Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der

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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der
Ausgabe 4/2006
Zeitschrift des
Deutschen Olympischen Sportbundes
und der
Deutschen Olympischen Gesellschaft
aaaWas wäre, wenn sich ein Partner
auf den anderen verlassen könnte?
Gewinner erkennt man am Partner
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Peking 2008
www.zurich.de
Freundliche Grüße
aus der OF-Redaktion
er Sport des ausklingenden Sommers ist auf den ersten
Blick ein farbenprächtiger Rausch der Ereignisse. Zugegeben: Die Titel-Illustration dieser OF-Ausgabe lässt erst auf dem
zweiten Blick das Zentralthema erahnen. Hans Borchert, unser
Künstler vom Dienst, hat mit dem Blutbeutel des Radsports die
Doping-Problematik nur suchbildartig auf den Punkt gebracht.
Im Innern des Heftes allerdings wird daraus ein Kompaktprogramm versuchter Problemannäherung. Wer wagt es, hier an
Bewältigung auch nur zu denken?
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Die Geißel Doping rückt, liebe Leserinnen und Leser, wie kaum
jemals zuvor ins Rampenlicht. Vor dem Hintergrund breitester
öffentlicher Empörung, national wie international, gewinnt man
den Eindruck, dass sich jetzt endlich Entscheidendes tun könnte.
Sicher war man schon seit Jahren an die tägliche Dopingnotiz
im Sportteil der Zeitung gewöhnt. Aber das ging doch, von
gelegentlichen markanten Ausnahmen abgesehen, im Eventund Ergebnistaumel unter. Diesmal haben die skandalgeschwängerte Tour, diverse Leichtathletik-Exzesse, vor allem aber
auch entlarvte Netzwerke dubioser Helfershelfer das Unsägliche
sogar im öffentlichen Meinungsbildungsprozess auf die Spitze
getrieben.
Inzwischen scheint der Seuchenalarm den gesamten Sport zu
erfassen. Nicht nur, dass die Hochleistung jedweder Sparte mit
einem Fragezeichen versehen wird. Selbst bisherige Befürchtungen oder Vermutungen auf manchen Ebenen des Breiten- und
Freizeitsports werden plötzlich mit Fakten belegt. Der sportliche
Supergau hat begonnen. Diese Erkenntnis verbreitet sich - in
jeder Katastrophe liegt schließlich auch eine Chance - jetzt sehr
massiv. Ob bei Sport, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: die
Alarmsignale sind mittlerweile in einer Lautstärke zu vernehmen, die keinen Aufschub im Handeln mehr duldet. Und weil
die Glaubwürdigkeit sportlichen Geschehens insgesamt auf dem
Spiel steht, darf man auf die bitter notwendigen konzertierten
Aktionen, vor der eigenen Haustür und weltweit, gespannt sein.
Dazu in diesem Heft ein paar Orientierungshilfen. Gibt es also
vielleicht doch noch eine tiefgreifende Werte-Revolution?
Die Richtung zumindest ist angezeigt. Und das sollte man in
Katastrophenzeiten nicht gering schätzen.
Ihr Harald Pieper
Inhalt
OF Mosaik
4
OF-Podium: Richard Pound
6
Der galoppierende Dopianismus verlangt die
Humanisierung des Leistungsprinzips
8
Prof. Dr. Hans Lenk
Schwarzer Freitag und schwarzer Bildschirm:
Der Kampf gegen Doping als Glaubenskrieg
12
Dieter Hennig
Wenn der Grenzwert überschritten ist
14
Michael Gernandt
Endlich muss Radikales passieren
15
Wolfgang Avenarius
Doping-Prävention - eine gesamtgesellschaftliche
Querschnittsaufgabe
16
Walter Mirwald
OF-Interview mit Karl Honz
18
Michael Gernandt
In Sachen Sportwetten oder
Überlebenskampf im Glücksspiel-Dschungel
20
Andreas Müller
WM-Nachlese oder
Wie die Deutschen der Welt sympathisch wurden
24
Steffen Haffner
Was ist los mit der veröffentlichten Meinung?
26
Prof. Dr. Günther von Lojewski
Deutsche feiern Sportfeste weltmeisterlich
28
Michael Burau
Zwischen Design und Bewusstsein Bewegende Spurensuche nach Schwarz-Rot-Gold
30
Dr. Hans-Jürgen Schulke
Nach der WM ist vor der WM - Hoffnungen auf Erfolg
in Sport und Wirtschaft auch für Südafrika 2010
32
Prof. Dr. Wolfgang Maennig
Für Demokratie, Frieden und Stabilität - Deutsche Sportexperten leisten seit vierzig Jahren weltweit Entwicklungshilfe
35
Dr. Stefan Volknant
Russland - ein Land und sein Spitzensport im Umbruch
38
Dr. Verena Burk
Die Aufarbeitung des Stasi-Erbes bleibt ein Auftrag auch
für den Sport
42
Holger Schück
OF-Kommentare
46
Dr. Karlheinz Gieseler, Dr. Hans-Dieter Krebs, Harald Pieper
Was macht eigentlich ...? Rosemarie Ackermann
48
Jochen Frank
Schiller - ein bekennender „Olympier“
50
Prof. Dr. Ommo Grupe
Joseph Boulogne Chevalier de Saint-Georg:
Mozarts schwarzer Fechtbruder
52
Dr. Hans Jägemann
OF-Galerie: Rasenballett eine Kunstausstellung besonderer Art
56
Prof. Dr. Günter Witt
Nachrichten des Deutschen Olympischen Sportbundes
59
Impressum
69
Nachrichten der Deutschen Olympischen Gesellschaft
71
Nachrichten des Deutschen Olympischen Instituts
83
Deutsches Sport & Olympia Museum
87
3
Notstandsgebiet
Schwimmbäder
Olympische
Geschlossenheit
ach einer aktuellen Statistik der
Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) kann jeder vierte Bundesbürger nicht schwimmen. Besonders bedenklich
sei die Situation bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre: In dieser Altersgruppe sei
jeder Dritte Nichtschwimmer, heißt es. "20
Prozent aller Schulen bekommen keinen
Zugang zu Schwimmhallen - das Schulschwimmen findet also gar nicht statt",
erklärte DLRG-Präsident Klaus Wilkens.
Hinzu komme, dass immer mehr Schwimmbäder geschlossen werden: allein in den
letzten 15 Jahren 1.500 Einrichtungen.
Derzeit gebe es bundesweit noch rund
6.800 Frei- und Hallenbäder.
inter-Paralympics und Paralympics
finden auch weiterhin dort statt, wo
auch die Olympischen Spiele durchgeführt
werden. Eine diesbezügliche Kooperationsverein-barung, die darüber hinaus auch wieder
die unmittelbare zeitliche Abfolge von Paralympics und Olympischen Spielen bis in das
Jahr 2016 festlegt, haben das Internationale
Olympische Komitee (IOC) und das Internationale Paralympics Komitee (IPC) fortgeschrieben. Damit wurde ein Agreement aus dem
Jahr 2001 weitergeführt. Mit Hilfe des IOC
soll die Zukunft der Paralympics mittel- und
langfristig gesichert werden. "Das IOC arbeitet
seit langem gut und konstruktiv mit dem IPC
zusammen. Wir sind stolz darauf, diese
N
W
Anti-Doping-Strategie: Sport und Staat nicht Staat statt Sport
Von DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach
ie neuerlichen Skandale haben die
Diskussion um den Kampf gegen
Doping neu entfacht. Dies begrüße ich im
Sinne der vom Deutschen Olympischen
Sportbund (DOSB) verfolgten Null-ToleranzPolitik ausdrücklich. Die erste Empörung hat
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dabei allerdings zu einer Verkürzung der
Argumente auf die Frage geführt, ob man
ein "Anti-Doping-Gesetz" brauche oder
4
nicht. Wir sollten uns jedoch zunächst der
Frage nach den Inhalten zuwenden und
dann die notwendigen Formen schaffen. Es
ist allgemeine Ansicht, dass weder Sport
noch Staat den Kampf gegen Doping alleine
führen können. Beide müssen zusammenwirken, um möglichst hohe Effektivität und
Abschreckung zu erreichen. Dies führt
sinnvoller Weise zu einer koordinierten
Arbeitsteilung. Das bedeutet, dass Sport und
Staat jeweils das tun, was sie effektiver
können und sich durch Zusammenarbeit
gegenseitig in die Lage versetzen, tätig zu
werden.
Es ist einsichtig, die Bereiche Prävention
und Doping-Tests dem Sport und den
unabhängigen nationalen und internationalen Anti-Doping-Agenturen zuzuweisen.
Strittig ist in Deutschland die Frage der
Sanktionierung der Athleten. Einige fordern
diesbezüglich staatliche Maßnahmen, das
heißt Gefängnisstrafen für Athleten. Diese
auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbare Forderung würde sich jedoch als
Bumerang erweisen, da sie die Sanktionierung von Athleten nicht erleichtern, sondern erschweren würde. Eine staatliche
Strafe kann nämlich in jedem Fall nur
Vereinbarung mit dem IPC fortführen zu
können und auf diese Weise die Organisation
der Paralympics am Schauplatz Olympischer
Spiele bis ins Jahr 2016 gewährleisten zu
können", kommentierte IOC-Präsident Dr.
Jacques Rogge die Unterzeichnung der
Vereinbarung. Die finanzielle Unterstützung
der Paralympics sei ein Beleg für die Universalität der Olympischen Bewegung.
Mehr Mittel für den
Spitzensport
D
er Sportausschuss des Deutschen
Bundestages wird am 18. Oktober über
die Sportfördermittel des Bundesinnenministeriums für 2007 beraten. Ende November
soll dann der Deutsche Bundestag den
ausgesprochen werden nach der Feststellung der individuellen Schuld. Damit werden
allen möglichen Ausreden, die wir aus den
Anhörungen von Doping-Betrügern kennen,
Tür und Tor geöffnet.
Die Sportorganisationen brauchen sich
dagegen auf diese Ausreden nicht einzulassen. Sie können nach den von allen
Gerichtsentscheidungen anerkannten
Grundsätzen sofort Sanktionen allein auf
Grund eines positiven Doping-Tests verhängen, ohne Diskussionen über individuelle
Schuld führen zu müssen.
Sanktionen gegen Athleten sind aber nur
dann effektiv, wenn sie international durchsetzbar sind. Das Urteil eines deutschen
Amtsgerichts, gefällt nach langwierigen
Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft, gefällt erfahrungsgemäß viele
Monate, wenn nicht Jahre nach der Tat, ist
jedoch international - wenn überhaupt nur sehr schwer durchsetzbar. Das hieße,
dass ein Athlet, der heute durch ein deutsches Urteil schuldig gesprochen wird,
morgen in den meisten Ländern dieser Erde
unbehelligt an den Start gehen könnte.
Die Sanktionen internationaler Sportverbände und Urteile des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs (CAS) können jedoch
sofort weltweit durchgesetzt werden. Diese
sportlichen Sanktionen bedeuten im Regelfall im Übrigen ein zweijähriges Start-
OF-MOS AIK
Haushaltsplan für das kommende Jahr in
zweiter und dritter Lesung beraten und
beschließen. Bereits Anfang Juli hatte das
Bundeskabinett den Etatentwurf gebilligt.
Für "Zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet
des Sports", Kernansatz der Spitzensportförderung, sollen im kommenden Jahr 70,921
Millionen Euro Bundesmittel bereitgestellt
werden. Das sind 536.000 Euro mehr als
2006. Leicht erhöht wurde auch der Ansatz
für Anti-Doping-Projekte von 1,1 Millionen
Euro auf 1,17 Millionen Euro. Genau wie im
Vorjahr wird das Sonderförderprogramm
"Goldener Plan Ost" mit zwei Millionen Euro
Bundesanteil fortgeführt. Weiterlaufen soll
zudem die Förderung von internationalen
Sportprojekten: Nach 634.000 Euro ausgegebenen Bundesmitteln für deutsche Projekte
zum UN-Jahr des Sports 2005 werden nach
dem Etatentwurf 2007 für Sonderprogramme dieser Art 530.000 Euro bereitgestellt.
(Berufs-)-Verbot und treffen damit härter
als eine von einem Gericht zu erwartende
auf Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe.
Deshalb kann man die juristisch delikate
Frage, ob man den Tatbestand eines "Sportbetrugs" überhaupt fassen kann, außer Acht
lassen. Gleiches gilt für die praktische
Unmöglichkeit, in allen Staaten dieser Erde
jederzeit gleiche Verbotsgesetze, gleiche
gesetzliche Listen von verbotenen Substanzen und Methoden zu haben. Deshalb sollte
im Sinne einer wirklich durchgreifenden
Sanktionierung diese Aufgabe dem Sport
zugeteilt werden.
Diese hier skizzierte effektive und koordinierte Arbeitsteilung zwischen Sport und
Staat ist im Übrigen auf internationaler
Ebene äußerst erfolgreich. Sie liegt sowohl
dem gegenwärtig oft zitierten spanischen
Anti-Doping-Gesetz zu Grunde als auch
dem Entwurf des österreichischen AntiDoping-Gesetzes. Lediglich in Italien unterliegt ein Athlet staatlicher Strafgewalt.
Allerdings gibt es bis heute noch keine
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Selbst
in Italien ist es aber auf Grund einer entsprechenden Übereinkunft zwischen dem
IOC und den italienischen Behörden während der Olympischen Winterspiele in Turin
zu dieser Arbeitsteilung gekommen - mit
durchgreifendem Ergebnis.
Die Sanktionierung der Athleten ist jedoch
nur ein Baustein im Kampf gegen Doping,
Ältester deutscher Olympiasieger verstorben
70 Prozent wollen sich im
Alter engagieren
M
it Walter Steffens verstarb am 23.
August in Barnstorf, Kreis Diepholz,
der älteste deutsche Olympiasieger und
Medaillengewinner. Der studierte Turn- und
Sportlehrer
aus
Hamm/Westfalen, der 97
Jahre alt
wurde,
gewann die
Goldmedaille
1936 in Berlin
mit der deutschen Turnmannschaft.
ehr als zwei Drittel der derzeitigen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 35 und 55 Jahren wollen
sich nach dem Eintritt ins Rentenalter
gesellschaftlich engagieren. Das ergab eine
repräsentative Studie im Auftrag der
"Bertelsmann Stiftung". In der Berufsgruppe der Beamten wurde dieser Wunsch gar
von 85 Prozent geäußert. Die Autoren der
Studie fordern, das derzeitige negative
Altenbild zu korrigieren und Maßnahmen
zu unterstützen, die zu einer besseren
Integration von alten Menschen in das
gesellschaftliche und berufliche Leben
führen.
wenn auch ein wichtiger. Aus meiner IOCTätigkeit als Vorsitzender zahlreicher AntiDoping-Disziplinarkommissionen weiß ich,
dass der gedopte Athlet in den meisten
Fällen in ein Netzwerk von Helfern eingebunden ist. Dieses sind Trainer, sogenannte
Manager oder - besonders abstoßend sogar Ärzte. Gegenüber diesen gewissenlosen Drahtziehern fehlen jedoch dem Sport
die Aufdeckungs- und Sanktionsmöglichkeiten.
punkt-Staatsanwaltschaft verständigen.
Dies wäre ein erster wichtiger Schritt zur
erhöhten Abschreckung. Parallel dazu
sollten weitere gesetzliche Maßnahmen
geprüft werden, wie sie im Bericht der
"Rechtskommission des Sports gegen
Doping" niedergelegt sind. Dazu zählen z. B.
die Einführung von Kennzeichnungspflichten für verbotene Substanzen, die Aufhebung der Warenverkehrsfreiheit für
Dopingmittel, das Verbot des Versandhandels mit Dopingmitteln, die Verschärfung
der Strafbarkeit bei gewerbs- oder bandenmäßigen Aktivitäten. Ob der Staat diese
Verschärfung der gesetzlichen Regelungen
im Arzneimittelgesetz, in einem sogenannten Artikel-Gesetz oder in einem eigenen
Anti-Doping-Gesetz regelt, ist von untergeordneter und höchstens symbolischer
Bedeutung.
Der Sport kann keine Durchsuchungen von
Labors oder Praxen durchführen. Die Entziehung einer Akkreditierung für Olympische
Spiele schreckt einen Doping-Arzt nicht, der
dann nämlich zu Hause dennoch ungestört
weiter seiner "ärztlichen Tätigkeit" nachgehen kann. Mit der Trockenlegung dieses
Sumpfes im Umfeld der Athleten, mit der
Zerstörung dieser Netzwerke kann der Staat
seinen wirksamen Beitrag zu einem effektiven Kampf gegen Doping leisten. Dafür
braucht der Staat gesetzliche Grundlagen.
In Deutschland dient dazu derzeit das
Arzneimittelgesetz. Dieses wird jedoch leider
nur unzureichend angewendet. Bisher ist es
lediglich in einem einzigen Fall zu einer
Verurteilung, nämlich im Fall Springstein,
gekommen.
Dieses schon lange beklagte Vollzugsdefizit
sollte jetzt endlich beseitigt werden. Die
Länder sollten sich umgehend auf die
Einrichtung einer Anti-Doping-Schwer-
OF-MOS AIK
M
Verbessert werden muss auch die Zusammenarbeit zwischen Sport und Staat. Die
Sportverbände sind aufgefordert, den
Staatsanwaltschaften Informationen über
Verdachtsmomente sofort und umfassend
zukommen zu lassen. Die staatlichen Stellen
wiederum müssen, gegebenenfalls gesetzlich, verpflichtet werden, den Sportverbänden Ermittlungsergebnisse zukommen zu
lassen, damit diese die entsprechenden
Sanktionen gegen Athleten verhängen
können. Was wir brauchen im Anti-DopingKampf ist nicht Staat statt Sport, sondern
Sport und Staat.
5
ie jüngste Welle spektakulärer Dopingfälle und Ermittlungen in
verschiedenen Sportarten und Ländern unterstreicht die
Tatsache, dass keine Sportart und kein Land gegen die Dopinggefahr immun ist. Die gemeinsamen Anstrengungen bestimmter
Sportarten und staatlicher Behörden im Zusammenhang mit diesen
Vorfällen vermitteln zwei mächtige Botschaften: Wer betrügt wird
erwischt! Und: Wenn Sport und Staat ihre Bemühungen koordinieren,
wird der Kampf gegen Doping effizienter!
D
Die Flut an Dopingfällen mag zwar einen Fortschritt bei der Entdeckung
von Dopingsündern bedeuten, sie zeigt jedoch auch, dass noch viel
getan werden muss. Doping ist vorsätzlicher Betrug, der die Werte des
Sports und die Gesundheit der Athleten gefährdet. Angesichts der
jüngsten Fälle sehen wir möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs. Die
Bekämpfung des Dopings ist daher ein ständiger Kampf, bei dem Sport
und Staat gefordert sind, ihren Verpflichtungen zur Koordinierung von
Antidopingaktivitäten nachzukommen und das Spielfeld für saubere
Athleten weltweit zu ebnen.
Es ist jetzt Zeit für die Sportbewegung und die Regierungen in der Welt,
auf dem bisherigen Fortschritt aufzubauen und ihren Schwung durch
vermehrte Koordinierungsaktivitäten zu intensivieren. Auf Grund ihrer
Struktur - einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen der Sportbewegung und den Regierungen auf der Welt - ist die Welt-AntidopingAgentur (WADA) in einer einzigartigen Position, um die Stärken und die
Ressourcen dieser Akteure zusammen zu bringen, und sie hat dies seit
ihrer Gründung Ende 1999 als internationales Gremium für die Förderung, Koordinierung und Überwachung des globalen Kampfs gegen alle
Formen des Dopings auch getan.
Es ist von Bedeutung, dass die Sportbewegung sich der Notwendigkeit
einer Partnerschaft mit dem Staat in diesem Kampf bewusst ist. Die
Rolle der WADA besteht darin, sicher zu stellen, dass Sport und Staat
ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen gerecht werden, damit diese
Partnerschaft funktioniert. Und die diesbezüglichen Bemühungen der
Agentur waren seit ihrer Gründung recht beträchtlich.
Aus perspektivischer Sicht wurde vor sechs Jahren, nach der Erkenntnis
der Notwendigkeit für eine weltweite konzertierte und koordinierte
Anstrengung zur Ausmerzung des Dopings im Sport, von den Beteiligten die WADA gegründet, die sich dann an die Erarbeitung eines
Konsensdokuments machte, das zum Welt-Antidoping-Kodex werden
sollte, dem grundlegenden Regelwerk zur Harmonisierung des globalen
Kampfes gegen Doping. Der Kodex ist das Ergebnis eines umfangreichen und erschöpfenden Konsultationsprozesses, der über drei Jahre
verlief und 2003 seinen Höhepunkt fand, als alle größeren Sportverbände und fast 80 Regierungen ihre Zustimmung gaben. 2004 fanden dann
die ersten Olympischen und Paralympischen Spiele unter Anwendung
des Kodex statt.
Als internationales Gremium, das für die Koordinierung und Überwachung der Dopingbekämpfung weltweit zuständig ist, konzentriert sich
die WADA, auf Grund ihrer Natur und des Bedarfs, auf die globale
Ebene bei Ihrer Zusammenarbeit mit Staat und Sport. Daher haben für
die Agentur die Aktivitäten in Schlüsselbereichen Vorrang, die weltweit
und umfassend die Dopingbekämpfung vorantreiben. Dazu gehören
folgende Prioritäten:
- Annahme, Anwendung und Einhaltung des Kodex: Förderung der
Akzeptanz des Welt-Antidoping-Kodex und seiner Prinzipien, um
einen harmonisierten Ansatz der Dopingbekämpfung in allen Sportarten und Ländern sicher zu stellen; Überwachung der Anwendung
und Einhaltung des Kodex; und die Bemühung um eine richtige
Zuordnung der Ergebnisse.
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- Wissenschaft und Medizin: Förderung der globalen Forschung zur
Identifizierung und Aufdeckung von Dopingsubstanzen und -methoden; Entwicklung und Führung der jährlichen Liste der verbotenen
Substanzen und Methoden; Akkreditierung von Antidoping-Laboren
weltweit; Überwachung von Ausnahmen wegen therapeutischer
Verwendung, die von den beteiligten Seiten zugelassen wurden.
- Antidoping-Koordinierung: Entwicklung und Weiterführung des
Antidoping-Management-Systems (ADAMS), des webgestützten
Datenbanksystems, das zur Unterstützung der Beteiligten bei der
Koordinierung und der Einhaltung des Kodex dient.
- Antidoping-Entwicklung: Erleichterung der Koordinierung regionaler
Antidoping-Organisationen, indem Länder zu Regionen zusammengefasst werden, wo es keine oder nur begrenzte Antidoping-Aktivitäten
gibt, um ihre Ressourcen zur Durchführung von Dopingkontrollen
und zur Antidoping-Erziehung zusammenzulegen.
- Erziehung: Leitung und Koordinierung effektiver Dopingpräventionsstrategien und Erziehung; Unterstützung von Partnern bei der
Umsetzung von Antidoping-Erziehungsprogrammen.
- Unterstützung der Athleten: Erziehung von Sportlern bei größeren
internationalen Multisportveranstaltungen durch direkte Eins-zu-Eins
Interaktion
mit AntidopingExperten;
Beantwortung ihrer
Fragen über
Gefahren
und Folgen
von
Doping;
Stärkung
von Partnern bei
der Umsetzung von
hoch
wirksamen
Programmen für
Athleten im
Feld.
- Trainingskontrollen:
vertragliche
Vereinbarungen mit
Partnern,
um diese bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für unangekündigte Trainingskontrollen zu unterstützen.
Wie bereits erwähnt, kommt der Sportbewegung und den Regierungen
der Welt eine entscheidende Rolle beim Kampf für einen sauberen Sport
zu. Obwohl jede Seite wichtige Schritte in die richtige Richtung
gemacht hat, ist es jetzt an der Zeit, dass sie Tempo aufnehmen. Sollten
wir Gefahr laufen, uns mit Teilerfolgen zu begnügen, oder zulassen,
dass wir unseren gemeinsamen Fortschritt durch Aufsplitterung gefährden, dann sollten wir uns daran erinnern, dass Doping selten - sehr
selten - aus Versehen passiert. Die meisten Dopingverstöße werden
sorgfältig und vorsätzlich geplant und durchgeführt, oft mit Unterstützung der Ärzte, Wissenschaftler, Trainer und Anderen, von denen alle
wissen, dass das, was sie tun, ihrer berufsethischen Verantwortung
zuwiderläuft, dass es Betrug ist, und dass der Betrug durchaus gesundheitsgefährdend für die betroffenen Athleten sein kann.
Die Sportbewegung muss nun ihre Anstrengungen verstärken, indem sie
den Kodex rigoros umsetzt und einhält. Während man sich in den
meisten Sportarten für eine vollständige Anwendung und Einhaltung
des Kodex einsetzt, sind immer noch einige Sportdisziplinen im Verzug
und tragen die Dopingbekämpfung vielleicht nur auf den Lippen. Es ist
an der Zeit, dass diese Sportorganisationen sich der übrigen Sportbewegung bei der Umsetzung global akzeptierter und harmonisierter Regeln
anschließen.
Die Regierungen müssen ihrerseits unverzüglich bei der individuellen
Ratifizierung der Internationalen Antidoping-Konvention der UNESCO
voran kommen, damit die jeweilige nationale Politik mit dem Kodex auf
eine Linie gebracht werden kann.
Es ist wichtig, die Bedeutung der Regierungsseite bei der AntidopingGleichung im Lichte der jüngsten Ereignisse zu verstehen. Echter Fortschritt findet statt, wenn diejenigen, die Doping möglich machen oder
im Dopingsog mitmachen, gezielt verantwortlich gemacht werden seien sie Trainer, Ärzte, Agenten, Lieferanten, Hersteller oder "Apotheker".
Der Sport kann zwar eine Menge für die Dopingbekämpfung durch
Letztes Jahr Im Oktober nahm ich an einer Pressekonferenz in Paris teil,
bei der die Regierungen zu einem wichtigen Schritt beglückwünscht
wurden, den 191 von ihnen mit der einstimmigen Annahme der Internationalen Konvention gegen Doping im Sport, dem ersten universellen
Vertrag, der Doping im Sport anspricht, am 19. Oktober 2005 vollzogen
hatten. Ich merkte an, dass die einstimmige Annahme der UNESCOKonvention einen bedeutenden Meilenstein darstelle. Aber ich machte
auch darauf aufmerksam, dass dieser Meilenstein die Regierungen an
einen kritischen Scheideweg führe und die Zukunft des dopingfreien
Sports beträchtlich von ihrer Wahl des künftigen Weges abhängen
würde. Ich forderte die Regierungen daher dringend auf, den Weg des
Handelns zu wählen - um den Impuls zu erhalten, der 148 Staaten zur
Unterzeichnung der Erklärung von Kopenhagen und dann 191 zur
Annahme der Konvention bewogen hatte.
Dreißig einzelne Ratifizierungen sind erforderlich, damit der Vertrag in
Kraft tritt, und bisher haben wir siebzehn erhalten (Mauritius, Nigeria,
die Seychellen, Kanada, Jamaika, Dänemark, Island, Lettland, Litauen,
Monako, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich von Großbritannien, Australien, die Cook-Inseln, Nauru und Neuseeland). Angesichts
der jüngsten Welle spektakulärer Dopingfälle und der laufenden
Ermittlungen zur Frage des organisierten Dopings und des Handels mit
OF-PODIUM
Sport und Regierungen müssen ihre Anstrengungen
im Kampf gegen Doping verdoppeln
von Richard Pound, IOC-Mitglied und Vorsitzender der Welt-Antidoping-Agentur
Einbindung des Kodex in die nationalen Regeln tun, die Regierungen
haben jedoch die zugehörige Jurisdiktion und die Pflicht, gesellschaftliche Bezüge so zu leiten und zu beeinflussen, dass sie sich nachhaltig auf
den Kampf für einen sicheren und fairen Sport auswirken. Die Regierungen können zum Beispiel Maßnahmen gegen den Handel mit Dopingmitteln ergreifen, Dopingkontrollen erleichtern und nationale Kontrollprogramme unterstützen, den Athleten und dem Sportler-Unterstützungsstab, die gegen Antidoping-Regeln verstoßen, die finanziellen
Hilfen entziehen und viele andere Maßnahmen in diesem Sinne einführen. Dies wird auch in der von der UNESCO inspirierten Konvention
bestätigt: dass Regierungen ermächtigt und verpflichtet sind, solche
Schritte zu ergreifen, um den Sport vom Doping zu befreien.
Dopingsubstanzen sollten die Regierungen den dringenden Handlungsbedarf erkennen und die Ratifizierung der Konvention zu einer Priorität
erheben.
Wie gesagt, die europäischen Länder befinden sich in einer besonders
günstigen Situation. Sie haben die Gelegenheit, nach Ende der Sommerpause und noch vor dem Zusammentreffen der europäischen Sportminister im Oktober in Moskau, die UNESCO-Konvention zu ratifizieren.
Ich hoffe aufrichtig, dass sie ihre Verantwortung erkennen und diese
Gelegenheit ein für alle Mal ergreifen, damit dieses internationale
Abkommen den staatlichen Bemühungen zur Dopingbekämpfung volle
Wirksamkeit verleiht.
7
Der galoppierende
Dopianismus verlangt
die Humanisierung des
Leistungsprinzips
Von Hans Lenk
ieder einmal eine Dopio-Radel-Tour de France: Selbst
der "Sieger" hatte gedopt - und im Vorfeld wurden
gerade die Favoriten ausgesperrt. Mehrere Weltrekordler im
Sprint der Leichtathleten wurden "erwischt"; ein Ex-"Dopionike" gewann nach Verbüßung seiner zwei Jahre Europagold
in der Sprintstaffel. Fast scheint die Sportöffentlichkeit sich
daran zu gewöhnen. Gibt es kein wirksames Verfahren gegen
die pharmakologisch-biochemische Optimierung der Leistungsbedingungen außer der Totalkontrolle? Das Problem
gehört zu den dringlichsten des Hochleistungssports, aber
zunehmend auch der "Sport-Studios"! Der Dopingsport greift
über auf den Breitensport. Dopium scheint Opium - vermehrt nun auch fürs Volk. Die detaillierten Dopingbestimmungen sind heute abhängig von Dopinglisten und Analysetechnik, jedenfalls sind sie konventionell festgelegt. Die
Grenzziehungen freilich sind problematisch.
W
Das Höhentraining für Ausdauerdisziplinen, eine heute vielfach übliche erweiterte Trainingsmethode, die Vorteile verschafft, ist auf Grund der sportlichen Grundintuition zulässig.
Wie steht es dann mit dem sicherlich intelligent erfundenen
Blutdoping mit beim Höhentraining abgezapften erythrozytenreichem Eigenblut? Wäre ein gesundheitlich unschädliches Doping - falls es ein solches gäbe oder gar gibt (z. B. das
Eigenblutdoping) - nicht eigentlich vertretbar, wenn es das
Höhentraining ist? Und wie steht es mit Techniken des mentalen Trainings oder gar der Hypnose, kürzlich sogar bei der
Skiweltmeisterschaft öffentlich erwähnt? Zweifellos: Grenzen
müssen sein, gezogen werden - und auch gezogen werden
können, d. h. in kontrollierbarer Weise. Das ist freilich sehr
viel schwieriger getan als leichthin gesagt. Inzwischen haben
wir fast flächendeckend den Doping-Sumpf. An der "Kröte"
des Dopings scheint sich der Sport derzeit in der Tat verschluckt zu haben: Selbstheilungskräfte und Strategien dürften nur begrenzt wirksam sein (obwohl der Ost-West-Sportkrieg nicht mehr besteht). Könnten staatliche Eingriffe und
Dopinggesetze das Problem lösen? Dieses gewinnt nicht nur
eine dramatische Zuspitzung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit
8
des Spitzensports, sondern zunehmend auch hinsichtlich der
Momente Faszination und Sponsorschaft.
Der Dopingskandal der Tour de France 1998 hatte - frei nach
Karl Kraus - erst dann begonnen, als ihm die Polizei ein Ende
zu machen suchte. "Bei den Profis", so bekannten solche
bereits in den 80er Jahren, "entkommst du dem Doping
nicht": "…jeden Tag dasselbe: eine Injektion morgens und
abends die Pille". Hatte man nicht schon 1987 8 % "positive"
Dopingproben bei fast 4400 Proben der Flandernrundfahrt
festgestellt? Das riss damals niemanden in der Öffentlichkeit
vom Hocker: Ein Skandal war noch nicht "öffentlich
gemacht", was nach der neuen Rechtschreibung doppeldeutig
ist und hier auch so verstanden werden soll.
Der real existierende Dopianismus galoppiert. Waren es vor 6
Jahren noch die Genossin Do Ping und einige Kolleginnen,
die nicht olympisch antraten, und die vielen australischen
und amerikanischen Asthmatiker in den Olympiamannschaften, über die man sich wunderte; entlarvten sich bei der
vorletzten Winterolympiade derb EPO-schal die (von Darbepoietin unterstützen) "epochalen" olympischen Langlaufsiege
eines spanischen Skisöldners aus dem Allgäu als Schneeblindheit von gestern, so hatten wir es inzwischen mit Modafinilistinnen und verbreitetem THG-Genuss von US-Spitzenathleten zu tun. Neuerdings bestellt man sich problemlos per
Internet EPO über Ebay, setzt es rechtzeitig vor dem Wettkampf ab, überdeckt es durch Blutverdünnungsmittel oder (z.
Zt. nicht nachweisbare) Epomimetika oder steigt kurzfristig
auf ein teueres Erythrozyten erhaltendes natürliches EPOPräparat um. Alt-Tour-Idol Merckx schon hatte gemeint: "In
den Laboratorien hat man immer das eine Produkt Vorsprung
vor dem Reglement." Das gilt auch heute noch. Gen-Doping
ist bereits angesagt: Neuerdings greift WachstumhormonDoping um sich und droht somatisches Gen-Doping: Das
synthetisch Wachstumspräparat IGF-1 wird per "Gen-Fähre"
(AVV) in die Muskeln geschleust!
Und die Athleten? "Du sollst dich nicht erwischen lassen!"
Geradezu treuherzig nahm der Winterathlet Hugo Schösser
dieses bissig-ironisch so genannte Elfte Gebot als allzu
eingängige Strategie des Hochleistungssports in Anspruch,
als er, des Dopings nachträglich überführt, meinte: "Man denkt halt, dass
man selber nicht erwischt wird!"
Dopingliste steht. So ist man offiziell erst einmal fein heraus.
Hypnose z. B. steht (noch) nicht darin, ist ja auch keine
Substanz, aber äußerst wirksam. Die Kontrolleure hinken den
listenreichen Doping-Alchemisten vielfach hinterher. Es
Hatte der einstige Hammerwurfolympiasieger Harold Conolly nicht schon
1956 treffend die Mentalität der Athleten beschrieben? Ein Athlet im Vorbereitungsstress auf dem Wege zur
Höchstleistung "nimmt alles, was ihn
nicht gerade umbringt". Fast zwei
Drittel (nicht-repräsentativ) befragter
Olympia-Athleten in Seoul 1988 und
über die Hälfte bei einer anonymen
Umfrage unter US-Athleten 1997
(Sports llustrated) haben angesichts der
erfragten Alternative, zu scheitern oder
Gold zu gewinnen mit einem unentdeckbaren Dopingmittel, nach dessen
länger nötiger Einnahme sie nur noch
ca. fünf Jahre zu leben hätten, sich für
die letztere Option ausgesprochen! Für
ein unentdeckbares Dopingmittel ohne
die fatalen Folgen sprachen sich sogar
90 Prozent aus! Der Heidelberger
Dopingexperte Werner Franke behauptete, nur von drei Tour-de-FranceSiegern in Jahrzehnten habe man keine
Dopinbelege, und er sprach von 19
Dopingtoten im Umfeld der Tour in den
letzten Jahrzehnten! Und wir hatten
ja schon einige Doping-Opfer bei
Radfahrern und Leichtathleten auch in
Deutschland!
In der Tat scheint es in manchen Sportarten kaum noch möglich, ohne Doping
olympische Medaillen, Weltrekorde,
Toursiege zu erreichen - oder Höchstleistungsfähigkeit auf längere Dauer zu
sichern. Also gilt im real existierenden
Dopianismus nun doch die alte USAthleten-"Weisheit": "No dope, no
hope"? Heute weicht die Ironie dem
Bitterernst des Geschäfts: Die Profis kämpfen mit harten
Drogen - Verzeihung: Bandagen -, die Profis des Sports, des
Geschäfts, der Dopingmafia.
Das Dilemma der Definitionen und Listen ist bekannt: In der
Praxis gilt Doping als Einnahme dessen, was in der offiziellen
bleiben Vagheiten - trotz definitiver Negativlisten. Selbst die
offizielle deutsche Dopinganalytik definierte (Donike/Rauth
1996) die durchaus zulässige "Substitution im medizinischen
Sinne" als den "Ersatz von für den Körper unbedingt notwendigen Substanzen ..., die für den Energie- und Baustoffwechsel benötigt werden, die vom Organismus selbst nicht (genü-
9
gend?) synthetisiert werden können und deren ungenügende
Zufuhr die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt". Diese
fast medizynische Bestimmung des Deutschen Sportärztebundes ist sträflich unklar. Was heißt "unbedingt notwendig"
oder "deren ungenügende Zufuhr die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt"? Welche leistungsfördernde oder
Leistung ermöglichende Dopingsubstanz fiele nicht darunter,
produzierten) Energie liefernden und leistungsförderlichen
Substanzen werden aber vermehrt und raffinierter benutzt
werden - trotz und vielleicht gerade wegen der möglichen
Grauzonen in den Grenzbereichen zum Doping. Placeboeffekte und vielleicht hypnotische oder andere mentale Strategien
wie Leistungssteigerung werden stärker ausgeschöpft werden.
Auch international verbesserte oder gar
flächendeckende Dopingkontrollen
werden das Doping nicht ganz verhindern können. Die "Trickser" und neuen
Doping-Alchemisten (Balco, die THG"Erfinder" u. a.) werden auch künftig
den Kontrolleuren meistens um ein
Präparat oder einen Verdeckungsmechanismus voraus sein. Hier helfen nur
international organisierte, z. B. politisch
beaufsichtigte, aber vor allem auch
unabhängige Kontrollen, die nicht von
den am Erfolg interessierten Verbänden
selbst vorgenommen werden oder
beaufsichtigt werden können.
Eher willkürlich festgesetzt sind Quoten
von Epitestosteron und Testosteron
(auch natürlich im Körper vorhanden).
Die seit 2000 möglichen EPO-Kontrollen
sind teuer und finden bisher nur bei
hochrangigen Wettkämpfen statt.
(Neuerdings erst lässt sich künstliches
EPO als solches identifizieren. Einige
"erwischte" Athleten pochten auf ihre
"natürliche Abweichung".
Wo bleiben Klarheit und Wahrheit?
Auch bloße Medikamenten-Listen - so
nötig sie sind - dürften den Listenreichen weiterhin Anlässe und Anreize
bieten, die Listenforderungen zu überlisten. "Definitions-Lücken" belohnen
"die Pfiffigen". Kontroll-Lücken auch.
Außerdem kann man niemals alles
kontrollieren und nie alles definieren.
Werden also die Sauberen die Letzten
sein, die Fairen stets die Dummen? Wie
heißt es so lakonisch in den USA? "Nice
guys finish last", clean guys too?
wenn man die mögliche (mit Mitteln mögliche?) Leistungsfähigkeit oder die exorbitanten Olympianormen als Meßlatten
nähme? Die Sportärzte hätten einen Logiker oder Philosophen befragen sollen ... .
Sogenannte "Substitutionen" von zur Leistungssteigerung
"unbedingt nötigen" (weil vom Körper selbst nicht genügend
10
Könnte der frühere Vorschlag von Prof. Gert Wagner das
Problem lösen? Danach sollen Athleten verpflichtet werden
oder sich freiwillig bereit erklären, alle genommenen Medikamente anzugeben. Umfassende Durchsicht und Übersicht soll
den Reiz, zu betrügen, den Anreiz, neue Dopikamente zu
"erproben", zerstören. Soll nun schon der bestraft werden, der
sein Aspirin anzugeben vergaß? (Wann) sind Körperhormone,
-enzyme usw. "Medikamente"? Zwei Tassen Kaffee oder ein
Mohnbrötchen sind normal, sieben jedoch Doping?
Professor Klaus Müller, der Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa verwies zu Recht auf die erreichte Präzision
der Nachweise. Er verspricht sogar: "Die Dopinganalytiker
sind durchaus in der Lage, sogar bis dato unbekannte Stoffe
nachzuweisen." Wie sie das wohl machen? Durch "produktive"
biochemische Forschung an der präparativen Front, durch
eigene Synthesen? Durch "kreative" Überholung der eigenen
Präzisionsfortschritte? Jedenfalls in der Praxis gilt nach wie
vor: Auch nach dem Abtreten der berühmten Mittelstrecklerin
Ana Bolika ist das Doping-Dilemma geblieben: diabolische
Anabolismen auch ohne Ana und Diana(bol). Die Teufelskreise
sind keineswegs durchbrochen ...
Der zitierte Leiter der Dopinganalytik weist ebenfalls zu Recht
darauf hin, dass noch viel wesentlichere Mängel "in Gestalt"
der "Diskrepanzen in der Kontrollintensität zwischen verschiedenen Ländern und Sportarten" ("bis zu zeitweilig fehlenden
Kontrollen" zu beklagen sind.
Wie reagierten und taktierten Offizielle? Verlegen oder verlogen, doppelbödig oder doppelzüngig? Beides jeweils findet
sich. Leistungsnotstand oder inoffiziell gehätschelte Doppelmoral? Was für die internationalen Kontrollorgane gilt, müsste
für nationale Verbände und Kontrollverfahren ebenfalls eingerichtet werden. Generell müsste dringlich die institutionelle
und die der Praxis zugewandte, angewandte (wirksame, "operationale") Sportethik weiterentwickelt und eben kontrollwirksam gemacht ("institutionalisiert") werden. Es gilt die institutionelle Ethik samt Verfahren und Kontrollen auszubauen.
Nicht nur einzelne Athleten sollten zur Verantwortung gezogen werden, sondern
auch verantwortliche
Betreuer, Trainer, Ärzte
und Verbandsoffizielle, die
für die strukturellen
Zwänge zur Unfairness
und die Spaltung der
Moral mitverantwortlich
sind. Sicher gibt es derzeit bereits erheblich
Fortschritte (NADA-,
WADA-Kontrollen),
obwohl der "Sumpf", der
durch Enthüllungen und
Skandalfälle öffentlich
wurde, scheinbar erst
einmal noch tiefer wurde
und keineswegs leicht
trocken zu legen ist.
Immerhin: Seit 2005 hat
der Internationale Sportgerichtshof (CAS) in mehreren Fällen
auch auf Grund erdrückender Indizien auf Sperren und Titelbzw. Medaillen-Aberkennung erkannt. Auch in Fällen von in
Unfairness involvierten Funktionären müssten unabhängige,
Interessen-ungebundene, zum Teil ausländische Gutachter
und ehrenamtliche Beurteiler mitwirken. Aber auch diese
Regelungsform ist nicht stets "idiotensicher".
Eine Hochleistung ist heutzutage nur zu erreichen, wenn das
ganze Leben strikt darauf abgestellt ist und diese Höchstleistung bzw. der höchste Erfolg motivational gleichsam als "die
wichtigste Sache der Welt" angesehen und verfolgt wird. Für
eine Höchstleistung muss man eben nahezu "Alles" einsetzen
bzw. auf die Karte setzen. Sport also keineswegs mehr nur
"die wichtigste Nebensache der Welt"? Es ist wohl in erster
Linie die Öffentlichkeit mit ihrer absoluten Herausstellung
einzig und allein des Siegers, die diese Motivationsdramatik,
wenn nicht erzeugt, so doch außerordentlich verstärkt. Verführungen zur Unfairness, zum "Tricksen", zum Unterlaufen
der Chancengleichheitsregel durch extreme, evtl. Grenznutzen-Vorteile ausschöpfenden Technisierung und Technologisierung, wie etwa auch Doping, sind natürlich in dieser Situation verständlich - um so mehr, je stärker sich auch ein
sportlicher Erfolg in barer Münze auszahlt.
Durch verschärfte Kontrollen allein werden sich z. B. das Technisierungs- und das Doping-Problem nicht lösen lassen. Der
Erfindungsreichtum der intelligenten "Trickser" geht noch dem
allemal mühsamen bürokratischen Kontrollieren und Standardsetzen voraus - wenn auch unter dem Grenznutzen-Gesetz der
schwindenden marginalen Nutzenzuwächse. Letztlich spricht
im Höchstleistungssport nur eine Entdramatisierung der Singulärsiegerorientierung und eine Rückkehr zur Humanisierung.
Erfolg in diesem Problembereich. Humanes und ethisches
Predigen allein nützt dabei
allerdings nichts, wenn man
nicht das System und zumal
das auch der öffentlichen
Bewertung und materiellen
Förderung oder leistungsabhängigen Prämien-Entlohnung humanisiert. Die Humanisierung des Leistungsprinzips und auch die der überzogenen Selbstausbeutung
stehen heute auch im Sport
drastisch verstärkt auf der
Tagesordnung. Verwirklichen
wir hier endlich und praxisnah, kontrolliert und regelwirksam konkrete Humanität!
Dann kann der Sport seinen
Vorbildcharakter wiedergeOF
winnen.
11
Schwarzer Freitag und
schwarzer Bildschirm:
Der Kampf gegen Doping
als Glaubenskrieg
Von Dieter Hennig
ie Uhren an diesem 30. Juni zeigten 9:35 Uhr, als sich im
Golfhotel vor den Toren von Straßburg ein strahlender
ommermorgen über dem Elsass plötzlich in einen schwarzen
Freitag verwandelte. Der Bonner Radrennstall T-Mobile gab
die Suspendierung seines Superstars Jan Ullrich bekannt und
nahm den 32-jährigen Kapitän einen Tag vor dem Start zur
Tour de France aus seiner Mannschaft. Die Beweislast der
Ermittlungen in der spanischen Dopingaffäre hatte sich als zu
erdrückend erwiesen.
D
Der Super-Gau für den deutschen Sport war eingetroffen.
Und der Kampf gegen Doping von diesem Augenblick an in
Deutschland zum Glaubenskrieg geworden, in dem Selbstgerechtigkeit und Fanatismus Hochkonjunktur hatten. Endlich
sahen sich die Verfechter der reinen Lehre bestätigt.
Seitdem strömen alle zu den Fahnen, sehen sich Konvertiten
nicht als Nachhut, sondern in der ersten Reihe. Was im Lager
der Öffentlich-Rechtlichen fast schon tragikomische Züge
annahm. Keine Liveübertragung in ARD und ZDF ging mehr
über den Sender, ohne "dass wir uns natürlich mit diesem
Thema ausführlich beschäftigen". Es fehlte nur noch die
Geißel in der Hand der Moderatoren.
Würde dem schwarzen Freitag der schwarze Bildschirm
folgen? Täglich wurde das Gespenst des TV-Ausstiegs im
Radsport in den Raum gestellt. Kreuzzüge sind nicht dazu da,
um über den Tag hinaus zu denken. Weil das Fernsehen zur
Überlebensgarantie so manchen Sports geworden ist, mussten die Drohgebärden Wirkung zeigen.
Rennställe und Verbände wurden zu neugeborenen Saubermännern, kündigten eine Flut von Maßnahmen an und setzten sie zum Teil schneller um, als sich die Räder drehen
konnten. Die Tour ging ohne die Topfavoriten Ullrich und Ivan
Basso auf die Reise, auch ohne Jörg Jaksche, und keiner der
unter Dopingverdacht Stehenden wird in der ProTour fahren,
so lange Ermittlungen gegen ihn laufen.
