Atze Schröder im Interview • Nazis raus! 3, 2, 1... wirklich

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Atze Schröder im Interview • Nazis raus! 3, 2, 1... wirklich
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Editorial
Liebe Leserinnen
und Leser,
was ist eigentlich Freundschaft? Die Statistik sagt: Oft haben
Männer weniger enge Freunde als Frauen. Männer öffnen sich
nicht so leicht. Eine Frau funktioniert da einfacher. Freundschaften unter Frauen sind häufig offener und intimer. Männer
unternehmen lieber etwas gemeinsam, Frauen begnügen sich
auch gerne mal mit einem entspannten Quassel / Lästerabend.
„Gute Freunde kann niemand trennen….“, sang seinerzeit
schon Kaiser Franz. Eine echte Freundschaft ist kostbar wie ein
Schatz. Freunde liegen einem am Herzen und man ist jederzeit
bereit sich für sie einzusetzen. Eine Freundschaft ist stabil und
zugleich zerbrechlich wie ein rohes Ei. Genauso wie das rohe Ei
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kann sie jedoch auch eine Menge aushalten.
sich mit ihnen, wenn sie sich freuen. Gute Freunde sind ehrlich
zueinander – immer, auch wenn es weh tut! Freundschaften
sind bedingungslos offen, aber nicht verletzend. Sie können
durch ihre Ehrlichkeit Wunden reißen, hinterlassen aber selten
Narben. Neid und Missgunst kennen Freunde untereinander
nicht. Freunde nehmen Rücksicht. Freunde brauchen Zeit.
Freunde sind Freunde!
In diesem Sinne pflegen und behüten Sie Ihre Freundschaften.
STROM
Für echte Freunde ist man da in der Not und hat jederzeit
ein Sabrina Kipp
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offenes Ohr, wenn es ihnen nicht gut geht. Genauso freut man Redakteurin ~ e.V.
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Atze Schröder in Afrika
Ja nee, is klar!
4
Impressum
Herausgeber
„~“ e. V.
Berliner Platz 8
48143 Münster
Redaktionsteam
Juliane Büker
Michael Heß
Sabrina Kipp
Sigi Nasner
Carsten Scheiper
Horst Gärtner (V.i.S.d.P.)
Tel.: 0251 / 4909118
[email protected]
Streetwork
Sabrina Kipp
[email protected]
Internetseite
www.strassenmagazin-draussen.de
Administrator: Cyrus Tahbasian
Mitarbeiter | Texte
Bianka Boyke, Juliane Büker, Tom Dietzel,
Dietmar Buff, Horst Gärtner, Michael
Heß, Nico Hürkamp, Sabrina Kipp, Glenn
Langhorst, Sigi Nasner, Annette Poethke,
Dirk Richter, Manuel Schumann
Mitarbeiter | Fotos
ASB e.V., Bundesarchiv, Bildsignatur /
Denzel, Jesco, Michael Heß, madamfoghana.de, RTL Spendenmarathon
Titelfoto
MTS GmbH - Atze Schröder
Layout und Titelgestaltung
Juliane Büker, Kevin Schuster
[email protected]
Gestaltungskonzept
Lisa Schwarz/Christian Büning
Druck
Gutverlag Druck & Medien
Auflage 9.000
Unterstützt durch
Siverdes-Stiftung
Bankverbindung
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Paten-Spenden-Konto
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Inhalt
2 Editorial
Freundschaft
6 Atze Schröder im Interview
Missbrauch von Kindern macht mich wütend
8 Bettina Landgrafe
Weisse Nana - mein Leben für Afrika
9 Schokolade - ein leidfreier Genuss?
Über 200.000 Kindersklaven schuften in Afrika
10 Neujahrsempfang 2012
Ein Thema: Ressourcen vor Ort verbinden
11 Halbseidenes am Fliegenfänger
Die Debatte zum Bundespräsidenten sagt viel über die Beteiligten
12 Vorlesen als soziale Hilfe
Die Westdeutsche Blindenhörbücherei (WBH) Münster stellt sich vor
14 Internetauktionen - nicht ohne Anwalt
Wie sich Ärger bei Internetauktionen vermeiden lässt
16 Kein Arbeitsplatz ohne Rauch
Warum Kneipen auf mehr Nichtraucherschutz gern verzichten
18 Zukunftsforscher Opaschowski
Die Demokratie von morgen wird wieder auf beiden Beinen stehen
20 „Der Schoß ist fruchtbar noch...“
Braune Horden planen wieder eine Demo in Münster
22 Kurz und Knapp
Jonas ist da! | Hilfe in eigener Sache
23 Dietmars Welt der Musik
Rückschau aus der Jetztzeit
Wir danken allen Spendern!
Artikel, die namentlich gekennzeichnet
sind, geben nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wieder.
Bitte beachten Sie unsere Anzeigenkunden.
24 Lesen
Peter Scholl-Latour: „Arabiens Stunde der Wahrheit“
26 Rezepte
Nicht jugendfrei!
27 Neues aus dem Familienrecht
Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse des Kindes
28 Columne: „~“ auf Cuba
Gute Vorsätze
#
29 Schlussakkord
5
Bericht | Text: Sabrina Kipp und Sigi Nasner | Foto: madamfo-ghana.de
Atze Schröder im Interview
Missbrauch von Kindern macht mich wütend
Atze Schröder ist mit seinem neuen
Bühnenprogramm „Schmerzfrei“ gleich
zweimal in Münster zu sehen. ~
war bereits bei der Premiere in Hamm
dabei und Atze fand kurz Zeit uns ein
Interview zu geben. Der Oberprolet aus
Essen Kray erstaunte uns mit seinem
sozialen Engagement. Schon mehrfach
war er bei Bettina Landgrafe in Ghana
und man nimmt ihm ab, dass ihm die
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Sache am Herzen liegt. Die Bilder von
„Onkel Atze“ in einem Pulk schwarzer
Kinder, sprechen wohl für sich. Und Atze
Schröder wäre wohl nicht Atze Schröder, wenn er den Kindern nicht sein
berühmtes „Ja nee, is klar“ beigebracht
und somit einen bleibenden Eindruck
hinterlassen hätte. Sabrina Kipp und
Sigi Nasner unterhalten sich für ~
mit dem Typen mit der blauen Brille.
habe das wohl von meinem Vater geerbt,
der war auch so.
~: Aber Turner stimmt?
~: Auch in Afrika, bzw. Ghana?
Atze: Ja, das stimmt.
Atze: Nein, das ist vorwiegend in Deutschland. Unter anderem in Berlin, da gibt es
die Stricherhilfe. Es gibt dort viele kleine
Jungs, 12, 13, 14 Jahre alt, die auch auf der
Straße leben und sich dann abends für
eine Übernachtung von irgendwelchen
Typen missbrauchen lassen. Da versuchen
wir irgendwie gegen zu lenken.
~: Wann hast du gemerkt, dass
man damit Geld verdienen kann?
Atze: (lacht) Das muss ungefähr 1993/94
gewesen sein. Da stand ich auf der Bühne
und habe eine Show moderiert. Das war
bei einem Talentwettbewerb in Münster
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31.08.2009
14:29:31 Uhr
und das war tatsächlich wie so eine Er~: Du kennst unser Straßenmaga- leuchtung. Da habe ich gedacht, das ist
es: auf der Bühne stehen und dummes
zin?
Zeug erzählen!
Atze: Ja, das habe ich schon öfter mal
~: Du hast aber auch eine ganz
gesehen.
andere Seite. In Atze Schröder steckt auch
~: Als erstes interessiert uns, wie ein sozial engagierter Gutmensch. Magst
aus einem Tanzlehrer und Turner ein du uns davon erzählen?
Comedian wird?
Atze: Im Moment mache ich viel für
Atze: (lacht) Tanzlehrer stimmt nicht. Das Madamfo Ghana, das ist eine Hilfsorgasteht zwar überall, ist aber falsch! Ich war nisation der Krankenschwester Bettina
mal bei der Fernsehsendung „Was bin Landgrafe aus Hagen. Außerdem maich?“, und da sollte die Jury raten, was che ich einiges für „Roter Keil“, das ist
mein angestammter Beruf ist und da ich eine Organisation die maßgeblich von
keinen habe, habe ich einfach Tanzlehrer Christian Metzelder und Sebastian Kehl
, den beiden Fußballern von Borussia
gesagt. Also das war gelogen…
Dortmund gemacht wird. Da gibt es dann
~: Das müsste man dann bei Wiki- noch den stellvertretenden Generalvikar
von Münster Jochen Reidegeld, der ist
pedia mal ändern…
dabei, ja und ich bin auch hin und wieAtze: Tja, einmal drin, immer drin. Das ist der dabei. Da engagiere ich mich gegen
aber nicht so schlimm, ich finde es lustig. Kinderprostitution.
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~: …und Soziologiestudent stimmt
auch?
Atze: Das auch, naja wobei – „anstudiert“ trifft es wohl besser…
~: Warst du schon in der Schule der
Pausenclown?
Atze:
6
Ja, das kann man so sagen. Ich
~: Wie ist dieser Kontakt zu Stande
gekommen?
Atze: Ich habe ja relativ häufig mit dem
BVB (Borussia Dortmund) zu tun und so
kam es dann zum Kontakt mit Metzelder
und Kehl.
~: Wie lange machst du das schon?
Atze: Beim Roten Keil engagiere ich schon
seit ca. 5 Jahren. Ghana mache ich jetzt
seit ungefähr zwei Jahren, seit ich bei
„Wer wird Millionär“ 500.000.- Euro abgeräumt habe. Von der Kohle haben wir
dann ein Kinderkrankenhaus in Ghana
gebaut.
~: Bist du selber schon mal da
gewesen?
Atze: Jaja, selbstverständlich. Ich war
jetzt schon dreimal in Ghana und habe
mir dort verschiedene Projekte angeguckt.
~:
Wie
müssen
wir
uns
das
vorstellen? Ist das in einem Dorf oder ist
das ein eigener Bezirk in dem ihr tätig
seid?
Atze: Das sind ganz verschiedene Gegenden, in denen wir das machen. Das
Kinderkrankenhaus ist in der Nähe der
Elfenbeinküste, dann in der Stadt Ho,
das ist an der Grenze zu Togo, da bauen
wir jetzt gerade ein Kinderheim für Kindersklaven am Voltasee und es ist auch
schon ein Lepradorf entstanden. Dann
gibt es noch ein Wasserprojekt, das ist
in einer ganz anderen Region am Lake
Bosomtwe in der Nähe von Kumasi, da
bauen wir jetzt eine Wasserpipeline,
damit die Kinder nicht an verunreinigtem
Wasser sterben
~: Hattest du die Zustände dort
vorher schon einmal gesehen?
Atze: Nein, ich war vor eineinhalb
Jahren zum ersten Mal da und in der
Zwischenzeit bin ich zwei weitere Male
drüben gewesen.
~: Was hat dich in Afrika am meisten beeindruckt?
Atze: Das die Menschen trotz dieser Armut so extrem gut drauf sind und so viel
lachen. Während die Leute hier dauernd
jammern und dann unter Burnout leiden!
~: Was macht dich besonders wütend?
Atze: Missbrauch von Kindern, egal wo
auf der Welt, macht mich sehr wütend.
~: Vielen Dank für das Interview.
Atze: Gerne doch!
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1 DVD Programm „Mutterschutz“
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Bericht | Text: Sabrina Kipp
Bettina Landgrafe
Weisse Nana – Mein Leben für Afrika
Bettina Landgrafe ist Kinderkrankenschwester. Als sie 2001 das erste Mal nach
Ghana reist um in einem Buschkrankenhaus „ein bisschen zu helfen“, wird ihr
schnell klar dass dieses „bisschen“ nicht
reicht. Das vermeintliche Krankenhaus
hat den Namen nicht verdient. Es fehlt
an allem und die Kranken haben kaum
Hoffnung auf Linderung. Auch rundherum hören Leid und Armut nicht auf.
Schmutziges Wasser, Hungernde Kinder,
unversorgte Schwangere, Kinderarbeit
und Menschenhandel sind an der Tagesordnung. Die hygienischen Bedingungen
verschlagen der damals 25 jährigen die
Sprache. Trotzdem oder gerade deswegen
fühlt sie sich vom ersten Augenblick von
Land und Leuten magisch angezogen. Das
Leid und die Armut der gastfreundlichen
Menschen die ihr begegnet sind lässt sie
nicht mehr los. Sie will helfen. Ihr erstes
Ziel: ein Brunnen für das abgeschlagene
Dorf Apewu. Zurück in Deutschland plündert sie ihr Sparbuch und beginnt bei
Spendenkonto - Deutschland: Sparkasse Hagen | BLZ 45050001 | Kontonr.:
101900090
Weisse Nana - Mein Leben für Afrika
Verlag: Knaur
ISBN 9783426655092
Preis: 16,99 Euro
Freunden und Verwandten um Spenden
zu bitten. Tatsächlich bekommt sie das
Geld für einen ersten Brunnen zusammen. Gemeinsam mit der Bevölkerung
des Dorfes plant sie die Ausführung des
gewaltigen Projektes. Denn für Bettina
ist es ganz wichtig, dass die Anwohner
mitentscheiden. Sie will nachhaltig Hilfe
zur Selbsthilfe leisten. Ein Brunnen wird
die hygienischen Verhältnisse im Dorf
stark verbessern und einigen Krankheiten, die aus verseuchtem Flusswasser
herrühren von vorne
herein ausbremsen.
Es werden nur die
benötigten
Materialien gestellt. Die
Arbeiten sollen die
Menschen
unter
Anleitung selbst erledigen, damit sie sich
später selber für die
Instandhaltung der
Anlage verantwortlich fühlen. Das Dorf
liegt am Rand eines Kratersees, dorthin
führt keine Straße. Damit gehen die Probleme los. Wie sollen schwere Bohrfahrzeuge auf den unbefestigten Wegen zum
ausgesuchten Brunnenplatz kommen?
Bettina Landgrafe gibt nicht auf. Es gelingt ihr, mehrere Dörfer vom Vorzug des
Brunnens zu überzeugen und gemeinsam
bauen die Anwohner eine Straße. Nach
mehreren Bohrversuchen sprudelt das
Wasser und die Menschen sind außer
sich vor Freude. Bettina wird von den
Stammeshäuptern zur Nana Enimkorkor
– zur Königin der Entwicklung gekürt.
Damit ist ihre Verbindung zu Land und
Leuten noch fester besiegelt. Von nun an
lebt die junge Frau in zwei Welten. Einmal als weiße Nana in Ghana und einmal
als Krankenschwester in Deutschland. In
ihrem Heimatland beschränkt sich ihr
Tun auf Spendenakquise und die Arbeit
im Kinderkrankenhaus. in Westafrika
baut sie Brunnen, Toilettenanlagen, eine
Schule und ein Krankenhaus. Auch kümmert sie sich um Leprakranke. Sie gründet
einen Verein und nennt ihn Madamfo
Ghana e.V. Madamfo ist das ghanaische
Wort für Freund und das möchten sie
und ihre Helfer und Unterstützer sein:
Freunde! Der königliche Stand öffnet
ihr in Ghana viele Türen, die so wichtig
sind bei ihrer Arbeit. Türen, die umso
wichtiger sind als Bettina Landgrafe mit
Kindersklaven am Voltasee konfrontiert
Diese Seite wird von Siegfried Kurz gesponsort.
