die firma - Sneakers etc.

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die firma - Sneakers etc.
Die Firma
Milliardengeschäft und Mythos zugleich: die abenteuerliche
Erfolgsgeschichte des größten Sportwarenherstellers der Welt.
Von Moritz von Uslar
Die Firma.Diesen Sonntag endet das Geschäftsjahr 1997/98 - dann
hat sie neun Milliarden Dollar umgesetzt, vielleicht ein bißchen
mehr.Neun Milliarden.Das ist eine Neun, dahinter kommen neun
Nullen.
Eine Firma übrigens,die immer gute Laune hat. Die mit den
wunderbar gelaunten Sprüchen „There is no finish line“,>„Just do it!„
und „I can“ für sich wirbt. („I can“ klingt nicht so aggressiv wie „Just
do it!“ Vielleicht ist das für die Ewigkeit, die nicht länger als ein
Geschäftsjahr anhält,sogar der bessere Werbespruch, mal
sehen).Eine Firma,für die weltweit 22 000 Menschen arbeiten;auf
dem „Campus“,dem Sitz der Firma in Beaverton im US-Bundesstaat
Oregon, wo die Gebäude aus Glas und Stahl sind und „John
McEnroe Building“ heißen,“Nolan Ryan Building“ und „Bo Jackson
Fitness Studio“,sind 5000 Mitarbeiter stationiert.Sie sind im Durschnitt
29 und fahren Audi, bevorzugt den Audi V8,weil Audi ein ziemlich
cooles Auto ist,nicht nur in den USA.
Eine Firma,die den Namen der griechischen Siegesgöttin trägt,die in
Kunst geflügelt und meist schwebend dargestellt wird-mit einem
Palmzweig in der Hand winkt sie den Göttern.430 vor Christus wurde
ihr auf der Akropolis ein Tempel erbaut.Eine Firma,deren Namen
man korrekt,also amerikanisch,und unkorrekt aussprechen kann
(korrekt ausgesprochen wird das >>i<<zu „ei“,das „e“ zu „i“).Eine
Firma,die eine Menge Menschen hassen und eine Menge
Menschen lieben und noch mehr Menschen schlichtweg für die
beste in ihrem Fach halten:Das zählt.
Menschen zählen.Schuhe zählen.Sport zählt.Namen wie Bill
Bowerman,Jeff Johnson,Steve Prefontaine,Frank Rudy und Michael
Jordan zählen - und ein Mann namens Phil H.Knight: Das Magazin
Vanity Fair rechnet ihn zu den 65 einflußreichsten Menschen der
Erde,sein Privatvermögen wird auf 5,8 Milliarden Dollar geschätzt.Er
ist der Kopf der Firma,die Seele,der Motor und ihr Gründer,der
Officer,wie man auf amerikanisch sagt,oder wie es auf
geschäftsamerikanisch heißt,der Chairman of the Board and Chief
Executive Officer,kurz CEO;Phil Knight ist Hauptaktionär der
Firma,das heißt,ihm gehören 51 Prozent.Er ist mit einer prima Frau
verheiratet,die Penny heißt und zusieht,daß ihr Mann wenigstens
am
Wochenende
zu
seinem
Hobby,dem
Langstreckenlaufen,kommt.1998,das
Jahr,in
dem
die
Fußballweltmeisterschaft in Frankreich ausgetragen wird,zählt
natürlich auch.Die Firma heißt Nike.
Wo willst du anfangen? Beim Basketball? Beim Frauen-Fußball?
Beim Marathon? Wähle 001/503/6716453,dann bist du mit der Firma
verbunden,die alle Geschäftskorrespndenz - andere gibt es nicht
bei Nike-per E-Mail regelt.“Nike headquarters! Wir verbinden sie
gleich weiter.Ihr Anliegen ist absolut wichtig für uns!Bitte legen Sie
nicht auf!LEGEN SIE NICHT AUF!“
So meldet sich der größte Sportwarenhersteller der Erde.Die reden
alle gern bei Nike,bevorzugt über ihre Firma,egal ob du mit John
Hoke(Jahrgang 65,sein Titel:Global Creative Director of Image
Design) verbunden bist,mit Gordon Thompson III(Jahrgang 62,Vice
President of Footwear,Apparel,Equipment,Image and Retail
Design),mit
Keith
Peters
(Jahrgang
51,Director
of
Communications)oder mit Nelson Farris(Jahrgang 41);der Mann hat
keinen Titel mehr nötig,weil er von Anfang an bei der Firma war,mit
ihr älter,weiser,reicher und immer relaxter geworden ist,ohne dabei
seine Angriffslust zu verlieren.In 25 Jahren wurde Farris zu Knights
Vertrautem,natürlich nicht zu seinem freund.Das sind alles
Stimmen,denen man die absolute Verwunderung darüber
anhört,daß der Menschen noch das Telephon benutzen.
Die Geschichte geht etwa so: Ein Mann hatte den genialen
Einfall,hochkarätige Sportschuhe in den USA entwerfen und in Asien
produzieren zu lassen - um sie schließlich welteit billiger zu verkaufen
und so die Vorherrschaft deutscher Sportartikelhersteller zu
brechen.Über diese Theorie schrieb Phil Knight 1962 an der
Standford Business School sein Wirtschaftsdiplom,machte Ernst damit
und wurde Milliardär.
Oder so:Adidas und Puma,die brüderlichen Konkurrenten aus dem
fränkischen Herzogenaurach,die einst Adolf(gestorben 1978) und
Rudolf(gestorben 1974) Dassler gegründet hatten,sind mit insgesamt
95 Prozent Marktanteil und einem Umsatz von 2,5 Milliarden Mark
der weltgrößte Hersteller von Sportschuhen und -bekleidung.Das
war 1980,ein Jahr,das Adidas nicht vergessen wird,weil damals der
Abstieg zur Nummer zwei begann.“Das ist das Problem einer
Monopolstellung“,erklärt Nelson Farris,“du fängst an zu denken,du
seist gut.Du mußt dich daran erinnern,daß dich jeder überholen
kann.“Keith Peters:“Wir sind der Underdog,wir identifizieren uns mit
dieser Rolle.Egal,wie gut wir sind,wir müssen besser sein.“Phil
Knight:“Wir hassen Adidas nicht,woher denn? Wir wollen nur mehr
Schuhe verkaufen.“Knight grüßte also den Marktführer, und „wie
eine Dampfwalze machte Nike den Markt platt“,(Adidas-Chef
Robert Louis-Dreyfus,1977).
