Informationen nach den Kriterien des EU

Transcription

Informationen nach den Kriterien des EU
LÄNDERBERICHT \ IRAK
INHALT
ZUSAMMENFASSUNG
2
GRUNDDATEN ZUM MILITÄRISCHEN SEKTOR
Deutsche Rüstungsexporte
2
6
Bedeutung deutscher Rüstungsexporte für das Empfängerland
8
Militärausgaben
10
Lokale Rüstungsindustrie
11
Streitkräftestruktur
12
Bewaffung der Streitkräfte
14
Die Rolle des Militärs in der Gesellschaft
17
Polizei und andere Sicherheitskräfte
18
INFORMATIONEN NACH DEN KRITERIEN DES EU-VERHALTENSKODEX
Einhaltung internationaler Verpflichtungen
21
21
Achtung der Menschenrechte im Empfängerland
22
Innere Lage im Empfängerland
25
Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region
28
Bedrohung von Alliierten
30
Verhalten in der internationalen Gemeinschaft
31
Unerlaubte Wiederausfuhr
34
Wirtschaftliche und technische Kapazität des Landes
34
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
1\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
ZUSAMMENFASSUNG
Militärischer Sektor im Irak
Deutschland gehört zu einem wichtigen Rüstungslieferanten. Allein im Jahr 2011 genehmigte die Bundesregierung Ausfuhrlizenzen im Gesamtwert von 244 Millionen Euro,
2012 immerhin noch von 112 Millionen Euro. Von den insgesamt 24 bestellten Hubschraubern sind inzwischen alle ausgeliefert.
Im Irakkrieg 2003 zerstörten die USA fast das gesamte Arsenal konventioneller Waffen der gegnerischen Streitkräfte. Infolgedessen stiegen sie seit 2005 zum mit Abstand
wichtigsten Rüstungsexporteur für den Irak auf. Neben den USA gehören auch Russland
und die Ukraine zu den drei wichtigsten Lieferanten. Schon heute verkauft Russland
zahlreiche Waffen an den Irak, wie beispielsweise 40 Maschinen des Mehrzwecktransporthubschrauber Mi-17. Im Oktober 2012 schlossen Russland und der Irak neue Rüstungsverträge im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar, die nicht nur Russlands Stellung als
zweitwichtigster Rüstungslieferant festigen dürfte, sondern auch insgesamt eine wirtschaftliche Annäherung an den Irak vorstellbar macht.
Bereits seit den 1930er Jahren strebte der Irak mit britischer Hilfe den Aufbau einer
eigenen Rüstungsindustrie an. Die irakische Führung forcierte ihre rüstungsindustriellen Anstrengungen seit 1984, als sie mit Hilfe von europäischen Beratern ein großes Investitionsprogramm auflegte, um insbesondere ausländische Rüstungstechnologie zu
erwerben. Nach dem Ende des ersten Golfkrieges 1988 investierte der Irak mehr als 20
Milliarden US-Dollar in den Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie, die jedoch zu jeder
Zeit auf das Wissen und die Technologie ausländischer Unternehmen angewiesen war.
Nach dem Sturz des Machthaber Saddam Hussein 2003 lag die Rüstungsindustrie am
Boden. Ein Großteil der Fabriken war im Dritten Golfkrieg (2003) zerstört worden und
Maßnahmen zum Aufbau eigener Produktionsstätten waren durch Sanktionen bis Sommer 2013 weiterhin begrenzt. Daher ist der Irak bis heute zur Ausstattung der eigenen
Armee auf Waffenimporte angewiesen und wird dies vermutlich noch lange bleiben.
Allerdings ist das Land im Besitz von Lizenzen zur Herstellung von Kleinwaffen, wie der
AK-47, AK-74 und dem Scharfschützengewehr Dragunov SVD, die sie bereits vor mehreren Jahrzehnten erhalten haben.
Der Irak verfügte von 1979 bis 1991 über ein Chemiewaffenprogramm, obwohl er
1931 dem Genfer Protokoll über das Verbot von chemischen Waffen von 1925 beitrat.
Das Land entwickelte im Rahmen des sogenannten Project 922 chemische Waffen und
setzte diese im Esten Golfkrieg gegen den Iran ein.
Das irakische Militär umfasst 271 400 Soldaten und besteht aus drei Teilstreitkräften
(Heer, Marine und Luftwaffe). Der Irakkrieg 2003 stellte für das irakische Militär eine
schwere Niederlage dar. Anschließend entließen die von den USA angeführten Koalitionsstreitkräfte alle Soldaten und lösten die Armee auf – die tiefste Zäsur in der Geschichte der irakischen Streitkräfte. Bereits kurz darauf beschloss die US-Führung den
Aufbau einer neuen irakischen Armee. Doch trotz einiger signifikanter Fortschritte
2\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
kämpfen die irakischen Streitkräfte weiterhin mit zahlreichen Schwierigkeiten. Es mangelt an Ausrüstung, Einsatzfähigkeit und Kommunikation. Die internen Konflikte aufgrund von ethnischen oder religiösen Differenzen fordern vom Militär zudem einen hohen Einsatz.
Dem Heer kommt bei der Landesverteidigung die wichtigste Aufgabe zu. Es verfügt
auch mit Abstand über die größte Anzahl an Soldaten aller Teilstreitkräfte. Bis Ende
2013 will der Irak von den USA Rüstungsgüter und Waffen im Wert von mehr als 13 Milliarden US-Dollar kaufen. Die irakische Marine gehört zu den kleinsten Teilstreitkräften
der irakischen Armee. Sie sichert mit Hilfe einer Reihe von Patrouillenbooten die Küstengewässer der kurzen Seegrenze von 68 Kilometern und die zwei Öl-Anlegestellen.
Allerdings ist die Marine bis heute nicht selbstständig in der Lage zu operieren und ihre
volle Einsatzbereitschaft wird sie wahrscheinlich frühestens 2015 erreichen. Die irakische Luftwaffe ist ein Teil der irakischen Streitkräfte, wurde aber im letzten Irakkrieg
weitgehend zerstört bzw. nach dessen Ende durch die Koalitionsstreitkräfte aufgelöst.
Der Aufbau gestaltet sich grundsätzlich schwierig, weshalb er entsprechend langsam
und schleppend verläuft.
Die irakischen Streitkräfte blicken auf eine lange Geschichte zurück. Alle Regierungen
seit den 1920er Jahren betrachteten das Militär als politisches Instrument zur Machterhaltung und als Pfeiler der eigenen Legitimität. Insgesamt lässt sich die Beziehung zwischen dem Staat bzw. den irakischen Regierungen und den Streitkräften als eine der gegenseitigen Abhängigkeit beschreiben. Mit dem Sieg der “Koalition der Willigen“ im
Frühjahr 2003 begann die Auflösung des alten Regimes und der kurz darauf folgenden
Einsetzung einer Übergangsverwaltung durch die USA. Beides markiert das Ende der
irakischen Streitkräfte in ihrer autonomen Existenz, einschließlich der Entlassung von
400.000 Soldaten. Die Folge war das Aufbrechen verkrusteter Strukturen, die jedoch
über die Jahre eine gewisse Stabilität innerhalb der Streitkräfte und des Landes garantiert hatten. Trotz der gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber dem Militär, begegnete
die Bevölkerung dieser Entwicklung ablehnend und mit Protest. Auch wenn die Koalitionstruppen bis zum Abzug der USA im Jahr 2011 einiges bei der Ausbildung und Professionalisierung erreichen konnten, sind die irakischen Streitkräfte alles in allem nach wie
vor nicht in der Lage, die innere Sicherheit eigenständig ohne US-Truppen zu gewährleisten. Gerade die fehlende Sicherheit, die ständigen Bombenanschläge, das gewaltsame
Vorgehen des Militärs bei Hausdurchsuchungen und die bestehenden religiösen Differenzen innerhalb der Streitkräfte haben das Ansehen der Armee aber auch der Regierung innerhalb der Gesellschaft geschwächt und in ihre Legitimität in Frage gestellt.
Neben dem irakischen Militär existieren noch weitere, etwa 400.000 Mann starke Sicherheitskräfte (manche Quellen sprechen sogar von bis zu 600.000), die überwiegend
dem irakischen Innenministerium unterstehen, teilweise aber auch direkt der Antiterrorabteilung des Ministerpräsidenten zugeordnet sind. Grundsätzlich ist das irakische
Innenministerium mit weitreichenden Befugnissen zur Sicherheitsvorsorge ausgestattet,. Aus Sicht der Bevölkerung hat die Polizei während der Gewaltphase zwischen 2006
und 2007 eine kontroverse Rolle gespielt. Seit 2007, nachdem die Gewalt im Land weiter
durch die irakische Regierung und die Koalitionsstreitkräfte eingedämmt werden konnte, begann durch eine Reform eine Kurskorrektur in der Ausbildung der Polizei, um die
Sicherheitskräfte mit anderen Aufgaben als der Aufstandsbekämpfung vertraut zu machen. Schwerpunkt der Einsätze seit 2007 sind klassische Aufgaben der Strafverfolgung
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
3\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
und der Schutz von Zivilisten. Die Polizei gehört zu den präsentesten Sicherheitsakteuren in der Gesellschaft, wodurch Vertrauen geschaffen werden konnte. In Folge der Reform von 2007 wurde auch die Anzahl der sunnitischen Polizeibeamten sukzessive erhöht. Neben den Polizeieinheiten bestehen zahlreiche Geheimdienste, die unterschiedliche Aufgaben innehaben. Überwiegend sind sie aber mit der Informationsbeschaffung
und deren Auswertung betraut. Insgesamt gibt es im Irak weitreichende Koordinationsprobleme bei den Geheimdiensten. Ihre Kontrolle ist unzureichend ausgestaltet und ihr
Nebeneinander verwischt die Aufgaben, so dass es immer wieder zu Konflikten zwischen den einzelnen Geheimdiensten kommt.
Außerhalb des Militärs und der Polizei operiert die Antiterroreinheit, die derzeit aus
etwa 4.000 Mann besteht. Sie untersteht einem zivilen Kommando und ist direkt dem
Büro des Ministerpräsidenten zugeordnet. Problematisch sind die fehlende parlamentarische Kontrolle sowie der insgesamt unzureichende gesetzliche Rahmen für Operationen dieser Einheit. Sie operiert unter vollkommender Geheimhaltung und koordiniert
ihre Aktivitäten nicht mit anderen Sicherheitskräften, was das Misstrauen ihr gegenüber
verstärkt. Der Antiterroreinheit werden Folter, Vergewaltigung und Raub vorgeworfen.
Auch die Nähe zu US-amerikanischen Spezialeinheiten hat zu einer starken Skepsis innerhalb der irakischen Bevölkerung geführt.
Kriterien des EU-Verhaltenskodex
Der Irak ist einer Reihe wichtiger internationaler Abrüstungsabkommen beigetreten.
Den 1983 in Kraft getretene Vertrag zum Verbot bestimmter konventioneller Waffen
sowie das jüngste Übereinkommen über Streumunition hat der Irak zwar unterzeichnet,
die Verträge aber bis heute noch nicht ratifiziert.
Seit der US-amerikanischen Invasion 2003 hat sich die Menschenrechtslage in dem
Land drastisch verschärft. Selbstmordanschläge, Verfolgung religiöser Minderheiten und
illegale Verschleppungen durch staatliche Sicherheitskräfte sowie unrechtmäßige Inhaftierung prägten das Bild. Bis heute sind die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte nicht ausreichend in der Lage die innere Sicherheit zu gewährleisten, worunter das
friedliche Zusammenleben der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in dem Land
erheblich leidet. Die Hauptstadt Bagdad gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt.
Auch zehn Jahre nach der US-Invasion gehören Bombenanschläge und Gewalt zum alltäglichen Bild. Aber nicht nur staatliche Akteure sind für Menschenrechtsverletzungen
verantwortlich, auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen begehen sie, auch in Form von
Terrorakten einschließlich zahlreicher Selbstmordattentate.
Nach wie vor gibt es die Todesstrafe im Irak. 2011 gab es 68 vollstreckte Todesurteile, 2012 verdoppelte sich die Zahl fast auf 129. Nicht nur in diesen Fällen, sondern insgesamt ist es problematisch, dass die irakische Justiz erzwungene Geständnisse in Gerichtsprozessen als Beweismittel zulässt.
Die Besatzung durch die US-Armee hat einen internen, teilweise gewaltsamen Konflikt entlang ethnisch-religiöser Trennlinien zutage gebracht, bei dem es einerseits um
den Zugang zu Macht, andererseits um die Dominanz einer religiösen Gruppe (Schiiten
oder Sunniten) geht. Die Konflikte spielen sich vor allem zwischen drei große Gruppen
ab: den sunnitischen und schiitischen Arabern sowie den Kurden. Die Beziehungen zwischen der irakischen Zentral- und der kurdischen Regionalregierung sind extrem ange-
4\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
spannt. Immer wieder wirft die irakische Regierung den im Norden des Iraks ansässigen
Kurden vor, sie wollten einen eigenen Nationalstaat gründen. Sowohl die irakische Zentralregierung als auch die Kurden beanspruchen die Verwaltung der Region. Dass in der
kurdischen Region vor allem in den Provinzen Kirkuk und Mosul wichtige Ölreserven
des Iraks liegen, erschwert zusätzlich einen Interessenausgleich.
In der Vergangenheit lehnte eine Mehrzahl der irakischen Bevölkerung die Anwesenheit der ausländischen Streitkräfte ab. Das oft gewaltsame Vorgehen der USamerikanischen Truppen und anderer Streitkräfte gegen die irakische Bevölkerung im
Kampf gegen den Terrorismus verursachte regelrechten Hass auf die Alliierten.