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wird. Für umgerechnet 20.- Euro im
Jahr verkaufen die notleidenden Eltern
ihre Kinder an Fischer. Hier müssen
kleine Kinder, zum Teil erst 5 Jahre alt,
morgens um vier Uhr aufstehen und bis
zu 14 Stunden schwere körperliche Arbeit
leisten. Schläge und wenig essen sind an
der Tagesordnung. Mit viel Geduld, unermüdlichem Einsatz, viel Wut im Bauch
und der Hilfe des ghanaischen Staates,
gelingt es Bettina Landgrafe die ersten
Kinder zu befreien. Inzwischen sind 105
Kinder in Sicherheit gebracht. Nun liegt
es wieder an der jungen Frau für diese
Kinder ein Kinderheim zu bauen. Der
Grundstein ist bereits gelegt. Doch auch
hier kommt die Nachhaltigkeit in der
Arbeit von Bettina zum Ausdruck. Statt
den Fischern mit den Kindersklaven ihre
Existenz zu nehmen, kümmert sie sich
auch hier. Um die Arbeit der Fischer zu
erleichtern, hat sie gemeinsam mit ihnen angefangen Fische zu züchten. Die
erste „Ernte“ war erfolgreich und selbst
erbitterte Gegner der Sache zählen heute
zu den größten Unterstützern. Diese und
andere Geschichten aus ihrem Leben
in zwei Welten erzählt die 34 jährige in
ihrem Buch Weiße Nana.
Warum Bettina das alles auf sich nimmt?
Die Antwort auf diese Frage beantwortet
sie immer gleich: „Sie sollten nur mal in
diese Augen sehen.“ #
Bericht | Text: Dirk Richter | Foto: Sabrina Kipp
Schokolade – ein leidfreier Genuss?
Über 200.000 Kindersklaven schuften auf den Kakao-Plantagen Afrikas
Wer liebt nicht Schokolade? Die zarteste
Versuchung, quadratisch und praktisch
oder auch Kinderschokolade? Doch so
bitter es klingt: Schokolade bedeutet für
viele Kinder ein erbärmliches Leben.
Speziell in Afrika, wo ein Großteil
der Kakaobohnen für die weltweite
Schokoladenproduktion geerntet wird
(allein 40 % in der Elfenbeinküste), ist
der Handel mit Kindersklaven an der
Tagesordnung. Umgerechnet zwischen
200 und 250 Euro zahlt ein Kakaobauer
für einen Kindersklaven. Die meist
zwischen 10 und 14 Jahre alten Jungen
werden von Menschenhändlern entführt
und in den Nachbarländern verkauft.
Diese Kinder müssen dann von Morgens
bis Abends auf den Plantagen arbeiten,
bei brütender Hitze – sieben Tage in der
Woche. Sie erhalten karges Essen und
natürlich keinerlei Lohn. Häufig werden
sie miserabel behandelt und geschlagen.
Durch die körperlich schwere Arbeit sind
sie nach einigen Jahren meist Invaliden.
Mit Macheten ernten sie die Kakaobohnen, hierbei kommt es immer wieder zu
Verletzungen. Auch Pestizide werden von
ihnen verspritzt – ohne Schutzkleidung.
Zum Pflücken der Bohnen müssen die
Kinder auf Bäume klettern, immer wieder
kommt es zu Verletzungen bei Stürzen.
Durch das Tragen viel zu schwerer Körbe
mit Kakaobohnen bekommen die Kinder
Haltungsschäden. Häufig werden die
Sklaven Nachts eingesperrt, damit sie
nicht flüchten können.
Schokolade – das Produkt für dass sie
schuften, bekommen sie selbst natürlich
nie zu sehen. Nach Schätzungen von
Unicef schuften über 200.000 Kindersklaven auf den Kakao- Plantagen Afrikas.
Zwar gibt es ein internationales Abkommen gegen Kinderarbeit, doch Kontrollen
sind Fehlanzeige. Die wahren Nutznießer
dieser Verbrechen sind weniger die
Kakaobauern selbst, die die Kindersklaven einkaufen – die sind selbst meist
bettelarm. Es sind die großen Konzerne,
die sehr geringe Preise für die Kakaobohnen zahlen – Preise, die obendrein
ständig stark schwanken und so immer
wieder Kleinbauern in den Ruin treiben.
Miki Mistrati, der die Reportage
„Schmutzige Schokolade“für die ARD
drehte, sagt: „Kinderarbeit und Kindersklaverei werden von der Schokoladenindustrie zumindest geduldet, denn diese
unternimmt viel zu wenig dagegen.“
Ausserdem kaufen die großen Schokoladehersteller (Nestlé, Kraft, Mars und
Ferrero) ihren Kakao weiterhin über Zwischenhändler auf dem Weltmarkt. Somit
haben sie keinerlei Kontrolle darüber,
von welchen Plantagen ihr Kakao stammt
und unter welchen Bedingungen dort
gearbeitet wird. Man muss also weiterhin davon ausgehen, dass diese Firmen
auch „Sklaven-Kakao“ für ihre Produkte
verwenden.
Für Schokolade, die Fairtrade-zertifiziert ist, gilt dass auf den Plantagen weder Kinder noch Sklaven arbeiten. Zudem
erhält der Bauer einen stabilen Preis über
dem Weltmarktniveau für die Kakaobohnen. Fairtrade unterstützt soziale
Projekte in der Gemeinde finanziell, so
etwa den Bau von Schulen, Fortbildung
für die Arbeiter oder die Gesundheitsversorgung. Die Arbeiter können sich
in Gewerkschaften organisieren und es
besteht eine Pflicht für Schutzkleidung.
Zudem sind genmanipulierte Pflanzen
verboten und ökologischer Landbau wird
gefördert. Natürlich hat dies auch seinen
Preis – Fairtrade Schokolade ist teurer als
herkömmliche Schokolade – denn diese
ist nur durch Ausbeutung so billig. Und
es gibt auch zahlreiche vegane FairtradeSchokoladen – z.B. Bitterschokoladen
oder mit Reismilch. So kann Schokolade
das sein, was wir doch alle wollen:
Leidfreier Genuss! Wer weiter mit gutem
Gewissen leidfreie Schokolade und andere Kakaohaltige Produkte kaufen will, der
sollte auf das Fairtrade-Siegel achten.
Ein häufig verbreiteter Irrtum ist der,
dass Bio gleich Fairtrade ist. Doch dem
ist nicht so. Zwar kommt Bioschokolade
meist aus Südamerika, wo die Anbaubedingungen häufig nicht ganz so erbärmlich wie in Afrika sind, doch das Bio-Siegel
beinhaltet ökologische und keine soziale
Auflagen. Wer auf Bio nicht verzichten
will, hat damit aber kein Problem: Ein
Großteil der Fairtrade-Schokoladen trägt
auch das Bio-Siegel.
Haltet doch einfach mal Ausschau nach
Schokolade mit dem Fairtrade-Siegel in
Weltläden, Biomärkten und mittlerweile
auch in vielen Supermärkten und Discountern.
Ein Album mit einer schönen Übersicht
an Fairtrade-Schokolade gibt es auch
bei facebook.
Schokolade und andere FairtradeProdukte gibt es bei:
www.transfair.org
9
Bericht | Text: Horst Gärtner
Neujahrsempfang 2012
Ein Thema: Ressourcen vor Ort verbinden
Das war ein Neujahrsempfang, wie man
sich ihn wünscht: Kein langatmiges Krisengerede weder über Politik(er) noch
über Währung, sondern ein konzentrierter Blick auf Münster, ein bisschen
Vergangenheit und Gegenwart und immer wieder Zukunft; ein Neujahrsempfang, mit (selbst-)kritischen Akzenten,
aber immer wieder mit einem Schuss
Humor, so dass die mehreren Hundert
Teilnehmer/innen im Stehkonvent des
voll besetzten großen Sitzungssaals im
Rathaus nach fast zwei Stunden mit
einem Schmunzeln und einem guten
Gefühl nach Hause gehen konnten. Alles
stimmig; auch die musikalische Umrahmung mit dem Salonorchester, der
westfälischen Schule für Musik unter der
Leitung von Karl-Heinz Cieschek.
Bereich prägend mitgestaltet hat, präzise
die Gesamtentwicklung im Auge hatte.
Das Thema seiner Rede: „Münster – Kulturhauptstadt Westfalens?“ wurde von
ihm rundweg verneint und es gebe dafür
gute Gründe trotz einer ganzen Reihe von
Highlights, der Europaratsausstellung
„Krieg und Frieden in Europa“, der Skulpturenausstellung, der Entwicklung neuer
kultureller Zentren wie am Hafen, mit der
Kunsthalle der Stadt und mit dem neuen
architektonischen Kontext des Westfälischen Landesmuseums, das immerhin
das Zentrale Haus der Westfälischen
Kunst darstelle. Aber die Landesregierung
habe sich lange auf die Förderung der
Rheinschiene konzentriert und später (bis
zum heutigen Tage) auf das Ruhrgebiet,
das hat Münster zu spüren bekommen.
Oberbürgermeister Markus Lewe begrüßte Prominenz aus Politik, Wirtschaft
und Verwaltung, aber er nahm in seine
warmherzige Begrüßung auch Menschen
mit Behinderungen und die ehrenamtlich
Tätigen mit hinein, so dass man schon
das Gefühl einer großen Familie hatte.
Als Symbol für einen Vorgang der seit
Jahrzehnten die Stadt begleitet: Der
fortschreitende Verlust der zentralen
Funktionen der ehemaligen Provinzhauptstadt Münster, sprach Bußmann die
ständig reduzierten Fernverbindungen
vom Münsteraner Hauptbahnhof an
(immerhin gab es 1969 noch täglich vier
Expresszüge nach Paris, heute nicht mal
einen Direktzug nach Berlin!) Kritisch
ging er mit dem Landschaftsverband
Westfalen-Lippe, ursprünglich gedacht
als Garant der Identität Westfalens um,
der sich eher zu einem Wohlfahrtsverband entwickelt habe.
Als Festredner hat man Professor Dr.
Klaus Bußmann, den früheren Direktor
des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte gewinnen können, dem
man schnell anmerkte, dass er über
seine Heimatstadt sprach und dass er als
Insider, der diese Stadt im kulturellen
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ãWas mich interessiert sind nicht bewegliche Kšrper,
sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert
ist die Wiederherstellung der menschlichen WŸrde
in jeder einzelnen Form.Ò
Dr. Moshe Feldenkrais
Feldenkrais-Praxis Vera LŠmmerzahl
Ludgeristra§e 114
10
Tel.: 0251-796707
Nach einem vorübergehenden Stillstand der Gesamtentwicklung Münsters
nach dem Bau des Stadttheaters „eines
der schönsten Beispiele der Architektur
der 50-er Jahre in Deutschland“ wachte
die Stadt in den 70-er Jahren aus ihrer
Selbstzufriedenheit auf, besann sich auf
ihre eigenen Kräfte. Es kamen die Skulpturenausstellungen, der Bau der Stadtbücherei, das Stadtmuseum und später
das Stadtarchiv; diese Entwicklungen
nannte Bußmann: „hier tat die Stadt aus
eigener Kraft einen Sprung nach vorn.“
Und er sagte weiter: „Die Atmosphäre der
Stadt hat sich gewandelt zum liberalen,
offenen für die Gegenwart.“ Und auch
die letzten Jahre seien von einem rasanten Aufschwung gekennzeichnet, der
Erneuerung der Innenstadt als Zentrum
des Handels mit den Einkaufszentren von
Stubengasse und Sparkassenarkaden:
„Die Stadt wird sich weiter entwickeln
und ich wünsche ihr, dass Augenmaß,
Sinn für das historisch Gewachsene und
für höchste architektonische Ansprüche
die Planung der Stadt bestimmen. Wenn
die Stadt alle Ressourcen vor Ort verbindet, kann sie glänzend dastehen.“
Am Ende seiner Rede betonte Bußmann: „Ich weiß um die Brisanz meiner
Worte, normalerweise spreche ich frei,
heute habe ich abgelesen, um nicht in zu
viele Fettnäpfchen zu treten.“ Er erhielt
kräftigen Applaus. Und wer in die Runde
schaute, der konnte feststellen, dass
dieser kritische Rückblick, gewürzt immer
wieder mit einem kleinen Lächeln, das
auch zum Neujahrsempfang übersprang,
sehr gut angekommen war und dass man
mit nach Hause nahm: Münster ist auf
einem guten Wege, aber wir müssen es
anpacken. Es läuft nicht von selbst; und
wie zur Bestätigung knallte zwischendurch gelegentlich ein Sektkorken, der
den positiven Ausblick auf Gegenwart
und Zukunft der „lebenswertesten Stadt
der Welt“ eindrucksvoll unterstrich. #
Bericht und Text: Michael Heß | Foto: Bundesarchiv, Bildsignatur / Denzel, Jesco
Halbseidenes am Fliegenfänger
Die Debatte zum Bundespräsidenten sagt viel über die Beteiligten
Das Stück hat alles, was es braucht: einen
prominenten Schurken, ein edles Amt,
moralische Empörung und es kommt zur
besten Sendezeit: Darf Christian Wulff
Bundespräsident bleiben? Die Frage
scheint simpel und doch ist die Sache
tiefgründiger. Dass man dem Fall Wulff
außerhalb von Politik und Medien auch
andere Aspekte abgewinnen kann, zeigt
~-Redakteur Michael Heß.
Soll er nun ausziehen aus Schloss Bellevue oder nicht? Die Fairness gebietet die
Feststellung, dass sich Bundespräsident
Christian Wulff rein rechtlich bisher nichts
zu Schulden hat kommen lassen. Allein
das zählt zunächst, aber so einfach liegen
die Dinge dennoch nicht. Für einen Bundespräsi gelten andere, ungeschriebene
Regeln als fürs Fußvolk. Moralische zum
Beispiel. Was bei Wulff kritisch anzumerken bleibt, ist sein problematisches
Verhältnis zu Transparenz und Wahrheit.
Man braucht nicht offen zu lügen, um unwahr zu bleiben - der Bundespräsi macht
es mit seiner Salamitaktik zwar schlecht
beraten, aber dennoch aufs Beste vor.
Kritisch anzumerken sind seine fehlende
Selbstkritik und Einsicht in Fehler. Kritisch anzumerken ist schließlich sein patriarchalischer Umgang mit den Medien,
die Journalisten zu Weisungsempfängern
stempelt. Dass es Wulff schon als niedersächsischer Ministerpräsident mit den
Politredaktionen seines Bundeslandes
nicht anders hielt - geschenkt. Auch für
einen Bundespräsi gilt: Zuerst kommt das
Fressen, dann die Moral.
Doch gemach! “Kann man wirklich so
einfältig sein? Dann kann ich auch Präsident sein!”. So äußerte sich jüngst im
Gespräch ein Lokalpolitiker und er bringt
die Sache auf den Punkt: Der Hausherr
im Schloss Bellevue hat offenbar ein
schlichtes Gemüt und er lebt schon zu
lange im Raumschiff Politik, fernab vom
schnöden Alltag seines Volkes. Sich derart
angreifbar zu machen mit einer Nachricht
auf einer Mailbox gerade jener Zeitung jeder halbwegs bei Verstande befindliche
Untertan hätte sich sowas verkniffen.
Die Mailbox eines ansonsten nicht allzu
gut beleumdeten Organs wird somit zum
Fliegenfänger, vielleicht sogar zum Karriereende für den netten, stets tadellos
gekleideten und gefönten Herrn Wulff.
Als den Einbruch des Halbseidenen in die
Politik bezeichnet die FAZ am 9. Januar
die Posse treffend. Hier wird es wirklich
interessant.
Denn von einem am politischen Fliegenfänger klebenden Bundespräsi sind
keine lästigen, weil eigenen, Gedanken
mehr zu erwarten. Roman Herzog neigte
dazu, Johannes Rau auch und selbst
Wulffs Vorgänger Horst Köhler. Nicht dass
Christian Wulff jemals als Querdenker
galt. Nun aber ist er als potenzieller
Störfaktor in Gänze ausgeschaltet und
hat es endgültig zum ersten Grüßaugust
der Republik geschafft. So lange er im
Amt bleibt. Im Bundeskanzleramt reiben
sie sich die Hände. Die anderen üblichen
Verdächtigen auch. “Neuwahl” tönt es
von dort oder “Causa Merkel” - man
sieht die Absicht und ist verstimmt. Der
Bundespräsi als Mittel zum Zweck, das
eigene Süppchen zu kochen.