12
Wen konnte es verwundern, dass so mancher Verbesserungsvorschlag nicht sehr weit gedacht war: Weniger Renntage,
kürzere Etappen, kürzere Rundfahrten? Das würde zwar nichts
im Kampf gegen Doping bringen, war aber für lebhafte
Zustimmung gut. Trotz der zaghaften Nachfrage, ob man nicht
gleich auch den 100-m-Sprint auf 90 Meter reduzieren wolle.
Vier Tage nach dem Finale auf den Champs-Elysees platzte
die nächste Zeitbombe: Toursieger Floyd Landis war bei
seinem "unglaublichen" Ritt durch die Alpen gedopt. Auf
seinen Platz würde der Spanier Oscar Pereiro rücken, den man
irgendwann hatte ziehen lassen, weil ihn niemand auf der
Rechnung hatte. Wer konnte den Radsport jetzt noch retten?
Im Jahr eins nach Lance Armstrong stand er endgültig als
größtes Schmuddelkind da.
Bis ihm in höchster Bedrängnis die Leichtathleten zu Hilfe
kamen. Erst 100-m-Weltrekordler Justin Gatlin, dann Starsprinterin Marion Jones wurden in den USA überführt. Es
folgten dubiose Berichte über britische Athleten, die dutzendweise nicht zu Dopingkontrollen angetroffen, aber nicht aus
dem Verkehr gezogen worden waren.
Nun wurde manchem wieder klar, dass Radprofis wohl doch
nicht die schwarzen Schafe sind, eher ganz normale Mitglieder der großen Herde. Erste Auswirkungen waren zu spüren,
als die Explosion der deutschen Schwimmdamen, angeführt
von Britta Steffen, bei der EM in Budapest keine Euphoriewelle auslöste, sondern eher ungute Erinnerungen an einstige
DDR-Fräuleinwunder. Und im Verband nur kurz gefeiert, aber
ausgiebig beraten wurde, wie das Kontrollsystem zu verfeinern sei.
Damit rannte man offene Türen ein. Vor allem bei den Testlabors und Antidoping-Agenturen, die sich geschickt selbst aus
der Schusslinie brachten. Wie viele Millionen hat das Kontrollsystem in den letzten Jahren verschlungen - und sein
nachhaltigstes Resultat war, dass es alle ruhig schlafen ließ.
An der Zahl der Tests hat es nicht gefehlt, erst recht nicht im
Radsport, aber Aufwand und Ertrag standen in keinem Verhältnis.
Das weltweite Netz der Dopingjäger hat sich als BürokratieMoloch entpuppt. Jede Großveranstaltung sonnte sich zuerst
mit Rekordzahlen an Kontrollen, dann mit Persilscheinen.
Natürlich hatten Fußball-WM, Schwimm-EM und Leichtathletik-EM keinen einzigen positiven Fall zu verzeichnen. Gut zu
wissen, dass sich dort die Heiligen versammelt hatten.
Wer jetzt in noch größeren Aktivismus verfällt, ohne das
System unter die Lupe zu nehmen, wer mehr Geld fordert,
ohne es sinnvoller einsetzen zu können, sucht nur Schlagzeilen oder will weiter Sand in die Augen streuen.
Wer es ernst meint, muss Worten nun Taten folgen lassen.
Die Null-Toleranz-Politik ist nicht zum Nulltarif zu haben,
Blutuntersuchungen kosten das zigfache von Urintests. Seit
Jahren hat die NADA den Großkonzernen vergeblich die Tür
eingerannt, um ihren Etat aufzustocken. Man darf gespannt
sein, was aus den vielen vollmundigen Ankündigungen der
letzten Wochen wird.
Auch aus der Politik. Da konnte so mancher der Versuchung
nicht widerstehen, sich mit der Forderung "Dopingsünder
hinter Gitter" ins Gespräch zu bringen. Das war zumindest
von jenen reine Schaumschlägerei, die seit Jahren Verantwortung tragen und kaum dazu beitrugen, dass bestehende
Möglichkeiten verbessert oder zumindest konsequent genutzt
wurden.
Verschärftes Arzneimittelgesetz oder eigenes AntidopingGesetz? Das DOSB-Präsidium hat sich unter Thomas Bach auf
die erste Variante festgelegt, "weil es um die Effektivität geht".
Die Gegenposition
vertritt der DLVPräsident Clemens
Prokop, der damit
im Sport aber nur
wenige Mitstreiter
fand. In den
kommenden
Wochen wird in
Berlin die Entscheidung fallen.
Ob die vom Sportausschuss-Vorsitzenden Peter
Danckert, heftiger
Befürworter eines
neuen Gesetzes,
organisierte
Anhörung am 27. September noch Einfluss hat, ist fraglich.
Denn WADA-Chef Dick Pound und Arne Ljungqvist, Leiter der
Medizinischen IOC-Kommission, können zum deutschen
Rechtsweg kaum neue Sachargumente liefern. Die Einladung
an sie lässt eher eine Schauveranstaltung vermuten.
Der heiße Sommer wurde durch einen kalten August abgelöst, und auch in der Diskussion um den Radsport ist das
Klima erträglicher geworden. Ein Mann wie Jens Voigt ließ
selbst die Schwarzweiß-Maler nicht unbeeindruckt. Bei der
Deutschland-Tour säumten Hunderttausende die Straßen, die
Fernsehquoten blieben achtbar. Ein Markus Fothen, der Platz
15 bei der Großen Schleife belegte, wird von den Fans als
"Nachfolger" Ullrichs wahr- und angenommen. Das macht
Mut.
Wohin führt der Weg? Ende August brachten ARD und ZDF
erstmals eine "Doping-Klausel" in die Übertragungsverträge
ein. Ist sie auch für den Fußball geplant? Man darf doch wohl
noch Scherzfragen stellen. Wenn auch mit ernsthaftem
Hintergrund.
Denn zumindest in einem anderen Bereich ist die Sportart
Nummer eins das traurige Beispiel für eine Fehlentwicklung,
die - mehr als das Doping - zur wichtigsten Zukunftsfrage
werden kann. Der ständige massive Verstoß gegen Fairplay
durch Schwalben und versteckte Fouls hat weitaus tiefere
Auswirkungen als jeder Dopingfall. Denn er gibt Millionen
von Jugendlichen das Gefühl, dass sich das Brechen von
Regeln bezahlt macht.
Wie wäre es also mit der Erweiterung der Doping-Klausel auf
das Feld "vorsätzlicher Sportbetrug in Serie"? In nicht zu ferner
Zeit gehört das Thema auf die Tagesordnung, bei Medien,
Sportführern und Sponsoren, und zwar nachhaltig. Weil es
dabei wirklich um
die Gretchenfrage
geht, wohin der
Sport eigentlich
will. Wird sie nicht
gelöst, bleiben am
Ende nur noch das
"Spiel ohne Grenzen" oder die
Wok-WM von
Stefan Raab,
wechselweise live
übertragen von
ARD und ZDF. Ob
mit oder ohne
Dopingkontrollen,
mögen die Sonntagsredner entOF
scheiden.
13
Wenn der Grenzwert
überschritten ist
Von Michael Gernandt
at ja kräftig gestunken in diesem Sommer; als hätten sie
mit Schwefel hantiert in den Giftküchen des Spitzensports. Hier zu Lande halten sich nun auch jene die Nase zu,
die bisher unempfindlich zu sein schienen gegen den
Gestank, den die Pestbeule Doping absondert. Oder zumindest
so taten, als gäbe es unangenehmere Gerüche. Es fehlten
offenbar nur noch die Ausdünstungen der Herren Landis und
Gatlin, um die Hilferufe nach Frischluft endlich wahrzunehmen. Der Grenzwert, ein biochemisches Reizwort der Manipulationsproblematik, des ethisch und ökonomisch Zumutbaren
ist überschritten. Und das Rot der Linie, die Juristen zwischen
einem Unrecht erster Klasse und einem der zweiten gezogen
haben, verliert seine Leuchtkraft. Will heißen: Die Zweifel an
der Vergleichbarkeit eines willentlich betrügenden Sportlers
mit einem Wirtschaftskriminellen sollten im Sinn einer resoluten Problembewältigung verschwinden.
H
Das könnte bedeuten: Sportrecht gleich Strafrecht. Und,
salopp formuliert, Sanktionen müssen vor allem dort treffen,
wo es den zum Betrug Entschlossenen am meisten weh tut.
Am Geldbeutel. Das wäre
zum Beispiel so zu bewerkstelligen. Die öffentlichrechtlichen Sender lassen
ihren Skrupeln, von denen sie
vor und während der Tour
2006 beschlichen wurden,
Taten folgen: Kein TV-Signal
mehr von Veranstaltungen
der am meisten verseuchten
Sportarten, auch wenn`s der
schönen Quoten wegen weh
tut. Der Dreisatz heißt dann:
Keine bewegten Bilder, keine
Sponsoren, kein Geld. Das
erscheint wirkungsvoller als
alle Maßnahmen, die der
Sport selbst beschließen
kann. Naiv? Utopisch? Mag
schon sein, ins Zentrum des
Manipulationsanreizes zielt
der Vorschlag allemal.
14
Wenn der Eindruck nicht trügt, ist in diesem Dopingsommer
die Erkenntnis endlich vorangekommen, der zu Folge der
Sport allein den Betrug nicht eindämmen kann. Je mehr
Hilfen er von außen erfährt, desto leichter tut er sich. Allerdings ist nicht alles hilfreich, was wie Hilfe aussieht. Selbst
wenn die Unterstützung von der Weltantidoping-Agentur
WADA kommt. Das Unternehmen befindet sich auf Klettertour und meint, unterhalb der Baumgrenze Grenzverletzer
entdeckt zu haben. WADA sagt: Sportler, die im Tal in sogenannten Höhenzelten oder zu Unterdruckkammern umgebauten Schlafzimmern in Ruhestellung die leistungsfördernden
Bedingungen des Berggipfels simulieren, verstoßen gegen den
Geist des Sports. Deshalb will sie derartige Hilfsmittel 2007
auf die Liste der verbotenen Methoden setzen. Drogen, Steroide und Hormone bekommen Gesellschaft.
Über die Frage, ob "passive Aktivität" Leistungsmanipulation
ist, wie die Ethikkommission der WADA behauptet, oder die
Passivität des Schlafs, also Ruhe und Erholung, die einfach
nur notwendige biologische Antwort auf Training, wie Medizinwissenschaftler kontern,
entstand ein Streit, den die
WADA verlieren muss - weil
Sportler, denen das Höhenzelt genommen wird, den
Nachteil gegenüber in natürlicher Höhenluft lebenden
Konkurrenten mit illegalen
Drogen auszugleichen versuchen. Das kann die WADA
kaum wollen.
Grenzziehungen im Spitzensport sind ein riskantes, aber
notwendiges Geschäft. Doch
vor neuen Markierungen
sollten die existierenden
eingehalten werden. Wenn
das der Welt des Sports
nicht gelingt, muss sie sich
helfen lassen. Sonst wird sie
eines Tages grenzenlos
OF
überrannt.
Endlich muss
Radikales passieren
Von Wolfgang Avenarius
pätestens nach Bekanntwerden des flächendeckenden,
staatlich verordneten und organisierten Dopings in DDRZeiten weiß auch die Öffentlichkeit, was Insider schon viel
früher nicht nur vermuteten: Im Spitzensport wird im großen
Stil zu unerlaubten Mitteln gegriffen!
S
Mit katastrophalen Auswirkungen: Im Jugendbereich und
Breiten- sowie Senioren- und mittlerweile auch Behindertensport droht eine ähnliche Entwicklung. Entrüstete vordergründige Proteste sowie vielfach unwirksame Aktionen und
Sanktionen gab und gibt es zeitbegrenzt immer nur dann,
wenn es spektakuläre "Fälle" publikumswirksam geradezu
erfordern und notwendig machen, wenn populäre Dopingsünder ertappt und entlarvt werden.
Und zwar ausschließlich aus Dummheit und Leichtsinn, denn
mittlerweile gibt es über 70 Substanzen, die mit den gängigen Kontrollmöglichkeiten nicht mehr nachweisbar sind.
Außer ein paar besorgten Eltern scheint - bösartig formuliert
- kaum jemand ernsthaft an einer wirklichen Aufklärung und
Transparenz der tatsächlichen Situation interessiert zu sein.
Zuschauer, Funktionäre, Trainer, Sportmediziner, Politiker und
vor allem auch die Medien sind an einem erfolgreichen
Athleten interessiert, mit allen positiven (materiellen) Konsequenzen und jeweils eigenen
Interessen und Vorteilen!
Im Zeitalter der Extreme
zählt schon ein zweiter Platz
oft nicht mehr, von einem
12. gar nicht zu reden, ob
gedopt oder nicht! Die
Globalisierung hat, wie in
allen Bereichen des Lebens
(Umweltschutz!), jetzt auch
im Sport eine gefährliche
Entwicklung eingeleitet.
Exzessiver Egoismus und
Erfolg um jeden Preis, oder
moralische Genugtuung nur
noch unter ferner liefen!
Dazu kommt, dass Unrechts-
bewusstsein offensichtlich nicht mehr vorhanden oder nicht
mehr gefragt ist. "Nicht erwischen lassen" ist clever und die
moderne Alternative! Da schreckt offensichtlich auch die
Gefahr gravierender gesundheitlicher Risiken und verheerender Folgeschäden nicht ab, wobei auch die entsprechende
Aufklärung nach neusten medizinischen Erkenntnissen völlig
unzureichend ist.
Wir haben vor allem ein gesellschaftspolitisches, kein rein
sportliches Problem, das den Sport allerdings in seiner existenziellen Grundlage erschüttert und in seine größte und
folgenschwerste Krise stürzt! Der Sport schlechthin steht am
Scheideweg. So richtig begriffen haben es wohl noch nicht
alle. Verliert der Sport auch in der Öffentlichkeit seine Glaubwürdigkeit, seine soziale und positive Ausstrahlung und
Vorbildfunktion, verliert er folgerichtig und automatisch seine
Attraktivität und Werbewirksamkeit für potenzielle Sponsoren
und Geldgeber. Mit noch gar nicht auszudenkenden Konsequenzen!
Denn leider hat sich der gesamte - mittlerweile zwangläufig
auch der Breitensport - in eine totale finanzielle Abhängigkeit
von Sponsoren und staatlichen Zuschüssen begeben! Was vor
50 Jahren noch eigeninitiativ möglich war, ist heute eine
Illusion! Dass die internationale Dopingszene weltweit ein
Millionen- vielleicht sogar
ein Milliardengeschäft, vor
allem für die natürlich völlig
unschuldige und unwissende
Pharmaindustrie geworden
ist, sei nur am Rande
erwähnt, macht aber die
Problematik bestimmt nicht
einfacher.
Wenn in grundsätzlicher
Einstellung und konsequenter Ausführung jetzt nicht
endlich Radikales passiert,
wird der Sport zum reinen
Gladiatorentum mutieren
und pervertieren - mit allen
OF
Konsequenzen!
15
Doping-Prävention - eine
gesamtgesellschaftliche
Querschnittsaufgabe
Von Walter Mirwald
as Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes
hat im August 2006 noch einmal seine "Null-ToleranzPolitik" im Kampf gegen Doping im Sport bekräftigt und
einen zwölf Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog verabschiedet. Dabei lautet der erste Satz unter Punkt eins: "Der
Anti-Doping-Kampf beginnt mit gezielter Prävention, die sich
auf die Sportlerinnen und Sportler selbst, aber auch auf
junge Menschen insgesamt bezieht." Doping-Prävention ist
also mehr als eine sportspezifische Sache, Doping-Prävention
ist längst zu einer gesamtgesellschaftlichen Querschnittsaufgabe geworden.
D
Eine große Illustrierte hat kürzlich in einer Schlagzeile von
der "Gedopten Gesellschaft" gesprochen und lag damit genau
richtig. Mit wie viel Tabletten und Mittelchen halten sich
Manager fit, um den
Anforderungen der
Arbeitswelt gerecht zu
werden? Wie oft geben
sich Künstler die Dröhnung mit Drogen
und/oder Alkohol, um
Dinge und Werke zu
schaffen, die weltweit
höchste Anerkennung
finden? Und wie häufig
stimulieren Eltern ihre
Kinder mit gefährlich
bunten Kügelchen vor
der Klassenarbeit oder
der Prüfung? Jeder
beamt sich hoch, so wie
er es gerade braucht,
um den Alltag meistern
zu können. Keiner fragt
nach, keiner kontrolliert.
Nur im Sport ist das
anders. Der nimmt eine
16
Sonderstellung ein. Er ist zwar ein Teil der "Gedopten Gesellschaft". Aber im Sport ist Doping ausdrücklich verboten.
"Saubere" Siege, Rekorde und Leistungen sind gefragt. Aber
die Gefahren lauern an jeder Ecke. Junge Athletinnen und
Athleten sind gefährdet. Die Doping-Mentalität ist vorhanden, Prävention so wichtig wie niemals zuvor.
Internationale Studien in den USA, Kanada und einigen
europäischen Ländern - so Prof. Gerhard Treutlein von der
Pädagogischen Hochschule Heidelberg - zeigen auf, dass das
Problem mittlerweile weit über den organisierten Sport
hinaus geht. Nach diesen Studien verwenden etwa fünf
Prozent der Jungen zwischen 14 und 18 Jahren Anabolika
und etwa 2,5 Prozent der Mädchen, wohlgemerkt auch nicht
Leistungssport treibende Jugendliche. Treutlein weist weiter
darauf hin, dass nach
einer Studie der französischen DopingHotline in Montpellier
die Kontaktaufnahme
von Jugendlichen
nahezu "explodiert", die
anabole Steroide zur
Verbesserung ihres
Aussehens verwenden.
Und nach Erkenntnissen aus Rom sollen 18
Prozent der 13-jährigen
Jungen Kreatin verwenden, wie Treutlein
meint, "ein erster
Schritt auf der Treppe
der Versuchung und
Verführung".
Treutleins Fazit aus
diesen Erkenntnissen:
"Das Problem einschließlich des dazugehörenden Schwarz-
markts ist in der Zwischenzeit so weit ausgebreitet, dass sich
Prävention deshalb nicht auf den Spitzensport als Aufgabenfeld beschränken darf. Sie muss heute angesichts der in der
Gesellschaft allgemein gegebenen Versuchung zum Medikamentenmissbrauch weit über den organisierten Sport hinausreichen."
Prof. Gerhard Treutlein und sein Team haben mit der Deutschen Sportjugend (dsj) den idealen Partner für eine gemeinsame Offensive zur Doping-Prävention gefunden. Seit 1990
befasst sich die dsj mit diesem Thema. Damals wurde ein
Faltblatt herausgegeben, das jungen Sportlerinnen und Sportlern Informationen zu diesem Themenbereich lieferte und in
dem ausdrücklich vor den Gefahren von Doping und Medikamentenmissbrauch gewarnt wurde. Im Jahre 2004 erschien in
enger Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule
Heidelberg die Broschüre "Sport ohne Doping". Jetzt folgte ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Team um
Gerhard Treutlein - die Arbeitsmappe "Sport ohne Doping ein Fortbildungsmodul zur Doping-Prävention".
Der Zeitpunkt dazu hätte angesichts der sich überschlagenden Meldungen von verdächtigten und überführten DopingSündern aus dem Spitzensport und der andauernden Diskussion um die Anti-Doping-Gesetzgebung nicht günstiger sein
können. "Die Deutsche Sportjugend will in engem Schulterschluss mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und der
Nationalen Anti-Doping-Agentur Zeichen setzen, um Kinder
und Jugendliche über die
Doping-Problematik
aufzuklären und Hilfen
anzubieten", unterstreicht
der dsj-Vorsitzende Ingo
Weiss. Ziel der dsj sei, auf
diesem sensiblen Gebiet
eine nachhaltige Wirkung
zu erzielen.
Weiss erläutert, dass das
Ende Juli in Hamburg
vorgestellte PräventionsModul ein Instrument für
Lehrkräfte darstellen soll,
die Fortbildungen für
Übungsleiter und Trainer
durchführen. Weiss:
"Denjenigen, die direkt mit
Kindern und Jugendlichen
arbeiten, soll die Möglichkeit gegeben werden, das
Thema Dopingprävention
in kompetenter Weise in
ihren Übungs- und Trainingsalltag einzubringen."
Es soll aber auch eine Transferleistung in den Alltag der jungen Menschen ermöglicht werden, zum Beispiel zu Fragen der
Gerechtigkeit, des sorgsamen Umgangs mit dem eigenen
Körper und der Grenzen des persönlichen Leistungsvermögens
in Situationen außerhalb des Sports.
Die konzertierte Aktion von Deutscher Sportjugend und der
Heidelberger Fachhochschule mit der Argumentationskette
gegen Doping soll möglichst flächendeckend verteilt werden
und viele Übungsleiterinnen und Übungsleiter erreichen. Dass
derartige Hilfen nötig sind, macht auch ein Satz deutlich, den
Holger Gabriel, Professor für Sportmedizin an der Universität
Jena, beim ersten Thüringentag "Medien und Ethik" sagte:
"Auch die Sportverbände bis hin zu den Eltern müssen ihrer
Verantwortung noch deutlicher gerecht werden und den
Jugendlichen ein klares Wertesystem vermitteln."
Hilfestellungen will auch das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes geben, dass die Einsetzung von DopingVertrauensleuten beschlossen hat, die als unabhängige Sportlerinnen und Sportler Anlaufstelle für Athletinnen und Athleten sein sollen, die noch nicht auf dem Höhepunkt ihrer
Karriere sind und Diskussionsbedarf haben. Für diese wichtige
Aufgabe konnten die Doppel-Olympiasiegerin im Rudern,
Meike Evers, die mehrfache Weltmeisterin und Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen im Eisschnelllauf, Monique
Garbrecht-Enfeld, und der Zehnkampf-Olympiazweite von
Atlanta 1996, Frank Busemann, gewonnen werden. Diese
Vertrauensleute sollen
Besuche in den Olympiastützpunkten und in
Schulen vornehmen und
den Kontakt zu den
Aktiven suchen, auch in
Kooperation mit der
NADA. Wenn das gut
angenommen wird, soll
die Zahl der Vertrauensleute noch erhöht werden.
"Doping ist auch ein
Alarmzeichen für den
Zustand einer Gesellschaft", hat Eberhard
Gienger, der Vizepräsident Leistungssport des
Deutschen Olympischen
Sportbundes und frühere
Reck-Weltmeister kürzlich gesagt. Der Alarm ist
ausgelöst. Aber der Sport
hat längst Gegenmaßnahmen eingeleitet. OF
17
N
ur sechs Jahre (1971-1976) hat der Schwabe Karl Honz
Hochleistungssport betrieben. In diesem kurzen Zeitabschnitt gelang ihm 1972 der Einzug in zwei Olympiafinals
(400 m/4x400 m), der Europarekord über 400 m (44,70), die 400m-Europameisterschaft (1974) und 1976 noch einmal die Olympia-Qualifikation. Fün Mal wurde er deutscher Meister. Nach der
Zeit als Aktiver fiel der gelernte Kaufmann auch als nachdenklicher Publizist auf. In renommierten Blättern wie der Zeit, der FAZ
und der Süddeutschen machte sich Honz Gedanken über den
Leistungssport. Auch in der Olympischen Jugend und im Olympischen Feuer (OF) veröffentlichte er. Danach konzentrierte sich
Honz: Die Frage habe ich erwartet. Ich habe mich gefragt, woran
liegt es, dass wir im deutschen Team niemand haben, der so
schnell laufen kann wie wir damals. Unvorstellbar, dass die heute
weniger trainieren, mehr als fünf Mal in der Woche waren es bei
mir nicht.
OF: Hattet ihr mehr Talent?
Honz: Das kann ich mir nicht vorstellen. Auch an Trainingseifer
und Umfang kann es nicht liegen, da ist jetzt mehr vorhanden,
die Betreuung insgesamt ist intensiver als damals, weil einfach
"Wenn weniger Geld im
Spiel ist, reduziert sich
der Anreiz zu dopen“
Karl Honz, Ex-Europameister der Leichtathleten
Honz auf seinen beruflichen Werdegang: Angestellter einer
Sportartikelfirma, an der Seite des letzten NOK-Präsidenten Klaus
Steinbach Leiter einer Reha-Klinik in Bad Urach und jetzt
Geschäftsführer des Heilbads Krumbad im bayerischen Schwaben.
Nach zwei Jahrzehnten meldet sich Honz jetzt wieder zu Wort.
Am Tag nach dem Ende der Leichtathletik-EM in Göteborg sprach
OF mit dem 55-Jährigen.
OF: Hatten Sie Zeit, die EM zu verfolgen, interessiert Sie eine
solche Veranstaltung überhaupt noch, oder gehören Sie zu der
Gruppe Ehemaliger, die sich vermehrt abwendet, weil das Vertrauen in einen integren Spitzensport nicht mehr vorhanden ist?
Honz: Ich interessiere mich nach wie vor sehr stark für den
Sport, natürlich für die Leichtathletik, die Fußball-WM habe ich
ganz intensiv verfolgt, im Gegensatz zu früher dagegen weniger
die Tour de France.
Nach außen ist mein Interesse nicht bemerkbar. Man nimmt
mich nicht wahr, das liegt auch daran, dass es mich nie in ein
Amt des Sport drängte, weder als Trainer noch als Funktionär.
Aber innerlich ist es eine starke Herausforderung, wenn so eine
internationale Meisterschaft wie jetzt die in Göteborg stattfindet. Ich spüre, dass ich intensiv mitgehe, bei den Sprintdisziplinen, den Läufen insgesamt, die faszinieren mich immer noch.
OF: Was sagen Sie denn dazu, dass der Europameister 2006 über
400 m nicht schneller lief als Sie beim EM-Sieg vor 32 Jahren,
45,04 Sekunden?
18
30 Jahre mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen darüber
gegangen sind. Was bleibt ist die Motivation. Aber warum
sollten die heute weniger motiviert sein als wir. Zumal wir
weniger Anreize hatten, zumindest finanzieller Art. Stichwort
Kampfgeist. Das könnte ein Faktor gewesen sein, wenn ich mir
das so angucke. Andererseits wäre es dumm von mir, das jetzt
auf diese Ebene zu bringen. Ich habe ja gesehen, wie gekämpft
wurde, die Speerwerferin Nerius zum Beispiel. Es ist halt schwer
zu erklären, wo der Unterschied sein soll.
OF: Es bleibt also Klärungsbedarf. Oder kann es damit zu tun
haben, dass der bundesdeutsche Sportler heutzutage sozial zu
stark abgesichert ist, wie man zuweilen hören kann, und deshalb
der Anreiz zu Mehraufwand fehlt?
Honz: Tatsache ist, dass wir schlechtere Voraussetzungen hatten,
in den ganzen Strukturen des Trainings, der Mobilität und der
Information/Kommunikation. Tatsache ist aber auch, dass diese
Verbesserungen und der soziale Anreiz eben nicht zu besseren
Leistungen (über 400 m) geführt haben.
OF: Wie ist Ihre Sicht auf die Trainer anno 2006, gibt es in dem
Bereich Defizite?
Honz: (lacht) Den Klinsmann-Effekt? Wenn Sie diesen Punkt
ansprechen, fällt mir ein, dass ich früher zu Hause kaum mit
Trainern gearbeitet habe, die Bundestrainer waren weit weg. Ein
ganz wichtiger Aspekt scheint mir aber doch zu sein: Man hat
Trainer, die sehr gute Fachleute sind, aber sind sie auch gute
Motivatoren, können sie die Athleten führen?
OF-INTERVIEW
OF: Was ist der wesentliche Unterschied zwischen dem deutschen Spitzensport von heute und dem Ihrer Zeit? Ist es die
Einflussnahme des Kommerzes? Sie haben sich Mitte der Siebziger Jahre wohl doch kaum vorstellen können, wie das Geld den
Sport verändern würde.
Honz: Noch bei der Leichtathletik-EM 1974 mussten wir alle
Firmenzeichen auf Taschen und Kleidung verkleben. Was dann
passierte, die Kommerzialisierung der Olympischen Spielen 1984
in Los Angeles und was daraus folgerte, war für mich nicht
vorstellbar. Die Gefahr war jedenfalls groß, die Ziele falsch zu
setzen. Und wenn man die vergangenen 30 Jahre passieren lässt,
habe ich die Befürchtung, dass sie tatsächlich verrutscht sind.
Wir wollten einfach nur schnell laufen. Dabei waren die inneren
Antriebe, losgelöst von der finanziellen Komponente, oft stärker
als sie heute angesichts der finanziellen Voraussetzungen sind.
Mit der Motivation "Geld" schneller zu laufen als wir - das kann
nicht funktionieren ...
OF: ... es sei denn, man betrügt. Will heißen: Wer über Geld im
Sport redet, wird direkt auf den Weg zum Thema Doping
geführt. Es in den Griff zu bekommen, fällt unendlich schwer.
Was läuft aus Ihrer Sicht da schief?
Honz: Wenn man die Diskussionen nach der Tour de France
verfolgt, kann ich den Bemerkungen von Thomas Bach nur
zustimmen, der Sport müsse die Angelegenheit selber regeln. Ich
finde es nach wie vor falsch, wenn man versucht, Doping auf
Staat und Paragrafen abzuschieben. Es geht um Geld, es ist ein
wirtschaftliches Problem, auf dieser Ebene muss die Lösung
gesucht werden. Wenn weniger Geld im Spiel ist, reduziert sich
der Anreiz zu dopen.
OF: Seit Jahren tritt der Sport bei der Dopingbekämpfung
gleichsam auf der Stelle. Hilft eine Radikalisierung der Sanktionsmaßnahmen weiter, indem zum Beispiel der Sportbetrug
unter das Strafgesetz gestellt wird?
Honz: Wer will einem Sportler genau nachweisen, ob er illegale
Mittel voll absichtlich genommen hat oder ob vielleicht Sabotage oder andere Dinge dahinter stecken. Solange die Staatsanwaltschaften das nicht sauber klären können, kann ein Sportler
nicht verurteilt werden. Die Grauzone zwischen Ehrlichkeit und
Betrug hindert doch wohl, Dopingvergehen auf das strafrechtliche Feld zu schieben. Das Wirksamste ist für mich zunächst die
wirtschaftliche Ebene ...
OF: ... deren Katalysator die Medien sind.
Honz: Profisport und dessen Veranstaltungen sind der Unterhaltungsbranche zuzurechnen. Geht es dabei nicht ehrlich zu, wird
ihnen das Interesse entzogen, von den Medien zum Beispiel. Das
heißt aber: Weniger Geld für TV-Rechte. Dann wird es auch für
andere Beteiligte uninteressanter, für die Sportartikelindustrie.
Auf diese Weise könnte dem Doping der Boden entzogen werden. Geht das Fernsehen raus aus der Tour oder anderen Großveranstaltungen, berichten Zeitungen nur noch in einer Spalte,
lässt das öffentliche Interesse nach. Dann heißt es: Macht euch
erst mal sauber, dann kommen wir wieder.
OF: Sie waren und sind in Kliniken und Heilbädern in Verwaltungspositionen, also nicht unweit von der Medizin tätig. Kam
es je zu Kontakten mit dem Thema Doping?
Honz: Das spielte in meinem Leben nie eine Rolle, nicht im
Beruf und im Sport sowieso nicht. Ich war als Athlet nie der
Versuchung ausgesetzt. Wenn damals von Doping die Rede war,
ging es um Anabolika, und das war etwas für die Schwerathleten unter den Leichtathleten. Dass beim Sprint mit Doping
etwas auszurichten ist, wurde mir erst 1988 durch den Fall Ben
Johnson klar.
OF: Ist der Spitzensport, so wie er sich zurzeit darstellt, noch in
einer Vorbildrolle für junge Menschen?
Honz: Wir müssen da differenzieren. Was den Fußball betrifft
und die WM in Deutschland, ist genau dieser Effekt eingetreten.
Für Leichtathletik oder Schwimmen kann ich es mir nicht vorstellen. Die Frage ist interessant: Wie viele junge Leute haben
den Marathonlauf der Europameisterin Ulrike Maisch gesehen?
Ich fürchte, es waren wenige, die sich von ihr haben motivieren
lassen, es einfach mal mit dem Laufen zu versuchen. Die Mannschaftssportarten haben die wesentlich besseren Chancen bei
der Jugend, dem gegenüber haben Leichtathletik und Schwimmen verloren.
OF: Erlauben Sie noch einen Schwenk auf ein ganz anderes
Gebiet: den neuen deutschen Dachverband DOSB. Worauf sollte
der künftig vorrangig sein Augenmerk richten?
Honz: Ich bin zu wenig im Thema drin, um darüber urteilen zu
können, würde aber auf weichere Faktoren verweisen: Führungsqualitäten, die Qualität des Einwirkens auf junge Menschen im
Sport, die Qualität der Begegnung zweier Menschen, zum
Beispiel Trainer und Athlet. Ich weiß aus eigener, langer beruflicher Erfahrung, dass man sich da nicht genügend verbessern
kann. Daran kann immer angesetzt werden. Es geht um das, was
nur der Mensch selber leisten kann.
OF: Hat auch Ihre Zeit im Leistungssport zu dieser Erkenntnis
verholfen?
Honz: Ja, was ich in den sehr intensiven Jahren zwischen 20
und 25 an Erfahrung gewonnen habe, kann ich jetzt sehr gut
umsetzen: leistungsorientiertes Arbeiten, der physische Umgang
der Leistungserbringung, Mut entwickeln für Experimente, mit
der Niederlage leben, sie einstecken können, miteinander umgehen, reden. Das alles ist ja auch in der Wirtschaft notwendig.
OF: Sie haben anfangs schon erwähnt, dass es Sie nie in ein
Sportamt gedrängt hat. Warum ist einer wie Sie diesen Weg
nicht gegangen?
Honz: Es war in meinem Kopf eben drin, dass der Sport in
meinem Leben ein endliches Kapitel ist. Mit 25 Jahren habe ich
es abgehakt, weil ich glaubte, der Sport sei nichts fürs ganze
Leben, zumal auch keine finanziellen Anreize da waren. Eine
innere Nähe zu einem Amt als Funktionär oder Trainer habe ich
nicht verspürt, zum Funktionärsamt bis heute nicht. Aber jetzt
bei der EM habe ich beim Fernsehen kurz darüber nachgedacht,
was würdest du ihm erzählen, wenn du Trainer von Kamghe
Gaba (deutscher 400-m-Meister/Anm. d. Aut.) wärst. Der Reiz ist
da, aber ich unterliege nicht der Versuchung, wieder ins
Gespräch zu kommen.
Das Interview führte: Michael Gernandt
OF-INTERVIEW
19
In Sachen Sportwetten
oder Überlebenskampf im Glücksspiel-Dschungel
Von Andreas Müller
ast täglich jagt eine Meldung in der Presse die nächste.
Manche Verwaltungsgerichte erfüllen den Wunsch der
Politik nach Aufrechterhaltung und konsequenter
Durchsetzung des staatlichen Monopols auf Sportwetten,
andere entscheiden genau anders herum und gestehen
privaten Wettanbietern das Geschäft zu, erlauben die Werbung im Fernsehen oder das Logo auf dem Fußball-Trikot. Das
juristische Wirrwarr ist die typische wie unerlässliche Begleitmusik in dem Bemühen des Staates, sein seit Jahren reichlich
durchlöchertes und von einem "grauen Markt" unterwandertes Glücksspiel-Monopol zu verteidigen und die schon mächtig gewordenen privaten Wettanbieter zurückzudrängen bzw.
am besten gänzlich auszuschalten und ein staatliches Monopol in Reinkultur wiederherzustellen. Ein Unterfangen, das
angesichts der Begehrlichkeiten eines allein in Deutschland auf rund vier Milliarden
Euro Umsatz geschätzten
Marktes und in Zeiten von
moderner Kommunikation
über Ländergrenzen hinweg
schier aussichtslos scheint.
Der Sport kann sich diesem
Gerangel nicht entziehen, er
ist mittendrin im teilweise
völlig unübersichtlichen
Getümmel statt nur dabei.
Im Glücksspiel-Dschungel die
Orientierung zu behalten, ist
für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) just
eine Überlebensfrage.
Schließlich profitierte der
organisierte Sport zuletzt mit
insgesamt rund 544 Millionen Euro von den Erlösen
des staatlichen Lotto- und
F
20
Toto-Blocks und den Oddset-Sportwetten der Länder und
könnte ohne diese Zuweisungen unmöglich in seiner momentanen Gestalt als gesellschaftlich bedeutsame Größe überleben. "Die Mittel zur Förderung des Sports aus Umsätzen der
staatlichen Lotterien und Sportwetten betrugen im Jahr 2004
deutschlandweit 529,978 Millionen Euro", berichtet Oliver
Fisch vom Referat Marketing und Sportwetten bei Oddset.
Der überwiegende Teil dieser Summe, in der die OddsetZuschüsse schätzungsweise knapp zehn Prozent ausmachen
- genaue Angaben existieren wegen deren komplizierter und
unterschiedlicher Verteilung in den einzelnen Bundesländern
nicht - floss in die Kassen der Landessportbünde (LSB). Ausgeschüttet wurden 2004 außerdem 14,238 Millionen Euro
aus den Erlösen der Glücksspirale, die der Zentrale des Deutschen Sportbundes (DSB), dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) und der
Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH)
zugute kamen. Zahlen für das Jahr 2005
liegen zwar noch nicht vor, aber eines
bleibt unbestritten: Auch die Einheitsorganisation ist nach der Fusion von DSB
und NOK existenziell auf das bewährte
Instrument der Sportförderung aus
staatlichen Lotto- und SportwettenMitteln angewiesen. DOSB-Präsident Dr.
Thomas Bach und die kommissarischen
Generaldirektoren Dr. Andreas Eichler
und Bernhard Schwank haben das
wiederholt unterstrichen. Doch nicht
nur für den Sport sind diese Zuflüsse
die wichtigste Lebensader, sondern
ebenso für viele Wohlfahrtsorganisationen in Deutschland, den Denkmalschutz
und andere Bereiche, die auf die so
genannte Zweckabgaben des staatlichen Glücksspiels unmöglich verzichten
können. Beim Sportwetten-Anbieter
Oddset beträgt diese Konzessionsabgabe je nach Bundesland
zwischen 15 und 20 Prozent. Hinzu kommen 16,6 Prozent
Lotteriesteuer. Abgaben, wie sie kein anderer Wettanbieter
leitstet(e) und die nach dem Willen der Politik nach einem
einzigen Motto geschützt werden sollen: Es lebe das Monopol!
Interessen-Konglomerat
unterm DOSB-Dach
Nicht zu unterschätzen ist die Wirkung des Geldsegens, den
vor allem die Profiligen aus den Werbe- und SponsorenBudgets der privaten Anbieter erhalten. Allein betandwin als
größter von vier Anbietern, die sich auf eine Gewerbeerlaubnis aus den letzten Tagen der DDR berufen, beziffert sein
Marketing-Budget in diesem Jahr auf 56 Millionen Euro.
Daraus werden Sponsorenverträge mit Fußball-Bundesligisten wie Werder
Bremen und dem VfB Stuttgart oder Zuwendungen an
die Profiligen im Basketball,
Eishockey und Handball
sowie wichtige Werbeeinnahmen zum Beispiel für
das Deutsche Sportfernsehen gespeist. Was zur logischen Folge hat, dass bei
den Partnern im Sport für
Freude über den Sponsor
gesorgt wird und im Gegenzug Abhängigkeiten und
separate, dem SportwettenMonopol des Staates geradezu entgegengesetzte
Interessenlagen entstehen.
Hinzu kommt beim Deutschen Fußball-Bund (DFB)
und bei Deutschen FußballLiga (DFL) der ausgeprägte
Wille, als Veranstalter und
Ausrichter der für Sportwetten wichtigsten sportlichen
Ereignisse eine eigene Sportwetten-Lizenz zu bekommen und
das Produkt auf diese Weise sportwettentechnisch optimal
auszuwerten. Aus diesem Wunsch und dem damit zwangsläufig verbundenen Ruf nach einer Teilliberalisierung der
Sportwetten und der Zulassung privater Anbieter unter
strengen Lizenzauflagen macht zum Beispiel der Geschäftsführende DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger kein Hehl.
"Natürlich wollen alle ihre Pfründe gesichert haben. Das gilt
für die Fußballvereine und für die Ligen im Handball, Basketball und Eishockey, die Verträge mit privaten Sportwettenan-
bietern haben. Das gilt darüber hinaus für den gesamten
Sport, der auf die Mittel aus den staatlichen Lotto- und
Toto-Mitteln existenziell angewiesen ist. Alle wollen ihre
Zuwendungen gesichert sehen. "Es gibt keinen Konfrontationskurs, sondern ein gemeinsames pragmatisches Ziel innerhalb des Sports: Alle müssen sehen, dass ihr Haushalt steht",
weißt Dr. Christa Thiel als Sprecherin der Spitzenverbände
auf die vielfältige Interessenlage hin, während LSB-Sprecher
Dr. Ekkehard Wienholtz die Relationen zwischen allgemeinen
und individuellen Bedürfnissen im Sport gewahrt wissen will:
"Alles ist derzeit auf kurzfristige Millionen von betandwin
fixiert, die in einige Klubs und Ligen fließen. Wir müssen uns
jedoch von der aktuellen Debatte lösen und die Einnahmen
für den gesamten Sport dauerhaft sichern", plädiert der
Präsident des Landessportverbandes Schleswig-Holstein
dafür, das bewährte Instrument des Monopols nicht leichtfertig über Bord zu werfen. Genau diesen Intentionen folgen
die Ministerpräsidenten der Länder mit einem neuen, für
2007 erwarteten Staatsvertrag. Mit dem Dokument soll das
Monopol zunächst für vier Jahre bis 2011 sozusagen "auf
Bewährung" festgeschrieben werden, um bis dahin Erfahrungen zu sammeln und dann erneut zu entschieden, ob es
beim Monopol bleiben kann oder eine Liberalisierung unumgänglich ist. Wobei für alle Experten klar ist: Fällt das Monopol bei den Sportwetten, wird es auch beim Lotto- und TotoGeschäft nicht zu halten sein. Das Feld der Sportwetten ist
für die Privatanbieter gewissermaßen die Probebühne für
den Sturm aufs Eigentliche. Deswegen wird so verbissen
gekämpft.
21
Gespräch mit der Politik über
eine halbe Milliarde Euro
Vor diesem Hintergrund stellt für den Fußball und insbesondere für die DFL die auf dem Sportwetten-Gipfel vom 22. August
vereinbarte gemeinsame Positionierung des DOSB im Glücksspiel-Dickicht einen Kompromiss dar, der angesichts der
politischen Rahmenbedingungen als "realpolitisches Zeitspiel"
bezeichnet werden könnte. Es ist ein Solidarpakt für die
nächsten vier Jahre. Über die Strategie, auf die sich der organisierte Sport bei dem Spitzengespräch als "kleinsten gemeinsamen Nenner" einigen konnte, will DOSB-Präsident Thomas
Bach nun mit den politischen Entscheidungsträgern der
Länder so bald wie möglich in Gespräche eintreten und dabei
die Wünsche des Sports deutlich artikulieren. Erster Ansprechpartner ist der NRW-Regierungs-Chef Jürgen Rüttgers (CDU)
als amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz der Länder. Jenes Gremiums also, das den neuen Sportwettenstaatsvertrag Ende dieses Jahres verabschieden soll,
bevor er von den 16 Länderparlamenten gebilligt werden muss
und 2007 in Kraft treten kann. Der "DOSB-Masterplan" sieht
vor, dass dem Sport bei der künftigen Gestaltung des Glücksspielrechts eine Summe von annähernd 500 Millionen Euro
pro Jahr aus Lotto- und Toto-Mitteln vorrangig für den
gemeinnützigen Sport sichergestellt werden müsse. Knapp 50
Millionen Euro jährlich erhoffen sich DOSB und DFB vornehmlich für die Profiligen aus Umsätzen der Oddset-Sportwette
und einer speziellen "Sportförderungsgesellschaft", die man
gemeinsam mit dem staatlichen Anbieter gründen möchte. In
der Addition wäre das erklärte Ziel des Sports erreicht, dass es
beim bisherigen Gesamt-Fördervolumen von gut 530 Millionen Euro pro Jahr bleiben muss.
5:1 - ein Zugeständnis an den Fußball
Vorgesehen ist, dass DOSB und DFB mit dem Anbieter Oddset
eine "Sportförderungsgesellschaft" gründen, um einen noch
genau zu verhandelnden Prozentsatz aus dem SportwettenGeschäft nach dem Schlüssel 5:1 für den Fußball zu verteilen.
Bei ihrem Modell gingen die Gesprächsteilnehmer des Wettgipfels von geschätzten Oddset-Überweisungen in Höhe von
48 Millionen Euro pro Jahr aus. Bei einem Verteilerschlüssel
von 5:1 zu Gunsten der Kicker würde der Fußballbereich mit
40 Millionen und die Profiligen im Basketball, Handball und
Eishockey zusammen mit maximal acht Millionen Euro profitieren. Damit sollen Klubs wie Ligen die Ausfälle von Sponsoren wie betandwin kompensieren. "Das ist eine praktikable
Kompromisslinie, den Interessen der Profis gerecht zu werden,
ohne dass der gemeinnützige Sport schlechter gestellt wäre.
Denn klar ist, dass die Landessportbünde und die Verbände bei
der Finanzierung nicht herunterfallen dürfen", stimmte LSB-
22
Sprecher Ekkehard Wienholtz der Vereinbarung mit Blick auf
die Lotto- und Totomittel von annähernd 500 Millionen für
die Nichtprofis und den Breitensport zu. Die ins Auge gefasste
"Sportförderungsgesellschaft" ist nicht nur ein Zugeständnis
an den Profisport und insbesondere die Fußball-Bundesliga als
elementare Grundlage und Voraussetzung jedes Sportwettengeschäfts. Zugleich deckt sich die Lösung mit den bereits seit
Monaten laufenden Bemühungen der Ligen, Wettanbietern
mit dem Hinweis auf den so genannten Veranstalterschutz auf
juristischem Wege Abgaben abzutrotzen. "Der Sport liefert den
Content, und zwar nicht nur wir im Fußball, sondern ebenfalls
die Handballer, Basketballer, Eishockeyspieler und alle anderen,
auf die gewettet werden kann. Sie alle betrifft das Problem im
gleichen Maße, wenngleich wir wissen, dass die Fußballwetten
mit 80 bis 85 Prozent den größten Anteil ausmachen", hatte
der DFB-Sportwetten-Beauftragte Wilfried Straub schon vor
Monaten geäußert, woraus DFL-Chef-Justitiar Thomas Summerer rechtliche Konsequenzen und finanzielle Forderungen
gegenüber den Sportwetten-Anbietern ableitete. "Die unentgeltliche und systematische Nutzung der Spielpläne und
Ergebnislisten sehen wir als Missbrauch an. Unsere Rechtsauffassung war immer, dass es ein Recht des Veranstalters geben
muss, seine Veranstaltung umfassend auszuwerten", hatte der
Jurist erklärt. Ein Gutachten zum "Veranstalterschutz", das
vom Max-Planck-Institut für Wettbewerbsrecht in München
erstellt wird, soll im Interesse der Klubs weitere Klarheit bringen. Mit dem Einstieg des Sports bei Oddset, der vornehmlich
für die Profis von Nutzen sein soll, käme man juristischen
Reibereien zwischen Klubs und Ligen sowie dem Wettanbieter
geschickt zuvor.