Immer noch fühlen sich sunnitische Araber durch die schiitische Regierung unter Ministerpräsident Al-Maliki marginalisiert und sehen die Gefahr einer zunehmenden Entfremdung von Gesellschaft und Politik. In Folge kam es im Frühjahr 2013 zu massiven
Protesten der sunnitischen Bevölkerung gegen die Regierung, die stellenweise gewaltsam eskalierten. Die politische Lage in der Region ist derzeit vor allem durch den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien geprägt, ist aber auch durch eine insgesamt schwierige
politische Konstellation (Palästinakonflikt, Atomfrage Iran, etc.) angespannt. Eines der
größten Herausforderungen für den Irak ist die Terrorgruppe Islamischer Staate, die
besonders im Norden des Landes zahlreiche Städte erobert hat.
Seit dem offiziellen Abzug der US-Truppen Ende 2011 ist das Land eine wichtige Anlaufstelle für internationale Terrorgruppen geworden. Inzwischen dient es als Rekrutierungs- und Ausbildungsbasis für neue Kämpfer und zum Ausbau verschiedener terroristischer Netzwerke. Organisierte Kriminalität ist im Irak weit verbreitet und stellt ein
wesentliches Hindernis für den Staatsaufbau und die allgemeinen Entwicklung dar. Sie
finanziert u. a. den Konflikt zwischen den Konfessionen. Der illegale Verkauf von Öl ist
dabei eine zentrale Einnahmequelle für kriminelle Gruppen. Die irakische Regierung
und die USA haben den kriminellen Aktivitäten inzwischen den Kampf angesagt, nachdem sie erkannt hatten, welche negativen Auswirkungen sie auf die gesellschaftliche
und wirtschaftliche Entwicklung des Landes haben.
Im Hinblick auf seine gesamtwirtschaftliche Lage beweist der Irak seit 2006 eine ausgeprägte Robustheit. Die Wirtschaft des Landes leidet zwar immer noch unter den Folgen von Krieg, Embargo und einer weit verbreiteten Korruption, aber die maßgeblichen
Wirtschaftsindikatoren entwickeln sich positiv. Das BIP pro Kopf ist seit 2008 von 4,472
bis 2012 auf 6,455 US-Dollar gestiegen. Gleichzeitig ist die Inflation in den letzten Jahren
rückläufig und liegt aktuell bei etwa zwei Prozent, was zu mehr Konsum führt.
Die Anzahl der Erwerbstätigen hat sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 um rund eine
Million erhöht und liegt aktuell bei etwa neun Millionen. Dennoch ist die insgesamt
niedrige Erwerbsquote ein drängendes Problem für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die Ölförderung ist der Hauptzweig der irakischen Wirtschaft und
mit etwa 90 Prozent der Staatseinnahmen in den letzten Jahren die wichtigste Einnahmequelle der Regierung. Die US-Invasion hat drastische Auswirkungen auf das Bildungssystem gehabt. Heute ist die Alphabetisierungsrate im Irak schlechter als vor 25
Jahren. Unter den jahrelangen Sanktionen, dem Krieg und der Besatzung hat auch das
Gesundheitssystem schwer gelitten. Zerstörte Infrastruktur sowie die Abwanderung der
Ärzte und des medizinischen Personals sind das wohl größte Hindernis für seine Entwicklung und Verbesserung.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
5\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
GRUNDDATEN ZUM MILITÄRISCHEN SEKTOR
Deutsche Rüstungsexporte
Tabelle 1
Deutsche Rüstungsexporte nach Außenwirtschaftsgesetz, 1999-2014 (in Millionen Euro)
Jahr
Güter / in Prozent des Gesamtwertes
Gesamtwert
2003
Geländewagen für Mitarbeiter im Bereich humanitäre Hilfe und einer Botschaft:
94,9 %
2004
LKW, Geländewagen und Teile für gepanzerte Fahrzeuge: 88,0 %
32,88
2005
Geländewagen, LKW, Sattelauflieger, Anhänger, Radplaniergeräte und Teile für
gepanzerte Fahrzeuge: 81,0 %
25,06
2006
Geländewagen und Teile für gepanzerte Fahrzeuge, Geländewagen: 71,6 %
Dekontaminationsausrüstung und Teile für Schutzbelüftungen: 14,5 %
10,77
2007
LKW, Schwenklader, Geländewagen mit Sonderschutz und Rückhaltesysteme für
Geländewagen: 85,2 %
6,84
2008
LKW, Schwenklader, Sattelzugmaschinen und Teile für Landfahrzeuge: 90,3 %
7,16
2009
Elektronische Ausrüstung, Prüfausrüstung und Teile für Elektronische Kampfführung: 74,4 %
25,59
2010
Pilotenhelme und Teile für Hubschrauber, Bordausrüstung: 85,4 %
54,29
2011
Kampfhubschrauber: 84,6 %
244,31
2012
Kampfhubschrauber: 83,2 %
112,65
2013
Infrarot- und Wärmebildausrüstung: 40,3%
Teile für Kanonenmunition: 34,8%
Teile für Kampfhubschrauber: 17,3%
2014
Munition für Panzerabwehrwaffen, Maschinengewehre, Gewehre, Revolver und
Pistolen: 32,1%
Gewehre mit KWL-Nummer, Maschinengewehre und Pistolen: 20,1%
Flugkörper, Handgranaten, Ausrüstung zum Räumen von Landminen, Werkzeuge zur Munitionsbeseitigung und Teile für Flugkörperabwehrsysteme für Hubschrauber: 19,6%
Helme, Bombenschutzanzüge, Minenschutzanzüge und ballistische Schutzwesten: 9,7%
1,56
21,35
86,1
Quelle: Rüstungsexportberichte der Bundesregierung 1999-2014, verfügbar auf der Website des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie http://www.bmwi.de
6\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Schaubild 1
Deutsche Rüstungsexporte, 1999–2014
300
Millionen Euro
250
200
150
100
50
0
Tabelle 2
Auszug aus dem Waffenhandelsregister von SIPRI, Lieferungen aus Deutschland in den
Irak 2000-2014
Bestell- Liefer- Bisher
Kommentar
Jahr
Jahre geliefert
Anzahl
Bezeichnung Waffenkategorie
24
EC-135/EC635
Leichter Hubschrauber
2009
20112012
24
5
Dingo-2
Gepanzerte Mannschaftstransporter
2014
2014
5
500
MILAN
Panzerabwehrrakete
2014
2014
(500)
360 Mio. EuroGeschäft, über
Frankreich
bestellt
Gebraucht; für
die KRG zum
Einsatz gegen
den IS
Gebraucht; für
die KRG zum
Einsatz gegen
den IS
Quelle: SIPRI Arms Transfers Database, http://armstrade.sipri.org/arms_trade/trade_register.php
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
7\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Kommentar
Laut SIPRI steht Deutschland im Zeitraum von 2010-2014 mit einem Volumen von 57
Millionen US-Dollar an vierter Stelle der größten Rüstungsexporteure an den Irak. Im
Jahr 2009 beschloss die Bundesregierung die Lieferung von leichten Kampfhubschraubern des Typs EC-635 vom Hersteller Eurocopter. Allein im Jahr 2011 genehmigte die
Bundesregierung daher Ausfuhrlizenzen im Gesamtwert von 244 Millionen Euro, 2012
immerhin noch von 112 Millionen Euro. Von den insgesamt 24 bestellten Hubschraubern sind inzwischen alle ausgeliefert. Zudem lieferte Deutschland im Jahr 2014 fünf
gepanzerte Mannschaftstransporter, rund 500 MILAN-Panzerabwehrraketen sowie eine
Reihe von G-36 Sturmgewehren an die Peschmerga-Truppen der Regierung der Autonomen Region Kurdistan (KRG) als Unterstützung im Kampf gehen den Islamischen
Staat (IS). Offizieller Partner für das Geschäft war das irakische Verteidigungsministerium in Bagdad.
Bedeutung deutscher Rüstungsexporte für das Empfängerland
Tabelle 3
Absolute Höhe der Rüstungsexporte in den Irak 2010-2014, Mio. USD
Jahr
Summe
2010
2011
2012
2013
2014
2010-2014
453
605
476
344
627
2505
Alle Angaben in konstanten Preisen mit 1990 als Basisjahr
Quelle: SIPRI Arms Transfers Database: http://armstrade.sipri.org/armstrade/page/values.php
Tabelle 4
Deutsche Rüstungsexporte in den Irak 2010-2014, Mio. USD
Jahr
Summe
2010
-
2011 2012 2013
36
18
-
2014
2010-2014
3
57
Alle Angaben in konstanten Preisen mit 1990 als Basisjahr
Quelle: SIPRI Arms Transfer Database, http://armstrade.sipri.org/armstrade/html/export_values.php
8\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Schaubild 2
Wichtigste Lieferanten der Rüstungsgüter 2010-2014, Mio. USD
2000
1653
1500
1000
517
500
220
57
32
0
USA
Russland Ukraine Deutschland
Iran
9
7
Südafrika Kanada
5
4
Serbien Bulgarien
Alle Angaben in konstanten Preisen mit 1990 als Basisjahr
Quelle: SIPRI Arms Transfer Database, http://armstrade.sipri.org/armstrade/html/export_values.php
Kommentar zu den Waffenkäufen
Im Irakkrieg 2003 zerstörten die USA fast das gesamte Arsenal konventioneller Waffen der gegnerischen Streitkräfte. Infolgedessen stiegen sie seit 2005 zum mit Abstand
wichtigsten Rüstungsexporteur für den Irak auf und liefern für Milliarden US-Dollar
Waffen an das Land. Neben den USA gehören auch Russland und die Ukraine zu den drei
wichtigsten Lieferanten.
Im August 2008 einigten sich die USA und der Irak auf ein zehn Milliarden US-Dollar
teures Rüstungsgeschäft, das die Lieferung von Hubschraubern, Panzern und Raketen
umfasst. Bis heute exportierten die USA insgesamt über 1 200 gepanzerte Mannschaftstransporter in verschiedener Ausstattung und 8 564 geländegängige Mehrzweckfahrzeuge (HMMWV), von denen 8 500 bereits ausgemustert waren, in den Irak. Zu den USamerikanischen Rüstungsexporten gehören auch Transportflugzeuge und (leichte) hubschrauber sowie F-16 Kampfflugzeuge. Der Unmut der irakischen Führung über die
oft langsame Auslieferung der Waffen durch die US-amerikanische Regierung könnte
möglicherweise Bagdad in Zukunft antreiben, sich stärker in Russland, Tschechien und
eventuell sogar China umzuschauen, um den Bedarf an Rüstungsgütern zu decken.
Schon heute verkauft Russland zahlreiche Waffen an den Irak, wie beispielsweise 40
Maschinen des Mehrzwecktransporthubschrauber Mi-17. Im Oktober 2012 schlossen
Russland und der Irak neue Rüstungsverträge im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar, die
nicht nur Russlands Stellung als zweitwichtigster Rüstungslieferant festigen dürfte, sondern auch insgesamt eine wirtschaftliche Annäherung an den Irak vorstellbar macht.
Das Geschäft umfasst neben der Lieferung von Mi-17z Hubschraubern auch Boden-LuftAbwehrsysteme und eventuell Kampfflugzeuge.
Aus der Ukraine kaufte der Irak Transportflugzeuge sowie zahlreiche gepanzerte
Mannschaftstransporter und Schützenpanzer. Mit der italienischen Firma Fincantieri
einigte sich die irakische Marine 2006 auf den Kauf von vier Saetti MK4 Class Patrouillenbooten, die 2009 in Dienst gestellt wurden.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
9\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Militärausgaben
Tabelle 5
Absolute Militärausgaben und Anteil am BIP (Mio. USD)
2010
2011
2012
2013
2014
3789
5905
5688
7281
8381
Anteil am BIP (in Prozent)
2,6
3,3
2,9
3,5
4,2
Anteil an Staatsausgaben* (in Prozent)
5,2
7,3
6,5
7,0
9,1
Militärausgaben (in Millionen US-Dollar)
Angaben in konstanten Preisen mit 2011 als Basisjahr.
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database
*Daten über den Anteil der Militärausgaben an den Staatsausgaben sind kritisch zu betrachten. Lückenhafte und unzureichende Daten lassen eine genaue Abbildung nur bedingt zu.
Schaubild 3
Absolute Militärausgaben, Trend 2005 – 2014 in Mio. USD
9000
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Angaben in konstanten Preisen USD mit dem Basisjahr 2011
Quelle: SIPRI Arms Transfers Database
10\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Schaubild 4
Anteil der Militärausgaben am BIP, Trend 2005 – 2014 (in Prozent)
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Angaben in konstanten Preisen mit 2011 als Basisjahr.
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database
Lokale Rüstungsindustrie
Bereits seit den 1930er Jahren strebte der Irak mit britischer Hilfe den Aufbau einer
eigenen Rüstungsindustrie an, die zunächst auf die Herstellung von Klein- und Leichtwaffen sowie die dazugehörige Munition ausgerichtet war. Nach dem Putsch von 1958,
in dem eine Gruppe Offiziere unter der Führung des Generals Abd al-Karim Qasim die
haschemitische Monarchie stürzte, produzierte die Rüstungsindustrie fortan vor allem
sowjetische Modelle und stagnierte bis zur Machtübernahme durch die Baath Partei
1968 in ihrer Entwicklung. In den 1970er Jahren ging es bis zum Iran-Irakkrieg (1980
bis 1988) langsam aufwärts. Die irakische Führung forcierte ihre rüstungsindustriellen
Anstrengungen seit 1984, als sie mit Hilfe von europäischen Beratern ein großes Investitionsprogramm auflegte, um insbesondere ausländische Rüstungstechnologie zu erwerben. Nach dem Ende des ersten Golfkrieges 1988 investierte der Irak mehr als 20 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie, die jedoch zu jeder Zeit
auf das Wissen und die Technologie ausländischer Unternehmen angewiesen war. Zwar
war die Sowjetunion zu jenem Zeitpunkt der wichtigste Rüstungslieferant, aber auch
Frankreich spielte beim Transfer von Rüstungstechnologie eine bedeutsame Rolle.