Die Hände reiben werden sich auch
etliche Medienvertreter. Auch sie sollten
achtsam bleiben. Volkes Stimme tickt
nämlich anders. Selbst wenn‘s Volk Wulff
nach alledem peinlich findet, habe er
dennoch eine zweite Chance verdient.
Meinen 60 Prozent der Untertanen. Was
sich hier äußert ist nichts anderes als das
gesunde Misstrauen der kleinen Leute
gegenüber der Medienmeute, der letztlich
egal ist, wer oder was ihr zur Medienhatz
vorgeworfen wird. Wer sich ansonsten
und zu Recht gegen Vorratsdatenspeicherung und gläserne Bürger ausspricht,
sollte sich dreistellige “Fragenkataloge”
an Wulff per Facebook, Internet und Co.
im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit
verkneifen. Und gerade die Zeitung mit
den vier großen Buchstaben taugt wenig
als Wahrerin journalistischer Tugenden.
Der Bundespräsi soll bleiben - tönt
Vox Populi. Der Bundespräsi soll abtreten - tönen Medien und Politiker und
schon dreht sich das Kandidatenkarussell
munter. Die Namen der Nachfolger in spe
je nach Parteibuch tun nichts zur Sache
bis auf einen. Bis auf den Wulff 2010
unterlegenen rot-grünen Bundespräsikandidaten Joachim Gauck. Der Pfarrer
aus Rostock, der sich im Herbst 1989 sehr
schnell an die Spitze der dortigen Stasiaufklärer setzte und für den die Stasi zur
auskömmlich dotierten Existenzgrundlage wurde. So illustriert der mögliche neue
Bundespräsi auch etwas. Nämlich einen
der geistreichsten Gedanken des Soziologen Niklas Luhmann: dagegen sein ist
eine spezifische Form des Mitmachens.
Ob Wulff bleibt oder Gauck kommt oder
irgendein verdienter Parteisoldat, ist
bei Redaktionsschluss nicht absehbar.
Vorhersehbar ist: Egal, wer oder welche
- wenn sich bürgerferne Politidole in
manchen Medien über Pfründen streiten,
gilt für Otto Normalbürger: nichts Neues
unter der Sonne, die Sorgen bleiben. #
11
Bericht | Text: Tom Dietzel | Foto: ASB e.V.
Vorlesen als soziale Hilfe
Die Westdeutsche Blindenhörbücherei (WBH) Münster stellt sich vor.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert
arbeitet die Westdeutsche Blindenhörbücherei e. V. (WBH) bereits in Münster,
um sehbehinderte und blinde Mitmenschen mit Literatur, Sachbüchern und
Zeitschriften in gesprochener Form zu
versorgen. Tom Dietzel stellt die Arbeit
für ~ vor.
1955 wurde dieser gemeinnützige
Verein von Dr. Hans Thiekötter, dem
damaligen Leiter der Stadtbücherei
Münster, ins Leben gerufen, um die im
Grundgesetz verankerte Verpflichtung
nach Zugang zu Information auch für
diejenigen zu ermöglichen, denen auf
Grund von Sehbehinderungen normale
Medien nicht zugänglich sind. Während
der Anfangszeit wurden die ersten
Blindenhörbücher in den Räumen der
Stadtbücherei aufgenommen. Meistens
entstanden die Produktionen zu dieser
Zeit in der Nacht, damit sie nicht durch
den Lärm der Straßenbahnen, die damals
noch die Stadt ratterten, gestört wurden.
Mittlerweile befindet sich die WBH seit
1990 in Münster-Mecklenbeck in einem
eigenen Gebäude mit entsprechenden
Aufnahmekabinen und einem riesigen
Lager,mit mehr als 18.000 Titel. Von
dort aus wird auch die ganze Logistik
bewerkstelligt. Damit ist die WBH derzeit
die größte der insgesamt sieben Hörbüchereien im deutschsprachigen Raum.
Doch dieser Service ist unter den Betroffenen weitgehend unbekannt. Denn
obwohl es im deutschsprachigen Raum
geschätzt mehr als 500.000 sehbehinderte und etwa 150.000 registrierte blinde Menschen gibt (die tatsächliche Zahl
liegt weitaus höher), wird dieses meist
kostenlose Angebot nur von etwa 25.000
Menschen bei allen Blindenhörbüchereien Deutschlands in Anspruch genommen.
In Münster werden zurzeit um die 9.000
Mitglieder betreut, die zum größten Teil
aus NRW, aber auch aus dem Ausland
wie Israel, Spanien oder Südamerika
12
kommen. Warum das Angebot nur von
so wenigen Betroffenen in Anspruch
genommen wird, hat mit der Tatsache zu
tun, dass die Hörbüchereien keinen Etat
für aufwändige Werbung, zum Beispiel
im Radio, haben, aber auch damit, dass
Informationen über die Arbeit kaum von
Ärzten oder entsprechenden Stellen an
die Betroffenen weitergegeben werden,
obwohl diese eigentlich die ersten sind,
die den Kontakt zu Betroffenen haben.
Dabei ist das Ausleihen von Hörbüchern
grundsätzlich kostenlos, nur einige Zeitschriften sowie die Hausbuchreihe der
WBH kosten eine kleine Gebühr. Auch der
Versand der Medien durch die Deutsche
Post AG ist kostenlos. Jeder sehbehinderte
oder blinde Mensch kann sich nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises
seiner Behinderung kostenfrei anmelden. Auch Menschen, denen es auf Grund
einer Behinderung nicht möglich ist,
ein Buch selbständig zu halten, können
Mitglied werden. Das entsprechende, nur
für diese Art von Hörbüchern entwickelte
Abspielgerät müsste eventuell gekauft
werden. Jedoch wird dieses meistens
auch von den Krankenkassen übernommen, seitdem diese das Abspielgerät mit
in ihren Heilmittelkatalog aufgenommen
haben.
Dieses besondere Abspielgerät mit dem
Namen DAISY ist speziell von weltweit
agierenden Blindenorganisationen entwickelt worden, um das Abspielen von
Büchern so komfortabel zu machen wie
die Lektüre eines gedruckten Buches. Mit
diesem System ist es möglich 45 Stunden
aufzunehmen und auch ein Hin-undher-Blättern wie in einem echten Buch
ist kein Problem mehr. Diese technische
Entwicklung war ein Quantensprung in
der Aufnahmetechnik von Blindenhörbüchern. Während man früher mehrere
Tonbänder oder Kassetten für ein normales Standardbuch (Die Blechtrommel von
Günther Grass bestand aus 19 Kassetten á
90 min.) benötigte, kann dieses nun alles
auf einer CD mit allen entsprechenden
Kapiteln, Querverweisen und Fußnoten
untergebracht werden. Das unterscheidet
auch eine DAISY Aufnahme von der eines
regulären Hörbuches. Derzeit werden
alle bereits auf Tonband oder Kassette
vorhandenen Aufnahmen auf das neue
System überspielt. Die Auswahl der Bücher, die eingesprochen werden, richtet
sich üblicherweise nach den aktuellen
Bestsellerlisten. Da im deutschsprachigen
Raum jährlich ca. 100.000 neue Bücher
herausgegeben werden, aber alle Hörbüchereien nur max. 1.000 Werke pro
Jahr einlesen können, wäre eine eigene
Selektion sehr schwer. Mittlerweile kann
eigentlich fast jedes Buch in ein Blindenhörbuch verwandelt werden. Das war
früher deutlich schwieriger, da sich manche Verlage gegen eine Veröffentlichung
in Form eines Hörbuches für Blinde, verweigert haben. Dieses ist aber nach der
Novellierung der Urheberrechtsgesetze
etwas einfacher geworden.
Natürlich versucht man auch auf die
Wünsche der Hörer einzugehen, so dass,
wenn sich genug Interessenten für einen
Titel finden, dieses Buch dann auch
entsprechend vertont werden kann.
Das Spektrum der vorhandenen Titel
reicht von einfachen Krimis bis hin zu
komplexen Sachbüchern. Eingesprochen
werden die Titel von Schauspielern,
Westdeutsche Blindenhörbücherei e.V.
Harkortstraße 9
48163 Münster
Telefon 0251 | 71 99 01
Fax 0251 | 71 28 46
http://www.wbh-online.de
Sprecherziehern, Moderatoren und allen,
die mit dem Werkzeug Sprache umzugehen wissen. Das Einsprechen eines
Buches erfordert sehr viel Konzentration,
Zeit, Ruhe und beinhaltet meist auch eine
umfangreiche Recherche des zu lesenden
Titels. Im Vergleich zu handelsüblichen
Hörbüchern wird hier sehr viel Wert auf
den Begriff „vorlesen“ gelegt. Es wird
versucht so authentisch vorzulesen wie
eine Mutter, die Ihrem Kind abends im
Bett etwas vorliest. Viele der im Handel
erhältlichen Hörbücher gehen mehr in
die Richtung von Hörspielen, dieses soll
hier möglichst vermieden werden, um
dem Hörer selber Raum für Gedanken
zu geben, so wie es auch bei jedem von
uns ist, wenn man in die Geschichte
eines Buches eintaucht. Leider ist es der
WBH wegen der schwierigen finanziellen
Situation nicht möglich große Honorare
an Ihre Sprecher/innen zu zahlen, so das
diese hauptsächliche wegen des sozialen
Aspektes hier tätig sind.
Die Finanzierung der Arbeit der WBH
ist zu 50% von Spenden abhängig, die
anderen 50% werden aus Fördermitteln bereitgestellt. Deswegen kämpft
der Verein jedes Jahr auf ein Neues
um sein Fortbestehen. Auch wenn die
Geschäftsführung ehrenamtlich tätig ist,
müssen das Gebäude, die technischen
Einrichtungen und die 17 hauptamtlichen
Mitarbeiter finanziert werden. Deswegen
freut sich die WBH über jede Unterstützung, um den Erhalt zu gewährleisten.
Hierbei sollte betont werden, dass
Spenden ausschließlich in die Aufnahme
von Büchern fließen. Also wirklich dort
ankommen, wofür sie gedacht sind. Als
Privatperson kann man sich auch an
den angebotenen Buchpatenschaften
beteiligen. Informationen darüber findet
man auf der Homepage der WBH (siehe
Infobox).
Für Spenden oder Informationen wenden Sie sich bitte an die unten angegebene Adresse.
Neben den finanziellen Hilfen ist das
größte Anliegen der WBH, dass ihr Service
bekannter wird und viel mehr Betroffene
diesen auch wahrnehmen. Dazu wäre
es wichtig, dass Ärzte, Angehörige und
Ämter entsprechende Informationen an
die Betroffenen weitergeben. Bei vielen
der gerade genannten existiert immer
noch der Irrglaube, dass die WBH mit
kommerziellen Hintergrund arbeitet und
Mitglieder zwecks Gewinnoptimierung
geworben werden sollen. Aus diesem
Grund werden dann Infos nicht an die
Betroffenen weitergeleitet. Gerade für
ältere, spät erblindete Menschen, die
im hohen Alter nicht mehr in der Lage
sind noch die Blindenschrift zu erlernen,
würden die angebotenen Hörbücher eine
deutliche Erhöhung der Lebensqualität
bedeuten.
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13
Bericht | Text: Bianka Boyke
Internetauktionen – nicht ohne Anwalt
Wie sich Ärger bei Internetauktionen vermeiden lässt
Große Auswahl, günstige Preise – das
sind die Vorteile beim Kauf über
eBay und Co. Doch wehe, es läuft was
schief: Fehlender persönlicher Kontakt,
schlechte Artikelbeschreibungen und
dazu noch eine unübersichtliche Rechtslage können schnell Frust aufkommen
lassen, sowie Zeit kosten und damit die
Nerven strapazieren. So haben über 13
Jahre Internetauktionen sogar ein eigenes Rechtsgebiet entstehen lassen. Wir
haben mit Rechtsanwalt René Boyke aus
Dortmund gesprochen, um einen Blick
in den Auktionsdschungel zu wagen.
~: Herr Boyke, wir haben uns beim
letzten Mal über Abofallen im Internet
unterhalten und die damit verbundenen
finanziellen Gefahren. Doch auch woanders muss man im Internet auf seine
Geldbörse aufpassen, z.B. bei Internetauktionen – etwa bei eBay.
RA Boyke: Völlig richtig. Internetauktionen sind ein klassisches juristisches
Minenfeld. Hier schätzen Käufer wie Verkäufer die Rechtslage sehr häufig falsch
ein.
~: Ist die Rechtslage bei Internetauktionen tatsächlich so kompliziert?
Eigentlich handelt es sich doch um
einfache Geschäfte, die dort abgewickelt
werden.
RA Boyke: Tatsächlich handelt es sich zunächst nur um Kaufrecht, wie es das BGB
schon seit über 112 Jahren kennt. Aber das
ist nur die halbe Wahrheit. Denn Internetauktionen bringen sehr viele Besonderheiten im Detail mit sich, die sich zudem
ständig ändern. Daher handelt es sich
keineswegs um Standardkaufverträge.
~: Was sind denn die häufigsten
Irrtümer und Fehler?
RA Boyke: Das fängt bereits bei der Artikelbeschreibung an. Oft werden Mängel
14
vom Verkäufer nicht erwähnt oder stark
geschönt – das wird teuer, wenn der
Käufer sich später wehrt; etwa Reparaturen oder gar Schadensersatz verlangt.
Auch die Gewährleistungsausschlüsse
vieler privater Verkäufer sind sehr häufig
unwirksam – mit der Folge, dass auch
der kleine Mann dann volle zwei Jahre
Gewährleistung geben muss. Das kann
teuer werden. Auch glauben viele Käufer,
sie könnten bei Mängeln sofort vom
Vertrag zurücktreten – das ist grundsätzlich falsch. Selbst bei der Frage, ob erst
geliefert oder erst gezahlt werden muss,
glauben die meisten fälschlicherweise,
dass erst gezahlt und erst dann geliefert
werden müsse. Noch größer ist die Unsicherheit, wenn Ware gefälscht ist oder
beim Versand verloren geht etc. etc.
~: Da gibt es ja eine Menge zu
beachten. Wer muss denn beispielsweise
zuerst leisten? Der Käufer oder der Verkäufer?
RA Boyke: Grundsätzlich beide gleichzeitig, denn so steht es ausdrücklich im
Gesetz. Das ist unproblematisch, wenn
die Ware abgeholt werden soll, etwa bei
Möbeln oder Fahrzeugen. Soll die Ware
aber verschickt werden, dann müssen
sich Verkäufer und Käufer einigen. Hier
glauben viele Käufer, sie müssten immer
zuerst zahlen. Das stimmt aber nur, wenn
dies bereits aus der Artikelbeschreibung
hervorgeht – was sehr oft nicht der Fall
ist.
~: Und was ist, wenn sich die beiden nicht einigen können?
RA Boyke: Dann sollten sie einen neutralen Dritten einschalten – einen Treuhänder. Der nimmt die Ware vom Verkäufer
entgegen und gibt sie erst an den Käufer,
wenn dieser den Kaufpreis gezahlt hat.
Es gibt mehrere solcher Treuhanddienste,
z.B. iloxx. Die Kosten sind auch überschaubar.
~: Sie sagten, häufigster Streitpunkt seien Mängel an der Ware. Was
habe ich bei Mängeln als Verkäufer oder
Käufer zu beachten?