Staatsvertrag soll
Verfassungsmäßigkeit garantieren
"Das ist ein Vorschlag an die Politik und an die verschiedenen
Oddset-Gesellschafter in den Bundsländern. Dort muss letztendlich die Entscheidung über ein solches Modell getroffen
werden. Mit Sicherheit wird es noch einige steuerrechtliche
Probleme geben, denn unsere Zuwendungen an den Sport
sind an gemeinnützige Zwecke gekoppelt", kommentierte
Oddset-Chef Erwin Horak den Plan, während sich die politische Ebene vorerst bedeckt hält. Rüttgers sei gegenüber dem
Sport zwar "grundsätzlich gesprächsbereit", hieß es aus
dessen Staatskanzlei in Düsseldorf. "Grundlage muss aber der
Beschluss der Ministerpräsidenten vom Juni sein." Das heißt:
das klare Bekenntnis zum Monopol, auf das sich die Länderchefs im Juni grundsätzlich geeinigt hatten. Während 13
Bundesländer für ein komplettes Verbot von privaten Anbietern votierten, vertraten Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein jedoch die Auffassung, dass
langfristig die Vergabe einer begrenzten Anzahl von Konzessionen ratsam sei.
In dem neuen Staatsvertrag sollen die derzeit geltenden
Bestimmungen für die staatlichen Oddset-Wetten auf der
Grundlage einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(BVG) vom 28. März weiterentwickelt werden. Die Karlsruher
Richter hatten vor allem klargestellt, dass eine staatliche
Wette unter keinen Umständen zum Glücksspiel animieren
darf, wenn sie den Grundsatz der Verfassungsmäßigkeit
erfüllen will. Ihr Einverständnis mit dem Noch-Monopol des
Staates koppelten die Karlsruher Richter an die Forderung,
Oddset solle aufhören, die Kundschaft zum Glücksspiel zu
animieren. "Das haben wir umgehend befolgt. Zum Beispiel
wird es in der Ersten und Zweiten Bundesliga keine Bandenwerbung mehr von uns geben", berichtet Horak. Tabu sind
inzwischen auch Wettenangebote per SMS, die Werbung im
Fernsehen wurde eingestellt, und es soll auch keine RadioSpots mehr geben. In den
Annahmestellen und auf den
Tippscheinen wird neuerdings darauf hingewiesen,
dass Wetten süchtig machen
kann. Nicht einmal der
Berliner Fußball-Pokal darf
noch den Namen des staatlichen Anbieters tragen.
Restriktiv wie der Staat auf
der anderen Seite gegen
private Unternehmen vorgeht, zwingt er seinen eigenen Favoriten in ein enges
Korsett. In der Konsequenz und natürlich wegen der
Konkurrenzsituation - brach
der Umsatz der acht Jahre
alten Oddset-Wette zwischen
Januar und April 2006
gegenüber dem Vorjahr um
20 Prozent ein. Im Spitzenjahr 2002 lag der Umsatz
noch bei 530 Millionen Euro.
Hält der Trend an, werden es in diesem Jahr gerade einmal
noch 350 Millionen Euro sein.
Nur "echtes Monopol" hat vor
EU-Recht Bestand
Sinkende Einnahmen sind womöglich der Preis, den Oddset
für seine Verfassungs-Konformität zahlen muss, ohne die der
Monopolstatus mit Blick nach Europa rechtlich von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Wenn der Staat das
Glücksspiel-Geschäft unbedingt allein machen will, hatten die
Karlsruher BVG-Richter den Ländern unmissverständlich
aufgetragen, dann dürfe ihr Bestreben nach Einnahmen auf
keinen Fall die Priorität genießen. Dann müsse alles unterlassen werden, was zum Spiel verleite und den Umsatz ankurbelt. "Diese absolut glaubhafte Umsetzung des Monopols" sei
der einzige Weg zu seiner Aufrechterhaltung, ist Norbert
Skowronek, der Direktor des LSB Berlin, als Kenner der komplizierten, komplexen Materie überzeugt. "Das primäre Ziel
dürfen nicht die Einnahmen sein, auch wenn sie gesellschaftlich guten Zwecken zugute kommen. Im Vordergrund muss
das übergeordnete staatliche Interesse an der Eindämmung
der Spielsucht stehen. Wenn sich die deutschen LotterieGesellschaften korrekt verhalten und zum Beispiel nicht
werben oder anderweitig zum Glücksspiel animieren, dann
gerät dieses Monopol keineswegs in Konflikt mit dem EUWettbewerbsrecht", ist Skowronek überzeugt. Auch Länder
wie Belgien und Finnland könnten dem LSB-Direktor zufolge
als Vorbilder für das funktionierende Monopol dienen, wie es
die Ministerpräsidenten in ihrem Staatsvertrag wasserdicht
festschreiben wollen. Ein Mutmacher für die Verteidiger des
Monopols ist ebenso, dass im Entwurf zur neuen EU-Dienstleistungsrichtlinie das Glücksspiel ausdrücklich ausgenommen
wurde, um auf diesem Sektor nicht das Recht der einzelnen
europäischen Staaten zu beschneiden. Trotzdem oder gerade
deshalb wird es von privaten Anbietern weiterhin Klagen und
rechtliche Vorstöße hageln. Es wird garantiert weiterhin mit
allen erdenklichen Mitteln gerungen, um bei dem Milliardengeschäft nicht leer auszugehen. An der mitunter verwirrenden Nachrichten-Lage in den Medien wird sich vorerst kaum
etwas ändern. Und schon gar nicht an den Zwängen für den
Sport, im finanziellen Überlebenskampf auf der Hut zu bleiOF
ben.
23
WM-Nachlese
oder
Wie die
Deutschen
der Welt
sympathisch
wurden
Von Steffen Haffner
24
N
och wehen schwarzrotgoldene Fahnen im
Sommerwind. So als wollten sich die
Menschen nicht trennen von dem Stoff,
aus dem die Träume sind. Und das, obwohl Jürgen
Klinsmanns Anspruch, Fußball-Weltmeister zu
werden, an der Wirklichkeit ausgebuffter Profis
aus Italien scheiterte. Doch zur Verblüffung der
Welt und zum eigenen Erstaunen entpuppten sich
die Deutschen als Meister im entspannten Feiern.
Nicht einmal nach dem Aus im Halbfinale wurden
die Fahnen eingerollt. André Heller stieß im
Ausland wiederholt auf Aussagen wie diese: "Wir
stehen regelrecht unter Schock. Die Deutschen
sind uns plötzlich sympathisch." Und Sportfreund
Wolfgang Schäuble konstatierte erfreut: "Wir
fangen fast schon an, uns selbst zu mögen."
Der hoch gegriffene Slogan "Die Welt zu Gast bei
Freunden" füllte sich in ungeahnter Weise mit
Leben. Die Fanmeilen mit ihren Großbildschirmen
wurden Feiermeilen friedlichen Miteinanders.
Bilder von Deutschen und Türken, die Arm in Arm
die Erfolge der Heimmannschaft bejubelten,
zeigten beiläufig die Integrationskraft des Fußballs. Afrikaner, die vor ihrer Reise zur WM vor
den rassistischen Gefahren gewarnt worden
waren, stießen statt auf No-go-Areas" auf "TogoAreas", in denen sie herzlich willkommen waren.
11,7 Millionen Menschen hatten beim "Public
Viewing" ihr spezielles WM-Erlebnis, das dem in
den zwölf hochmodernen Arenen in nichts nachstand. Bedrohlicher Frust, nicht in den Besitz von
WM-Tickets gekommen zu sein, wurde so der
Boden entzogen. Vorfälle, die sich angesichts der
Heerscharen trinkfreudiger Fans kaum vermeiden
ließen, blieben überschaubar und wurden von der
eher besänftigend auftretenden Polizei im Handumdrehen entschärft.
Die Jugend, nicht zuletzt die weibliche, fasste die
WM als rauschende Party auf. Und das Wetter
zeigte sich durchgängig mediterran. Da muss der
"Kaiser" seine Beziehungen nach oben genutzt
haben. Die so genannte Lichtgestalt war ohnehin
in seinem Hubschrauber dem Himmel am nächsten und demonstrierte die Kunst der Allgegenwart. Dass Franz Beckenbauer nebenbei noch
diskret heiratete, zeigt seine Gabe, wie einst als
Libero über das Spielfeld des Lebens zu tänzeln.
Die Begeisterung der Massen entzündete sich an
der mitreißenden Spielweise der Klinsmänner, die
so gar nichts mehr mit der Ballschieberei von
ehedem gemein hatte und verdient im kleinen
Happy End des dritten Platzes mündete. Vielleicht
wäre die Hürde Italien sogar zu überspringen gewesen,
hätte sich Torsten Frings im Getümmel mit den ausflippenden Argentiniern nicht zu einer schlagfertigen Reaktion
provozieren lassen. Dass italienische Medien die Fifa zur
Sperre für den Bremer veranlassten, führte nach entsprechenden Schlagzeilen auf dem deutschen Boulevard zu
weniger schönen Verbalattacken gegen "die Pizzabäcker"
aus dem Süden und gegen unfaire Pfiffe bei der italienischen Nationalhymne.
Schade, dass ausgerechnet Zinedine Zidane, der beste
Spieler des Turniers, im Endspiel nach schlimmen Beleidigungen durch den Italiener Marco Materazzi ausrastete
und so die Fußballwelt vor den Kopf stieß. Da blieb es
müßiger Spekulation vorbehalten, sich auszumalen, wie das
Finale im Elfmeterschießen ohne den Platzverweis für
"Zizou" ausgegangen wäre. Hatte der Franzose doch in der
regulären Spielzeit einen Strafstoß, wie der Reporter meinte, so genial an die Querlatte gezirkelt, dass der Ball hinter
der Torlinie aufspringen musste. Oder war es nicht doch
eher Glück?
In der Endphase wurde die WM zu einer Art Europameisterschaft, die vier Mannschaften vom alten Kontinent unter
sich ausmachten. Die Afrikaner ließen mit Ghana und der
Elfenbeinküste ihre Talente aufblitzen, ohne effektiv genug
zu spielen. Die bravourös kämpfenden Australier scheiterten
an einem Schiedsrichter, der ihnen kurz vor dem Abpfiff mit
einem unberechtigten Elfmeter für den späteren Weltmeister Italien ihre Chance nahm. Die Brasilianer fielen aus allen
Wolken, dass ihre Spielkunst, die ihr Trainer Carlos Alberto
Parreira in ein taktisches Korsett gezwängt hatte, nicht zum
Erfolg genügte. Der übergewichtige Ronaldo löste zwar
Gerd Müller als WM-Rekordtorschützen ab, vermochte aber
nicht zu brillieren. Und auch der hoch gelobte Ronaldinho
deutete mit einigen genialen Anspielen nur selten sein
Können an.
Die Rückkehr der alten Herren aus Frankreich und der
Auftritt der technisch versierten, mit allen Wassern gewaschenen Italiener, die sich nicht einmal von ihrem Skandal
unterkriegen ließen, setzten die stärksten Akzente. Die
größte Freude aber lösten die jungen Deutschen mit ihrem
erfrischenden Fußball aus, der sie zu Weltmeistern der
Herzen machte. Mehr war möglich, wenn nur Michael
Ballack nicht zu sehr mit Defensivaufgaben beschäftigt
gewesen wäre, wenn "der Brasilianer" Bernd Schneider
nicht unter der Angst des Spielers vor dem Torschuss
25
gelitten hätte und wenn Standards und Schusschancen
besser genutzt worden wären... Stärker im Gedächtnis als
die Torproduktion von Miroslav Klose und Lukas Podolski
wird die menschliche Geste von Oliver Kahn bleiben, mit
der er seinen Rivalen Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien ermutigte. Ein versöhnlicher,
anrührender Abschied seiner Karriere in der Nationalmannschaft.
"Im Fußball nichts Neues", hieß ansonsten die Erkenntnis
der vier Wochen. Dass sie als schönste Weltmeisterschaft in
die Annalen eingeht, hatte weniger mit dem Inhalt als mit
dem glanzvollen Drum und Dran zu tun. Es war, als verharrte das öffentliche Leben in einem Schwebezustand. Selbst
die Bundeskanzlerin, die im Vergleich zu Gerhard "Acker"
Schröder eher als ahnungslose Amateurin galt, entwickelte
sich zur begeistert mitgehenden Fußballanhängerin. Vielleicht jubelte "Angie" auf der Tribüne auch deshalb so freudig erregt, weil Angela Merkel im Windschatten der WM
Was ist los mit der veröffentlichten
E
rinnern Sie sich, wie Deutschlands Fußballmannschaft
2004 unter dem neuen Bundestrainer Jürgen Klinsmann startete: 3:1 gegen Österreich, 1:1 gegen Brasilien, Confederations-Cup? Die Medien waren hingerissen von
dem ungewohnt offensiven, aggressiven und risikofreudigen
Spiel, wie Klinsmann es versprochen hatte. Erinnern Sie sich,
wie Deutschlands Fußballer im Frühjahr 2006 gegen Italien
1:4 verloren? Sie spielten, waren sich die Journalisten einig,
grottenschlecht und grausam und waren allemal "RumpelFußballer" und in der Weltmeisterschaft ohne Chance. Überhaupt gehöre der Bundestrainer, "Grinsi-Klinsi", nicht zu
seiner Familie nach Kalifornien, sondern zu seinem Team
nach Deutschland; "unprofessionell" sei sein Verhalten und
"unverschämt". Erinnern Sie sich, wie dann die nächsten
Vorbereitungsspiele (gegen zum Teil zweitklassige Gegner)
gestolpert wurde und der Start ins Turnier nur mühevoll
gelang? Die Deutschen, schrieben die Herren über die veröffentlichte Meinung nun wieder, gehörten zweifellos zu den
Favoriten; die "Euphorie" im Land (tatsächlich ist "Euphorie"
das letzte Aufbäumen des Menschen vor dem Tod) werde sie
wie von selbst von Sieg zu Sieg tragen. Bis Italien in der 118.
Minute des Halbfinales allem Überschwang ein jähes, eiskaltes Ende machte. Da sparten die Medien zwar nicht mit Lob
und Dank, "trotz" der Niederlage, aber sie machten auch
"Enttäuschung", "Niedergeschlagenheit" und "Trauer" aus -
26
bevor sich die Mannschaft den dritten Platz holte und von
Millionen auf den Straßen gefeiert wurde. Zugleich forderten
die, die ihn unlängst noch verteufelt hatten, "alle kämpfen
um Klinsi". Und die "Tifosi"? Erinnern Sie sich, wie sie nach
dem 4:1 zur Übermannschaft hoch- und, nur wenige
Wochen später, niedergeschrieben wurden, weil die Manipulationen der Clubs in ihrer Heimat bekannt wurden und die
Köpfe der Spieler deshalb nicht frei seien für den Turniersieg
in Deutschland? Am Ende wurde Italien dennoch Weltmeister, ausgerechnet Italien.
Wir müssen uns erinnern, weil die, die die veröffentlichte
Meinung machen und die öffentliche Meinung bestimmen,
sich immer seltener erinnern, immer weniger erinnern wollen.
Viel lieber treiben sie jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf,
als ihr "dummes Geschwätz von gestern" zu erklären oder gar
sich zu entschuldigen. Soviel Opportunismus darf nicht sein.
Es muss Nachhaltigkeit geben, auch wo Journalisten auf
Quote und Auflage schauen, um ihr Publikum buhlen müssen,
das seinerseits nach immer neuen Schlagzeilen giert, "immer
schneller, immer greller, immer lauter, immer geiler".
Was denn gilt nun? Was sollen Leser, Hörer, Seher glauben?
Wie kann ein "Rumpel-Fußballer" über Nacht "begeisternden"
Fußball spielen? Wie ein "unprofessioneller" Trainer seine
schmerzhafte Reformen und Steuererhöhungen auf den
Weg bringen konnte.
Mittlerweile ist die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen
Land eine schöne, nachvibrierende Erinnerung. Der mediale
Overkill ist vorbei. Knappere Sportteile sind wieder an die
Stelle der ausladenden, ambitionierten WM-Beilagen getreten. Das Fernsehen richtet den Fokus auch auf die Weltreiterspiele in Aachen und die Hockey-Weltmeisterschaft in
Mönchengladbach. Berlin und Hamburg träumen mit Verweis auf die WM von Olympischen Spielen. Die Bundesliga
zieht wieder die Aufmerksamkeit auf sich. Die Nationalmannschaft rüstet für neue Kraftproben.
Die WM setzte einen leichten Impuls für die Wirtschaft,
nicht nur durch den Verkauf von Fahnen und sonstigen
Devotionalien und den Strömen von Bier und sonstigen
Getränken, die den Durst der Fans löschten. Ein Wirtschaftswunder blieb aus, aber, so sagen Experten, das Konsumklima
Meinung?
Mannschaft zum dritten Platz in der Welt führen? Wie eine
Truppe, deren Köpfe "nicht frei" sind, Weltmeister werden?
Was also ist los mit der veröffentlichten Meinung? Sind Schreiberlinge und Sendungsmacher womöglich gar nicht die Experten, die mehr wissen als wir alle am Stammtisch? Oder haben
sie das Gespür verloren für das, was um sie herum vorgeht?
Oder sind sie selbst Teil des Systems geworden und wollen,
statt aus der Distanz zu berichten, selbst Einfluss nehmen?
Oder basteln sie sich am Ende gar ihre eigene "fiktionale
Wirklichkeit", an der sie selbst dann wiederum die tatsächliche
Wirklichkeit messen? Nach dem Motto: Ob die Deutschen
"Rumpel-Fußballer" sind, Klinsmann nach Deutschland gehört
oder Italien bei der Weltmeisterschaft an seinen Skandalen
scheitert, wir wissen zwar auch nicht mehr als Sie, aber wir
sagen es schon einmal voraus, und wenn die Wirklichkeit sich
daran nicht hält, ist sie selbst schuld, und wir vergessen es?
Gerhard Schröder und Otto Schily haben vor einem Jahr,
nachdem sie die Bundestagswahl verloren hatten, öffentlich
die Frage gestellt, ob in unserer Zeit etwa "die Medien der
Souverän" im Land seien. Sie kannten die Antwort, die Frage
war nur rhetorisch gemeint. Dennoch könnte sie die Journalisten einholen, und kein Verweis wird sie dann retten, dass
sie beim Bau ihrer Scheinwelt auf willige Helfer getroffen
hellte sich auf, und "Made in Germany" wurde langfristig als
Marke gestärkt. Erstmals konnte ein sichtbarer Rückgang
der Arbeitslosigkeit verkündet werden. Derweil macht die
Allianz 7.500 Stellen platt. Und die Große Koalition zerreibt
sich im Kleinklein parteipolitischer Scharmützel. Alltag im
WM-Land.
Jürgen Klinsmann, der sich zum Leidwesen der meisten
Deutschen endgültig zu seiner Familie in sein kalifornisches
Domizil zurückzog, wird mit seinem Namen dauerhaft für
einen stürmischen Aufbruch im deutschen Fußball stehen,
und hoffentlich darüber hinaus. Joachim Löw führt nun den
Marsch durch die Ebene an. Ein Mann, der von Klinsmann
inspiriert ist. Kann er auch der große Inspirator sein? Die
WM 2006 wird ihn als Maßstab begleiten, auf dem Weg zur
EM 2008 in Österreich und der Schweiz und zur WM 2010
in Südafrika. Nun muss die Devise gelten: nicht zurückblicken, sondern in die Zukunft schauen und weiter mutig
OF
nach vorne spielen.
Günther von Lojewski
seien, "Experten" wie Wahlforscher, Fußballtrainer oder jene
Promis selbst, die die Medien erst für ihre eigenen Interessen
zu instrumentalisieren versuchen und dann in der Öffentlichkeit für die Folgen anklagen. Wer im Bemühen, schneller und
geiler zu sein als die Konkurrenz, am liebsten nur vorab
berichtet, was er selbst erwartet, um danach, was tatsächlich
geschieht, wiederum nur an der eigenen Erwartung zu messen, der verstößt gegen eherne Gesetze der journalistischen
Zunft, gegen die Wahrheit und die Verpflichtung auf Unparteilichkeit und Sorgfalt in einem. Dem glaubt am Ende kein
Publikum mehr, und wenn es nicht mehr glaubt, dann kauft
es langfristig das Produkt nicht mehr. Und nimmt konsequenterweise den, der nicht mehr Reporter des Geschehens ist,
sondern selber Akteur, auch in die Verantwortung für die
Folgen seines Tuns. Dafür ist das Grundrecht der Freiheit von
Information und Meinung nicht gedacht.
Zuletzt hat Jürgen Klinsmann den Bettel hingeschmissen.
Auch wenn er es nicht ausgesprochen hat, haben ihn gewiss
auch seine Erfahrungen mit der veröffentlichten Meinung in
Deutschland geleitet. Die Zunft, hat Gerhard Schröder noch
gesagt, "muss aufpassen". Sie machte es sich in der Tat zu
einfach, wenn sie dies nur empört als Nötigung von sich
wiese und nicht selbstkritisch die Entwicklung ihres Berufes
OF
korrigierte.
27
M
"
ir ist nicht bange, dass Deutschland nicht eins
werde", sagte J.W. Goethe vor gut 200 Jahren der große Olympier hätte, sportlicher Weltbürger,
der er stets war, seine helle Freude am fröhlichen Treiben
seiner Landsleute im Frühsommer 2006 gehabt. Mit anderen
Worten Goethes: "Weißt Du, worin der Spaß des Lebens
liegt ? Sei lustig -geht es nicht, so sei vergnügt!" Sehr
lustig-vergnügt waren die Deutschen gemeinsam mit ihren
höchst willkommenen Gästen aus allen Kontinenten, einen
großartigen Monat lang. Deutschland und die WM: das war
weitaus mehr als Fußball.
Mit der immens medienwirksamen Megaveranstaltung - die
weltweit Fernsehrekorde brach - hat das ganze Land an
Im fabelhaften Olympischen Dorf, in den nahen, miteinander verbundenen Stadien, der am Wasser gelegenen "Spielstraße" entstand ein epochemachendes Gesamtkunstwerk,
mit einer davor nicht gekannten heiteren, gelassen-Iockeren, kosmopolitischen Stimmung - die in den Deutschen
geschlummert hatte und nun geweckt worden war. Man
hätte sie nur zu gerne um Jahre verlängern wollen - ehe am
5. September das grauenvolle Attentat auf israelische Olympioniken einen jähen Einschnitt in die eben noch freudige,
fröhliche, friedliche olympische Welt auslöste. Die zehn Tage
lang herrlich beschwingte Insel der Seligen geriet plötzlich
in einen Schockzustand, dem IOC-Präsident Brundage
pragmatisch begegnete: "The Games must go on!" Damit
war diesen (und etwaigen künftigen) Terroristen das eindeutige Zeichen gesetzt worden, dass die Olympische
Idee weiterleben wird, was immer geschieht.
Mochte das Olympische Feuer in München auch
weiter lodern, die wunderbare Leuchtkraft dieser
zuvor einzigartigen Sommerspiele war gleichwohl
erloschen.
Deutsche feiern
Sport-Feste
weltmeisterlich
Von Michael Burau
Ansehen gewonnen, über den Sport hinaus. In wenigen
Wochen verpassten sich die Menschen in diesem Land ein
neues, positiveres Image.
Als eine Art "Vorläufer" bewirkten die glanzvollen Olympischen Sommerspiele 1972 in München einen ähnlich positiven Effekt auf das Ausland. Der damalige Chef-Organisator,
NOK-Präsident Willi Daume, setzte mit den berühmten "heiteren Spielen" seine Vision sehr erfolgreich um, ein besseres,
neues Bild von Deutschland und seinen (erwiesen sportfreundlichen) Menschen nach außen zu schaffen. Das olympische Zeltdach sowie die leichten Farben bildeten einen äußeren Rahmen sui generis für großen Sport mit rund 7.900
Aktiven aus 123 Ländern. Die Medien bemühten sich eifrig es gab damals gerade mal zwei deutsche Fernsehsender...
28
Die allseits bekannten hervorragenden deutschen
Organisatoren wurden, erst recht seit München
1972, vermehrt mit der Austragung bedeutender
Sportveranstaltungen betraut. Das Organisationskomitee unter der Leitung von Willi Daume hatte
Maßstäbe gesetzt. Die folgende Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in deutschen Landen war
logistisch höchst effektiv, konnte allerdings von
der Grundstimmung her trotz des Gewinns des
WM-Titels das olympische Flair nicht erreichen.
Von den 38 WM-Spielen waren nur 15 ausverkauft, insgesamt konnten lediglich knapp 70
Prozent der Tickets abgesetzt werden - an einigen
Spielorten schien die WM bestenfalls nicht weiter
gestört zu haben. Das hat sich gut drei Jahrzehnte später grundlegend geändert.
Die olympische Kernsportart Leichtathletik ist mit
ihren wichtigsten Veranstaltungen stets bestens in Deutschland aufgehoben gewesen. Europapokal-Finals sowie der
erste Weltpokal 1977 in Düsseldorf, einst als Vorläufer für
die Weltmeisterschaften 1983 gedacht, erfreuten sich über
Erwarten großen Zuspruchs bei Athleten wie Zuschauern.
Die Europameisterschaften 1986 in Stuttgart waren nicht
gerade von gutem Wetter begünstigt, das schwäbische
Publikum ließ sich davon jedoch nicht abhalten, Mexikos "La
Ola" auch bei der Leichtathletik einzuführen. Das
gastfreundliche, objektive Verhalten brachte zudem den
Fair-Play-Preis 1986. Der Internationale LeichtathletikVerband erinnerte sich gerne an diese EM und vergab seine
Weltmeisterschaften 1993 nach Stuttgart: ein in jeder
Beziehung voller Erfolg! Im täglich ausverkauften Stadion
wurde eine grandiose Woche der Leichtathletik gefeiert.
"Alle Mitwirkenden... sind mit Beifall gefördert worden und
haben ihn zurückgegeben. Nie zuvor war der Applaus von
Athleten für ihr Publikum so groß", schrieb die F.A.Z. in
ihrem Kommentar über die WM. "Die Weltmeisterschaften
haben Bilder von gastfreundlichen Deutschen in aller Welt
verbreitet", klang das Fazit über den Sport hinaus ähnlich
wie nach der WM 2006. Im Gegensatz zur durchweg sonnigen WM 1993 herrschte bei den Leichtathletik-Europameisterschaften 2002 in München oft Regenwetter, dennoch
kamen in der Wettkampfwoche über 300.000 Besucher ins
Olympiastadion mit Volksfeststimmung wie bei den Marathons in der Stadt mit Zehntausenden Zuschauern.
Berlin begeistert jedes Jahr ein Massenpublikum mit seinem
traditionellen
Marathon sowie
dem berühmten
Istaf, das zum
Jahresabschluss
die besten
Leichtathleten
der Welt vereint,
vor rund 60.000
Zuschauern, die
das Beste daraus
machen, dass
immer weniger
Deutsche der
Weltklasse angehören: sie feiern
Spitzenleistungen
der ausländischen Athleten.
Der Wintersport
erfreut sich in
Deutschland immer größerer Beliebtheit: man ist häufig
selbst aktiv, begibt sich aber auch mit wachsender Begeisterung zu großen Veranstaltungen. Die Nordischen SkiWeltmeisterschaften 1987 und 2005 in Oberstdorf erreichten mit enormer Resonanz und großartiger Atmosphäre
geradezu norwegische Dimensionen, obwohl nicht immer
deutsche Teilnehmer an der Vergabe der Medaillen direkt
beteiligt waren. "Die Besucher der Wettkämpfe waren
Teilhaber der Weltmeisterschaft, die zu dem großen Erlebnis beitrugen", schrieb FAZ-Sportchef Steffen Haffner zum
23.2.1987. Sein Nachfolger Jörg Hahn per 28.2.2005:
"Oberstdorf hat ein besonderes Skifest erlebt - nicht nur
tagsüber an den Wettkampfstätten, sondern beinahe rund
um die Uhr in der ganzen Gemeinde." Der Ort habe den
Ehrentitel "Holmenkollen der Alpen" wirklich verdient. Im
Mai dieses Jahres erhielt Garmisch-Partenkirchen im sechsten Anlauf den Zuschlag für die Austragung der alpinen
Ski-Weltmeisterschaften 2011, zur besonderen (Vor)Freude
von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther. Das nächste große Skifest!
Neue Maßstäbe setzten auch die Biathlon-Weltmeisterschaften 2004 in Oberhof, wo insgesamt über 200.000
Zuschauer die Protagonisten der populären Sportart bejubelten. Die Eiskunstlauf-WM 2004 in Dortmund brachte
weit mehr als zwei Mal Bronze für Deutsche.
Deutsche Sportbegeisterung brach sich anno 2005 außerdem bei der spektakulären Beach-Volleyball-WM mitten in
Berlin Bahn, natürlich auch beim traditionellen Deutschen
Turnfest dortselbst, mit noch mehr Zuschauern als rund
100.000 Aktiven. Der Con-Fed-Cup gab einen
Vorgeschmack auf die große WM. Die Tour de France
machte Station in Karlsruhe und im Schwarzwald, mit
Hunderttausenden an den Straßen, weit mehr als in Frankreich selbst! Im Frühjahr 2006 begeisterten bei der Mannschafts-WM im Tischtennis Timo Boll und Co. mit Bronze,
die Asiaten in einem hochklassigen Finale (China, Korea).
Großer Sport wird im Spätsommer im Westen der Republik
geboten und für ausverkaufte Stadien sorgen: die Weltreiterspiele in Aachen, einer Traditionsstätte für Ross und
Reiter, sowie die Hockey-WM in Mönchengladbach, in ganz
moderner Arena.
Am Beginn des nächsten Jahres steht in Deutschland die
nächste große Weltmeisterschaft an: Handball an zwölf
Spielorten vom 19.1. bis 4.2. - Auftakt in Berlin, Finale in
Köln, vor 19.000 Zuschauern. Die Kanu-WM 2007 in Duisburg verspricht ebenfalls Erfolge, in jeder Beziehung.
OF
Begeistertes Publikum inklusive.
29
Zwischen Design
Bewegende Spurensuche nach
ei den erfolgreichen Länderspielen gegen Schweden und
Irland, den vielbesuchten Weltreiterspielen in Aachen,
demnächst bei der Hockey- und dann 2007 der Handball- und Turnweltmeisterschaft kennt die sportliche Kulisse nur
drei Farben: Schwarz-Rot-Gold. Sie erinnert an einen unvergesslichen Sommer, bei dem fröhliche, weltoffene Menschen nicht nur Deutsche - diesen Farbdreiklang auf Fahnen schwenkten, er in Gesichtszügen strahlte, Ober- wie Unterbekleidung
bedruckte, Autos kennzeichnete oder aus Fenstern und von
Balkonen flatterte. Die Farben der deutschen Nationalfahne
(übrigens auch die der belgischen) wurden und bleiben Symbol
für eine bewegende Fröhlichkeit, für eine Freund-reichere Welt,
für die der Sport ganz offensichtlich eine einladende Plattform
bilden kann.
B
Die anfangs im Ausland und von einigen unbeweglichen
Gewerkschaftlern formulierte historische Befürchtung, hier
dränge leidvolles nationales Vormachtstreben und selbstgefälliges "Deutschland über alles" ins Bewußtsein, wurde durch die
grenzenlose Fröhlichkeit der Akteure zur Belanglosigkeit. Die sportbegeisterten Fans feierten unbekümmert sich und das Jetzt. Das spontane, weitgehend
selbstorganisierte Deutschland-Design geriet in jener
Presse, die Bildung durch Bilder und Schlagzeilen
ersetzen will, zum "Schwarz-Rot-Geil", die Konsumgüterindustrie will die Verkaufsförderung für das
Weihnachtsgeschäft in eben diesen Farben promoten.
bewusste Empfindungen und Orientierungen sucht, stößt auf
merkwürdige Spuren.
Die deutschen Farben entstehen als Kleidungskennzeichen bei
den Befreiungskriegen in Lützows Freikorps 1813, werden
erstmals beim Treffen demokratischer Burschenschaftler auf der
Wartburg gezeigt, prägen das Bild des Hambacher Festes,
werden von demokratischen Republikanern im Vormärz 1833
und 1848 auf den Barrikaden hochgehalten, stehen für die erste
Nationalversammlung in der Paulskirche, werden zur Nationalflagge der ersten deutschen Demokratie in der Weimarer Republik und prägen das Bild beim Mauerfall 1989.
Es ist eine Fahne, die im Gegensatz zum Schwarz-Weiß-Rot
Preußens und des Kaiserreichs oder der Hakenkreuzfahne stets
für Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit gestanden hat. Sie ist in
Deutschland von der Reaktion immer wieder heftig bekämpft
und verboten worden, nicht wenige ihrer Träger haben für ihre
Prinzipien mit dem Leben bezahlt. Bis heute wohlbekannte
Ist also Schwarz-Rot-Gold nur die Farbe einer Saison, wird es bei neuen Erfolgen von Michael Schumacher im nächsten Jahr vielleicht Ferrari-Rot? Wer
in kollektiven Manifestationen nicht nur Beliebigkeit
und oberflächlich-kurzweiligen Schein sieht, sondern
Zusammenhänge mit historischen Artefakten und
durch sie ausgelöste, zunächst vielleicht nicht
Frankfurter Paulskirche 1848
30
und Bewusstsein
Schwarz-Rot-Gold
Dichter, Wissenschaftler und Politiker haben sich zu ihr bekannt.
Wenn heute Menschen ohne Ansehen von Religion, Rasse,
Einkunft und Geschlecht unbeschwert miteinander feiern können, dann haben die Vorläufer unter der schwarz-rot-goldenen
Fahne dazu beigetragen. Und die fröhlich-sportlichen Fähnchenschwenker von heute haben keinerlei Anlass, sich für ihre Farben
zu rechtfertigen. Im Gegenteil: Ein demokratisches Selbstbewusstsein ist hinter allem farbigen Design durchaus angebracht.
Das auch deshalb, weil der heutige Sport nicht nur Nutznießer
demokratischer Vorfahren ist. Turnen, Sport und Spiel waren
wichtige Akteure in dem historischen Prozess unserer Nationalfahne. Der Initiator von Schwarz-Rot-Gold war offensichtlich
Friedrich Ludwig Jahn - ja, der Turnvater, der sich selbst wohl
eher als Turnbruder gesehen hat und zeitweilig Bataillonskommandeur bei Lützows Jägern war. Sein engster Freund Friesen
war Adjudant von Lützow; noch heute werden nach ihnen
Wettkämpfe bei den inzwischen internationalen Deutschen
Turnfesten benannt. Noch als Vizepräsident der Nationalver-
Von Hans-Jürgen Schulke
sammlung 1849 hat Jahn - nicht ohne Eitelkeit - auf seinen
Anteil an der Farbfindung verwiesen und für sie als Nationalflagge plädiert.
Auf dem von Jahn initiierten und durch das gemeinsame Turnen von Schülern und Studenten auf den Turnplätzen vorbereitete Burschenschaftlertreffen 1816 auf der Wartburg waren es
insbesondere Turner, die sich mit diesen Farben schmückten. In
der Metternichschen Restaurationszeit, die vielen Demokraten und demzufolge auch Turnern wie Jahn - Verfolgung, Haft,
Verbannung und Flucht brachten, waren diese Farben zwangsläufig verboten. Beim Hambacher Fest waren es insbesondere
viele Turnvereine, die die neue Fahne mit sich trugen. Die
Farben finden sich seit dem in vielen Vereinsfahnen. Badische
Turner trugen sie an vorderster Front bei den blutigen Kämpfen
um den Erhalt der demokratischen Verfassung 1849. Noch 1880
beschloss die Deutsche Turnerschaft - abweichend von den
herrschenden Reichsfarben - Schwarz-Rot-Gold als Nationalflagge zu vertreten.
Es hat Erinnerung verdient, dass seit diesen Zeiten und bis
heute die Vereine ein einzigartiges demokratisches Netzwerk in
unserer Gesellschaft bilden: Hier kann Jeder und Jede ohne
Ansehen der Person Mitglied werden, hat jedes Mitglied bei
Entscheidungen eine Stimme und wird Macht nur auf Zeit und
kontrolliert vergeben. In einem solchen Gefüge kann vertautes
Du entstehen, darf turnerische Brüderlichkeit und sportliche
Freundschaft nachhaltig erwachsen. Und vielleicht ist es auch
der Erinnerung wert, dass die während der Demokratenverfolgung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen
Turn- und Sängerfeste oft die einzige Möglichkeit zum ungehemmten politischen Meinungs- und Erfahrungsaustausch
bildeten. Bei aller unendlichen Leichtigkeit des Bewegtseins bei
den derzeitigen Sportfesten gilt über das Hier und Jetzt hinaus
die Vergewisserung: Wer nichts hinter sich hat, hat auch nichts
OF
vor sich.
31
D
ie südafrikanische Fußball-Mannschaft konnte sich
nicht für die WM 2006 in Deutschland qualifizieren.
Für die WM 2010 im eigenen Land ist sie als Gastgeber hingegen "gesetzt". Dies allein führt zu großen Hoffnungen in einem Land, indem für über 90% der Bevölkerung dies entspricht dem Anteil der Nicht-Weißen - Fußball mit
großem Abstand der Sport Nummer Eins ist.
Spielerische und technische Fortschritte für die eigene Mannschaft sind nur eine der Hoffnungen. Die besten
Spieler der Welt nun live erleben zu können, ist
sicherlich von ähnlicher Wichtigkeit. Deren Länderund Clubspiele werden von den Südafrikanern am
Fernsehen begierig verfolgt, so dass ihre Namen
nicht nur von jungen Fans mühelos heruntergerasselt werden können.
Bei den Führungspersonen bestehen zudem große
Hoffnungen auf zusätzliche politische Anerkennung und ein weltweit verbessertes Image. Die
Hoffnung auf erhebliche wirtschaftliche Vorteile ist
allerdings sowohl bei den Fans als auch bei den
Entscheidungsträgern im Schwinden begriffen.
Kurz nach dem Zuschlag der WM wurden Berechnungen gefertigt, nach denen über 230.000 internationale Touristen für jeweils zwei Wochen nach
Südafrika zu Besuch kommen würden. 160.000
Jobs sollten geschaffen werden. Dies hätte insbesondere für die nicht-weiße Bevölkerung, bei der
die Arbeitslosigkeit über 50% beträgt, Einkommensquellen gebracht.
chen werden können. Die Kapstädter Zeitung "Weekend
Argus" fasst bereits auf Grund dieser Verträge zusammen:
"Nach dem Vertrag scheint es, dass die potenziellen wirtschaftlichen Nutzen nicht den Ausrichtungsstädten zugute
kommen und dass das lokale Business nicht profitieren wird."
Die (Finanz-)Probleme mit den Stadienbauten sind hierbei
noch nicht einmal berücksichtigt. Aus der Bauindustrie vernommen wird, dass sie an der WM nicht besonders interes-
Nach der WM
ist vor der WM
Hoffnungen auf Erfolg in
Sport und Wirtschaft auch
für Südafrika 2010
Inzwischen wird den Südafrikanern jedoch klar,
dass mit der Organisation der WM nur bedingt
Geld zu verdienen ist. Die "Host-City"-Verträge mit
der FIFA, welche den deutschen Host-City-Verträgen ähnlich sind und auch dort für Verstimmung
gesorgt haben, sind voller Haken: Werbung im
Umkreis von einem Kilometer um das Stadion und
an allen wichtigen Zufahrtsstraßen ist nur für
FIFA-bestätigte Unternehmen zulässig - und die Erlöse gehen
an die FIFA. Die Städte haben (umzäunte) Fan-Parks einzurichten, in denen die gleichen Werbebedingungen gelten.
Dort und in den Stadien darf nur Budweiser, der offizielle
FIFA-Partner, Bier verkaufen. Sonder-Fahrspuren für die
Mannschaften und die Offiziellen, Büroräume mit unbegrenzten Telefon-, Internet- und sonstigem Kommunikationsequipment sowie Verpflegung sind kostenfrei für die FIFA einzurichten. Von besonderer Problematik im dynamischen Südafrika sind jedoch zwei weitere Bedingungen: Während der
gesamten Dauer der Wettkämpfe sind in den Städten keine
Baumaßnahmen zulässig. Und: Die Städte haben Ersatzkapazitäten für die Stromerzeugung bereitzustellen, mit denen (in
Südafrika nicht ungewöhnliche) Kapazitätsengpässe ausgegli-
Von Wolfgang Maennig
32
siert sei. Angesichts einer Wachstumsrate des südafrikanischen Bruttoinlandsproduktes von über fünf Prozent und
einer Vollauslastung der Produktionskapazitäten könnte sie
die Stadien nur bauen, wenn sie auf andere Projekte verzichtet. Zusätzliche Einkommens- und Beschäftigungseffekte im
südafrikanischen Baugewerbe kann es so kaum geben.
Dabei sind die notwendigen Investitionen deutlich umfangreicher als zunächst gedacht. Entgegen der erfolgreichen
Bewerbungsunterlagen hat man sich inzwischen entschlossen, nicht einfach zehn Stadien zu modernisieren, sondern
fünf neue zu bauen und fünf zu modernisieren. Hintergrund
ist, dass ein Teil der Stadien, die modernisiert werden sollten,
"weißen" Rugby-Clubs gehören. Die "schwarze" ANC-Staats-
regierung verspürt jedoch nur wenig Neigung, öffentliche
Gelder für solche Stadien zu investieren. Die Gelder sollen
lieber für eine nachhaltige Verbesserung für den schwarzen
Fußballsport eingesetzt werden.
Hierzu ist wichtig zu wissen, dass Rugby und Cricket mit
Abstand die beliebtesten Sportarten der Weißen sind. Fußball
interessiert die Weißen hingegen kaum. Der Verfasser hat ein
ausverkauftes Pokal-Viertelfinalspiel mit rund 15.000
Zuschauern in Kapstadt besucht. Er und Begleitung schienen
die beiden einzigen Weißen zu sein.
Mit den Zuschauerzahlen ist ein weiteres Problem angesprochen: Die neuen und modernisierten Stadien müssen nach
FIFA-Richtlinien mit Kapazitäten von rund 40.000 und mehr
Zuschauern ausgestattet werden. Für derartig große Fußballstadien wird die Nutzung nach der WM jedoch schwierig. Zu
normalen Erstliga-Spielen kommen in der Regel kaum mehr
als 5.000 Zuschauer. Dies liegt zum Einen daran, dass die
Ligamannschaften nur bedingt hochklassigen Sport bieten.
Die besten Südafrikaner spielen in europäischen Ligen. Zum
Anderen sind die Eintrittspreise vielen Schwarzen zu hoch.
Zwar kosten die Spiele meistens um die zwanzig Rand (rund
2,7 Euro), aber der staatliche Mindestlohn beträgt zurzeit
noch weniger als tausend Rand (135 Euro). Und die Arbeitslosen haben noch nicht einmal dieses Einkommen.
Mag die Nachnutzung der Stadien bereits problematisch sein
- die Kostenbelastung ist es allemal. Die zehn modernisierten
Stadien sollten zunächst umgerechnet nur rund 245 Mio.
Euro kosten. Für die Verkehrsinfrastruktur wurden 68 Mio.
Euro veranschlagt. Angesichts der deutschen Erfahrungen mit
der WM 2006
erschienen die
geplanten Investitionen von
Anfang verblüffend gering. Die
12 deutschen
modernisierten
bzw. neu gebauten Stadien kosteten 1,4 Mrd. Euro.
Für die Verkehrsinfrastruktur
stellte das Bundesministerium
des Innern 2004
in seinem dritten
Fortschrittsbericht
zur WM fest, dass
allein in Ausbauund Erweiterungsmaßnahmen
für das Bundesfernstraßennetz
etwa 3,4 Mrd.
Euro investiert
wurden. Hinzu
kamen inzwischen
weitere Ausbauund Erweiterungsmaßnahmen, auch im Schienenverkehr. Unter Einschluss dieser weiteren Maßnahmen ergeben sich insgesamt rund 7 Mrd. Euro.
Allerdings sind in dieser Summe beispielsweise auch der
Neubau des Berliner Hauptbahnhofes und der Bau der vierten Hamburger Elbtunnelröhre beinhaltet, die bereits lange
vor dem Zuschlages für die WM 2006 geplant und in Angriff
genommen wurden. Unter Herausrechnung derartiger Projekte verbleiben nach einer Studie der Universität Hamburg rund
1,6 Mrd. Euro bundesdeutsche Kosten für die WM-bedingte
Verkehrsinfrastruktur. Die Infrastrukturmaßnahmen waren
also teurer als die Stadionbauten.
Kostenerhöhungen für Stadien und Infrastruktur in Südafrika
waren zu erwarten - allerdings zeigen sich die südafrikani-
33
schen Behörden angesichts der bislang erfolgten Anpassungen ziemlich geschockt. Das neue Stadion in Port Elisabeth
soll fast 100 Mio. Euro kosten, Durban soll mehr als doppelt
so teuer werden und für den Neubau in Kapstadt belaufen
sich die Schätzungen auf 160 bis 200 Mio. Euro. Die drei
Stadien, für welche die Wettbewerbe übrigens allesamt von
den Berlin/Hamburger Architekten Gerkan, Marg und Partner
gewonnen wurden, kosten somit bereits mehr, als für alle 10
Stadien geplant war. So hat die südafrikanische Regierung
inzwischen erklärt, dass sie mehr als 560 Mio. Euro veranschlagt hat. Eine langfristige (Re-)Finanzierung über Eintrittspreise ist ausgeschlossen. Und die Schätzungen für die Infrastruktur wurden auf 1,6 Mrd. Euro erhöht.
Wenngleich diese Kostenschätzungen nun mit den deutschen
Erfahrungswerten Ähnlichkeit erhalten, muss angemerkt
werden, dass die Stadien bislang allenfalls nur im Planungsstadium sind. Die weltweiten Erfahrungen mit öffentlichen
Baumaßnahmen zeigen, dass in der Bauphase weitere Kostensteigerungen auftreten können. Für Kapstadt beziehen
sich die Kostenplanungen übrigens auf den Standort Green
Point an der Waterfront. Dieser Standort inmitten exklusiver
"weißer" Lagen wurde von der früheren ANC-Stadtregierung
festgelegt. Die jetzige Kapstädter Stadtregierung unter Bürgermeisterin Zille (übrigens Nachfahrin des gleichnamigen
Berliner Künstlers) hatte, mit dem Argument, dass die Finanzierung nicht gesichert sei, alle Planungsaufträge auf Eis
34
gelegt. Sie wurde hierfür von Politikern aus den übergeordneten Gebietskörperschaften kritisiert, da die Zeit bis zur - der
FIFA versprochenen - Fertigstellung 2008 ohnehin kaum
erreichbar ist. Die Finanzierung über die Zentralregierung
wurde ihr zugesichert.
Konsequenter Weise gehen die Überlegungen teilweise nun
auch - durchaus mit Wohlwollen der FIFA - in die Richtung,
statt der fünf Neubauten doch lieber alte Stadien zu modernisieren. Allerdings geht dabei die Idee verloren, dass die
südafrikanischen Neubauten "ikonische" Bauten werden
sollten. Vorbilder für solche "ikonischen" Bauten hätten das
Opernhaus in Sydney und die Guggenheim-Museen in Bilbao
und New York sein können, mit denen Touristen magisch
angezogen werden. Von den deutschen Stadien weist die
Münchener Allianz-Arena eine vergleichbare architektonische
Innovationskraft auf. Allerdings fehlt ihr eine wesentliche
Eigenschaft anderer ikonischer Bauten: eine zentrale Lage.
Kapstadt mit dem exponierten Standort Greenpoint neben
der Waterfront, sowie Port Elisabeth und Durban mit den
vorgesehenen Flächen direkt an Hafen, Strand und Stadtzentrum können hingegen solche Lagen bieten. Es ist den Südafrikanern zu wünschen, dass sie ihre mutigen, nicht risikolosen Pläne jedenfalls teilweise realisieren können - und dass
ihre Hoffnungen auf zumindest langfristig positive wirtOF
schaftliche Wirkungen der WM 2010 tragen werden.