Bis 1991, dem Ende des Zweiten Golfkrieges, lag die Verantwortung für die Rüstungsindustrie bei der Military Industrialization Commission (MIC) bzw. dem 1988 gegründeten Ministry of Industry and Military Industrialization (MIMI). Das MIMI kontrollierte
etwa 35 Unternehmen, die direkt in die Entwicklung und Produktion von Waffen eingebunden waren, einschließlich des Programms zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen. Das MIMI wurde nach dem Sieg der Alliierten Streitkräfte 1991 unter Führung der USA aufgelöst und in die alten Strukturen der MIC überführt. In den 1990er
Jahren versuchte die MIC, die zerstörte rüstungsindustrielle Basis im Irak wieder aufzu-
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
11\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
bauen, was aber vor dem Hintergrund der von den Vereinten Nationen verhängten
Sanktionen, fehlender Finanzmittel und mangelnder Ressourcen scheiterte. Mit dem
Ende der Sonderkommission der Vereinten Nationen (UNSCOM), die mit der Überwachung der Zerstörung aller chemischen und biologischen Waffen sowie konventionellen
Raketen mit einer Reichweite über 150 km beauftragt war, im Irak 1998 nahm die MIC
wieder ihre volle Arbeit auf und betrieb die Entwicklung eigener Waffen, vor allem heimische Raketenprojekte. Durch die verstärkte Privatisierung gegen Ende der 1990er
Jahre nahm die Bedeutung der MIC für die Koordinierung der rüstungsindustriellen Basis ab, spielte aber weiterhin in verschiedenen militärischen Programmen eine wichtige
Rolle. Nach dem Sturz des Machthaber Saddam Hussein 2003 lag die Rüstungsindustrie
am Boden. Ein Großteil der Fabriken war im Dritten Golfkrieg (2003) zerstört worden
und Maßnahmen zum Aufbau eigener Produktionsstätten waren durch Sanktionen bis
Sommer 2013 weiterhin begrenzt. Daher ist der Irak bis heute zur Ausstattung der eigenen Armee auf Waffenimporte angewiesen und wird dies vermutlich noch lange bleiben.
Allerdings ist das Land im Besitz von Lizenzen zur Herstellung von Kleinwaffen, wie der
AK-47, AK-74 und dem Scharfschützengewehr Dragunov SVD, die sie bereits vor mehreren Jahrzehnten erhalten haben.
Der Irak verfügte von 1979 bis 1991 über ein Chemiewaffenprogramm, obwohl er
1931 dem Genfer Protokoll über das Verbot von chemischen Waffen von 1925 beitrat.
Das Land entwickelte im Rahmen des sogenannten Project 922 chemische Waffen und
setzte diese im Esten Golfkrieg gegen den Iran ein. Die Soldaten und das zivile Personal
für das Chemiewaffenprogramm wurden mehrheitlich von Russland aber auch von den
USA ausgebildet. Die technischen Geräte erhielt der Irak von über 50 internationalen
Firmen, die überwiegend aus westlichen Industrieländern stammten. Im Laufe des Projektes steigerte der Irak die Produktion von Chemiewaffenherstellung auf bis zu acht bis
elf Tonnen Giftgas pro Tag. Nachdem der Irak mit Ende des Zweiten Golfkrieges (1991)
die Produktion von chemischen Waffen stoppte und sich durch eine UN-Resolution 1991
verpflichtete, das Genfer Protokoll umzusetzen, wurden seine chemischen Waffen 1994
schließlich unter Aufsicht der UN zerstört.
Streitkräftestruktur
Wehrpflicht: Nein
Box 1
Gesamtstärke der Streitkräfte
177.600 aktive Streitkräfte, davon:
Heer: 100.000
Marine: 3.600
Luftwaffe: 5.000
Luftabwehreinheiten: 4.000
Unterstützung: 65.000
12\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Paramilitärische Einheiten: keine Angabe, davon:
Irakische Polizeikräfte: keine Angabe
Irakische Bundespolizei: keine Angabe
Grenztruppen: keine Angabe
Facilities Protection Service: keine Angabe
Oil Police: keine Angabe
Quelle: IISS Military Balance 2015
Tabelle 6
Stärke der Streitkräfte, Trend 2006–2014
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Aktive in 1.000 (IISS)
227,0
494,8
577,1
578,3
245,8
271,4
271,4
271,4
177,6
Soldaten auf 1.000
Einwohner
(BICC Berechnungen)
8,1
17,1
19,4
18,8
7,8
8,6
8,6
8,1
5,31
Quellen: IISS Military Balance, 2007-2015, World Bank
Kommentar
Das irakische Militär umfasste bis vor kurzem noch etwa 271.400 Soldaten, bestehend aus drei Teilstreitkräften (Heer, Marine und Luftwaffe). Es untersteht dem irakischen Verteidigungsministerium. Im letzten Jahr ist die Zahl der Soldaten deutlich rückläufig, was teilweise auf den Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat zurückzuführen ist, der schonungslos die desolate Lage der irakischen Streitkräfte offengelegt
hat. Als Teil der irakischen Sicherheitskräfte existieren weitere 531 000 Mann, die zu
der Iraqi Police Service (paramilitärische Polizeieinheiten), der Bundespolizei und der
Grenzkontrolle gehören, die alle dem irakischen Innenministerium unterstehen.
Der Irakkrieg 2003 stellte für das irakische Militär eine schwere Niederlage dar. Anschließend entließen die von den USA angeführten Koalitionsstreitkräfte alle Soldaten
und lösten die Armee auf - die tiefste Zäsur in der Geschichte der irakischen Streitkräfte.
Bereits kurz darauf beschloss die US-Führung den Aufbau einer neuen irakischen
Armee. Gemeinsam mit anderen Staaten unternehmen die USA große Anstrengungen sie
so neu zu strukturieren, dass sie die nationale Sicherheit gewährleisten kann. Doch trotz
einiger signifikanter Fortschritte kämpfen die irakischen Streitkräfte weiterhin mit zahlreichen Schwierigkeiten. Es mangelt an Ausrüstung, Einsatzfähigkeit und Kommunikation. Die internen Konflikte aufgrund von ethnischen oder religiösen Differenzen fordern
vom Militär zudem einen hohen Einsatz.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
13\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Bewaffnung der Streitkräfte
Tabelle 7
Heer
Waffenkategorien
Anzahl
Schwere Panzer
Mehr als 270
Schützenpanzer
Ca. 240
Gepanzerte Mannschaftstransporter
Mehr als 3688
Aufklärer
73
Bergepanzer
Mehr als 215
Artillerie
Mehr als 1061
Panzerabwehr
einige
Kampfhubschrauber
13
Aufklärungshubschrauber
10
Mehrzweck- und Transporthubschrauber
Ca. 21
Mehrzweckhubschrauber
Mehr als 4
Transporthubschrauber
46
Raketen
einige
Kommentar
9K135 Kornet
9K114 Shturm
Kommentar
Das Heer verfügt mit Abstand über die größte Anzahl an Soldaten aller Teilstreitkräfte. Es besitzt hauptsächlich Aus-rüstung aus sowjetisch-russischer und USamerikanischer Produktion, deren Kern noch immer US-amerikanische M1A1 Abrams
sowie die sowjetischen T-72, T-76 und T-55 Kampfpanzer bilden. Die US-amerikanische
Rüstungsexporte in den Irak sind in den letzten Jahren stark angestiegen, was sich neben 140 M1A1 Abrams-Panzern bis 2011 beispielsweise auch in der Auslieferung von
10 OH-58C Kiowa-Kampfhubschraubern zeigt. Bis Ende 2013 will der Irak von den USA
Rüstungsgüter und Waffen im Wert von mehr als 13 Milliarden US-Dollar kaufen. Dabei
geht es unter anderem um Panzer, leichte Panzerfahrzeuge, Raketen, Hubschrauber,
Kampf- und Transportflugzeuge, Munitionen und Kriegsschiffe.
Das irakische Heer ist, wie auch die anderen Teilstreitkräfte, neben der Landesverteidigung auch zur Aufstandsbekämpfung im Inneren trainiert und ausgerüstet. Dies entspricht auch der US-amerikanischen Zielstellung dort. Eine ehemalige Stärke der irakischen Streitkräfte, die logistische Unterstützung der eigenen Streitkräfte im Einsatz,
wurde beim Wiederaufbau vernachlässigt.
14\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Tabelle 8
Marine
Waffenkategorien
Anzahl
Kommentar
Patrouillenboote
Mehr als 32
Inkl. 12 US-amerikanischer
Swiftships
Kommentar
Die irakische Marine gehört zu den kleinsten Teilstreitkräften der irakischen Armee.
Sie sichert mit Hilfe einer Reihe von Patrouillenbooten die Küstengewässer der kurzen
Seegrenze von 68 Kilometern und die zwei Öl-Anlegestellen. Nach der USamerikanischen Invasion befanden sich die meisten Schiffe der Marine in einem desolaten Zustand. Die irakische Marine einigte sich 2006 mit der italienischen Firma Fincantieri auf den Kauf von vier Saetti MK4 Class Patrouillenboote, die 2009 in Dienst gestellt
wurden. Im Rahmen dieser Kooperation bildete die italienische Marine auch einen Teil
der irakischen Besatzungsmitglieder aus.
Erweitert werden die Kapazitäten der irakischen Marine auch durch die Lieferung
von US-amerikanischen Patrouillenbooten des Typs „Swiftships“. Auch hier übernimmt
die US-Armee die Ausbildung der irakischen Marine. Deren Führung plant ebenfalls die
Aufstellung von Marinefliegern zur Überwachung des Luftraumes, für Rettungseinsätze
und zum Entern von Schiffen. Allerdings ist die Marine bis heute nur begrenzt.
Tabelle 9
Luftwaffe
Waffenkategorien
Anzahl
Kommentar
Abfangjäger
1
F-16D Fighting Falcon (noch in den
USA)
Kampfflugzeuge
Mehr als 7
Aufklärungsflugzeuge
10
Ausbildungsflugzeuge
Mehr als 33
Transportflugzeuge
32
Raketen
einige
Davon 3 Cessna AC-208B Combat
Caravans kampffähig
AGM-114 Hellfire
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
15\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Box 2
Weitere Luftwaffeneinheiten
Luftabwehr: Raketen (mehr als 3 96K6 Pantsir-S1; M998/M1097 Avenger), Flugabwehrraketensystem 9K338 Igla-S sowie Geschütze(23mm: ZU-23)
Kommentar
Die irakische Luftwaffe ist ein Teil der irakischen Streitkräfte, wurde aber im letzten
Irakkrieg weitgehend zerstört bzw. nach dessen Ende durch die Koalitionsstreitkräfte
aufgelöst. Der Aufbau gestaltet sich grundsätzlich schwierig, weshalb er entsprechend
langsam und schleppend verläuft. Nach dem vollständigen Abzug aller Koalitionsstreitkräfte Ende 2011 besteht die Hauptaufgabe der Luftstreitkräfte darin, die Kontrolle und
Sicherheit des irakischen Luftraumes zu erringen bzw. zu gewährleisten sowie grundsätzlich durch Aufklärung allen Teilstreitkräften wichtige Informationen zur Verfügung
zu stellen. Zu diesem Zweck beschloss die irakische Führung in den letzten Jahren sowohl mit den USA als auch mit Russland neue große Rüstungsdeals, um das Verteidigungspotenzial des Landes auszubauen und zu stärken. Der irakische Premierminister
Nuri Al-Maliki unterschrieb im Oktober 2012 mit Russland ein 4,2 Milliarden US-Dollar
schweres Waffengeschäft, das die Lieferung von bis zu 30 Mi-28 Kampfhubschrauber
und etwa 42 Boden-Luft-Raketen umfasst. Nach Medienangaben werden zukünftige Rüstungsabkommen ebenfalls die Lieferung weiterer Kampfflugzeuge und -hubschrauber
beinhalten. Entsprechend den Aussagen des irakischen Oberkommandierenden sind
mindestens 96 Kampfflugzeuge notwendig, um die Verletzungen des Luftraumes durch
andere Staaten dauerhaft zu unterbinden. Ein Schritt zur Stärkung der Luftwaffe dürfte
der mit den USA vereinbarte Deal zur Lieferung von 36 F-16 Jagdflugzeugen sein, die
zwischen 2014 und 2016 geliefert werden sollen.
Neben zahlreichen neuen Transportflugzeugen, die zur Unterstützung bei Einsätzen
oder zur Evakuierung verletzter Soldaten genutzt werden können, schaffte die irakische
Führung einige Ausbildungsflugzeuge aus verschiedenen Staaten an, um die Ausbildung
der Piloten zu forcieren. Dazu gehört auch die Ausbildung des entsprechenden Bodenpersonals.
Box 3
Peacekeeping
Keine Teilnahme an Peacekeeping-Missions.
Quelle: IISS Military Balance 2015
16\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Die Rolle des Militärs in der Gesellschaft
Die irakischen Streitkräfte blicken auf eine lange Geschichte zurück, die unter britischer Direktive nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren begann. Die eigentliche
Hauptaufgabe der Armee wandelte sich dabei von der Landesverteidigung hin zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung, da sich der eigentliche Existenzgrund – der Schutz
sowohl vor persischen als auch türkischen Aggressionen – als obsolet herausstellte. Mit
dem Ende der britischen Mandatsherrschaft 1932 ersetzte die nunmehr unabhängige
arabisch-irakische Armee weitestgehend (gewaltsam) die speziellen, noch unter der britischen Vorherrschaft gebildeten und überwiegend aus assyrischen Minderheiten konstituierten Einheiten. In weiten Teilen der Bevölkerung rief dies ein positives Echo hervor. Gleichzeitig führte die erfolgreiche Niederwerfung assyrischer Autonomiebestrebungen zu einem erheblichen Popularitätszuwachs des ehemaligen Armeechefs General
Bakr Sidqi innerhalb der irakischen Bevölkerung.