RA Boyke: Als Verkäufer haben Sie jeden
bekannten Fehler bzw. jede Abweichung
vom Erwartbaren an der Ware anzugeben.
Versäumen Sie das, dann wird der Käufer
wegen der nicht angegebenen Fehler
Mängelansprüche geltend machen.
~: Und was sind Mängelansprüche?
RA Boyke: Der Käufer kann grundsätzlich
die Beseitigung des Mangels verlangen.
Erst wenn die Nacherfüllung fehl schlägt,
oder der Verkäufer die Nacherfüllung
verweigert, dann kann der Käufer weitere Rechte geltend machen, etwa den
Kaufpreis mindern oder Schadensersatz
verlangen.
~: Möglicherweise will ich als Käufer die Ware aber gar nicht mehr haben,
wenn Sie einen Fehler hat. Muss ich dann
trotzdem zahlen?
RA Boyke: Gundsätzlich müssen Sie
auch dann zahlen. Der Kaufvertrag gilt
ja weiter. Das Gesetz will, dass Verträge
Bestand haben und die Parteien sich
nicht so leicht von ihnen lösen können.
Das soll das Vertrauen in den Bestand des
Vertrags stärken. Ist die Ware mangelhaft,
dann hat zunächst der Verkäufer grundsätzlich das Recht die Nacherfüllung zu
erbringen. Erst wenn diese scheitert oder
der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, dann können Sie zurücktreten,
wenn der Mangel nicht erheblich ist oder
sie nachvollziehbar das Interesse an der
Ware verloren haben. Mit anderen Worten: Wegen Lappalien – selbst wenn Sie
rechtlich Mängel darstellen – kann nicht
zurückgetreten werden. Statt zurückzutreten kommt aber auch eine bloße
Minderung in Betracht; Sie müssten dann
weniger zahlen. Weiterhin kommen auch
Schadensersatzansprüche in Betracht.
~: Wie kann ich mich als Verkäufer
gegen solche Ansprüche des Käufers
wehren?
RA Boyke: Verkäufer, die keine Unternehmer sind, können Ansprüche des Käufers
aufgrund von Mängeln ausschließen.
Unternehmer können das nicht so
einfach, gegenüber Verbrauchern sogar
überhaupt nicht. Wenn Sie also selbst als
Verbraucher etwas verkaufen – etwa ihr
ausgedientes Mobiltelefon – dann können Sie die Mängelhaftung ausschließen.
Wenn Sie das nicht tun, dann haften Sie
insofern für volle zwei Jahre – auch als
Privatmann.
~: Als Käufer kann ich also immer
die Beseitigung des Mangels oder eine
neue Sache verlangen?
RA Boyke: Grundsätzlich schon. Es gibt
aber – wie immer - mehrere Ausnahmen
von dieser Regel. Beispielsweise kann
keine Beseitigung des Mangels verlangt
werden, wenn dies den Verkäufer unangemessen benachteiligen würde. Etwa,
wenn Sie eine neue Uhr für 10 Euro kaufen
und der Reparaturaufwand bei 50 Euro
liegen würde. In einem solchen Fall bestünde etwa nur ein Recht auf Lieferung
einer neuen Sache. Auch bei gebrauchten
Sachen kann der Anspruch des Käufers
auf Lieferung einer gleichwertigen Sache ausgeschlossen sein – einfach weil
gebrauchte Sachen sehr individuell sind.
Welche Ansprüche bestehen, kann von
Fall zu Fall unterschiedlich sein.
~: Soweit die grundsätzliche
Rechtslage. Aber wie setze ich meine
Mängelansprüche ganz praktisch gegenüber dem Verkäufer durch?
RA Boyke: Wenn klar ein Mangel vorliegt, dann sollten Sie den Verkäufer
per Einschreiben mit Rückschein zur
Nacherfüllung auffordern. Dann sollte
konkret benannt werden, welche Art der
Nacherfüllung verlangt wird, nämlich Beseitigung des Mangels oder Neulieferung.
Überlassen Sie dem Verkäufer die Wahl,
dann kann es sein, dass Ihr Wahlrecht
allein dadurch verwirkt wird. Ob ein Anspruch auf Beseitigung oder Neulieferung
besteht, sollte daher vorher klar sein; im
Zweifel sollte ein Anwalt gefragt werden. Außerdem sollte eine Frist gesetzt
werden. Schafft es der Verkäufer nicht,
die Nacherfüllung ordnungsgemäß zu
erbringen, dann sollte er nochmals aufgefordert werden. Scheitert der Verkäufer
abermals, dann stehen dem Käufer in der
Regel Minderungsansprüche zu.
~: Bei der Minderung kann ich als
Käufer nach meinem Empfinden einfach
etwas vom Kaufpreis abziehen?
RA Boyke: Nein. „Einfach“ nicht. Die Minderung erfolgt nach genauen Vorgaben.
Dafür reicht der Platz hier aber nicht aus.
~: Gibt es sonst noch einen Weg,
sich vom Kaufvertrag zu lösen, außer
zurückzutreten?
RA Boyke: Natürlich. Gegenüber Unternehmern können Sie in den meisten
Fällen Ihren Widerruf erklären. An wen
der Widerruf zu richten ist, steht in der
Widerrufsbelehrung
des
Verkäufers.
Gegenüber Verbrauchern als Verkäufern
kommt möglicherweise eine Anfechtung
in Betracht.
~: Für den Widerruf gegenüber
dem Unternehmer hat man 14 Tage Zeit,
oder?
RA Boyke: Kommt drauf an. Das Amtsgericht Dortmund war kürzlich der
Auffassung, bei eBay gelte in einigen
Fällen eine Widerrufsfrist von mindestens
einem Monat. Dieses Urteil gilt zwar nicht
für andere Fälle, aber ein anderes Gericht
könnte sich der Meinung anschließen.
Ich rate dazu, innerhalb von 14 Tagen zu
widerrufen – das ist sicherer. Eine Anfechtung gegenüber einem Verbraucher
müsste übrigens unverzüglich erklärt
werden.
RA Boyke: Wenn die Ware eigentlich Originalware sein sollte, dann kann der Vertrag rückabgewickelt werden. Praktisch
kann es aber sein, dass der Verkäufer sich
hartnäckig weigert oder gar nicht erst
meldet. In diesen Fällen kann eine Anzeige Sinn ergeben, etwa um an weitere
Daten zu kommen. Ein Anwalt kann für
Sie dann Akteneinsicht beantragen und
so den Gegner erfolgreich in Anspruch
nehmen.
~: Ab welchem Kaufpreis lohnt
es sich denn, überhaupt zum Anwalt zu
gehen?
RA Boyke: Der Kaufpreis spielt keine
große Rolle, denn die Anwaltskosten
muss oft ohnehin der Gegner tragen.
Außerdem: Je geringer der Kaufpreis und
damit der Streitwert, desto geringer die
Anwaltsgebühren. Bei einem Streitwert
von 299,00 Euro betragen die außergerichtlichen Anwaltskosten lediglich 53,55
Euro. Für Sie lohnt es also fast immer, für
mich erst ab einen Streitwert jenseits von
900 Euro (lacht).
~: Und darf ich meinem Ärger Luft
verschaffen, wenn eine entsprechend
negative Bewertung bei eBay hinterlasse?
RA Boyke: Vorsicht! Was Sie schreiben,
sollte unbedingt sachlich sein und der
Wahrheit entsprechen. Selbst wenn der
Verkäufer Sie nachweislich betrogen
hat, dann dürfen Sie ihn nicht beleidigen – das wäre sogar eine Straftat. Auch
Unsachliches oder Übertiebenes kann
teuer werden, denn der Gegner kann
dann möglicherweise anwaltlich und
gerichtlich die Beseitigung und Unterlassung solcher Bewertungen verlangen.
Eine unbedachte Bewertung kann dann
schnell mehrere hundert Euro kosten.
~: Vielen Dank für das Gespräch.
~: Was kann ich tun, wenn ich
gefälschte Markenware erhalte? Soll ich
den Verkäufer anzeigen?
RA Boyke: Immer gerne. #
15
Bericht | Text und Foto: Michael Heß
Kein Arbeitsplatz ohne Rauch
Warum Kneipen auf mehr Nichtraucherschutz gerne verzichten würden
Schlechte Zeiten für Freunde des
Glimmstengels. Ab Herbst, sollen in NRW
baierische Verhältnisse einziehen und
der blaue Dunst aus der Gastronomie
völlig verbannt werden. Die betroffenen
Gastronomen sehen die Sache allerdings deutlich anders und wünschen
sich mehr Augenmaß der Politik. Mit
verständlichen Argumenten, befindet
~-Lokalredakteur Michael Heß,
zeitlebens übrigens überzeugter Nichtraucher.
Am 1. September soll es nach dem
Willen der rot-grünen Landesregierung
Ernst werden mit dem verschärften
Nichtraucherschutz in der Gastronomie.
Nichts geht dann mehr in den Räumen;
auch die bisherigen Raucherclubs sollen
verschwinden. Die DEHOGA, der Deutsche
Hotel- und Gaststättenverband als Interessenvertreter der Gastwirte hat eine
deutliche Meinung. “Hier wird ohne Not
ein Gesetz verschärft, das existenzbedrohend und arbeitsplatzvernichtend
ist” spricht Lars Martin von der DEHOGA
in Hagen Klartext. Böswillige könnten
argumentieren, von der DEHOGA seien
keine anderen Statements zu erwarten.
Aber auch die Wirte selbst als absehbar Hauptbetroffene halten mit ihren
Meinungen nicht hinterm Berg. “Die
Kneipen werden alle leiden” steht für
16
Daggy Fridrich-Engelbert von Spooky’s
in der Hammer Straße fest. “Tatsache ist:
meine Gäste rauchen nun einmal” sagt
Michael Ruhl vom Berliner Bären vis a vis
Bahnhof. Die Liste ließe sich fast endlos
fortsetzen. Kaum eine typische Eckkneipe, die ohne Qualm auskommt. Es wäre
auch ein Widerspruch in sich doch dazu
später mehr.
Nein, die Kneipenwirte sind alles
andere als begeistert vom drohenden
Gesetz. Dabei hört man im Gespräch
überraschenderweise immer wieder auch
Verständnis für den Nichtraucherschutz.
Rauchfreie Restaurants werden begrüßt.
Ebenso öffentliche Räume ohne Qualm
wie Behörden, Kitas, Schulen und so
weiter. Es kann also keine Rede sein von
Gastwirten samt Interessenvertretung
DEHOGA, die wissentlich Schlechtes reden.
Das eigentliche Problem liegt viel tiefer.
Wenn es auch Politiker nicht einsehen
wollen oder können: Alkohol und Tabak
sind sehr alte Kulturgüter. Das mag man
gut oder schlecht finden, es ändert nichts
daran. “Bier, Geselligkeit und Rauch
gehören dazu, weil es für viele kleine
Leute ein Vergnügen ist” weiß Daggy vom
Spooky’s aus jahrzehntelanger Berufserfahrung und: “Für viele Gäste ist die
Kneipe ein zweites Zuhause.” Michael
vom Berliner Bären drückt
es etwas anders aus: “Jeder
Wirt weiß seine Stammkunden sehr zu schätzen.” Der
typische Kneipenwirt lebt
von Bier, Kurzen und Rauch
und er muß ein existenzielles Interesse daran haben,
dass das so bleibt. Reich
wird man dadurch in den
seltensten Fällen. Auf Anfrage bestätigt die DEHOGA
ein monatliches Reineinkommen vieler Wirte von
1.000 Euro und weniger.
Kein Wunder, denn 50 bis
60 Wochenstunden im Schankraum plus
der Zeit für die Bücher und den Schriftverkehr in Büro oder Wohnung drücken
den Verdienst gewaltig. Die Arbeit auf
der Zapfseite des Tresens ist eine schlecht
bezahlte Knochenarbeit für Enthusiasten.
Wer sich abends in einer Kneipe trifft
weiß, was ihn erwartet. “Nichtraucher
und Raucher kommen doch nicht in die
Kneipe um sich zu zoffen” berichtet Daggy. Auch für Lars Winter steht fest: “Die
Praxis zeigt, dass es keinen Handlungsbedarf gibt denn es gibt kaum Beschwerden
von Gästen.” Für die Fachleute gibt es
keinen Handlungsbedarf, für die Politik
seltsamerweise schon.
Viel bleibt dem Wirt am Bier wirklich
nicht. Nach Daten der DEHOGA bleiben
ihm beim 0,2-Liter-Bierchen für 1,20
EURO nur vier Cent. Auf den halben Liter
hochgerechnet, wären es knapp zehn
Cent. Der Rest geht drauf für den Einkauf,
Investitionen, Lohn- und Betriebskosten,
Pacht und Mehrwertsteuer. Der eine
oder andere Wirt wird sein Gewerbe im
eigenen Haus betreiben aber für die
Masse gilt: Pacht ist das Maß der Dinge.
Es bleiben also maximal zehn Cent für
den Lebensunterhalt. Wollte ein Wirt ein
Monatseinkommen von 1.000 Euro erzielen, müsste er dafür knapp achttausend
Halbliter verkaufen. In der Praxis geht
ein Großteil natürlich für Spirituosen, für
nichtalkoholische und Heißgetränke über
die Theke aber die Messlatte liegt gleichwohl hoch genug. Als wäre das nicht
schlimm genug, müssen Gastronomen
ihre Investitionen in Dekoration, Gläser
und Sanitäranlagen ohne Bankdarlehen
stemmen. Aus Sicht der Banken sind Kredite für Wirte seit Jahren ein absolutes
No Go. Der Wirt hat entweder eine dicke
Patte oder gute Freunde oder er muss auf
Investitionen verzichten mit allen Folgen
daraus.
Als vor einigen Jahren die erste Stufe
des Rauchverbots kam, gab es manche
Ausnahmen von der Regel. In der Einsicht
einer vielschichtigen Realität, in der sich
Stampen und Sternerestaurants und alles
dazwischen nicht miteinander vergleichen lassen. Ausgenommen vom Rauch
waren unter anderem Kneipen mit einer
Fläche von weniger als 75 Quadratmetern
und ohne Speiseangebot. Erlaubt war
auch die Einrichtung eigener Raucherbzw. Nichtraucherräume. Ein Weg, den
viele Wirte notgedrungen beschritten und
der künftig nichts mehr wert sein wird.
“Das ist alles für die Katz” zieht Michael
Ruhl für seine knapp vierstellige Investition in einen Nichtraucherraum Bilanz:
“Der Raum wird kaum benutzt, die Leute
wollen rauchen.” Hannes Westendorf
vom Spooky’s beziffert seine Investitionen auf 10.000 Euro. Alles umsonst, alles
vertan. Die Seele vieler Wirte kocht.
Zu recht, denn die Befürworter des
verschärften Nichtraucherschutzes haben keine allzu guten Argumente. Der
Hinweis auf die rauchfreien englischen
und irischen Pubs hinkt, da deren Zahl
deutlich sank. Kein Wunder, dass die
verbleibenden Pubs noch voll sind (der
Pub ist noch mehr zweites Wohnzimmer
als die deutsche Kneipe). Sofern man sich
überhaupt dran hält wie jeder Besuch
in ländlichen Gegenden der Insel zeigt.
Selbst das 2010 erfolgte baierische Volksbegehren für ein umfassendes Rauchverbot taugt nicht zum Kronzeugen. Am
4. Juli 2010 votierten im weiß-blauen
Freistaat 61 Prozent der Teilnehmer gegen
das Rauchen, was bei knapp 38 Prozent
Beteiligung nicht einmal 23 Prozent
Befürworter ergibt (bezogen auf die Zahl
der Stimmberechtigten). Die schweigende
Mehrheit ist eine andere.