Die Geschichte könnte nochmal anders gehen: Ein Mann kannte
einen,der eine Idee hatte,und dann hatte er selbst noch
zwei.Vielleicht zweieinhalb.In der Zwischenzeit aber hatte er einen
Stab guter Leute aufgebaut,deren Job es war und heute ist,gute
Ideen wie am Laufband zu produzieren und diese - man stellte sich
eine mit Sauerstoff, Koffein und Vitamintabletten vollgepumpte
Tarantel vor! - aggressiv zu vermarkten.
Das ist im allgemeinen der Lauf jeder extraordinär erfolgreichen
Firmengeschichte.
Phil Knight wird die deutsche Volksweisheit“Wer den Pfennig nicht
ehrt,ist des Talers nicht wert“nicht kennen - sein Märchen wird in
Dollar abgerechnet;es spielt in der guten neuen Zeit.Knight wollte
die Dollars,und selbst das ist nicht sicher.Er legt heute wenig Wert
darauf,Manager der Firma zu sein,Geschäftsmann,Selfmademan das alles ist Phil Knight.Und er ist Athlet.Was „Athlet“ in seinem
Geschäft bedeutet,bleibt ein Geheimnis,das er so oft und gern
ausplaudert,daß es sich immer wieder mit Bedeutung auflädt.Okay
es ist für Knight,“risk takter“ genannt zu werden, also einer, der jeden
Tag neue Fehler macht und so sich selbst und die Geschäfte in
Bewegung hält.
Phil Knight sagt:“Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Die
Aufgabe lautet:“Wir sind Athleten und wissen deshalb um die
Probleme der Athleten.“ Die Lösung:“Wir halten uns deshalb
überlegen,weil
wir
unsere
Ausgangsbasis
nicht
in
der
Schuhfabrikation haben.Wir sind Athleten,die Schuhe machen.“
Ach ja? „Ja. Nike ist für Leute ,die wirklich Sport treiben.“ Phil Knight
sagt auch:“Entspannung ist das A und O.“Warum? „Das liegt an der
Beschaffenheit der Gelenke.Man kann nicht schnell laufen,wenn
man verkrampft ist.“
Der Sport bewege alle Menschen, so eine von Phil Knights häufig
zitierten Ideen, er sei das Herz unserer Kultur. Über die Fiktion einer
Welt,die von Athleten beherrscht wird,gerät er ins Schwärmen: “Es
wäre ein gesunder Ort. Einr Welt voller Menschen, die ihr Leben in
die Hand nehmen, die stolz auf ihre Taten sind, ob im Sport oder im
Geschäft. Es wäre ein friedlicher Ort. Meinungsverschiedenheiten
würden auf den Sportplatz ausgetragen, Kriege wären überflüssig. Es
wäre eine bessere Welt, denn wir glauben daran, daß der
Wettkampf aufs Spielfeld gehört.“
Talking big, talking Nike, talking Phil Knight Style. Kann man einen
phantastischeren Quatsch zusammenreden? Nein, die Sprüche
sitzen, zumindest, was den Sportwarenmarkt betrifft:Seit 25Jahren
verkauft Nike Schuhe - mit einer Sprachregelung: “Athlet“ übersetzt
sie Firma mit „Kunde“.So wird allein der Ausschluß ausgeschlossen,
der Rest ist eingeladen,dabeizusein.
„Ob ich rauche? Nein, ich rauche nicht“, sagt John Hoke, “aber ich
war am College ein passabler Crossfield-Läufer, laufe heute noch
jeden Tag und spiele Basketball. Teamwork habe ich in diesem Spiel
gelernt.“ Gordon Thompson III: “Ich laufe jeden Tag, aber das ist
nichts Besonderes. Alle Nike-Mitarbeiter machen irgendeinen
Sport.“Keith Peters fragt am Telephon: “Du gehst zu Fuß zur Arbeit?
Okay, dann bist du ein Athlet. Du überwindest dich, du stößt an
deine Grenzen. Nur im speziellsten aller Fälle kann diese Grenze ein
Weltrekord sein. “Knight, der im Februar seinen Sechzigsten feierte,
soll die Marathondistanz in weniger als drei Stunden laufen, wer
weiß?
Nike Athleten sind Nike-Athleten, sind Nike-Mitarbeiter, sind NikeKunden, sind wir, sind alle, ist die Welt. Muß doch eine schöne
Aufgabe sein, für 5,8 Milliarden Menschen Schuhe herzustellen, das
braucht natürlich ein bißchen. 1972, im Gründungsjahr, setzte Nike
zwei Millionen Dollar um. “Wir waren Kinder der Sechziger, vom Spaß
motiviert, nicht vom Geld“, erinnert sich Nelson Farris, “denn verdammt, das vergessen die Leute“ - das mit dem Geld war
furchtbar. Wenn wir es bis zum Ende des Jahres schaffen würden,
könnten wir ein 25-Millionen- Dollar-Unternehmen werden, so weit
konnten wir sehen. Phil hatte eine größere Vision, er sah ein 100Millionen-Dollar-Unternehmen,hahaha!“
1975 hatte Phil Knight die Ehre, im Team von Bill Bowerman, dem
Trainer der University of Oregon zu laufen. Phil ist der Sohn eines
Rechtsanwalts; er langweilt sich oft; er sieht nicht etwa gut aus,
sondern hat Glupschaugen, milchige Haut und O-Beine, er gilt als
schüchtern und verkrampft und vermeidet es, in die Sonne zu
gehen; seine Mitschüler nennen ihn Buck oder The white Mole, den
weißen Maulwurf. Immerhin läuft Phil die Meile in vier Minuten und
zehn Sekunden, bloß war laufen damals nicht cool. Farris: “Es war,
genaugenommen, überhaupt keine Sportart. Laufen war der Sport
für Jungen, die keinen Ball werfen konnten. “Aber dieser Bill
Bowermann war ein Lauftrainer, und er verlangte Respekt.