Im Jahr 1933 wurde die allgemeine Wehrpflicht von der irakischen Regierung eingeführt. Im Zweiten Weltkrieg verdoppelten sich die Streitkräfte von ursprünglich ca.
20.000 Soldaten auf über 40.000 Mann. 1941 kam es zu einem Putsch des nationalistischen Flügels unter der Ägide des ehemaligen Ministerpräsidenten Raschid Ali alGailani, der dann, gestützt durch das Militär, die Macht eroberte. Spätestens seitdem
spielen die Offiziere eine einflussreiche Rolle in der Politik.
Die Beteiligung der irakischen Armee am Palästinakrieg 1948 führte abermals zu einem massiven Ausbau der Streitkräfte. Im Jahr 1956 umfasste die Arme etwa 60.000
Soldaten, womit sogar die Stärke aus dem Zweiten Weltkrieg übertroffen wurde. Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der endgültigen Machtübernahme durch
die Baath Partei 1968 kam es zu mehreren Machtergreifungen durch das Militär.
Alle Regierungen seit den 1920er Jahren betrachteten das Militär als politisches Instrument zur Machterhaltung und als Pfeiler der eigenen Legitimität. Gleichzeitig war
das Militär jedoch ein eigenständig handelender Akteur, der immer wieder mit den Regierungen in Konflikt über die Rolle des Staates und der Rolle der Streitkräfte in der Region geriet. Die Streitkräfte wollten die „Identität der Nation“ nach ihrem Vorbild formen und griffen deshalb immer wieder in die politischen Prozesse ein. Insgesamt lässt
sich die Beziehung zwischen dem Staat bzw. den irakischen Regierungen und den Streitkräften als eine der gegenseitigen Abhängigkeit beschreiben.
Seit dem Beginn der Herrschaft der Baath Partei 1968 und insbesondere der Machtübernahme von Saddam Hussein 1979 erlebte die Armee grundlegende Veränderungen.
Zuvor war das Militär nie ein monolithischer Block gewesen, sondern von unterschiedlichen Ansichten und Ideologien, Generationen, Religionen und Ethnien geprägt, die in
gewisser Weise die irakische Gesellschaft widerspiegelten. Die Baath Partei war hingegen bestrebt die politische Macht des Militärs durch repressive Maßnahmen, totalitäre
Strukturen und nicht zuletzt ideologische Indoktrinierung einzuschränken. Kriterien für
Beförderungen, gesellschaftliche Privilegien und finanzielle Zuwendungen an Militärs
stellten Loyalität zum Führungsregime aber auch Abstammung, Familienzugehörigkeit
und Parteimitgliedschaft dar. Offiziere waren oft enge Vertraute von Saddam Hussein
oder kamen aus seiner Heimatregion Tikrit. Bis 1988 hatte die Baath Partei die Offiziere
der „alten Schule“ erfolgreich „mundtot“ gemacht und durch eine neue loyale Führungsriege ersetzt. So zögerte Militär nicht, die Bevölkerung zu unterdrücken, um die Stabili-
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
17\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
tät des Regimes Saddam Husseins zu garantieren. Dies führte in einigen Bevölkerungsteilen zu einer starken Ablehnung des Militärs.
Mit dem Sieg der “Koalition der Willigen“ im Frühjahr 2003 begann die Auflösung des
alten Regimes und der kurz darauf folgenden Einsetzung einer Übergangsverwaltung
durch die USA. Beides markiert das Ende der irakischen Streitkräfte in ihrer autonomen
Existenz, einschließlich der Entlassung von 400.000 Soldaten. Die Folge war das Aufbrechen verkrusteter Strukturen, die jedoch über die Jahre eine gewisse Stabilität innerhalb
der Streitkräfte und des Landes garantiert hatten. Trotz der gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber dem Militär, begegnete die Bevölkerung dieser Entwicklung ablehnend
und mit Protest. Mit dem Ziel, eine Armee aufzubauen, deren zukünftige Aufgabe weiterhin die innere Sicherheit war (was traditionell zur Aufgabe der irakischen Armee gehörte), begannen die USA, Großbritannien, Australien und Jordanien ein umfassendes,
von der NATO unterstütztes, militärisches Ausbildungsprogramm, wobei auch die Landesverteidigung Bestandteil des Programms war. Die Regierungen betonten die schnellen und guten Fortschritte, allerdings ist die Armee immer noch wegen ethnischer und
religiöser Differenzen tief gespalten. Auch wenn die Koalitionstruppen bis zum Abzug
der USA im Jahr 2011 einiges bei der Ausbildung und Professionalisierung erreichen
konnten, sind die irakischen Streitkräfte alles in allem nach wie vor nicht in der Lage, die
innere Sicherheit eigenständig ohne US-Truppen zu gewährleisten. Gerade die fehlende
Sicherheit, die ständigen Bombenanschläge, das gewaltsame Vorgehen des Militärs bei
Hausdurchsuchungen und die bestehenden religiösen Differenzen innerhalb der Streitkräfte haben das Ansehen der Armee aber auch der Regierung innerhalb der Gesellschaft geschwächt und in ihre Legitimität in Frage gestellt. Der seit 2006 amtierende
Ministerpräsident Al-Maliki stützt sich auf das Militär und seine Spezialeinheiten, die
von der Bevölkerung als „brutale Miliz“ bezeichnet werden. Sie agieren wie einst bei Saddam Hussein in Geheimoperationen und gehören zu den am besten ausgebildeten Militärs im gesamten Nahen und Mittleren Osten.
Anfang 2012 waren insgesamt etwa 933.000 Menschen in staatlichen Sicherheitskräften beschäftigt, das entspricht etwa acht Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 12 Prozent der männlichen Bevölkerung. Ein Großteil davon übernimmt im
Bereich der inneren Sicherheit.
Polizei und andere Sicherheitskräfte
Tabelle 10
Ausgaben für öffentliche Ordnung und Sicherheit
Ausgaben öffentliche Ordnung /
Sicherheit
2006
2007
2008
2009
2010
-
-
-
-
-
Angaben in Milliarden US-Dollar, Die Ausgaben für Sicherheit und öffentliche Ordnung wurden von nationalen Währungen in US-Dollar in jeweils aktuelle Preise umgerechnet.
Quelle: IMF Government Finance Statistics Yearbook 2008
18\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Neben dem irakischen Militär existieren noch weitere, etwa 400.000 Mann starke Sicherheitskräfte (manche Quellen sprechen sogar von bis zu 600.000), die überwiegend
dem irakischen Innenministerium unterstehen, teilweise aber auch direkt der Antiterrorabteilung des Ministerpräsidenten zugeordnet sind. Grundsätzlich ist das irakische
Innenministerium mit weitreichenden Befugnissen zur Sicherheitsvorsorge ausgestattet, die interne Organisationsstruktur lähmt jedoch den effektiven Einsatz der Polizeieinheiten. Die Sicherheitskräfte umfassen den Iraqi Police Service (IPS), also die normale
Polizei, die Bundespolizei (Iraqi Federal Police) und die Grenzpolizei (Border Enforcement Department) sowie die Oil Police und den Objektschutz (Facilities Protection Service).
Die derzeitigen Organisationstrukturen wurden nach der militärischen Invasion 2003
und der Auflösung der Polizei neu geschaffen. Hierfür wurde auch neues Personal rekrutiert. Speziell die USA haben den Aufbau und die Ausbildung der Polizei forciert, um die
Stabilität im Land möglichst schnell herzustellen. Um die operative Lücke zwischen Polizei und Armee zu schließen, bildete die irakische Regierung 2004 die Bundespolizei als
paramilitärische Einheit. Die Hauptaufgabe dieser Spezialeinheit besteht darin, schnell
auf gefährliche Vorfälle oder bewaffnete Aufstände zu reagieren. Sie soll immer dann
eingreifen, wenn die irakische Polizei nicht mehr in der Lage ist, die Situation unter Kontrolle zu bringen oder für bestimmte Operationen nicht ausgebildet ist.
Aus Sicht der Bevölkerung hat die Polizei während der Gewaltphase zwischen 2006
und 2007 eine kontroverse Rolle gespielt. Viele vermuten nicht nur enge Verbindungen
zwischen ihr und den schiitischen Milizen, sondern beschuldigen sie auch, sich an religiös (konfessionell) motivierten Verbrechen beteiligt zu haben. Seit 2007, nachdem die
Gewalt im Land weiter durch die irakische Regierung und die Koalitionsstreitkräfte eingedämmt werden konnte, begann durch eine Reform eine Kurskorrektur in der Ausbildung der Polizei, um die Sicherheitskräfte mit anderen Aufgaben als der Aufstandsbekämpfung vertraut zu machen. Schwerpunkt der Einsätze seit 2007 sind klassische Aufgaben der Strafverfolgung und der Schutz von Zivilisten, weniger der direkte Einsatz in
den Konfliktzonen im Land. Die Polizei gehört zu den präsentesten Sicherheitsakteuren
in der Gesellschaft, wodurch Vertrauen geschaffen werden konnte. In Folge der Reform
von 2007 wurde auch die Anzahl der sunnitischen Polizeibeamten sukzessive erhöht.
Dennoch hat die Polizei insgesamt mit massiven Schwierigkeiten auf den unteren Ebenen zu kämpfen, da durch schlechte Bezahlung, mangelhaftes Training und fehlende Loyalität sich die internen Sicherheitsprobleme immer weiter vergrößern.
Seit dem Rückzug der USA und der teilweisen Verlagerung der Aufgaben der irakischen Armee, soll die Bundespolizei verstärkt interne Sicherheitseinsätze durchführen,
die vormals überwiegend der US-Armee oblagen. Bemerkenswerterweise wird die Bundespolizei als Sondereinheit in gewissen Situationen sowohl durch die Polizei für die
innere als auch durch das Militär für die äußere Sicherheit zur Unterstützung herangezogen. Einsätze umfassen bis heute noch Aufstandsbekämpfung und Antiterrormissionen. Als kleinere, unterstützende Einheit besteht die Grenzpolizei, die unter anderem für
die Grenzkontrollen und Gefängnissicherheit zuständig ist. In ihren Aufgabenbereich
fällt aber auch der Objektschutz für Gebäude, die im Besitz der irakischen Regierung
sind.
Neben den Polizeieinheiten bestehen zahlreiche Geheimdienste, die unterschiedliche
Aufgaben innehaben. Überwiegend sind sie aber mit der Informationsbeschaffung und
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
19\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
deren Auswertung betraut. Ein Geheimdienst innerhalb des Innenministeriums (National Information and Investigation Agency) ist mit dem US-amerikanischen FBI vergleichbar und beschränkt sich hauptsächlich auf die Innenaufklärung. Dem Verteidigungsministerium ist das Directorate General for Intelligence and Security zugeordnet,
das sowohl Informationsbeschaffung im Inland als auch Auslandsaufklärung betreibt
und teilweise in irakischen Botschaften eingesetzt wird. Der National Intelligence Service ist wiederum der US-amerikanischen CIA ähnlich und hauptsächlich auf die Aufklärung interner und externer Bedrohungen spezialisiert. Da auch das Ministry of State for
National Security Affairs mit der Informationsbeschaffung über interne und externe Bedrohungen beauftragt ist, befindet es sich mit letzterem in einem Konflikt. Auch das Büro des Ministerpräsidenten verfügt über einen eigenen Geheimdienst (The Office of Information and Security). Sein Aufgabenfeld ist nicht bekannt und er berichtet ausschließlich an den Ministerpräsidenten. Das Militär verfügt ebenfalls über einen eigenen
Geheimdienst, dem M2 (ehemals Military Intelligence Directorate), der dem Verteidigungsministerium zugeordnet ist und für alle Teilstreitkräfte Aufklärung betreibt. Insgesamt gibt es im Irak weitreichende Koordinationsprobleme bei den Geheimdiensten.
Ihre Kontrolle ist unzureichend ausgestaltet und ihr Nebeneinander verwischt die Aufgaben, so dass es immer wieder zu Konflikten zwischen den einzelnen Geheimdiensten
kommt.
Außerhalb des Militärs und der Polizei operiert die Antiterroreinheit, die derzeit aus
etwa 4.000 Mann besteht. Sie untersteht einem zivilen Kommando und ist direkt dem
Büro des Ministerpräsidenten zugeordnet. Problematisch sind die fehlende parlamentarische Kontrolle sowie der insgesamt unzureichende gesetzliche Rahmen für Operationen dieser Einheit. Ausschließlich von US-Spezialkräften ausgebildet, gilt die Antiterroreinheit heute als eine der effektivsten Kampftruppen im Irak. Sie operiert unter vollkommender Geheimhaltung und koordiniert ihre Aktivitäten nicht mit anderen Sicherheitskräften, was das Misstrauen ihr gegenüber verstärkt. Der Antiterroreinheit werden
Folter, Vergewaltigung und Raub vorgeworfen. Auch die Nähe zu US-amerikanischen
Spezialeinheiten hat zu einer starken Skepsis innerhalb der irakischen Bevölkerung geführt. Seit dem Rückzug der US-Armee aus dem Irak, hat sich die Zahl der privaten Sicherheitsfirmen vervielfacht.