Es mangelt den Befürwortern nicht an
Argumenten. Deren Stichhaltigkeit ist
eine andere Sache, wie der Hinweis auf
die Feinstäube aus Tabakbrand zeigt.
Die vielen sonstigen Quellen von Feinstäuben, beginnend bei Bremsabrieben
aus Bahnen, Kfz und Flugzeugen über
landwirtschaftlich bedingte Einträge,
Hausbrand und das Wetter werden unterschlagen. Wer zum jüngsten Neujahrstag das Feuerwerk bestaunte dürfte sich
soviel Feinstaub (nebst anderen Zutaten)
eingezogen haben, dass es fürs halbe
Jahr in der Kneipe reicht. Daneben wird
der Schutz der Beschäftigten zuweilen
angeführt. “In der Gastronomie sind 95
Prozent der Beschäftigten selber Raucher” schätzt Michael Ruhl. “Die wissen
alle, was sie hier erwartet und sie haben
keine Probleme damit” ergänzen Daggy
und Hannes. Auch der Schutz von Kindern
und Jugendlichen muss zuweilen herhalten aber: wer hat 12-jährige Kinder schon
abends um 22 Uhr in der Kneipe gesehen?
Wie immer, wenn alles über einen Leisten
geschoren wird, erweist sich die Argumentation im konkreten Fall schnell als
lächerlich. Existenzgefährdend bleibt sie
dennoch.
Folgen wird der verschärfte Nichtraucherschutz auch anderweitig haben. Die
Jüdefelder Straße ist eine der beliebtesten innerstädtischen Amüsiermeilen.
Mittendrin die legendäre Gorilla-Bar,
deren Inhaber Bernd Redeker dezent darauf hinweist, dass das künftige Rauchen
vor der Tür zu neuen Probleme führt. Die
Konflikte um die sommerliche Außengastronomie zeigen seit Jahren ein enormes
Streitpotenzial lange vor Mitternacht an.
Viele Lokale haben aber bis weit nach
Mitternacht geöffnet.
Lösungen sehen anders aus. Indem
man der Kneipenwirten die Entscheidung
für oder gegen Rauch frei stellt. Die
Gesellschaft wird das mit Sicherheit aushalten und die Anwohner dankbar sein.
Die entscheidende Abstimmung erfolgt
ohnehin durch die Füße der Gäste. Auch
bessere Lüftungen der Kneipen sind für
Daggy Fridrichs-Engelbert eine Möglichkeit dort, wo technisch realisierbar.
Im Interesse der Wirte steht die Frage
im Raum, ob man auch dieses (politische)
Kind mit dem Bade ausschütten muss. Wie
so viele zuvor. Rauchfreie Speiserestaurants werden von der ganzen Bevölkerung
begrüßt, die Kneipenwirte inbegriffen.
Auch denen schmeckt es rauchfrei besser.
Aber schon bei Brauchtumsveranstaltungen sind kritische Fragen erlaubt.
Geht die Welt tatsächlich unter, wenn in
baierischen oder westfälischen Bierzelten
gequalmt wird? Denn irgendwie gehört
es stimmungsmäßig dazu so wie der Duft
von Räucherstäben und Weihrauch in
Kirchen. Ob der Weihrauch künftig auch
verboten wird? Oder Wunderkerzen und
Tischfeuerwerke? Vollends in Frage zu
stellen sind Rauchverbote in Kneipen
als Teil der Lebenswelt kleiner Leute.
Den meisten Befürwortern eines totalen
Rauchverbots dürfte diese Lebenswelt
unbekannt sein. Kleiner Mann, was nun?
Noch ist im Anhörungsverfahren Zeit
zum Gegensteuern. Wenn aber Grüne,
LINKE und SPD zum 1. September tatsächlich das totale Rauchverbot zu Lasten der
Kneipen und Festzelte samt Besuchern in
Kraft setzen ist ihnen zu sagen: dies eine
vormundschaftliche Politik zu Lasten der
kleinen Leute. Im Glauben, so etwas wie
eine Volksgesundheit mit gesetzlichen
Mitteln erzwingen zu können. Während
die großen Themen der Gesundheitsfürsorge weiterhin ungelöst bleiben. Es ist
eine Politik, die absehbar zu absurden
Ergebnissen führt, für die sich dieselben
Politiker ebenso absehbar nicht verantwortlich fühlen werden. Bernd Redeker
von der Gorilla-Bar: “Wir sind gezwungen, die Leute auf die Straße zu treiben.
Wir wollen die Leute doch in die Kneipe
bekommen und nicht raus.” #
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Bericht | Text: Manuel Schumann | Foto: Privat
Zukunftsforscher Opaschowski
„Die Demokratie von morgen wird wieder auf beiden Beinen stehen“
Wenn Politik zum Risikofaktor wird: Zukunftsforscher Professor Horst W. Opaschowski fordert in seinem neuen Buch
„Der Deutschland-Plan“ eine politische
Kehrtwende. „Wenn nichts passiert,
drohen immense Wohlstandsverluste
und soziale Unruhen“, sagt Opaschowski
im Gespräch mit Manuel Schumann.
~: Herr Opaschowski, Sie malen ein
düsteres Zukunftsbild: Sollte sich der Politikstil in Deutschland nicht grundlegend
ändern, werden bald Protestgruppen und
Bürgerbewegungen das Parteiensystem
sprengen. Weshalb zweifeln Sie an unserem politischen System?
Opaschowski: Die Bürger wollen von den
Politikern wissen, wohin die Reise geht
und in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt. Doch derlei Fragen
bleiben weitgehend unbeantwortet. Die
Politiker sind fast nur damit beschäftigt,
zu reagieren - plakativ gesagt: Politik auf
Zuruf zu betreiben. Bisher sind sie damit
relativ gut über die Runden gekommen.
Doch das ist bald Vergangenheit. Die
Menschen wollen keine Politik für den
Augenblick mehr, sondern wünschen sich
langfristige Ziele und Perspektiven.
~: Rettungsschirme, Euro-Rettungsprogramme . - da bleibt offensichtlich kaum Zeit für Visionen...
Opaschowski: … die Erklärung ist doch
einfach: Die Politiker fühlen sich mittlerweile selbst als Getriebene. In Krisenzeiten machen sie Politik - nicht für
die kommenden drei Monate oder Jahre,
sondern für die nächsten drei Tage. Und
das fördert die Politikverdrossenheit. Die
Menschen sind wütend, sie lechzen fast
nach Heilsbringern, die es derzeit aber
nicht gibt. Das erklärt vielleicht auch die
emotionale Faszination, die seinerzeit
von Herrn zu Guttenberg ausging.
~: Sie schreiben in Ihrem Buch,
90% der Bundesbürger sagen: „Politiker
sind nicht mehr ehrlich und halten Ihre
Wahlversprechen meistens nicht“. Sie
vermissen verlässliche Antworten.
Opaschowski: So ist es. Schauen Sie sich
beispielsweise die CDU an: Sie beschließt
plötzlich Dinge, die noch vor Jahren
undenkbar gewesen wären - vom Atomausstieg bis zur Lohnuntergrenze. Dinge,
die nur schwer zu beschlossenen Parteiprogrammen passen. Der Wähler wundert
sich, für ihn ist diese Politik kaum
mehr nachvollziehbar.
~: Sie sagen ebenfalls, dass
der Wähler zu Einschnitten bereit
wäre, wenn dadurch langfristige
Ziele erreicht werden könnten.
Weshalb tut sich die politische
Klasse dennoch so schwer mit
Reformen?
Opaschowski: Wenn ich Politiker
an ihre Zukunftspflichten erinnere, kommen in der Regel zwei
Argumente. Erstens: Wir werden
von den Wählern abgestraft.
Zweitens: Wir werden doch nicht
unsere eigene Existenz aufs Spiel
setzen. Das benannte „Abstrafen“ sehe ich inzwischen ganz
anders: Nicht die Wähler strafen
ab, sondern die Parteifreunde.
Eigentlich muss man in diesen
Tagen die Hände über dem Kopf
18
zusammenschlagen, wenn man sieht, wie
„Parteifreunde“ miteinander umgehen.
Ich nenne hier nur die Namen „Bosbach“
und „Pofalla“. Innerhalb der Parteien
geht es im Interesse des Machterhalts
nicht selten mit Hauen und Stechen zur
Sache. Das Wohl des Ganzen und die
Interessen der Bürger bleiben dabei auf
der Strecke.
~: Spielen hier nicht auch die Medien eine wichtige Rolle?
Opaschowski: Selbstverständlich. Solche
Vorfälle hat es früher auch schon gegeben, doch sie haben nicht ein solches
mediales Echo hervorgerufen. Das Medienangebot ist mittlerweile explodiert.
Allein das Internet hat die Medienlandschaft stark verändert. Es eröffnet sicher
neue Chancen, birgt jedoch auch große
Gefahren. Jeder kann nun überall live
dabei sein. Früher haben uns Krisen und
Katastrophen kaum berührt, weil sie weit
weg waren. Heute wissen wir doch ganz
genau, was auf dem anderen Teil der Erde
passiert. Ein Erdbeben in China war früher
eine kleine Meldung wert. Heute dagegen
bekommen wir die Bilder der Ereignisse
direkt in unsere Wohnstube übertragen.
Wir sind mittendrin und fühlen uns auch
häufiger emotional angesprochen.
~: Das macht es für die Politiker
nicht einfacher...
Opaschowski: … richtig. Der Handlungsdruck ist riesig. Die Politiker müssen
reagieren. Sie müssen sofort Problemanalysen liefern und Lösungen präsentieren.
Aber auch die Medien stehen unter Druck.
Sie müssen informieren und Hintergrundberichte liefern. Eine Herausforderung für
Tageszeitungen: Hintergrundgeschichten
drucken, weil die bloße Nachricht selbst
schon jeder kennt.
~: Sie appellieren an die Politik,
dem Bürger mehr Mitspracherechte einzuräumen.
Opaschowski: Ein Umdenken ist feststellbar. Die Bürger sagen plötzlich: „
Ich will eine bessere Gesellschaft.“ Und
der entscheidende Nachsatz lautet: „…
auch mithelfen, eine bessere Gesellschaft
zu schaffen.“ Das ist neu! Die Menschen
wollen als Mitmacher mitmischen und
das Feld nicht allein den politischen
Machern überlassen.
~: Sie fordern daher mehr Bürgerentscheide. Sind Sie sicher, dass die
Menschen tatsächlich häufiger über
Themen abstimmen wollen? Viele Bürger
gehen ja nicht mal mehr zur Wahl.
Opaschowski: Wer nicht zur Wahl geht,
muss nicht automatisch ein unpolitischer
Mensch sein. Joschka Fischer ist das beste
Beispiel. Er hat sich früher damit gebrüstet, Nichtwähler gewesen zu sein. Am
Ende war er Außenminister. Nichtwähler
und Wahlverweigerer sind nicht unpolitisch. Ich sage es ganz deutlich: Der
Glaube der Bürger an „die da oben“, die
es schon „irgendwie richten werden“,
ist dahin. Denken Sie nur an die aktuellen Proteste gegen Großprojekte und
Gigantomanien, deren finanzielle Folgen
niemand absehen kann. In Hamburg ist
es die Elbphilharmonie, in Stuttgart der
neue Bahnhof, um nur zwei Beispiele zu
nennen.
~: Die vermutlich meistzitierten
Einzelfälle…
Opaschowski: … mag sein. Es geht um
die Unverhältnismäßigkeit der Mittel, vor
allem, wenn die Kosten von Bauten explodieren. Politiker wirken überfordert;
weil sie kaum mehr durchblicken.
Apropos „Durchblicken“: Sind einige Themen nicht viel zu komplex, als dass der
Bürger die möglichen Folgen seines „Ja“oder „Nein“-Kreuzes absehen könnte?
Opaschowski: Da gibt es selbstverständlich Grenzen. Nicht jedes Problemthema
eignet sich für Volksentscheide, sonst
würde nach jedem Gewaltverbrechen die
Todesstrafe eingeführt. Das Grundgesetz
ist auch für neue Formen der Bürgerdemokratie verbindlich.
~: Fällt Ihnen ein Beispiel ein, wo
Volksentscheide nicht angebracht sind?
Opaschowski: Stellen Sie sich einmal
vor: Die Übermacht der Rentner würde in
Zukunft permanent Rentenerhöhungen
beschließen – auf Kosten der nächsten
Generation. Das wäre Lobbyismus pur. Da
würde das plebiszitäre Element versagen.
~: Sehen Sie nicht die Gefahr,
dass aus einer Laune heraus abgestimmt
würde?
Gruppe, die bis dahin keine politische
Heimat mehr hatte. Überzeugend und
entscheidend für sie war, dass die Piraten es „anders“ machen wollen als die
etablierten Parteien.
~: Haben es die Parteien übertrieben?
Opaschowski: Aus einer aktuellen Stimmung heraus schwerwiegende Entscheidungen zu fällen, wäre fatal. Das ist auch
meine Sorge; dass in Zukunft immer öfter
aus Stimmungen Stimmen werden. Wir
brauchen keine „Stimmungsdemokratie“. Andererseits wird es immer Gruppen
geben, die Volksbefragungen ausnutzen
– populistisch oder manipulativ. Dennoch meine ich: Eine Demokratie muss
das aushalten können.
Opaschowski: So ist es. Die Parteien
haben sich viel zu sicher und zu mächtig
gefühlt. Auch hier verweise ich nur auf
das Grundgesetz: Die Parteien sollen bei
der „Willensbildung“ des Volkes lediglich
„mitwirken“. Die Parteien sind doch
nicht die Willensbildung selbst. Was jetzt
passiert, ist eine Normalisierung und
keine Revolutionierung.
~: Sie nennen das künftige politische System „Bürgerdemokratie“ – worin
unterscheidet es sich vom bisherigen?
Opaschowski: Nehmen Sie das Stichwort
„Schuldenbremse“: Es kann doch nicht
sein, dass in Zeiten wie heute, in denen
Bund und Länder mehr Steuern einnehmen als sie je errechnet und prognostiziert hatten, dass sie nicht einen Cent
davon für die Rückzahlung der Schulden
verwenden. Sondern im Gegenteil: weitere Schulden machen.
Opaschowski: Die parlamentarische Demokratie soll nicht abgeschafft, sondern
erweitert werden. Die parlamentarische
Demokratie stand bisher viel zu lange auf
einem Bein. Die Demokratie von morgen
wird wieder auf beiden Beinen stehen.
Konkret: Die Bürgerdemokratie ergänzt
und ersetzt nicht die Parteiendemokratie. Die Demokratie wird erneuert und
gefestigt. Es reicht nicht mehr, wenn sich
das Volk alle vier Jahre zu Wort meldet.
Im Grundgesetz heißt es schließlich: „Alle
Staatsgewalt geht vom Volk aus“. Und
genau das wird jetzt wiederbelebt.
~: Eingangs des Gesprächs kritisierten Sie das kurzfristige Denken der
Politiker - ihnen fehlen die Visionen,
sagten Sie. Glauben Sie, der Bürger würde
es anders machen? Schaute er nicht genauso vor einer Abstimmung auf seinen
persönlichen
Lebensbereich,
seinen
Alltag, und zwar: kurzfristig?
Opaschowski: Auf den ersten Blick ja.
Andererseits: Grundlegende Einstellungsänderungen künden sich seit jeher
bei Minderheiten an. Schauen Sie sich
doch nur die Berlin-Wahl an: Besonders
viele ehemalige Nichtwähler haben ihr
Kreuz bei den Piraten gemacht. Eine
~: Nennen Sie bitte ein Beispiel.
~: Sie gehen davon aus, dass die
Schuldenbremse in wenigen Jahren rückgängig gemacht wird?
