
Gegenstand “einkreisen”
Mit unruhigem Pinselstrich
“kreist” er den Gegenstand
immer wieder von neuem
an und nähert sich so seiner
endgültgen Form an. Um ein
klar herausmodeliertes Motiv
im Zentrum dreht sich die
verwischte Umgebung einer
Natur- oder Stadtlandschaft.
Sonja Persival empfindet
gleichzeitig das amerikanische Seattle, wohin sie regelmässig reist, und Petersburg,
bzw. Leningrad als ihre
Heimat. Zu ihrer russischen
Heimatstadt hat sie ein sehr
ambivalentes Hassliebe-Verhältnis, das immer wieder
neue Kreativität in ihr weckt.
Verträumt könnte man viele
ihrer Bilder in der Ausstellung “Engel und andere” nennen, die vom 27. Juli bis am 7.
August in der Galerie gezeigt
wird. Auch wenn Engel nicht
in allen Bildern auftreten, so
hat man bei vielen Bildern das
Gefühl, eine erdenferne Welt
zu betreten. Mit raffinierten
Ausschnitten und verfremdeten Farben versetzt Persival
die Petersburger Hinterhofszene in eine unwirklich-utopische Atmosphäre.
Galerie Borey, Liteiny
Prospekt 58, Tel. 275-38-37,
Dienstag bis Samstag von
12.00 bis 20.00 geöffnet,
Eintritt frei.
pd./eva.- Der russische Autor
Eduard Kotschergin, dessen
Erzählsammlung „Die Engelspuppe“ 2009 im persona
verlag erschien, hat den russischen „National Bestseller
Book Prize 2010“ erhalten.
Mit diesem Preis werden
Werke ausgezeichnet, denen
die Jury einen zukünftigen
Bestseller-Status wünscht,
weil sie von hohem literarischen Rang sind.
Eduard Kotschergin erhielt
die Auszeichnung für sein
zweites Buch, „Mit Kreuzen
getauft“. In der Begründung der Jury heißt es: „Das
ist die reine Wahrheit, aufgeschrieben von einem
begabten und weisen Mann,
der ein langes Leben hinter
sich hat.“ „Mit Kreuzen getauft“: Diesem Titel liegt ein
unübersetzbares Wortspiel
zugrunde. Die „Kreuze“
heisst ein Gefängnis, das im
Zentrum Petersburgs an der
Newa liegt und eine zentrale
Rolle in der Verbrecher-Geschichte der Stadt spielt.
Die 1892 eröffnete Haftanstalt ist heute mit rund
10.000 Insassen chronisch
überfüllt. Die Stadt plant
bereits seit Jahren einen Gefängnis-Neubau am Rande
der Stadt, der die völlig
veraltete Anstalt ersetzen
soll. Zugleich ist “Kresty” das
ungewöhnlichste Museum
der Stadt und kann besucht
werden. Auf dem Rundgang
wird eine Ausstellung zur
Gefängnisgeschichte gezeigt.
Das ausgezeichnete Buch enthält auch Texte, die im vom
Persona-Verlag herausgegebenen Buch „Engelspuppe“
zu lesen sind.
Eduard Kotschergin, “Die
Engelspuppe”, Erzählungen,
aus dem Russischen von
Ganna-Maria Braungardt,
Renate Reschke und Thomas Reschke. 256 Seiten,
Hardcover, € 22, SFR 34,
978-3-924652-36-4
www.personaverlag.de
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Stadtnachrichten
Seite 6
Knigge für Fremde - die Regierung sorgt mit Benimmregeln für Fragezeichen
Kaum war ein das Thema in der Hauptstadt
lanciert worden, kam
es auch schon in Petersburg ins Gespräch
– ein Kodex mit Benimm-Dich-Regeln
für Fremde.
Von Eugen von Arb
Die Vorsitzende der liberaldemokratischen
Fraktion (LDPR) Elena Babitsch
machte sich im Petersburger Stadtparlament für ein
ähnliches Projekt stark. Sie
beschwehrt sich darüber, während der Festtage Leute in
seltsamer Kleidung, in Umhängen und Sandalen, über
den Newski spaziert gesehen
zu haben. Als Kulturhauptstadt Russlands, in der sich
während Jahrhunderten ein
eigener typischer Kleidungsstil entwickelt habe, sei Petersburg verpflichtet, für die
Wahrung dieser Norm im
Strassenbild zu sorgen. Als
weiteres Beispiel für fremdländisches Benehmen führte
sie die Schlachtung eines
Schafsbock im Stadtzentrum
am moslemischen KurbanBairam-Fest im letzten Jahr
an. Dem entgegnete der
kommunistische Abgeord-
Der Kodex richtet sich in erster Linie an Zugezogene aus dem Kaukasus und asiatischen
Regionen. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
nete Wladimir Dmitrjew, wo
denn da die viel beschworene
Toleranz gegenüber fremden
Kulturen bleibe, wenn man
das Leben der Ausländer
reglementieren würde? Ausserdem frage er sich, wie sie
sich die Umsetzung dieser
Regeln in der Praxis vorstellen würde. Wahrscheinlich
müsste dazu eine eigene
Organisation
gegründet
werden, die Fremde bei der
Anreise begrüssen und über
Petersburger Kleidung und
Sitten orientieren würde.
Was wohl geschehen solle,
wenn ein Immigrant nichts
besässe als seinen Umhang
und Sandalen?
Nach kurzer Zeit schwenkte
die Diskussion in eine völlig andere Richtung – man
begann über den Dresscode
im Parlament zu reden. Ein
Abgeordneter wurde dafür
gerügt, dass er in T-Shirt und
Jeans zur Arbeit erscheint,
worauf dieser antwortete,
dass er in diesem Fall auch
einen Dresscode für Frauen
im Parlament verlange.
Die Idee eines Führers mit
Verhaltensregeln wurde laut
Fontanka.ru bereits 2008
aufgegriffen. Damals wollte
man allerdings die eigenen
Staatsbürger auf den rechten
Weg bringen. Jungen Russinnen und Russen sollte der
Kodex bei der Überreichung
ihrer Dokumente ausgehändigt werden, um sie auf ein
Leben in Ehrlichkeit und
Redlichkeit vorzubereiten.
Der “Kodex des Moskauers”,
der vergangene Woche in
Moskau vom NationalitätenKomitee lanciert worden
war, richtet sich in erster
Linie an Zugereiste aus asiatischen Regionen und dem
Kaukasus. Darin wird unter
anderem erklärt, dass man
keine Schafe im Hof schlachten, seinen Schaschlik nicht
auf dem Balkon braten, nicht
in der Nationaltracht herumspazieren und unbedingt
Russisch sprechen soll.