I
n Botsuana, Namibia, Vietnam und Georgien waren im
Juli und August 2006 wieder deutsche Sportexperten im
Einsatz. Ihre Maßnahmen zielten auf die Didaktik und
Methodik der Sportarten Fußball, Tischtennis, Leichtathletik
und Handball. Doch der "heimliche Lehrplan" führte wie
immer weit über diese Themen hinaus. Wenn der deutsche
Sport Trainer und Betreuer in die Dritte Welt schickt, dann
geht es seit mehr als vierzig Jahren nicht nur um Elfmeter
oder Eckball, Staffelholz, Tischtennisplatte oder
Tornetz, sondern meist auch um die Förderung von
Demokratie, Frieden und Stabilität, um sozialen
Zusammenhalt, die Emanzipation von Mädchen
und Frauen oder um Hilfe für kriegs- und katastrophengeschädigte Kinder und Jugendliche.
"Beeindruckt hat uns immer, wie entschlossen und
unerschrocken Sie auch in Krisengebieten im
Einsatz waren; insbesondere in Afghanistan, wo Sie
nach dem Ende des Taliban-Regimes Unterstützung geleistet haben", wurde Holger Obermann
kürzlich an prominenter Stelle von DOSB-Mitglied
Klaus Steinbach für seine Verdienste geehrt. In
diesem Jahr wird Obermann 70 Jahre alt. Die
sportliche Entwicklungshilfe hat ihm langfristig
mehr gegeben als seine Tätigkeit als ARD-Sportschau-Moderator. Ob man seinem Vorhaben, nun
kürzer treten zu wollen, Glauben schenken darf,
bleibt abzuwarten. Auch Rudi Gutendorf oder Otto
Pfister sind als Pioniere des Sports in der Dritten
Welt noch in höherem Alter beseelt von ihrer
Aufgabe, die sie als Berufung empfinden. Einen
besonderen Stellenwert in der Ahnengalerie nimmt
Bernd Trautmann ein. Den älteren Lesern und
Fußballfreunden ist bekannt, wie ihm nach Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft der Sprung in die
Mannschaft von Manchester City gelungen war,
für die er im englischen Pokalfinale 1956 trotz
gebrochenen Halswirbels mit großartigen Paraden
zur Legende wurde. Nur wenige wissen, dass Bernd
Trautmann als Botschafter des deutschen Sports
und im Auftrag der Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit (GTZ) in Ländern wie Malta,
Jemen, Pakistan, Liberia, Tansania oder Burma tätig war.
ten, gemeinsamen Festen, von Riten, Kulten und Tänzen,
großartigen Naturerlebnissen und von internationaler Solidarität. Sehr eindrucksvoll stimmen die Erfahrungsberichte mit
offiziellen Aussagen und Annahmen zum integrativen und
erzieherischen Wert des Sports überein.
Es überrascht nicht, wie einmütig Vertreter des Deutschen
Olympischen Sportbundes, der im Deutschen Bundestag
Für Demokratie,
Frieden und
Stabilität
Deutsche Sportexperten
leisten seit vierzig Jahren
weltweit Entwicklungshilfe
Von Stefan Volknant
Zahlreiche Qualifikationen, Platzierungen und Titel bei Kontinentalmeisterschaften, Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen gehen auf die Arbeit deutscher Sport-Experten
zurück. Die Geschichten und Anekdoten, die sie zu erzählen
wissen, weisen weit über den Sport hinaus. Da ist von
Jugendzentren im Himalaya die Rede, von Minenfeldern und
Kriegsversehrten in Kambodscha, von Bürgerkriegen in OstTimor, von Naturkatastrophen in Südostasien, von großen
Gefahren für Leib und Leben, aber auch und allenthalben von
Herzlichkeit und Dankbarkeit, von gewachsenen Freundschaf-
vertretenen Parteien und der Sportwissenschaft den Wert des
Sports in der Entwicklungszusammenarbeit würdigen, wie
wortreich dem deutschen Sport Anerkennung zuteil wird und
wie groß der Eifer anderer Industrie-Nationen geworden ist,
es ihm nach zu tun.
"Wegen seiner sozialen Kraft und seinem hohen Mobilisierungsanspruch steht der Sport für soziales Miteinander,
Teamgeist und Einsatzwillen und trägt zur Integration
benachteiligter Gruppen bei", erklärte DOSB-Vizepräsidentin
Ilse Ridder-Melchers Anfang Juli 2006 im Sportausschuss des
Deutschen Bundestages.
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Den unbestrittenen Potenzialen laufen allerdings seit Anfang
der 90er Jahre umfangreiche Mittelkürzungen diametral
entgegen. Während die Sportförderung im Rahmen der
Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes Bestand hatte, hat sich
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung zunächst mehr und mehr und zuletzt
vollständig aus dem Kreis der öffentlichen Förderer zurückgezogen. Seit dem Jahr 2005 steht dort kein Etat mehr für
sportliche Entwicklungshilfe zur Verfügung. "Das ist keine
Schelte, aber ein wichtiger Hinweis", betont Ilse Ridder
Melchers.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Holger Obermann, Klaus
Schlappner und Björn Wangemann Bedeutung und Stellenwert der sportlichen Entwicklungszusammenarbeit im Sportausschuss unterstrichen. Ihre Berichte aus Kambodscha,
Indonesien, Nepal und Afghanistan beschrieben den Sport als
Motor der Entwicklung, der mit vergleichsweise geringen
Mitteln viel erreichen und nicht zuletzt das Bild der Industrienationen in der Dritten Welt verbessern kann.
Die Summe, die das Auswärtige Amt dafür derzeit zur Verfügung stellt, beträgt im Jahr 2006 wieder etwa 2,7 Millionen
Euro. Davon profitieren vier Langzeitsportprojekte in Nepal,
36
China, Uruguay und Afghanistan sowie ca. 30 Kurzzeitmaßnahmen in etwa ebenso vielen Ländern Afrikas, Asiens,
Lateinamerikas und Osteuropas. Darüber hinaus werden
Trainerinnen und Trainer aus der Dritten Welt in Leipzig,
Mainz und Bad Hennef ausgebildet. Aus einem Sondertopf
des Bundesministeriums des Innern konnten im UN-Jahr des
Sports und der Leibeserziehung 2005 zusätzliche Maßnahmen
durchgeführt werden. Sie zielten auf den Wiederaufbau von
Tsunami-Regionen in Südostasien und die Beteiligung von
afghanischen Frauen im Sport.
Trotz allem: Die Leistungen des Sports sollten nicht überschätzt werden. Sport wird nicht allein zu einer besseren Welt
führen, von ihm wird letztlich auch niemand satt, aber im
Rahmen seiner Möglichkeiten kann er sich globalen Herausforderungen und Risiken zuwenden und versuchen, ihnen zu
begegnen. Die Überwindung der Armut, der rapide Anstieg
der Weltbevölkerung, die wachsende Umweltzerstörung,
zunehmende Flüchtlings- und Wanderungsbewegungen sind
derartige Herausforderungen. Der Sport sieht sich mit ihnen
zum Teil auch sehr direkt konfrontiert. Armut, ungleiche
Verteilung und fehlende Gerechtigkeit sind es, die die Bereitschaft zu Rassismus, Gewalt und Auseinandersetzungen in
Stadien wachsen lassen, zum raschen Wechsel von Staatsan-
gehörigkeiten führen und einen Teil unserer Welt als Teilnehmer und Veranstalter von Sportereignissen ausschließen.
Der Sport ist deshalb doppelt gefordert, zu einer Politik der
Integration und Zukunftssicherung in einer enger zusammenwachsenden Welt und im Sinne einer weltweiten Verantwortungsgemeinschaft beizutragen. Seine Projekte sind nicht
allein humanitäre Hilfe, sondern auch im Interesse der Sicherung der eigenen Zukunft zu sehen.
Bei seinen beiden Vorträgen in Deutschland hat IOC-Präsident Rogge in den Jahren 2005 und 2006 auf notwendige
Solidarleistungen hingewiesen. Sie dienen nicht allein der
Sportentwicklung und der Verbreitung der Olympischen Idee,
sondern auch der globalen Friedenssicherung, die nicht nur
auf finanzielle Transfers, sondern auf eine gemeinsame Verantwortung von Industrie- und Entwicklungsländern setzt.
Persönlichkeitsentwicklung, Nation Building, Integration,
Identifikation, Gesundheit, Chancengleichheit, Emanzipation
und Grundbedürfnisbefriedigung sind inhaltliche Bezugspunkte dieser Politik.
Lag der Schwerpunkt des IOC-Förder-Programms Olympic
Solidarity ursprünglich auf dem Training von Leistungssport-
lern und wurden dabei vorrangig olympische Sportarten
gefördert, so ist heute eine Ausweitung des Mandats unverkennbar. Nicht zuletzt auf Grund von Anregungen der
UNESCO hat das IOC in den letzten Jahren die Weichen im
Hinblick auf eine Diversifizierung seiner Förderung gestellt.
Management, Informationstechnologie, medizinische Betreuung, Umwelt, Konflikt- und Krisenintervention, Emanzipation,
Frauen sowie Erziehung stehen nun ebenfalls auf der Agenda.
Der größte Teil der dafür verwendeten IOC-Mittel resultiert
aus dem Verkauf von Fernsehrechten für die Olympischen
Spiele. Der deutsche Sport kann selbstverständlich nicht
annähernd in gleichem Maße über Vermarktungserlöse verfügen, sondern ist in diesem Punkt ganz besonders auf die
subsidiäre Unterstützung des Staates und ein Stück weit auch
auf den Idealismus von Sportexperten angewiesen. Folgt man
den Sportpolitikern, so sind Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit mehr als gerechtfertigt. Und man müsste
gewiss nicht allein auf die Pioniere zurückgreifen, um sie zu
verwirklichen. Zahlreiche gut ausgebildete deutsche Sportlehrerinnen und Sportlehrer wandeln in ihren Fußstapfen. Zu
dem einen oder anderen guten Ratschlag wären Holger
Obermann, Rudi Gutendorf und Otto Pfister aber gewiss
OF
bereit. Und wer weiß? … vielleicht auch zu mehr.
37
D
er Zerfall der ehemaligen Sowjetunion führt nach wie
vor zu einschneidenden Veränderungen in allen
Bereichen der russischen Gesellschaft. Auch heute
noch ist Russland als ein Land im Umbruch zu bezeichnen.
Die Aufweichung der zentralistischen Strukturen brachte den
Menschen auf den ersten Blick zwar mehr Rechte und Freiheiten, doch die freien Wahlen und die zunehmende Privatisierung der Wirtschaft verbesserten nicht zwangsläufig die
Lebensumstände des Großteils der russischen Bevölkerung.
Zunehmende Korruption und fehlende Erfahrung im marktwirtschaftlichen bzw. eigenverantwortlichen Handeln haben
zur Folge, dass die Schere zwischen Arm und Reich größer
wird. So zeichnet sich die russische Gesellschaft durch eine
ausgeprägte Polarisierung aus, bei der sich die armen Bevöl-
sie heute nur noch als Träger von Sportschulen im russischen
Hochleistungssport in Erscheinung. Die formal vom Staat
unabhängigen Sportorganisationen, wie das Nationale Olympische Komitee und die Sportfachverbände, erlangten zwar
faktisch Eigenständigkeit und sollten vom Staat losgelöst
agieren. Unzureichende alternative Finanzierungsmöglichkeiten, wie z. B. über Sponsoring oder Fernsehübertragungsrechte, führen allerdings dazu, dass der Staat auch weiterhin als
wichtigster Geldgeber für den Sport fungiert. Allein durch die
finanzielle Abhängigkeit ist ein deutlicher Einfluss des Staates
auf den Hochleistungssport nach wie vor gegeben. Auch ist
in den vergangenen Jahren eine zunehmende staatliche
Lenkung des Sports festzustellen, bei der die "Föderale Agentur für Körperkultur und Sport" eine bedeutende Rolle spielt.
Russland - ein Land und sein
Spitzensport im Umbruch
Von Verena Burk
kerungsgruppen weiter von der Macht entfernen und die
Wohlhabenden des Landes die politische Elite bilden. Die
dramatische Verschlechterung der Lebenssituation - bedingt
durch den Wegfall eines sicheren Einkommens und einer
sozialen Absicherung - betrifft vor allem die jüngeren und
älteren Bevölkerungsgruppen des Landes. Während bei der
großen Mehrheit der russischen Rentner eine rapide Verarmung beobachtet werden kann, ist die Situation der Kinder
und Jugendlichen durch eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, eine zunehmende Arbeitslosigkeit, vermehrten
Alkohol- und Drogenkonsum sowie eine steigende Kriminalität gekennzeichnet.
Die politischen und sozialen Veränderungen in Russland
haben auch Folgen in den Strukturen des Sports hinterlassen.
Die ehemals wichtigen Sportgemeinschaften und -vereinigungen der Gewerkschaften und der staatlichen Industriekonzerne wurden aufgelöst oder verloren weitgehend an
Bedeutung und Einfluss. Während sie früher als eine der
wichtigsten Säulen im russischen Sportsystem galten, treten
38
Die offensive Sportpolitik des amtierenden Präsidenten Wladimir Putin wird vor allem in den zahlreichen Reformen der
staatlichen Sportstrukturen deutlich, u. a. durch die Gründung des "Rates für Körperkultur und Sport" unter der direkten Führung des Präsidenten.
Als besonders bedeutsam für den russischen Sport kann das
System der Sportschulen bezeichnet werden, das sich trotz
der politischen Umwälzungen seine Rolle als Talentschmiede
für den russischen Hochleistungssport bewahren konnte. Der
Freizeit- und Breitensport hat hingegen nach wie vor keine
besondere Bedeutung in der russischen Gesellschaft, zumal
sich bis heute keine flächendeckende Sportvereinsstruktur
etablieren konnte. Das weit verzweigte Netz von aktuell rund
4.500 Sportschulen bietet somit für die meisten sportinteressierten Jugendlichen die einzige Möglichkeit zur organisierten
Sportausübung. Angesichts der teilweise sehr angespannten
finanziellen Lage in den Familien ist besonders von Bedeutung, dass das Training an den Sportschulen in der Regel
kostenfrei ist. Weitere Vorteile liegen in der sportfachlichen
Qualifikation der Trainer, in der Ausstattung mit Sportanlagen
sowie in der flächendeckenden Verbreitung über das gesamte
russische Gebiet. Auch wird die Talentsuche in enger Zusammenarbeit zwischen den Trainern an den Sportschulen und
den Lehrern an den Regelschulen durchgeführt. Talentierten
Athleten wird somit in dem aufeinander aufbauenden System
von Sportschulen eine umfangreiche Unterstützung und
Förderung bis hin zum Nationalkader geboten.
Die erste Jugendsportschule der ehemaligen UdSSR wurde
bereits 1934 in Tiblissi (Georgische SSR) gegründet. Anfang
der 70er Jahre existierten bereits über 3.300 Kinder- und
Jugendsportschulen. Heute trainieren rund drei Millionen
Sportlerinnen und Sportler unterschiedlicher Altersgruppen in
den fünf aufeinander aufbauenden Stufen. Die
Basis bilden die so
genannten "Kinder- und Jugendclubs für die
körperliche Vorbereitung", die die
Aufgabe haben,
über vielfältige
Sportangebote
möglichst viele
Kinder und
Jugendliche zum
Sporttreiben zu
veranlassen und
ihnen somit eine
sinnvolle Freizeitgestaltung zu
ermöglichen. Besonders talentierte und sportbegeisterte
Kinder und Jugendliche werden an die "Kinder- und Jugendsportschulen" vermittelt, die die sportliche Grundlagenausbildung in den verschiedenen Sportarten und Disziplinen übernehmen. Die darauf aufbauenden "Spezialisierten Kinderund Jugendsportschulen der Olympischen Reserve" widmen
sich der Ausbildung des hochqualifizierten Nachwuchses, d.h.
den potenziellen Kandidaten für die zukünftigen russischen
Auswahlmannschaften. Eine zunehmende Spezialisierung der
Athleten in einzelnen Disziplinen ist dabei zu erkennen. Einen
besonderen Status im russischen Schulsportsystem haben die
"Fachschulen der Olympischen Reserve", da sie einen eigenen
Internatsbetrieb aufweisen. Es wird an diesen Schulen ein
besonderes Augenmerk auf die Vereinbarkeit von schulischem
Unterricht, Training und Wettkampf gelegt, und so sind
Kleingruppen- und Einzelunterricht, die Modifizierung des
Curriculums sowie speziell entwickelte Materialien zur Aufarbeitung des versäumten Unterrichtsstoffs an der Tagesordnung. Die höchste Leistungsstufe des russischen Schulsportsystems stellen die "Schulen des höchsten sportlichen Kön-
nens" dar. Voraussetzungen für die Aufnahme an eine derartige Schule sind sehr gute sportliche Leistungen und eine
Empfehlung des nationalen Spitzenfachverbands. Liegen
diese vor, so können die Sportler ab dem 16. Lebensjahr in
diese Ausbildungszentren eintreten, an denen vorwiegend die
Mitglieder der russischen Nationalmannschaften trainieren.
Neben den Sportschulen konnten weitere Einrichtungen des
sowjetischen Sports erhalten bleiben. So hat das Klassifikationssystem für Sportler und Trainer heute noch Bestand und
dient weiterhin der Leistungsbewertung und -einteilung
sowie der Auswahl von Athleten für die speziellen Förderprogramme bzw. für die Bestimmung der Gehaltsstufen von
Trainern. Um dem Rückgang an Wettkämpfen entgegenzu-
wirken, wurde die Durchführung der Spartakiaden 2003
wieder aufgenommen, und auch auf schulischer Ebene
wurden einige der einst eingestellten Wettkampfformen und
Sportabzeichen wieder eingeführt. Nach wie vor trainieren
die russischen Hochleistungssportler an speziellen Trainingszentren des Russischen Olympischen Komitees und werden
dort systematisch über längere Zeiträume auf internationale
Sportereignisse wie Olympische Spiele und Weltmeisterschaften vorbereitet. Die Ausbildung der Trainer in Russland findet
immer noch ausschließlich an staatlichen Institutionen wie
Sporthochschulen, Sportfachhochschulen, Fachschulen für
Körpererziehung und Fachschulen der Olympischen Reserve
statt. Die Fachverbände sind hingegen nicht in die Trainerausbildung involviert. Somit scheint eine einheitliche Ausbildung mit hohem Qualitätsstandard für die russischen Trainer
auch zukünftig gesichert. Und auch die bereits im sowjetischen Sport sehr bedeutsamen und erfolgreichen Militärsportgruppen erfahren nun wieder mehr Beachtung und
finanzielle Unterstützung seitens der Regierung, nachdem
drei Viertel der Medaillengewinner bei den Olympischen
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Spielen 2004 in Athen - trotz Kürzung der Sportförderung aus den Reihen des russischen Militärs kamen.
Allerdings kann die Rückbesinnung auf Altbewährtes nicht
alle aktuellen Probleme des russischen Sports lösen. Das
größte Problem in allen Bereichen des Sports stellen die
fehlenden finanziellen Mittel dar. Auf Grund der unzureichenden Bezahlung wandern immer häufiger Athleten und
Fachkräfte des Sports (z. B. Wissenschaftler und Trainer) ins
Ausland ab. Außerhalb der großstädtischen Zentren ist weder
der Bedarf an Sportstätten gedeckt noch genügen die vorhandenen Sportanlagen dem internationalen technischen
Standard. Hiervon ist nicht nur das Training der Nachwuchsund Hochleistungssportler betroffen, sondern auch die Ausrichtung nationaler und internationaler Sportveranstaltungen. Ein weiteres Problem stellt die Zweckentfremdung der
Sportanlagen dar. Viele Fußball- und Leichtathletikstadien,
wie z.B. der berühmte Lu niki-Sportpark in Moskau, werden
regelmäßig für privatwirtschaftliche Tages- und Wochenmärkte genutzt. Dieser Verlagerung möchte nun die russische
Regierung mit jüngst verabschiedeten Sportstättenentwicklungsplänen entgegentreten. Auch die Zukunft des Sportschulsystems war lange Zeit ungewiss. In zahlreichen Schulen
konnten dringende Investitionen nicht getätigt werden,
andere Sportschulen wurden geschlossen. Ebenso weist die
bereits zu Zeiten der Sowjetunion stark ausgeprägte Unterstützung des Hochleistungssports durch die russische Wissenschaft heute Schwächen auf, was insbesondere mit einer
40
defizitären Finanzierung erklärt werden kann. So ist die
Ausstattung der staatlichen Forschungsinstitute veraltet und
entspricht heute nur noch selten dem internationalen Standard. Auch die Anschaffung entsprechender wissenschaftlicher Literatur ist aus finanziellen Gründen stark
eingeschränkt. Ein besonders gravierendes Problem stellt die
personelle Situation an den Instituten dar: Die Mehrzahl der
Wissenschaftler wurde entlassen, andere nahmen lukrative
Angebote aus dem Ausland wahr. Auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind nur noch wenige Qualifikationsstellen
vorhanden. Das Ansehen des Sports im In- und Ausland
wurde aber auch durch die unzureichenden Anti-DopingMaßnahmen des russischen Spitzensportsystems beschädigt.
Um jedoch in einem Land dieser Größe ein funktionierendes
Kontrollsystem aufbauen und aufrechterhalten zu können,
wird ein deutlich höheres Budget benötigt. Eine entsprechende Prioritätensetzung in der russischen Sportpolitik ist derzeit
noch nicht zu erkennen.
Trotz der teilweise sehr schwierigen finanziellen und organisatorischen Verhältnisse, die derzeit den russischen Hochleistungssport prägen, gehören russische Athletinnen und Athleten in vielen Sportarten nach wie vor zur Weltspitze. In den
vergangenen Jahren konnte sogar wieder vermehrt an die
Erfolge der Vergangenheit angeknüpft werden. Die Gründe
dafür sind vielfältig. So zeigt z. B. das hohe Durchschnittsalter
der Olympiamannschaft und der Medaillengewinner von
Athen 2004, dass noch viele Sportler von den Leistungen des
ehemaligen sowjetischen Systems profitieren. Es sind aber
auch die sozialen Aufstiegschancen zu beachten, die der
Sport in Russland für viele Kinder und Jugendliche bietet.
Solange also die ökonomischen Bedingungen eine Sportpartizipation und ein Engagement im Hochleistungssport begünstigen, werden auch weiterhin junge russische Menschen den
Weg in den Spitzensport finden. Zusätzlich erleichtert die
staatliche Steuerung die Zusammenarbeit zwischen dem
Schul- und dem Sportsystem. Auf diese Weise verfügt der
russische Sport über ein Fundament, das ihm auch zukünftig
eine erfolgreiche und konkurrenzfähige Teilhabe am internaOF
tionalen Hochleistungssport eröffnen kann.
Die dargestellten Untersuchungsergebnisse stammen aus
dem Forschungsprojekt "Hochleistungssport im internationalen Vergleich", das am Institut für Sportwissenschaft
der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Dr.
Helmut Digel und mit Hilfe der Förderung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft seit 1999 durchgeführt
wird.
Detaillierte Informationen zum Hochleistungssport in
Russland sind Band 7 der Edition "sport international" zu
entnehmen: Digel, H., Burk, V. & Sloboda, H. (2006).
Hochleistungssport in Russland. Weilheim/Teck: Bäuer.
SHANGHAI DGM
Die Wüste. Bald auch bei uns?
Jeden Tag breitet sie sich weiter aus. Weltweit, auch in Europa. Jahr für Jahr verschwinden zwölf
Millionen Hektar fruchtbares Land – dies entspricht einem Drittel der Fläche Deutschlands.
Desertifikation (so das Fachwort) ist Folge von Raubbau an der Natur: weil Böden übernutzt und
Wälder abgeholzt werden. Die Lebensgrundlage einer Milliarde Menschen und unzähliger Tier- und
Pflanzenarten ist bedroht. Armut, Hunger, Konflikte sind die Folgen. Aber wir können etwas dagegen
tun: mit unseren natürlichen Ressourcen nachhaltig umgehen. Die Vereinten Nationen haben 2006 zum
Internationalen Jahr der Wüsten und Desertifikation erklärt. Infos darüber und was nötig ist, damit wir
nicht noch mehr an Boden verlieren: www.iydd2006.de.
Die Aufarbeitung
des Stasi-Erbes
bleibt ein
Auftrag auch für
den Sport
Von Holger Schück
42
M
"
enschen bei Maischberger"
thematisierte im Mai den
Dauerbrenner "Stasi" und
brachte neben dem üblichen Einheitsbrei der Beliebigkeit durchaus neue
Argumente. Der 85 Jahre alte Historiker
Wolfgang Leonhard, eine untadelige
wissenschaftliche wie menschliche
Respektperson, rief mehrfach: "Anstatt
uns um die wirklichen Verbrechen zu
kümmern, reden wir hier über Eislauftrainer. Eislauftrainer!" Der so angesprochene Chemnitzer Coach Ingo Steuer
saß denn auch verschüchtert in der
Runde. Sein Fall hatte unmittelbar vor
den Olympischen Winterspielen in Turin
das Landgericht Berlin beschäftigt, das
ihm wegen "Ermessensfehlgebrauchs"
die Akkreditierung zusprach. Leonhard
führte weiter aus, alle ehemaligen
Machtwalter im DDR-Geheimdienst
erhielten heute hohe staatliche Renten
und seien nicht zur Verantwortung
gezogen worden. Deshalb sei es wohl
unverhältnismäßig, einem kleinen
Mitläufer-IM wie Ingo Steuer nunmehr
berufliche Chancen zu nehmen und ihn
ins gesellschaftliche und soziale Abseits
zu stellen.
Hatte der Belastete im TV-Studio über
sich selbst durchaus kleinlaut angemerkt, er hätte doch noch ganz andere
Sachen melden können, so dass Bespitzelte ins Gefängnis gekommen wären.
Eine geschickte Rechtfertigung aus
rhetorischen Trickkisten? Eine solche
Interpretation liegt nahe, wenn nicht
dieser Umstand Entlastungswirkung
entfaltete: Ingo Steuer will, so betonte
er, bewusst nur Beiläufiges zum Besten
gegeben haben. Ja, zugegebenermaßen
geschmacklos. Bei den Bespitzelten
habe er sich entschuldigt; einige hätten
ihm verziehen. Reicht dies, weil er
Leidtragender anonymer Systemzwänge
war und die Verhältnisse nicht so richtig
durchschauen konnte? Oder ist die
Eloquenz der Entrüstung stärker, die
Verwerfungen und Willkür von Moral
akzentuiert sowie Niedertracht und
Ruchlosigkeit hineindeutet? Suspekt
sollten die gängigen stereotypischen
Versuche sein, mit Übergewissheit alle
Bußbereitschaft durch Wegreden und Übertönung abzutun
und nach einem ausgrenzenden Berufsverbot zu rufen.
Verdient nicht jeder eine zweite Chance?
Der Fall Ingo Steuer offenbarte einmal mehr übliche Muster:
Mit pharisäerhaft-aufklärerischer Attitüde interpretierten
Teile der Medien die Aktenfunde anders als unmittelbar
Betroffene. Diesmal votierte allerdings auch die unabhängige
Stasi-Kommission des deutschen Sports unter Leitung der
ehemaligen CDU-Politikerin Hanna-Renate Laurien für ein
rigoroses Vorgehen. Dennoch verbleibt ein fader
Beigeschmack: Es ist nun einmal die typisch deutsch-deutsche Aufarbeitungsmentalität, sich an Fällen von geringerem
Wert, an Bauernopfern, abzuplacken und dabei verbissen und
verstiegen moralische Vorhaltungen zu machen. Schwerwiegendere Stasi-Vergehen, die in der Rechtsfolgenabschätzung
komplizierter sind, werden indes auf die lange Bank geschoben. So funktioniert das Verdrängen.
kussion der Stasi-Unterlagenbehörde im September 2004 in
einer sogenannten "Berliner Erklärung" gefordert wurde, ist
nicht mehr aktuell. Wobei schon damals verschwiegen
wurde, dass der vorgelegte Ergebnisband der ÖffentlichRechtlichen nicht den kompletten Sachstand widerspiegelte
und bestimmte Teile nicht veröffentlicht oder erhoben
wurden. Ein derartiger Forschungsansatz zur Aufarbeitung
der Vergangenheit kann mit Sicherheit als längst überholt
gelten, er lieferte heute allenfalls Energiezufuhr für ideologische Nebelwerfer. Denn interessierte Sporthistoriker
haben längst Aktenmaterial zuhauf vorgelegt, und der
unabhängigen Stasi-Kommission des Sports wurden
Nicht vergessen werden darf: Es waren die Ostdeutschen
selbst, die ihre Stasi-Opferakten sehen und wissen wollten,
wer sie bespitzelt hatte. Daraus resultiert die Konzentration
auf die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM), die dem gewaltigen
Anpassungsdruck im totalitären System nicht widerstehen
konnten. Ausgeblendet wird auf der nächsten Ebene auch,
dass die DDR-Geheimpolizei als Machtinstrument zur Herrschaftsabsicherung der SED diente, Schwert und Schild der
Partei der Arbeiterklasse, um die kleinbürgerlich-feudale
Struktur mit ihren saftigen Vorteilen für Polit-Bonzen abzusichern. Kaum geforscht wurde im Sport bisher zu den eigentlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von der SED
gewollt und befohlen wurden - auch deshalb wurden weder
Drahtzieher noch Hintermänner der alltäglichen Unterdrückung angemessen bestraft. Die Dopingprozesse bis Oktober
2000, die nur einige Fälle exemplarisch behandelten - ein
wenig mehr wurde mit Strafbefehlen geregelt -, dokumentieren dies eindeutig. Ohnehin erwecken alle medial inszenierten
Stasi-Enthüllungen potenziell den Eindruck, der Westen zeige
mit dem Finger auf die Ostdeutschen, was mit einer Überheblichkeits-Haltung interpretiert wird. Die wahren Strukturen aufzuschnüren und eine komplexe Aufarbeitung anzugehen - war und ist das zu kompliziert? Die meisten Sporthistoriker, allesamt westorientiert, haben diese Dimension wohl
unzureichend berücksichtigt.
Auch der DOSB wird sich nach Abschluss des Verschmelzungsprozesses erneut mit dem schwierigen Erbe der jüngeren deutschen Sportgeschichte beschäftigen müssen. Hieß
es noch im Mai 2005, der Sportausschuss des Deutschen
Bundestages und der organisierte Sport wollten eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Stasi-Problematik auf den
Weg bringen, so ist davon momentan keine Rede mehr aus vielerlei Gründen. Eine Aufarbeitung analog der Historischen Kommission der ARD, wie sie nach einer Podiumsdis-
wesentliche Ergebnisse vorgetragen, die aber wegen fehlender Gerichtsfestigkeit nicht in allen Fällen zu Sanktionen
führen konnten. 40 stasi- und dopingbelastete Mitarbeiter
wurden im Rahmen der Arbeit des unabhängigen Gremiums
in den letzten 15 Jahren aus ihren Funktionen entfernt.
43
Eher viel als zuwenig, eher wenig als zuviel, wie man es
nimmt.
Sicherlich, das schwarze Kapitel der SED-Diktatur im Sport und nicht nur das der Stasi - sollte weiterhin wissenschaftlich
profund aufgearbeitet werden. Doch hierzu sind neue Forschungsschwerpunkte und -umfänge nötig. So empfahl denn
auch die Bundesbeauftragte Marianne Birthler schon im Mai
2005, die Aufarbeitung nicht "auf die Stasiproblematik im
Allgemeinen und auf die IM-Thematik im Besonderen zu
verengen". Vielmehr sollte auch in den Blickpunkt kommen:
"Wer hat widerstanden; wo hat die Stasi es nicht geschafft,
Menschen zur Zusammenarbeit zu bewegen; wer hat sich
dem Druck entzogen; wer war solidarisch und hat gesagt: Ich
werde keine Sportkameraden bespitzeln? All diese Geschichten von Mut, von Widerstand und vom ganz alltäglichen
Versuch, anständig zu bleiben, gehören auch dazu. Sie sind es
wert, weitererzählt zu werden. Wenn man das tut, dann hat
Aufarbeitung auch eine wertebildende Funktion."
Bei einer solchen wissenschaftlichen Herangehensweise sollte
gerade der ethische Aspekt fokussiert werden. Wie konnte
eine flächendeckende Überwachung einer ganzen Gesellschaft funktionieren? Warum haben sich nicht gerade wenige
dafür einspannen lassen, ihr näheres Umfeld auszuspähen,
um dann Selektives zu melden? Wie kommt es, dass sich
Mittäterschaft hinter der Einrede einer Kollektivschuld verstecken kann ("Viele sind doch irgendwie schuld, deshalb ist
doch keiner so richtig schuld")? Alle diese Maßstäbe sollten
auch als Beurteilungskriterien für den einst 18jährigen Ingo
Steuer gelten, der sich dem Systemdruck nicht verweigern
konnte/wollte, weil er mögliche Widerstände im Umfeld
seiner Leistungssportkarriere neutralisieren wollte. Dass er in
einem atheistischen System eher egoistisch sich selbst als den
Nächsten sah, ist ihm eigentlich nicht vorzuhalten.
Über den konkreten Einzelfall hinaus muss sich der deutsche
Sport der Frage stellen, wie er das Stasi-Problem in Zukunft
mit neuen Regularien in den Griff bekommen kann. Deutschland ging nach dem feierlichen Vollzug der Einheit nicht den
Weg wie Südafrika nach dem Ende der Apartheid, in sogenannten Wahrheits- und Versöhnungskommissionen einen
Täter-Opfer-Ausgleich herbeizuführen. Schuldbekenntnis,
Sühneverfahren und Resozialisierung sorgten dort für einen
richtigen humangeleiteten Interessensausgleich christlicher
Prägung. Pate stand hier zu Lande der deutsche Formalismus
mit seinem Anklage- und Untersuchungsgedanken ("Wer
etwas zu melden hat, melde sich bitte"). In wenigen Einzelfällen wurde dann geprüft und entschieden. Das gilt auch für
den Sport. Die Kleinen flogen auf, relevante Täter hingegen,
die sich im DDR-System gegen überpositive Wertenormen
versündigt hatten, waren dienstbar und konnten deshalb
beruflich erfolgreich neu durchstarten. So wurde vieles verdrängt und vergessen.
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Ab 29. Dezember 2006 wird für die schmalen Varianten
formaler Vergangenheitsaufarbeitung möglicherweise ohnehin eine neue Ära anbrechen. Mit diesem Stichtag endet die
im Stasiunterlagen-Gesetz genannte Frist von 15 Jahren,
innerhalb derer die Verwendung des Stasi-Archivmaterials zur
Überprüfung von leitenden Mitarbeitern zulässig ist. Was
bedeutet: Regelanfragen werden nach den einschlägigen
beamtenrechtlichen und sonstigen Überprüfungsvorschriften
unzulässig. Einem ehemaligen Stasi-Mitarbeiter kann fortan
dessen Tätigkeit nicht mehr vorgeworfen werden. Immerhin
gibt es einen Gesetzentwurf des Freistaats Thüringen, der eine
Fristverlängerung durchsetzen will. Er wird aber schwerlich
die parlamentarischen Hürden nehmen können.
Die Thüringer Argumentationskette besticht, ein genereller
Schlussstrich sei nicht gerechtfertigt, und im übrigen sei
schon lange der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Einzelfallprüfungen wesentlich und damit "auch dem Umstand
Rechnung getragen..., dass seit der Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst erhebliche Zeit vergangen ist".
Weiter heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf: "In
Ansehung der historisch erst kurzen Zeitdauer seit der Auflösung des Staatssicherheitsdienstes ist das Auslaufen der
Überprüfungsfristen nach dem geltenden StasiunterlagenGesetz nicht hinnehmbar und würde als Signal in die falsche
Richtung verstanden werden. Die dem Charakter der Staatssicherheit und damit auch einer Tätigkeit für die
Staatssicherheit entsprechende moralische Bewertung und
Vorwerfbarkeit bestimmter Handlungen erledigt sich nicht
durch Fristablauf. Im Einzelfall hat der Zeitfaktor in Verbindung mit einer Reihe anderer Faktoren Bedeutung für eine
personenbezogene Einschätzung. Der Einzelfall muss aber
zunächst überhaupt noch fassbar und überprüfbar bleiben.
Dem ist durch den Wegfall der 15-Jahres-Frist Rechnung zu
tragen." Die Fortsetzung der Regelanfragen und die "hierauf
aufbauende Einzelfallprüfung begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und tragen dem Spannungsfeld zwischen konkreten Eignungsanforderungen für hoheitliche und
andere herausgehobene Funktionen und Tätigkeiten einerseits
und den Persönlichkeitsrechten und dem Resozialisierungsgedanken andererseits gleichermaßen Rechnung".
All diese Aufarbeitung hat das sinnleitende Ziel, Unrecht
dieser Art in Zukunft auszuschließen. Totalitäre Herrschaft ist
menschenfeindlich. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die in
der staatsbürgerlichen Bildung gerade in diesen Zeiten, in
denen unser Steuerungsstaat an die Grenzen seines Einflusses gerät und die Kosten der Modernisierung nach unten
verlagert werden, immer wieder vermittelt werden muss. Die
gelebte Freiheit im Sport hat eine Wirkmächtigkeit, die
Aufklärungsfähigkeit über das Unrecht zu DDR-Zeiten vermitteln kann. Dass seinerzeit das Gemeinwohl verraten
wurde, dass Menschen Verfügungsmasse für machtpolitische
Repräsentanz waren, dass sie bei allen kleinen Inseln der
Nischengesellschaft auch zu Handlangerdiensten zwecks
Systemstabilisierung benutzt wurden, die den ethischen
Prinzipien des Sports Hohn sprechen, muss immer wieder
betont werden. Die Deutungsmacht darf nicht an die einstigen Systemträger und ihre heute aktiven Unterstützergruppen übergehen.
Es geht aber auch um ein Mehr an neuer Qualität. Dass die
professionelle Vergangenheitsbewältigung der DDR fest in
westdeutscher Hand liegt, wurde eindeutig festgestellt, als
die "Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbunds Aufarbeitung der SED-Diktatur" am 15. Mai 2006 ihre
Empfehlungen vorgelegt hatte. Das akademikerüberfrachtete
Gremium möchte neben die bisherigen Schwerpunkte "Überwachung und Verfolgung" sowie "Teilung und Grenze" einen
dritten Kristallisationskern der Diktaturaufarbeitung, Titel:
"Herrschaft - Gesellschaft - Widerstand", in den Vordergrund
stellen; danach sollte sich die 1998 gegründete Stiftung zur
Aufarbeitung der SED-Diktatur mit den Themen "Widerstand
und Opposition", "Ideologie", "Alltag in der durchherrschten
Gesellschaft" und "Mechanismen der Machtausübung" in
Kooperation auch mit universitären Forschungseinrichtungen
beschäftigen. Es wäre wichtig, auch den Alltag im DDR-Sport
zu thematisieren - nicht um weichzuspülen, sondern um
weitere Untertöne in der damaligen ostdeutschen Wirklichkeit aufzuspüren, die jenseits des konkreten oder abstrakten
Widerstands lagen. Prof. Hans Joachim Teichler von der
Universität Potsdam hat hierzu in den letzten Jahren eine
Menge Details ans Licht gebracht.
Wenn der Abschlussbericht von "Bindekräften" spricht, die die
DDR-Gesellschaft zusammengehalten haben, von sogenannten partiellen Identifikationen, so ist es Allgemeingut, dass es
diese gerade durch den Sport gab. Doch wie ist die Rückschau
hierzu heute? Die sportinteressierte Öffentlichkeit zeigt mit
Blick auf die Herrschaftsausübung im einstigen diktatorischen
Separatstaat etliche erinnerungskulturelle Defizite. Das liegt
einmal an den Netzwerken, die Gestalter und Mitläufer von
einst geknüpft haben. Ihre Negierung des Diktatur-Charakters, was Fachleute als Geschichtsrevisionismus bezeichnen,
und die daraus resultierende Verächtlichmachung von Opfern,
gerade des flächendeckenden Zwangsdopings, dominiert in
den letzten sechs Jahren immer stärker den Diskurs. Die
medial übermittelte Trivialisierung des DDR-Sports leistet ein
Übriges zu diesem beklagenswerten Defizit, dem die bisherige
Aufarbeitungsform relativ wenig entgegenhalten konnte.
Schließlich war sie weitgehend interessengeleitet und
benutzte mit ihren Wahrheitsagenturen eine ideologische
Deutungsfolie.
Der organisierte deutsche Sport sollte sich - in welcher Weise
auch immer - an der neuen Aufarbeitungsdiskussion beteili-
gen. Ein ständiger Kontakt zur Sportwissenschaft, aber auch
zu Institutionen wie der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Aufarbeitung wäre nötig, um mit dem
Ballast aus der zweiten Diktatur auf deutschem Boden besser
umzugehen. Die Defizite in der Bewältigung von Verätzungen
durch die braune Diktatur im einstigen WirtschaftswunderLand wirken hierzu mahnend. Verklärende Nostalgie und
Identitätstrotz sind genauso fehl am Platze wie hochnäsige
Distanz aus dem ehemaligen Wohlstandsessel. Am besten
wäre es, wenn eine neue Generation von unter 40Jährigen
mit solcher Forschung betraut wird, damit nicht länger die
Rhetorik des Anprangerns überwiegt und etwaiges Misstrauen gesteigert wird.
Mitgenommen werden sollten dabei auch diejenigen Zeitzeugen aus den Tagen der Diktatur, die nicht mit ewiggestrigem
Blockadesitz von Siegerjustiz faseln und geschichtliche Fakten
mit dialektischer Volte umwerten, also ehemalige Zaungäste
und Mitläufer, die ihre Irrtümer aufgearbeitet haben. Mitgenommen werden sollten erst recht die Opfer, die sich bisher
in der Sprache ihrer Interessenvertreter nicht wiedergefunden
haben und die Geschichte ihres Leids und Leidens in einem
Opferdiskurs aufarbeiten wollen.
Auf keinen Fall darf die Stasi-Frage, die rein biographisch
noch bis mindestens 2035 immer wieder aktuell sein könnte,
im Sport in die Rundablage kommen. Gemeinsam mit der
unabhängigen Stasi-Kommission sollte ein neuer Modus der
Aufarbeitung der skizzierten Felder, aber auch auf ethischem
Gebiet gefunden werden. Auch hier wären didaktische
Erkenntnisse und konkreter Schuldausgleich wichtiger als das
Zusammenschreiben neuer Wälzer, die das Ausmaß des
Unrechts lediglich um einige Fußnoten erweitern könnten.
Allein die Archivbestände weiter zu durchforsten ist ein
Anliegen, das bei diesem Etappenwechsel wenig zielführend
erscheint. Und, wie geschildert, müsste ein Zugehen von
einstigen Tätern auf die Opfer hartnäckig angestrebt werden.
Das alles wäre sicherlich auch eine Aufgabe für die Akademiearbeit des DOSB: Sie sollte nicht nur eine "Agenda 2020"
für den deutschen Spitzensport schreiben, sondern sich auch
als Werkstatt mit dem unrühmlichen Kapitel deutscher Sportgeschichte beschäftigen.
Die Geschichtswissenschaft beklagt den Makel, dass nicht
mehr die Frage, wie es eigentlich gewesen ist, das Tun vieler
Historiker bestimmt, sondern die Frage, wie es erinnert wird.
Kein Zweifel: So wird die Vergangenheit unkritisch in die
Gegenwart transformiert. Deutungshorizonte werden wohl
nur geprägt, wenn persönliches Erinnern mit Faktizität auf
der Grundlage solider historischer Quellenforschung konfrontiert wird. Auf alle Fälle sollte der ungeschriebene Aphorismus
gelten: Wer nicht die richtigen Konsequenzen aus der Vergangenheit meistert, ist auch nicht für die Zukunft gewappOF
net.
45
Auf der Suche nach
dem Sinn
M
it dem stürmischen gesellschaftlichen Wandel verändert sich auch die Rolle des Sports in unserer Gesellschaft. Im Gegensatz zu früher besitzt der organisierte Sport
heute kein Organisations- und Sinnmonopol mehr. Außerdem
schrumpft der Einfluss des DOSB auf seine Mitgliedsorganisationen, während der der Medien vereint mit der Wirtschaft
kräftig anwächst. Sie prägen inzwischen das Verständnis vom
Sport nicht immer zum Vorteil des Sports, weil die Sportorganisationen auch keinen einheitlichen Wertekanon mehr
vertreten und okönomische Ziele die erzieherischen, sozialen
und ethischen zu überdecken beginnen.
Andererseits wird der Sport für Mensch und Gesellschaft
immer bedeutsamer. Sein Wert für die soziale Daseinsvorsorge,
seine gesundheitlichen und pädagogischen Wirkungen und
vitalen Funktionen, seine freiwillige Leistung für ein freiheitlich - demokratisches Gemeinwesen nehmen ständig zu, ohne
dass der organisierte Sport dies nachdrücklich genug vertritt.
Der Sport ist ein wirtschaftlicher Faktor geworden, ohne am
Erfolg hinreichend beteiligt zu sein. Er wird immer politischer,
ohne dass sich dies in den Parteiprogrammen, dem Grundgesetz oder in der EU-Verfassung deutlich niederschlägt. Prestige
und Geld drücken mächtig aufs Ehrenamt, das einstmals die
Autonomie des Sports sicherte.
Diese Wirkungen beginnen die klassischen Prinzipien des
Sports und seine Identität auszuhöhlen, sie immer stärker zu
instrumentalisieren und für politische und wirtschaftliche
Zwecke verfügbar zu machen, seine Glaubwürdigkeit und
seine Prinzipientreue zu untergraben, ganz einfach - seine
geistige Orientierung aufzulösen. Eine neue Politik ist mit der
Neugründung der DOSB erforderlich, wofür der Sport zuerst
einmal mit sich selbst ins Reine kommen muss, bevor er seine
Rechte gegenüber Staat und Politik, Medien und Marketing
mit Aussicht auf Erfolg anmahnen kann.
Hier wird nicht für stures Festhalten an den alten Traditionen
plädiert, aber für eine anhaltende Diskussion des eigenen
geistigen Standpunktes in einer sich fortlaufend verändernden
Welt. Für bewusstes politisches Handeln ohne ein neues Selbstverständnis wird der organisierte Sport seinen weiteren Weg in
der globalisierten Welt nicht mehr selbst bestimmen können,
sondern sich nur noch von den Regeln der Politik, des Marktes
und der Medien leiten lassen. Turnen und Sport haben sich
aber von ihren Werten und Zielen her nicht nur als einen Teil
der Gesellschaft verstanden, sondern sie wollten auch eine
Gegenwelt schaffen, eine "bessere Welt" für freie Menschen.
46
Der Sport ist ein Teil der Befreiungsgeschichte der Menschen.
Doch was heißt das heute schon? In einer Gesellschaft, die
den Menschen in die Bewegungsarmut zwingt, will er dem
Körper zum Recht auf Bewegung verhelfen, die ihn in
geschlossene Räume einsperrt, will er die Natur eröffnen, die
nur noch Erfolge prämiert, will er die reine Leistung anbieten,
die immer mehr Ellenbogen einsetzt, will er die Idee der
Fairness vertreten, die einseitige Erziehungsvorstellungen
vorgibt, will er die ganzheitliche Erziehung, die soziale Kälte
produziert, will er in seinen Vereinen gegenseitige Hilfe
praktizieren - Solidarität also!
Natürlich geschieht dies alles nicht ganz ohne Fehler. Allzu
Menschliches ist darunter. Wie könnte es auch anders sein?