Seine Jungs durften ihn nicht Coach nennen. Statt dessen bestand
er auf der Anrede Prfessor of Competitive Response, was sich im
Deutschen mit “Herr Professor Panzerfahrer“ übersetzen läßt. Er war
dieser „breite,kräftige,harte Kerl“, gut einen Meter neunzig groß, und
er hatte „diese unheimliche Art drauf, fest an sich, den Sport und
seine Jungs zu glauben“. Er brachte den Jungs bei, was ein
Wettkampf ist, nebenbei unterhielt er eine kleine Lederwerkstatt. Bill
hatte es sich in den kopf gesetzt, daß Laufschuhe federleicht zu sein
haben. Sein Spruch war: “Don´´t give anything away. Never make it
easy for the guys you´´re trying to beat“, was so viel bedeutete wie:
“Jungs, ich will euch kämpfen sehen. “Heute wird der Spruch, als
Dreizeiler layoutet, im Nike-Katalog zitiert.
Phil und Bill kamen gut miteinander klar, obwohl der Maulwurf nie
eine Medaille herauslief, geschweige denn einen Rekord. 1962 war
das Jahr, in dem Phil Knight für seine Diplomarbeit die Note A
bekam und nach Japan reiste. Dort fand er „freundliche Menschen,
die sich zauberhaft einrichten“; er bestieg den Fuji, einen
Viertausender, von dem die Japaner sagen, daß er seine Bezwinger
als weise Menschen zurückkehren läßt. „Sie sprechen heute alle
vom Einfluß, den Japan auf mich hatte, angeblich heute noch auf
mich hat“, sagt Knight, “tatsächlich haben wir uns nur einige ihrer
Konzepte geliehen: Japan geht den Weg des Teamgeists. Lies die
Sprache des Sports, da hast du es. Dafür mußt du nicht nach Tokio
gehen. “Zurück in Oregon, beschloß Knight, Turnschuhe der Firma
Asics Tiger aus Köbe zu impotieren. Derweil hatte Bill weiter Schuhe
zusammengenäht und einzelne Modelle testweise in Produktion
gehen zu lassen. Mit jeweils 500 Dollar gründeten Phil und Bill die
Firma Blue Ribbon Sports(BRS). Phil war der zornige Junge, Bill der
zornige Alte, Jahrgang 1912.
Es floß Geld, für den Anfang 200 Dollar, 1969 schon 300 000, aber
Bowermann hatte bald keine Lust mehr. Mit dem Modell “Cortez“
hatte
er
einen
Laufschuh
konstruiert,
mit
dem
der
Langstreckenläufer Kenny Moore einen Weltrekord aufstellen und
der für Tiger der Verkaufsschlager des Jahres 1968 werden sollte.
Farris: “Er saß da und brüllte uns an, daß seine Athleten bessere
Schuhe bräuchten. Er erkundigte sich unterwegs bei seinen Jungs,
nach ihren Ansprüchen, ihren Bedürfnissen, und sie erklären ihm,
daß sie eine Sohle bräuchten, die ihnen auf der Hartgummibahn
einen besseren Antritt geben würde. Bill war ein Verrückter, das aber
mit dem Herzen und dem Verstand eines Ingenieurs.“
Es war 1971, das Jahr, in dem die Design-Studentin Carolyn
Davidson für ein Gehalt von 35 Dollar eines der simpelsten und
meistgenutzten
Logos
der
Industriegeschichte
schuf,
nur
vergleichbar
dem
Mercedes-Stern:der
Nike-“Swoosh“,
ein
geschwungener Haken, der Sporterzeugnisse seither als korrekt,
zumindest aber als Nike-Produkt ausweist. Knight setzte mit BRS
mittlerweile zwei Millionen Dollar um, so viel, daß die Japaner
verlangten, er möge ihnen 51 Prozent seiner Gesellschaft übertragen
oder die Importgesellschaft werde aufgekündigt. Knight lehnte ab,
fand in Taiwan und Südkorea neue Hersteller, und Tiger stoppte
wenig später die Lieferungen.
Im Dezember 71, es war Sonntag, hätte man zu gern Bill Bowermans
Gesicht gesehen: Es muß ein Gesicht der Erleuchtung gewesen sein,
das viele Milliarden Dollar sieht. Seine Frau war in der Küche, als sein
Blick auf ein Waffeleisen fiel, das Waffeleisen seiner Frau - nicht
mehr, nicht weniger. Was Bill sah, war der perfekte Laufschuh von
unten. Man müßte wohl Bill mit Vornamen und Bowerman mit
Nachnamen heißen, um das Folgende zu verstehen - jedenfalls groß
der Alte Hartgummi in das Waffeleisen, war noch nicht zufrieden,
stellte eine Grußform her, die die negative Oberfläche des
Waffeleisens bildete, und goß noch einmal Gummi nach. Das war
die Geburtsminute der Firma Nike: Der erste Läufer, der Bowermans
Waffelsohlen-Schuhe trug, war ein Kerl namens Marc Covert. Beim
Marathon im olympischen Ausscheidungswettkampf der US-Athleten
1972 in Eugene/Oregon belegte er mit zwei Stunden, 13 Minuten
den siebten Platz. Und Bowerman fand zu seinem berüchtigten
Humor zurück: “Ein guter Schuh“, dozierte er,“ist wie eine Vagina.
Von außen macht er nicht viel her, aber wenn du drinsteckst, fühlst
du dich wunderbar.“
Bill war kein Politiker, kein Denker, kein Entrepreneur; er hatte kein
Problem damit, nicht der Boß zu sein; er wollte den Halbtagsjob,
lieber blieb er bei seinen Schuhen. Bill und Phil hatten ein LehrerSchüler-Verhältnis, und das haben sie noch heute, wenn der
85jährige Bill seinen Frieden sucht und auf Waffelsohlen in den
Wäldern von North Dakota zur Jagd geht. Farris: “Er brachte der
Firma bei, daß die simplen Ideen oft die besten sind. “Stop.“ Er
brachte der Firma bei, was ein Wettkampf ist. “Stop.“ Bill lehrte uns,
daß die Liebe zum Sport - nur diese Liebe - uns das Recht, den Mut
und die Kraft geben würden, die besten Schuhe, die beste
Kleidung,die beste Ausrüstung für Athleten herzustellen. “Phil Knight:
„Nike akzeptiert die zur Zeit gültigen Rekorde nicht. Was uns von
den anderen unterscheidet, ist unsere Verbeugung vor den
Athleten, dem wir helfen wollen, schneller, weiter, länger zu laufen,
auch im Regen zu laufen, weiter zu werfen, höher zu springen als je
zuvor.“So spricht nicht etwa ein Trainer, so spricht ein
Sportwarenhersteller: “Wir sind nicht zufrieden damit, wo Athleten
heute sind. Wir wollen ein Teil der Zukunft der Athleten sein. “So
sprach Bill Bowerman. Klar, daß Nike es sich nicht nehmen ließ, ihren
Bill zu einer Legende aufzubauen. Sie nennen ihn den Innovator.