Natürlich liessen Kritik und
Häme nicht lange auf sich
warten – schon bald kursierte eine Witz-Version des
Kodex, in dem sämtliche Stereotypen des Hauptstädters
gesammelt sind: Demnach
geht ein echter Moskauer mit
einer Minimalgeschwindigkeit von 10 Stundenkilometern und launischem Gesicht
durch die Strassen. Auf die
Frage eines Passanten nach
dem Weg zuckt er mit den
Achseln oder lässt in abblitzen. Seine Telefongespräche
führt er möglichst laut in
öffentlichen Verkehrsmitteln und orientiert sämtliche
Passagiere über sein Privatleben. Ein echter Moskauer
Autofahrer macht seinen
Vordermann nach maximal
einer Sekunde Wartezeit
durch Hupen auf das grüne
Licht aufmerksam. In der
Metro stellt sich der Moskauer lesend oder schlafend, um
Schwangeren, Behinderten
oder betagten Leuten seinen
Sitzplatz nicht abtreten zu
müssen.
Fahndungserfolg: elf Rechtsextreme auf einen Schlag verhaftet
Der Petersburg gelang in einer Aktion
die Festnahme einer
ganzen Gruppe von
Rechtsextreme, denen
mehrere Morde zur
Last gelegt werden.
Von Eugen von Arb
Im Rahmen einer lang vorbereiteten Aktion gelang
den Petersburger Fahndern die Verhaftung von elf
Männern im Alter von 19
bis 24 Jahren.
Sie werden verdächtigt, an
rund zwei Dutzend Anschlägen und Morden während der vergangenen
zwei Jahre beteiligt gewesen zu sein. Aus-
Verbreitet Angst und Schrecken: die Organisation “NS/WP
Newograd”.
löser
für die Ermittlungen im grossen Massstab war die Ermordung
eines 25-jährigen Studenten aus Ghana im vergangenen Dezember gewesen.
Die bestialische Hinrichtung des Schwarzafrikaners
wurde von einem Mitglied
der Neonazi-Gruppe “”NS/
WP Newograd” (Nationalsozialisten-White Power)
aufgenommen und anschliessend im Internet verbreitet.
Mit Hilfe der Internetverbindungen konnte der
Täterkreis ermittelt und
bald darauf der 17-jährige
“Kameramann” verhaftet
werden. Weitere Hinweise
auf die Täter ergaben sich
bei der Untersuchung des
Bombenanschlags auf eine
Petersburger Vorortsbahnlinie, für den ebenfalls Mitglieder dieser Gruppierung
verantwortlich
gemacht
werden.
Laut Fontanka.ru geht eine
ganze Reihe von grösstenteils tödlichen Anschlägen
auf Ausländerinnen und
Ausländer aus Afrika, dem
Irak, Usbekistan und Tadschikistan auf ihr Konto.
Ihre Aggression richtete
sich aber nicht nur gegen
Fremde, sondern auch ge-
gen “Assoziale”, so wird
ihnen auch die brutale Ermordung von Obdachlosen
zur Last gelegt.
Damit ist vermutlich eine
der grössten und gefährlichsten
rechtsextremen
Gruppen Petersburgs dingfest gemacht worden, allerdings ist die Angelegenheit
damit nicht abgeschlossen.
Im Verlauf der Ermittlungen fand die Polizei heraus,
dass ein Bandenmitglied
von ausserhalb nach Petersburg geschickt worden war,
um hier eine rechtsextreme
Gruppe aufzubauen und
Attentate zu organisieren
– nach diesen Hintermännern wird nun gesucht.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Fotogalerie
Seite 7
Afrika-Tag - grosses Fest einer kleinen Petersburger Minderheit
Die afrikanische Gemeinde Petersburgs
feierte ihr Fest mit
einer Konferenz, mit
Musik, Tanz und Musik im Jugendpalast
auf der Wassili-Insel.
Noch fristet die afrikanische Kultur in
Russland ein zurückgezogenes
Leben
– aber nun hat sie vor,
an die Öffentlichkeit
zu treten.
Von Eugen von Arb
Afrikaner führen in
Russland ein verstecktes
Leben – im Gegensatz zu
westlichen Ländern sind
in den Strassen Petersburgs nur selten dunkelhäutige Menschen zu
sehen.
Ein Grund dafür ist der
relative kleine Anteil
von Afrikanern in der
russischen Gesellschaft,
der zweite die Angst der
Studenten und Migranten aus afrikanischen
Ländern, von Rassisten
angefallen zu werden.
Immer wieder wurden in
den vergangenen Jahren
Afrikaner von russischen
Skinheads und Neonazis
überfallen, misshandelt
und ermordet.
Hochkarätig
Konferenz
besetzte
Doch nun regt sich etwas
in der Gemeinde – man
will nach aussen treten,
zum Beispiel am AfrikaTag, dem 4. Juni, der
im Jugendpalast auf der
Wassili-Insel
gefeiert
wurde.
Vor dem Festakt mit
Film, Musik und Tanz
aus Afrika und Russland
im Kinosaal wurde in
einer Gesprächsrunde
das Verhältnis zwischen
Russland und Afrika
erörtert.
Der runde Tisch war
hochkarätig
besetzt
– anwesend waren der
Botschafter Nigerias in
Russland Abdullahi Sarki Mukhtar, Aliu Tounkara, Vorsitzender der
Afrikanischen Einheit,
Valence
Maniragena,
Vorsitzender der Stiftung “Ichumbi”.
Honorarkonsul
von Angola anwesend
Von russischer Seite
nahmen der Ex-Botschafter und Leiter des
Moskauer Zentrums für
r u s s i s c h- a f r i k a n i s c h e
Beziehungen
Ewgenij
Korendjasow, Alexander Scheltow, Leiter der
Fakultät für Afrikanistik
an der Petersburger Uni,
Wladimir Vidrin Vorsteher der wissenschaftlichen Abteilung der
Kunstkamera, Wladimir
Budnij Honorarkonsul
der Republik Angola in
Petersburg teil.