Opaschowski: Das befürchte ich, wenn
die nächste große Krise kommt. Bundesfinanzminister Schäuble hat für die
kommenden Jahre weitere Schulden
eingeplant. Er sagte unlängst: „Niemand
darf die Frage nach der Zukunft stellen.“
Wer das dennoch tut, sei unseriös und
trage nur zur Verunsicherung der Märkte
bei. So geht es doch nicht! An die Verunsicherung der Menschen wird nicht gedacht, weil das Marktdenken dominiert.
Was muss geschehen?
Opaschowski: Die Erbengeneration von
heute darf nicht länger zur Schuldengeneration von morgen gemacht werden.
Der Wähler muss sich darauf verlassen
können, dass die Schuldenbremse wirklich greift. Wir dürfen nicht vergessen:
Die Schulden von heute sind die Steuern
von morgen. #
Horst W. Opaschowski • Der Deutschland-Plan • Was in Politik und Gesellschaft getan werden muss • Gütersloher Verlagshaus 2011 • 256 Seiten, 19,99 Euro
19
Bericht | Text und Foto: Michael Heß
“Der Schoß ist fruchtbar noch...”
Braune Horden planen wieder eine Demo in Münster
Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert
/ Und handelt, statt zu reden noch und
noch / So was hätt einmal fast die Welt
regiert! / Die Völker wurden seiner Herr,
jedoch / Daß keiner uns zu früh da triumphiert / Der Schoß ist fruchtbar noch,
aus dem das kroch! Unverändert gültig
ist leider Bert Brechts Hinweis, dem
~-Lokalredakteur Michael aus
unschönem Anlass gezwungenermaßen
nachgeht.
Wissen Sie es noch? Vor ziemlich
genau sechs Jahren gratulierten wir
den Münsteranern zu einem echten
Husarenstück. “Die ~ verbeugt
sich vor dem Hansaviertel” schrieb Gerrit
Hoekman damals in seiner lesenswerten
Reportage vollkommen zu recht. Im Hansaviertel blieb der bisher letzte Versuch
eines Naziaufmarschs in der Domstadt
nach wenigen Metern stecken. Auf der
Kreuzung Hansaring und Albersloher
Weg stellten sich einige hundert Antifas
den Ewiggestrigen entgegen. Unterstützt
von Anwohnern der Bremer Straße, die
ihre hoch gelegenen Wohnungsfenster
sehr gut zu nutzen wussten. Unterstützt
auch durch die Polizei, die keinen Grund
zur Räumung der Kreuzung erkennen
mochte. Am Ende zogen die Braunen unverrichteter Dinge wieder ab. Der Marsch
durch Münster fand nicht statt.
“Münster – jahrelang Antifahochburg
und nahezu fest in linker Hand. Hier
wollten wir mit dem Gesicht im Sturm
stehen! Gestanden haben wir dann auch,
allerdings anders als geplant”, machte
wenig später ein braunes Hordenmitglied
seiner Enttäuschung Luft. Angemeldet
war die Demo durch Sascha Krolzig, bis
heute führendes Mitglied in der “Kameradschaft Hamm” als einer der aktivsten
“Kameradschaften” in NRW und seit 2009
Jurastudent in Bielefeld. Mit dabei war
damals auch Axel Reitz als selbst ernannter “Gauleiter Rheinland” kurz vor einer
knapp dreijährigen Haftantritt wegen
20
Volksverhetzung stehend: Reitz hatte
sich antisemitisch hetzend gegen den
Bau einer Synagoge gewandt. Nicht nur
das Landgericht Bochum sah die Dinge
gänzlich anders als Reitz; wenige Monate
danach zeigten ihm Münsters Bürger im
Hansaviertel nochmals die Rote Karte.
“Tschöö, Axel!”, rief ihm Gerrit Hoekmann
bereits im März 2006 spöttisch nach. Im
April 2008 wegen guter Führung (altdeutsche Primärtugenden?) entlassen, wurde
es seitdem vergleichsweise ruhig um den
tiefbraunen Netzwerker und “Berufsdemonstranten” (Reitz über Reitz). Der
Stachel muss tief gesessen haben, denn
im Mai 2006 traten die Braunen in Hiltrup
erneut an. Wieder stellten sich die Bürger
quer und verhinderten einen ungestörten
Durchmarsch. Zwei zu Null für Münster.
Ob es an mangelnder Lernfähigkeit
liegt oder nicht – nach sechs Jahren
plant der braune Sumpf am 3. März den
nächsten Demoversuch. Gerüchteweise
wieder von Sascha Krolzig angemeldet.
Mehr war Mitte Januar noch nicht zu
erfahren; auch die Gespräche zwischen
Anmeldern und Polizei zu den Details
der geplanten Veranstaltung standen
noch aus. Zum Marschieren ist der Sumpf
jedoch fest entschlossen und gibt sich
immerhin bei der Verkleidung nicht mehr
offen rassistisch. Mit der Parole “Raus aus
EU, NATO und UNO” knüpfen die Braunen
gezielt dort an, worüber heute mancher,
zumindest die NATO betreffend, ebenfalls
nachdenkt. Wenn auch in anderem
Kontext. Münster Bürgerschaft ist erneut
aufgerufen, ein deutliches Zeichen zu
setzen. Denn die Zeichen der Zeit sind
bedenklich übers Maß und sie werfen
mittlerweile höchst unerfreuliche Fragen
auf, die 2006 noch außerhalb aller Vorstellung lagen.
Fünf Jahre zuvor beantragte die damalige Bundesregierung unter Kanzler
Gerhard Schröder im Januar 2001 beim
Karlsruher Bundesverfassungsgericht, die
Verfassungswidrigkeit der 1968 gegründeten Nationaldemokratischen Partei
Deutschland, kurz NPD, festzustellen.
Bekanntlich endete die Angelegenheit
wie das Hornberger Schießen; im März
2003 stellte der Verfassungsgerichthof das
Verfahren ein. Zu dürftig erschien drei der
sieben Richter das vorgelegte Beweismaterial. Damit wurde die erforderliche
Zweidrittelmehrheit im für Parteiverbote
zuständigen zweiten Senat verfehlt.
Vollends zur bösen Posse mit allen Folgen
daraus wurde das Verfahren kurz darauf
durch den faktisch bewiesenen Verdacht,
dass V–Leute des Verfassungsschutzes
speziell den NPD-Landesverband in NRW
mit führten.
Kein Wunder, dass sich Ewiggestrige
vergleichsweise sicher fühlen und immer
wieder die Provokation suchen. Im Juni
2004 erfolgt in Köln ein Nagelbombenanschlag gegen ein türkisches Geschäft mit
22 teils Schwerverletzten. Im Dezember
2008 fällt der Passauer Polizeichef Alois
Mannichl beinahe einem Messerattentat
zum Opfer, das indizienweise der rechten
Szene zugeordnet wird. Der sächsische und noch mehr der thüringische
Verfassungsschutz erweisen sich im
Zusammenhang mit Naziaufmärschen in
Jena, Leipzig und Dresden als bedenklich
rechtslastig, wenn nicht noch schlimmer.
Immerhin sind das Attentat gegen Mannbichl sowie die im Herbst 2011 aufgedeckten Verbindungen von NPD-Strukturen zu
mörderischen Neonazis im Untergrund
Anlass für die Innenministerkonferenz,
ein NPD-Verbot erneut zu prüfen. Skepsis
ist angesagt.
Der vorläufige Tiefpunkt ist die Existenz
jener Struktur, die seit ihrer Aufdeckung
als “Zwickauer Zelle” durch die Medien
geistert. Hat die weltoffene westsächsische Industriestadt, der Geburtsort
von Robert Schumann, Max Pechstein,
Gerd Fröbe und anderen, die Heimat
des knuffigen Trabant, wirklich verdient,
mit diesem braunen Dreck verbunden zu
werden?
Wie auch immer, zieht mitten in der
Bundesrepublik eine Horde brauner
Schwerstverbrecher für mehr als zehn
Jahre mordend, brennend und raubend
durchs Land und die zuständigen Organe
wollen überfordert sein, die Blutspur
bis zur Quelle zu verfolgen. In Zeiten
von Rasterfahndung, Lauschangriffen,
V-Leuten allerorten. Was, so muss man
fragen, taugen dann Raster und Schleier
und verwanzte Telefone überhaupt?
Anders herum gefragt: Wenn Raster und
Co. doch was taugen, warum erfolgte
dann kein Zugriff? Die ermordeten
Griechen und Türken, jene Polizistin in
Heilbronn nicht zu vergessen und deren
schwer verletzter Kollege, sind sie alle
Kollateralschäden einer wie auch immer
gearteten Staatsräson? Die Tote billigend
in Kauf nimmt, so lange nur weit genug
nach rechts ausgeholt wird? Während sie
nach links bzw. dem, was sich als “links”
versteht (Stichwort RAF) sofort auskeilt?
“Mit der Stasi hätte es zumindest das
nicht gegeben!”, hört man im Osten
schon einmal und dem ist nichts hinzu
zu fügen. Woran bemessen sich Rechtssicherheit
und
Demokratiefestigkeit
einer Gesellschaft? An der Existenz oder
Nichtexistenz nazistischer Mordbrenner
mit Sicherheit auch. Man ahnt nach
alledem: Es wird noch Unglaublicheres
an Tageslicht kommen; dieser Sumpf ist
noch viel tiefer als geahnt mit Metastasen
bis in den Staatsapparat. Anders ist es
nicht zu erklären.
Nein, die beiden Mordbrenner samt ihren Helfershelfern sollen durch Nennung
der Namen nicht gewürdigt werden.
Nennen wir sie also Nazi B. und Nazi M..
Beide marschieren bereits in den frühen
90er Jahren in der SS nachempfundenen
Uniformen durch den Jenaer Stadteil
Winzerla, der ihren verquasten Hirnen
als “national befreite Zone” gilt. Der
eine hängt im April 1996 eine Puppe mit
Judenstern über die Autobahn bei Jena,
der andere besitzt im September 1996
die Chuzpe, im Amtsgericht Erfurt ein
Transparent “Unsere Großväter waren
keine Verbrecher” zu entrollen. Chuzpe?
Passiert ist ihnen nichts. Wenige Monate
später tauchen beide in den Untergrund
ab, der möglicherweise längst nicht so
untergrundig war, wie die jetzige Empörung bestimmter Staatsorgane Glauben
machen will. Die Nummer Drei im Mörderclub könnte sicher was dazu sagen.
Die Z. schweigt aber nicht nur, die Z. sieht
sich als Opfer und führt Haftbeschwerde.
Trotzdem, eine Frage muss erlaubt
sein. Nicht um die Täter zu entschuldigen. Aber wie wird man so? Erst recht gilt
die Frage dann, wenn man aus einem
gutbürgerlichen Elternhaus stammt. Auch
die braunen Mordbrenner waren einmal
unschuldige Kinder. Was passierte ihren
Seelen in der Jenaer Nachwendezeit
und warum schritt niemand ein, als sie
allmählich in ihren mörderischen Ideensumpf abdrifteten? Selbst in der Wolle
gefärbte Neonazis gehen nicht so weit
und belassen es fast immer bei Worten.
Wenn sich die Gesellschaft nicht diesen
Fragen stellt und die unangenehme
Antworten aushält, sind Wiederholungen
programmiert. Es ist auch kein Problem
der nicht mehr so neuen Bundesländer;
Lübeck, Mölln und Solingen liegen tief im
Westen.
Münster selbst ist ein ruhiges Pflaster.
Die geschätzt etwa 20 Neonazis der Stadt
verhalten sich mangels Erfolgsaussichten
ruhig. Untätig sind sie deshalb nicht; die
Plakate zur Münsteraner Demo hängen
sich nicht von selber auf (nebenbei:
bloßes Abhängen hat keine Rechtsfolgen und ist ein Akt ziviler Hygiene).
Das Aufhängen der Plakate zeigt: Die
Braunen gehen diesmal aufs Ganze.
Eine Sichtweise, die im Polizeipräsidium
geteilt wird. Bis Hamm und Dortmund ist
es ohnehin nicht weit. Im Kreis Steinfurt
ist die braune Szene ebenfalls gut organisiert. Und zu den letzten Wahlen traten
auch in Münster Kandidaten für die NPD
an. Entwarnung ist auch deshalb nicht zu
geben, da die Grenzen zur lokalen Hooliganszene, zu Skins und Mitläufern und
zu bestimmten Musikrichtungen fließend
sind. Nur ein Beispiel: lautstarkes Sieg
Heil!-Gegröle schallt im Umfeld eines
Konzertes im Juni 2009 ungestört über
den gut besuchten Hawerkamp.
“Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem
das kroch”, schreibt Bertolt Brecht 1941 im
Epilog seines Arturo Ui. Sollten die Ewiggestrigen am 3. März tatsächlich durch
die Stadt des Friedens und der Toleranz
laufen wollen, sind Münsters Bürger zum
kreativen Widerstand gefordert und zu
deutlichen Meinungsäußerungen, das
überfällige NPD-Verbot vorneweg. So,
wie im Februar 2006. Lassen Sie uns den
Spielstand der Partie Münster vs. braune
Horden gemeinsam auf Drei zu Null erhöhen. Die ~ bedankt sich schon
einmal. #
Liebe Leser, verfolgen Sie bitte
in den Lokalmedien die weitere
Entwicklung und zeigen Sie wenn
nötig deutlich Flagge. Danke!
21
Bericht | Text und Foto: Sabrina Kipp
Kurz und Knapp
Wenzel + Stoppl = Jonas
Hilfe in eigener Sache!
Jonas ist da! Was als Aprilscherz und
Bauchgefühl angefangen hat, wiegt
inzwischen vier Kilo. Fast pünktlich hat
Storch Adebar am 02.12.11 seine wertvolle
Fracht in die Arme von Stoppl und Wenzel
gelegt. Eltern und Kind sind wohl auf
und freuen sich jetzt über nächtliche
Störungen und duftige Windeln. Die
Augen von Mama, die Füße vom Papa
oder doch eher von der Oma? Egal, für
die Eltern ist es auf jeden Fall das süßeste
Baby der Welt! Die junge Familie bedankt
sich herzlich für die Unterstützung der
~ Leser.
Diese Seite wird von Klaus Haferkamp gesponsort.
22
Unsere rumänische Mitarbeiterin Anita
und ihre Familie haben endlich eine
Wohnung
in
Münster/Kinderhaus
gefunden. Die Grundausstattung ist
vorhanden. Trotzdem fehlen noch
dringend: Waschmaschine, großes
Bett und Kleiderschrank. Außerdem
hat Anita einen 8-jährigen Sohn, der
sich über altersgerechtes Spielzeug
und Kleidung freut. Wenn Sie Anita
und ihrer Familie helfen können,
melden Sie sich bitte in der Redaktion
unter 0251 4909118. (Unser Betriebsfahrzeug ist zur Zeit nicht fahrtüchtig,
es wäre klasse, wenn Sie die Sachen
selber transportieren könnten).
Bericht | Text und Bild: Dietmar Buff
Dietmars Welt der Musik
RÜCKSCHAU AUS DER JETZTZEIT
Nachdem, nahezu willkürlich, eine
bekannte Band der „‚68er“ (Deep
Purple) einmal in Auszügen unter die
Lupe genommen wurde, um an einem
Beispiel etwas von dem Tiefsinn, der
generell aufgebracht wurde in poetischer
Hinwendung, in musikalischer Neuerung,
anschaulich zu machen, hier noch eine
Korrektur zum vorangegangenen Teil
IV: Natürlich firmiert das Stück „Chasing
Shadows“ unter eben diesem Namen;
„Blind“ folgt auf der LP/CD als zweiter
Song, - die Enthusiasten unter uns
haben dieses natürlich sofort bemerkt!
