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DNotI
Deutsches Notarinstitut
GUTACHTEN
Dokumentnummer:
letzte Aktualisierung:
14186
08.03.2005
EGBGB Art. 27, 28; GmbHG § 15
Frankreich: Abtretung von Anteilen an einer s.a.r.l.
I.
Sachverhalt
Eine deutsche GmbH will Geschäftsanteile an einer s.a.r.l. mit Sitz in Frankreich kaufen.
Verkäufer ist eine weitere s.a.r.l. mit Sitz in Frankreich.
II. Fragen
1.
Welche Formerfordernisse sind einzuhalten?
2.
Betehen gesetzliche Zustimmungserfordernisse?
III. Zur Rechtslage
1.
Auf die Übertragung anwendbares Recht
a) Materielle Erfordernisse
Die Frage, ob und wie Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft übertragen werden können, unterliegt dem Personalstatut der Gesellschaft (BGH NJW
1994, 939, 940; Merkt, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht,
6. Aufl. 2004, Rn. 871 f.). Das Personalstatut einer Gesellschaft (Gesellschaftsstatut) ist im deutschen IPR gesetzlich nicht definiert. Nach der bisherigen Rechtsprechung sowie nach der wohl weiterhin überwiegenden Auffassung des Schrifttums
bestimmt sich das Gesellschaftsstatut jedoch nach dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft (BGHZ 97, 269, 271 = NJW 1986, 2194 = MittBayNot 1986,
269; von Bar, IPR, Bd. 2, 1991, Rn. 619). Darüber hinaus ist aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Überseering“ und „Inspire
Art“ eine französische Gesellschaft auf der Basis des Gründungsrechts anzuerkennen. Das Gesellschaftsstatut entscheidet dann insbesondere über die Frage, ob der
Anteil übertragbar ist, welche Voraussetzungen für die Übertragung erfüllt werden
müssen, ob die über den Anteil ausgestellten Dokumente Wertpapiere darstellen,
wie diese Papiere übertragen werden können und ob die Verfügung über das verbriefte Recht durch Verfügung über das Wertpapier erfolgen kann (s. Merkt,
Reithmann/Martiny, Rn. 871).
Eine Sonderregelung gilt für in Inhaberpapieren verbriefte Geschäftsanteile: Soweit
nach dem Gesellschaftsstatut der Übergang der Rechte aus dem Papier an die
Übertragung des Eigentums an dem Papier geknüpft ist, wird die Wirksamkeit der
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mr pool Gutachten/14186.doc
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Übertragung des Eigentums nach dem Recht des Belegenheitsortes (lex cartae sitae) beurteilt (Bernstein, ZHR 1976, 414; Kübler, WM 1986, 1305).
Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch offenbar nicht um verbriefte Geschäftsanteile. Dementsprechend wäre ausschließlich das französische Gesellschaftsstatut
anzuwenden.
b) Formerfordernisse
Von den materiellen Voraussetzungen der Abtretung wird die formelle Wirksamkeit getrennt angeknüpft. Gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB unterliegt aus deutscher
Sicht die Form der Abtretung alternativ dem Recht des Ortes, an dem die Abtretung
vorgenommen wird, vorliegend also dem deutschen Recht, oder dem Recht, dem
die Abtretung unterliegt, vorliegend also dem französischen Recht. Es ist umstritten, ob die alternative Anwendung gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB auch für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen gilt. Ein Teil der Literatur geht davon aus,
dass die Form der Abtretung zwingend dem Gesellschaftsstatut unterliegt (z. B.
Lichtenberger, DNotZ 1986, 644, 653). Die wohl überwiegende Auffassung dagegen hält die alternative Geltung des Ortsrechts für gegeben (Firsching/von Hoffmann, IPR, 5. Aufl. 1997, § 10 Rn. 6; BayObLG NJW 1978, 500; OLG München
RIW 1978, 1478 in diese Richtung auch BGH DNotI-Report 2005, 25).
2.
Materielle Erfordernisse nach französischem Gesellschaftsrecht
Nach französischem Gesellschaftsrecht sind die Geschäftsanteile an einer GmbH (société à responsabilité limitée, S. A. R. L.) grundsätzlich übertragbar und vererblich. Die
Übertragbarkeit kann auch in der Satzung der Gesellschaft nicht vollständig ausgeschlossen werden. Allerdings wird die Übertragbarkeit der Anteile insbesondere im
Vergleich mit den Gesellschaftsanteilen an einer S.A. stark eingeschränkt. So dürfen
z. B. über die Gesellschaftsanteile an einer S. A. R. L. keine Inhaberpapiere ausgegeben
werden (Art. 223-11 Code de Commerce).
Da die Übertragung von Rechten im französischen Recht nicht wie im deutschen Recht
abstrakt erfolgt, sondern kausal, ist zur Übertragung der Geschäftsanteile zunächst ein
entsprechendes schuldvertragliches Rechtsgeschäft erforderlich. Zur Wirksamkeit der
Abtretung ist des Weiteren erforderlich, dass die Gesellschafter der S. A. R. L. der Abtretung zustimmen. Erforderlich ist hierzu eine doppelt qualifizierte Mehrheit, und zwar
von ¾ sowohl der Gesellschaftsanteile als auch von ¾ der Gesellschafter nach Köpfen
(Art. 223-14 Code de Commerce). Der veräußernde Gesellschafter kann an der Abstimmung teilnehmen. Verweigert die Gesellschaft die Zustimmung, haben die Mitgesellschafter innerhalb von drei Monaten die Anteile zu einem von einem Sachverständigen festzustellenden Preis zu erwerben.
Zur Einholung der Zustimmung der Gesellschaft ist die beabsichtigte Abtretung der
Geschäftsanteile in einer Gesellschaft mit mehr als einem einzigen Gesellschafter gem.