50 Jahre seit dem Ende
der Kolonialzeit
Angesprochen wurde die
Geschichte der vergangenen 50 Jahre, die von
der Befreiung der afrikanischen Länder von
den
Kolonialmächten
einerseits und von ihrer Unterstützung während des kalten Kriegs
durch die UdSSR geprägt
wurde. Gesche Karrenbrock, Repräsentantin des
UNHCR in Russland
machte auf die schwierige Situation afrikanischer Flüchtlinge und
Staatenloser in Russland
aufmerksam.
“Strategische Freundschaft” mit Afrika
Obschon die sowjetischafrikanische
Freundschaft strategisch motiviert war, ergaben sich
dadurch viele freundschaftliche und idealistische Projekte – eines
der wichtigsten war die
Ausbildung
zehntausender
afrikanischer
Studentinnen und Stu-
denten an russischen
Universitäten.
Nach
dem
Zusammenbruch
der sowjetischen Gesellschaft gerieten diese
Programme ins Hintertreffen.
Die
Konferenzteilnehmer waren sich einig, dass ein Neuanfang
gemacht werden muss
– die Kultur kann dabei
eine Schlüsselrolle spielen, gab Anna Lebedkowa, die Leiterin des
Ausstellungssaals
des
Städtischen Skulpturenmuseums zu bedenken.
Dort hatte im Rahmen
der diesjährigen Deutschen Woche die Ausstellung “Habari Afrika”
mit afrikanischer Kunst
aus der Sammlung Reinhard Klimmt stattgefunden.
Als erstes konkretes Ziel
wird die Gründung eines
afrikanischen Kulturzentrums in Petersburg
angestrebt.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Stadtnachrichten
Seite 8
Vizegouverneur Wachmistrow tritt zurück - Kabinett neu besetzt
Der dienstälteste Vizegouverneur ist aus
Matwijenkos Kabinett
ausgeschieden - an
seinen Platz tritt ein
Jüngerer.
eva.- Nach 16 Jahren
Dienst im Smolny wurde
Vizegouverneur Alexander Wachmistrow von
der Gouverneurin Valentina Matiwijenko aus der
Stadtregierung
verabschiedet.
Sie lobte ihn als kommunikativen und äusserst
korrekten Menschen, der
sich nicht einmal den
Schatten eines Fehlers erlaubt habe und darum mit
reinem Gewissen “die Galeere” verlassen könne.
Wachmistrow
hatte
mehrere Stadtoberhäupter
Verbotene GayParade fand statt
- während einer
Minute
Ein Sträuss in Ehren - Matwijenko verabschiedet Wachmistrow. Bild: www.gov.spb.ru
“überlebt” und war lange
Vorsteher des wichtigen
Bauministeriums. Während der letzten anderthalb Jahre war er jedoch
nur noch als Leiter der
Administration tätig.
Gleichzeitig mit seinem
Abgang nahm Matiwijen-
ko eine Umbesetzung des
Kabinetts vor.
Die wichtigste personelle
Veränderung ist die Ernennung von Finanz- und
Wirtschaftsminister Michail Osejewski, zum Leiter der Administration.
Osejewski wird damit zur
rechten Hand der Gouverneurin.
Gemäss Rotation kommt
der bisherige Vorsteher des Kommitees für
Auswärtiges Alexander
Prochorenko als neuer
Vizegouverneur in die Regierung.
Reformierte Grünzonenplanung - Gegner befürchten Überbauungen
In den neuen Richtlinien, die das Stadtparlament in dritter
Lesung abgesegnet hat,
wurde die Zuständigkeit für die öffentlichen Grünzonen an die
Bezirksverwaltungen
übertragen. Ausserdem
wurde der Bestand der
geschützter Grünzonen fast um einen Drittel gekürzt, und – so
befürchten die Gegner
– der Bauwut von Unternehmen preisgegeben.
eva.- Die Abgeordneten von
“Einiges Russland” und der
liberaldemokratischen Partei LDPR überstimmten
mit ihrer Mehrheit von 31
Stimmen die 15 Gegenstimmen der Kommunisten
und “Gerechtes Russland”,
womit das neue Gesetz am
letzten Tag der Session angenommen wurde.
Konkret bedeuten die neue
Richtlinien, dass in Zukunft
die städtischen Bezirke für
den Unterhalt der öffentlichen Grünzonen zuständig
sein werden. Ausserdem
wurde die Liste der Zonen
Die Gegner der Reform sehen die “grünen Lungen” der Stadt in Gefahr.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
mit diesem Schutzstatus
von früher insgesamt 7872
Hektaren um rund einen
Drittel, um 2466 Hektaren
bzw. 1455 Grundstücke zusammengestrichen. Darunter sind auch Waldparks,
denen allerdings ein besonderer Schutzstatus gemäss
Forstgesetz
versprochen
wurde. Ausserdem fielen
795 kleinere Grünflächen
in verschiedenen Quartieren aus der Liste.
Um deren Schicksal fürchten die Gegner des neuen
Gesetzes, die am Tag der
Abstimmung ein Pikett
vor dem Mariinski-Palast
abhielten. Dank der Lokkerung der Bestimmungen
könnten viele der kleinen
Parks, der Baggerschaufel
zum Opfer fallen, meinen
sie.
Wie der kommunistische
Abgeordnete
gegenüber
“Moi Rayon” sagte, sei auch
die Abstimmung am letzten
Sessionstag nicht zufällig
gewählt worden. Die Übergangsfrist bis zur Inkraftsetzung im Herbst könnte
von
Bauunternehmern
als Gelegenheit für widerrechtliches Bauen benutzt
werden.
Zwar schloss die Regierung
solche Fälle aus – doch wie
die Vergangenheit und unzählige Fälle von “Kämpfen” der Stadtbewohner um
die Erhaltung von Parks
bewiesen haben, muss mit
allem gerechnet werden.
Immerhin sind die neuen
Bestimmungen nun endgültig festgelegt und können nicht mehr wie frühere
“provisorische”
Gesetze
missbraucht werden.
Gay-Parade in Los
Angeles. (Bild Wikimedia
Commons)
eva.- Wie angekündigt
führte die LGBT (Vereinigung der Lesben,
Gays, Bisexuellen und
Transsexuellen)
ihre
Gay-Parade in St. Petersburg durch.
Da die Aktion nicht bewilligt worden war, versuchten die Organisatoren das Eingreifen der
Polizei zu verhindern,
bzw. zu verzögern, indem
sie kurzfristig den Versammlungsort vom Senatsplatz auf den Schlossplatz verschoben.