Ein Junge namens Jeff Johnson war Nikes erster Angestellter. Am
Morgen, an dem die ersten Schuhkartons beschriftet werden sollten,
schlug er den Namen Nike vor und setzte sich damit durch. Die
anderen hatten von einer Siegesgöttin noch nie gehört, schon gar
nicht von einer Griechin. Farris: “Phil wollte das Unternehmen
Dimension Six nennen. “Dimension Six?“ Yes. Eins: der Fan, zwei: der
Wettkampf, drei: die Arena, vier: die Athleten, fünf: die Ausrüstung,
sechs: die Medien - kapiert? Das ist die sechste Dimension von Sport.
Knight fuhr auf solchen Blödsinn ab, die Sorte Überlegung.“
In Santa Monica/Kalifornien eröffnete Johnson Nikes ersten Laden,
eigentlich nur einen Bretterverschlag. Er haßte die Vorstellung, ein
Verkäufer zu sein, also wurde er etwas anderes: Er saß in
Trainerstuben und Turnhallen herum und hörte sich die Sorgen der
Läufer an: “Training, Verletzungen, Rennen, Klatsch, welche Schuhe
die Läufer genau brauchten. Im Gegenzug erzählte er ihnen, was
sie haben konnten. “Er war arrogant, aber ehrlich“, erinnert sich
Farris. “Wir zeigten ihm unsere Schuhe, und sein Job war es „Bullshit“
zu sagen, wenn ihm etwas nicht gefiel, und Jeff nahm kein Blatt vor
den Mund.In den USA nennt man das >bullshit caller<. “1982 wurde
Jeff das Unternehmen zu groß, er nahm seine Millionen und
verschwand; heute trainiert er in New Hampshire ein College-Team
und freut sich daran, daß einer Menge Menschen zu Nike heute
immer noch keine Siegesgöttin, sondern ein Sportschuh einfällt: Das
ist Jeffs Verdienst. Er war Nikes erster Public-Relaitions-Mann. Sie
nennen ihn den Communicator.
--------------------------------------------------------Als die ersten
Kartons beschriftet
werden sollten,
schlug der Angestellte
Jeff Johnson den
Namen Nike vor.
1982 wurde ihm das
Unternehmen zu groß,
er nahm seine Millionen
und verschwand.
Nikes erster Athlet von Rang war der 2000- und 10 000-Meter-Läufer
Steve Prefontaine. Bill nannte ihn Pre, seine Fans hießen Pre´s
People. „Ein kleines Kind, vielleicht ein Meter sechzig groß“, erzählte
Nelson
Farris, „aber er brachte unglaubliche körperliche Fähigkeiten mit. Er
war ein Pionier dieser Sportart, ein enormes Idol, der beste
Mittelstreckenläufer, den Amerika je hatte.“ Als Amateur der
University of Oregon durfte Pre von Firmen kein Geld annehmen
(Farris: „Es gab damals dieses lächerliche Gesetz in den USA, das
Sponsoring für Sportler verbot. „), also deckte ihn Knight mit Alibijobs
ein, die er großzügig entlohnte. 1972 in München war Pre nur knapp
an der Bronzemedaille vorbeigelaufen, also träumten Bill und Phil
davon, ihr Kind 1976 in Montreal mit ihren Waffelschuhen an den
Start zu schicken. Aber Pre starb 1975, mit 24 Jahren, bei einem
Autounfall. Natürlich baute die Firma das Kind zu ihrem James Dean
auf; so einer hatte ihnen noch gefehlt. Sie ließen Pre sein
Vermächtnis sprechen: „To give anything less than your best is to
sacrifice the gift.“ (Weniger als alles zu geben, heißt nichts zu
geben.) Womit das Kind uns wissen läßt, daß Sport ein Spiel ist, aber
immer eins mit Folgen.
Es war nicht Pre, der für Nike wichtig war, sondern sein Typus eines
Athleten, der kämpft, rebelliert, um alles in der Welt siegen will. Und
Nike-Schuhe trägt. Pre sollte längst nicht so berühmt und erfolgreich
-werden wie seine großen Nachfolger, der Baseballspieler Bo
Jackson, der Läufer Carl Lewis, der Basketballer Michael Jordan, der
Tennisspieler André Agassi, der Golfer Tiger Woods, der Fußballer
Ronaldo. Aber er machte diesen Weltklassesportlern vor, daß sie mit
Nike Millionen verdienen konnten. Er zeigte Nike, daß
Weltklassesportler Milliarden wert sind. Pre war vor ihnen da. Er ist
Jordans, Tigers, Ronaldos großer Daddy. Sie nennen ihn den
Athleten.
Der „risk taker“, der Innovator, der Communicator, der Athlet: So
schreibt man Firmengeschichte. Ob sie die Wahrheit erzählt oder
doch nur eine Wahrheit - die des unaufhaltsamen Aufstiegs eines
Laufschuhherstellers aus Oregon zum größten Sportwuenhersteller
der Erde? „Die Wahrheit ist“, sagt Nelson Farris, „daß Pre da oben im
Himmel unsere Schuhe trägt. Er trägt Rudys Luftkissenschuhe, da bin
ich sicher, und poppt damit über die Wolken.“
Dieser Frank Rudy war ein langer, schlaksiger Kerl, ein Denker,
Physiker, ehemaliger NASA-Ingenieur, nicht die Spur von einem
Athleten. Mit einer 100-Millionen-Dollar-Idee auf einem Blatt Papier
war er 1977 zu Nike gestoßen, Adidas und New Balance hatten
abgelehnt. „Das Problem, der Siebziger“, so Farris, „war ein Stoff
namens EVA. Er steckte in den Sohlen aller Sportschuhe und wurde
hart mit der Zeit, nach jedem Rennen konntest du deine Schuhe
wegschmeißen.“ Nikes Feind war EVA. Rudys Feind war EVA. Die
beiden kamen zusammen.