20\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Informationen nach den Kriterien des EU-Verhaltenskodex
Einhaltung internationaler Verpflichtungen
Tabelle 11
Mitgliedschaft in Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen
Kurzname des Abkommens
Status
Quelle
Chemiewaffen-Protokoll von 1928
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Partieller atomarer Teststopp Vertrag von 1963
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Äußerer Weltraumvertrag von 1967
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Non-Proliferationsvertrag für Nuklearwaffen von 1970
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Vertrag zum Verbot von Massenvernichtungswaffen auf
dem Meeresboden von 1972
Biologie- und Toxinwaffen-Konvention von 1975
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Unterzeichnet,
nicht ratifiziert
Nicht beigetreten
SIPRI Jahrbuch
SIPRI Jahrbuch
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Konvention zum Verbot der Veränderung der Umwelt zu
unfriedlichen Zwecken von 1978
Konvention zum Verbot bestimmter konventioneller
Waffen von 1983
Chemiewaffen-Konvention von 1997
Anti-Personenminen-Konvention (Ottawa Vertrag) von
1999
Übereinkommen über Streumunition von 2010
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Ratifiziert
SIPRI Jahrbuch
Das Internationale Waffenhandelsabkommen 2013
Nicht beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Kommentar
Der Irak ist einer Reihe wichtiger internationaler Abrüstungsabkommen beigetreten.
Den 1983 in Kraft getretene Vertrag zum Verbot bestimmter konventioneller Waffen
sowie das jüngste Übereinkommen über Streumunition hat der Irak zwar unterzeichnet,
die Verträge aber bis heute noch nicht ratifiziert.
Gegen den Irak sind derzeit sowohl Sanktionen der Vereinten Nationen als auch der
Europäischen Union verhängt. Die VN-Sanktionen beziehen sich auf Kompensationszahlungen an Kuwait sowie eingefrorenes Vermögen des ehemaligen Machthabers Saddam
Hussein. Ein Handelsembargo gegen gestohlene Kulturgüter besteht ebenfalls noch.
Ähnliche Beschränkungen gelten seitens der EU.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
21\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Achtung der Menschenrechte im Empfängerland
Tabelle 12
Mitgliedschaft in UN-Menschenrechtsabkommen
Abkommen
Status
Quelle
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder
Form von Rassendiskriminierung, 1969
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte, 1976
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische
Rechte, 1976
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), 1981
Fakultativprotokoll zum CEDAW, 2000
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Nicht beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Strafe, 1987
Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 1990
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die
Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern,
die Kinderprostitution und die Kinderpornographie,
2002
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die
Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, 2002
Box 4
Auszug aus dem Länderbericht des US-amerikanischen Außenministeriums zur Menschenrechtspraxis für 2013
Iraq is a constitutional parliamentary republic. Prime Minister Nouri Kamal Maliki secured a second term in office after free and fair elections in 2010. While all major political parties participated
in the government, significant unresolved problems continued to hamper its operation. Authorities
maintained effective control over the security forces. Security forces and armed militias committed
serious human rights abuses as rising levels of terrorist violence, corruption, and organizational
dysfunction undermined effective protection of human rights.
Severe human rights problems persisted. The three most important were: politically motivated
sectarian and ethnic killings, including by the resurgent terrorist network led by al-Qaida and its
affiliate, the Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL), formerly known as al-Qaida in Iraq (AQI);
torture and abuses by government actors and illegal armed groups; and a lack of governmental
transparency, exacerbated by widespread corruption at all levels of government and society.
22\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
During the year the following other significant human rights problems were also reported: disappearances; harsh and life-threatening conditions in detention and prison facilities; arbitrary arrest
and lengthy pretrial detention, sometimes incommunicado; continued impunity for security forces;
denial of fair public trials; insufficient judicial institutional capacity; ineffective implementation of
civil judicial procedures and remedies; delays in resolving property restitution claims; arbitrary
interference with privacy and home; limits on freedoms of speech, press, and assembly; violence
against and harassment of journalists; limits on religious freedom due to extremist threats and
violence; restrictions on freedom of movement; large numbers of internally displaced persons
(IDPs) and refugees; discrimination against and societal abuses of women and ethnic, religious, and
racial minorities; trafficking in persons; societal discrimination and violence against individuals
based on perceived sexual orientation and gender identity; and limited exercise of labor rights.
A culture of impunity largely protected members of the security services, as well as those elsewhere
in the government, from investigation and successful prosecution for human rights violations. Corruption among officials across government agencies was widespread and contributed to significant
human rights abuses.
Illegally armed sectarian and ethnic groups, including terrorist groups such as AQI/ISIL, committed deadly, politically motivated acts of violence, killing with suicide bombings, improvised explosive devices, drive-by shootings, as well as kidnappings and other forms of violence. Militants and
terrorists targeted fellow citizens – Shia, Sunni, as well as members of other religious groups or
ethnicities – security forces, places of worship, religious pilgrims, schools, public spaces, economic
infrastructure, and government officials.
Quelle: United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2013
http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper
Box 5
Auszug aus dem Jahresbericht von Amnesty International für 2014/2015
There was a marked deterioration in human rights as armed conflict intensified between government security forces and fighters of the Islamic State (IS, formerly ISIS) armed group, which gained
control of large parts of central and northern Iraq. IS fighters committed widespread war crimes,
including ethnic cleansing of religious and ethnic minorities through a campaign of mass killings of
men and abduction and sexual and other abuse of women and girls. Government forces carried out
indiscriminate bombing and shelling in IS-controlled areas, and government-backed Shi’a militias
abducted and executed scores of Sunni men in areas under government control. The conflict caused
the deaths of some 10,000 civilians between January and October, forcibly displaced almost 2 million people and created a humanitarian crisis. This was exacerbated by the continuing influx of
thousands of refugees from Syria, mostly to Iraq’s semi-autonomous Kurdistan Region. The government continued to hold thousands of detainees without charge or trial, many of them in secret
detention with no access to the outside world. Torture and other ill-treatment in detention remained rife, and many trials were unfair. Courts passed many death sentences, mostly on terrorism
charges; more than 1,000 prisoners were on death row, and executions continued at a high rate.
Quelle: Amnesty International Report 2014/2015: https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-northafrica/iraq/
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
23\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Box 6
Bewertung bürgerlicher und politischer Rechte durch Freedom House 2015
Bewertung für den Irak auf einer Skala von 1 für völlig frei bis 7 für völlig unfrei:
Bürgerliche Rechte: 6
Politische Rechte: 6
Gesamtbewertung: Nicht frei
Die Bewertung des Freedom House ist subjektiv, sie beruht auf dem Urteil von Experten, deren Namen von Freedom House nicht bekannt gemacht werden.
Box 7
Auszug aus dem Länderbericht von Freedom House 2015
Iraq held competitive parliamentary elections in April 2014, and incumbent prime minister Nouri
al-Maliki’s coalition emerged with a plurality. However, the voting took place in an atmosphere of
widespread discontent among the Sunni minority and growing militancy in Sunni-dominated
Anbar Province, fueled in part by a late 2013 government crackdown on Sunni protest camps.
Many within the country’s Shiite parties were also dissatisfied with al-Maliki’s leadership, pointing
to corruption, mismanagement of security and other issues, and an improper concentration of
power in the prime minister’s office.
As contentious negotiations on a new government continued in June, the militant extremist group
known as the Islamic State in Iraq and Greater Syria (ISIS) swept into northern Iraq from its base
in Syria and took Mosul, one of Iraq’s most populous cities. Soon thereafter, ISIS announced that it
had formed an Islamic caliphate on the Iraqi and Syrian territory it controlled. The group proceeded to dismantle a swath of the border between Iraq and Syria, take over the functions of government, impose its harsh interpretation of Islamic law on Iraqis, change its name to the Islamic State
(IS), and push toward the outskirts of Baghdad, seemingly in preparation for an attack on the capital.
The dramatic military reversal strengthened al-Maliki’s political opponents, and he was ultimately
forced to accept the nomination of Haidar al-Abadi, a member of his own party, as prime minister
in August. Al-Abadi formed a new cabinet over the subsequent months, receiving broad support
from the parliament.
Meanwhile, various forces mobilized to halt the IS advance, including the Iraqi security forces, Shiite militias, the Kurdish peshmerga, local resistance groups, Iranian government operatives, and a
coalition of foreign air forces led by the United States. Battle lines had stabilized somewhat by
year’s end, with IS remaining dominant or competing for control in roughly a third of the country’s
territory, home to about one-quarter of the population. Elsewhere in Iraq, political violence and
repression linked to the conflict increased. Shiite civilians were relentlessly targeted in terrorist
bombings, and Sunni civilians suffered attacks and extrajudicial killings by Shiite militias.
Quelle: https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/iraq#.VWxV8WAWnfY
24\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Kommentar
Seit der US-amerikanischen Invasion 2003 hat sich die Menschenrechtslage in dem
Land drastisch verschärft. Selbstmordanschläge, Verfolgung religiöser Minderheiten und
illegale Verschleppungen durch staatliche Sicherheitskräfte sowie unrechtmäßige Inhaftierung prägten das Bild. Mit dem Ende des geplanten Rückzuges des US-Militärs im Dezember 2011 haben sich die Spannungen, überwiegend zwischen verschiedenen religiösen Gruppen, erneut vertieft. Bis heute sind die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte nicht ausreichend in der Lage die innere Sicherheit zu gewährleisten, worunter
das friedliche Zusammenleben der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in dem
Land erheblich leidet. Als Folge dessen werden Menschenrechte regelmäßig missachtet
und Bürgerrechte teilweise eingeschränkt. Die Hauptstadt Bagdad gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Auch zehn Jahre nach der US-Invasion gehören Bombenanschläge und Gewalt zum alltäglichen Bild. Im April 2013 kam es in der Stadt Hawidscha
zu Protesten gegen die Regierung, die Sicherheitskräfte gewaltsam auflösten. Infolgedessen eskalierte die Gewalt zwischen Teilen der Bevölkerung und den Sicherheitskräften. Aber nicht nur staatliche Akteure sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen begehen sie, auch in Form von Terrorakten einschließlich zahlreicher Selbstmordattentate.
Nach wie vor gibt es die Todesstrafe im Irak. 2011 gab es 68 vollstreckte Todesurteile, 2012 verdoppelte sich die Zahl fast auf 129. Nicht nur in diesen Fällen, sondern insgesamt ist es problematisch, dass die irakische Justiz erzwungene Geständnisse in Gerichtsprozessen als Beweismittel zulässt. Oftmals werden juristische Mindeststandards
in Gerichtsverfahren nicht eingehalten: Angeklagten wird nicht immer das Recht auf
Verteidigung zugestanden, die Unschuldsvermutung verletzt und eine sehr lange Untersuchungshaft ohne jede gerichtliche Überprüfung ist an der Tagesordnung. Hinzu kommen miserable und menschenverachtende Haftbedingungen. Immer noch werden viele
Menschen – darunter auch Frauen – in den Gefängnissen gefoltert. Sie werden beispielweise mit brennenden Zigaretten und eiskaltem Wasser gequält oder sexuell gedemütigt.
Innere Lage im Empfängerland
Box 8
Politisches System; Auszug aus dem Länderbericht des Auswärtigen Amtes (September
2014)
Das irakische Volk nahm am 15. Oktober 2005 in einem Referendum die neue irakische Verfassung
an. Die Wahlbeteiligung lag bei 63 Prozent.
Die Verfassung bestimmt, dass Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarischrepublikanischer Staat ist. Die Verfassung enthält einen umfassenden Menschenrechtskatalog und
garantiert eine Frauenquote von 25 Prozent im Parlament. Die konkrete Ausgestaltung des Föderalismus bleibt dem Parlament vorbehalten. Außerdem verabschiedete die Volksvertretung am 11.
Oktober 2006 ein Gesetz über die Einrichtung von Regionen. Danach können sich seit 2008 mehrere
Provinzen zu Regionen zusammenschließen.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
25\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Bereits im Übergangsgesetz vom 8. März 2004 und der am 15. Oktober 2005 in Kraft getretenen
Verfassung wird in Artikel 117 die Region Kurdistan-Irak grundsätzlich anerkannt.
Am 30. April 2014 hat Irak die ersten freien Parlamentswahlen seit dem Abzug der US-Truppen
durchgeführt. Die Wahlbeteiligung lag bei 60%. Das für die Wahl notwendige Wahlgesetz wurde
am 04. November 2013 vom irakischen Parlament verabschiedet. Insgesamt konkurrierten 9040
Kandidaten von 239 politischen Gruppierungen in 35 nationalen und provinzbezogenen Wahlbündnissen um 328 Sitze. Am 15. Juli 2014 wurde der neue Parlamentspräsident Salim al-Jubouri
(Sunnit) gewählt, am 24. Juli 2014 der neue Staatspräsident Fouad Ma‘soum (Kurde). Am 08. September 2014 wurde die neue irakische Regierung unter Leitung von Haidar al-Abadi (Schiit) sowie
die Leitlinien seines Regierungsprogramms durch das Parlament bestätigt. VizeMinisterpräsidenten wurden Hoshyar Zebari (bisheriger Außenminister), Saleh al-Mutlak (Sunnit)
und Bahaa Al-A’raji (Sadrist). Das Außenministerium geht an den ehemaligen Premierminister
Ibrahim Al-Jaafari, Die früheren Premierminister Nuri al-Maliki und Iyad Allawi sowie der ehemalige Parlamentsvorsitzende Osama al-Nujaifi wurden als Vizepräsidenten gewählt. Der neue Premierminister Al-Abadi kündigte an, Frieden und Sicherheit wiederherstellen zu wollen, die marktwirtschaftliche Ausrichtung der Wirtschaft und Effizienz der Verwaltung durch Reformen verstärken zu
wollen sowie Korruption zu bekämpfen
Irak ist weiterhin eines der gewalttätigsten und gefährlichsten Länder der Welt (siehe Reisewarnung), derzeit noch verstärkt durch den Vormarsch der Terrororganisation „Islamischer Staat in
Irak und Syrien“ (ISIS). Durch Terroranschläge und Gewalttaten sind in den vergangenen Jahren
(insbesondere in den Jahren 2006 und 2007) unzählige Menschen ums Leben gekommen. Unter den
Opfern sind Soldaten der multinationalen Truppen, irakische Sicherheitskräfte, aber vor allem Zivilisten aller ethnischen und religiösen Gruppen. An die 3,7 Millionen Iraker befinden sich bis heute
auf der Flucht, davon etwa 1,8 Millionen im eigenen Land. Zu der hohen Zahl an sogenannten Binnenflüchtlingen hat auch die aktuelle Krise beigetragen. Terroristen der ISIS (Islamischer Staat in
Irak und Syrien) hatten zunächst Ende 2013 die Städte Ramadi und Falludschah überfallen und
ihren Einflußbereich sukzessive auf die Provinz Anbar ausgebreitet. Mit Vormarsch der Terrororganisation ISIS sind seit Anfang Juni 2014 große Teile der sunnitischen Gebiete Iraks der Kontrolle
der Zentralregierung entglitten. Anfang August hat ISIS Gebiete westlich von Mosul (Bezirke Sinjar
und Talafar) unter seine Kontrolle gebracht, die zuvor von der kurdischen Peschmerga kontrolliert
wurden (Siedlungsgebiete von Minderheiten, v.a. Jesiden).