Doch wenn wir die alten Ziele übersetzt in unsere Tage nicht
zu bloßen Marketing-Strategien verkommen lassen wollen,
dann dürfen wir vor dem Zeitgeist nicht kapitulieren und
müssen auch weiterhin in unserer Gemeinschaft versuchen,
einen kleinen Streifen "bessere Welt" zu schaffen. Erst wenn
wir das Streben danach aufgeben, was allgemein sein sollte,
aber noch nicht ist, erst dann verlieren wir den tieferen Sinn
des Sports und seine eigentliche Faszinationskraft, die weltweit Millionen bewegt - immer auf der Suche nach ihrer
Freiheit und persönlichen Entfaltung! Nach ihrem Sinn.
Karlheinz Gieseler
Sollen Roboter den
Sport ersetzen?
D
er Umgang mit Utopien ist zwiespältig. Manche, so die
Gedankenspiele Leonardo da Vincis, sind Visionen, die
erst Jahrhunderte nach dem genialen Einfall realisiert werden.
Andere Visionen hingegen machen kurzzeitig Schlagzeilen
und verfallen dann dem Vergessen. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Roboter, dem Robocup in Bremen, trat auch der
80jährige Marvin Minsky, einer der Väter der Künstlichen
Intelligenz, auf. Der Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) setzt auf Roboter als
Krücken des unzulänglichen Homo sapiens. Minsky sprach in
Bremen die Hoffnung aus, Roboter würden bald den Sport
ersetzen, "damit sich die Menschen wieder Wichtigerem
zuwenden könnten".
Nun Mister Minsky: Was ist denn wichtiger - Mensch in seiner
kreativen Fülle zu werden und damit aus Spiel und Sport Kultur
und Freiräume zu gestalten? Oder sich als anonymes Rädchen
in einer Verwertungsgesellschaft betätigen zu müssen, wo
Sport und damit auch Freude und Lebenssinn in diesem redu-
OF-KOMMENTARE
zierten Menschenbild nur einen Platz am Rande haben?
Immerhin haben die Roboter beim Robocup ihre Unzulänglichkeit augenfällig bewiesen, was nicht aufatmen lässt.
Denn eine solch technokratiezentrierte, den Menschen nach
seiner rationalen Vermarktbarkeit zuschneidende Einstellung
ist nicht auf den Utopisten Minsky beschränkt. Die frühzeitige
Einpassung von Kindern ins System ökonomischer Nutzbarkeit, die nicht mit spielendem Lernen auch des "Unnützen",
sprich des Spiels, verwechselt werden darf, gehört zum immer
mehr realisierten stromlinienförmigen Leitbild: Ausbildung
zum homo oeconomicus, also das Gegenteil einer Erziehung
zum mündigen und schöpferischen Menschen. Da wird das
offenbar Unnötige, wie Kunst, Musik, Spiel und Sport, zur
Randerscheinung anstatt als Lebens- und Gestaltungselement
bewusst gefördert. Und im Extrem wird Sport nach Minsky an
die Roboter delegiert. Wenn Lächerlichkeit töten könnte, wäre
diese inhumane Vision schon längst gestorben.
Dennoch ist die Lage ernster, als manche nach der FußballEuphorie des schönen Scheins sie wahr haben wollen. Das
schleichende Gift der ökonomisch abgerichteten Ausbildungskonzepte muss hartnäckiger denn je von allen bekämpft
werden, die sich an das Schiller-Wort halten: "Der Mensch
spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist,
und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Hans-Dieter Krebs
Gemeinnütziges
Erbsenzählen
it dem Begriff "Reform" verbindet sich eigentlich eine
positive Botschaft. Sie signalisiert den Aufbruch zu
neuen Ufern, kündigt das Abschneiden alter Zöpfe an, lässt
gar die Lösung von Langzeitproblemen als möglich erscheinen. Doch wenn sich beispielsweise die Politik dieses Zauberwortes bemächtigt, dann dauert es nicht lange, um von der
Reform-Hysterie bis zur Reformmüdigkeit die ganze Negativskala der Begrifflichkeiten volksnah abzuarbeiten. Zielstrebig
"befördert" wird dieser Prozess von wissenschaftlichen Beratungsgremien oder anderen Expertengruppierungen und
ihren unvermeidlichen Gutachten und Expertisen.
M
che Dimensionen annehmen. Jüngstes Beispiel: die Gemeinnützigkeitsdebatte auf der Basis eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums.
Abschaffung von Steuerprivilegien und die Eindämmung von
Förderungswildwuchs in der Vereins- und Verbandslandschaft
zwecks Steuermehreinnahmen-Garantie lautete die Empfehlung ans Ministerium. Die öffentliche Entrüstung war zwar
groß, und die regierungsamtlichen Dementis folgten schnell.
Doch im Meinungsbild haften bleibt, dass ein flink errechneter kleiner Milliardenbetrag auf der Haushalts-Habenseite und
die eine oder andere Zuwendungs-Schieflage allemal ausreichen, dem Gemeinwohl einen Tiefschlag zu versetzen.
Denn nichts anderes wäre die Realisierung der ExpertenVorschläge. Mini-Sparen und Erbsenzählen um den Preis
gesamtgesellschaftlicher Verunsicherung im Ehrenamt. Und
das in einer Zeit, wo unter anderen politischen Hausnummern
gerade das verstärkte bürgerschaftliche Engagement zur
Rettung des Abendlandes propagiert wird. Man stelle sich
vor: 450.000 Vereine, tausende von Verbänden und Organisationen mit über 22 Millionen ehrenamtlich engagierten
Menschen sind das pulsierende
Kraftfeld des Gemeinwesens mit dem Sport durchaus als
Herzstück. Ihr Wirken steht
für eine gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung in MilliardenGrößenordnungen
des Phantasiebereichs: nach
oben keine
Grenzen! Ein
volkswirtschaftlicher Schatz
jedenfalls, den es zu hegen
und zu pflegen gilt und der
nicht mit dubiosen
Reformansätzen
beeinträchtigt oder gar
gefährdet
werden sollte.
Erbsenzählen ist in
dem Zusammenhang
ein Armutszeugnis in des
Wortes doppelter Bedeutung.
Harald Pieper
In erster Linie sind es natürlich die Finanznotlagen der öffentlichen Haushalte, die in unregelmäßigen Abständen, aber über
die Jahre konstant wiederkehrend, Reformgetöse heraufbeschwören. Und besonders fatale Wirkung ist garantiert, wenn
Fragwürdigkeiten und Ungereimtheiten gesamtgesellschaftli-
OF-KOMMENTARE
47
Was macht eigentlich ...?
R osemarie Ack ermann
Von Jochen Frank
enn Rosemarie Ackermann das Berliner Olympiastadion betritt, läuft ihr ein Schauer über den Rücken.
Obwohl "das alles", wie sie sagt, schon fast dreißig
Jahre zurückliegt. Und mit "das alles" meint sie jenen 26. August
1977, der für immer und ewig mit dem Vermerk "sporthistorisch" versehen sein wird.
W
Direktor mit der für die Cottbuserin reservierten Startnummer
"20" etwa schon die 2,00 Meter als Wunschtraum im Visier?
"Mehr die Hoffnung, die ja nicht ganz unbegründet war", erinnert sich Thiel heute. Schließlich sei Rosi seinerzeit die einzige
Hochspringerin der Welt gewesen, die diese Höhe "tatsächlich
drin" hatte.
Zum ersten Mal hatte eine Frau zwei Meter übersprungen. Eine
magische Barriere der Leichtathletik war bezwungen worden.
Vergleichbar vielleicht mit Roger Bannisters erstem Meilenlauf
unter vier Minuten
1954 oder mit dem
ersten Speerwurf
über die 100Meter-Marke von
Uwe Hohn 1984.
Mit ihrem sechsten Sprung des Abends stellte Rosemarie Ackermann im Olympiastadion zunächst ihren Weltrekord von Helsinki ein. Zehn Minuten später, exakt um 20.14 Uhr Ortszeit, wie
Chronisten festgehalten haben,
straddelte sie ebenfalls im ersten
Versuch - über die
zwei Meter. Das
Publikum stand
Kopf. 30.000 waren
Zeugen eines
denkwürdigen
Wettkampfes
geworden.
Vor dem Weltpokal
in Düsseldorf
hatten die DDRAthleten das
obligatorische
Trainingslager in
Kienbaum, südöstlich von Berlin,
bezogen. Das
Internationale
Stadionfest (Istaf)
im Olympiastadion
der geteilten Stadt
bot Rosemarie
Ackermann Gelegenheit zur letzten Formüberprüfung. Erst
knapp zwei Wochen zuvor beim Europacup-Finale in Helsinki
hatte sie mit ihrem Weltrekordsprung über 1,97 m ihre blendende Verfassung unterstrichen.
"Ich kann mich noch ziemlich genau an Einzelheiten erinnern",
kommt Rosemarie Ackermann auf den Istaf-Abend zurück.
Beispielsweise an die zwei Rosen, die ihr von Rudi Thiel als
Willkommensgruß überreicht wurden. Hatte der Meeting-
48
Beim Abschlussbankett, das auf
einem Dampfer
Athleten und
Offizielle vereinte,
führte der traditionelle Ehrentanz die
HochsprungKönigin aus der Lausitz mit einem entthronten König zusammen. Mit Dwight Stones, dem Amerikaner, der einige Wochen
zuvor seinen Weltrekord (2,32 m) an den Russen Wladimir
Jaschtschenko hatte abtreten müssen. Viel Zeit zum Feiern blieb
Rosemarie Ackermann an diesem Abend allerdings nicht. Am
Grenzübergang wartete bereits das Taxi, das sie zurück nach
Kienbaum bringen sollte. Mit Verspätung übrigens, denn der
Westberliner Taxifahrer, der den ersten Teilabschnitt der Rückfahrt übernommen hatte, wollte mit einem kleinen Abstecher
wenigstens den
Kurfürstendamm
bei Nacht gezeigt
haben.
Dass es diese
Grenze, die Teilung und all die
Schwierigkeiten,
die damit verbunden waren, nicht
mehr gibt,
bezeichnet Rudi
Thiel als "das
Schönste, das ich
erleben konnte".
Der Kontakt zwischen Rosi und ihm sei ohnehin erhalten geblieben, erst recht nach der politischen Wende. Zumal die beiden
außer jenem Istaf-Erlebnis noch eines besonders verbindet - der
gemeinsame Geburtstag am 4. April.
Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass Rosemarie
Ackermann wenige Tage nach dem Istaf in Düsseldorf als
Weltcupsiegerin nur zwei Zentimeter unter ihrer neuen Rekordhöhe geblieben war und damit ihre glänzende Saisonbilanz
abrundete.
Platz zwei ging an die Italienerin Sara Simeoni, die als ewige
Rivalin wieder einmal das Nachsehen hatte. In der DDR wurde
Rosi zur Sportlerin des Jahres gekürt, und in der internationalen
Umfrage nach dem Weltsportler des Jahres konnte sie sich als
Beste gar vor dem österreichischen Formel-1-Champion Niki
Lauda und Kubas Ausnahmeläufer Alberto Juantorena platzieren.
Sehr zu ihrem Bedauern ging der "schöne Pokal, den ich damals
bekamen habe und den ich einem Sportmuseum als Leihgabe
zur Verfügung gestellt hatte", in den Nach-Wende-Wirren
verloren.
Ihre Medaillen und viele weitere wertvolle Erinnerungsstücke,
die Rosemarie Ackermann in imposanter Menge zusammengetragen hat, sind sorgsam verpackt und verstaut. Nicht mal das
olympische Gold von Montreal findet der Besucher in der Wohnung der Ackermanns in der Cottbuser Juri-Gagarin-Straße an
irgendeiner Wand oder in einer Vitrine. "Warum auch", fragt sie
wohl mehr rhetorisch. "Der Sport steht bei mir nicht mehr im
Mittelpunkt. Anderes ist wichtiger geworden", sagt sie.
Familie und Beruf setzten neue Prioritäten. Auf dem Cottbuser
Sportlerball hatte Rosi 1972 Manfred Ackermann kennen
gelernt, damals frisch dekorierter Junioren-Europameister im
militärischen Mehrkampf (heute Sommerbiathlon). Zwei Jahre
danach wurde aus Fräulein Witschas Frau Ackermann. Lars (25)
und Sven (23) komplettieren mittlerweile die Familie.
Rosemarie Ackermann hat Binnenhandelsökonomie studiert und
arbeitete zunächst im Konsum-Bezirksverband, verantwortlich
für Einkauf (Schuhe/Lederwaren). Nach der Wende fand sie in
der heutigen Bundesagentur für Arbeit ein interessantes Betätigungsfeld. Als Sachbearbeiterin im Bearbeitungsbüro für Arbeitgeber kann sie 15-jährige Berufserfahrung einbringen. "Eine
Arbeit, die mich voll fordert, die aber auch Freude macht, wenn
man spürt, dass man etwas bewegen kann", wie sie sagt.
"Freilich hat der Sport in meinem Leben einen markanten
Abschnitt geprägt", greift sie das Stichwort "Prioritäten" noch
einmal auf. "Er hat mir viel gegeben. Ich habe viel Schönes
erlebt, neue Freunde gewonnen, viel von der Welt gesehen."
Aber wertvoller als all die Trophäen, so die 54-Jährige weiter, sei
das, was sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung vorangebracht
habe. "Durch den Sport bin ich selbstbewusster geworden. Ich
habe gelernt, Rückschläge besser zu verdauen, nicht gleich den
Kopf in den Sand zu stecken, wenn mal etwas schief gegangen
ist."
Und möglicherweise denkt sie dabei an das kleine, schüchterne
Mädchen, das als Zweitjüngste unter vier Schwestern in dem
Lausitzer Ort Lohsa aufgewachsen ist, das in der Schule Hemmungen hatte, vor der Klasse ein Gedicht aufzusagen, das
eigentlich lieber Balletttänzerin geworden wäre.
Hätte es 1966 eben nicht diese zufällige Begegnung mit dem
Sportlehrer Erhard Miek gegeben, dem auf einem Sportplatz in
Hoyerswerda die nur 1,58 m große 14-Jährige aufgefallen war,
"die mit explosivem Absprung und auffallender Fußstreckung für
ihre Größe beachtliche Höhen bewältigte". Miek hatte das Talent
erkannt. Er holte das Mädchen an die Kinder- und Jugendsportschule Forst. Mit 17 Jahren und plötzlich "ins Kraut geschossen",
übersprang Rosi zum ersten Mal ihre Körpergröße von exakt
1,735 m. In einer Disziplin, in der jeder Zentimeter hart erarbeitet werden muss, führte der Weg für sie stetig nach oben. Mit
20 erlebte sie in München ihren ersten olympischen Auftritt
(Platz 7 für 1,85 m). Mit 21 holte sie in Dresden den ersten von
insgesamt sechs DDR-Meistertiteln (1,87 m). Mit 22 gewann sie
in Rom Europameisterschafts-Gold mit Weltrekord (1,95 m). Und
mit 24 stand sie in Montreal als Olympiasiegerin auf dem Podest
(1,93 m). Ein Jahr vor jenem denkwürdigen Istaf, bei dem sie ihre
eigene Körpergröße um sage und schreibe 26 1/2 Zentimeter
überbot. Ein Rekord besonderer Art.
Als die Cottbuserin 1980 nach ihrem dritten Olympiastart in
Moskau und einem für sie enttäuschenden vierten Platz von der
Wettkampfbühne abtrat, endete zugleich die Ära des Straddle,
den Rosi so perfekt kreiert hatte, während all die anderen um sie
herum längst über die Latte flopten. Zwei Meter und höher
sprangen im Freien in den 29 Jahren seit jenem Berliner IstafAbend weitere 41 Frauen. Doch den Lorbeer für den Vorstoß in
neue Dimensionen des Frauen-Hochsprungs kann Rosi keine
streitig machen. Auf dem "Weg des Ruhmes" vor dem Alten
Rathaus in Cottbus ist ihr ohnehin für alle Ewigkeit ein Platz
gesichert.
49
Schiller - ein bekennender
2
005 war das Jahr der Erinnerung an den 200sten
Todestag Friedrich von Schillers. Bücher erschienen
dazu, es gab kaum eine Zeitschrift oder Zeitung, die
sich nicht mit diesem Ereignis beschäftigte, kein Fernsehsender, der nicht darauf einging. Von Vielem war dabei die Rede,
oft auch von seiner Griechenbegeisterung, die er mit Hölderlin teilte, nur nicht davon, dass es Gründe gibt, Schiller in
gewissem Sinne einen "Olympier" zu nennen, der die antiken
Olympischen Spiele in seine Liebe zur klassischen
griechischen Kultur einschloss.
Tatsächlich hatte Schiller bereits eine Vorstellung von den
Olympischen Spielen. Ja, man könnte vielleicht sogar so weit
gehen zu sagen, dass er zu den Wegbereitern der Spiele und
der Olympischen Idee - jedenfalls in Europa - gehört. Mit
seinem Werk trug er - wie auch Hölderlin - dazu bei, die
große Griechenbegeisterung im 19. Jahrhundert in Deutschland (und Europa) anzufachen; und mit seinem Verweis auf
die klassischen Olympischen Spiele half er mit, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Coubertins Bemühungen um
die Wiederbelebung der Olympischen Spiele auf einen bereits
fruchtbar gemachten Boden fallen konnten.
Obwohl Schiller in Marbach
am Neckar geboren wurde,
rechnen die Bürger Stuttgarts ihn meistens zu den
ihrigen, obwohl er in seinem
späteren Leben Stuttgart
nicht in guter Erinnerung
gehabt haben dürfte. Wir
können aber annehmen, dass
er, würde er heute noch
leben, souverän genug wäre,
sich über seine wenig erfreulichen Stuttgarter Erfahrungen hinweg zu setzen und
dass er sogar bereit gewesen
wäre, als Fürsprecher und
vielleicht sogar als Botschafter der seinerzeitigen Stuttgarter Olympia-Bewerbung
zu wirken. Er liebte nämlich
nicht nur die alten Griechen,
denen wir die Olympischen
50
Spiele letztendlich verdanken; er war auch schon ein bekennender Olympia-Fan. Als solcher outete er sich in seiner
Schrift: "Über die ästhetische Erziehung des Menschen in
einer Reihe von Briefen". Diese Schrift wurde vor über zweihundert Jahren und einhundert Jahre vor den ersten Olympischen Spielen in Athen 1896 im Jahr 1795 veröffentlicht. Es
ging in ihr allerdings nicht primär um den Olympismus,
sondern um Wesen und Sinn des Spiels. Zwar erwähnt Schiller dabei auch schon die Leibesübungen und die Gymnastik den Sport gab es ja noch nicht; dies tat er aber nur, um sie
vom "richtigen" Spiel auszuschließen. Sie sind für ihn kein
"richtiges" Spiel; sie sind körperliches ("physisches") Spiel und
damit bestenfalls eine Vorstufe zu dem "richtigen".
Zu diesem "richtigen" Spiel findet der Mensch, indem er den
in ihm wirkenden Stofftrieb mit dem auch in ihm wirkenden
Formtrieb zu einem "Dritten" vereint. Dieses "Dritte" ist der
besagte Spieltrieb. In ihm versöhnt der Mensch seine Vernunft mit seinen Sinnen und seine Empfindungen mit seinem
Verstand, und er findet damit - ohne in seinem Handeln
einem Mangel oder einem Zwang folgen zu müssen - jenseits
der Grenzenlosigkeit der Freiheit zur Erfüllung seiner ganzheitlichen Bestimmung.
Auch wenn man - so knapp dargestellt
- nicht gleich versteht, was Schiller
meint, es ist genau diese (etwas komplizierte) Vorstellung vom Spiel, von der er
glaubt, dass sie vor 2000 und mehr
Jahren Realität in Olympia wurde, also
in jener klassischen Kultstätte antiken
Sports mit ihren Tempeln, profanen
Bauten, unzähligen Statuen und einem
großen Sportplatz, in der alle vier Jahre
und fast ein Jahrtausend lang die
Olympischen Spiele zu Ehren von Göttervater Zeus abgehalten wurden.
Wegen der vielen Zuschauer waren
dabei große organisatorische Probleme
zu bewältigen, was Schlafen in der
Nacht, Essen am Tag, hygienische
Verrichtungen am Fluss Alpheios Tag
und Nacht, Transport der Athleten,
Zuschauer und Helfer, Durchführung
der Wettkämpfe sowie die Umstände
"Olympier"?
der Tieropfer, zu denen man zwecks Speisung der Massen
eine Menge an Stieren, die ja praktischerweise nicht in Gänze
den Göttern überlassen wurden, benötigte - da haben es
Bewerberstädte heute leichter.
Allerdings sieht Schiller die klassischen Olympischen Spiele
durch seine eigene (rosarote) Brille. Voll Form und Fülle
vereinigen sie, so schreibt er, die Jugend der Phantasie mit
der Männlichkeit der Vernunft. "Wenn sich die griechischen
Völkerschaften in den Kampfspielen zu Olympia in den
unblutigen Wettkämpfen der Kraft, der Schnelligkeit, der
Gelenkigkeit und an dem edleren Wechselstreit der Talente
ergötzen, und wenn das römische Volk an dem Todeskampf
eines erlegten Gladiators oder seines lybischen Gegners sich
labte, so wird es uns (...) begreiflich, warum wir die Idealgestalten einer Venus, (...) eines Apolls nicht in Rom, sondern in
Griechenland aufsuchen müssen."
Nicht nur die Gebildeten im 19. Jahrhundert waren von
Schillers Spielidee begeistert; unter ihnen waren es vor allem
die Griechisch-Lehrer, und
diese natürlich besonders
dann, wenn sie auch noch
Turnen unterrichteten. Sie
schmeichelte es, sich auf
jemanden vom Rang Schillers berufen zu können, der
sie darin bestärkte, mit dem
Turnen etwas zu vertreten,
das auf eine Tradition
zurückblicken konnte, die bis
weit hinein in die
griechische Antike reichte welche Fächer konnten das
schon von sich sagen. Allerdings kannten sie diese
Tradition noch nicht so
genau. Zu vorbehaltloser
Begeisterung gab sie nämlich nicht immer Anlass;
denn bei den Wettkämpfen
in Olympia ging es manchmal ziemlich ruppig zu.
Mancher Athlet ging mit
schmerzhaften Blessuren
Von Ommo Grupe
nach Hause. Andere konnten nicht einmal mehr das, weil sie
beim Kampf um den olympischen Lorbeer ums Leben kamen.
Und manche zu Ehren eines Olympiasiegers errichtete Statue
musste später wieder weggeräumt werden, weil der Preisträger sich doch nicht als besonders tugendhaft erwiesen hatte.
Da Schiller dies alles noch nicht wissen konnte, muss man es
ihm nachsehen, wenn er seiner Zeit und seiner Nachwelt die
Olympischen Spiele als historischen Beleg für die Bedeutung
der ästhetischen Erziehung als ganzheitliche Menschenbildung
präsentierte. Zu seiner Entlastung sollte man aber auch darauf
hinweisen, dass wir Späteren das Wissen darum, dass es nicht
nur sanft und friedlich bei Olympischen Spielen zuging, Althistorikern und Altphilologen unserer Zeit verdanken. Bis es so
weit war, durfte man der Kunde von der kulturellen Großartigkeit der klassischen Olympischen Spiele am Ufer des Alpheios
und am Fuße des Kronos-Hügels Glauben schenken, auf dem
Göttervater Zeus auch des öfteren residierte, wenn er nicht
gerade unterwegs und hinter attraktiven Gespielinnen her war,
wobei er dies gerne in Gestalt eines Tieres tat. Die Griechen
haben ihm das nachgesehen
und uns mit den Olympischen Spielen, mit denen sie
ihren Zeus unabhängig von
seinem manchmal lockeren
Lebenswandel, der ihnen
vermutlich sogar imponierte,
verehren wollten, ein großes
kulturelles Erbe hinterlassen.
Die modernen Olympischen
Spiele sind nicht zuletzt auf
Grund dieses Erbes - auch
wenn es viele Jahrzehnte
gedauert hat - inzwischen zu
einem wirklichen "Kulturgut"
geworden, auch wenn sich in
keiner Ausrichterstadt dieser
Welt noch jemand finden
lässt, der Zeus gleich käme
und wohl auch kaum einen
modernen Schriftsteller oder
Dichter, der Schiller in seiner
Begeisterung für die Griechen
und ihre Spiele überbieten
OF
könnte.
51
J
oseph Boulogne wurde wahrscheinlich am 25. Dezember
1745 auf Guadalupe geboren. Sein Vater war ein wohlhabender französischer Pflanzer, seine Mutter eine
schwarze Sklavin senegalesischer Herkunft. Ab 1753 lebte die
Familie in Paris, 1757 wurde der Vater in den Adelsstand
Joseph war aber auch ein hervorragender Geiger und Cembalospieler. Sein Geigenlehrer war vermutlich der berühmte
Jean-Marie Leclair. Bei Francois-Joseph Gossec studierte er
Komposition. Dieser ernannte ihn zum Konzertmeister des
Orchesters "Concerts des Amateurs", nach zeitgenössischen
Joseph Boulogne Chevalier de
Mozarts schwarzer Fechtbruder
erhoben, und die Familie führte seitdem den Namenszusatz
"de Saint-George".
Josephs Leben mutet auch aus heutiger Sicht eher wie das
einer Romanfigur oder Hollywood-Erfindung an: vielschichtig,
überraschend, faszinierend und in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Seine Biographie wirkt so, als habe jemand die
Lebensläufe gleich mehrerer herausragender Persönlichkeiten
gleichsam übereinander gelegt und so eine Art Kunstmenschen
geschaffen, ein Produkt, das einem keiner abnimmt, so unrealistisch wirkt diese Häufung unterschiedlicher Eigenschaften.
Joseph Boulogne war Musiker, Komponist, Sportler, Soldat und
ein politisch aktiver Mensch vor und während der Französischen Revolution, dazu noch Freimaurer und Schwarzer.
Mit 13 Jahren kam er für sechs Jahre in ein - so würde man
heute sagen - Fechtinternat zu dem bekannten Fechtmeister
Nicolas Texier La Boëssière, mit dessen Sohn er sich anfreundete. Dieser beschrieb seinen Fechtstil später so: "Sein linker
Fuß war fest und unbeweglich und sein rechtes Bein absolut
gerade." Seine Attacken nannte er "so schnell wie der Blitz".
Noch während seiner Ausbildung besiegte er den berühmten
Fechtmeister Alexandre Picard aus Rouen. Sein Vater schenkte
ihm dafür ein englisches Pferd und eine zweirädrige Kutsche.
Mit 19 Jahren beendete er die Ausbildung als einer der besten
Fechter Europeas und wurde zum "gendarme de la garde du
roi" ernannt. Seinen berühmtesten Kampf verlor er zwar am
8. September 1766 gegen Guiseppe Faldoni, avancierte dabei
aber zum Publikumsliebling. Er war außerdem Reiter,
Schwimmer, Boxer, Pistolenschütze, Eisläufer und Tänzer. So
soll er im Winter mit nur einem Arm durch die Seine
geschwommen sein.
52
Berichten eines der besten Sinfonieorchester in Paris und
wahrscheinlich auch in Europa. Es bestand aus 40 Geigen und
Bratschen, zwölf Celli, acht Kontrabässen sowie Flöten, Oboen, Klarinetten, Trompeten, Hörnern und Fagotten.
Joseph Boulogne debütierte 1772 in diesem Orchester mit
zwei eigenen Violinkonzerten (op. 2), die ihn schlagartig als
Geigenvirtuosen bekannt machten. 1773 übernahm er als
Nachfolger von Gossec auch die Leitung des Orchesters. Im
selben Jahr erschienen seine sechs Streichquartette (op. 1).
Mit weiteren Violinkonzerten und den Symphonies concertantes op. 6 etablierte er sich 1775 auch als Komponist.
1775 wurde er als Direktor der Acadeémie royale de musique
(der Pariser Oper) vorgeschlagen, erhielt die Stelle aber nicht,
nachdem einige Sängerinnen und Tänzerinnen eine Petition
an die Königin, Marie-Antoinette, gerichtet hatten, in der sie
betonten, dass es ihnen wegen ihrer Ehre und ihres Gewissens
unmöglich sei, von einem Mulatten Anweisungen entgegen
zu nehmen.
1777 schrieb Saint-George seine erste Oper "Ernestine", im
Jahr darauf die zweite "La Chasse". Außerdem komponierte er
weitere sechs Streichquartette und drei Violinkonzerte, 1778
die Symphonies concertantes op. 10 und 1779 seine beiden
Symphonien op. 11. 1778 führte die Académie royale de
musique Mozarts Ballettmusik "Les Petits Riens" auf, in der
gegen Ende ein Thema von Saint-George auftaucht, das
Mozart vermutlich in Paris gehört hatte.
Um 1777 trat Saint-Georges als "Lieutenant des Chasses de
Pinci" in die Dienste des Herzogs von Orléans, wo er sich vor
allem an künstlerischen Aktivitäten beteiligte. Wegen finanzieller Engpässe wurde 1781 das "Concert des amateurs"
aufgegeben, bald danach aber durch das "Concert de la Loge
olympique" ersetzt. Das Orchester war eine Einrichtung der
Freimaurerloge "l´Olymique de la Parfait Union" und Saint-
Saint-George:
Von Hans Jägemann
Georges, einer der ersten schwarzen Freimaurer in Frankreich,
wurde zum Konzertmeister ernannt. 1778 reiste er nach
Wien, um bei Joseph Haydn sechs Sinfonien in Auftrag zu
geben, deren Uraufführung mit seinem Orchester in Paris
unter seiner Leitung stattfand. Die Werke heißen
seitdem Pariser Sinfonien.
1785, nach dem Tod seines
Arbeitgebers, des Herzogs
von Orléans, kam SaintGeorges aus Geldmangel
auf seine sportlichen Fähigkeiten zurück und beteiligte
sich an einer Reihe sensationeller Fechtwettkämpfe.
Beispielsweise arrangierte
der Prince of Wales eine
Fechtvorführung in London,
bei der der 42jährige SaintGeorges gegen eine 59
Jahre alte Französin, die
Chevaliere d´Éon antrat.
Saint-Georges war mit 40
die Achillessehne gerissen;
er war deshalb nicht mehr
so flink wie früher, konnte
aber immer noch effektvoll
parieren und attackieren.
Die "Chevaliere" war in
Wirklichkeit Charles d´Éon
de Beaumont, ein Diplomat,
der, als Frau verkleidet, viele Jahre lang für den französischen König im Ausland spionierte.
Später diente Saint-Georges dem neuen Herzog von Orléans,
der für seine revolutionäre Einstellung bekannt war, und
reiste mit ihm
1789 ein weiteres
Mal nach England.
Bei seinen Besuchen in England
kam er mit der
Anti-SklavereiBewegung in
Kontakt. Später
half er, eine
Gruppe französischer Schwarzer
namens "Société
des arms des
noirs" zu gründen.
Als im Juli 1789
die Französische Revolution ausbrach, lebte Saint-Georges in
Lille. Er wurde dort Mitglied der revolutionstreuen Nationalgarde und 1790 zum Capitaine ernannt. In Lille organisierte
er Konzerte und Fechtvorführungen und schrieb an einer
weiteren Oper.
Wegen seiner
Beziehungen zum
Ancien Régime
und seines Adelstitels wurde er
allerdings argwöhnisch beobachtet und unterschrieb fortan mit
"Monsieur de
Saint-Georges".
Am 1. September
1791 bat eine
Delegation von
Farbigen die
Nationalversammlung um Erlaubnis, sich unter
Waffen für die
Revolution und
ihre egalitären
Ideale einsetzen
zu dürfen. Am
nächsten Tag kam
die Zustimmung,
und es wurde ein
53
Corps aus 800 Infanteristen und 200 Kavalleristen unter
Führung von Saint-Georges aufgestellt. Der offizielle Name
lautete "Légion franche de cavalerie des Américains", die
Truppe wurde aber rasch als "Légion Saint-Georges" bekannt.
Stellvertretender Leiter war Alexandre Dumas, ebenfalls Sohn
eines französischen Aristokraten und einer schwarzen Sklavin,
der Vater des berühmten Romanciers Alexandre Dumas,
bekannt als Autor der "Drei Musketiere".
Saint-Georges und seine Truppe wehrten erfolgreich einen
Angriff der Österreicher auf Lille ab. Die Behörden begannen
danach dennoch, Farbige aus der Legion zu entfernen. Auch
die Heldenrolle von Saint-Georges währte nicht lange. Er
wurde wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten
denunziert, am 4. November 1793 ohne Prozess eingekerkert
und schließlich am 24. Oktober 1794 wieder freigelassen.
Im Frühjahr 1797 kam er nach Paris zurück und übernahm
wieder sein letztes Orchester. Während seiner letzten beiden
Lebensjahre lebte er allein in einer kleinen Wohnung und
starb am 10. Juni 1799 an einer unbehandelten Blatterninfektion. Es wird berichtet, dass alle Zeitungen seiner mit Respekt
und Ergriffenheit gedachten.
54
Die Sklaverei war am 4. Februar 1794 für alle französischen
Kolonien abgeschafft worden, doch das Gleichheitsideal, dem
sich Saint-Georges verschrieben hatte, fiel bald in Ungnade.
Napoleon Bonaparte schickte Truppen nach Guadalupe mit
dem Befehl, die Sklaverei wieder einzuführen. Die Schwarzen
wehrten sich heftig, unterlagen aber den Truppen unter
General Antoine Richepance. Um nicht wieder Sklaven werden zu müssen, sprengten sich Hunderte mit einem Munitionsdepot in die Luft. 1804 erklärte die Kolonie ihre Unabhängigkeit und wurde so zur ersten schwarzen Republik der
Welt.
Im Dezember 2001 beschloss der Pariser Stadtrat, die "Rue
Richepance" in "Rue du Chevalier de Saint-Georges" umzubenennen. Dies hatten Franzosen, die aus Westindien stammten,
angeregt. Die Straße erinnert nun an den "Schwarzen
Mozart", an ein Universalgenie, ein Multitalent, eine lebendig
gewordene Figur aus einem Märchenbuch: Joseph Boulogne
Chevalier de Saint-Georges. Zumindest seine Musik bleibt
lebendig: Die Noten sind erhalten, und es gibt eine Reihe
guter CD-Aufnahmen. Außerdem ist sein Leben 2003 verfilmt
worden: "Le Mozart Noir: Reviving a Legend" (als DVD erhältOF
lich; siehe: www.cbcshop.ca).
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Hans Mayer-Foreyt
Rasenballett - eine Kunstausstellung besonderer Art
A
ls eine der Gastgeberstädte für Spiele der FIFA Weltmeisterschaft in Deutschland wartete Leipzig gleich mit drei
Kunstausstellungen zum Thema Fußball auf: "Ballkünstler" im
Museum der bildenden Künstler und "Herr der Regeln" im
Stadtgeschichtlichen Museum. Während die eine das Phänomen Fußball unter den verschiedensten Aspekten und die
andere die Rolle des Schiedsrichters in der Geschichte und
Gegenwart anschaulich zur Schau stellte, überraschte die
dritte im Ausstellungszentrum der Universität Leipzig mit dem
Konzept ihrer Präsentation.
ganzen Vielfalt des Sports auskennen. Im Mittelpunkt steht
natürlich der Fußballsport auf dem Rasen. Bilder erinnern an
Situationen in der Wirklichkeit, an den spielerischen Tanz mit
dem Ball, um den Gegner zu irritieren, oder an das gekonnte
Zuspiel der Stürmer im Angriff auf das Tor des Gegners, die
manchmal einem choreographisch geübten Bewegungsablauf
gleichen und dem Zuschauer ästhetischen Genuss bereiten,
eben wie auch das Ballett. Die ausgestellten Werke der Malerei,
Grafik und Plastik zeichnen sich durch eine bemerkenswerte
Vielfalt der Themen und bildkünstlerischer Sichtweisen aus.
Schon der Titel "Rasenballett" lässt ahnen, dass sich die Schöpfer der ausgestellten Werke der bildenden Kunst als Fans in der
So konfrontiert beispielsweise das Gemälde von Harald Metzges (1) den Betrachter mit einer stürmischen Zweikampfsze-
56
OF-G ALERIE
Bernd Göbel
ne, während Hans Mayer-Foreyt (2) den Jubel von Fans nach
einem Tor der eigenen Mannschaft miterleben lässt. Der
Grafiker Joachim Scholz (3) reflektiert mit seinen Zeichnungen eine eindrucksvolle Szene, den erfolgreichen Abschluss
einer Standardsituation im Torraum. Der Linolschnitt von
Helga Borisch (4) lässt mit dem Umkreisen des Balls an einen
Tanz denken. Hans Ticha (5) mahnt in seiner eigenwilligen
Bildsprache voller Ironie, dass bei aller Hingabe im Fußballsport die menschlich-geistige und körperliche Individualität
nicht deformiert werden darf. Und die spöttische Warnung
vor einem allzu übertriebenen Siegesrausch nach einem
erfolgreichen Spiel nimmt durch die dreifigurige Bronzegruppe des Bildhauers Bernd Göbel (6) überzeugende Gestalt an.
Die Besonderheit der Ausstellung besteht nicht zuletzt darin,
dass sie sich nicht auf das Thema Fußball beschränkt, sondern
sie konfrontiert den Besucher mit Werken von anderen Sport-
OF-G ALERIE
Manfred Schubert
arten wie dem Turnen von Manfred Schubert (7) und dem
Fechten von Rainer Schade (8) sowie mit Themen aus dem
Radsport, der Leichtathletik und dem Wassersport.
Nahezu alle ausgestellten Kunstwerke sind Schöpfungen von
ostdeutschen Künstlern. Sie zählen zur Kunstsammlung der
ehemaligen Deutschen Hochschule für Körperkultur und
wurden 1991 von der Universität Leipzig übernommen. Der
Kustodie der Universität ist zu danken, dass eine Auswahl
dieser einmaligen Sammlung anlässlich der Fußballweltmeisterschaft von der Öffentlichkeit besichtigt werden konnte.
Der Wunsch, dass die Sammlung "Sport in der bildenden
Kunst" eines Tages wieder ständig zu besuchen sein möge, ist
durch diese Ausstellung bestärkt worden.
Günter Witt
57
Harald Metzges
Joachim Scholz
58
Rainer Schade
Helga Borisch
Nachrichten des DOSB
DOSB-Präsidium
positioniert sich im
Anti-Doping-Kampf
DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach fest: "Wir
plädieren gemeinsam mit unseren Mitgliedsverbänden eindringlich dafür, sich auf
juristisch machbare und wirkungsvolle
Maßnahmen zur Erhöhung der Effektivität
des Kampfes gegen Doping zu konzentrieren." DOSB-Vizepräsidentin Prof. Dr. Gudrun
Doll-Tepper berichtete in diesem ZusamDas Präsidium des Deutschen Olympischen
menhang über erste Aktivitäten der AntiSportbundes (DOSB) hat in seiner Sitzung
Doping-Vertrauensleute des DOSB. Meike
am 15. August 2006 in Frankfurt am Main
Evers (Doppel-Olympiasiegerin im Rudern),
seine "Null-Toleranz-Politik" im Kampf
Monique Garbrecht-Enfeldt
(neunfache Weltmeisterin und
Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen im Eisschnelllauf) und Frank Busemann
(Zehnkampf-Silbermedaillengewinner bei den Olympischen
Spielen 1996) werden sich im
Herbst den Olympiastützpunkten und Eliteschulen des Sports
vorstellen, um möglichst bald
mit ihrem Einsatz vor Ort
beginnen zu können. Um der
Situation zu begegnen, dass laut
Ist optimistisch, das Doping-Problem im engen SchulterStasi-Unterlagengesetz dem
schluss mit dem Staat lösen zu können: DOSB-Präsident
Sport ab 21.12.2006 keine
Dr. Thomas Bach.
Überprüfungen von Mitarbeitern
mehr ermöglicht werden, hat
das Präsidium des DOSB den
früheren Bundesbeauftragten Joachim
gegen Doping im Sport bekräftigt und
Gauck gebeten, dem DOSB als Beauftragter
seinen festen Willen erklärt, weiterhin alle
zur Verfügung zu stehen.
Mittel einzusetzen, die geeignet sein können, diesen Kampf erfolgreich zu gestalten.
Es ist der Überzeugung, dass dies nur mit
einem komplexen Paket von Maßnahmen
erreicht werden kann, das die hinter dem
Doping stehenden Netzwerke wirksam
bekämpft. In derartigen Strukturen sind
nach Auffassung des DOSB-Präsidiums die
Sportlerinnen und Sportler Opfer und Täter
zugleich, in jedem Falle aber Teil des Systems, das es zu bekämpfen gilt. Das Präsidium begrüßte ausdrücklich alle neuen
Aktivitäten im Anti-Doping-Kampf, wie sie
Auch anlässlich eines Treffens führender
beispielsweise vom Bund Deutscher Radfah- Vertreter der Länderministerien Ende Juli in
rer, dem Deutschen Schwimm-Verband und
Frankfurt/M brachte DOSB-Präsident Bach
dem Deutschen Skiverband für ihre jeweilieinen eindringlichen Appell zur Einrichtung
gen Sportarten eingeleitet werden und sieht von Schwerpunktstaatsanwaltschaften vor.
sich auch durch das Votum der SprecherThema des vom Bremer Innen- und Sportsegruppe der Spitzenverbände in seiner Nullnator Thomas Röwekamp initiierten fachmiToleranz-Politik bestätigt. Als Fazit stellte
nisterkonferenz-übergreifenden Spitzenge-
spräches mit dem deutschen Sport war die
schulische und universitäre Ausbildung von
Spitzensportlern in Deutschland. "Seit
Jahren gibt es in Deutschland ein Vollzugsdefizit", kritisierte Dr. Thomas Bach am
Rande seines Vortrags vor den Vertretern
der Sportministerkonferenz, der Kultusministerkonferenz sowie der Hochschulrektorenkonferenz und forderte sie gleichzeitig
zu einem verstärkten Engagement auf.
Neben dem Arzneimittelgesetzt seien die
von ihm geforderten Schwerpunktstaatsanwaltschaften geeignete Instrumente um
organisierte Netzwerke des Dopings zu
zerstören. Die Länder sollten sich umgehend
auf die Einrichtung einer Anti-DopingSchwerpunkt-Staatsanwaltschaft verständigen. Dies wäre ein erster wichtiger Schritt
zur erhöhten Abschreckung. Parallel dazu
sollten weitere gesetzliche Maßnahmen
geprüft werden, wie sie im Bericht der
"Rechtskommission des Sports gegen
Doping" dargelegt sind. Indirekt reagierte
der DOSB-Präsident damit auch auf die
Forderungen des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber und einzelner Fachverbandspräsidenten, die ein Anti-Doping-Gesetz
anmahnten, bevor die bestehenden Möglichkeiten konsequent genutzt werden.
Sportsperren sind
wirksamer als staatliche
Dr. Bach fordert Ländermi- Sanktionen gegen Aktive
nister zur Einrichtung von Auch in einem Kommentar für die FrankfurAllgemeine Zeitung und einem ausführSchwerpunktstaatsanwalt- ter
lichen Interview mit dem sportinformationsdienst hat Dr. Bach die Haltung des
schaften auf
DOSB dargelegt, "Es geht allein um die
höchstmögliche Effektivität beim Kampf
gegen Doping", sagte Dr. Bach dem sid.
Ordentliche Gerichte müssten auf alle
möglichen Ausreden der Athleten Rücksicht
nehmen. Sportgerichte dagegen können
allein auf Grund einer positiven Dopingprobe schnell, hart und international durchsetzbar bestrafen, "Ein mehrjähriges Berufsverbot trifft sie jedenfalls härter als gegebe-
59
nenfalls eine Bewährungsstrafe durch ein
ordentliches Gericht", erklärte Bach. Auch
zusätzliche staatliche Strafen will der DOSBPräsident nicht in Erwägung ziehen, zum
einen, weil staatliche Gerichte dem Athleten
in jedem Einzelfall die Schuld nachweisen
müssten und dadurch Freisprüche und
Verfahrenseinstellungen sehr viel wahrscheinlicher sind als bei Sportgerichten, zum
andern, weil mit Berufsverbot plus Gefängnis womöglich die rechtstaatlich geforderte
Verhältnismäßigkeit zwischen Tat und Strafe
nicht mehr gewährleistet wäre. Erst vor
wenigen Wochen habe der Europäische
Gerichtshof entschieden, dass er diese
Ärzte bemühen sich um das Leben des
Radsportlers Tom Simpson, der am 13. Juli
1967 bei der Tour de France an den Folgen
der Einnahme von Dopingmitten verstarb.
Verhältnismäßigkeit bei zukünftigen Fällen
beurteilen wird. In der Folge würden Sportverbände und Sportgerichte erst abwarten
müssen, wie die ordentlichen Gerichte
entscheiden, was Monate oder Jahre dauern
könne. "Denn wenn sie zuvor Strafen
aussprechen, gehen sie ein hohes Risiko ein,
auf Schadenersatz verklagt zu werden, falls
das Gericht zu einem anderen Urteil
kommt". Gegenwärtig sei ein Urteil des
Internationalen Sportschiedsgerichtshofes
CAS weltweit sofort durchsetzbar und führe
zu weltweitem Startverbot, was das Urteil
eines nationalen Gerichtes so nicht erreichen könne", erklärte Dr. Bach. Der DOSB
wolle schärfere Gesetze gegen die Hintermänner der Athleten, da der Sport diese mit
seinen Mitteln nicht hart genug belangen
kann. Dafür soll zum Beispiel das Strafmaß
erhöht werden und neben den jetzt schon
zulässigen Durchsuchungen könnten auch
Abhörmaßnahmen möglich werden. "In all
diesen Fragen sind wir mit Innenminister
Wolfgang Schäuble seit längerem im Gespräch und ich gehe davon aus, dass sich
der Bundestag im Herbst damit befasst",
sagte Bach.
sie die offene und konstruktive Gesprächsatmosphäre und berichteten über eine breite
Zustimmung der Aktiven bei der Etablierung
der Vertrauensleute. Im Herbst seien Treffen
mit der Vollversammlung der Aktiven, den
Leitern der Olympiastützpunkte, den Fachverbänden und der NADA vorgesehen.
"Neben sportpolitischen und juristischen
Weichenstellungen verlangt der Kampf
gegen Doping heute verstärkt präventive
Maßnahmen", sagte Meike Evers nach dem
Treffen im Haus des Sports. "Wir wollen
Aktiven neben Trainern, Betreuern, Medizinern und Offiziellen eine weitere Gesprächs-
DOSB-Präsident traf sich
mit Vertrauensleuten
Die Anti-Doping-Vertrauensleute Meike
Evers, Doppel-Olympiasiegerin im Rudern
und Frank Busemann, Zehnkampf-Silbermedaillengewinner, haben interessierte und
betroffene Spitzensportlerinnen und Spitzensportler nach einem ersten Meinungsaustausch mit DOSB-Präsident Dr. Thomas
Bach und Vizepräsidentin Prof. Dr. DollTepper in Frankfurt/Main ermuntert, in einen
engen und vertrauensvollen Dialog mit
ihnen einzutreten. Übereinstimmend lobten
Meike Evers
Frank Busemann
Auf dem 1.909 m hohen Mont Ventoux
erinnert heute ein Gedenkstein an den
Engländer, dessen Tod 1967 für das IOC
Anlass zur Gründung seiner Medizinischen
Kommission und Auftakt zum Kampf gegen
Doping war.
60
Sind im DOSB für Fragen der Dopingprävention zuständig:
Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper …
Monique Garbrecht-Enfeldt.