In die Sohle steckte Rudy zwei mit Gas gefüllte Kissen, die sich bei
jedem Sprung, jedem Auftritt, jeder Belastung zusammenzogen und
wieder aufpumpten: Das tun Nikelaufschuhe noch heute. Farris:
„Wir flunkerten ein bißchen. Die neue Sohle nannten wir >Nike Air<,
obwohl eine Gasmischung in den Kissen steckte. „ Mit Rudys Patent
entwickelte Nike 1979 das Modell „Tailwind“, 1985 den ersten AirJordan-Schuh, 1987 das Modell „Pegasus“, einen Nike-Klassiker, der
sich fünfmillionenmal verkaufte. Nikes Bestsellerserien „Air-Max“
(1987) und „Zoom-Air“ (1995) gehen auf Rudys Patent zurück, aber
aus irgendeinem Grund mochte die Firma den Wissenschaftler
nicht: „Er sprach Kauderwelsch. Wir zwei unterhalten uns gerade,
nicht wahr? Mit Rudy war das nicht möglich. Wir sperrten ihn in
einen Schrank, ließen ihn raus, damit er uns seine Tricks verriet, dann
kam er wieder in den Schrank. „
Seinen Kumpel Bowerman läßt Knight noch heute einfliegen, wenn
wichtige Entscheidungen anstehen, und Bill, so erzählt man sich,
haut mit der Waffelsohle auf die Tischkante, wenn einer der Herren
zu leise spricht. 1974 wurde Bowermans Waffle Trainer als erstes NikeProdukt der meistverkaufte Laufschuh in den USA; 1975/76 setzte das
Unternehmen 14 Millionen Dollar um. Von den neun Athleten, die
Nike zu den Olympischen Spielen nach Montreal schickte, gewann
keiner eine Medaille, was absolut okay war. Farris: „Wir waren nur
dort, um uns Adidas anzuschauen, die waren so stark,
allgegenwärtig, die absoluten Kings.“
Sport ist Spannung - also beschloß Nike, Sport zu sein. Die Stimmung
stimmte. Wer wen stark gemacht hat, reich und berühmt - die Firma
das Image oder andersherum -, läßt sich im nachhinein kaum
ausmachen. Nikes erste Zeitschriftenanzeige von 1980, ein
Schwarzweißbild, zeigte drei lachende Freaks mit Bärten,
Schlaghosen, Reisetaschen und Sonnenbrillen auf Flughafenbänken
abhängen. Es spricht eine lässige Verspieltheit aus diesem Photo, die
Zuversicht, zur richtigen, der Gewinnerseite zu gehören und sich das
selbst erkämpft, erarbeitet, erspielt zu haben. Von alldem ist in NikeSpots heute noch etwas zu sehen.
Aber Knight mochte diese Anzeige nicht; es waren keine Sportler
sondern Nike-Angestellte darauf zu sehen. Er stichelte, er wollte
kämpfen, er machte Dampf. Sein Selbstverständnis war das eines
Guerillakämpfers, der schon deshalb im Recht ist, weil er und seine
Getreuen in der Minderheit sind. Er würde siegen, er war der
technisch, denkerisch und moralisch Überlegene. Er sprach von
Kampf, von Schuhen wie von Waffen, von einem „Krieg ohne
Kugeln“. „Das Junior-College-Team jagt das College-Team“, sagte
Knight, „wir werden Adidas zermalmen.“
Als Tennisprofi John McEnroe 1978 Wimbledon gewann - er war der
erste Star, der mit Nike einen Sponsorenvertrag unterschrieb; er
schrie, heulte und fluchte auf dem Tennisplatz und wird schon
deshalb immer Nikes Lieblingssportler bleiben -, kamen Phil Knight
die Tränen: „Ich war nicht live dabei, aber vor dem Fernseher bin
ich fast verrückt geworden: Unser Mann war Wimbledon-Champ!
„Seinen Antrieb zog Knight aus seinem Verfolgungswahn, noch
heute verkündet er:“ Nur die Paranoiden überleben. „Er versuchte,
sich unverletzlich zu machen, indem er sich die Grenzen seiner
Macht aufzeigte:“ Unser Geschäft lebt von den Emotionen, den
Leidenschaften, die der Sport entfacht. Wenn er an Glanz verlieren
sollte, sind wir die ersten, die daran Schaden nehmen.“
Im Dezember 1980 geht Nike an die Börse, die Aktien sind rasch
überzeichnet; mit 22 Dollar ausgegeben, stehen sie 1982 bei 45
Dollar. Der Joggingboom ist weltweit auf dem Höhepunkt, allein in
den USA gibt es 35 Millionen jogger. Noch dehnt sich der
Sportartikelmarkt: 80 Prozent gehören Adidas, den Rest teilen sich
Puma, Rornika, Dunlop, Pony, Tiger, Brütting, Diadora und Nike. Im
Sommer 1982 ist die Firma mit 3600 Beschäftigten, einem Umsatz von
694 Millionen Dollar und einem Marktanteil von 45 Prozent führender
Hersteller von Sportschuhen in den USA und exportiert in vierzig
Länder. In Penang/Rotchina eröffnet eine Fabrik, der „Markt der
zwei Milliarden Füße“ soll erschlossen werden. Business Week titelt:
„Krieg der Schuh-Giganten: Es ist kein Frage, wer das Rennen
machen wird.“ Die FAZ: „Der Nike-Schuh wird in Amerika, wie
anderwärts auch der Adidas-Schuh, nicht nur beim Sport, sondern
mit Prestige-Appeal auch in der Freizeit und auf der Straße
getragen.“ Das war keine schlechte Beobachtung in jenem
Dezember 1982, vielmehr eine zutreffende
Analyse des
Sportschuhmarktes, die bis heute gilt: Für Nike kam sie rechtzeitig, für
die Konkurrenz aus Herzogenaurach zu spät. Farris: „Um 1988 zogen
wir weltweit mit Adidas gleich, um 1990 hatten wir den Kopf vorn.