Die Sicherheitslage, die sich seit dem Höhepunkt der innerirakischen Gewalt in den Jahren 2006
und 2007 etwas entspannt hatte, hat sich im Jahr 2014 erneut dramatisch verschlechtert. Dies
betrifft gegenwärtig vor allem die Provinzen Anbar, Ninewa, Salah ad-Din, Diyala und Teile der
Hauptstadt Bagdad
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Irak/Innenpolitik_node.html
Korruptionsindex von Transparency International - Corruption Perceptions Index 2014
Im Jahresbericht 2014 von Transparency International, für den in 175 Staaten Befragungen zur Wahrnehmung von Korruption bei Beamten und Politikern durchgeführt
wurden, liegt Irak auf Platz 170 (2013: Platz 171). Deutschland liegt auf Platz 12.
Quelle: http://www.transparency.org/cpi2014/results
26\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Spannungen und innere Konflikte
Die Besatzung durch die US-Armee hat einen internen, teilweise gewaltsamen Konflikt entlang ethnisch-religiöser Trennlinien zutage gebracht, bei dem es einerseits um
den Zugang zu Macht, andererseits um die Dominanz einer religiösen Gruppe (Schiiten
oder Sunniten) geht. Die Konflikte spielen sich vor allem zwischen drei große Gruppen
ab: den sunnitischen und schiitischen Arabern sowie den Kurden. Die Zugehörigkeit zu
einer religiösen Gruppe ist ausschlaggebendes Kriterium für den Zugang zu politischer
Macht im Irak, wie derzeit die schiitische Gruppe unter der Führung Al-Malikis, während
zu Zeiten der Herrschaft Husseins die sunnitische Gruppe bevorzugt wurde. Keine der
Gruppen fühlt sich von der anderen Gruppe hinreichend politisch repräsentiert, was
eine Lösung des Konfliktes deutlich erschwert. Insbesondere die sunnitische Minderheit
im Land, die unter dem sunnitischen Diktator Saddam Hussein große Vorteile genoss,
fühlt sich heute durch die schiitische Regierung unter Ministerpräsident al-Maliki marginalisiert. In Folge kam es im Frühjahr 2013 zu massiven Protesten der sunnitischen
Bevölkerung gegen die Regierung, die stellenweise gewaltsam eskalierten. Erschwerend
kommt hinzu, dass es große Differenzen innerhalb der einzelnen Gruppen gibt, etwa
zwischen Hardlinern und Moderaten. Spannungen verursacht auch die Frage, welche
Rolle Religion allgemein in der Politik spielen soll.
Die Beziehungen zwischen der irakischen Zentral- und der kurdischen Regionalregierung sind extrem angespannt. Immer wieder wirft die irakische Regierung den im Norden des Iraks ansässigen Kurden vor, sie wollten einen eigenen Nationalstaat gründen.
Sowohl die irakische Zentralregierung als auch die Kurden beanspruchen die Verwaltung der Region. Dass in der kurdischen Region vor allem in den Provinzen Kirkuk und
Mosul wichtige Ölreserven des Iraks liegen, erschwert zusätzlich einen Interessenausgleich.
Auch im Süden des Irak kommt es zu Konflikten wegen der Ölvorkommen. Hier treffen sunnitische und schiitische Araber aufeinander, angeheizt von Al-Kaida Ablegern.
Begleitet werden all diese Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen von einem wachsendem radikalen Extremismus und Terrorismus
im Land. In der Vergangenheit war dieser vor allem gegen die Besatzer gerichtet. Eine
Mehrzahl der irakischen Bevölkerung lehnte die Anwesenheit der ausländischen Streitkräfte ab. Insbesondere das oftmals gewaltsame Vorgehen der Koalitionstruppen gegen
die irakische Bevölkerung im Kampf gegen den Terrorismus und die Gewalt im Land,
erzeugten einen regelrechten Hass auf die US-amerikanischen Truppen und andere
Streitkräfte. Seit ihrem Abzug Ende 2011 hat die Gewalt im Irak jedoch noch weiter zugenommen. Das Ziel sind nicht länger ausländische Kräfte, hingegen richten sich militante Akteure wie die mächtige sunnitisch-islamistische Terrorgruppe Islamischer Staat im
Irak und der Levante (ISIL), heute Islamischer Staat (IS), gegen die Regierung des Landes. Autobomben und Selbstmordanschläge, bei denen regelmäßig dutzende Menschen
sterben, lassen die Gesellschaft nicht zur Ruhe kommen.
Das erhöhte Gewaltausmaß ließ sich insbesondere im Jahr 2013 beobachten, als
Bombenanschläge hunderte Tote forderten. Nachdem sich die sunnitische und die schiitische Seite auf politischer Ebene in den vergangen Jahren müheselig angenähert haben,
äußern inzwischen sowohl die Gesellschaft als auch die Politik die Angst vor einem erneuten – durch die Gewaltwelle bedingten – Konfliktausbruch zwischen den Konfessionen. Der gestiegene Einfluss von IS im Irak sichtbar: So gelang es den radikalen Kämp-
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
27\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
fern mit Mossul zwischenzeitlich die zweitgrößte irakische Stadt einzunehmen. Zuvor
eroberten sie bereits die Macht über die Stadt Falludscha in der westirakischen Provinz
Anbar. Die extremistische Gruppe profitiert von dem Machtvakuum in Syrien, welches
den Milizen sowohl einen Rückzugsort gewährt als auch den Zugang zu Waffen erleichtert. Der IS hält weiterhin zahlreiche strategisch wichtige Städte und ist bestrebt, einen
eigenen Staat im Norden des Iraks zu errichten.
Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region
Geographische Lage
Der Irak umfasst 434.128 Quadratkilometer. Das Land, das geographisch in Vorderasien zu verorten ist, zählt politisch zum Nahen und Mittleren Osten. Er grenzt im Norden an die Türkei, im Nordwesten an Syrien, im Südosten an Jordanien und im Süden an
Saudi-Arabien, von dem ihn eine lange Grenze trennt. Im Osten teilt das Land eine lange
gemeinsame Grenze mit dem Iran, im Südwesten eine mit Kuwait. Dort verfügt der Irak
auch über einen kleinen Zugang zum persischen Golf. Das Land umfasst den größten Teil
von Mesopotamien (die Region zwischen Euphrat und Tigris).
Politische Situation in der Region
Die politische Lage in der Region ist derzeit vor allem durch den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien geprägt, ist aber auch durch eine insgesamt schwierige politische Konstellation (Palästinakonflikt, Atomfrage Iran, etc.) angespannt.
Was als Studentenprotest im März 2011 in der Stadt Daraa begann, entwickelte sich
zu einem Bürgerkrieg in Syrien, dessen Auswirkungen weit über die Grenzen hinaus zu
spüren sind. Auf der einen Seite kämpft die regierenden Baath Partei unter der Führung
von Staatspräsident Al-Assad, auf der anderen haben sich mehrere bewaffnete Oppositionsgruppen formiert, die sich hauptsächlich aus Freiwilligen und desertierten Soldaten
zusammensetzen und inzwischen von Anhängern der Opposition aus der Türkei befehligt wird, zu denen sich aber auch Anhänger des Terrornetzwerkes Al-Qadia gesellt haben. Beide Seiten werden bei diesem sogenannten „non-international armed conflict“
doch von anderen Staaten oder Gruppen aus der Region unterstützt. Die Opposition fordert den sofortigen Rücktritt des Präsidenten al-Assad, während das Regime weiterhin
die Opposition als bewaffnete Terroristen bezeichnet, die keinerlei Legitimität besitzen.
Inzwischen sind dem Konflikt etwa 160.000 Menschen zum Opfer gefallen, mehr als 6,5
Millionen Menschen im Land vertrieben und 2,5 Millionen zu Flüchtlingen geworden, die
unter anderem in der Türkei, dem Irak und im Libanon Aufnahme fanden.
Hunderttausende Flüchtlinge werden in Jordanien versorgt, dessen Wirtschaft durch
den Krieg schwer geschädigt wird. Jordanien ist von dem Syrienkonflikt schwer getroffen, nicht zuletzt auch weil Assad den sunnitischen Machthabern in Jordanien eine Mitschuld an dem Bürgerkrieg gibt, weil sie ihren politischen Einfluss auf sunnitische Gruppen geltend machen. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien sind schätzungsweise
500.000 Syrier nach Jordanien geflohen. Die Mehrheit lebt außerhalb der Flüchtlingscamps in den jordanischen Städten, wo sie mit steigenden Mieten, schlechten
Wohnzuständen sowie dem mangelnden Bildungszugang für Kinder konfrontiert sind.
Die Situation belastet die jordanische Gesellschaft zunehmend. An der jordanisch-
28\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
syrischen Grenze kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, bei denen auch jordanische Soldaten getötet wurden. 2013 verlegten die USA deshalb Truppen an die syrischjordanische Grenze, die eine weitere Eskalation des Konfliktes verhindern sollen.
In der Türkei sind inzwischen im Rahmen der NATO deutsche Patriot- Luftabwehrsystemen stationiert, damit im Falle einer Eskalation die Türkei geschützt werden kann.
Eine Lösung des Konflikts scheint derzeit nicht absehbar, die Folgen für die Sicherheit
und Stabilität in der gesamten Region werden immer weitreichender. Als Rote Linie hatten sowohl die Türkei und andere Staaten der Region als auch die NATO den Einsatz von
chemischen Kampfstoffen bezeichnet. Trotz des Einsatzes chemischer Waffen im Frühjahr 2013 kam es nicht zu einer militärischen Intervention. Dennoch konnte ein diplomatischer Teilerfolg erzielt werden, als sich die UN-Vetomächte Russland und USA im
September 2013 auf die Zerstörung der syrischen Chemiewaffenarsenale einigten.
Auch der Irak leidet unter dem Konflikt – und vielmehr ist auch ein Teil von ihm. Die
Regierung in Bagdad unterstützt den syrischen Machthaber Assad und die irakischen
Truppen liefern sich Gefechte mit syrischen Aufständischen. Obwohl der Irak offiziell
neutral ist, manifestiert sich, abgesehen von derartigen Kampfhandlungen, auch auf einer rhetorisch-diplomatischen Ebene zunehmend Premier Al-Malikis Sympathie zu Assad. So bezeichnete Al-Maliki beispielsweise syrische Rebellengruppen und sunnitische
Politiker als Terroristen. Während auf Regierungsebene folglich eine Form von politischer und ethnisch-religiöser Zusammenhalt erkennbar ist (Präsident Assad ist zwar
Alawit, damit jedoch der schiitischen Auslegung des Islam sehr nahe), herrscht in der
sunnitischen Region Anbar, in der sich der größte Teil der Grenze zu Syrien befindet,
Angst vor dem Bürgerkrieg. Hierhin flüchteten die meisten der fast 150.000 Syrer in den
Irak. Aufgrund der religiösen Verbindungen unterstützen viele Stämme in der Region
die Rebellengruppen nicht nur mit humanitären Hilfsleistungen, sondern laut verschiedenen Berichten auch mit Waffen. Durch die sunnitische Unterstützung der Rebellengruppen in Syrien sehen sich viele sunnitische Gruppen im Irak motiviert, den bewaffneten Kampf gegen die schiitische Regierung in Bagdad zu intensivieren. Diese Konstellation verdeutlicht die konfessionelle Spaltung zwischen den islamischen Glaubensrichtungen und wird voraussichtlich weitreichende Folgen für die Stabilität in der Region haben. Sie könnte die konfessionellen Konflikte im Irak erneut anheizen und eine Welle
der Gewalt entfachen. Sorge bereitet auch die Präsenz al-Qaidas in Syrien, die für die
Sicherheit der gesamten Region kaum vorhersehbare Folgen hat.
Von dem Bürgerkrieg in Syrien ist auch das Nachbarland Libanon betroffen. Syrien
versucht die dortige Regierung zu beeinflussen und seine enge Verknüpfung mit dem
kleinen Levante-Staat auszuspielen. Die Parteien des Landes sind in verschiedene Lager
aufgespalten: eine pro-westliche Allianz auf der einen, eine pro-syrische Allianz unter
Führung der islamistischen Hisbollah auf der anderen Seite. Laut Medienberichten bombardierten im März 2013 syrische Kampfflugzeuge Rebellenstützpunkte im Libanon.