Aber
trotz
dieses
Manövers war der Auftritt nicht von langer
Dauer – nicht mehr als
eine Minute konnten die
Akteure mit ihren regenbogenfarbigen Flaggen auftreten, dann war
die Miliz zur Stelle und
nahm laut Fontanka.ru
27 Personen vorübergehend fest.
Allesamt
waren
am
Sonntag wieder auf freiem Fuss – fünf Personen
wurden wegen Störung
der öffentlichen Ordnung
zu einer Busse verknurrt.
Durch den unangekündigten
Wechsel
des
Schauplatzes hatte sich
sich nur eine kleine
Gruppe auf dem Schlossplatz versammelt, und
auch das Publikum war
relativ klein, weil die Parade auf dem Senatsplatz
erwartet worden war.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Wirtschaft
Flughafen für Regional-Luftverkehr in Puschkin
Südlich von Petersburg
im Vorort Puschkin
öffnet im Juli der erste
private Flughafen für
Flugzeuge der Klasse
4 (Fluggewicht bis 10
Tonnen) seine Pisten.
eva.- Auf dem Flugfeld, das
zum Militärflugplatz Puschkin gehört, wird im August
ein kleiner Flugsalon mit
Schwerpunkt Business-Fliegerei abgehalten. Betreiber
des Flughafens, der nur 15
Kilometer entfernt von seinem grossen Konkurrenten
Pulkowo liegt, ist der Konzern “Technospezstahl-Engeneering”.
Der Konzern ist nicht nur
der grösste Hersteller von
Muldenkippern in Russland
und Miteigentümer der
“Baltiiski Savod”, sondern
besitzt auch den Flugzeughersteller “Aviabalt”, der das
Kurzstreckenpassagierflugzeut Il-114 entwickelt hat.
Zum Flugplatz sollen mit der
Zeit ein eigener Grenzkont-
Technospezstahl-Engeneering: Flugplatzbetreiber und Hersteller der Il-114.
Bild: Wikimedia Commons
rollpunkt für internationale Flüge, eine Flugschule,
ein kleines Hotel sowie ein
Flugmuseum hinzu kommen, schreibt Fontanka.ru.
Laut Experten hat der neue
Flugplatz gute Chancen,
trotz der nahen Konkurrenz
gewinnbringend betrieben
zu werden, zumal man sich
nicht nur mit der Abfertigung von Flügen, sondern
auch mit dem Unterhalt von
Jets beschäftigen wird.
Die Flughafenbetreiber, die
ihr Projekt vor drei Jahren
in Angriff nahmen, schliessen eine Marktlücke in der
Region Petersburg. In Moskau boomt das Geschäft mit
Business-Flügen bereits seit
einigen Jahren.
Netz von Hubschrauber-Landeplätzen
Für den Flugverkehr in
und um St. Petersburg besteht bereits ein Entwicklungskonzept, in dem der
Flughafen Puschkin nicht
erwähnt ist. Bis ins Jahr soll
der Ausbau des internationalen Flughafens Pulkowo
abgeschlossen sein. Für den
Geschäftsverkehr ist der
Flugplatz Lewaschowo (bisher Militärflugplatz) vorgesehen, und in Kronstadt sollen Wasserflugzeuge starten
und landen. Ausserdem
wird ein Netz von insgesamt
26 Hubschrauberlandeplätzen sowie fünf Helikopterflugplätzen in der Region
aufgebaut.
Grosser Auftakt des offenen AHK-Treffs in St. Petersburg
Mit einem gut besuchten Empfang wurde der
Wirtschaftskreis nach einer Pause wieder belebt.
mm.- In grosser Runde
wurde der lang vermisste
“Deutsche Wirtschaftskreis”
unter dem neuen Namen
“AHK-TREFF” wieder eröffnet. Über 150 Mitglieder
der AHK und viele Gäste
waren in den Wintergarten
des Hotel Astoria gekommen, um an dem Neustart
des beliebten informellen
Treffens der russischen und
deutschen Wirtschaftsgemeinde teilzunehmen.
Zum “Re-launch” sprachen Generalkonsul Peter
Schaller, Gastgeber Stefan
Stein, Hannes Chopra von
der Allianz-Rosno und die
Leiterin der AG Rechtsfragen, Dagmar Lorenz. Über
Lobbying und Mythen in
der Wirtschaft sprach der
Vorstandsvorsitzende der
Gastgeber Stefan Stein. Bild:
Archiv SPB-Herold
AHK Russland – Michael
Harms. Nicht der Präsident
“allein” entscheidet sondern
oft entfernt stehende Beamte
und lokale Beteiligte.
Die Pluralität in der Entscheidungsfindung ist größer als
allgemein gedacht. Bei der
Identifizierung der richtigen
Addressen bietet die AHK
der deutschen Wirtschaft
Hilfestellung.
Mit Deutschem Know How
und den entsprechenden
Normen können sich Deutsche Firmen in Russland
besser positionieren. In seinem kurzen Resümee der
politischen, kulturellen und
wirtschaftlichen Aktivitäten
brach Generalkonsul Peter
Schaller einmal mehr eine
dicke Lanze für die Deutsche Schule.
Mit 50 Kindern ist die Schule immer noch nicht selbst
tragend, aber strategisch
ein wichtiger Pfeiler für die
deutsche Wirtschaft. Die
Möglichkeit, auch deutsche
Mitarbeiter mit Familien
nach Petersburg zu bringen
ist ein wichtiger Standortfaktor.
Daher bat er darum, entweder zu spenden oder Mitarbeiter mit Familien zu
entsenden. Max von Hahn
rotiert vom Wirtschaftsreferat auf den Posten des
Presse- und Kulturleiter
Marcus Stadthaus, der selbst
im Turnus Ende Juli nach
Berlin wechselt.
Der neue Ständige Ver-
treter (Vizekonsul) und
Wirtschaftsreferent heißt
Ferdinand von Weyhe, und
kommt aus dem Russlandreferat des Auswärtigen
Amts. Den Wirtschaftvertretern empfahl Peter
Schaller, auch das Konsulat
in Wirtschaftsfragen zu
kontaktieren. Er kündigte
ebenfalls an, dass die Deutsche Woche 2011 wird nicht
mehr 120 sondern maximal
75 Veranstaltungen umfassen werde.
Nach einen unterhaltsamen
Kurzreferat von Hannes
Chopra über Art, Qualität
und Chancen des russischen
Versicherungswesens und
einer kurzen Rechtsinformation von Frau Rain Lorenz konnten sich die Versammelten St. Petersburger
Wirtschaftsvertreter auf den
Zweck des Abends konzentrieren – Erfahrungsaustausch und “Networking” bei
gutem Essen und Trinken.