Seither haben wir uns nicht mehr umgedreht.“
Schlüsselmornente, die Nikes Aufstieg im Markt der Sportschuhe
bestimmt haben: ein Kredit, den Nissho Iwai, ein japanischer
Konzern, der jungen Firma 1972 gewährte - „nicht viel“, erinnert sich
Farris, „vielleicht eine halbe Million Dollar, aber ohne diesen
Vorschuß wären wir damals draußen gewesen.“ Zweitens:
technische
Innovationen
Bowermans
Waffel-,
Rudys
Luftkissensohle. Drittens- Nikes Gang an die Börse-. „Der gab uns das
Bargeld, um unsere Produktion zu vergrößern, überhaupt unsere
Infrastruktur.“ Viertens: die Erprobung eines ebenso simplen wie völlig
neuen Vertriebssysterns, das Phil Knight Futures nannte und seit 1973
betreibt: „Wir zeigen dem Kunden den Prototypen eines Produkts,
bevor wir damit in Produktion gehen. Er bekommt bessere Preise und
Quafität, pünktliche Auslieferung, wir produzieren keinen Überschuß
und können besser planen. Unsere besten Kunden rund um die Welt
sind heute Futures-Kunden.“ Die Firma produziert nach dem Prinzip
der Diversifikation: Viele unterschiedliche Modelle in unterschiedlich
hohen Auflagen garantieren den Run auf die seltenen Modelle. Als
fünften Punkt nennt Farris die Erfolge einiger weltberühmter Athleten,
wie Joan Benoits Weltrekord beim Frauenmarathon von 1983 oder
Carl Lewis' vier Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Los
Angeles: Ein Stadion erfuhr damals, wie Nikes Firmenlogo aussieht,
der Rest der Welt saß vor den Fernsehern.- Es war ein'goldetier
Swoosh auf blauem Trikotstoff; es war das Lachen eines Schwarzen,
der, auf der höchsten Stufe des Siegertreppchens stehend, die Faust
zum Himmel ballte.
Und: Michael Jordan. Überhaupt Jordan, der beste Athlet der Welt,
erfolgreichster Basketballer aller Zeiten, der seinen Club, die
Chicago Bulls, dreimal in Folge, 1991, 92, 93 und 96, 97 Sieg in den
US-Finals der National Basketball Association (NBA) führte. Nike nahm
ihn 1984 unter Vertrag: „Jordan wollte unbedingt zu Adidas“,
erinnert sich Keith Peters, „er wäre heute deren Mann, wenn die
Deutschen reagiert hätten.“ Jordan wurde der Nike-Athlet, mehr
noch: „Michael ist unser Geschäftspartner“, erklärt Fartis, „ein
Freund, ein Vorderiker, unser Philosoph. Er unterschrieb bei Nike und
wurde Teil des Nike-Teams.“ Diese Partnerschaft läßt sich Nike jährlich
rund 30 Millionen Dollar kosten. 1985 ging bei Nike der „Air Jordan“
in Produktion, ein Basketballschuh, der alle vier Jahre neu designt
und in einer eigenen Werbekampagne verinarktet wird; gut
22millionerimal wurde „Air Jordan“ bis heute verkauft.
Der Mann ist unbezahlbar«, sagt Phil Knight. „Als sich das Publikum in
den achtziger Jahren an die Werbespots mit ihm gewöhnte, ließen
wir
ihn in einem Trick-Video gegen Bugs Bunny spielen. Alle fanden das
witzig und kauften weiter.“
1995 gründete Jordan seine eigene
Firma, die Nike unterstellt ist, und verkauft seither unter eigenem
Logo. Jordan wurde Nikes Messias, die Nike-Jordan-Partnerschaft di
erfolgreichste Marketingveranstaltung in der Geschichte des Sports.
„Mike ist Nike“, behauptet Keith Peters.
„Es vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht mit uns redet. Es war
Mike, der uns Scottie Pippen vorstellte, so wie fast alle Stars der NBA.
Mike spielt für uns, er kämpft für uns, er gewinnt und verliert für uns.
Er hat Ni Prinzipien, die Prinzipien des Wettkampfs verinnerlicht.“
Einmal soll Jordan „wie wahnsinnig vor Wut“ aus Knights Büro
gestürmt sein, fauchend, der Boß sei ein Rassist: „Ich habe ihn fast
geschlagen.“ Da hatte ein Boß dem anderen einen Deal
ausgeschlagen.
Auf
Jordans
wesentlichen
Charakterzug
angesprochen, antwortet John Hoke: „Ehrlichkeit. Er sagt uns, wenn
er mit unseren Produkten nicht zufrieden ist.“
Die Idee, Spitzensportler als Werbeträger zu engagieren, ist eine
Nike-Idee, sie vollzieht sich in vier Schritten: Der Star unterschreibt; er
wird in eine Persönlichkeit verwandelt; ein Produkt wird nach ihm
benannt; der Star übernimmt Firmenverantwortung. Nelson Farris„Was die Leute unterschätzen: Wir waren der erste große
Sportartikelhersteller, der einen Schwarzen für sich sprechen ließ.“
Phil Knight: „Spitzenathleten sind nie langweilig.“ Keith Peters: „Wir
brauchen uns nicht zu entschuldigen, mit Jordan oder Bo Jackson
identifiziert zu werden. Die haben hart gearbeitet. Und sind dazu
noch gute Staatsbürger.“
Martin Blackman, Anwalt in New York, der Werbeverträge für
Sportler aushandelt, erklärt: „Es ist ein Machtkampf um die Kontrolle
eines sehr kleinen Marktes, um die drei bis fünf Starspieler, die jedes
Jahr an den Hochschulen in die NBA übertreten, und um die
Spitzenspieler im Tennis. Nike will Kontrolle über diese Athleten, nicht
nur, weil es die Firma direkt begünstigt, sondern weil sich die
Konkurrenz dieser Athleten dann nicht bedienen kann.“ Wie stark
Nikes Einfluß auf die NBA bereits ist, zeigte sich im Herbst 1992, als der
Basketballer Alonzo Mourning,
um höhere Gagen zu erzwingen, keine Spiele mehr bestritt. Daß
Stars mehr Geld wollen, ist nicht neu. Neu war, daß Mourning auch
während seines Streiks Werbegelder von Nike kassierte und die Firma
ihm mit ihren Anwälten zur, Seite stand.