Seitdem hat sich die Lage verschärft.
Auch der Iran ist längst ein Teil des Syrienkonfliktes. Das US-Außenministerium behauptet, dass iranische Soldaten zusammen mit der Hisbollah an der Seite der syrischen
Regierungsarmee gegen die Rebellen kämpfen. Zudem versorgt Teheran die syrische
Regierung mit Waffen. Problematisch ist dabei unter anderem, dass bei den Waffenlieferungen iranische Flugzeuge die irakische Lufthoheit verletzen. Dies könnte als Folge eine verstärkte Ausrüstung des Iraks mit US-amerikanischen Kampfflugzeugen haben.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
29\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Grenzkonflikte
Grundsätzlich besteht zwischen Syrien und dem Irak kein Grenzkonflikt, allerdings
stellen die tausenden Bürgerkriegsflüchtlingen aus Sicht der Regierung al-Maliki eine
ernsthafte Gefahr für die innere Sicherheit des Landes dar. Immer wieder kommt es zu
bewaffneten Zwischenfällen im Grenzgebiet. Berichten zufolge bewegen sich immer
mehr Kämpfer auch auf irakischem Territorium und nutzten Grenzregionen als Rückzugsorte. Im Irak herrscht die große Sorge, das Land könne so weiter in den Konflikt in
Syrien hineingezogen werden. Infolgedessen hat die irakische Regierung die Grenzsicherung verschärft.
Die irakisch-türkische Grenze ist ebenfalls ein Brennpunkt. Nach dem Sturz Saddam
Husseins haben die Kurden im Norden des Iraks ihre Autonomie erklärt, gleichzeitig ist
der Kurdenkonflikt in der Türkei aber noch ungelöst. Erschwert wird die Situation durch
die wichtigen Ölreserven in den nördlichen Gebieten des Landes. In den letzten Jahren
haben sich die politischen Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und der
kurdischen Regionalregierung weiter verschlechtert. Mehrmals hat die Türkei in den
vergangenen Jahren auch Ziele im Nordirak angegriffen und mit Kampfjets, Drohnen und
Hubschraubern hat sie Vergeltung für den Tod von 24 türkischen Soldaten geübt, die an
der türkisch-kurdischen Grenze bei Kämpfen mit der PKK getötet wurden. Als Folge hat
nicht nur die Kurdische Regionalregierung protestiert, sondern auch die irakische Zentralregierung hat ihren Unmut über das Verhalten der Türkei geäußert.
Jüngste Entwicklungen geben jedoch Anlass zum Optimismus. Die Türkei hat die Beziehungen zu den Kurden im Irak verbessert. Mit der PKK hat sie im März 2013 einen
Waffenstillstand beschlossen, was die Hoffnung nährt, der lange Konflikt zwischen den
türkischen Kurden und der Regierung in Ankara könnte gelöst werden.
Zwischen den anderen Staaten der Region und dem Irak herrschen keine Grenzkonflikte.
Regionale Rüstungskontrolle
In den vergangenen Jahrzehnten gab es zahlreiche Versuche, regionale Rüstungskontrollmechanismen im Nahen und Mittleren Osten zu etablieren. Sie sind jedoch immer
wieder an den zahlreichen Konflikten in der Region, zuvorderst dem arabischisraelischen Konflikt, gescheitert. Die Abwesenheit von Frieden in der Region ist für viele Staaten eines der wesentlichen Hindernisse, in Beratungen über regionale Rüstungskontrollen und Verhandlungen über eine Massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten einzusteigen. Die Etablierung einer solchen Zone wird seit Jahrzehnten besonders von den USA gefördert. Bis heute konnten sich die Staaten des Nahen
und Mittleren Ostens jedoch nicht auf regionale Rüstungskontrollabkommen zur Regulierung von Massenvernichtungswaffen und konventionellen Waffen einigen.
Bedrohung von Alliierten
Stationierung alliierter Streitkräfte in der Region
Im Rahmen der UN-Peacekeeping Mission UNAMI (United Nations Assistance Mission
for Iraq) sind derzeit 192 Soldaten aus Fiji, 77 Soldaten aus Nepal, 1 Beobachter aus
Ägyptens sowie 1 Beobachter aus Indien im Irak stationiert. Zudem sind 1400 US-
30\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
amerikanische Soldaten im Rahmen der Operation Inherent Resolve, 70 Soldaten aus
Kanada im Rahmen der Operation Impact (Ausbildungsteam) sowie 12 Soldaten aus
Großbritannien im Rahmen der Operation Shader (Ausbildungsteam) im Irak präsent.
Gefahr von Technologiepiraterie
Laut einer Studie der Business Software Alliance (BSA) betrug die Piraterie-Rate von
Software im Irak 86 Prozent im Jahr 2013 und ist damit im Vergleich zu der vorherigen
Erhebung im Jahr 2011 gleich geblieben. Im Vergleich zu anderen Staaten im Nahen und
Mittleren Osten sowie in Nordafrika gehört Irak zu den Staaten mit einer der höchsten
Raten an Technologiepiraterie in dieser Region. Der aus der Technologiepiraterie entstandene wirtschaftliche Schaden belief sich nach BSA-Angaben im Jahr 2013 auf geschätzte 116 Millionen US-Dollar und ist somit gegenüber 2011 (172 Mio. USD) gesunken.
Quelle: Business Software Alliance (BSA), Global Software Piracy Study 2013
Verhalten in der internationalen Gemeinschaft
Box 9
Verhalten in der internationalen Gemeinschaft laut der Zusammenfassung des Auswärtigen Amtes (September 2014)
Mit der Akkreditierung von Botschaftern in Bagdad und Berlin am 24. und 28. August 2004 wurden
die vollen diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Irak wieder hergestellt. Seit dem
Golfkrieg 1990/91 und während der zivilen Übergangsverwaltung hatten eingeschränkte diplomatische Beziehungen bestanden. In Erbil unterhält Deutschland seit Anfang 2009 ein Generalkonsulat und trägt damit auch der Bedeutung der Region Kurdistan-Irak, sowie den kurdischen Rückkehrern, die ihr Exil in Deutschland verbracht haben, Rechnung. Derzeit leben etwa 81.000 Iraker in
Deutschland. Mehrere Tausend ehemalige Exil-Iraker sind seit 2003 nach Irak zurückgekehrt.
Deutschland und Irak verbinden enge freundschaftliche Beziehungen, die bis weit vor die Gründung
des modernen irakischen Staates zurückreichen. Seit dem Regime-Wechsel im Jahre 2003 sind die
Beziehungen immer intensiver geworden und bauen inzwischen auf zahlreichen hochrangigen gegenseitigen Besuchen auf. Bundesminister Ramsauer besuchte die Städte Bagdad und Erbil mit
einer großen Wirtschaftsdelegation im Februar 2013. Bei dem Besuch standen vor allem die Bereiche Infrastruktur und Transport im Vordergrund. Bundesminister Niebel reiste im August 2013
nach Irak, er besuchte dort u.a. das Flüchtlingslager Domiz in der Region Kurdistan-Irak, um sich
ein Bild von der Versorgungslage der syrischen Flüchtlinge im Camp zu verschaffen.
Am 16.August 2014 hielt sich Außenminister Steinmeier zu politischen Gesprächen in Bagdad und
Erbil auf. Dabei traf er u.a. Staatspräsident Ma‘soum, den designierten Premierminister Al-Abadi
sowie den Präsidenten der Region Kurdistan-Irak, Masoud Barzani. Während seines Besuchs traf er
in Erbil auch mit christlichen und jesidischen Binnenflüchtlingen zusammen.
Deutschland leistete in Irak unmittelbar nach Beginn des Krieges 2003 umfangreiche humanitäre
Hilfe und unterstützt das Land seither beim politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprozess.
Schwerpunkte sind Unterstützung beim Aufbau des Rechtsstaats (v.a. Justizbereich), Menschenrechte, (berufliche) Bildung, Kultur und die Reintegration von Flüchtlingen und Binnenvertriebe-
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
31\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
nen durch Wirtschafts- und Wiederaufbaumaßnahmen. Insgesamt wurden seit 2003 Unterstützungsleistungen von weit über 400 Millionen Euro erbracht. Darin sind der deutsche Anteil an den
EU-Hilfen und multilaterale Beiträge Deutschlands (über Weltbank oder den IWF) eingeschlossen.
Hinzu kommt ein Schuldenerlass von 4,7 Mrd. EUR im Rahmen des Pariser Clubs. Mehr als 2.500
Iraker (Ingenieure, Richter, Diplomaten, Journalisten, Beamte etc.) haben an Ausbildungskursen
teilgenommen. Deutschland fördert Projekte der Vereinten Nationen und internationaler Organisationen vor Ort.
Mittlerweile halten sich ca. 230.000 syrische Flüchtlinge in Irak auf (Stand April 2014). Die Bundesregierung unterstützt Irak bei seinen Hilfeleistungen für die Flüchtlinge aus dem Nachbarstaat mit
über 30 Millionen Euro.
Die Bundesregierung hat seit Beginn der aktuellen Krise im Juni 2014 Mittel von insgesamt fast 50
Millionen Euro für Hilfsmaßnahmen bereitgestellt, vor allem im Bereich der Humanitären Hilfe. Am
31.08.2014 hat die Bundesregierung entschieden, neben den bereits erfolgten Hilfs- und Unterstützungsleistungen auch militärisches Ausrüstungsmaterial zur Unterstützung der kurdischen Regionalregierung im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS zur Verfügung zu stellen
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Irak/Bilateral_node.html
Tabelle 13
Beitritt zu wichtigen Anti-Terrorismus-Abkommen
Abkommen
Status
Quelle
Konvention zur Unterdrückung von Flugzeugentführungen von 1971
Konvention zum Schutz bestimmter Personen, einschließlich Diplomaten von 1977
Internationale Konvention gegen Geiselnahmen von
1983
Konvention zum physischen Schutz nuklearen Materials von 1987
Konventionen zur Markierung von Plastiksprengstoff
von 1998
Internationale Konvention zur Unterdrückung terroristischer Bombenanschläge von 2001
Internationale Konvention zur Unterdrückung der
Finanzierung terroristischer Organisationen von 2002
Internationale Konvention zur Unterdrückung von
Handlungen des Nuklear-Terrorismus von 2007
Beigetreten
http://www.icao.int
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Nicht beigetreten
http://www.iaea.org
Nicht beigetreten
http://www.icao.int
Nicht beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Kommentar
Bis 2012 war der Irak, mit Ausnahme der Konvention zur Unterdrückung von Flugzeugentführungen und der Konvention zum Schutz bestimmter Personen, keinen weiteren wichtigen Antiterrorismus-Abkommen beigetreten. Erst im November 2012 hat das
Land die Konvention zur Unterdrückung der Finanzierung terroristischer Organisationen und im Mai 2013 die Konvention zur Unterdrückung von Handlungen des Nuklearterrorismus angenommen. Dennoch ist der Irak bei drei wichtigen Abkommen zur
32\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Verhinderung des internationalen Terrorismus kein Signatarstaat. Seit dem offiziellen
Abzug der US-Truppen Ende 2011 ist das Land eine wichtige Anlaufstelle für internationale Terrorgruppen geworden. Inzwischen dient es als Rekrutierungs- und Ausbildungsbasis für neue Kämpfer und zum Ausbau verschiedener terroristischer Netzwerke.
Islamistische Terrorgruppen nutzten die amerikanische Besatzung für Propagandazwecke, um in arabischen und islamischen Ländern neue Rekruten für den Dschihad zu mobilisieren und Finanzierungsquellen zu erschließen. Der Bürgerkrieg in Syrien begünstigt die aus dem Irak operierenden Terrorgruppen.
Internationale Kriminalität
Tabelle 14
Beitritt zu internationalen Abkommen in der Kriminalitätsbekämpfung
Abkommen
Status
Quelle
Konvention gegen Transnationale Organisierte Kriminalität von 2003
Zusatzprotokoll (a) zur Unterdrückung von Menschenhandel (2003)
Zusatzprotokoll (b) gegen den Schmuggel von Auswanderern (2004)
Zusatzprotokoll (c) gegen die unerlaubte Herstellung
und den Transport von Feuerwaffen (2005)
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
Kommentar
Organisierte Kriminalität ist im Irak weit verbreitet und stellt ein wesentliches Hindernis für den Staatsaufbau und die allgemeinen Entwicklung dar. Sie finanziert u. a. den
Konflikt zwischen den Konfessionen. Entführungen und Erpressungen tragen zur allgemeinen Verschlechterung der Sicherheitslage bei, wobei die Anzahl der Entführungen
insgesamt rückläufig ist. Der illegale Verkauf von Öl ist dabei eine zentrale Einnahmequelle für kriminelle Gruppen. Die irakische Regierung und die USA haben den kriminellen Aktivitäten inzwischen den Kampf angesagt, nachdem sie erkannt hatten, welche
negativen Auswirkungen sie auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung
des Landes haben. Im Irak werden viele junge Mädchen/Frauen an ihre zukünftigen
Ehemännern verkauft, zur Prostitution gezwungen oder illegal ins Ausland verschleppt.