Konkretes Handeln und keine überflüssigen Gesetzesdiskussionen
DOSB-Präsidium verabschiedete Katalog zur "Null-Toleranz-Politik"
Das Präsidium des Deutschen Olympischen
Sportbundes (DOSB) bekräftigte in seiner
Sitzung am 15. August 2006 in Frankfurt am
Main seine "Null-Toleranz-Politik" im Kampf
gegen Doping im Sport und erklärte seinen
festen Willen, weiterhin alle Mittel einzusetzen, die geeignet sein können, diesen Kampf
erfolgreich zu gestalten. Es ist der Überzeugung, dass dies nur mit einem komplexen
Paket von Maßnahmen erreicht werden kann,
das den kriminellen Netzwerken im Doping
Paroli bietet. Darin sind die Sportlerinnen und
Sportler Opfer und Täter, in jedem Falle aber
Teil des Systems, das es zu bekämpfen gilt.
Deshalb ist ein Miteinander von Sport und
Staat notwendig, das gesetzliche Maßnahmen
und sportinterne Regelungen verbindet. Der
Streit um ein Anti-Doping-Gesetz geht damit
am Kern der Problematik vorbei. Im Einzelnen
befürwortet das Präsidium - weitgehend in
Übereinstimmung mit den Vorschlägen der
seiner Zeit vom Deutschen Sportbund (DSB)
eingerichteten Rechtskommission des Sports
gegen Doping (ReSpoDo) - folgende Initiativen:
1. Der Anti-Doping-Kampf beginnt mit
gezielter Prävention, die sich auf die
Sportlerinnen und Sportler selbst, aber
auch auf junge Menschen insgesamt
bezieht. Die hierfür eingesetzten finanziellen Mittel müssen erheblich ausgeweitet werden. Gefordert wird eine Fortführung und Ausweitung durch öffentliche
Mittel an die NADA, damit diese ihre
Präventionsaufgaben besser wahrnehmen
kann.
2. Der Doping-Prävention dient auch die
Tätigkeit der "Anti-Doping-Vertrauensleute", die der DOSB vor kurzem ernannt hat
und die ihre Arbeit aufgenommen haben.
Der DOSB wird sie weiterhin unterstützen.
3. Das System der Doping-Kontrollen muss
quantitativ mindestens im bisherigen
Umfang beibehalten, qualitativ weiterentwickelt sowie finanziell abgesichert
werden.
4. Medikamente mit Inhaltsstoffen, die von
den Verboten des § 6a) Abs. 1 AMG
erfasst werden, unterliegen bislang keiner
besonderen Kennzeichnungspflicht. Es
wird vorgeschlagen, solche Dopingrelevanten Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen mit Warnhinweisen, Warnzei-
chen oder Erkennungszeichen auf der
Packungsbeilage zu versehen (Kennzeichnungspflicht gem. einer zu erlassenden
Doping-Warnhinweisverordnung bezogen
auf alle Dopingmittel i.S.d. Arzneimittelgesetzes i.V. mit der Liste des europäischen Übereinkommens gegen Doping i.V.
mit § 6a) Abs. 3 AMG).
5. Der freie Warenverkehr für Medikamente,
die als Dopingmittel einzustufen sind,
sollte durch Ergänzung des AMG aufgehoben werden, solange die Mitnahme von
medizinisch indizierten Substanzen
zulässig bleibt. Neben der Einfuhr von
Dopingmitteln im Reiseverkehr sollte
auch deren Bezug im Postversand gesetzlich unterbunden werden.
6. Fitness-Studios und ähnliche Betriebe
sollten ausdrücklich der "Regelüberwachung durch Polizei und Ordnungsbehörden unterworfen werden". Damit bestünde u.a. die Möglichkeit des Betretens von
Räumlichkeiten, der Sicherstellung von
Unterlagen, der Probenahme usw. Hierzu
wäre eine entsprechende Ergänzung des §
64 AMG notwendig.
7. Die Strafbarkeit gem. § 6a) i.V.m. § 95
AMG sollte erweitert werden. Dies bezieht
sich auf die gewerbsmäßig und zunehmend erkennbaren organisieren Strukturen des Inverkehrbringens/Handels von
Dopingsubstanzen. Insofern wird vorgeschlagen, dass das bandenmäßige sowie
das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von
entsprechenden Substanzen als besonders
schwerer Fall des § 6a) AMG mit einer
Mindeststrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren bedroht wird. Damit soll vor allem
erreicht werden, dass das offizielle
Ermittlungsinstrumentarium (Telefonüberwachung, Durchsuchungen u.ä.) voll
ausgeschöpft werden kann.
8. Die Voraussetzungen für die Einbeziehung
anaboler Steroide in das Betäubungsmittelgesetz mit dem Ziel, deren Besitz für
strafbar zu erklären, sind zu prüfen. Dies
setzt voraus, dass anabole Steroide in
ihrer Gefährlichkeit, d.h. in ihrem Abhängigkeitspotenzial oder ihrer Eignung als
Einstiegsdroge zumindest vergleichbar
mit Cannabinoiden und Kokain sind. Ein
pharmakologisches Gutachten sollte diese
Frage klären. Damit würden die Möglich-
keiten staatlicher Ermittlungen ausgeweitet. Die Sanktionierung positiv getesteter
Athleten muss weiterhin durch die
Sportgerichtsbarkeit erfolgen, damit das
Prinzip der uneingeschränkten Verantwortlichkeit ("strict liability") nicht
gefährdet wird.
9. Die unverkennbaren Vollzugsdefizite bei
der Ermittlung von Straftaten im Zusammenhang mit Doping müssen auch durch
die Einrichtung von SchwerpunktStaatsanwaltschaften verbessert werden.
Nur durch geschulte und auf Doping
fokussierte Ermittlungsbehörden ist eine
wirkungsvolle Bekämpfung des gesamten
Dopingnetzes im konkreten Fall zu
gewährleisten.
10. Der Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping definiert
bestimmte Mindeststandards bei der
Dopingbekämpfung, deren erfolgreiche
Umsetzung in den Verbänden durch
Einbeziehung in die Förderrichtlinien des
Bundesinnenministeriums sichergestellt
werden sollte. Bei Nichteinhaltung dieser
Standards sollten im Rahmen der öffentlichen Förderung finanzielle Sanktionen
verhängt werden. Auch muss jede Form
direkter oder indirekter finanzieller
Unterstützung gedopter Sportler/-innen
eingestellt werden.
11. Der DOSB begrüßt und unterstützt alle
zielführenden Aktivitäten im AntiDoping-Kampf, wie sie beispielsweise vom
Bund Deutscher Radfahrer, dem Deutschen Schwimm-Verband und dem
Deutschen Skiverband für ihre jeweiligen
Sportarten eingeleitet werden.
12. Das DOSB-Präsidium unterstützt die
Bemühungen auf internationaler Ebene,
den WADA-Code so zu verändern, dass
die Höchststrafe von zwei Jahren auf vier
Jahre schon beim Erstvergehen erhöht
wird.
Der DOSB plädiert erneut eindringlich dafür,
sich auf juristisch machbare und wirkungsvolle Maßnahmen zur Erhöhung der Effektivität des Kampfes gegen Doping zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang ist die Einführung eines Straftatbestandes "Sportbetrug"
rechtlich problematisch und praktisch nicht
zielführend.
61
alternative in der Dopingfrage anbieten", so
die mittlerweile im Hauptberuf als Kriminalkommissarin tätige Meike Evers weiter. Im
jetzigen Stadium sei es wichtig, Aufgaben
und Anliegen der Vertrauensleute bei den
Aktiven bekannt zu machen. "Den Athletinnen und Athleten muss jede erdenkliche
Hilfe zuteil werden, um der Versuchung
verbotener leistungsfördernder Mitteln zu
widerstehen und über die Problematik und
die Folgen von Doping aufgeklärt zu sein",
ergänzte Zehnkämpfer Frank Busemann.
Auch in Richtung Öffentlichkeit seien die
Vertrauensleute ein wichtiges Signal des
deutschen Sports. "Die Öffentlichkeit muss
wissen, dass der Sport permanent alles in
seiner Macht stehende tut, um vertrauenswürdig zu bleiben", so Frank Busemann der
übereinstimmend mit Meike Evers über sehr
positive Rückmeldungen zu seinem Engagement im Anti-Doping-Kampf berichtet.
Neben Meike Evers und Frank Busemann
war die beim aktuellen Gespräch im Haus
des Sports verhinderte mehrfache Weltmeisterin und Medaillengewinnerin bei
Olympischen Spielen im Eisschnelllauf,
Monique Garbrecht-Enfeldt, im Juni vom
DOSB-Präsidium berufen worden, um
jungen Sportlerinnen und Sportlern mit
ihrer Erfahrung und ihrem Wissen als
unabhängige Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. DOSB-Präsident Dr. Bach
erläuterte anlässlich des Treffens noch
einmal die "Null-Toleranz"-Politik des
deutschen Sportdachverbandes im Kampf
gegen Doping. Er stellte zudem erneut klar,
dass Sport und Staat ihre jeweiligen Möglichkeiten konsequent und in engem Schulterschluss miteinander ausschöpfen müssten. Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper unterstrich, Doping widerspreche dem Geist der
Fairness und verstoße fundamental gegen
die Olympische Idee.
Müller sein Fazit der abschließenden Gesprächsrunde des DOSB-Präsidiums in
Frankfurt auf den Punkt. Die transparente
Vorgehensweise, die DOSB-Präsident Dr.
Thomas Bach und sein Präsidium eingeführt
hätten, mache die Entscheidungsfindungen
im Sport besser nachvollziehbar.
Am Abend des 4. September waren neben
Bach die DOSB-Vizepräsidentin Ilse RidderMelchers (Frauen und Gleichstellung) und
die DOSB-Vizepräsidenten Eberhard Gienger
(Leistungssport) und Walter Schneeloch
(Breitensport) angereist.
Einen Schwerpunkt der Diskussion bildeten
Fragen der künftigen Finanzierung der
umfangreichen Aufgaben und Angebote des
Sports. Vereine, Verbände und Landessportbünde forderten eine deutliche Positionierung des Sports in der Frage der künftigen
Verteilung von Erlösen aus Wettspielen und
Lotterien.
Zum Thema Anti-Doping-Kampf schilderten
Dr. Christa Thiel (DSV) und Dieter Kühnle
(BDR) Überlegungen, gemeinsam mit
Dopinglabors Blutprofile von Athleten zu
erarbeiten und über sport- und strafrechtliche Ansätze hinaus auch zivilrechtliche
Hebel wie Vertragsstrafen gegen DopingTäter anzuwenden. Letzteres sei neben
Wettkampfsperren die "empfindlichste
Stelle", an der man Doper treffen könne, so
Thiel.
Für die Arbeitgemeinschaft der Wintersportverbände kündigte der Präsident des Deutschen Snowboardverbandes, Dr. Otmar Spies
ein Positionspapier an, dass die Haltung von
Spitzenverbänden, Landessportbünden und
DOSB in dieser Frage unterstütze. LSBPräsident Müller ergänzte, auch der LSB
Hessen stimme in der Frage der effektiven
Bekämpfung des Dopings völlig mit der
Position des DOSB überein.
Anschauungsunterricht in gelebter
Integration hatte
das DOSB-Präsidium
zuvor anlässlich des
jeder Regionalkonferenz vorgeschalteten Vereinsbesuches
erhalten: der
Frankfurter Stadtteilverein SG Sossenheim 1878 bietet
neun Sportarten für
1900 Mitglieder aus
47 Nationen an.
DOSB-Präsident Dr.
Thomas Bach
dankte im Rückblick
den Teilnehmern
aller sechs Regionalkonferenzen in
Bremen (3.7.),
Düsseldorf (4.7.),
Erfurt (7.7.), Berlin
(10.7.), München
(20.7.) und Frankfurt
für Anregungen und
konstruktive Kritik:
Struktur- und
Finanzierungsfragen im
Mittelpunkt der DOSBRegionalkonferenzen
"Die Regionalkonferenzen stellen einen
erfreulichen Stil in der Kommunikation
zwischen DOSB und seinen Mitgliedern dar"
- so brachte der Präsident des gastgebenden Landessportbundes Hessen, Dr. Rolf
62
In zentralen Regionen des Landes fanden von Juli bis September 2006
Regionalkonferenzen des DOSB statt.
"Das Präsidium
wollte das Arbeitsprogramm des
DOSB, das im
Dezember auf der
Mitgliederversammlung in Dresden
vorgestellt werden soll, gemeinsam mit
seinen Mitgliedern erarbeiten. Wir haben
den intensiven Meinungsaustausch mit
Verbänden, Landessportbünden und Vereinen bewusst gesucht und freuen uns, dass
unser Angebot angenommen wurde."
Als Schwerpunkte hätten sich unter anderem die Mitgliederbefragung, die finanzielle
Situation des DOSB, Sportwetten, die
Strukturreform im Leistungssport und die
Anti-Doping-Strategie herausgestellt. Zu
den weiteren Eckpunkten gehörten Bildung
und Olympische Erziehung,
Breitensport/Sportentwicklung, dsj, Internationales, Frauen im Sport sowie die Vermarktungschancen im DOSB. Die Anregungen der Vertreter der Mitgliedsorganisationen zu den einzelnen Themenbereichen
seien in einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre entgegen genommen und beantwortet worden.
Vor jeder Regionalveranstaltung hatten sich
Präsidiumsmitglieder über die Entwicklung
und Situation einzelner Sportvereine vor Ort
informiert. Die Vereine SG Oslebshausen,
Allgemeiner Rather Turnverein 77, MTV
1880 Erfurt, TV GutsMuths 1861, Post SV
München und SG Sossenheim 1878 nutzten
die Gelegenheit, ihre Vorstellungen und
Forderungen an den Dachverband zu
übermitteln. Diese sind u.a. die Entlastung
des Ehrenamts durch Bürokratieabbau, keine
weitere Streichung von Vereinsförderprogrammen, mehr Leistungsorientierung im
Schulsport, mehr Schutz der Vereinsvorstände vor Steuer- und Rechtsproblemen und
eine stärkere Förderung des Ehrenamtes.
Bereich, eine große Nähe zu
Oddset, die es zu nutzen gilt.
2.
Die Teilnehmer/-innen
sind sich darin einig, dass das
Urteil des BundesverfassungsGerichts vom 28. März 2006 zur
rechtlichen Gestaltung der
Sportwetten für den Gesetzgeber beide Möglichkeiten offen
lässt. Sowohl eine ordnungsrechtliche Regelung der Bundesländer als auch eine wirtschaftsrechtliche KonzessionieUmstritten: Die Monopolstellung der Sportwette Oddset.
rung durch den Bundesgesetzgeber. Diese Möglichkeiten
gelten vorbehaltlich eventueller
vertreten, die Landessportbünde durch Dr.
Einschränkungen durch EU-Recht.
Ekkehard Wienholtz (Schleswig-Holstein).
Teil der DFB-Delegation war auch der
3. Die Teilnehmer/-innen sind sich ebenPräsident des Ligaverbandes, Werner Hackfalls darin einig, dass jede Form einer
mann. Zur weiteren Verfolgung ihrer geNeuregelung des Sportwettenmarktes
meinsamen Interessen im Bereich der
aus Sicht des Sports von folgenden
Sportwetten/Glücksspiele wurden folgende
Voraussetzungen ausgehen muss.
Verabredungen getroffen:
3.1 Der Bereich der Sportwetten ist, unab1. Der deutsche Sport legt grundsätzlich
hängig von seiner rechtlichen EinordWert auf die Feststellung, dass Sportnung, von faktischer Marktausweitung
wetten ohne Sportveranstaltungen,
im gesamten europäischen Bereich
insbesondere des Fußballs, nicht möglich
gekennzeichnet. Dies erfordert neue
sind und deshalb Erträge aus diesen
Strategien des Sports.
Wetten bevorzugt dem Sport bzw.
Fußball zugute kommen müssen. Jede
3.2 Jede Neuregelung im Marktsegment
legale Sportwette muss eine Wette mit
Sportwetten ist sorgfältig auf ihre
dem Sport und für den Sport sein. Unter
rechtlichen und faktischen Auswirkunden Beteiligten besteht aus den Erfahgen auf den "Gesamtmarkt" Glücksspiele
rungen und der bisherigen Zusammenzu prüfen.
arbeit, insbesondere im gemeinnützigen
Spitzentreffen und
Kommuniqué zum Thema
Sportwetten und
Glücksspiele
Die Zukunft der Sportwetten war Gegenstand eines Spitzentreffens des deutschen
Sports zu dem der Präsident des Deutschen
Olympischen Sportbundes, Dr. Thomas Bach
Vertreter von Spitzenverbänden und Landessportbünden am 22. August in Frankfurt
am Main begrüßte. Für den Deutschen
Fußballbund nahm Präsident Dr. Theo
Zwanziger teil, die Fachverbände wurden
durch DSV-Präsidentin Dr. Christa Thiel
Wettgipfel: Kamen in Frankfurt/Main zum Spitzengespräch zusammen: Ekkehard Wienholtz, Dr.
Christa Thiel, Dr. Thomas Bach, Dr. Theo Zwanziger und Werner Hackmann.
63
3.3 Jede Neuregelung im gesamten Glücksspielbereich muss eine Ausweitung
verbindlich abgesicherter Zweckerträge
bzw. Einnahmen für den gesamten
Sport gewährleisten.
3.4 Eine gesetzliche Neuregelung darf nicht
ohne angemessene und rechtzeitige
Beteiligung des Sports, d.h. in Federführung der Dachorganisation DOSB in
enger Abstimmung mit DFB/DFL und
unter Beteiligung der LSB und Spitzenverbände entwickelt und verabschiedet
werden. Der Sport erwartet insbesondere die Möglichkeit zur erneuten Mitarbeit in der vorbereitenden Arbeitsgruppe
der Länder.
4. Die Teilnehmer/-innen erwarten, dass
bei einer einvernehmlichen Regelung
der Bundesländer, die zur Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Dezember 2006
erkennbar sein soll, eine Beteiligung des
Sports an den Zweckerträgen der
Glücksspiele mindestens in bisherigem
Umfang sowie an den Umsätzen des
Sportwettenbetreibers Oddset gewährleistet ist.
5. Die Teilnehmer/-innen vereinbaren, mit
den Ländern unter Einbeziehung des
Sportwettenanbieters Oddset in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten,
eine "Sportförderungsgesellschaft",
bestehend aus Oddset, dem Deutschen
Fußball-Bund und dem DOSB zu bilden,
die dem Sport gesetzlich zugewiesene
Umsatzanteile aus Oddset zur Förderung
des Sports einsetzt. Im Innenverhältnis
soll die Aufteilung der Erträge zwischen
DOSB und DFB im Verhältnis von eins zu
fünf erfolgen.
6. Die Teilnehmer/-innen sind sich bewusst, dass eine schnelle Auswertung
des in Auftrag gegebenen Gutachtens
des Max-Planck-Instituts für Wettbewerbsrecht zum sogenannten "Veranstalterschutz" und das von der DFL
intern vergebene Gutachten zu europarechtlichen Konsequenzen und Rahmenbedingungen einer eingeschränkten
Konzessionierung erfolgen muss und
ggf. eine Neupositionierung des Sports
erforderlich macht. Sie verabreden für
diesen Fall eine umgehende Zusammenkunft.
64
EU-Büro koordiniert DOSB
Initiativen zur deutschen
Ratspräsidentschaft
daillistin der Universitäts-Weltmeisterschaften im Rudern, wird als Projektkoordinatorin
erste Ansprechpartnerin für die DOSBInitiativen anlässlich des deutschen Vorsitzes.
Thilo Friedmann, Leiter des EU-Büros des
deutschen Sports, war im Juli Gast des
DOSB-Präsidiums. Eine aktuelle Mitgliederbefragung, die noch vom Deutschen Sportbund initiiert wurde, hatte die Bedeutung
und die Leistungen dieser Einrichtung
eindrucksvoll bestätigt. Das EU-Büro des
deutschen Sports existiert seit 1993. Seine
Aufgaben lassen sich mit europapolitischer
Information, Beratung und Lobbying umschreiben. Insgesamt arbeiteten fünf Kolleginnen und Kollegen in dem Büro. Als
"Horchposten" und "Frühwarnsystem" für
den deutschen Sport betreibt das EU-Büro
des deutschen Sports ein umfangreiches
Monitoring, denn zahlreiche EU-Themenfelder besitzen Relevanz für den Sport. Beispielhaft können die Themen "Binnenmarktpolitik", "Arbeit und Soziales" und die
"Badegewässerrichtlinie" angeführt werden.
Insbesondere bei der Beantragung von
Fördermitteln geht
die Einrichtung
darüber hinaus
einem umfangreichen Beratungsauftrag nach. Hier gilt
es, die einzelnen
Ressourcen wie z. B.
in den Bereichen
"Lebenslanges
Lernen" oder "Energetische Sanierung"
auf Möglichkeiten
der Nutzung durch
den Sport zu prüfen.
Nicht zuletzt durch
die Assoziierung
zahlreicher europäischer Sportdachorganisationen (u.a.
aus GB, NL, DEN,
SWE) hat das Büro
eine enorme Aufwertung erfahren. In
Vorbereitung auf die
deutsche EURatspräsidentschaft
2007 hat das EUBüro Verstärkung
bekommen: Stephanie Primus, frischgebackene Bronzeme-
Weltkongress Breitensport
in Havanna
Vom 31. Oktober bis zum 3. November 2006
findet in Havanna auf Kuba der 11. Weltkongress zu Fragen des Breitensports (Sport
for All) statt. "Körperliche Aktivität - Nutzen
und Herausforderungen", lautet das diesjährige Kongress-Thema. Organisator der "Sport
for All-Kongresse" sind seit 1998 die örtlichen Nationalen Olympischen Komitees
(NOK), in diesem Fall das Nationale Olympische Komitee für Kuba. Die Schirmherrschaft hat das IOC. Es arbeitet dabei mit der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und
mit der Vereinigung der Internationalen
Fachverbände (GAISF) zusammen. An der
Spitze des Koordinierungs-Komitees für den
Kongress steht DOSB-Präsidiumsmitglied
und IOC-Mitglied Prof. Walther Tröger, der
auch die IOC-Breitensportkommission leitet.
"Das Ereignis bietet ein exzellentes Forum
zum Austausch von Ideen und Initiativen
auf dem Feld des Breitensports", erläutert
Tröger. Ziel des diesjährigen Kongresses sei
Analyse und Stärkung der Angebote der
globalen "Sport für Alle" Bewegung. Erwartet werden etwa 1000 Delegierte aus über
100 Ländern. Unter ihnen werden voraussichtlich auch IOC-Präsident Dr. Jacques
Rogge und IOC-Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch sein. Das Programm wird
von 15 Hauptrednern, fünf Plenar-Sessionen und zahlreichen parallelen Arbeitssitzungen getragen. Es ist auf der Homepage
http://www.sportforallcuba2006.com einsehbar. Anmeldungen sind über das Kongress-Sekretariat des NOK für Kuba möglich.
Adresse: Postal Code: Apartado Postal 6658,
Habana 6. C.P.10600, Telefon:
+5378328441/832 8350 /8320636, Fax:
+5378343459, e-mail: secretariado@
sportforallcuba2006.com . Die Internationalen Breitensportkongresse finden seit 1986
statt. Seit 1994 arbeitet das IOC dabei mit
der WHO zusammen, seit 1996 mit GAISF.
Die zurückliegenden Kongresse fanden 2004
in Rom (zum Thema "Breitensport als
Werkzeug von Erziehung und Entwicklung"),
2002 in Arnhem("Sport für alle und Spitzensport - Konkurrenten oder Partner"), 2000 in
Quebec ("Sport für alle und die Aufgaben
der Regierungen") und 1998 in Barcelona
("Sport für alle und globale Herausforderungen für die Erziehung") statt. Die Berichte
dieser Kongresse sind im Internet-Portal des
IOC abrufbar: http://www.olympic.org/uk/
organisation/commissions/sportforall/
congress_uk.asp
Noch zwei Jahre bis zu den
Olympischen Spielen in
Peking
Hein Verbruggen, Vorsitzender der IOCKoordinierungskommission Peking 2008 hat
Mitte August 2006 eine IOC-Delegation zu
einem Besuch zu den Schauplätzen der
kommenden Olympischen Spiele geführt.
Die aus Mitgliedern der IOC-Verwaltung und
IOC-Experten bestehende Gruppe überzeugte sich vor Ort vom Fortschritt der Arbeiten.
Die Koordinierungskommission selbst tagt
wieder im Oktober. Der Besuch fand zeitgleich zum 1. Treffen der TV-Anstalten in
Piktogramme wecken die Vorfreude auf die kommenden Olympischen Sommerspiele, die vom
8.-24. August 2008 in Peking stattfinden.
65
Peking statt. Genau zwei Jahre vor Beginn
der Olympischen Spiele in Peking wurden
die Sportarten-Piktogramme dieser Veranstaltung veröffentlicht. Die kleinen "Ikonen",
die zu jeder Ausgabe der Olympischen
Spiele neu gestaltet werden, müssen vom
IOC und den Internationalen Fachverbänden
genehmigt werden und finden umfassende
Anwendung vor und während der Olympischen Spiele. So erscheinen sie auf offiziellen Publikationen, Souvenirs, in TV-Sendungen und vielen weiteren Formen der visuellen Kommunikation bis hin zu den Hinweistafeln an den Olympischen Sportstätten. Die
insgesamt 35 Piktogramme präsentieren
Disziplinen aller 28 Olympischen Sommersportarten. Sie vereinen traditionelle chinesische Linien mit modernen Gestaltungselementen.
Patrick Hickey neuer
EOC-Präsident
Der Ire Patrick Hickey, wurde Anfang am 29.
Juli 2006 zum neuen Präsidenten der
Vereinigung Europäischer Olympischer
Komitees (EOC) gewählt. Er folgte dem
Italiener Mario Pescante, der das EOC seit
2001 angeführt hatte und nun zum EOCEhrenpräsident ernannt wurde. Zum neuen
Generalsekretär wurde Raffaele Pagnozzi
gewählt. Der gebürtige Dubliner Hickey ist
als ehemals international aktiver Judoka und
Träger des schwarzen Gürtels dieser Sportart
Ehrenpräsident der Irischen Judo-Vereinigung und Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Irland. Dem EOC hat er
von 1997 bis 2001 als Vizepräsident und ab
2001 als Generalsekretär gedient. Unter den
Teilnehmern der EOC-Mitgliederversammlung war neben Repräsentanten von insgesamt 48 europäischen Nationalen Olympischen Komitees auch IOC-Chef Dr. Jacques
Rogge, der das Amt des EOC-Präsidenten
von 1989 bis 2001 bekleidet hatte.
Verfolgen eine Linie im Kampf gegen Doping:
IOC-Präsident Dr. Jacques Rogge und IOCVizepräsident und DOSB-Präsident Dr.
Thomas Bach
Kampf gegen Doping und Arzneimittelmissbrauch zur größten Herausforderung des
Sports wird. "Der Kampf gegen Doping
besitzt für uns erste Priorität und seit vier
Jahren betreiben wir ihn konsequent mit
Null-Toleranz und allen uns zur Verfügung
stehenden Mitteln", erklärte IOC-Präsident
Dr. Jacques Rogge. Die Ereignisse dieses
Sommers seien in vielerlei Hinsicht sehr
enttäuschend, aber sie sollten nicht dazu
führen in den Anstrengungen zugunsten
eines sauberen Sports nachzulassen, meinte
Rogge. Rogge wies auf die Notwendigkeit
intensivierter Kontrollen aber auch verstärkte Anstrengungen im Hinblick auf die
Prävention hin. In dem aktuellen Statement
erinnert die Dachorganisation der olympi-
schen Bewegung daran, dass Doping nicht
nur Betrug ist, sondern auch enorme gesundheitliche Folgen und Konsequenzen hat.
Gleichzeitig unterstreicht das IOC, dass es
dem Problem während Olympischer Spiele
durch eine erhöhte Kontrolldichte und eine
Erweiterung des Kontrollzeitraums begegnet.
Ergänzend zu den obligaten Tests der fünf
Erstplazierten wurden die Zufallskontrollen
bei Olympischen Spielen erheblich ausgeweitet. Die Disziplinarkommission unter der
Leitung von DOSB-Präsident Dr. Thomas
Bach führt ggf. eigene Untersuchungen
durch, arbeitet wie während der Olympischen Winterspiele Turin 2006 wenn nötig
mit staatlichen Behörden zusammen und
unterstützt die Arbeit der Welt-Anti-DopingAgentur WADA. Arbeitsgruppen der IOCDisziplinarkommission sind derzeit mit der
Aufarbeitung der Fälle Balco sowie Walter
Mayer beschäftigt.
Neuer Look der
IOC-Website
Das Internationale Olympische Komitee
(IOC) hat Anfang August eine neue Website
publiziert. Sie soll allen Olympiafans und
insbesondere auch den Medien in aller Welt
einen noch besseren Zugriff auf olympisches Wissen gewährleisten und setzt dabei
Auch für das IOC besitzt
der Kampf gegen Doping
erste Priorität
Das Internationale Olympische Komitee (IOC)
hat angesichts der spektakulären Dopingfälle
im Sommer 2008 daran erinnert, das der
66
Eine der am häufigsten besuchten Seiten im Internet ist die Seite www.olympic.org des Internationalen Olympischen Komitees.
nicht nur auf Textinformationen, sondern
auch auf vielfältige audiovisuelle Darstellungselemente. In einer aktuellen Mitteilung
hat das IOC einige Zugriffsdaten für seinen
Internetauftritt veröffentlicht. So ist das am
meisten aufgesuchte Aktiven-Porträt das
von Nadia Comaneci. Die durchschnittliche
Verweildauer von Besuchern der Homepage
während der Olympischen Spiele beträgt 24
Minuten. Mehr als 1.000 Videos befineen
sich auf olympic.org, sie wurden in den
letzten acht Monaten mehr als 1 Million
mal aufgerufen. Während der Olympischen
Spiele vom 10. bis 26. Februar wurde die
Seite insgesamt mehr als 5 Millionen,
während er ersten acht Monate 2006 mehr
als 9 Millionen mal aufgerufen.
Bewegung im
deutsch-uruguayischen
Leichtathletik-Projekt
Das vom Auswärtigen Amt in Berlin aus
Mitteln des Auswärtigen Kulturfonds
geförderte deutsche Leichtathletik-Langzeitprojekt in Uruguay kann weitere Erfolge
verbuchen. Zum ersten Mal in seiner fast
neunzigjährigen Geschichte veröffentlicht
der Uruguayische Leichtathletik-Verband, in
Kooperation mit dem Projekt, eine eigene
offizielle Verbandszeitschrift mit dem Titel
"Atletismo Uruguay". "Ich verstehe die
Publikation dieser Zeitschrift als ein weiteres Zeichen der fortschreitenden Entwicklung und Modernisierung der Leichtathletik
in Uruguay", sagt Projektleiter Björn Wangemann. Bis zum voraussichtlichen Abschluss des Projekts Ende 2007 wird "Atletismo Uruguayo" als eine Gemeinschaftspublikation des deutschen Projekts und desnationalen Leichtathletik-Verbandes Verbandes
erscheinen. "Ich werde mich in der Zukunft
Schritt für Schritt aus der Redaktion zurückziehen, so dass die lokalen Mitarbeiter
die Zeitschrift dann nach Projektende
selbstständig und ohne die Hilfe des Projekts herausgeben können. Neben der
redaktionellen Mitarbeit unterstützt das
Projekt "Atletismo Uruguay" im Moment
auch finanziell. Wir werden daher schon
jetzt, auch mit Hilfe der Deutschen Botschaft, beginnen, Sponsoren zu finden,
damit die finanzielle Basis für die weitere
Publikation über 2007 hinaus gesichert ist."
Es ist dem Projekt bereits gelungen, für die
Publikation die deutsche Sportbelagfirma
Polytan, die insgesamt drei Kunststoffbahnen in
Uruguay verlegt hat,
als Hauptsponsor zu
gewinnen. Daneben
unterstützen auch
die Firmen Schenker
und Schering die
Herausgabe der
Zeitschrift. Die erste
Nummer enthält
neben News und
technischen Informationen auch
Geleitworte des
Deutschen Botschafters in Uruguay, Dr.
Volker Anding, sowie
des Präsidenten des
Nationalen Olympischen Komitees von
Uruguay und IOC
Mitglieds, Dr, Julio
Magglione.
Mit deutscher Unterstützung: Informationen für Leichtathletik-Fans in Uruguay
Auch mit der kürzlich erfolgten
Gründung eines
weiteren regionalen
Leichtathletik-Verbandes im Norden des
Landes konnte das Projekt auch in diesem
Bereich sichtbare Fortschritte machen.
Damit wurden seit Aufnahme der deutschuruguayischen Entwicklungszusammenarbeit in der Leichtathletik im September
2004 unter maßgeblicher Mitwirkung des
Projekts insgesamt sechs neue Verbände
gegründet, die nunmehr Anspruch auf ein
Förderpaket des Projekts haben, dass die
Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen
und Ausstattung mit Fachliteratur und
Trainingsgeräten zum Ziel hat. "Im DOSB
freuen wir uns natürlich über die Fortschritte unseres Projekts in Uruguay und besonders die neuen Wege, die mit der Herausgabe einer Verbandszeitschrift sowie der
Verbesserung der leichtathletischen Organisationsstrukturen im Landesinneren beschritten werden", unterstreicht die Leiterin
der Abteilung Internationale Zusammenarbeit des DOSB, Katrin Merkel. Im Rahmen
des deutschen Leichtathletik-Langzeitprojekts in Uruguay werden schließlich in enger
Abstimmung mit der Deutschen Botschaft
Montevideo zwei weitere uruguayische
Stipendiaten, die Sportlehrer und Trainer
Lionel de Melo und Bruno Perez Ende
August 2006 nach Deutschland reisen, um
sich an der Universität Leipzig im Bereich
Die beiden Stipendiaten bei der offiziellen Verabschiedung am 21. August in der Deutschen Botschaft durch
die Kanzlerin Rosemarie Sperr-Lohner und die Vertreterin
des Kulturbereichs, Frau Annette Madest.
67
des Allgemeinen Konditionstrainings fortzubilden. Der Kurs, der vom Auswärtigen Amt
im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik
der Bundesrepublik Deutschland finanziert
wird, beginnt am 1. September 2006 und
endet am 31. Januar 2007. Die beiden
Teilnehmer werden nach ihrer Fortbildung in
Deutschland Aufgaben im Programm des
Leichtathletik-Projekts in Uruguay übernehmen, dass seit September 2004 in diesem
südamerikanischen Land vom Entwicklungsexperten Björn Wangemann durchgeführt
wird. "Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen mit in Deutschland fortgebildeten
Stipendiaten gemacht, die nach ihrer
Rückkehr in die Arbeit des Projekts integriert werden konnten. Damit setzen wir das
Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" in die Praxis
um", meint Wangemann. Derzeit studieren
auch zwei uruguayische Leichtathletiktrainer an der Ausländertrainerschule des DLV
an der Universität Mainz. Auch diese Trainer
werden im Rahmen der Projektaktivitäten
eingesetzt werden.
Deutsche Experten in
Kambodscha und Sri Lanka
Eine Sportwissenschaftlerin und zwei
Sportstättenbauer aus Deutschland reisten
im August nach Kambodscha und Sri Lanka,
um den Sport in diesen Ländern im Auftrag
des Deutschen Olympischen Sportbundes
mit deutschem know-how zu unterstützen.
Ihre Arbeit wird durch Mittel des Auswärtigen Amtes ermöglicht, die zum Einsatz
kommen, um Sportbeziehungen mit Ländern der Dritten Welt im Rahmen der
Auswärtigen Kulturpolitik zu fördern.
Bestandteil der Projekthilfe sind Gerätespenden an die Projektpartner vor Ort.
Romy Mäuslein aus Freiburg bildet in enger
Zusammenarbeit mit dem NOK für Kambodscha und dem kambodschanischen Volleyballverband für Behinderte vom 01. August
bis zum 15.12.2006 in Phnom Penh und
weiteren Städten Trainer- und Übungsleiter
aus- und fort. Darüber hinaus engagiert sie
sich für den Aufbau von Sportstrukturen
und die Lehrerfortbildung. Gleichzeitig wird
Romy Mäuslein prüfen, ob die von ihr bei
ihrem vorangegangenen Projekteinsatz im
Jahr 2005 aufgebauten noch bestehen und
weitergeführt wurden. Dabei liegen ihr
insbesondere der Rennrollstuhlsport, der
Behindertensport von Frauen, die Lehreraus-
68
Wurden mit Hilfe deutscher Unterstützung und aus einfachsten Mitteln hergestellt: Basketballkörbe in Sri Lanka
bildung und der Sport mit behinderten
Kindern am Herzen. Romy Mäuslein ist
Referentin im Lehrteam des Deutschen
Rollstuhl-Sportverbandes, bringt umfangreiche praktische Erfahrungen im Gesundheits-und Rehabilitationssport mit und hat
ihre Diplomarbeit dem Thema "Rehabilitatives Interventionsprogramm für Rollstuhlfahrer" gewidmet. Darüber hinaus kann sie
auf den Aufbau von Rollstuhlsportgruppen
im Kinder- und Erwachsenenbereich und
zahlreiche Praktika in Kliniken und Einrichtungen für Querschnittsgelähmte verweisen
Wo Klaus Blessing aus Frankfurt am Main
im Auftrag des DOSB unterwegs ist, da geht
es meist um Sportgeräte und Sportstätten.
Vom 5. bis 20. August setzt auch er zusammen mit Dr. Marcus Scherer (Stuttgart) in
Sri Lanka ein Projekt fort, das bereits im
Oktober 2005 begonnen hat. Wegen der
Tsunami-Katastrophe waren dort viele
Familien ins Landesinnere umgesiedelt
worden. In den neu entstandenen Siedlungen von Kalutara und Payagala wurden
Vereine und Schulen mit einfachen Sportanlagen und Sportgeräten versorgt. In
diesem August wurden vier weitere Sportanlagen für Fußball, Handball und Hockey in
den durch den Tsunami beeinträchtigten
Regionen geschaffen werden. Dazu werden
in enger Zusammenarbeit mit den Projekt-
partnern vor Ort Kleinfeld-Tore gefertigt.
Speziell für das bei Mädchen beliebte
Netball-Spiel (eine Art Korbball) werden
Korbballständer und Netze gefertigt. Klaus
Blessing ist als Experte für Sportplatzbauten
seit vielen Jahren für deutsche Sportorganisationen und soziale Einrichtungen wie u.a.
die SOS-Kinderdörfer tätig.
"Eine Stadt für eine Welt" Baunatal spendete Bälle
und Trikots für Afghanistan
Unter dem Motto "Eine Stadt für eine Welt"
haben Bürger und Vereine der Stadt Baunatal
Trikots und Fußbälle für Afghanistan gesammelt. Die Übergabe der Spende durch Bürgermeister Manfred Schaub an die Leiterin
der Abteilung Internationales des Deutschen
Olympischen Sportbundes Katrin Merkel
erfolgte am 27. Juli.2006 in der DOSBGeschäftsstelle in Frankfurt am Main. Die
Aktion geht zurück auf eine Talkshow zu
Fragen der Entwicklungshilfe mit dem
bekannten Experten Holger Obermann im
Dezember in Baunatal zurück. Obermann
hatte damals statt eines Honorars eine
Ballspende erbeten. "Mit 30 Bällen macht
Impressum
Olympisches Feuer
Zeitschrift des Deutschen Olympischen
Sportbundes und der
Deutschen Olympischen Gesellschaft
Herausgeberkollegium:
Bernhard Schwank (DOSB), Dieter Krickow (DOG),
Steffen Haffner, Michael Gernandt
Chefredakteur: Harald Pieper
Redaktion: Dr. Stefan Volknant, Dr. Andreas Höfer,
Kerstin Rehhahn
Redaktionsanschrift:
Dr. Stefan Volknant
Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt
Telefon: 0 69 / 6 70 02 27, Fax: 0 69 / 67 00 12 27
E-Mail: [email protected]
DOSB-Abteilungsleiterin Katrin Merkel mit Baunatals Bürgermeister Manfred Schaub (r.) und
Entwicklungs-Experte Holger Obermann.
man in Afghanistan 300 Kinder glücklich"
erklärte der ehemalige TV-Mann seinem
Publikum. Baunatal hat diese Aussage als
Herausforderung betrachtet zur Ballspende
noch 300 gut erhaltene Trikots hinzuzufügen. "14.000 der 18.000 Baunataler sind
Mitglied in unseren Sportvereinen. Unsere
gute Sportinfrastruktur wird wie selbstverständlich vorausgesetzt. Da war es doch
sinnvoll, sich einmal damit auseinanderzusetzen wie viel Freude ein Ball oder ein Trikot
in anderen Teilen der Welt auslösen können",
sagt Bürgermeister Schaub. Abteilungsleiterin
Merkel dankte Schaub für das Engagement
der Baunataler Vereine und Holger Obermann für Vermittlungstätigkeit und unermüdlichen Einsatz. "Derartige private Spenden entlasten das schmale DOSB-Budget für
Sportgeräte in Ländern der Dritten Welt und
damit auch das Auswärtige Amt, das unsere
Projekte finanziert", sagte Katrin Merkel und
versprach die Sportausrüstung umgehend
nach Afghanistan zu transportieren. Dort
läuft seit 2003 unter deutscher Federführung
eine Maßnahme zum Wiederaufbau des
afghanischen Fußballs.
5. Sportwissenschaftliches
Olympiaseminar
In Fortführung einer vom NOK für Deutschland 1998 erstmalig initiierten und erfolgreich fortgeführten Veranstaltung für
Hochschulen bereitet der Deutsche Olympische Sportbund gegenwärtig das im September 2006 stattfindende 5. Sportwissenschaftliche Olympiaseminar vor. Veranstaltungsort ist die Internationale Olympische
Akademie (IOA) in Olympia/Griechenland.
Anliegen des Seminars ist es, in Verbindung
mit dem Erlebnis von Olympia einen facettenreichen interdisziplinären Diskurs über
historische, gegenwärtige und zukünftige
Aspekte olympischer Entwicklung zu führen.
Das Seminar bietet die Möglichkeit des
Austausches zwischen Studierenden und
Dozenten sowie Dozentinnen aus unterschiedlichen akademischen Einrichtungen.
Die Vorbereitung der Teilnehmer erfolgte
durch eine entsprechende fach- und themenorientierte, auf die olympische Problematik im engeren wie im weiteren Sinne
bezogene Lehrveranstaltung am Heimatort
als Hauptseminar, Projektkurs o. ä.
Als teilnehmende Einrichtungen/Inland sind
bestätigt (Dozenten/studentische Teilnehmer): Univ. Augsburg (1/7), TU Darmstadt
(1/7), Univ. Duisburg-Essen (1/7), Univ.
Flensburg(1/7), Univ. Greifswald (0/5), Univ.
Hamburg (1/7), Univ. Hannover (1/7),
TH/Univ. Heidelberg (1/7), Univ. Leipzig (1/7),
Univ. Mainz (1/7), TU München (1/4), Univ.
Osnabrück (1/7). Von den Universitäten
Wien und. Lubljana (nehmen je ein Dozent
und vier Studenten teil). Der Tagesablauf
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird
durch eine Ringvorlesung, Seminare, Praxis
und Besichtigungen bestimmt.
Harald Pieper
Stieglitzstraße 2
63263 Neu-Isenburg
Telefon: 0 61 02 / 5 22 62
Herstellung, Vertrieb & Verlag:
Peter Kühne Verlag
Theodor-Heuss-Straße 11
63303 Dreieich
Telefon: 0 61 03 / 8 07 91 70,
Telefax: 0 61 03 / 8 07 91 71
E-Mail: [email protected]
Grafische Gestaltung: Werner Pettersch, Dreieich
Schlussredaktion/Anzeigenleitung: Peter Kühne
Die Zeitschrift erscheint 6 x jährlich.
Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag der
Deutschen Olympischen Gesellschaft abgegolten.
Druck: HMS-Druckhaus GmbH
Benzstraße 57 - 59, 63303 Dreieich
Telefon: 0 61 03 / 93 39-0.
Das Olympische Feuer ist zu beziehen durch:
Geschäftsstelle der Deutschen Olympischen
Gesellschaft, Otto-Fleck-Schneise 12 - Haus II,
60528 Frankfurt am Main,
Telefon: 0 69 / 69 50 16-0,
Telefax: 0 69 / 6 77 18 26,
E-Mail: [email protected],
Frankfurter Sparkasse,
Kontonummer 200313592,
Bankleitzahl: 500 502 01
Das Olympische Feuer ist ein Diskussionsforum.
Mit Namen gekennzeichnete Artikel müssen nicht
unbedingt der Meinung der Redaktion, des DOSB
bzw. der DOG entsprechen.
Titelgrafik: Hans Borchert
Fotos, Illustrationen, Karikaturen:
Hans Borchert
Steffi Brachmann
Uli Gasper
Hans Haberzettl
picture-alliance/dpa
Markus Stegner
69
Sportförderung in Ländern der 3. Welt in 2007
Auch im Jahr 2007 wird das Auswärtige Amt aus Mitteln der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wiederum die Sportförderung in Ländern der Dritten Welt, China sowie Mittelund Osteuropa mit finanzieren.
Gefördert wird in erster Linie die Entsendung deutscher Trainer zur Ausbildung von Multiplikatoren in den Partnerländern. Die Projektdauer kann sich auf 2 Wochen, aber auch auf
bis zu 4 Jahre belaufen.
Traditionell werden auch wieder sportliche Begegnungsmaßnahmen der deutschen Spitzenverbände mit der VR China unterstützt.
Darüber hinaus können ausländische Trainer zu den Lehrgängen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes nach Mainz bzw. des Deutschen Fußball-Bundes nach Hennef, aber
auch an die Universität Leipzig eingeladen werden.
Antragsberechtigt sind die deutschen Spitzenverbände sowie deren ausländische Partnerorganisationen, inkl. deren NOKs und Sportdachorganisationen.
Die Anträge sollten mit einem detaillierten Kostenplan sowie einer ausführlichen Projektbeschreibung bis spätestens zum 15. Oktober 2006 an den
Deutschen Olympischen Sportbund
z.Hd. Frau Katrin Merkel
Abteilung Internationale Zusammenarbeit
Otto-Fleck-Schneise 12
60528 Frankfurt/Main
Tel.: 069 - 6700 213
Fax : 069 - 6771229
E-Mail : [email protected]
erfolgen.
70
Nachrichten der DOG
Ehrung für Dieter Krickow
Anlässlich seines 70. Geburtstags am 8. Juli
erwartete Dieter Krickow, den Vizepräsidenten der Deutschen Olympischen Gesellschaft,
neben zahlreichen persönlichen Gratulanten
und Glückwunschschreiben noch eine
besondere Überraschung. Im Namen des
Bundespräsidiums überreichte der Berliner
DOG-Vorsitzende Hans-Jürgen Bartsch dem
Jubilar die Silberne Ehrenplakette der Deutschen Olympischen Gesellschaft.
Damit würdigt die Deutsche Olympische
Gesellschaft Dieter Krickow für sein außergewöhnliches Engagement für die Olympische Idee und die Organisation im Besonderen. In der Begründung des Präsidiums
heißt es: "Dieter Krickow ist seit dem Jahr
2000 Präsidiumsmitglied. Er hat das Amt in
einer Zeit übernommen, in der die Deutsche
Olympische Gesellschaft in einer prekären
wirtschaftlichen Lage war. Mit seinem
Sachverstand und seinem
Engagement hat er dazu beigetragen, dass die Krise abgewendet werden konnte und die
Deutsche Olympische Gesellschaft heute mit neuen Inhalten
und einer gesunden wirtschaftlichen Basis arbeiten kann." Als
Vizepräsident für Kommunikation und Werbung ist Dieter
Krickow verantwortlicher Mitherausgeber der Zeitschrift "Olympisches Feuer". Zudem engagiert
er sich im Vorstand der Berliner DOGLandesgruppe.