Zur Werbung hatte die Firma nie ein konventionelles Verhältnis - so
konnten einige der teuersten und hippsten Werbefilme überhaupt
entstehen. „Werbung war uncool, lasch, athletisch nicht korrekt“,
erinnert Farris an die Stimmung der späten siebziger Jahre, „wir
gingen mit einer Mischung aus HippieNonchalance und der
Arroganz an die Sache ran, daß sich hochwertige Sportschuhe von
allein verkaufen müßten.“ Als Knight 1980 Dan Wieden von der
kleinen Agentur Wieden & Kennedy aus Portland/Oregon traf, die
„Just do it!“ und „Bo knows“, Rock-'n'Roll-Tennis und Fric Cantona im
Kampf gegen Außerirdische erfinden sollte, begrüßte er ihn mit den
Worten: „Hi, ich bin Phil Knight, und ich glaube nicht an Werbung.“
Wieden & Kennedy wurde eine Agentur, die heute mit Kunden wie
Coca-Cola und Microsoft angibt, und die Kunden können genauso
mit ihrer Agentur angeben. Gut 150 Millionen Dollar ließ sich Knight
sein „Just do it!“ kosten, die Kampagne gilt als wirkungsvollste in der
Werbegeschichte. Rund ein Zehntel der Gewinne pumpt Nike jedes
Jahr in die Werbung. Das Motiv einer Anzeige: Auf dem gekachelten
Fußboden liegt ein benutzter Trainingsanzug, so, als habe ein
erschöpfter Sportler ihn dort auf dem Weg zur Dusche
liegengelassen. Und er ist wirklich schmutzig, man sieht ihm die
Stunden des Trainings an. Der Spruch der Werbetexter: „Wir haben
nicht vergessen, warum sie Sweater heißen.“ Heimar Schröter, Chef
der Frankfurter Agentur Lowe & Partners, textete in der
Fachzeitschrift werben & verkaufen ein Liebesgedicht auf Nike:
„Niemand
hat
den
Zeitgeist
so
geprägt
wie
dieser
Sportschuhhersteller. Seine Spots sind, filmische Kunstwerke und
lassen den Wust der MTV-infizierten Clips Lichtjahre hinter sich.
Dagegen ist alles andere nur ein Turnschuh.“
1991 forderte der „Dream Team“-Spieler Charles Barkley in einem
Nike-Werbespot: „Lerne Fremdsprachen, gehe in die Bibliothek,
wechsle deinen Job, laß dich nicht unterkriegen, bleib sauber - just
do it!“ Das war ein Trick, mit dem die Firma verrückte Vorwürfe aus
der Presse parierte, Nike sei mitverantwortlich für das Elend in den
Schwarzengettos amerikanischer Großstädte; dort, so hört man,
bringen sich jugendliche für ein Paar Nike-Turnschuhe gegenseitig
um.
Bei den Olympischen Spielen in Atlanta gewinnen die Nike-Athleten
Carl Lewis, Gail Devers und Michael Johnson, der schnellste Mann
der Erde, Gold. In den neunziger Jahren kauft Nike die Tennisspieler
André Agassi (Knight- „Rebellen passen zu uns.“), Pete Sampras
(Jahresgehalt: 6 Millionen Dollar), Jim Courier (27 Millionen Dollar in
fünf Jahren), Monica Seles und Mary Joe Fernandez, den Formel-lPiloten Michael Schumacher (Reporter-Frage: „Ist der nicht
langweilig?“ Knight: „Ziemlich schwierig, langweilig zu sein bei
Tempo 300!“), die deutschen Kicker Andreas Möller, Mehmet Scholl,
Lars Ricken und Oliver Bierhoff, die Vereine Borussia Dortmund,
Arsenal London und Paris St. Germain, den Golfer Tiger Woods (er
gewinnt 1997 als jüngster Spieler aller Zeiten die US-Masters), die
brasilianische Fußballnationalmannschaft (angeblich für 400
Millionen Dollar) und deren Stars Emilio und Ronaldo ein. Sie alle
wurden
Nike-Athleten.
Warum
nicht
die
deutsche
Fußballnationalmannschaft? „Wir wissen nicht, ob Brasilien die WM
in Frankreich gewinnt“, erklärt John Hoke, „aber wir wissen jetzt
schon, wie Brasilien spielt.“ Im jetzt schon legendären
„Flughafenspot“ vom Frühjahr diesen Jahres kicken Ronaldo und
seine Jungs zu Bossa-Nova-Musik: „We can.“
Ein Heer von Popstars, Art Directors und Clubgängern ist heute
weltweit in Nike-Sneakers unterwegs: Die rauchen alle lieber oder
trinken Corona-Bier, statt Sport zu treiben - ein Problem für Nike?
Erste Gesprächspause mit den Herren Nike-Strategen. Der Hipster
hat nur so lange recht, wie er in Bewegung bleibt und schweigt.
John Hoke, der clevere Hund: „Niemand kann Popkultur
vorhersagen. Wenn du versuchst, hip zu sein und bist es nicht, wird
es schrecklich.“
Noch ein paar Geschichten: 1987 erfand Nike die scheinbar
komplett neue Sportart „Cross-Training“, die doch nur der
Entwicklung einer neuen Schuhmodell-Linie entsprach, mit der sich
mehrere Sportarten in einem Schuh ausüben lassen. „Die FitneßRevolution machte Sport demokratischer, Jogger gehen ins
Kraftstudio, Fußballer spielen Tennis, Basketballer Golf,“ erklärt Peters,
„wir gaben der Revolution ihren Schuh“. „Visible Air Max“ war der
Clou, Rudys Luftkissensohle von außen sichtbar zu machen: „Neue
Technik läßt sich dem Konsumenten nur dann verkaufen, wenn das
Design die Innovation transportiert“, erklärt Gordon Thompson 111.
1997 kommt die Kollektion EI.T mit den mehrschichtigen StoffFabrikaten Dry-ELT., Therma-ELT., Clirna-ELT und Storm-ELT. auf den
Markt, mit der Nike-Athleten im „Kampf gegen Hitze, Kälte, Wind,
Schnee und den eigenen Schweiß“ bestehen. Farris: „Es wird oft
vergessen, daß wir der zweitgrößte Textilkonzern der Erde
sind, hinter Levis.“
Zur Zeit arbeitet Nike am Geheimprojekt Alpha, das Best-of-Produkte
von Nike zu Best-of-Preisen präsentieren soll. Für das Jahr 2000 plant
die Firma die Eröffnung des ersten Nike-Kaufhauses auf dem
europäischen Kontinent: „Niketown“ Berlin.