Die genaue Zahl ist unbekannt, tausende Frauen gelten jedoch als verschwunden. Durch
den Bürgerkrieg in Syrien ist der Menschenhandel mit Flüchtlingen zu einem ernsten
Problem geworden. Viele Flüchtlinge werden mit leeren Versprechungen, etwa dem eines besseren Lebens in Europa, gelockt. Bei dem Transport kommen die Opfer oft ums
Leben oder sie werden während der Flucht festgenommen und zurück in den Irak geschickt. Während des Irak-Krieges kamen auch Fälle von Menschenhandel ans Licht, für
die von der US-Regierung beauftragte Subunternehmen verantwortlich waren. So wurden schätzungsweise 70.000 Menschen mit falschen Versprechungen in den Irak gelockt, um als billige Arbeitskräfte (Köche, Reinigungskräfte und Bauarbeiter) aus Drittstaaten die für den Krieg notwendige Logistik aufzubauen.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
33\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Tabelle 15
Ausgewählte völkerrechtliche Vereinbarungen
Abkommen
Status
Quelle
Völkermord-Konvention von 1951
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten in Kriegszeiten von 1950
Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention von 1950 zum
Schutz von Opfern in bewaffneten Konflikten von 1978
Internationaler Strafgerichtshof (Römisches Statut) von
2002
Anti-Korruptions-Konvention von 2005
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch
Beigetreten
http://treaties.un.org
Beigetreten
http://treaties.un.org
UN-Berichterstattung
Der Irak übermittelt weder im Rahmen des UN-Waffenregisters Angaben zu Rüstungsimporten und -exporten, noch im Rahmen des Instruments zur Berichterstattung
über Militärausgaben Informationen an die UN.
Unerlaubte Wiederausfuhr
Über Exportkontrollgesetzgebung im Irak gibt es keine genauen Angaben. Nach der
Auflösung der irakischen Armee durch die USA ist eine Vielzahl der legalen Bestände auf
dem Schwarzmarkt gelandet. Tausende illegale Waffen sind mit großer Wahrscheinlichkeit aus den Händen verschiedener Gruppen nach Syrien gelangt.
Wirtschaftliche und technische Kapazität des Landes
Box 10
Auszug aus dem Länderbericht des Auswärtigen Amtes (September 2014)
Die bis zum Frühjahr 2014 relativ gute Prognose für die irakische Volkswirtschaft muss vor dem
Hintergrund der aktuellen politischen Lage neu bewertet werden. . Schätzungen zufolge könnten –
sofern die aktuelle Krise bewältigt würde - die Wachstumsraten der irakischen Wirtschaft in den
kommenden Jahren bei durchschnittlich 5% liegen. Die positiven Aussichten basieren auf Iraks
Reichtum an fossilen Brennstoffen: Mit geschätzten 141 Milliarden Fass verfügt das Land über die
fünftgrößten Öl, mit 3,17 Milliarden Kubikmeter über die zwölftgrößten Erdgasreserven der Welt.
Das irakische Bruttoinlandsprodukt lag 2013 bei geschätzten 160 Milliarden Euro. Das Pro-KopfBruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2013 etwa 4600 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2003 betrug
dieser Wert mit ca. 390 Euro weniger als ein Zehntel davon.
Die Staatsverschuldung belief sich 2013 geschätzt auf ca. 17,5% des Bruttoinlandsprodukts, die
Inflationsrate dürfte 2013 mit ca. 2,3% deutlich rückläufig sein. Der Zentralbank gelang es in den
34\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
vergangenen Jahren, die vormals höhere Inflation durch enge Anbindung an den US-Dollar, stabile
Wechselkurse und eine kontinuierliche Aufwertungspolitik für den Dinar unter Kontrolle zu bringen.
Irak ist entschlossen einen großen Teil seines Haushalts in die eigene Infrastruktur zu investieren,
hier steht die Ölinfrastruktur im Vordergrund, beispielsweise der Ausbau von Pipelines und der Bau
zahlreicher Raffinerien. Dringender Investitionsbedarf besteht weiter bei der Gesundheitsfürsorge,
der Elektrizitäts- und Wasserversorgung.
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Irak/Wirtschaft_node.html
Tabelle 16
Anteile Militärausgaben, Gesundheitsausgaben und Bildungsausgaben am BIP/GDP (in%)
2010
2011
2012
2013
2014
3789
5905
5688
7281
8381
Militärausgaben/BIP
2,6
3,3
2,9
3,5
4,2
Gesundheitsausgaben/BIP
3,7
3,2
4,8
5,2
-
-
-
-
-
-
Militärausgaben (in Millionen US-Dollar)
Bildungsausgaben/BIP
Angaben in konstanten Preisen mit 2011 als Basisjahr.
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database, World Bank Data (World Development Indicators)
Schaubild 5
Entwicklung Anteile Militärausgaben, Gesundheitsausgaben und Bildungsausgaben am
BIP/GDP in Prozent
6
5
4
Bildungsausgaben
3
Gesundheitsausgaben
Militärausgaben
2
1
0
2010
2011
2012
2013
2014
Quellen: SIPRI Military Expenditure Database (Militärausgaben); World Bank Data (World Development Indicators)
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
35\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Tabelle 17
Absolute Auslandsverschuldung/Anteil am BIP und Entwicklungshilfe
2009
2010
2011
2012
2013
Auslandsverschuldung
-
-
-
-
-
Anteil am BIP (in Prozent)
-
-
-
-
-
2950
2280
1919
1301
-
Net ODA (% of GNI)*
2,5
1,6
1,1
0,6
-
Deutsche ODA Zahlungen*
37
37
28
28
-
Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA)*
Angaben in konstanten Mio. US$ (2010) (Auslandsverschuldung); ODA in konstanten Mio. US$ (2012); Net ODA (% of
GNI) in aktuellen Preisen; Deutsche ODA Zahlungen in konstanten Mio. US$ (2012).
Quelle: Weltbank, IMF, OECD*
Tabelle 18
Globaler Militarisierungsindex – Wert und Platzierung
Militarisierungswert
Index-Platzierung
2009
2010
2011
2012
2013
716,9
689,7
709,2
631,0
639,2
37
52
35
44
38
Tabelle 19
Globaler Militarisierungsindex – Wert und Platzierung der Nachbarstaaten
Militarisierungswert
2009
2010
2011
2012
2013
845,2
838,8
828,8
756,3
748,7
5
6
6
7
8
739,5
738,3
732,5
672,8
675,0
30
31
29
31
30
921,7
915,9
900,2
834,8
831,6
1
1
1
1
1
816,2
813,2
804,8
736,2
732,5
9
8
9
11
12
Jordanien
Index-Platzierung
Militarisierungswert
Iran
Index-Platzierung
Militarisierungswert
Israel
Index-Platzierung
Militarisierungswert
Kuwait
Index-Platzierung
36\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
SaudiArabien
Militarisierungswert
Index-Platzierung
Militarisierungswert
2009
2010
2011
2012
2013
769,9
764,9
755,9
691,2
693,6
17
18
19
22
20
860,2
854,7
854,6
772,0
733,6
3
3
3
5
4
Syrien
Index-Platzierung
Quelle: Global Militarization Index (GMI) – Bonn International Center for Conversion (BICC)
Der Globale Militarisierungsindex (GMI) bildet das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats eines Staates im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Daten basieren auf dem GMI 2014.
http://gmi.bicc.de/index.php?page=gmi-new
Die Platzierung der Länder kann aufgrund der Berechnungsmethode nur innerhalb eines Jahres verglichen werden, ist
jedoch zur Veranschaulichung hier aufgeführt. Durch eine unterschiedliche Datenbasis in den einzelnen Jahren variiert
die Anzahl der erfassten Länder in den einzelnen Jahren, so dass die Platzierung nicht über verschiedene Jahre hinweg
verglichen werden kann.
Tabelle 20
Militärausgaben der Nachbarstaaten absolut und am BIP in Prozent
Israel
Irak
Jordanien
Militärausgaben (absolut)
Militärausgaben/BIP
Militärausgaben (absolut)
Militärausgaben/BIP
Militärausgaben (absolut)
Militärausgaben/BIP
Iran
Militärausgaben (absolut)
Militärausgaben/BIP
SaudiArabien
Syrien
Militärausgaben (absolut)
Militärausgaben/BIP
Militärausgaben (absolut)
Militärausgaben/BIP
2010
2011
2012
2013
2014
1428
1385
1190
1082
1114
5,0
4,8
4,0
3,5
3,5
15801
14278
11453
-
-
3,2
2,5
2,3
-
-
15833
15481
15636
16581
15283
6,3
6
5,7
5,8
5,2
4716
5394
5856
5666
-
3,6
3,4
3,2
3,1
-
47879
48531
54913
62933
73717
8,6
7,2
7,7
9,0
10,4
2366
2495
-
-
-
4,1
-
-
-
-
Angaben in konstanten Mio. US$ (2011). Quelle: SIPRI Military Expenditure Database
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
37\
LÄNDERBERICHT \ IRAK
Tabelle 21
Human Development Index (HDI)
HDI-Wert
2009
2010
2011
2012
2013
0.576
0.638
0.639
0.641
0.642
Quelle: http://hdrstats.undp.org/en/indicators/103106.html
Der HDI ist ein Wohlstandsindikator und variiert zwischen 1 (beste Entwicklungsstufe und 0 (geringe Entwicklung). Die
Länder werden in vier Klassen eingeteilt: sehr hohe, hohe, mittlere und niedrige menschliche Entwicklung. Die Berechnung des HDIs basiert auf den Kategorien Gesundheit (Lebenserwartung), Bildung und dem Bruttonationaleinkommen.
Aufgrund veränderter Berechnungsmethoden sowie unterschiedlicher Verfügbarkeit von Daten ist das Jahr 2011 nicht
mit den Jahren zuvor vergleichbar.
Kommentar
Im Hinblick auf seine gesamtwirtschaftliche Lage bewies der Irak seit 2006 eine ausgeprägte Robustheit. In den letzten zwei Jahren zeigt sich deutlich, in welchen Schwierigkeiten die Wirtschaft ist und wie sie immer noch unter den Folgen von Krieg, Embargo und einer weit verbreiteten Korruption leider. Dennoch entwickeln sich die maßgeblichen Wirtschaftsindikatoren positiv, obwohl vor allem wegen der Sicherheitssituation
zwischen den jeweiligen Regionen große Unterschiede bestehen. Die jährlichen Steigerungsraten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lagen für die Jahre 2011 und 2012 bei 8,6
bzw. 8,4 Prozent. Das BIP pro Kopf ist seit 2008 von 4,472 bis 2012 auf 6,455 US-Dollar
gestiegen. Gleichzeitig ist die Inflation in den letzten Jahren rückläufig und liegt aktuell
bei etwa zwei Prozent, was zu mehr Konsum führt. Die Anzahl der Erwerbstätigen hat
sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 um rund eine Million erhöht und liegt aktuell bei
etwa neun Millionen. Dennoch ist die insgesamt niedrige Erwerbsquote ein drängendes
Problem für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Eine zusätzliche Belastung ist die niedrige Frauenerwerbstätigkeit – nur jeder fünfte Arbeitnehmer ist eine
Frau. Insgesamt beträgt die Arbeitslosigkeit zwischen 16 und 23 Prozent.
Die Ölförderung ist der Hauptzweig der irakischen Wirtschaft und mit etwa 90 Prozent der Staatseinnahmen in den letzten Jahren die wichtigste Einnahmequelle der Regierung. Der Irak gehört zur Gruppe der fünf Länder mit den weltweit größten Ölreserven, die bei jetziger Fördermenge etwa 90 Jahre vorhalten sollen. Nach Angaben des irakischen Ölministeriums werden annähernd drei Millionen Barrel Rohöl pro Tag gefördert, von denen regelmäßig etwa 80 Prozent ins Ausland verkauft werden. Probleme
gibt es jedoch bei der Anerkennung kurdischer Ölkonzessionen für ausländische Konzerne durch die Zentralregierung.
Der Irak ist stark importabhängig. Im Bau- und Elektronikgewerbe sind überwiegend
türkische Unternehmen auf dem Markt präsent. Auch Hauselektronik, Textil und Bekleidung sowie Lebens- und Genussmittel kommen überwiegend aus der Türkei. Aber auch
Jordanien, der Iran und China spielen in diesem Wirtschaftsbereich eine immer wichtigere Rolle. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Iraks ist die fehlende eigene produzierende und weiterverarbeitende Industrie problematisch.
Hinderlich für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ist die anhaltende ungleiche Verteilung des Nationaleinkommens. Die reichsten 20 Prozent der Bevöl-
38\
BICC \ LÄNDERBERICHT 6 \ 2015
LÄNDERBERICHT \ IRAK
kerung verfügen über 40 Prozent des gesamten Nationaleinkommens, während auf die
ärmsten 20 Prozent nur vier Prozent entfallen. Verantwortlich dafür sind vor allem ökonomisch-strukturelle, politisch-historische sowie ausbildungstechnische und steuerrechtliche Probleme. Das Steuersystem funktioniert noch nicht und Korruption ist nach
wie vor weit verbreitet. Die US-Invasion hat drastische Auswirkungen auf das Bildungssystem gehabt. Heute ist die Alphabetisierungsrate im Irak schlechter als vor 25 Jahren.
Vor dem Krieg gehörte das irakische Bildungssystem zu einem der besten in der gesamten Region, heute sind viele Schulen und Universitäten, die während der US-Invasion
zerstört wurden, noch nicht wieder aufgebaut. Infrastruktur, Schulmaterial und Laborausrüstung in Universitäten sind dem Krieg zum Opfer gefallen. Lehrer und Professoren sind entweder aus dem Land geflohen oder im Konflikt umgekommen. Die angespannte Sicherheitslage erschwert es vielen Lernenden und Studierenden bis heute die
Schule bzw. Universität zu besuchen, wodurch die Ausbildung erheblich leidet.
Unter den jahrelangen Sanktionen, dem Krieg und der Besatzung hat auch das Gesundheitssystem schwer gelitten, das noch in den 1970er und 1980er zu den regional
fortschrittlichsten gehörte. Zerstörte Infrastruktur sowie die Abwanderung der Ärzte
und des medizinischen Personals sind das wohl größte Hindernis für seine Entwicklung
und Verbesserung.
BICC \ LÄNDERBERICHT 6\2015
39\