Neben dem ehrenamtlichen Engagement bei
der Deutschen Olympischen Gesellschaft,
deren Mitglied Dieter Krickow seit 1990 ist,
arbeitet der Berliner als Geschäftsführer des
Deutschen Olympischen Instituts. Bei all
diesen Aktivitäten hilft es ihm auch, dass er
selbst auf eine olympische Karriere zurückblicken kann. Bei den Spielen 1960 in Rom
war er als Aktiver im Modernen Fünfkampf
dabei. An den Olympischen Spielen 1972 in
München nahm er dann noch einmal teil diesmal als für den Modernen Fünfkampf
verantwortlicher Funktionär. Da war es für
ihn selbstverständlich, dass er sein Wissen in
die Berliner Olympiabewerbung für 2000
einbrachte.
Gut möglich, dass Berlin die olympische
Erfahrung von Dieter Krickow bald wieder
benötigt, denn in der Stadt ist eine erneute
Olympiabewerbung im Gespräch. Die
Deutsche Olympische Gesellschaft jedenfalls
kann sich auf seine weitere aktive Mitarbeit
freuen, wie der Geehrte selbst versicherte.
Nur für Mitglieder: Sportbücher zum Exklusiv-Preis
Die großen sportlichen Höhepunkte des
Jahres 2006, die Olympischen Winterspiele
von Turin und die Fußball-Weltmeisterschaft
in Deutschland, sind bereits Geschichte.
Doch drei Publikationen der Olympischen
Sportbibliothek lassen jetzt Begeisterung,
Dramatik und außergewöhnliche Leistungen
dieser Topereignisse noch einmal aufleben mit spannenden Berichten, eindrucksvollen
Bildern und umfangreichen Statistiken.
Für die Mitglieder der Deutschen Olympischen Gesellschaft besteht nun die einmalige Gelegenheit, die Bücher "Fußball WM
2006" und "Turin 2006" sowie "Sport Highlights 2005" zum Vorzugspreis von je 29,90
Euro (statt 69,90 Euro) zzgl. MwSt. und
Versandkosten zu erhalten. Weitere Informationen zu den Publikationen gibt es auf
der Internetseite der Olympischen Sportbi-
bliothek www.olympischesportbibliothek.de.
Die Mitglieder richten ihre Bestellung bitte
bis spätestens 30. September 2006 an die
Bundesgeschäftsstelle (Otto-Fleck-Schneise
12, 60528 Frankfurt, Fax 069/6771826,
E-Mail [email protected]).
Berlin
Trauer um Jürgen Kießling
Die Landesgruppe Berlin der Deutschen
Olympischen Gesellschaft trauert um ihr
langjähriges Präsidiumsmitglied Jürgen
Kießling (* 13. Juni 1941, † 13. Juli 2006).
Wie in seiner äußerst erfolgreichen beruflichen Tätigkeit hat sich Jürgen Kießling auch
in seinem Ehrenamt im Präsidium unserer
Zweigstelle mit ganzem Herzen für den
Sport mit seinen olympischen Idealen
eingesetzt und sich damit besonders um die
Deutsche Olympische Gesellschaft verdient
gemacht. In Dankbarkeit denken wir an sein
uneigennütziges und stets hilfsbereites
Handeln zurück. Er wird dem Sport in Berlin
und uns fehlen.
In der Trauerfeier, die auf Wunsch der
Hinterbliebenen in einem kleinen Rahmen
gehalten wurde, hat Senator Klaus Böger im
Namen der Trauergäste die letzten Grußworte gesprochen und dabei in einer
bewegenden Art die Leistungen von Jürgen
Kießling gewürdigt und die tiefe Trauer aller
Anwesenden zum Ausdruck gebracht.
Zutiefst bedauert wurde von allen Freunden
und Kollegen, dass man Jürgen Kießling, der
immer hilfsbereit war und der für jedes
Problem Lösungen gefunden hatte, in seiner
eigenen größten Not nicht helfen konnte.
Auch die Möglichkeit, sich zu seinen Lebzeiten bei ihm für das bisher erreichte zu
bedanken, ist uns allen versagt geblieben.
Nichts beschreibt deshalb die Leistungen
Jürgen Kießlings und die Situation der
Betroffenen besser als wie es Klaus Böger in
seinen Abschiedsworten zum Ausdruck
brachte:
71
"Liebe Trauergemeinde, wir nehmen heute
tief erschüttert Abschied von Jürgen Kießling. Abschied ist immer schwer, hier aber in
ganz besonderer Weise: Niemand hat damit
gerechnet. Jürgen Kießling hat seinem
Leben selbst ein Ende gesetzt. Verstehen
können wir Jürgen Kießlings Entschluss
nicht. Aber wir sind gezwungen, ihn hinzunehmen.
da der internationale Sportkongress SportAccord, das jährliche ISTAF, Turnfest, die
Beachvolleyball WM, die Fußball WM - als
der Höhepunkt seines Wirkens. Hier war
Jürgen Kießling sogar zum Sprecher der
WM-Städte gewählt. Wenn es dann hieß
"Berlin has done a fantastic job" - so war
immer auch und ganz besonders Jürgen
Kießling gemeint. (…)
Jürgen Kießling war beruflich außerordentlich erfolgreich. Er hat dabei sich ganz in
den Dienst der Stadt Berlin gestellt - fast 50
Jahre lang! Nach der Verwaltungslehre 1957
trat er in die Berliner Verwaltung ein,
zunächst im Bezirksamt Wedding, ab 1966
dann in die Senatsschulverwaltung. Dort
hat Jürgen Kießling eine wirklich große
Karriere gemacht: vom Mitarbeiter im
gehobenen Dienst bis zu einer fachlich
versierten Spitzenführungskraft.
Im nun wissenden Rückblick aber fällt uns
auf: Bei aller Zugewandtheit und Eloquenz Jürgen Kießling hat zumindest im beruflichen Umfeld niemanden näher an sich
heran gelassen.
Dies war eine atemberaubende Entwicklung
- insbesondere seit 1989, als er Leiter der
Sportabteilung wurde und damit Gestaltungsmöglichkeiten erhielt, die seinen
Fähigkeiten und seinem Potenzial entsprachen. Die Sportabteilungsleitung war ein
Aufgabenfeld, in dem er mit Herz und
Verstand wirkte. Er führte den Sport der
beiden Teile Berlins fruchtbar zusammen; er
sorgte für eine stärkere Akzentuierung der
Sportförderung in enger Zusammenarbeit
mit dem Landessportbund; er entwickelte
neue Betreibermodelle für die großen
Mehrzweckhallen Berlins; er war der Vater
der Sportmetropole Berlin.
Wir, die wir mit ihm gearbeitet und die wir
ihn gemocht haben, sind fassungslos, dass
wir ihm nicht haben beistehen können in
seiner offensichtlich schwersten Lebenskrise,
ja dass wir nicht einmal davon gewusst
haben.
Liebe Trauergemeinde: Jürgen Kießling ist
tot. Wir sind traurig. Möge Jürgen Kießling
seinen Frieden finden."
Das Präsidium der Landesgruppe Berlin
"Olympischer" Besuch im
Bundeskanzleramt
Wer seine Gäste in das Bundeskanzleramt
einlädt, darf sicher sein, dass fast jeder der
Geladenen dabei sein möchte. So geschehen
Von Anbeginn wuchsen ihm - aufgrund
seiner herausragenden Fähigkeiten - über
die eigentliche Zuständigkeit seiner Abteilung hinausgehende Aufgaben zu. Stellvertretend genannt seien die verantwortliche
Koordination des Turnfests für den Senat
und die Leitung der Projektgruppe zur
Olympiabewerbung Berlins für die Sommerspiele 2000.
Seine Kompetenzen und Erfahrungen ließen
ihn mit den Jahren zum wichtigen Impulsgeber der Sportamtsleiter der Bundesländer
werden und zu einem Mann, den man
fragte, wenn es um Sportentwicklung in
Deutschland ging.
Jedes große Sportereignis in Berlin der
letzten 10 Jahre ist auch mit seiner Hilfe
zustande gekommen, wurde von ihm
begleitet und mitgeprägt. Wenn wir nur die
letzten 2 Jahre in den Blick nehmen, stehen
72
Die DOG Berlin im Bundeskanzleramt.
Ende Mai, als die Berliner Landesgruppe der
Deutschen Olympischen Gesellschaft zu
Führung, Besichtigung der Ausstellung
"Fußball und Zeitgeschichte" und Jubilarehrung in das politische Zentrum Berlins
geladen hatte. Über hundert Mitglieder
hatten sich gemeldet, so dass - den Vorgaben des Kanzleramtes folgend - einigen
Interessierten leider schweren Herzens
abgesagt werden musste.
Nach offizieller Begrüßung durch den auch
für den Sport zuständigen Leiter der Abteilung 1, Dr. Michael Wettengel, freuten sich
die beiden Jubilare Elisabeth Leistikow
(Jahrgang 1910!) und Klaus Dörner über ihre
persönlichen Ehrungen an diesem besonderen Ort. Für ihre 40- bzw. 50jährige Mitgliedschaft in der Berliner Landesgruppe
überreichten Dieter Krickow, Vizepräsident
der Deutschen Olympischen Gesellschaft,
sowie Bettina Iwanowski und Ulrike UfertHoffmann, Präsidiumsmitglieder der Berliner
DOG, den Beiden Ehrennadeln, Urkunden
und bunte Blumensträuße.
Die anschließenden Führungen waren
spannend und interessant und hinterließen
bei allen Beteiligten die fast einhellige
Auffassung, dass - möge man über die
äußere Architektur des Kanzleramtes noch
geteilter Meinung sein - spätestens der
Innenraum mit all seinen Facetten äußerst
gelungen und der Bedeutung des Bauwerks
angemessen sei. Beim anschließenden
erfrischenden Bier im gegenüberliegenden
"Zollpackhof", auch "Kanzlerbiergarten"
genannt, endete dieser Ausflug kurz vor
Beginn der Fußball-WM in entspannter
Runde.
Für alle Zweigstellen, die vielleicht auch
gern das Kanzleramt in Berlin besuchen
möchten, hier die Kontaktdaten:
Bundeskanzleramt, Referat "Besucherdienst", Frau Kim Urbscheit, Tel 01888
4002188 oder
E-Mail [email protected].
Mit Sport und Spiel sprachliche Hürden überwinden
Voller Freude reckten die Kinder der "Kinder
bewegen"-Modellkita "Emdener Straße" ihre
leuchtenden Urkunden in die Höhe; eine
Auszeichnung für ein couragiertes Miteinander bei Sport und Spiel, die der SportÜbungsleiter Jürgen Praechter vom TC RotWeiss Berlin-Mitte im Namen der Deutschen
Olympischen Gesellschaft und aller weiteren
Projektpartner überreichte. "Es ist wunderbar
anzusehen, wie die Kinder spielerisch miteinander umgehen", lobt Praechter seine
Schützlinge, die er von Beginn an mit Sportund Bewegungsstunden betreut.
Die Einrichtung im Berliner Stadtteil Moabit
umfasst gut 200 Kinder, die aus insgesamt
23 verschiedenen Nationen kommen. "Da
erfüllt es uns mit enormen Stolz, dass der
Sport die sprachlichen Hürden überwindet",
so Leiterin Helga Tschitschke-Neufindt,
zumal die neuesten Untersuchungsergebnisse des Moabiter Schularztes einen deutlichen Bewegungsvorsprung der SchulErstklässler der Kita "Emdener Straße"
zeigen.
Beim diesjährigen Sommerfest stand das
runde Leder im Mittelpunkt und lockte
erfreulicherweise viele Eltern in die mit
Landesfahnen der teilnehmenden FIFA WMMannschaften geschmückte Außenanlage im
Berliner Kiez. Gemeinsam mit ihren Kindern
beteiligten sie sich an verschiedenen Sportund Spielaktivitäten und auch der Präsident
der DOG-Landesgruppe Berlin, Hans Jürgen
Bartsch, nahm beim Schaukeln mit seinem
Enkel Philipp kräftig Fahrt auf.
Coburg
Doppelte Ehrenplakette
vergeben
Anlässlich einer Tagung des Coburger
Arbeitskreises "Sport in Schule und Verein"
zeichnete die Zweigstelle Coburg der
Deutschen Olympischen Gesellschaft die in
diesem Jahr erfolgreichsten heimischen
Schulmannschaften im Schulsportwettbewerb "Jugend trainiert für Olympia" aus.
Mit der Ehrenplakette wurden die Gerättur-
Die wissenschaftliche Begleitung, ein weiterer wichtiger Bestandteil des von O2 gesponserten Modellprojekts "Kinder bewegen",
stand in diesem Jahr
unter fachkundiger
Leitung des Sportwissenschaftlers
Martin Holzweg.
Drei Studenten der
Humboldt-Universität Berlin hatten viel
Freude mit den
Kindern bei den
sportmotorischen
Untersuchungen, die
durch die Universität
Karlsruhe als bundesweiter Projektpartner evaluiert
werden. "BemerErfolgreichere Gerätturnerinnen des Coburger Gymnasiums Alekenswert, welche
xandrinum (v. l.): Sparkassen-Marketingleiter Rainer Engelhardt,
koordinativen
Studienrätin Diana Atzpodien, Elisabeth Härtel, Stefanie Gleißner,
Fähigkeiten die
Lena Schuster, Anna-Sophie Schindler, DOG-Geschäftsführer Klaus
Kinder aufweisen",
Anderlik, Lena Schmidt, Vorsitzende Susanne Berger vom Arbeitsso Holzweg, der
kreis Schulsport. Es fehlt Stefanie Hüttner.
bereits für die Kieler
Modellkita "Hansastraße" die Tests
leitete.
Der Lohn für ein Kindergartenjahr voller Bewegung.
Erfolgreiche Tischtennisdamen aus Ebersdorf (v. l.): Rektor Werner
Schumann, Daniela Eckardt, Madeleine Karl, Sparkassen-Marketingleiter Rainer Engelhardt, Lena Nicklasch, DOG-Geschäftsführer
Klaus Anderlik, Melanie Eckardt, Franziska Finsel, Alina Hofmann
und Vorsitzende Susanne Berger vom Arbeitskreis Schulsport.
73
nerinnen des Gymnasiums Alexandrinum
geehrt, die in der Wettkampfklasse II der
Jahrgänge 1989 bis 1991 das Bundesfinale
in Berlin erreichten.Zunächst gewann das
Alexandrinum den Kreis-, dann den Regional- und den Bezirksentscheid. Über Siege
im Nordbayern- und im Bayernfinale qualifizierte sich das Team von Studienrätin Diana
Atzpodien für das Bundesfinale. Vom 2. bis
zum 6. Mai dieses Jahres in Berlin wurde
unter den Landessiegern der 16 Bundesländer ein hervorragender achter Platz erturnt.
DOG-Geschäftsführer Klaus Anderlik wertete
in seiner Laudatio die Turnriege des Alexandrinums, die auf Vereinsebene beim TV
Ketschendorf vom Turngau-Vorsitzenden
Ernst Weitl geformt wurde, als Aushängeschild für die heimische Sportszene.
Die gleiche Auszeichnung ging an die Tischtennisspielerinnen der Volksschule Ebersdorf.
In der Wettkampfklasse III/2 der Jahrgänge
1990 bis 1993 kämpfte sich die Truppe von
Rektor Werner Schumann überraschend bis
ins Bayernfinale in Burglengenfeld durch.
Hier verloren die Ebersdorferinnen, die
verletzungsbedingt auf eine Leistungsträgerin verzichten mussten gegen die Gastgeberinnen nur knapp. Die bayerische Vizemeisterschaft stellt den bislang größten Triumph
der Ebersdorfer Schule in Schulsportwettbewerben dar.
Hans Haberzettl
Darmstadt
Starke Bilder - kitzlige
Fragen
Ausdruckstarke Groß-Fotos aus Athen
anlässlich der Paralympics von Uli Gasper
markierten den Infostand der DOG Darmstadt beim 28. Sport- und Spielfest im
Darmstädter Herrngarten diesmal wesentlich attraktiverer als in den Vorjahren. Wer
nach oder zwischen den über 80 Spielstationen einmal zur Ruhe kommen wollte,
konnte am Zelt der Deutschen Olympischen
Gesellschaft sein olympisches Wissen testen.
Unterschiedliche Quizfragen für Kinder und
Erwachsene sorgten für angeregte Diskussionen, auch unter den Besuchern.
"Ist Fußball olympisch? Gehört Tennis zum
Olympischen Programm? Wie heißen die
Spiele für behinderte Sportler? Wie oft
finden die Spiele statt und wo die nächsten
74
Attraktiver Anziehungspunkt beim 28. Darmstädter Sport- und
Spielfest: der mit Bildern des Fotografen Uli Gasper gestaltete
Infostand der DOG Darmstadt.
Male? Wie viele Nationen nehmen teil? und
Ist der Sport in Grundgesetz verankert?" So
und so ähnlich lauteten die Quizfragen, mit
denen sich viele Spielfestbesucher einige
Minuten fesseln ließen und anschließend
ihre Anstrengung mit einem bunten Jo-JoSpiel versüßt bekamen. Ehemalige Sportgrößen verweilten ebenso am DOG-Stand wie
die politische Prominenz.
Mehr als 300 Quizbogen wurden ausgefüllt,
großzügig bewertet und wieder mitgegeben
("Testet morgen mal eure Freunde zu Hause"). Wie viele der mitgenommenen Beitrittserklärungen zurückkommen, bleibt
abzuwarten, aber das Ziel, nicht nur während der Spiele einmal über Fair Play und
Leistungsbereitschaft nachzudenken, konnte
gut vermittelt werden.
Das Darmstädter
Sport- und Spielfest
wird vom Sportamt
der Stadt, von fast
100 Vereinen des
Sportkreises und
dem PharmaUnternehmen Merck
organisiert. Einmal
im Jahr animiert die
Veranstaltung einige
tausend Menschen
zu mehr Bewegung
und zur besseren
Wahrnehmung des
Sportes in seiner
Vielfalt.
Walter Schwebel
Hessen
Sport spielt fair:
Sieger gekürt
Der Wettbewerb "Jugend in Bewegung Sport spielt fair" ist entschieden. Um in den
Schuljahresrhythmus zu kommen, lief das
diesjährige Leitthema "Sport spielt fair", das
auch im Hinblick auf die Fußball WM 2006
gewählt worden war, nur im 1. Halbjahr.
Dennoch nahmen über 12.000 Kinder in 71
Teams mit 290 Partnern an dem Wettbewerb teil, den das Hessische Kultusministerium federführend betreut, an dem aber auch
das Hessische Ministerium des Innern und
für Sport, das Hessisches Sozialministerium,
der Landessportbund Hessen und
die Deutsche
Olympische Gesellschaft beteiligt sind.
Weiterhin machen
inzwischen auch die
Bundesländer
Rheinland-Pfalz und
Baden-Württemberg mit.
Groß und Klein tüftelten über dem kniffligen Olympia-Quiz, das
Zweigstellenvorsitzender Walther Schwebel (links) und sein Team
zusammengestellt hatten.
Für die Hessischen
Teilnehmer fand die
Siegerehrung am 3.
Juli in Anwesenheit
von Joachim Jacobi,
Staatssekretär im
Hessischen Kultusministerium, Prof.
Motto "Jugend
in Bewegung Sport beGEISTert" startet
nach den Sommerferien. Dann
steht insbesondere die Wechselwirkung
zwischen Bewegung und
Bildung im
Mittelpunkt.
So sehen Sieger aus: das Team aus Wiesbaden-Breckenheim.
Heinz Zielinski, Abteilungsleiter Sport im
Hessischen Ministerium des Innern, und
Gerd Krämer, Staatssekretär im Hessischen
Sozialministerium, im Musiksaal des Hessischen Landtags statt.
Die Repräsentanten des Landtags waren
sich einig, dass dieser Wettbewerb einen
wichtigen Beitrag für mehr Bewegung und
einen rücksichtsvollen Umgang miteinander
leistet.
Gesamtsieger im Bewegungswettbewerb
wurde das Team aus Koblenz, für das die
Siegerehrung am 13. Juli im RheinlandPfälzischen Landtag stattfand. Den KreativTeil des Wettbewerbs gewann das Team aus
Wiesbaden-Breckenheim. Hier hatten
Kinder der Kindertagesstätte, der Grundschule und des Turnverein Breckenheim
eine Schrittzähler-Aktion durchgeführt und
über 24 Stunden die Anzahl ihrer Schritte
aufgezeichnet - mit erstaunlichen Durchschnittwerten von bis zu 11,4 km. Zusätzlich hatten sie Testbögen mit 10 Fragen
zum Thema "Bin ich fair beim Sport"
ausgefüllt, die Anfangsbuchstaben ihrer
Vornamen mit Wörtern verbunden, die
etwas mit Fair Play zu tun haben, und
Gedichte zum Thema Fairness geschrieben.
Außerdem wurde ein Hochsprung durchgeführt, bei dem nicht die absolute Leitung
sondern die Differenz zwischen Körpergröße und Sprunghöhe ausschlaggebend für
die Platzierung war, sodass auch die Kleinen eine Chance hatten.
Groß war dann die Begeisterung, als die
Breckenheimer Mädchen und Jungen das
Siegerbanner entgegen nehmen durften.
Der neue Wettbewerb 2006/2007 unter dem
Hochstift Paderborn
"Leistung macht Spaß"
ist Programm
"Unsere Mitgliederzahlen wachsen kontinuierlich", freute sich Margit Budde, die neu
gewählte Vorsitzende der Deutschen Olympischen Gesellschaft Hochstift Paderborn
auf der Mitgliederversammlung am 19. Juni
im Paderborner Ahornsportpark. Mit ihrem
neuen Vorstandsteam will die Zweigstelle
unter dem Motto "Leistung macht Spaß" die
Olympische Idee mit vielfältigen Aktivitäten
in der Region verbreiten.
Verfügung", versicherte Rasch. Ebenso
erhielten die ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder Heiko Appelbaum und Mathias
Hornberger ein Geschenk als Dankeschön
für ihr Engagement.
Geehrt wurde auch die Stadt Salzkotten für
50jährige Mitgliedschaft in der Deutschen
Olympischen Gesellschaft. Groß war die
Freude bei Norbert Schulte, der als Vertreter
des Bürgermeisters der Stadt die goldene
Ehrennadel und Urkunde entgegennehmen
konnte.
Bei der anschließenden Wahl wurden alle
Mitglieder des Vorstands sowie des Beirats
einstimmig gewählt. Bedingt durch die Fülle
der Aufgaben wurde der Vorstand etwas
anders aufgestellt. Neu ist die Unterteilung
in Pressearbeit und in Öffentlichkeitsarbeit.
Zur neuen Vorsitzenden wurde Margit
Budde bestimmt. Als ihre Stellvertreter
fungieren Heiner Kortebusch, zugleich
Schatzmeister, und Günther Ruthemeyer,
der den neu installierten Bereich Öffentlichkeitsarbeit übernehmen wird. Neuer Geschäftsführer ist Dr. Norbert Börste. Der
neue Jugendwart Willi Schluer kann für sein
Amt auf seine Erfahrungen als Sportlehrer
und langjähriger Leiter der ÜbungsleiterAusbildung Breitensport zurückgreifen. Die
junge Journalistin Julia Hollwedel freut sich
auf die Zusammenarbeit mit der Presse und
den Medien.
Zur Unterstützung des Vorstands arbeitet
ein prominent besetzter Beirat. Die Verbundenheit mit dem Kreis Höxter wird durch die
Mitarbeit von Landrat Backhaus dokumen-
Durch den Tod des langjährigen Vorsitzenden Wolfgang Helle wurde die vorgezogene
Mitgliederversammlung erforderlich.
Außerdem traten
einige Vorstandsmitglieder von ihrem
Amt zurück. Sportamtsleiter Reinhard
Rasch, der über
vierzehn Jahre die
Geschäfte der
Zweigstelle vorbildlich geführt hat,
wurde mit einem
Präsent für seinen
großen Einsatz für
die Deutsche OlymDer neue Vorstand mit dem eingeladenen Referenten: (von rechts)
pische Gesellschaft
Heiner Kortebusch, Dr. Norbert Börste, Günther Ruthemeyer, Margit
gedankt. "Ich stehe
Budde, Referent Prof. Dr. Roland Naul, Willi Schluer und Julia
aber weiterhin mit
Hollwedel.
Rat und Tat zur
75
tiert. Mit Kurt Bendlin wurde ein Olympiateilnehmer und Bronzemedaillengewinner
neu in den Beirat gewählt. Das dritte neue
Gesicht im Beirat ist der Präsident des
Westfälischen Turnerbundes, Michael
Buschmeyer.
Bestätigt wurden die Beiratsmitglieder Eva
Kremliczek, Vorsitzende des Stadtsportverbandes, und Detlef Klaholt-Heiermeyer,
Vorsitzender des Sportausschusses der Stadt
Paderborn. Das DOG-Urgestein Werner
Henke, Oberkreisdirektor a. D. steht als
Beisitzer weiterhin zur Verfügung ebenso
wie Professor Dr. Sebastian Braun vom
Sportdepartement der Universität Paderborn.
Nach dem offiziellen Teil kam mit dem
praxisnahen Vortrag "Olympische Erziehung
- eine Herausforderung für Alle in Schule
und Verein" des Sportwissenschaftlers und
-pädagogen Professor Roland Naul der
Höhepunkt des Abends. Die Integration
Olympischer Werte wie Fairness, Leistungsbereitschaft, Integration und Teamgeist in
der Erziehung spielte dabei eine zentrale
Rolle. "Leider gibt es immer noch viele
Vorurteile gegenüber dem Olympischen
Gedanken", bedauerte Professor Naul. "Es
geht hier nicht um Leistungssport. Die
Integration der olympischen Idee findet in
der Schule, im Verein und in der Familie
statt", betonte Professor Naul in seinem
Referat. Schließlich sollten innere Werte in
der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen
verwurzelt werden. Deswegen seien die
oben genannten vier Bausteine von gleichbedeutender Wichtigkeit. In der anschließenden Diskussion berichtete ein Lehrer aus
seiner Praxiserfahrung. "Dank neuer Richtlinien an den Schulen ist die olympische
Erziehung teilweise schon ein Stück Realität
geworden. Aber es ist noch viel zu tun". "Im
Moment sind passende Seminare noch
Mangelware, aber wir werden hochkarätige
Referenten zu uns nach Paderborn einladen," ergänzte Margit Budde.
Zu den Perspektiven der Zweigstelle Hochstift Paderborn sagte der stellvertretende
Vorsitzende Heiner Kortebusch: "Das neue
Motto "Leistung macht Spaß" möchten wir
mit neuer Energie und vielen guten Ideen
umsetzen. Der Erfolg der vergangenen Jahre
zeigt, dass sich die Deutsche Olympische
Gesellschaft schon auf dem richtigen Weg
befindet." Seit 2004 gebe es beispielsweise
das Projekt "Kinder bewegen" im Kindergarten "Römerstraße", in dem Siebenkampf-
76
Olympiateilnehmerin Claudia Tonn als Patin
fungiert, so Kortebusch. "Dieses Projekt läuft
sehr erfolgreich. Solche Erfolge wollen wir
weiter ausbauen. Der bekannte Künstler
Joan Sofron hat uns seine Mitarbeit zugesagt. Kurt Bendlin plant mit uns ein Abenteuercamp für Kinder. Natürlich ist die
Mitgliedergewinnung ein großes Thema. Wir
möchten besonders Unternehmen, Schulen
und Vereine ansprechen, aber auch Familien.
Und wir planen Ausstellungen, einen Olympischen Tag und auf jeden Fall 2007 einen
zweiten Olympischen Abend", erläuterte er
die Vorhaben der nächsten Zukunft.
Karlsruhe
In Karlsruhe-Neureuth
läuft was!
Seitdem jedes der Vorschulkinder des
Katholischen Kindergartens St. Judas Thaddäus sein eigenes "Bewegungsbuch" besitzt,
ist noch mehr Bewegung in die von der
Deutschen Olympischen Gesellschaft und
Opel im Rahmen des Projekts "Kinder
bewegen" geförderte Einrichtung gekommen. In diesem Sommer hatten es den
Mädchen und Jungen insbesondere die
Ausdauer- und Laufeinheiten angetan: Ein
lustiges Lauftraining im Stadion, die Teilnahme von Kindern und Eltern beim "Karlsruher 24-h-Lauf" mit ihrem Paten Jens
Lukas sowie zum Abschluss eine Fahrradtour
in das Waldklassenzimmer.
So sind die Vorschulkinder Anfang Juni verbunden mit einem Indianer-Motto - zum
benachbarten Schulsportzentrum gewandert. Dort im Stadion gab es lustige Einheiten zur Ausdauer mit "Lauftraining" und
Spielen wie Kettenfangen und Wasserbecher-Staffeln. Es war bei schönstem Wetter
ein wirklich prima sportlicher Vormittag und
gut dass wieder ein kleiner Leiterwagen mit
Utensilien und Getränken mitgenommen
wurde. Der Ausflug brachte nicht nur alle
Vorschulkinder aus drei Kindergartengruppen wieder einmal zusammen, sondern war
zugleich auch die Vorbereitung und Einstimmung zu einem größeren Lauf-Event,
dem "24-Stunden-Lauf".
Ganz besonders gefreut haben sich die
Eltern und Kinder, dass ihr Pate Jens Lukas
sie beim " 24-Stunden-Lauf" am 15. und 16.
Juli unterstützt hatte. Zusammen in einem
Team mit einer Ministrantengruppe waren
eine große Gruppe von Eltern und Kinder
sowie Betreuerinnen begeistert über die 24
Stunden im Beiertheimer Stadion im Einsatz. Vor allem am Sonntagnachmittag sind
die Eltern und Kids - mit "Kinder bewegen"T-Shirt als besonderem Kennzeichen - ihre
Runden gelaufen. Besonders gern gingen
die Kinder mit Jens Lukas auf die Runde,
war doch in den Wochen zuvor vielfach
angekündigt und auch besprochen worden,
dass er oft mit seinem Husky trainiert. Der
Langstreckenläufer selbst kam gerade vom
"Swiss-Jura-Marathon" (einem Etappenlauf
in der Schweiz über 323 km und 8000
Höhenmeter) und ist bekannt als mehrfacher Deutscher Meister im "24-StundenLauf". An die europäische Spitze kam er mit
der Goldmedaille im September 2002 bei
den European Challange "24-Stunden-Lauf"
Ausgangspunkt war ein Konzept des Schulund Sportamts der Stadt Karlsruhe und der
BARMER Ersatzkasse, die das
"Bewegungsbuch" mit
bebilderten
Übungen entwickelt haben. Seit
Februar haben
die Vorschulkinder aus Karlsruhe-Neureuth
fleißig Stempel
gesammelt, die
es für jede
absolvierte
Bewegungsstunde gibt.
Umringt von Kindern und Eltern: Langstreckenläufer Jens Lukas, der
Sportpate des DOG-Modellkindergartens.
in Gravigny / Frankreich mit dem Resultat
von 267 km und 294 m. Natürlich hatte er
sich im Tempo jedem der Kids angepasst (er
war nach einer Woche in der Schweiz auch
froh darum) und machte selbstverständlich
auch die Demonstration der Gymnastikund Tanzrunden zwischen seinen Patenkindern mit.
Zum Abschluss der ereignisreichen Wochen
vor den Sommerferien und zur Verabschiedung in die Schule wurden alle Vorschulkinder für ihre erfolgreiche Teilnahme an der
Aktion "Bewegungsbuch" ausgezeichnet.
Beim Fahrradausflug in das Waldklassenzimmer im Hardtwald am 3. August überreichte Karlsruhes Sportbürgermeister
Harald Denecken den kleinen Athletinnen
und Athleten im Beisein der Eltern eine
Urkunde.
Bernd Budig
Ehrung für
besondere Verdienste
Bereits im Rahmen der städtischen Sportlerehrung im Jahr 2002 wurde Dieter Moll für
seine besonderen Verdienste um den Karlsruher Sport seitens der Stadt Karlsruhe mit
einer Goldmedaille ausgezeichnet. Für seine
40jährige Mitgliedschaft in der Deutschen
Olympischen Gesellschaft zeichnete der
stellvertretende Landesvorsitzende der
Deutschen Olympischen Gesellschaft BadenWürttemberg und Sportbürgermeister der
Stadt Karlsruhe, Harald Denecken, Dieter
Moll nun im Rahmen der diesjährigen
Sportlerehrung im Kreis von über 339
Karlsruher Leistungsträgern aus.
Dieter Moll (links) mit Harald Denecken.
Von Dieter Moll zu behaupten, er wäre in
diesen 40 Jahren lediglich ein "zahlendes
Mitglied der DOG" gewesen, wäre absurd.
Dieter Moll ist in Karlsruhe sowohl als
sportlicher Leistungsträger als auch als
langjähriger ehrenamtlich Aktiver und
"Leichtathletikpapst" bestens bekannt.
In seiner sportlichen Glanzzeit war er einer
der besten und bekanntesten Leichtathleten
der Fächerstadt und weit darüber hinaus.
Zwischen 1956 und 1966 gehörte er sowohl
über 100 m Hürden als auch im Zehnkampf
zu den besten deutschen Leichtathleten.
Aber auch in anderen Sportarten war er
aktiv. So im Basketball (12 Jahre bei der DJK
Karlsruhe-Ost) und im Handball (14 Jahre
beim Männerturnverein Karlsruhe, Kreisauswahl, Studenten-Nationalmannschaft). Seit
1943 bis heute ist er Mitglied beim Männerturnverein Karlsruhe, nahezu 40 Jahre
Übungsleiter in der Leichtathletik, langjähriger Sport- und Lehrwart beim Badischen
Leichtathletikverband sowie beim Leichtathletikkreis und bis heute Vorstandsmitglied
der LG Karlsruhe.
Die Deutsche Olympische Gesellschaft in
Karlsruhe ist stolz darauf, einen so erfolgreichen und außergewöhnlichen Sportler seit
40 Jahren in ihren Reihen zu haben.
Im Wintersport ist die Region dagegen nur
mit sehr wenigen Teilnehmern vertreten. Da
kam der Besuch der ehemaligen Torfrau
Aurelia Vonderstrass, Teamleiterin der
Frauen-Eishockey-Nationalmannschaft bei
den Olympischen Winterspielen in Turin,
und des Assistenz-Bundestrainers Dieter
Reinartz aus Köln Anfang Juli wie gerufen.
Als erstes zeigten die beiden einen Film über
die Eindrücke der Eröffnungsfeier und die
Sportstätten in Turin, die so im Fernsehen
natürlich nicht zu sehen waren. Außerdem
hatten sie mehrere Sportgeräte dabei, so
dass die Kleinen einen Schläger, eine Torwartstockhand, einen Torwartschläger usw.
einmal im Original anfassen konnten.
Dann hieß es, selbst aktiv zu werden. Da die
Leitung des Kindergartens natürlich vorbereitet war, hatte man sich für den prominenten Besuch beim Leverkusener Hockey
Club einige Schläger ausgeliehen.
Aurelia Vonderstrass schlüpfte noch einmal
in einige Teile ihrer Ausrüstung und die
kleine Trainingseinheit ("mit viel, viel Spaß)
mit "Trockenübungen" in der Turnhalle
konnte beginnen. Zum Ende durften die
Kinder das Erlernte ausprobieren und jeder
drei Schüsse auf das Tor abgeben.
Zum Abschied gab es für die Mädchen und
Köln-Leverkusen
Spaß mit
Olympiateilnehmern
Eishockey im Sommer? Für die Kinder des
Montessori-Kindergartens in Leverkusen
wurde dies jetzt möglich gemacht. Vermittelt durch die DOG-Zweigstelle KölnLeverkusen besuchten die Olympiateilnehmer von Turin 2006, Aurelia Vonderstrass
und Dieter Reinartz, die Einrichtung.
Seit zweieinhalb Jahren ist der Leverkusener
Montessori-Kindergarten Modelleinrichtung
dieser Initiative für mehr Bewegung im
Kindergarten der Deutschen Olympischen
Gesellschaft und ihrer Partner Opel und O2.
Im Rahmen von "Kinder bewegen" lernen
bereits die Kleinsten durch Besuche von
Spielern oder Trainern verschiedenen
Sportarten kennen. So hatten aus der
Leichtathletik bereits mehrere SommerOlympiateilnehmer aus Leverkusen den
Kindergarten besucht.
Aurelia Vonderstrass und Dieter Reinartz.
Jungen Autogrammkarten der Olympiateilnehmer und das einhellige Fazit, dass
sowohl die Kinder, als auch die Erwachsenen
über zwei Stunden lang großen Spaß
hatten.
77
Im Herbst soll ein weiterer Kindergarten
hinzukommen. Mit dem Ziel, den Olympischen Gedanken in die Breite des öffentlichen Lebens zu bringen, veranstaltet die
Gemeinde Fränkisch-Crumbach auf Anregung der DOG Odenwald einen Olympischen
Tag für Jung und Alt.
Der Jugendobmann Florian Keil plant am
6. November ein Jugendkegeln in der
Mümlingtalhalle in Sandbach.
Das Jahr wird wie stets seit zwölf Jahren
mit der Förderaktion "Junge Könner brauchen Gönner" auslaufen. Der Sportförderkreis Olympia Odenwald e.V. besteht inzwischen seit sechs Jahren und stellt eine
vorzügliche Ergänzung zur Talentförderung
der DOG Odenwald dar. Zur Unterstützung
steht dem Vorstand mit Christina Schuller
zukünftig eine Geschäftsführungshilfe zur
Verfügung.
Auch ohne den kalten Untergrund hatten die Kids viel Spaß bei ihrer sommerlichen Eishockeystunde.
Odenwald
Viel geschafft
und noch viel vor
Odenwald mit ihren Patenschaften für die
Kindergärten in Erbach, Reicheisheim,
Michelstadt und Höchst genau am Puls der
Zeit.
Hey bilanzierte, dass die Akzeptanz der
Deutschen Olympischen Gesellschaft im
Odenwald weiter gestiegen sei. 40 Termine
in der ersten Jahreshälfte 2006 sprächen
Bände. Die Zweigstelle wird mehr und mehr
in Festlichkeiten von Vereinen eingebunden
und ist als Schirmherr zunehmend gefragt.
78
Zu Gast beim PITT
Zu einem großartigen Ereignis für den
Odenwälder Tischtennissport wurde auch in
diesem Jahr das nunmehr 3. PITT Tischtennis-Gedächtnisturnier am 27. und 28. Mai in
der großen Sporthalle in Höchst/Odenwald.
In der jüngsten gemeinsamen Vorstandssitzung der DOG-Zweigstelle Odenwald ließ
der erste Vorsitzende Hubert Hey die bisherigen Aktivitäten des Jahres 2006 Revue
passieren und blickte auf das zweite Halbjahr voraus.
Der stellvertretende Vorsitzende Horst Neff
vertritt die DOG Odenwald in der Kreissportkommission. Vorstandsmitglied Philipp
Schmitt konnte vom Bundeszweigstellentreffen in Ettlingen berichten, dass die
Sport- und Bewegungsförderung im Kindesund Jugendalter weiterhin einen hohen
Stellenwert im Engagement der Deutschen
Olympischen Gesellschaft hat. Somit liegen
die Deutsche Olympische Gesellschaft
Hey betonte, dass bei allen Aktivitäten die
Mitgliederwerbung ein wichtiges Thema
bleibe. Derzeit zählt die Zweigstelle Odenwald 100 Mitglieder, dazu kommen noch 30
Mitglieder des Sportförderkreises Olympia
Odenwald.
DOG-Vorsitzender Hubert Hey begrüßt
Christina Schuller als neue Geschäftsführungshilfe.
Diese Veranstaltung gilt mittlerweile als
zweitgrößtes Schüler- und Jugend-Tischtennisturnier in Deutschland. Mehr als 500
Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Bundesländern beteiligten sich - eine
gewaltige organisatorische Leistung, die der
Odenwälder Kreiswart Horst Bitsch mit
seiner Mannschaft vollbracht hat. Unter den
zahlreichen Ehrengästen war neben der
Hessischen Sozialministerin Silke Lautenschläger, Landrat Horst Schnur und weiterer
Prominenz auch Timo Boll, einer der weltbesten Tischtennisspieler und derzeit 2. der
Weltrangliste, gekommen. Er hatte sich sehr
zur Freude der Anwesenden in seiner
Wettkampfpause Zeit für ein Grußwort bei
der Eröffnung des Turniers genommen.
Mit dem Erklingen der Nationalhymne zum
Höhepunkt der Eröffnungsveranstaltung
vereins fungiert, bedankte sich
mit seinen Worten sehr herzlich.
Er stellte die Deutsche Olympische Gesellschaft als einen
hilfreichen Partner für die
Vereine heraus.
die Hessen-Trophy mit Laufstrecken von 2,5
km, 3 km und 5 km austrugen. Ein wahres
Volksfest und ein voller Erfolg für die
Initiatoren.
Verdienstkreuz für
Gerd Wassner
Hubert Hey, Vorsitzender der
DOG Odenwald, lobte die guten
Kontakte, die nützlich für die
Zusammenarbeit seien. Überhaupt sei die Beziehungspflege
Mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande
zu den Vereinen für die Zweigwurde der Sportredakteur Gerd Wassner
stelle unentbehrlich, denn
ausgezeichnet. Der gute Geist der sportligerade Vereine sind treue
chen Szene im Odenwald unterstützt seit
Mitglieder, und es geht darum,
Jahren in Sachen Pressearbeit auch das
Horst Bitsch (rechts) erhält die Leistungsplakette aus
das Bewusstsein zu unterstütEngagement der Deutschen Olympischen
den Händen von Hubert Hey.
zen, dass die Deutsche OlympiGesellschaft vor Ort. Stets kompetent und
sche Gesellschaft als Freund und verständlich sind seine Berichte über die
wurde die Bedeutung der verbindenden
Helfer einfach dazu gehört. Aus Dankbarkeit Zweigstellenaktivitäten im Odenwald und in
Kraft des Sports, die alle Nationen und
für die Unterstützung konnte Hubert Hey
der regionalen Presse.
Kulturen zum fairen Wettstreit zusammen
als Vertreter der Deutschen Olympischen
führt, ins Bewusstsein gerufen.
Gesellschaft die goldene Ehrennadel des
"Gerd Wassner engagiert sich mit voller
Schützenkreises Odenwald aus den Händen
Kraft", so der Sprecher der Landesregierung,
Den Olympischen Charakter des Turniers
von Kreisschützenmeister Dieter Groll
Dirk Merz, der die Ehrung persönlich vorlobte auch Hubert Hey, Vorsitzender der
entgegennehmen.
nahm. Insbesondere im Fußballsport, als
DOG Odenwald, der das Schlusswort zur
Die Schützenvereine des Odenwaldes
Pressewart des Sportkreises Odenwald sowie
Eröffnung sprach. Kurz ging er auf die
arbeiten untereinander eng zusammen und
im kommunalpolitischen Leben habe sich
Geschichte des Tischtennissports im Odenhaben bei der Jugend wegen ihres familiäWassner große Verdienste erworben. Unter
wald ein, der seit 1983 unter Leitung des
ren Charakters einen hohen Stellenwert. Hey den Gratulanten waren neben dem Landrat
damaligen Kreiswartes Peter llnyzckyj einen
wies abschließend auf die
steten Aufstieg nahm. Nach dem frühen Tod
wichtige Rolle des Sports bei der
des großen Idealisten in 2001 übernahm
Integration hin. "Die Vereine
Horst Bitsch den Vorsitz des Vorstandes. Seit
können unseren ausländischen
dieser Zeit ist eine enorme Aufbauarbeit
Mitbürgern bewusst machen,
geleistet worden, und der Tischtennissport
dass sie willkommen sind", so
hat sich auch unter dem Vorbild von Timo
Hey.
Boll im Odenwald zur vollen Blüte entwickelt.
Die gute Verbindung der Odenwälder DOG zum Schützensport
Für sein außergewöhnliches Engagement
wurde einmal mehr auch bei der
überreichte Hubert Hey Horst Bitsch die
Eröffnung der SommerbiathlonPlakette für besondere Leistungen der
anlage an der Mossautalhalle in
Deutschen Olympischen Gesellschaft.
Hüttenthal deutlich. In seinem
Sichtlich bewegt nahm dieser die AuszeichGrußwort stellte Hubert Hey
nung entgegen.
heraus, dass dies ein Schritt in
die richtige Richtung und eine
Verdienstkreuzträger Gerd Wassner mit Dirk Merz, dem
Bereicherung für die interessierSprecher der Landesregierung.
te Jugend sei. In vorbildlicher
Zusammenarbeit zwischen
Schützenverein, Gemeinde sowie Sponsoren, des Odenwaldkreises, Horst Schnur, auch
Freunden und Förderern, konnten die
Michelstadts Bürgermeister Reinhold Ruhr
Anlage für eine neue, moderne Variante des
und der Sportkreisvorsitzende Wolfgang
Auf Einladung des SV Erlenbach nahm die
Schützensports aus eigener Hand geschafSchmucker.
DOG Odenwald am Schützenball 2006 teil.
fen werden.
Diese war auch Anlass für die Auszeichnung
DOG-Vorsitzender Hubert Hey würdigte
des Vereins mit Urkunde und goldener
Schon bei der Eröffnungsfeier kam auch
Gerd Wassner als Freund und Helfer von der
Ehrennadel der Deutschen Olympischen
Bewegung in die Anlage als Bambinis,
ersten Stunde an. Durch seine Mithilfe sei es
Gesellschaft. Ernst-Ludwig Meyer, der seit
Schüler und Jugendliche sich beim Jederim September 2000 gelungen, den Sportförsechs Jahren als Vorsitzender des Schützenmann-Wettkampf maßen und die Großen
derkreis Olympia Odenwald e.V. zu gründen
Partnerschaft
mit dem Schützensport
79
und eine kontinuierliche TaIentförderung
des Sports im Odenwald aufzubauen.
Jährlich können durch die Hilfe von Freunden und Gönnern sowie Sponsoren über 30
junge Talente gefördert werden. Hubert Hey
bezeichnete Wassner als "stillen, charmanten Bub seiner Heimatgemeinde Steinbach",
als "einen unauffälligen Mann der Tat". Das
schönste an ihm sei, dass man mit ihm auch
einmal herzlich lachen könne. Der Geehrte
möge wie bisher ein hilfreicher Freund und
Kamerad der Deutschen Olympischen
Gesellschaft bleiben, ein Mann, auf den man
sich stets verlassen könne.
Ehrenbrief für
verdienten Initiator
Mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen
wurde Hans-Joachim Schmidt, 1. Vorsitzender des Ski-Clubs Güttersbach, geehrt. Der
Ski-Club ist seit einiger Zeit Mitglied der
Deutschen Olympischen Gesellschaft.
Hans-Joachim Schmidt ist Begründer des
Volkslaufs Güttersbach, einer jährlichen
Wettkampfveranstaltung, die mittlerweile
eine beachtliche Dimension erreicht hat.
Dank dieser Idee, die Schmidt mit seinen
Von links: Landrat Horst Schnur, Hubert
Hey, Ehrenbrief-Preisträger Hans-Joachim
Schmidt und Willi Keil, Bürgermeister der
Gemeinde Güttersbach
zahlreichen Helfern konsequent in die Tat
umgesetzt hat, wurde die schöne Odenwaldgemeinde zu einem Mittelpunkt des
Leichathletik-Sports. Lauffreunde aus nah
und fern finden sich Jahr für Jahr in großer
Zahl ein, um ihre Kräfte in einer der schönsten Landschaften der Region zu messen.
Und ständig ist die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Volklaufs gestiegen.
Kurzum: eine hohe Auszeichnung für einen
verdienten Initiator.
80
Odenwald-Tauber
Olympisches Flair in
Neckargerach
Altersstufe ein- bis fünfmal zu durchlaufen
war. Die Freude am Dabeisein war den
Gesichtern deutlich zu entnehmen.