Übrigens, wer eine süße Rockballade mit
Anleihen bei klassischer Musik genießen
will: „Blind“ lohnt sich als Hörbeispiel
und auch für Sprachinteressierte. Man
hört dann schon genau zu!
Wie entstanden eigentlich diese modernen Wege der Kommunikation? Im
letzten Viertel des 19ten Jahrhunderts
bis heute erfand man eine Reihe von
Innovationen:
HochgeschwindigkeitsPressen, Schreibmaschinen, Telegraphen,
Telephone, Phonographen, Radio, TV,
digitale Computer und erdumkreisende
Satelliten. Der Wissenszuwachs über
Elektrizität brachte eine wachsende Zahl
von praktischen Anwendungen hervor.
Wissenschaftler und Ingenieure untersuchten das Verhalten von Wechselstrom
und elektromagnetischen Wellen, fanden
Elektronen im Atom. Zitat aus Technology
in America, A History of Individuals and
Ideas. Ed. by Carroll W. Pursell, The MIT
Press, 2nd edition 1990 (1981), p. 190:
the exciting new technology of radio
served as a major focus of activity. Among
the many inventions that resulted was
the creation of a new and unheralded
communications device, the loudspeaker.
die aufregende neue Technologie des
Radios diente als ein Fokus von Tätigkeiten. Unter den vielen Erfindungen, die
entsprangen, befand sich die Schöpfung
eines neuen und ohne Unterstützung
hervorgebrachten Apparates, des Lautsprechers.
Mitte der 1960er Jahre konstruierte ein
Radiomechaniker in London ebenfalls ein
neues Gerät, indem er an ein herkömmliches Röhrenradio einen Bildschirm
anbaute und dafür sorgte, dass Ton und
Bild zusammen gesendet wurden. Zuerst
als schwarz-weiß Signal auf dem Markt,
wurde die Technik des TV Ende der ‚60er
Jahre zum Farbbild fortentwickelt.
Eine weitere Verbesserung und Mikroisierung der elektronischen Schaltkreise
brachte schließlich den digitalen Mikrochip. Elektronische Schaltkreise wurden
so subminiaturisiert, dass ehemals große
Platinen bald mit bloßem Auge nicht
mehr zu sehen waren, nur noch unter
dem Elektronenmikroskop. Massenfertigung dieser winzigen Partikel und ihr
Aufbringen in großer Zahl auf kleinste
Bauteile schufen den Mikrochip, der
bei kleinsten Maß viele elektronische
Prozesse ausführen konnte. So weit zum
technisch-physikalischen Hintergrund.
Fünfundzwanzig Jahrhunderte war das
Anschauen der Gesellschaft und der
Welt, so findet sich in „The
Auditory Culture Reader“
(Hg. Michael Bull & Les Back),
Grundlage der Wissenssuche
der Westlichen Welt. Begriffe
wie ‚enlightenment‘ für
‚Aufklärung‘ und ‚illumination‘ für ‚Erleuchtung‘
bedeuten Verstehen als Sehen. In der Neuzeit aber sind
Klang und Geräusche häufig
das Eintauchen in Musik
oder das Rattern des Presslufthammers.
Jacques Attali wird zitiert, der schreibt,
dass die Welt mitnichten zum Anschauen
sei, nein, zum Hören. Es stehen sich
jedoch diese beiden Pole gegenüber, die
man einerseits als intime, arrangierbare
und ästhetisierte Räume zum Bewohnen
bezeichnet, andererseits als eine ungewollte, ohrenbetäubende Lärmkulisse,
die die Toleranz des Individuums bis an
ihre Grenzen beansprucht. Klang hat
utopische und dystopische Seiten.
„The Popular Music Studies Reader“
erwähnt die „International Association
for the Study of Popular Music“, die im
Internet schnell auf ihrer Webseite unter
IASPM in der Suchmaschine aufgefunden
werden kann. Dort sind reichlich Beiträge
zum Thema zusammengetragen. Im Reader folgendes: There is a growing understanding of popular music‘s significance
as a personal resource for individuals,
with a range of individual characteristics
such as identity, biography and personal memories being articulated with
reference to particular songs or pieces of
music. - Man versteht allmählich die Bedeutung der Popularmusik besser als eine
persönliche Ressource für Individuen,
mit einer Spannweite von individuellen
Charakteristika, als da sind Identität,
Biographie und persönliche Erinnerungen in Bezug auf bestimmte Songs oder
Musikstücke.
Richtig, wir neigen dazu, bestimmte,
als schön empfundene, Musik irgendwie
Personen und Situationen zuzuordnen.
Das ist aber ein höchst subjektiver Vorgang, der meint, dass eine Person etwas
hinein deutet, etwas von ihren eigenen
Emotionen hinzufügt, das eine andere
Person subjektiv anders deuten würde;
das ist individuell so verschieden. Signifikant für moderne Popularmusik ist ihre
Wirkung als ein Katalysator von Formen
gesellschaftlicher Identität. Musikalische
Klänge werden mit sozial eingeschriebener und verkörperter Bedeutung verbunden. #
23
Buchtipp | Text: Sigi Nasner
Lesen
Peter Scholl-Latour: „Arabiens Stunde der Wahrheit“
Peter Scholl-Latour wurde 1924 in
Bochum geboren. Er promovierte an
der Sorbonne in Paris in den Sciences
Politiques. Sein Diplom machte er an
der Libanesischen Universität in Beirut
in Arabistik und Islamkunde. Seither
24
war er in vielfältigen Positionen als
Berichterstatter und Publizist tätig. Er
arbeitete als ARD- und ZDF-Studioleiter
in Paris, als ARD-Korrespondent in Indochina und Afrika, im WDR-Fernsehen
war er Programmdirektor. Außerdem war
er Chefredakteur und Herausgeber des
STERN und fungierte als Vorstandsmitglied
von Gruner + Jahr. Peter Scholl-Latour
erreicht höchste Einschaltquoten mit
seinen TV-Sendungen und durch seine
Bücher ist er zu einem der erfolgreichsten
deutschen Sachbuchautoren avanciert. #
Peter Scholl-Latour: Arabiens Stunde der Wahrheit - Propyläen Verlag, 380 Seiten, 24,99 Euro ISBN: 97835499073667
Im südlichen Europa ist nichts mehr
wie es war und auch an vielen Orten in
der arabischen Welt ist seit einiger Zeit
die Hölle los. Ob in Marokko, Tunesien
oder in Syrien, in Ägypten, Lybien oder
Jemen– die Menschen haben überall
genug von ihren durchtriebenen und
korrupten Regierungen und brutalen Militärdiktaturen. Überall begehrt das Volk
auf und versucht sich von seinen Fesseln
zu befreien. Peter Scholl-Latour, seines
Zeichens Nah-Ost und Islam-Kenner wie
es keinen anderen gibt, berichtet hier
über die mannigfaltige Geschichte besagter Länder, die er seit sechs Jahrzehnten
immer wieder bereist hat. In seinem
neuen vorliegenden Buch verbindet er
auf altbewährte Weise seine landjährige
Erfahrung als Berichterstatter des Weltgeschehens mit aktuellen Eindrücken
seiner jüngsten Reisen in den Sudan,
nach Ägypten, Algerien und den Nahen
Osten. Peter Scholl-Latour ist ein überragender und gründlicher Kenner dieser
Länder und Kulturen über die er schreibt,
was seine Bücher bis zum heutigen Tage
immer wieder auszeichnet. Schon vor
über einem halben Jahrhundert hat er
die arabische Welt immer wieder bereist
und seither auch immer wieder über sie
berichtet. Er vermag so mit außergewöhnlicher Scharfsinnigkeit das aktuelle
Geschehen in seinem historischen und
kulturellen Zusammenhang zu erklären.
Außerdem beschwört er in sehr bewegenden Reportagen die geheimnisvolle
Welt der Basare, Kasbahs und Oasen
herauf, die er noch kennengelernt hat,
wie sie ursprünglich einmal waren. Sein
vorliegendes Buch ist ein exklusiver und
kritischer Bericht und eine spannende
politische und kulturelle Zeitreise.
Rezepte | Text: Nico Hürkamp
Rezepte - Nicht jugendfrei!
Für alle, die Karneval lieber zu Hause feiern möchten und keine Lust auf die verkleideten Menschenmassen und herumfliegende
Süßigkeiten haben, ein paar Vorschläge, um die hauseigene Party farbenfroh und außergewöhnlich zu gestalten. Die Gäste wird
es freuen.
Butter Rum
Hot Sangrita ( 2 Gläser )
Zutaten
• 100g Butter
• 100g Zucker
• 24cl Rum
• 1/2 TL gemahlene Nelken
• 1/2 TL Kardamon
• 1 TL Zimtpulver
• 6 Gläser oder Tassen
Zutaten
• 1 grüne Pfefferschote
• 10g Ingwer
• 500ml Sangrita
• 2 EL Limettensaft
• 1 TL Zucker
• Salz, Pfeffer
Zubereitung
Die Butter in einer Schüssel mit dem
Zucker, Salz, Nelken, Kardamon und dem
Rum glattrühren. Die Masse in 6 Gläser
oder Tassen verteilen und mit kochendem
Wasser übergießen. Abschließend die
Gläser mit dem Zimt bestreuen.
Campari-Bier
Zutaten
•
•
•
•
•
0,33l Bier
4cl Campari
0,3l Mineralwasser
4 Eiswürfel
2 Gläser
Zubereitung
Die Eiswürfel auf die Gläser verteilen. In
jedes Glas 2cl Campari füllen. Anschließend das Bier und das Mineralwasser auf
die Gläser aufteilen.
Wodkerola
Zutaten
• 16cl Wodka
• 8cl Aperol
• 4cl Zitronensaft
• Eiswürfel
• 4 Stücke Zitronenschale
Zubereitung
Wodka, Aperol und frisch gepressten Zitronensaft auf Eis im Shaker kalt rühren.
Auf 4 Gläser mit Eiswürfeln verteilen und
mit Zitronenschale garnieren.
Den Pudding in kleine Schnapsbecher
füllen und kalt stellen. Zum Servieren
Zahnstocher reichen, um den Pudding
vom Becherrand zu lösen und dann einfach wegschlürfen.
Amaretto Creme
Zutaten
Zubereitung
Pfefferschote längs halbieren, entkernen
und fein würfeln. Frischen Ingwer schälen und fein reiben. Beides mit gekühltem Sangrita verrühren. Mit Limettensaft,
Salz, Pfeffer und Zucker würzen. In Gläser
füllen und sofort servieren.
Hausgemachter Baileys
Zutaten
•
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•
•
•
400 ml Schlagsahne
4 Eier
0,35 L Schnaps (Korn)
12 cl Rum
1 EL Nutella
1 TL Kaffeepulver, instant
250 g Puderzucker
Zubereitung
Das Eiweiß vom Eigelb trennen. Eigelb
und Sahne schaumig schlagen. Korn,
Rum, Nutella, löslichen Kaffee und
Puderzucker zugeben und alles mit dem
Mixstab in einer Schüssel verrühren.
Wackelwodka
•
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•
•
•
3 Eier ( Eigelb )
3 EL Zucker
250g Mascarpone
150g Keks ( Amarettini )
3 EL Amaretto
Zubereitung
Das Eigelb vom Eiweiß trennen. Eigelb
zu einer Creme schlagen und dabei den
Zucker nach und nach zufügen. Die
Creme so lange schlagen, bis der Zucker
sich aufgelöst hat. Den Amaretto mit der
Creme vermengen. Anschließend wird
die Mascarpone mit der Creme vermischt.
Nun werden ein paar Kekse auf dem
Boden einer Schüssel gelegt und die
Hälfte der Creme darüber verteilt. Wieder
eine Schicht Kekse und dann die Creme.
Abschließend mit den restlichen Keksen
dekorieren. Die Creme ca. 30 Minuten
ziehen lassen, nicht länger,da die Kekse
sonst durchweichen. Die Menge ist ausreichend für etwa 4 Portionen.
Für den Morgen danach empfiehlt
die Redaktion:
Zutaten
•
•
•
1 Packung. Puddingpulver (Wackelpudding Waldmeister), ohne Kochen
1/2 Teil Wasser
1/2 Teil Wodka
Zubereitung
Den Wackelpudding nach Anweisung
zubereiten. Nur die Hälfte der angegebenen Wassermenge verwenden, die
andere Hälfte Wodka nehmen. Bitte nicht
kochen, da sonst der Alkohol verdampft.
Eskimo-Flip
Zubereitung
Ein sehr erfrischendes und kalorienarmes
Getränk für Puristen, ist der Eskimo-Flip:
Ein Glas mit Eiswürfeln wird mit Wasser
aufgegossen. Langsam und nicht zu fest
rühren. Und keinesfalls schütteln - das
würde den Drink verwässern. #
25
Bericht | Text: Annette Poethke
§
Neues aus dem Familienrecht
Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse des Kindes
Dass Kind und der Elternteil, bei dem es nicht lebt, jeweils einen
Rechtsanspruch auf Kontakt miteinander haben ist hinlänglich
bekannt. Darüber hinaus haben allerdings auch andere Bezugspersonen wie Großeltern und Geschwister und solche Bezugspersonen des Kindes, die längere Zeit für es Verantwortung
tragen oder getragen haben, ein Recht auf Umgang mit dem
Kind, wenn dieser Umgang dem Wohl des Kindes dient. Dies
ist weniger bekannt. Allerdings werden sich immer mehr Großeltern ihrer entscheidenden Rolle als wichtige Kontakt- und
Bezugspersonen für ihre Enkelkinder bewusst und nehmen ihre
entsprechenden Rechte wahr. Begrüßens-wert insbesondere
auch für das betroffene Kind ist selbstverständlich, wenn diese
Rechte einvernehmlich mit den Kindeseltern geregelt werden
können.
Darüber hinaus steht einem Elternteil als Ergänzung oder als
Ersatz des Elternrechtes auf Umgang ein Auskunftsanspruch zu
(§ 1686 BGB).
Für den Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse
des Kindes muss ein berechtigtes Interesse bestehen und es darf
nicht dem Wohl des Kindes wider-sprechen.
Ein berechtigtes Interesse auf die zu erteilende Auskunft über die
persönlichen Verhältnisse des Kindes hat der Elternteil, wenn er
sich nicht auf andere Weise entsprechend unterrichten kann.
Beispielsweise ist dies der Fall, wenn das Kind noch zu jung ist,
um den Elternteil zu unterrichten oder die Umgangskontakte
wegen großer Entfernung nur selten stattfinden etwa bei Beschränkung der Umgangs-kontakte auf die Ferien oder bei berufsbedingtem längeren Aufenthalt des Umgangsberechtigten.
Das berechtigte Interesse an der Auskunft kann auch dann gegeben sein, wenn das Kind jeden persönlichen und brieflichen
Kontakt ablehnt.
Das berechtigte Interesse an der Auskunft ist auch nicht gegeben, wenn dadurch der betreuende Elternteil ausspioniert
werden soll.
Neben dem berechtigten Interesse ist weitere Voraussetzung die
Vereinbarung mit dem Kindeswohl.
Je mehr sich das Auskunftsbegehren der Privat- und Intimsphäre des Kindes nähert, ist ihm umso weniger zu entsprechen.
Gegen den Willen des fast volljährigen Kindes kann beispielsweise über Arztbesuche, gesellschaftliche oder politische
Engagements, bzw. soziale Kontakte keine Auskunft vom sorgeberechtigten Elternteil verlangt werden.
Andererseits steht das Interesse an der Eingliederung des Kindes
in die Stieffamilie einer Auskunftserteilung grundsätzlich nicht
entgegen.
Eine Ausweitung des Auskunftsrechts wird diskutiert.
So hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
am 15.09.2011 entschieden, dass neben dem rechtlichen auch
dem biologischen Vater bei einer am Einzelfall orientierten
Prüfung des Kindeswohls ein Umgangsrecht und damit auch ein
an dessen Stelle tretendes Auskunftsrecht zugestanden werden
muss.
vgl. BeckRS 2011, 81521
Mäxchen...
...6 Monate alt, hat in den ersten Lebenswochen wahrscheinlich einen Unfall gehabt. Infolge der schweren Verletzungen
musste sein Schwanz amputiert werden. Jetzt ist alles verheilt
und Mäxchen flitzt flink mit seinem Reh-Popo durch die Wohnung . Er misst seine Kräfte mit Arthur und spielt Verstecken.
Neuem tritt er todesmutig in den Weg, beide beobachten
gerne, was in der Badewanne nach der Dusche geschieht oder
gehen ins Kino vor der Waschmaschine. Der kleine rote Kater
bestimmt gerne selber, wann er sich dem Dosenöffner nähern
möchte. Noch scheut er manchmal die Berührung, doch er
kennt die wohltuende Wärme und das Kraulen, Streicheln
und Bürsten schon. In neuen Heim sollte schon eine zweite
Katze und ein abgenetzter Balkon vorhanden sein. Ansonsten
würde er auch total gerne mit Arthur umziehen!
Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de
26
Bericht | Text und Foto: Glenn Langhorst
Columne: „~“ auf Cuba
Gute Vorsätze
Moin zusammen und herzlichen Glückwunsch zu der Idee, diesen Beitrag zu
lesen.
Ich habe gute Laune und das hat
natürlich auch einen Grund! Nach drei
Jahren habe ich gestern einen weiteren
guten Vorsatz für 2012 in die Tat umgesetzt. Ich habe mich von meiner Stalkerin getrennt. Zugegeben, dass klingt
lustig, ist es aber nicht. Wir mussten uns
einfach trennen, denn wir wohnten viel
zu weit auseinander. Ich auf der Erde, sie
im „Phantasieland“. Um sie näher zu beschreiben, möchte ich an dieser Stelle nur
kurz erwähnen, dass sie schon vier Mal
durch das Casting von „Schwiegertochter
gesucht“ gefallen ist.
Ernsthaft: Meine Stalkerin ist nicht
einfach nur doof, nein, an ihr prallt Logik
ab wie an Dieter Bohlen musikalisches
Talent. Die glaubt allen Ernstes, dass
der Tank in ihrem Auto größer geworden
ist, nur weil mittlerweile Sprit für mehr
Geld reinpasst. Ernsthaft, seit ich meinen
Magister habe, hält sie mich allen Ernstes
für einen Zauberer. Es ist traurig, aber
wahr: Geistig permanent überfordert ist so etwas wie ihr
natürlicher Aggregatzustand.
Ich will ja nicht lästern,
aber die hat tatsächlich
etwas geschafft, was vor ihr
noch niemand auf diesem
Planeten
geschafft
hat: Sie ist in der
Waldorfschule
sitzen geblieben. Wirklich!
Die
Gute
hat
die ganze
achte Klasse
hindurch
Rechtschreibfehler gemacht,
während sie ihren
Namen getanzt hat.
Wobei, wenn wir ehrlich sind, haben
wir doch in der Schule alle schon mal
Quatsch gemacht, oder? Ich für meinen
Teil habe zum Beispiel immer noch seit
der sechsten Klasse Hausverbot in der
Schulbücherei. Ja, was soll ich sagen, ich
habe damals kurzerhand alle Bibeln umsortiert. Das neue Testament stellte ich in
das Regal für „Biografien und Reiseliteratur“, das alte Testament zu „Okkultes und
Gruselgeschichten“.
Ein bisschen Blödsinn darf natürlich
immer mal sein. Auch von Euch hat bestimmt der eine oder andere schon mal
eine überfahrene Katze von der Straße
gekratzt und ist damit dann zu McDonalds
gefahren, um sie mit den Worten „So, das
ist die letzte für heute, ich mache jetzt
Feierabend!“ auf den Verkaufstresen zu
knallen. So was kann man ja mal machen, aber meine Stalkerin überspannt
den Bogen irgendwie immer.
Ein gutes Beispiel: Ich hatte letztens
ganz früh morgens einen wichtigen
Termin und was machte sie? Sie
fuhr nachts um 3 Uhr mit einem
rostigen
und
quietschenden
Kleinkinderdreirad vor meinem
Schlafzimmerfenster im Kreis und
grölte den Bratmaxesong. Und
als ich dann das Fenster aufgemacht und gefragt habe, was
das Ganze soll, setzte
die sich das Dreirad
nur auf den Kopf,
rannte weg und
schrie:
„Was
denn?
Ich
spiele doch
nur Transformers!“
Keine
Ahnung, was sie
so dumm macht,
aber es funktioniert hervorragend! Die
Wahnsinnige hat letzte Woche auch
mal „aus Versehen“ ein Lied illegal aus
dem Internet heruntergeladen. Da war
was los. Die hat mir dann über Nacht
etwa 35 Mal auf den Anrufbeantworter
gesprochen, von wegen Sie hätte jetzt
Panik bekommen und befürchtete, dass
sie jetzt auch von einer dieser windigen
Anwaltskanzlei wegen des unerlaubten
Downloads abgezockt wird.
„~ auf cuba“ ist die die Columne der offenen Kabarettbühne
„Cubarett“ in der ~
Die Columne ist der Ort für die Künstler des Cubarett ihr gesprochenes
Wort auch lesenden Augen zu Gehör
zu bringen.
Das nächste Cubarett findet am
6.2.2012 um 20 Uhr im Cuba Nova
statt.
Mit dabei: Sabine Domogala, Lars
Golenia, Sülo Karazin, Udo Wolff und
Cem Derin.
Als ich sie dann am nächsten Morgen
angerufen habe, um sie zu beruhigen,
war sie schon wieder ganz die Alte: Sie
erzählte mir ganz trocken, dass ich mir
keine Sorgen machen soll, weil sie das
Lied in der Nacht heimlich wieder hochgeladen hat.
Ja, sie ist wirklich eine der wenigen
Frauen, deren biologische Uhr nicht
einfach nur tickt. Nein, ihre Uhr steht auf
24:00 und blinkt permanent. Ich bin froh,
dass ich meinen Vorsatz für 2012 durchgezogen habe, obwohl ich befürchte, dass
ich es vielleicht irgendwann bereuen
werde. Ich weiß nicht genau, was sie sich
einfallen lassen wird, aber der überlebensgroße Schneemann aus Rinderhack
mit der Axt in der Hand in meinem Garten
verheißt sicherlich nichts Gutes. #
27
Bericht | Text: Horst Gärtner
Schlussakkord
Man kann sie fast noch sehen und hören, die Leuchtraketen, die
kompakten Leuchtkombinationen (36 Schuss – einmal anzünden), die mit ihrem Sternentanz den dunklen Himmel fröhlich
verwandelten, die Fontänen, die auf Straßen und Plätzen
kleine Vulkane zauberten und die Böller und Knaller, die auch
das neue Jahr – auf ihre Weise – begrüßten; schön war´s – für
über einhundert Millionen Euro alleine in Deutschland! Und
jetzt sind wir wieder beim Ernst des Lebens – Karneval steht vor
der Tür! Seit Wochen und Monaten sorgen fleißige Hände dafür,
dass Karnevalswagen herausgeputzt werden, vor Wochen und
Monaten hat man sich schon Gedanken darüber gemacht, welchen Gag man diesmal den fröhlichen Narren präsentieren wird
und die Politik hat dafür gesorgt, dass auch wieder Nachschub
geliefert wird!
Der Wettergott schlägt Kapriolen, der Süden bekommt dreimal
so viel Schnee wie wir im vergangenen Jahr hatten, dafür
warten bei uns die Forsythien auf´s Aufblühen, die Krokusse,
Narzissen und Tulpen haben ihre Blätter herausgeschickt, um
vorzufühlen, ob für die Blütenknospen schon die richtige Temperatur herrscht (einige ganz vorwitzige sind auch schon da und
erfreuen uns mit ihren kräftigen Farben) und die Wetterfrösche
haben Mühe, uns immer wieder klarzumachen, dass der Winter
in diesem Jahr – scheinbar - ein ganz anderes Gesicht hat
und wir haben die alte Bauernweisheit vergessen „wi möt so
niemen, es´t kümmt“.
Ich bin in Münster am Stadthaus II (früher Sozialamt, heute
Jobcenter), parke meinen Wagen am Eingang zur Südstraße.
Ich steige aus und will mir einen Parkschein holen. Ich sehe
eine junge Frau, vom Äußeren her würde ich sie auf dem Balkan
suchen, sie kommt wahrscheinlich vom Ausländeramt. Sie geht
zu ihrem Auto, schaut zu mir, sagt: „Ich habe Zeit!“ Ich bin
ein wenig verdutzt, will schon sagen: „Ich auch“, da holt sie
vom Armaturenbrett ihres Autos ihren Parkschein, gibt ihn mir;
er hat noch eine dreiviertel Stunde! Da reden wir immer über
Integration und wie wir doch eigentlich alles besser machen
müssten und dann empfange ich gleich Anfang dieses Jahres
ein solches Zeichen. Ich konnte mich gerade noch bedanken, da
war sie schon weg. Aber ich werde dieses „Es kommt eine junge
Frau auf mich zu, sie kann sich kaum verständlich machen, aber
sie will mir etwas schenken“ nicht vergessen.
Denken Sie daran, wenn Sie mit Vorurteilen konfrontiert werden! Ich wünsche Ihnen, dass das neue Jahr von den hoffentlich
für Sie vorgesehenen guten Überraschungen gleich zu Anfang
ein paar auspackt; eine freundliche Geste vielleicht, die Sie froh
macht.
Horst Gärtner
Erster Vorsitzender des Vereins ~ e.V.
Ness
Die eineinhalbjährige Ness kam zusammen mit ihrer Schwester
Rita in das Handorfer Tierheim. Beide kommen ursprünglich
aus Istanbul und wurden in letzter Minute von deutschen
Tierschützern vor den städtischen Hundefängern gerettet. Ness
ist eine selbstbewusste Hündin, die den Menschen sehr zu
getan ist. Bei Artgenossen entscheidet die Sympathie, die in
den meisten Fällen aber vorhanden ist. Ness hat zwar etwas
Jagdtrieb, ist aber sehr aufmerksam und lernt jetzt schon mit
Begeisterung die Grundkommandos. Sie läuft gut an der Leine,
ist sehr schlau und wäre bestimmt eine Musterschülerin im
anstehenden Hundeschulunterricht.
Tierfreunde Münster e. V., Kötterstr. 98, 48157 Münster - Telefon: 0251/ 32 50 58 - www.tierfreunde-ms.de
28
Nachruf - Heinz Dalmühle
Wir haben einen guten Freund verloren: unseren GrafikDesigner
Heinz Dalmühle
*06.06.1953
Er ist am 1. Weihnachtstag des vergangenen Jahres nach langer
schwerer Krankheit gestorben.
Bevor er 2004 als Ein-Euro-Jobber zu uns kam, war er selbständig. Wir hatten große Erwartungen; zum ersten Mal seit
unserem Bestehen arbeitete ein Grafik-Designer in unserem
Betrieb mit uns zusammen. Aber wir hatten auch große Sorge, ob er sich mit unserem unkonventionellen Betriebsablauf
anfreunden konnte; er konnte. Wir haben ihn mit Hilfe des
Jobcenters fest angestellt und seine jahrelange Arbeit hat die
Qualität unseres Straßenmagazins geprägt, vorzeigbar gemacht.
Er war kein Kollege, der morgens kam, abends ging und zwischendurch seine Arbeit machte. Er machte die Arbeit mit Herzblut; sie war ein wichtiger Schwerpunkt in seinem Leben und
er war ein prächtiger Kollege, einer der in Zusammenhängen
dachte, einer, der unterschiedliche Auffassungen so vortragen
konnte, dass immer ein gemeinsam getragenes gutes Ergebnis
dabei herauskam. Wir haben mit Heinz Dalmühle nicht nur sehr
gut zusammengearbeitet, es haben sich auch freundschaftliche
Verhältnisse entwickelt. Als wir vor einiger Zeit einen neuen
Redakteur suchten, sagte er „Ich glaube nicht, dass wir einen
brauchen, wir machen das in Teamarbeit“.
Wir werden seine freundliche Art und seinen behutsamen Umgang mit uns sehr vermissen; wir werden oft an ihn denken, oft
von ihm sprechen.
Wir denken auch an Wangmo, seine Ehefrau, der wir nach
Kräften helfen werden.
Wasser erstarrt zu Eis, Eis schmilzt zu Wasser. Was geboren ist, stirbt
wieder; was gestorben ist, lebt wieder. Wasser und Eis sind letztlich eins.
Leben und Tod, beides ist gut so.
Buddhistische Weisheit
29
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Berliner Bär
§
Rechtsanwältin
Annette Poethke
Fachanwältin
für Familienrecht
Tätigkeitsschwerpunkte:
Eherecht
Miet - und Pachtrecht
Verkehrsrecht
Interessenschwerpunkte:
Es freuen sich auf Euch: Anne und Michael Ruhl
Arbeitsrecht
Erbrecht
Hüfferstraße 8 | 48149 Münster
Tel.: 0251-511023 und 511024 | Fax: 0251-57606
www.chance-muenster.de
Öffnungszeiten: 6:00 Uhr - open End
Neu! ab 6:00 Uhr Frühstück
bis 15 Uhr: Korn+Pils nur 2.-€
Coffee to go: 1,70 €
Möbel und Trödel
2. Hand-Möbel · Porzellan · Bücher
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Möbel-Trödel Friedrich-Ebert-Str. 7/15, Tel.: 62088 -10
Mo. - Fr.: 9.30 - 19.00 Uhr, Sa.: 9.30 - 16.00 Uhr
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Aktion
Sauberes Münster 2012
Termin für die Müllsammelaktion: 23. – 29. März 2012
Anmeldung und Infos bei den AWM: Tel. 605255 Fax 605263 E-Mail [email protected]
und im Internet: www.awm.muenster.de
Anmeldeschluss: 24. Februar 2012
Mitmachen kann jeder: Schulklassen, Kitas, Vereine, Nachbarschaften, Familien usw...
Wo kann gesammelt werden? Überall in Münster
Unterstützung durch die AWM: Sammelzangen, Handschuhe, Müllsäcke
Eine Gemeinschaftsaktion der AWM und der Bürgerinnen
und Bürger Münsters unter der Schirmherrschaft von
Oberbürgermeister Markus Lewe
Saubere
Lösung
~
Die neue
erscheint am 01.03.2012
Redaktionsschluss
ist der 10.02.2012
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e
f
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re
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brau
Seit einigen Jahren stellt die Sparkasse Münsterland Ost ihre Überschüsse der Stadt Münster
zur Verfügung. Die Stadtverwaltung verteilt die Gelder an gemeinnützige Einrichtungen. In
diesem Jahr durfte auch die ~ erstmals in den Genuss eines Zuschusses kommen. Wir
bedanken uns herzlich und freuen uns sehr!
Die Gelder werden genutzt um den Sozial- und Aufenthaltsraum der Straßenverkäufer neu zu
gestalten, da der sich bisher in einem desolaten Zustand befindet (siehe Foto).
Eine neue Küchenzeile ist dringend notwendig und auch die Wände können ein wenig frische Farbe vertragen, denn so kann sich niemand mehr wohlfühlen.
Leider reichen die Mittel nicht um die Kosten für die neuen dringend notwendigen Anschaffungen komplett zu decken - daher sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen.
#
Für eine finanzielle Unterstützung sind wir sehr dankbar.
Spendenkonto
Sparkasse Münster
Kto 34205427
BLZ 40050150
Wir bedanken uns herzlich!
Das ~ - Team