Es gibt keine Wunder in der Wirtschaft; bloß die Freiheit für einen
Konzern, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu
fällen. „Genug Freiheit für uns“, spottet Phil Knight, „zuwenig für die
Konkurrenz.“ Was seine Freiheitserklärung angeht, so hatte sie Knight
schon in seiner Diplomarbeit dargelegt: Rentable Produktion sei nur
in Asien möglich. Und mit jenem Tag, an dem der Vertrieb BRS sich in eine Produktionsfirma verwandelte, hatte Knight seine These in die
Tat - umgesetzt: erfolgreich, sehr erfolgreich. „Wir haben die
besseren Kontakte“, so erklärt Knight das nicht weiter geheimnisvolle
Konzept seines wirtschaftlichen Erfolgs, „seit vielen Jahren
überwachen unsere Leute in Asien die Produktion.“ In Taiwan und
Südkorea produzierte Nike schon 1972 zu Stundenlöhnen, die
höchstens einem Zehntel der US-Löhne entsprachen; 99 Prozent ihrer
Produkte stellt die Firma in der Dritten Welt her. Als um 1989 die
Löhne und der gewerkschaftliche Organisationsgrad stiegen,
vergab Nike fast die Hälfte der Produktion nach Indonesien, China
und Thailand. Und hinterließ Arbeitslosigkeit.
„Toleranz und Völkerverständigung werden nur bemüht,wenn es
dem Umsatz dient,“so tadelte der Spiegel die Firma, „viele Nike
Schuhe werden in China gefertigt, -wo Menschenrechte beharrlich
verletzt werden“. Und Knight fuhr den Gegenangriff- „Sie können
keine Schuhe mehr in den USA oder Deutschland herstellen, es ist zu
teuer. Also gehen Sie da hin, wo es billiger ist, in die Dritte Welt.
Das hat nichts mit Ausbeutung zu tun, sondern es gibt den Leuten
Arbeit, Geld, einen besseren Lebensstandard. Wenn Sie in ein
Land gehen, wo die Leute einen Dollar am Tag verdienen, was
furchtbar wenig. ist, und Sie zahlen ihnen zwei Dollar, dann ist das
wohl keine schlechte Sache.“
Schaurige Geschichten kursieren: etwa von Arbeiterinnen, die in der
Mittagshitze um eine Fabrik joggen mußten. Knight: „Das meiste, das
über uns geschrieben wird, ist schlichtweg Bullshit. „ Es bleibt ein
Image-Fehler, Kritiker sprechen vom „Management by terror“. Im
internet finden sich die Websites „Boycott Nike“, „Anti-Nike“ und
„Just do it! Boycott Nike“. Die Firma stellte einen 75seitigen
selbstkritischen Bericht dagegen. „We can and will do better.“ Ist
doch ein interessantes Problem: Da wird eine Firma so groß, daß sie
es fertigbringt, ihrer Kundschaft - ach was, dem ganzen Planeten! mit ihrer Macht, Mode und Hipness auf die Nerven zu gehen. Wo
gibt's,denn so was noch? In der Autoindustrie? In der Popmusik
vielleicht. „Im schlimmsten Fall werden wir Microsoft“, meint Keith
Peters, „im besten Fall Coca-Cola. Die sind überall, ohne daß die
Leute sich deshalb belästigt fühlen. „Drei Paar Sportschuhe besitzt
jeder USBürger im Durchschnitt, und der Kampf geht weiter. Noch ist
nicht klar, ob das vierte Paar von Nike kommen wird.
Hat Nike in'der 25jährigen Firmengeschichte nicht einen Fehler
gemacht? „Lieber Himmel“, freut sich Nelson Farris, „wir machen
jeden Tag Fehler. Und sind stolz darauf.“ Einmal brachte Nike eine
Serie von verschiedenen Nylon-Laufschuhen raus: Es gab den
Marathon-, den 100-Kilo-, den 5O-Kilo-Läufer-Schuh. Eigentlich eine
gute Idee. „Eine wundervolle Idee,“ erzählt Farris, „das Problem war
nur, daß alle Schuhe gleich aussahen“.
1985 verschlief die Firma den Aerobic-Boom, so konnte Reebok, der
Erzkonkurrent in den USA, an die Spitze ziehen und sich dort ein
halbes Jahr halten: „Es war grauenhaft. Anstatt auf unsere Frauen
zu hören, lachten wir uns über die Dummerchen in Strumpfhosen
kaputt, die niedliche Musik hörten und vor Spiegeln herumhüpften.
Wir sagten: Nein, das ist kein Sport.“ Anfang der Achtziger hatte Nike
sich in den Modemarkt vorgewagt, ohne etwas von Textilien zu
verstehen. Bloß an ein Parfüm hat die Firma nie gedacht: „Wir
duften nicht,“ ärgert sich Farris, „wenn Nike riecht,dann nach
Schweiß.“
Als offizieller Sponsor der WM in Frankreich regiert Adidas gut 60
Prozent des Fußballmarktes, Nike nur fünf Prozent. „Wir
können nicht führender Hersteller in Europa werden, ohne eine
Fußballrevolution zu entfachen“, weiß Phil Knight. Das veraltete Fußballsystem der Firma setzt jährlich 200 Millionen Dollar um, ein Witz der Nelson Farris gute Laune macht: „Wir sind der Underdog, es gibt
uns gar nicht! Es ist ein bißchen so, als würden wir unserer
Vergangenheit einen Besuch abstatten!“
Und nun stagnieren die Umsätze. Gewinne schwinden, Aktienkurse
fallen - so nimmt das Firmenleben seinen Lauf. 46 ihrer 230
deutschen Angestellten hat die Firma entlassen; und irgendwo in
Thailand steht eine Lagerhalle, in der sich Nike-Schuhe stapeln, die
niemand
kauft.
Focus
meldet:
„Mit
Preiskämpfen
und
Fabrikverkäufen will der Weltführer den Absturz stoppen.“ Im John
McEnroe Buildung legt einer seine Nike-Sportschuhe auf den
Schreibtisch und spricht: „Wissen Sie, was ich wirklich fürchte? Daß in
vielen, vielen Jahren meine Urenkel hören, ich sei der Gründer von
Nike gewesen, und fragen: Was ist das Nike?“