Seite 9
Sapsan transportiert
Express-Post
mm. – die Russische Staatsbahn (RZD) monetarisiert
eine alte Tradition. Auf den
Strecken der Sapsan-Schnell-züge können bald offiziell Dokumente und Geld
im Expressdienst transportiert werden. Auf der Strecke
Moskau – St. Petersburg können diese bald recht günstig
und innerhalb von 5h zugestellt werden. Für den Service werden nur die neuen
Sapsanzüge eingesetzt. Für
die niedrigsten Tarife – ein
Brief bis 500g kostet 350 Rubel – müssen die Sendungen
am Bahnhof abgegeben und
abgeholt werden.
Bis Heute verdienen sich die
Schaffner von Fernzügen mit
dem Überbringen von Post
und Paketen bzw. der Entgegennahme von Geld für diese
ein kräftiges Zubrot. Da
die Schaffner auf den Fernstrecken in jedem Waggon
ein eigenes Abteil belegen, ist
Platz genug vorhanden.
Diese
Methode
war
bis zur Gründung der
modernen
Kurierdienste die einzige Möglichkeit, um schneller als mit der
offiziellen Post zuzustellen.
In der Bevölkerung ist diese
Postzustellung bekannt und
akzeptiert.
Die Staatsbahn hat diese
wichtige Dienstleistung am
Menschen wohl nie gerne gesehen, aber auch nie wirklich
unterbunden. So vertrauen
bis heute die Bürger ihre eiligen Dokumente, Geldsendungen und Päckchen gerne
den Schaffnern an.
Tarife:
bis 500g - 350 Rubel
bis 1000g - 400 Rubel
weitere 500g – 110 Rubel
Mit der Ankündigung lieferte
die RZD interessante Marktzahlen zum Thema ExpressZustellung in Russland mit.
So wächst dieser Markt z.Zt.
um 30-40 % pro Jahr an, und
die meiste Korrespondenz
läuft parallel zu den Schnellbahnlinien – zwischen Moskau und St. Petersburg.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
PEF
PEF 2010 - Licht am Ende des Krisentunnels
Präsident Medwedew
setzt auf Reformen
in der globalen Wirtschaft. Erdöl und Rubel
als Leitwährung waren
dieses Jahr kein Thema.
eva.- Mit einer halbstündigen Rede startete Präsident Medwedew das
diesjährige Wirtschaftsforum. Laut Fontanka.
ru war seine Auftritt
von Ernst geprägt, insgesamt jedoch optimistisch – er sehe Licht am
Ende des Krisen-Tunnels
sagte Medwedew. Entsprechend dem Motto des
Forums “Modernisierung
der Wirtschaft”, setzte er
den Satz “Wir haben uns
verändert und werden uns
verändern” an den Anfang.
Er warb für mehr Liberalismus und Flexibilität
und wandte sich gegen
den Protektionismus, der
in vielen Staaten zum beliebten Antikrisenmittel
geworden sei. Auch der
Trat gegen Protektionismus und für mehr Beweglichkeit in
der Wirschaft auf: Präsident Medwedew. Bild: kremlin.ru
Staat, so Medwedew, müsse Beweglichkeit zeigen –
als Beweis dafür erwähnte
er die Senkung der Zahl
staatlicher Unternehmen
auf einen Fünftel.
Die insgesamt ruhige
Ansprache wurde durch
lauten und anhaltenden
Applaus
unterbrochen
als Medwedew bekannt
gab, dass ab dem kommenden Jahr die Steuer
für Kapitalgewinn bei
langfristigen
Investitionen abgeschafft wird.
Der niedrigsten Inflationsrate seit 20 Jahren
von sechs Prozent für 2010
– unter der Bedingung,
dass sich die Lage nicht
verschlechtert – stellte er
ein Wirtschaftswachstum
von “nur” fünf Prozent
gegenüber. Andere Nationen hätten ein wesentlich
höheres Tempo eingelegt,
erwähnte er.
Mit zwei Themen kam
Medwedew komplett von
der Linie des vergangenen Jahres ab: Vom Rubel, den er 2009 noch als
zukünftige Leitwährung
gesehen hatte, war keine
Rede mehr. Stattdessen ist
geplant, in Moskau ein internationales Handelszentrum einzurichten, wo nur
in Rubel gehandelt wird.
Auch das Erdöl, das 2009
noch zu den dominierenden Themen gehört hatte,
war nicht mehr aktuell –
stattdessen will Russland
jetzt mit aller Kraft auf
alternative Energien und
Kernenergie setzen.
Im Verlauf der anschliessenden Diskussion gab
Medwedew bekannt, dass
trotz der Krisensituation
keine Steuererhöhungen
für Unternehmen vorgesehen seien, sondern
im Gegenteil sogar über
eine Senkung nachgedacht werden könne. Laut
Medwedew wird ausserdem eine 90-prozentige
Erschliessung Russlands
mit Internetverbindungen
sowie eine 100-prozentige
Abdeckung des Landes
mit digitalem Fernsehen
angestrebt – nur so könne
Russland zur Informationsgesellschaft werden.
Putin-kritisches Buch wurde trotz Verbot während Forum verteilt
Obschon am Tag vor
dem Beginn des Petersburger
Wirtschaftsforums
sämtliche
100.000 Exemplare des
Buchs “Putin-Bilanz Zehn Jahre” der beiden
Oppositionellen Boris
Nemzov und Wladimir
Milov von der Polizei
beschlagnahmt worden
waren, kam es während
der Forumstage unter
das Publikum.
eva.- Ähnlich wie zu Sowjetzeiten, als verbotene
Bücher von Hand abgeschrieben und heimlich
verbreitet wurden, fabrizierten die Anhänger der
beiden Autoren ihren “Samisdat” (“Selbstverlag”) in
moderner Form. Die Schrift
wurde im Internet auf den
Webseiten der Autoren
kostenlos zum Download
angeboten oder einfach so
War zeitweise DOS-Attacken ausgesetzt: die Webseite des
Oppositionellen Boris Nemzow. Bild: PD
ausgedruckt und verteilt,
schreibt Fontanka.ru.