Das "i"-Tüpfelchen war der Besuch vom
Olympiateilnehmer im Gewichtheben, Oliver
Caruso, zur Urkundenübergabe. Recht
interessant war dabei aber für die Kinder
auch, aus dem Munde eines großen und
erfolgreichen Sportlers zu erfahren, wie
wichtig und hilfreich Sport für die körperliche und geistige Entwicklung ist, wie gerade
ihm der Sport schon während seiner Schulzeit sehr von Nutzen war.
Olympisches Flair im wahren Sinn des
Wortes herrschte am 23. Juni in Neckargerach beim Olympic Day Run der DOG Odenwald-Tauber. Hier galt ausschließlich das
Motto "Dabei sein ist alles - die Teilnahme
ist wichtiger als der Sieg!". Nicht Gewinnen
oder Bestzeit zählten, sondern einfach Spaß
und Freude am Laufen und Bewegen. Und
das hatten die Mädchen und Jungen der
Die vom IOC-Präsidenten unterschriebene
Grund- und Hauptschule Neckargerach
Teilnehmerurkunde wird für alle Starter eine
ganz ohne Frage. Über 200 Schülerinnen
bleibende Erinnerung sein. Und ganz sicher
und Schüler aus den Gemeinden Neckarger- auch das anschließend noch persönlich von
ach, Binau, Guttenbach und Zwingenberg
Oliver Caruso ergatterte Autogramm. Dieser
stellten sich dem Starter und genossen ganz konnte sich des Ansturms kaum erwehren.
offensichtlich
dieses besondere
Gemeinschaftserlebnis - nicht
wenige liefen
aus Freude und
Spaß gleich
einige Runden
mehr als vorgegeben. Gibt es
einen deutlicheren Beweis für
die dabei erlebte
Freude der
Kinder?
Der seit nunmehr 20 Jahren
Olympic Day Run 2006 in Neckargerach: Begeisterung an und auf der
an die Gründung
Strecke
des IOC am 23.
Juni 1894
erinnernde
Olympic Day Run fand bereits zum dritten
Fleißig aber schrieb er Autogramme auf
Male auch bei der Zweigstelle OdenwaldKarten, Laufpass, Urkunde oder T-Shirt, bis
Tauber statt. Bürgermeister Schnörr und
auch der letzte Wunsch erfüllt war.
Schuldirektor Frey hießen die Teilnehmer
Abschließend darf resümiert werden: Nicht
willkommen, erläuterten den Ablaufmodus
nur die Kinder waren hellauf begeistert, mit
und zeigten sich erfreut über das ZuschauVerlauf und Ergebnis dürfen auch die Veranterinteresse. Grüße entbot auch der Vorsitwortlichen des kleinen "Olympia-Tages"
zende der DOG Odenwald-Tauber, Michael
rundum zufrieden sein. Direktor Frey dankte
Knaus, der die Beweg- und Hintergründe für den Teilnehmern für ihr diszipliniertes
diese Veranstaltung sowie die Ziele der
Verhalten, während Bürgermeister Schnörr
Deutschen Olympischen Gesellschaft kurz
allen bei der Organisation Mitwirkenden
umriss und allen Startern Spaß wünschte.
Anerkennung zollte. Mit dem Dank an
Neckargerach für die vorzügliche OrganisatiUnd die Mädchen und Buben in ihren
on beschloss Zweigstellenvorsitzender
eigens für diesen Lauf kreierten T-Shirts
Michael Knaus den gelungenen Olympic Day
konnten den Start kaum noch erwarten. Mit Run 2006.
Begeisterung ging es auf den Parcours, der
von den fünf Startergruppen je nach
Walter Jaufmann
Pfalz
Olympic Day Run in
Katzweiler
Zum krönenden Abschluss der Veranstaltung
gab es für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein mit Musik untermaltes, begeisterndes Showprogramm der WestpfalzWerkstätten Landstuhl.
Wolfgang Ziegler
Der Olympic Day Run der DOG Pfalz fand in
diesem Jahr am 17. Juni anlässlich des 100jährigen Bestehens des SV Katzweiler 1906
im gleichnamigen idyllisch gelegenen Dorf
im Lautertal statt.
Trotz des Fußball-WM-Spieles USA - Italien
im nahen Kaiserslautern fanden bei schönstem Sommerwetter 150 Laufbegeisterte den
Weg zum Sportgelände an der Lautertalhalle. Jürgen Loepp und Verbandsbürgermeister
Heinz Christmann waren die Organisatoren
der gelungenen Veranstaltung.
Schon am Vormittag fiel der Startschuss
zum Erwerb verschiedener Sportabzeichen.
Um 13 Uhr begrüßte dann der Vorsitzende
der DOG Pfalz, Carlo von Opel, die Teilnehmer und wies in seiner Rede auf die Bedeutung des Olympic Day Runs hin. Nach einem
kurzen allgemeinen Aufwärmprogramm
gingen zuerst die Kinder und Schüler auf
ihre 1 km lange Strecke. In kurzen Zeitabständen wurden dann die Nordic Walker und
Wanderer sowie die Teilnehmer des Olympic
Day Run, an dem auch Carlo von Opel
teilnahm, auf die 10,5 km lange Strecke rund
um den Ort geschickt. Auch eine Gruppe von
Mountain-Bikern meisterte eine anspruchsvolle Strecke von 34 Kilometern.
Reutlingen
Sommerfest
"Rund um den Ball"
Im November 2005 wurde der BruckbergKindergarten Eningen in das Modellprojekt
"Kinder bewegen" der Deutschen Olympischen Gesellschaft und O2 aufgenommen.
Ihre große Begeisterung an Sport und Spiel
zeigten die Kinder nun auch beim Sommerfest unter dem Motto "Rund um den Ball".
Fünf Bewegungsstationen waren für sie
aufgebaut: eine Torwand, ein Handtuchlauf,
ein Ball-Glockenspiel, ein Minigolf-Parcours
und eine Überraschungsstation. Bei einer
zusätzlichen Station war dann allerdings
Stillhalten gefragt, nämlich bei der
Schminkecke.
Ein ausgetüfteltes Quizspiel wurde für die
Gäste angeboten. Unter denen befanden
sich unter anderem Jochen Zeller und Arno
Leis von der Reutlinger Kreisgruppe der
Im Start- und Zielbereich gab es Tipps und
Informationen von einem Sanitätshaus, dem
"Club Aktiv" für Behinderte und nicht
Behinderte sowie der Deutsche Angestellten
Krankenkasse. Wolfgang Ziegler, früherer
10,3 Sprinter über 100 Meter und ehemaliger Bundestrainer des Sprintnachwuchses
und der Junioren, erläuterte am DOG-Stand
den Besuchern die Aufgaben und die
Aktivitäten der DOG Pfalz.
Zu den Ehrengästen zählte der dreimalige
Olympiateilnehmer und Bronzemedaillengewinner im Fechten, Jürgen Brecht, der über
seine Wettkämpfe in Rom, Tokio und Mexiko
in den 60er Jahren berichtete. Begeistert
aufgenommen wurden auch die FCKJungfußballer Matthias Henn und Michael
Lehmann, die fleißig Autogramme geben
mussten.
Beim Handtuchlauf war vor allem Teamgeist gefragt.
Deutschen Olympischen Gesellschaft, HansManfred Moersch, stellvertretender Vorsitzender des Reutlinger Sportkreises, und die
Eninger Bürgermeisterin Margarete Krug.
Ein weiterer prominenter Gast war Eckhard
Nothdurft, Ex-Trainer der VfL-Handballer
Pfullingen. Er hatte als Pate des Eninger
Modellkindergartens eine Station entworfen
und sie selbst betreut. Natürlich gab er den
aufgeregten Kindern fachmännische Tipps
zum Balancieren über die Halbkugeln und
den schmalen Balken.
Mit Beginn des Modellprojekts wurden die
Bewegungszeiten im Kindergarten ausgeweitet; die sechs Erzieherinnen bieten ihren
Kindern seither noch mehr Gelegenheit zu
vielseitiger Bewegung. Dabei wird die
sportliche Betätigung immer spielerisch
eingebunden, damit die Freude daran für
alle erhalten bleibt. Bei speziellen motorischen Übungen kann das ErzieherinnenTeam regelmäßig die Resultate kontrollieren.
Und das Ziel dieser Initiative? Bewegungsfreudige Kinder sind gesünder und meistern
später auch die schulischen Anforderungen
besser.
Wiesbaden
Mein coolstes
Fußballerlebnis
Eine Balanceakt war die Station des Kindergarten-Paten Eckard Nothdurft (links).
Auf dem Poster "Hessen - Tooor zur Welt",
das anlässlich der Fußball-WM 2006 an alle
81
Hessische Schulämter und von dort an die
Schulen verteilt wurde, hatte die Deutsche
Olympische Gesellschaft die Schülerinnen
und Schüler aufgerufen, über ihr "coolstes
Fußballerlebnis" zu berichten.
me eine schön gestaltete Urkunde, zehn
Kinder werden für ihre besonders gut
gelungene Erzählung mit dem Buch "Olympische Spiele" aus der beliebten Sachbuchreihe "Was ist was" belohnt.
Mehr als 150 Kinder haben inzwischen ihre
Geschichte eingereicht, darunter auch 9
Schulklassen von Schulen, die das Geschichteschreiben zu einem Thema ihrer Projektwoche gemacht hatten. Die Einsendungen
kamen aus ganz Hessen.
Die Schulklassen bekommen nach den
Sommerferien noch einen gravierten Pokal,
der sie an die tolle Projektwoche erinnern
wird und ein Fußballgeschichtenbuch zum
Vorlesen. Einige Pokale werden gleich in der
ersten Schulwoche persönlich überreicht.
Sportabzeichenehrung
Zur alljährlichen Ehrungsfeier für den
Sportabzeichenwettbewerb hatte die Stadtgruppe Wiesbaden der Deutschen Olympischen Gesellschaft am 12. Juni in den
Festsaal des Rathauses der hessischen
Landeshauptstadt eingeladen. Vertreter der
Schulen, Schulklassen und Vereine saßen
dicht an dicht, um die Pokale und Urkunden
der Deutschen Olympischen Gesellschaft in
Empfang zu nehmen.
Diese Urkunde stiftete die DOG Wiesbaden
für die "coolsten" Fußballgeschichten.
Initiator Prof. Hans-Jürgen Portmann von
der Deutschen Olympischen Gesellschaft
betont: "Es sind viele schöne Geschichten
eingereicht worden, sodass es schwer fällt,
hiervon eine Auswahl für besondere Preise
zu treffen."
Eine dieser schönen Geschichten schrieb Sofia
Donskich aus der Opelstadt Rüsselsheim:
"Mein tollstes Fußballerlebnis: In unserer
Schule war ein Fußballfest. Alle Klassen haben
miteinander gespielt. Unsere Klasse hatte
zwei Mannschaften und ich spielte in der 2.
Mannschaft. Ich war zuerst Torwärtin und
dann habe ich einem Jungen das Tor übergeben. Aber ich habe ihm geholfen das Tor zu
verteidigen, und ich habe den Ball mit
meinem Bauch abgeworfen. Aber dieses
Fußballspiel war unentschieden ausgegangen.
Mir hat gefallen, dass es in unserer Mannschaft freundschaftlich zuging."
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
erhalten jetzt für ihre erfolgreiche Teilnah-
82
In einer kurzen Einleitung stellte der DOGVorsitzende Hans-Jürgen Portmann erfreut
fest, dass im Jahr 2005 die Schulen rund 200
Erwerbungen mehr melden konnten als im
Vorjahr, während diese Zahl bei den Vereinen
um ca. 150 zurückging, sodass es aber immerhin einen Zuwachs auf 1857 Sportabzeichen
gegeben hat. Da sich diese aber nur auf 12
Schulen von ca. 80 und 14 Vereine von rund
240 verteilen, wies er darauf hin, welche
Möglichkeiten noch gegeben sind.
kritisch gegenüber stehende frühere DSBPräsident von Richthofen hat hier von einer
wohltuenden Nachricht gesprochen.
Der Beauftragte des DOSB für das Sportabzeichen, Klaus Witt, bezeichnet übrigens
den Sportorden als "Gesundheitsbarometer,
an dem man Fitness messen kann" und
stellte auch fest: "das größte Beteiligungspotenzial schlummert in den Vereinen", eine
Anmerkung, der man in Wiesbaden nur
beipflichten kann.
Hans-Jürgen Portmann ergänzte dazu noch:
"Fitness, wie wir sie meinen, erwirbt man
nicht auf dem Laufband oder einer Kraftmaschine in einem Fitnessstudio, sondern in
der sportlichen Gemeinschaft unserer
Schulen und Vereine."
Weiterhin fehlte angesichts der WM 2006
auch nicht der Hinweis, dass das Sportabzeichen Sportlerinnen und Sportlern aller
Nationen offen steht und bei der Sportabzeichenaktion die Welt nicht nur Gast bei
Freunden sondern bei Freunden zu Hause ist.
Als erfreuliche Initiative nannte er noch
abschließend die Initiative des DOSB, ein
Minisportabzeichen zu schaffen. Mit dem
Ausblick, dass vielleicht schon im kommenden Jahr der erste Kindergarten ausgezeichnet werden könnte, ging es dann an die
Übergabe der Pokale und Urkunden, die für
alle Schulen und die erfolgreichsten Vereine bereit standen. Auch die drei Schulklassen, die einen hundertprozentigen Erwerb
meldeten, wurden geehrt.
Bei einer entsprechenden Steigerung könnte
dann vielleicht
auch der bundesweite Rekord, der
2005 mit 918000
Abzeichen erzielt
wurde, die
Schallmauer von
1 Million durchbrechen.
Die Zunahme bei
den Schulen
entspricht einem
bundesweiten
Trend. Selbst der
der Schulsportentwicklung eher
Dicht an dicht zeigen sich die erfolgreichen Schülerinnen und Schüler
mit ihren Urkunden bei der Sportabzeichenehrung
Nachrichten des DOI
Auf den Spuren
Willi Daumes
DOI bearbeitet wertvollen
Archivbestand
Am Anfang war Willi Daume. So vieles hat
er vorgedacht und auf den Weg gebracht.
Ein Visionär und Macher, wie er - leider
noch nicht - im Buche steht. Lang ist die
Liste seiner bleibenden Verdienste, und
ohne ihn, seine spezifische Persönlichkeit,
namentlich sein Faible für Kunst, Kultur
und Wissenschaft, wäre es womöglich auch
nie zur Gründung des Deutschen Olympischen Instituts gekommen. So ist es kein
Zufall, wenn selbiges den zehnten Jahrestag seiner Eröffnung am Kleinen Wannsee
in Berlin am 24. Mai 2003, eben an jenem
Tag beging, an dem sein geistiger Vater
neunzig Jahre alt geworden wäre.
Vor diesem Hintergrund versteht sich auch,
dass sich das DOI in besonderer Weise dem
Erbe Daumes verpflichtet fühlt. So stellte
das Institut sein Jubiläum in den Dienst
einer kritischen Würdigung Daumes und
seines Lebenswerkes und zwar in Form
eines Symposiums, dessen Titel - "Olympische Dimensionen“ - den Charakter und die
Bedeutung dieser herausragenden Persönlichkeit der Zeitgeschichte vielleicht ganz
treffend einzufangen vermochte. Freilich
konnte es sich angesichts einer solch
schaffens- und erfolgreichen Karriere
allenfalls um eine Annäherung handeln, an
deren Ende bei allen Beteiligten Einigkeit
dahingehend bestand, dass bis zu einer
(wissenschaftlich) hinreichenden Aufarbeitung noch viel zu leisten sein wird.
Im Sinne dieser (Selbst-)Vergewisserung hat
sich das DOI eines umfänglichen Aktenbestandes aus dem Nachlass Daumes angenommen, um diesen zu dokumentieren und
in Form eines Findbuches zugänglich zu
machen. Die Sammlung umfasst nicht
weniger als rund 550, teils prall gefüllte
Ordner, die wiederum Dokumente verschiedenster Art aus den unterschiedlichen
Tätigkeitsfeldern Daumes und dem Zeitraum von 1961 bis 1995 enthalten.
Der Wert des Materials ergibt sich bereits
aus Daumes Lebenslauf und seiner einzigartigen Karriere als national und international bedeutsamer Sportfunktionär - ein
Begriff, der in diesem Fall ein gewisses
Unbehagen bereitet, im übrigen dem
Selbstverständnis des Gemeinten kaum
entsprochen haben dürfte. Ohnehin würde
man der exponierten Persönlichkeit nicht
gerecht, wenn man sie auf nur eine, seine
öffentliche beziehungsweise öffentlich am
stärksten wirksame und rezipierte Rolle
reduzieren würde. Daumes Engagement
galt nämlich nicht allein dem Sport, schon
gar nicht dessen Verwaltung und Organisation. Vielmehr begegnet er uns unter
anderem auch als ein großer Freund und
Förderer der Künste und Künstler, von
denen er sich gerne inspirieren ließ. Denkt
man etwa an die von namhaften Meistern
ihres Faches gestalteten Plakate, die Kom-
83
position der Farben, die architektonischen
Innovationen oder an Qualität und Ausrichtung des kulturellen Rahmenprogramms,
gerät eine seiner großen Visionen, nämlich
die "Versöhnung von Sport und Kunst" in
den Blick, die er 1972 mit der Gestaltung
der Olympischen Spiele von München als
eine Art "Gesamtkunstwerk" meisterhaft
zum Ausdruck brachte. Daume war ein
Ästhet und dabei stets Perfektionist, dem
das Beste gerade gut genug erschien,
während ihm das Durchschnittliche und
Gewöhnliche zuwider war. So ließ sich
Daume gerne begeistern, doch seine große
Kunst bestand darin, andere mit seiner
Begeisterung anstecken und für die von
ihm vertretene Sache, mochte sie zunächst
auch noch so utopisch erscheinen, gewinnen zu können. Um es ein wenig pathetisch
zu formulieren: Willi Daume war ein Beweis
für die Machbarkeit der Utopie.
Für einen Funktionsträger keineswegs
selbstverständlich, war der 1913 im bergischen Hückeswagen geborene Daume auch
als ein aktiver, durchaus vielseitig talentierter Sportler in Erscheinung getreten. Als
Sechsjähriger im Turnverein Eintracht
Dortmund angemeldet, erwarb er sich erste
Meriten als Leichtathlet - im Hochsprung
standen immerhin 1,83 Meter zu Buche sowie als Handballer, genauer als Torhüter
verschiedener Auswahlmannschaften. Dass
er 1936 sogar zu olympischen Ehren kam,
war insofern kurios, als er nicht in seiner
Sportart nominiert wurde, sondern als
Mitglied der deutschen Basketball-Auswahl
firmierte, für die kurzfristig, fast händeringend brauchbare Spieler gesucht worden
waren. Zum Einsatz kam Daume - im
Basketball-Sinne wahrlich kein Großer allerdings nicht.
Bei Kriegsende nicht einmal 32 Jahre alt,
zudem als politisch "unbelastet" eingestuft,
schien er kraft seiner Persönlichkeit dazu
prädestiniert, am Neuaufbau des Sports im
besetzten und geteilten Deutschland
maßgeblich mitzuwirken, zumal er als
Jungunternehmer - nach dem Tod des
Vaters hatte er die familieneigene Eisengießerei übernommen - finanziell unabhängig
war. Nachdem man ihm zunächst die
Führung des Deutschen Handball-Bundes
überantwortet hatte, wurde er im Dezember 1950, für manche überraschend, der
Gründungspräsident des Deutschen Sportbundes (DSB). Als man ihn 1961 auch an
die Spitze des NOKs wählte, vereinigte er
für neun Jahre die beiden wichtigsten
84
Aufgaben in seiner Person. Letzteres hielt er
bis 1992 inne, ersteres hatte er 1970 aus
arbeitstechnischen Gründen aufgegeben.
Wenn man ihn zudem als einen der Initiatoren der Stiftung Deutsche Sporthilfe oder
als Präsidenten der Deutschen Olympischen
Gesellschaft (DOG) ausweist, sind nur einige
seiner wichtigsten Ämter genannt.
In diesem Sinne hat er sich mit den
Münchner Spielen gleichsam selbst ein
Denkmal gesetzt. Es war wohl sein "Instinkt
für günstige Konstellationen und willkommene Gelegenheiten" (Otl Aicher), der ihn
Ende Oktober 1965 ins Büro des Stadtoberhauptes Jochen Vogel führte, um seinen
verwegenen Gedanken vorzutragen. Kaum
einen Monat zuvor hatte das Internationale
Olympische Komitee (IOC) bei seiner Session
in Madrid dem westdeutschen Sport eine
schmerzliche
Niederlage bereitet
und nach schier
uferlosen Querelen
dem NOK der DDR
die vollgültige
Anerkennung
verliehen sowie das
Recht zur Entsendung einer eigenen
Olympiamannschaft
eingeräumt. Doch
statt in Depression
zu verfallen, ergriff
Daume die Flucht
nach vorn, um das
Unmögliche möglich zu machen:
Olympische Spiele
in der - von der
Weltgemeinschaft
noch mit vielen
Vorbehalten bedachten - Bundesrepublik. Dies mag
sein größter Triumph gewesen sein.
Natürlich galt es,
deutsche Maßarbeit
zu liefern, doch in
der Intention
Daumes sollte diese ganz ungezwungen
und leicht daherkommen. Das Spielerische,
also, nach Schiller, das genuin Menschliche
sollte im Vordergrund stehen. Mit anderen
Worten: "Heitere Spiele" sollten es sein.
Und eben solche sind es auch gewesen, bis
der folgenschwere Terroranschlag auf die
israelische Mannschaft die Fratze der
Unmenschlichkeit in den Fokus rückte und
das Treffen der "Jugend der Welt" urplötzlich, wie aus "heiterem Himmel", in eine
"todernste" Angelegenheit verwandelte.
"The Games must go on!", verkündete der
scheidende IOC-Präsident Brundage, doch
es stand auf der Kippe. Die Wunde ging
tief, und die Narbe hat das Gesicht der
Spiele für immer verändert. Wieder fand
Daume eindringliche Worte: Man sei aus
dem Paradies vertrieben worden, und nie
wieder werde man dorthin zurückkehren
können.
So groß der Schock auch war, die größte
Enttäuschung seines sportpolitischen
Wirkens sollte ihm noch bevorstehen. Es
war die Entscheidung "seines" NOK, gegen
seine ausdrückliche Empfehlung dem
Vorbild der USA und einer Forderung der
von Helmut Schmidt geführten Bundesregierung zu entsprechen und als Reaktion
auf den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan einen Boykott der Olympischen
Spiele von Moskau zu beschließen. Für
Daume bedeutete die Entscheidung vom
15. Mai 1980 auch einen persönlichen
Karriereknick. Jedenfalls hatte seine -
vielleicht ohnehin nicht allzu aussichtsreiche - Kandidatur um die Präsidentschaft im
IOC alle Chancen eingebüßt. Statt seiner
wurde ein Spanier namens Juan Antonio
Samaranch gewählt.
Ein großer Auftritt auf der internationalen
Bühne des olympischen Sports, ein letztes
Highlight seiner glanzvollen Laufbahn, war
Daume allerdings noch beschieden: Der
Olympische Kongress 1981 in Baden-Baden.
Hier konnte er sich noch einmal als großer
Gestalter in Szene setzen. Mit der Neufassung der Zulassungsregeln, dem endgültigen Abschied vom olympischen Amateurideal, wurde der Weg hin zu "offenen
Spielen" geebnet und eine Entwicklung
beschleunigt, die nicht wenige als einen
"Abschied von der Idee" beklagten und mit
Begriffen wie "Gigantismus" und "Kommerz" brandmarkten.
Dieses könnte dann, gleichsam als Vermächtnis und Auftrag, in die neue Einrichtung, die Deutsche Olympische Akademie
eingebracht werden, die aus gutem Grund
den Namen "Willi Daume" tragen soll.
Olympische Hymnen in
Schwetzingen
Auch in Zeiten des Fußballs fand ein
olympisches Thema sein Publikum. Schließlich war es ein besonderes Angebot, das an
einem spielfreien, dennoch extrem heißen
Sonntag Vormittag im Kulturzentrum der
Stadt Schwetzingen eine hochkarätige
Ablenkung vom Stress der Weltmeisterschaft gewährleistete: Am 2. Juli ließ die
Deutsch-Griechische Akademiker-Gesell-
Dr. Elisabeth Leckie-Schüssel auch die
gemeinhin unbekannten historischen
Hintergründe aufgezeigt wurden.
Die Olympische Hymne hat seit 1932 einen
festen Platz im Zeremoniell der Spiele, und
zwar beim Hissen beziehungsweise Einholen der Olympischen Fahne im Rahmen der
Eröffnungs- beziehungsweise Schlussfeier.
Die erste, "La cantate des Jeux Olympiques",
stammt aus der Feder des großen griechischen Komponisten Spyros Samaras und
war eine Auftragsarbeit für die ersten
Olympischen Spiele der Neuzeit, 1896 in
Athen. 1960 erklärte das Internationale
Olympische Komitee sie zu seinem offiziellen akustischen Erkennungszeichen. Freilich
ist nur wenigen Experten bekannt, dass es
in der Zwischenzeit fünf andere Olympische
Hymnen gab. Allein das von Richard Strauss
geschaffene Werk von 1936 kommt gele-
In dieser schattenrissartigen Skizze der
Persönlichkeit und des Wirkungsbereichs
Willi Daumes spiegelt sich die thematische
Breite des in Rede Archivbestandes sowie
seine Relevanz für die Beseitigung einer
sporthistorischen Leerstelle. Zugleich
versteht sich die Motivation des DOI, mit
der Erstellung eines Findbuches einen
wichtigen Beitrag zur Erschließung des
Menschen Willi Daume und seiner Bedeutung für die Entwicklung des Sports in der
Nachkriegszeit zu leisten.
Unter anderem mit Mitteln des hessischen
Wissenschaftsministeriums wird unter der
Federführung der DOI-Mitarbeiterin Anna
Papadopoulos die umfängliche Korrespondenz Daumes sowie die übrigen Dokumente, in der Hauptsache Redetexte, Entwürfe
und Manuskripte, Rundschreiben, Protokolle, Interviews, Zeitungsartikel und anderes
mehr, nach allen Regeln archivwissenschaftlicher Gepflogenheiten aufgelistet,
charakterisiert und nummeriert und damit
dem interessierten Benutzer zugänglich
gemacht.
Bisher wurden bereits mehr als 46.500
einzelne Dokumente erfasst, über 7.000
relevante Personen in einem Glossar aufgelistet. Zielsetzung ist es, die Erfassung des
Materials bis Ende September abzuschließen, um dieses dann, nach einem notwendigen Korrekturgang, komplett in einer
Datenbank verfügbar zu machen. Bis
Jahresende soll auch ein entsprechendes
Findbuch vorgelegt werden.
schaft in Verbindung mit dem DOI und der
ortsansässigen Volkshochschule in einer
wunderbaren Matinee die Olympischen
Hymnen zu Gehör bringen.
Nun bereits zum dritten Mal - nach der
Premiere im Vorfeld der Olympischen Spiele
von Athen und einer ersten Wiederholung
im Deutschen Sport- und Olympiamuseum
in Köln Ende 2005 - bezauberten die
ansonsten weitgehend vergessenen Kleinode der Musik- und olympischen Geschichte die Zuhörer, zumal in der ebenso charmanten wie kompetenten Moderation von
gentlich zur Aufführung. Dabei sind auch
die anderen Stücke Arbeitsproben großer
Komponisten, wobei die Texte ebenfalls
berühmte Urheber haben, zum Beispiel
Rudyard Kipling, Nobelpreisträger für
Literatur und Autor des "Dschungelbuchs".
Nach einer Einführung durch Dr. Andreas
Höfer, "Olympia ist auch Musik", stellte
Leckie-Schlüssel, die 2001, durch das WilliDaume-Stipendium gefördert, mit einer
Arbeit über die "Rolle der Musik bei den
Olympischen Spiele" an der Deutschen
Sporthochschule Köln promovierte, nicht
85
nur die sechs Hymnen, sondern auch die
beiden Hauptdarsteller der Veranstaltung
vor: Die Sopranistin Rosemarie Kipreou und
den Pianisten Demosthenes Stephanidis.
Wie gewohnt bürgten die wunderbaren
griechischen Künstler für höchsten Hörgenuss. Ihre Darbietung sowie die Resonanz
des Publikums bestärkten das DOI in seinem
Vorhaben, die speziellen Musikstücke, dann
freilich mit Orchester und Chor, in größerem Maßstab aufzuführen und als Tondokument einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Entsprechende
Schritte mit Blickrichtung Peking 2008
wurden bereits unternommen.
Internationaler
Fair Play-Kongress 2007
Wie vor längerem gemeldet, hat die International Fair Play Movement (IFPM) im
September vergangenen Jahres die Aus-
richtung ihres Jahreskongresses 2007 dem
NOK für Deutschland übertragen. Diesen
Auftrag hat sich inzwischen der Deutsche
Olympische Sportbund zu eigen gemacht
und mit der Einberufung einer Arbeitsgruppe weitere Maßnahmen in die Wege
geleitet.
Da neben der Deutschen Sportjugend sowie
anderen Einrichtungen auch das DOI an der
Vorbereitung und Durchführung des Kongresses beteiligt ist, wurde sein Wissenschaftlicher Leiter, Dr. Andreas Höfer, in die
Arbeitsgruppe aufgenommen. Deren Aufgabe ist es, neben organisatorischen Details
auch die inhaltliche Ausrichtung der
86
Veranstaltung in den Blick zu nehmen und
entsprechende Vorschläge zu erarbeiten.
telbaren Vorfeld der Fußball-WM erschienen
ist.
Einigkeit bei allen Beteiligten besteht
dahingehend, dass sich der Kongress durch
eine breit angelegte Thematik sowie ein
hochkarätiges Programm auszeichnen soll,
um dem wichtigen Thema wieder zu mehr
Geltung und Aufmerksamkeit im
öffentlichen Diskurs
zu verhelfen.
Bei diesem, vom DOI gemeinsam mit dem
Deutschen Filmmuseum herausgegebenen
Band handelt es sich um eine erweiterte
Dokumentation des "Frankfurter FußballFilm-Festivals", die im übrigen die gesamte
Die diesbezüglichen
Vorüberlegungen
stießen auf weitgehende Zustimmung
des portugiesischen
Präsidenten der
EFPM, Prof. Dr.
Carlos Goncalves,
der sich am 25./26.
Juli zu einem
Arbeitsbesuch in
Frankfurt am Main
aufhielt. In Gesprächen mit Andreas
Höfer, dem EFPMVizepräsidenten
Prof. Dr. Manfred
Lämmer (Deutsche
Sporthochschule
Köln), dem zuständigen DOSBAbteilungsleiter
Achim Bueble sowie
dem Geschäftsführenden Direktor des
DOSB, Bernhard
Schwank, wurde die
Ausrichtung der
weiteren Vorbereitung festgelegt
sowie entsprechende Arbeitsaufträge verteilt. Ein erstes
Konzept soll im Rahmen des diesjährigen
EFPM-Kongresses, vom 27. bis 30. September im italienischen Udine, vorgestellt
werden.
"Doppelpass": Das Buch zu
Fußball und Film
Nach dem Spiel - ist Zeit zur Reflexion. In
diesem Sinne soll an dieser Stelle noch
einmal eine Publikation empfohlen werden,
die unter dem Titel "Doppelpass" im unmit-
Bandbreite des Themenfeldes beleuchtet
und insofern sowohl für Freunde des
Fußball als auch für Cineasten von Interesse
sein dürfte.
Das Buch, das neben einigen "Streifzügen
durch die Welt des Fußballfilms", unter
anderem auch ein Interview mit Sönke
Wortmann, dem Regisseur des "Wunders
von Bern", einen Beitrag über Fußball in den
Kino-Wochenschauen, "Notizen zu Kinoeffekten beim Fernsehfußball", eine Filmographie und Literaturliste enthält, zudem sehr
reich bebildert ist, kann übers DOI bestellt
und bezogen werden. Der Preis beträgt
19,90 Euro.
Deutsches Sport & Olympia Museum
Herausgeber: Stiftung Deutsches Sport & Olympia Museum
Rheinauhafen 1, 50678 Köln, Tel.: +49 (0)221 3 36 09-0
Redaktion: Ansgar Molzberger
Verantwortlich für den Inhalt: Klaus H. Schopen
Internet: www.sportmuseum-koeln.de
Jahrgang 26 - Heft 4/2006
MAX SCHMELING
Ausstellung im Deutschen
Sport & Olympia Museum
vom 25. August bis 26. November 2006
"Manchmal komme ich mir wie ein wandelndes Monument vor" - so beginnt Max
Schmeling seine im
Jahr 1977 erschienenen "Erinnerungen". Zum damaligen Zeitpunkt ist er
"gerade einmal" 72
Jahre alt. Dass er
dank bemerkenswert
guter Konstitution
noch einen Lebensweg von mehr als
25 Jahren vor sich
hat, kann er 1977
noch nicht wissen.
der NS-Diktatur sportlichen - und auch
gesellschaftlichen - Ruhm, ehe er dann in
der jungen Bundesrepublik Deutschland eine
steile Wirtschaftskarriere beginnt und
endgültig zu einer deutschen (Sport-)Legende wird.
Dem Leben Max Schmelings widmet nun das
Deutsche Sport & Olympia Museum, dem der
sportliche Nachlass des Boxers durch die
Max-Schmeling-Stiftung übereignet wird,
Als Schmeling dann
am 2. Februar 2005
im Alter von 99
Jahren in seinem
Haus in Hollenstedt
stirbt, geht eine
einmalige Karriere
zu Ende. Nahezu
Max Schmeling siegt 1936 über Joe Louis
hundert Jahre
deutscher Geschichdie große Ausstellung "Max Schmeling", die
te hat Max Schmeling erlebt. Nach der
vom 25. August bis zum 26. November 2006
Kindheit im Kaiserreich erboxt er sich wähin Köln zu sehen ist und in Kooperation mit
rend der Weimarer Republik und den Jahren
dem Hamburger Helms-Museum präsentiert
wird.
Gezeigt werden Objekte und Dokumente, die
bislang noch nicht museal präsentiert
worden sind. Briefe an Schmeling belegen
beispielsweise, welch großen Anteil viele
Deutsche am Leben "ihres" Max' nahmen: So
finden sich im Nachlass Schreiben mit
wüsten Schimpfkanonaden und unflätigen
Beleidigungen der ihm nicht Wohlgesonnenen - Schmeling
bewahrte auch
solche Briefe auf sowie Fanbriefe wie
der einer Frau
Bötticher an Schmelings Trainer Max
Machon: Verfasst
1948 im Auftrag
ihres noch in russischer Kriegsgefangenschaft sitzenden
Mannes, erhält
Machon den "streng
vertraulichen" Rat,
Schmeling den
anstehenden Kampf
gegen Walter Neusel
mit Hilfe eines
genau dosierten
Mixgetränks aus
Cola, Koffein und
Kokain zu erleichtern. Machons
galante Antwort:
"Herzlichen Dank für Ihren Brief […]. Zum gut
gemeinten Vorschlag Ihres Mannes kann ich
sagen, daß so etwas bei Max nicht notwen-
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dig ist, weil er eben eine Ausnahme ist." Hier
irrte sich Machon: der ungedopte Schmeling
verlor seinen drittletzten Kampf am 29. Mai
1948 gegen Walter Neusel nach Punkten.
Weiterhin zeigt die Ausstellung attraktive
Objekte wie den original goldenen Weltmeisterring von 1930 oder den Gürtel zur Deutschen Meisterschaft im Halbschwergewicht
1927, die Schmeling gegen den Kölner Hein
Domgörgen gewann. In Wort und Bild
behandelt werden natürlich auch die bekannten sportlichen Eckpunkte der Schmeling'schen Karriere - Beginn der Boxlaufbahn
in Köln, Profi-Karriere in Amerika, Schwergewichts-Weltmeister 1930-32 , K.o.-Sieg über
Joe Louis 1936 und die vernichtende Niederlage gegen Louis im WM-Kampf 1938 sowie
das kurze Nachkriegs-Comeback. Darüber
hinaus die wichtigen privaten Stationen wie
die Ehe mit Filmschauspielerin Anny Ondra,
die Nachkriegskarriere als Geschäftsmann,
Schmelings Leidenschaft für die Jagd und
das große soziale Engagement, das 1991 in
der Gründung der "Max-Schmeling-Stiftung"
gipfelte. Ebenfalls dargestellt wird die "Legende" Max Schmeling, unzählige Auszeichnungen und Ehrungen belegen dessen
lebenslang andauernde Popularität. Ganz
Profi, der das boxerische Ballyhoo von der
Pike auf gelernt hatte, verstand es Schmeling
stets, sich gut in Szene zu setzen.
Als sportlicher Partner der Ausstellung
fungiert der S.C. Colonia 06, der als Deutsch-
Lars Käker: Boxer XXL, Max Schmeling
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lands ältester Boxclub mit einem Festakt im
Rahmen der Ausstellungseröffnung am 24.
August 2006 im Deutschen Sport & Olympia
Museum sein hundertjähriges Jubiläum
feiert. Die Darstellung der Clubgeschichte ist
in die Ausstellung "Max Schmeling" integriert, war doch Schmeling im Jahr 1924 bis
zu seinem Profidebut am 2. August 1924 in
Düsseldorf Mitglied im S.C. Colonia 06.
Künstlerisch begleitet wird die Ausstellung
von Lars Käker, der mit "Boxer XXL" eine
fünfteilige Serie großformatiger Boxerportraits - neben Schmeling die Box-Brüder
Vitali und Wladimir Klitschko sowie Rüdiger
und Torsten May - geschaffen hat und diese
Serie während der Dauer der Ausstellung
noch um ein Portrait von Boxweltmeister
Henry Maske ergänzen wird.
Jubiläums- und
Eröffnungsgala
Der S.C. Colonia 06 Köln legt Wert darauf,
jung geblieben zu sein. Trotz seines stattlichen Alters von 100 Jahren. Entsprechend
gebührend fiel der Auftritt aus, den die
Aktiven des Klubs im Rahmen der Jubiläumsfeier im Deutschen Sport & Olympia Museum
erhielten: Zu den Klängen von Vangelis, der
einstigen Einmarschmusik des ehemaligen
Halbschwergewichts-Weltmeisters Henry
Maske, betraten sie einzeln den Festsaal, um
anschließend eine Kostprobe ihres Könnens
abzuliefern. Gymnastik, Schattenboxen und
Sparring umgeben von geschichtsträchtigen
Exponaten - schöner lässt sich ein 100jähriger Kreis kaum schließen.
Eröffnet wurde der Abend durch die Begrüßung von Professor Walther Tröger, er zeigte
sich sehr erfreut über die bevorstehende
Aufnahme der Schmeling Objekte in den
Bestand des Museums und dankte der MaxSchmeling-Stiftung aus Hamburg, welche
durch ihr Vorstandsmitglied Dr. Florian Asche
vertreten war, ausdrücklich für das Vertrauen.
Paul Forschbach, der Präsident des Deutschen
Boxsport-Verbandes, betonte in seiner
Ansprache die Bedeutung des Boxsportes in
der Jungendarbeit und für die Integration
von Jugendlichen verschiedener Kulturen.
Anschließend führte Museumsdirektor Dr.
Christian Wacker in die Ausstellung ein und
lenkte die Aufmerksamkeit der Besucher auf
über 100 Jahre Boxgeschichte.
Reichlich Boxprominenz befand sich unter
den Gästen. Zahlreiche Westdeutsche,
Deutsche, Europa- und Weltmeister, unter
anderem auch Box-Olympiasieger Torsten
May und sein Bruder Rüdiger sowie der
ehemalige Profiweltmeister Henry Maske, der
erst kürzlich sein für Anfang 2007 geplantes
Comeback bekannt gab. "Ich befinde mich
zurzeit auch noch in der Phase des Schattenboxens" war sein Kommentar, als er die
Präsentation der Nachwuchsboxer sah. Ein
Gentlemen eröffneten die Ausstellung: Professor Walther Tröger,
Henry Maske
weiteres Statement zum bevorstehenden
Kampf gab er nicht ab. Maske verband über
Jahre eine enge Freundschaft mit Max
Schmeling, dieser verdankte er auch seinen
Kampfnamen "Gentleman".
Flip & Tip
Maskottchen ziehen ins Museum ein!
Das Deutsche Sport & Olympia Museum hat
zwei neue "Mitarbeiter", seit neustem gehö-
werden zu ausgewählten Anlässen auch in
gedruckter Form herausgegeben. "Flip & Tip"
beantworten auf Wunsch auch die Fragen
der Besucher des Museums und der Leser der
DSOM-Nachrichten, sie sind unter [email protected] zu erreichen.
26. Kölner Brückenlauf
startete am Deutschen
Sport & Olympia Museum
Für die 26. Auflage des Brückenlaufs
am 10. September waren 6000 Läufer
gemeldet.
ren "Flip & Tip" als Maskottchen zum Team.
Die zwei pfiffig-sportlichen Figuren sind
demnächst immer dabei, wenn sich etwas tut
im Museum.
Sie werden Sportgeschichte erklären, Streiche
spielen, Sportler und Sportereignisse begleiten. Genau dann, wenn es spannend wird,
Der "Kölner Brückenlauf" ist um eine Brücke
reicher geworden: Durch die Verlegung des
Starts und Ziels vor das Deutsche Sport &
Olympia Museum war nun auch die Drehbrücke am Schokoladenmuseum im Kölner
Rheinauhafen hinzugekommen. Bislang
wurde der Lauf in der Innenstadt an der Oper
gestartet.
"Wir haben mit dem Deutschen Sport &
Olympia Museum einen Partner gefunden,
der 100%ig zu uns passt und mit dem wir
auch in den nächsten Jahren zusammenarbeiten wollen", so ASV-Geschäftsführer
Andreas Plath. Im DSOM fand auch die
Startnummernausgabe am Tag vor dem Lauf
statt und die große Fläche vor dem Museum
war bestens für das Begleitprogramm und
die Anfeuerungen beim Schlußsprint der
Läufer durch das Publikum geeignet.
Durch die Verlegung von Start und Ziel
veränderte sich die Länge der Laufstrecke.
Betrug sie in den Vorjahren noch 16,1
Kilometer, so waren die Läuferinnen und
Läufer diesmal schon nach 15,2 Kilometern
am Ziel. Die Route ging vom Rheinauhafen
über die Drehbrücke, dann nach einer Schleife über die Severinsbrücke, die Hohenzollernbrücke und entlang der Rheinuferpromenade
zur Mülheimer Brücke. Wieder auf der
Rheinuferpromenade angekommen, liefen
die Teilnehmer zur Deutzer Brücke und
schließlich zum Ziel am Deutschen Sport &
Olympia Museum.
Zeitgleich mit diesem Lauf wurde ein Kinderund Jugendlauf gestartet, der maximal 1000
Teilnehmern zwischen zehn und 18 Jahren
vorbehalten war und über 5,4 Kilometer ging.
Das Besondere an diesem Lauf: Vom Startgeld in Höhe von acht Euro wurde die Hälfte
an die Kinderkardiologie der Uni-Klinik
gespendet.
Weitere Informationen und eine Rückblick
auf den Lauf sind unter: www.asv-koeln.de
zu finden.
Von Fallrückziehern und
Purzelbäume:
Klaus Fischer, Horst Köppel
und Walter Eschweiler zu
Gast bei TORWORT
Am 1. Bundesliga-Spieltag ging im Deutschen Sport & Olympia Museum die 15.
werden sie auftauchen und insbesondere die
jüngeren Besucher ansprechen.
Ihre Geschichten sind zukünftig auf der
Homepage des Museums zu finden und
Machen sich für den Brückenlauf
stark:.v.l.n.r: Oliver Becker und Franz-Xaver
Corneth (Hafen- und Güterverkehr Köln),
Christian Heinrich (DKV), Andreas Plath
(ASV Köln), Maria Mrachacz (Museumsdirektorin Schokoladenmuseum), Klau H.
Schopen (Deutsches Sport & Olympia
Museum) und Michael Trabler (ASV Köln
Veranstaltungsmanager).
Von Purzelbäumen … Walter Eschweiler
1982 bei der Fußball-WM in Spanien
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mehr stand auf dem Sportparcours zur
Auswahl.
Im Rheinauhafen gegenüber dem Deutschen
Sport & Olympia Museum hatte das Ausstellungsschiff des „MS Wissenschaft“ angelegt
und informierte in einer Ausstellung, welchen Stellenwert Informatik mittlerweile im
Sport einnimmt. Hier konnte man erfahren,
dass ein Chip in einem Speer dem Athleten
genau verrät, ob der Abwurfwinkel optimal
war und genügend Kraft im Wurf steckte. Die
Daten werden direkt auf das Notebook des
Von Fallrückziehern… Klaus Fischer 2005 bei einem Benefizspiel in Hamburg
Gnadenlos: der Mikrochip im Speer gibt
dem Athleten Aufschluss
TORWORT-Lesung an den Start. Dieses Mal
im Kader: Der Urheber des WM-Purzelbaums
Walter Eschweiler, der Meister des gepflegten
Fallrückziehers Klaus Fischer sowie Bundesliga-Trainer Horst Köppel. Launigen Enthüllungen aus grandiosen Karrieren stand nichts im
Wege. Komplettiert wurde die Aufstellung
durch die grandiosen Fanzine-Autoren
Melanie Kaltenbach ("In der Pratsch"), Henrik
Grotjahn ("Fußballperspektiven") sowie WDR
2 - Fußballreporter Burkhard Hupe.
Sportlers übermittelt, der damit sein Training
optimieren kann. Das Ausstellungsschiff lag
vom 11. bis 15. Juli vor dem Museum im
Rheinauhafen und setzte anschließend seine
Tour durch weitere 18 Städte Deutschlands
fort.
"Als Kind habe ich den typischen FischerFallrückzieher täglich auf der heimischen
Couch trainiert - nun sitzt Klaus Fischer auf
dem TORWORT-Podium neben mir. Das ist
wahrlich großer Sport!" so Sascha Theisen,
Erfinder der Kölner Lesereihe.
MS Wissenschaft und
Festival des Sports vor dem
Museum
In vielen Städten Deutschlands findet jedes
Jahr das "Festival des Sports" statt. Diesmal
wurde auch am Deutschen Sport & Olympia
Museum die bunte Vielfalt des Sports
präsentiert. Auf dem Gelände vor dem
90
Museum konnten am 14. Juli 2006 die
Besucher über 40 Sportarten kostenlos
ausprobieren. Da bot sich Gelegenheit, sich
im Bogenschießen zu erproben oder im
Skate-Contest mitzumachen. Am Stand des
Fecht-Clubs Leverkusen konnten sich Mutige
mit der Olympiamedaillengewinnerin Britta
Heidemann messen.
Die Fechterin, die mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen
in Athen 2004 Silber geholt hatte, ging ohne
Berührungsangst mit vielen Kindern und
Erwachsenen in die Runden.
An einem anderen Stand konnten Besucher
in einem Rollstuhl einen Parcours mit Hindernissen befahren. Marvin (9) aus Hessen
wurde "Rollstuhlfahrer der Spitzenklasse".
"Sehr schwer war es eigentlich nicht.",
meinte er, "aber jetzt weiß ich ein bisschen,
wie es für einen Rollstuhlfahrer ist."
Ziel des Festivals des Sports, das in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen
Sportbund und dem Stadtsportbund Köln
durchgeführt wurde, ist es Erwachsene,
Kinder und Jugendliche spielerisch an Sport
und Bewegung heranzuführen. Sportvereine
aus Köln und Umgebung boten hierzu auf
dem Museumsgelände Gelegenheit. Judo,
Inline, Basketball, Viererbungee und vieles
Aktiv beim Festival des Sports: Fechter und
Judokas