Art. 45 Abs. 2 Loi sur les sociétés commerciales der Gesellschaft und jedem der Mitgesellschafter per Einschreibebrief mit Rückschein mitzuteilen und innerhalb von acht Tagen nach der Mitteilung eine Gesellschafterversammlung einzuberufen (vgl. Andrieux/Ravel, Code annoté des sociétés commerciales, 3. Aufl., Paris 1995, Art. 45
Anm. 2).
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Schließlich wird die Abtretung dadurch vollzogen, dass die Abtretung der Gesellschaft
förmlich mitgeteilt wird. Dies kann zunächst dadurch erfolgen, dass die Mitteilung der
Abtretung gem. Art. 1690 c. c. durch Gerichtsvollzieher zugestellt wird oder die Gesellschaft der Abtretung in einer notariell beurkundeten Erklärung zustimmt. Weniger aufwendig ist normalerweise die Hinterlegung der Originals der Abtretungsurkunde bei der
Gesellschaft. Dies ist hier durch die Satzung vereinbart worden. Hiernach braucht der
Gerichtsvollzieher nicht eingeschaltet werden. Vielmehr ist es auch möglich, das dass
Original der Abtretungsurkunde am Gesellschaftssitz hinterlegt wird, indem es dem Geschäftsführer der Gesellschaft überreicht wird und dieser dann eine entsprechende Quittung ausstellt.
Damit die Abtretung auch Dritten gegenüber wirksam ist, muss sie durch Eintragung in
das Handelsregister (registre du commerce et des sociétés) publiziert werden.
3.
Formerfordernisse
Zur Formwirksamkeit der Abtretung genügt nach französischem Recht die Einhaltung
der einfachen Schriftform (Cozian/Viandier, Rn. 1349). Allerdings ist im vorliegenden
Fall französisches Recht gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB auf die Form des Kaufvertrages,
der die Übertragung der Geschäftsanteile bewirkt, nur anwendbar, wenn entweder der
Vertrag in Frankreich abgeschlossen wird oder aber französisches Recht gem. Art. 27 ff.
EGBGB kraft Rechtswahl oder „engster Verbindung“ Kaufvertragsstatut ist. Ist deutsches Recht Vertragsstatut, so wäre über § 15 Abs. 4 GmbHG die Beurkundung durch
einen deutschen Notar erforderlich.
Umstritten ist, ob § 15 Abs. 4 GmbHG auch bei einem Geschäftsanteilskaufvertrag
über Geschäftsanteile an einer ausländischen GmbH gilt. Überwiegend wird wohl angenommen, dass § 15 GmbHG auch für ausländische Gesellschaften gilt, soweit sie nur
mit der GmbH deutschen Rechts vergleichbar sind (so ausdrücklich für eine polnische
GmbH: OLG Celle DNotZ 1993, 625 in diese Richtung auch BGH DNotI-Report 2005,
25). Das OLG München argumentierte hingegen in einem Fall, in dem es um den Verkauf von Geschäftsanteilen an einer limited company kanadischen Rechts ging, dass
diese Bestimmungen den Schutz der Anleger vor den Gefahren leichten und spekulativen Handelns mit Geschäftsanteilen bezwecken und daher nur bei der Übertragung von
Anteilen an einer deutschen GmbH anzuwenden seien (OLG München DNotZ 1993,
627). Diese Argumentation ist u. E. verfehlt, da der Schutz der Anleger unabhängig davon erforderlich ist, ob es sich bei der veräußerten Geschäftsanteilen um Anteile an einer deutschen oder an einer ausländischen Gesellschaft handelt. Einen anderen Ansatz
verfolgt Merkt, der es zur Formwirksamkeit zumindest ausreichen lassen möchte, dass
der Kaufvertrag nach dem Recht des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt, formwirksam ist (ZIP 1994, S. 1424 f.). Einer derartigen Rechtsfortbildung stehe jedoch der
Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 EGBGB entgegen. Freilich hat der – für diese Frage i. Ü.
unzuständige – III. Senat des BGH in der Entscheidung vom 4.10.2004 Sympathien für
diese Ansicht gezeigt, auch wenn es auf diese Frage zur Begründung der Entscheidung
gar nicht ankam. Vorsichtshalber sollte dennoch eine Beurkundung vorgenommen werden bzw. von der Beurkundung nur dann abgesehen werden, wenn entweder französisches Recht als Kaufvertragsstatut gewählt wird oder aber der Vertrag nicht in
Deutschland, sondern in Frankreich abgeschlossen wird, so dass die formfreie Wirksamkeit des Vertrages schon aufgrund der in Art. 11 Abs. 1 EGBGB ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zum Tragen kommt. Mithin bedarf der Kaufver-
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trag wohl gem. § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG der notariellen Beurkundung – soweit deutsches Recht Vertragsstatut ist.
4.
Zur gesetzlichen Vertretung der Verkäuferin
Die Vertretung einer französischen s.a.r.l. obliegt dem gérant (Geschäftsführer) der
Gesellschaft (Art. L.223-18 Code de Commerce). Dabei kommt diesen Alleinvertretungsbefugnis zu. Der Nachweis erfolgt durch einen Auszug aus dem französischen registre du commerce de société. In diesem wird regelmäßig auch die Art und Weise der
Vertretungsbefugnis eindeutig und deutlich wiedergegeben.
Eine Apostille kann für den französischen Handelsregisterauszug nicht verlangt werden,
da aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik vom 13.9.1971 (BGBl 1974 II, S. 1100) derartige Formalitäten bei
der Verwendung französischer Urkunden in Deutschland nicht verlangt werden dürfen.