Der Wirbel um die beschlagnahmten
Bücher,
die offiziell immer noch
von der “Extremismus-Abteilung” der Polizei zum
Zweck der Überprüfung
festgehalten wird, sorgte
für die beste Reklame, die
man sich vorstellen konnte
– das Buch fand reissenden
Absatz. Eine Gruppe von
Aktivisten, die versuchte,
das Buch auf dem Forumsgelände zu verteilen, wurde
allerdings festgenommen.
Die Schrift besteht aus neun
Kapiteln, in denen Putins
Politik auf Schärfste kritisiert wird – Themen sind
unter anderem “Putin – der
reichste Mann Russlands”,
“Die Korruption frisst Russland”, “Die kaukasische
Sackgasse”, “Das Land
schreiender Ungleichheit”.
Nemzow und Milow versuchen darin zu beweisen,
dass die Korruption während den beiden Amtszeiten Putins katastrophale
Ausmasse angenommen
hat, dass die Zahl der Terroranschläge sich versechsfacht hat, die wirtschaftliche Abhängigkeit von den
Rohstoffen weiter zugenommen hat und die Kluft
zwischen Arm und Reich
noch grösser geworden ist.
Ursprünglich war die Herausgabe schon 2008, nach
dem Ablauf der zweiten
Amtszeit Putins geplant gewesen. Sie hätten angenommen, dass sich nach seiner
Ablösung als Staatspräsident etwas in Russlands
Politik verändern würde,
äusserten die Autoren gegenüber der Presse. Aber
es habe sich herausgestellt,
dass Putin weiterhin als
Ministerpräsident die Geschicke des Landes bestimme. Medwedew, den sie als
Putins “Marionette” sehen,
ist denn auch nur eine halbe
Seite im Buch gewidmet.
Seite 10
Rekord-Auftrag:
Petersburger Werft
baut U-Boote für
3,2 Mia Dollar
Exportschlager der russischen Rüstungsindustrie:
Atom- und Diesel-U-Boote.
rian.- Russland verkauft
sechs Diesel-U-Boote an
Vietnam. Der im Dezember vereinbarte Deal ist mit
einem Wert von 3,2 Milliarden US-Dollar einer der
größten in der Geschichte
der russischen Waffenexporte.
Der Liefervertrag war am
15. Dezember während
des Russland-Besuchs des
vietnamesischen
Regierungschefs Nguyen Tan
Dung geschlossen worden.
Demnach hat der russische
Waffenexporteur Rosoboronexport sechs dieselelektrische U-Boote des Projektes 636M an Vietnam zu
liefern. Mit dem Bau der
Boote wurde die Werft Admiraltejskije Werfi in Sankt
Petersburg
beauftragt.
Von der Vertragssumme
entfallen 2,1 Milliarden
US-Dollar auf den Bau der
U-Boote, der Rest auf die
Errichtung der Küsteninfrastruktur in Vietnam.
Im vergangenen Jahr hatten deutsche Exporteure
einen
vergleichbaren
Erfolg auf dem Weltrüstungsmarkt verbucht: Die
Howaldtswerke-Deutsche
Werft GmbH (HDW) in
Kiel erhielt im Juli einen
U-Boot-Großauftrag aus
der Türkei.
Die Werft soll an den Staat
sechs U-Boote der Exportklasse 214 liefern. Der Deal
wird auf 2,5 Milliarden
Euro geschätzt.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
PEF
Seite 11
Sarkozy am PEF: Ideen für russisch-europäische Kooperationen
Im Rahmen von Präsident Sarkozys Besuch
wurde eine Reihe von
Abkommen
unterzeichnet.
eva./rian.- Höhepunkt des
PEFs 2010 war das Treffen mit dem französischen
Staatspräsidenten Sarkozy,
nachdem kurz zuvor Russlands Premier Putin in
Frankreich gewesen war.
Der französische Präsident
wurde von 40 Vertretern
grosser französischer Unternehmen nach Russland
begleitet.
Nachdem bereits im Vorfeld
des Forums der Beschluss
zur Übernahme des russischen Milchkonzerns Unimilk durch Danone unter
Dach gebracht worden war,
folgten weitere wichtige
Vertragsabschlüsse. So unterzeichneten die staatliche
russische
Atomholding
Rosatom und der Konzern
Electricite de France (EdF)
ein Kooperationsabkommen für die Bereiche For-
Für starke russisch-europäische Wirtschaftsbeziehungen
- Sarkozy und Medwedew. Bild: www.kremlin.ru
schung, Entwicklung und
Erprobung von Atomkraftwerken. Französische Energiekonzerne sind jetzt auch
an den Gasversorgungsprojekten mit Russland beteiligt. Der französische Energieriese GDF-Suez ist bei
bei der Ostsee-Gaspipeline
Nord Stream eingestiegen.
GDF-Suez hält einen Anteil
von neun Prozent an der
Pipeline, die von Russland
durch die Ostsee nach Europa führen soll. Für GDFSuez wird Russland zum
drittgrößten Gaslieferant
nach Norwegen und Holland.
Der Konzern Electricite de
France (EdF) hat sich am
russisch-italienischen Gasprojekt South Stream beteiligt. EdF soll 20 Prozent der
Anteile am Projekt erhalten.
Dafür werden Gazprom und
Eni jeweils zehn Prozent ihrer Aktien an die Franzosen
abtreten. Über die Gaspipeline South Stream zwischen
Russland und Italien soll
Südeuropa mit Erdgas versorgt werden. Das Projekt
hat einen geschätzten Wert
von 25 Milliarden Euro.
Frankreich will zusätzliche
russische
Trägerraketen
vom Typ Sojus-ST für 16
Milliarden Rubel (417,75
Millionen Euro) kaufen,
teilte der Chef der russischen
Raumfahrtbehörde
Roskosmos, Anatoli Perminow
mit. Geliefert werde ab 2014.
Zum Stückpreis der Sojus
machte er keine Angaben.
Russland wird nach einem
früher unterzeichneten Vertrag Frankreich 14 Raketen
dieses Modells liefern. Im
neuen Vertrag gehe es um
weitere zehn Trägerraketen,
sagte er. Der erste Start einer
russischen Sojus-ST-Rakete
mit einem Fernmeldesatelliten vom Weltraumbahnhof
Kourou auf FranzösischGuyana ist für den 17. Dezember 2010 geplant.
Das Unternehmen Airbus
Freighter Conversion (AFC)
wird in nächster Zeit in
Russland einen Betrieb für
die Umrüstung von Passagierflugzeugen des Typs
A320/321 zu Frachtmaschinen eröffnen.
Das Projekt soll auf dem
Gelände des Flugzeugbauers
Aviastar in der russischen
Wolga-Stadt Uljanowsk realisiert werden. Uljanowsk
wird zum zweiten Produktionsort von AFC nach Dresden. Die erste umgebaute
Maschine soll in der sächsischen Hauptstadt 2012 präsentiert werden. 2013 sollen
Airbus-Flugzeuge serienmäßig umgerüstet werden.
Später plädierten die beiden Staatschefs auf einer
gemeinsamen Pressekonferenz für weitere Reformen
im Weltfinanzsystem. In
Bezug auf globale Finanzreformen hätten Russland
und Framkreich trotz einiger Differenzen ähnliche
Positionen. Sarkozy äußerte, Russland und Frankreich
seien Befürworter einer
„neuen Weltordnung” im
Finanzbereich. Der französische Gast sprach sich
für die Gründung einer
Organisation aus, die Europa und Russland zu einem
Wirtschaftsraum vereinigen
würde, wo Menschen absolute Freizügigkeit genießen
würden.
Das Petersburger Wirtschaftsforum zieht um
Das 14. Petersburger
Wirtschaftsforum endete mit einer optimistischen Note. Verträge
über eine Summe von
fünf Milliarden Dollar
(150 Milliarden Rubel)
wurden abgeschlossen,
rund 4000 Besucher
und 700 Firmen nahmen am Forum teil.
eva.- Medwedew verglich
das diesjährige Forum
mit dem letzten bezüglich
Wetter – im letzten Jahr
sei das Wetter schlecht
und kalt gewesen, ganz
der Wirtschaftslage entsprechend und diesmal sei
es warm aber nicht überhitzt.
PEF zieht in den Süden
Das kommende 15. Jubiläumsforum möchten
die Veranstalter schon an
einem anderen Ort fei-
Eine zufriedene Gouverneurin am Konferenztisch - Valentina Matwijenko bei der Unterzeichnung des Abkommens für die Gründung eines Pharmazie-Clusters. Bild: www.gov.spb.ru
ern. Wie die Petersburger
Gouverneurin verlauten
liess, wird das Forum aus
dem veralteten und räumlich beschränkten Lenexpo-Messegelände wegziehen. Wohin, ist noch
nicht ganz klar – zwei
neue Standorte im Süden
der Stadt sind möglich:
in einem Neubau auf dem
Areal der Präsidenten-Residenz in Strelna oder an
der Pulkowoer Chaussee,
bei der Abzweigung nach
Puschkin, wo Gazprom
einen Verwaltungskomplex errichtet.
Verkehrsprobleme
im
Stadtzentrum
Der Umzug ist nicht nur
aus Platzgründen und
wegen der veralteten Len-
expo erklärbar – auch
die
Verkehrsprobleme,
die das Forum jeweils im
Zentrum auslöst, wären
mit einem Standort ausserhalb beim Flughafen
gelöst.
Auch Matwijenko konnte
die vorgesehenen Vereinbarungen während der
Forumstage unterzeichnen – darunter die Finanzierung des Verkehrssystems durch die Sberbank
mit 291 Milliarden Rubel
(9,5 Milliarden Dollar)
für die Dauer von zehn
Jahren.
Des weiteren wurde die
Gründung eines Pharmazie-Clusters für insgesamt 6,4 Milliarden Rubel
(208,5 Millionen Dollar)
und der Baubeginn des
Orlowski-Tunnel mit 44,7
Milliarden Rubel (1,5
Milliarden Dollar) beschlossen.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Fotogalerie
Seite 12
“31er”- Demonstration für Versammlungsfreiheit
Die zweite nicht genehmigte Protestaktion
für Versammlungsfreiheit verlief unter gemischten Vorzeichen.
Von Eugen von Arb
Die zweite Demonstration
für den Artikel 31 in der russischen Verfassung ging am
31. Mai über die Bühne. In
Petersburg waren die Kundgebungen vor dem Gostiny
Dwor und auf dem Schlossplatz mit viel Spannung
erwartet worden. Am Tag
zuvor hatte an einer Wohltätigkeitsaktion für Kinder der DDT-Musiker Juri
Schewtschuk Premier Wladimir Putin auf die geplante
Demo angesprochen. Putin
gab in seiner Antwort zu bedenken, dass die öffentliche
Ordnung gewahrt werden
müsse, falls die Leute aber in
einem vernünftigen Rahmen
und nicht nur mit sinnlosem
Geschwätz auftreten würden
– sollte man sich bei ihnen
dafür bedanken, fügte Putin an. Damit ermutigte er
die Öffentlichkeit indirekt
für die Teilnahme an der
Kundgebung, machte aber
kurz darauf einen Rückzieher, indem er durch seinen
Pressesprecher
verlauten
liess, er habe damit die Aktion nicht genehmigt.
So zweideutig wie Putins
Antwort fiel auch der Einsatz
der Polizei aus. Die Opposition konnte sich nicht auf
einen Ort einigen, darum
versammelte sich ein Teil auf
dem Schlossplatz, ein anderer vor dem Gostiny Dwor.
Friedlich, mit 31er-Badges,
Verfassungsbüchlein, Flugblättern und Transparenten
erinnerten Sie die Machthaber an die Einhaltung
der Versammlungsfreiheit,
der im Artikel 31 garantiert
wird.
Hin und wieder begannen
einzelne Demonstranten,
laut aufzutreten und frei
ihre Meinung zur KremlPolitik kundzutun, unterstützt durch Sprechchöre.
Das wurde nicht toleriert
– Polizeitrupps stürzten sich
sofort auf die Agitatoren und
schleppte sie zu den bereitstehenden Bussen am Newski
Prospekt. Laut Fontanka.ru
wurden auf diese Weise rund
hundert Personen weggebracht, während die Polizei
von 60 spricht. Die Ordnungshüter reagierten scharf
auf jede Regung, besonders
als Männer versuchten an
der Wand des Gostiny Dwors
ein Plakat mit der Aufschrift
“Platz der Freiheit” anzubringen. Aber die Polizisten
trugen keine Schlagstöcke
und rührten niemanden an,
der sich ruhig verhielt. Noch
diplomatischer verlief die
Aktion auf dem Schlossplatz,
wo sich weit prominentere
Persönlichkeiten eingefunden hatten: Boris Nemzow
vom Bündnis “Solidarität”,
Maxim Resnik, der Vorsitzende der Petersburger Jabloko-Partei und die grüne
Vorsitzende des Menschenrechtskommitees des Europarlaments aus Finnland
Heidi Hautala.
Wohl aus Rücksicht auf die
internationalen Gäste liess
man die Menge von bis zu
500 Personen in Ruhe. Nachdem die Demonstranten der
Polizei versprochen hatten,
den Verkehr nicht zu behindern, wurde ihnen sogar ein
kurzer Protestmarsch zum
Verfassungsgericht gestattet.
Juni/Juli 2010 (Nr. 18)
Vermischtes
Neubau des Marinemuseums in Krjukow-Kasernen eröffnet
St. Petersburg: In den
renovierten Räumen
der Krujkow-Kaserne
wurde heute das neue
Zentrale Museum der
Kriegsmarine
feierlich eröffnet. Das neue
Gebäude ergänzt die
beliebte und bekannte
Ausstellung von Schiffen, Modellen und Geschichte der Seefahrt in
der Börse an der Strelka
auf der Wassili-Insel.
mm.- Am gleichnamigen
Krujkowkanal – zwischen Hauptpost und
Neu-Holland waren die
ehemaligen
Kasernen
während über drei Jahren komplett renoviert
worden. Das Museum
umfasst 800.000 Exponate, von denen am alten
Standort in der Börse
nur ca. 2% gezeigt werden konnte.
Neubau ist viermal
grösser
Der neue Komplex ist
ca. vier Mal größer und
wird ca. 8% des Bestands
der Ausstellung in zeit-
Impressum
Der St. Petersburger Herold
erscheint einmal monatlich.
Der Inhalt besteht aus Beiträgen der gleichnamigen
Internet-Zeitung www.spzeitung.ru.
Redaktion: Markus Müller
(mm.), Eugen von Arb (eva.),
Anna-Lena Dohrmann (do.)
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Der Petersburger Herold
wird unterstützt von:
Neue Gebäude für die Bestände des Marinemuseums in den alten Krjukow-Kasernen.
Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold
gemäßen Ausstellungsräumen
aufnehmen
können. Hörsäle und
eine Bibliothek sollen
die wissentschaftliche
Arbeit im ehem. Sowjetischen Marinemuseum
verbessern.
Baukosten: 93 Millionen Euro
Die Baukosten betragen
3,5 Mrd. Rubel (ca. 93
Mio. €). Für den Umzug
sind weitere 950 Mio.
Rubel (25 Mio €) in den
nächsten 18 Monaten
im Budget. Das Börsengebäude soll nach und
nach geräumt werden,
die neue Nutzung des
solitären Gebäudes an
der Strelka steht noch
nicht fest.
Innenhof der Kaserne
mit Atrium
Der Innenhof der Krjukow-Kaserne bildet ein
Atrium welches harmo-
nisch in den 72 Meter
langen Hof integriert
wurde. Die Gesamtf läche des Gebäudes
beträgt über 30.000m².
An der Eröffnungszeremonie haben die Gouverneurin
Walentina
Matwijenko und der
Oberste
Befehlshaber
der Kriegsmarine Wladimir Wyssozki und der
Museumsdirektor Andrej Ljalin teilgenommen.
Der St. Petersburger Herold
So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus.
Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”.
mm.- Der St. Petersburger Herold (Online) ist
aus dem Bedürfnis entstanden, ein Internet- und
Informationsportal
für
die deutschsprachige Gemeinde von St. Petersburg
zu betreiben.
Um nicht mit der altehrwürdigen St. Petersburgischen Zeitung verwechselt
zu werden, wurde unsere
Online Zeitung “St. Peters-
burger Herold” genannt.
Die gleichnamige politische Zeitung wurde 1871
als religiös und politisch
unabhängiges
Medium
von St. Petersburger Bürgern deutscher Sprache
gegründet.
Der
St.
Petersburger
Herold wurde in Folge eine
bedeutende überregional
Zeitung und wurde von
den damaligen Leitme-
dien im Westeuropäischen
Raum stark beachtet und
rege zitiert.
In der liberalen, kritischen
und politisch akzentuierten Tradition des “alten St.
Petersburger Herold” finden wir unser Leitbild für
unsere neue Zeitung.
Der
St.
Petersburger
Herold ist auch ein „Mitmach-Portal“ – sie können eigene Beiträge online
Veröffentlichen.
Wir bitten Sie von dieser
Möglichkeit rege Gebraucht zu machen.
Empfehlen sie uns Ihren
Freunden und Bekannten
weiter, damit der “Herold”
zur besseren Vernetzung
und Information innerhalb der der Stadt beitragen kann.
Seite 13
Universität zieht
Klage gegen ExDekanin der
“SchurFak” zurück
eva.- Die Staatliche Universität St. Petersburg zieht
ihre Ehrverletzungsklage
gegen die frühere Dekanin
der Journalismus-Fakultät
Marina Schischkina zurück,
schreibt
Fontanka.ru.
Wie es in der Mitteilung
heisst, sei Schischkin nicht
Schuld daran, dass ihre
kritischen
Äusserungen
gegenüber dem Rektor vor
dem Wissenschaftsrat im
vergangenen Jahr an die
Öffentlichkeit gelangt seien.
Schischkina hatte die Arbeit
der Universitätsleitung als
unbefriedigend bezeichnet
und war daraufhin verklagt und ihres Postens als
Dekanin enthoben worden.
Trotz Studentenprotesten
und internen Verhandlungen verliess sie ihr Amt,
nachdem die Fakultät anfang Jahr wegen Verdachts
auf Unterschlagung von
Budgetgeldern durchsucht
worden war. Vermutlich hat
aber gerade ihr freiwilliger
und friedlicher Rückzug das
Rektorat dazu bewogen, ihre
Klage fallen zu lassen, um
die imageschädigende Affäre
aus der Welt zu schaffen.
Metro Alexander
Newski I
geschlossen
eva.- Die Metrostation Alexander Newski I ist wegen
Reparaturarbeiten bis im
kommenden April geschlossen. Im Zug der Generalüberholung werden der Rollentreppenschacht und die
Rolltreppen erneuert. Ausserdem erhält die 1967 eröffnete
Station neue Diensträume,
Türen und Verglasungen.
Durch die Bauarbeiten sind
zwar Ein- und Ausgang der
Station Alexander Newski
I verschlossen, der Zugang
und das Umsteigen ist aber
durch die Parallelstation Alexander Newski II auf der
gegenüberliegenden Seite des
Newski Prospekts möglich
– der unterirdische Trakt ist
bisher nicht von den Renovationsarbeiten betroffen.