Gesamtschuldnerische Haftung - Brandenburgische Ingenieurkammer

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Gesamtschuldnerische Haftung - Brandenburgische Ingenieurkammer
Gesamtschuldnerische Haftung
Vortrag an der Brandenburgischen Ingenieurkammer
Dr. Ulrich Böttger,
BÖRGERS Rechtsanwälte
11. September 2012
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I. Gesamtschuld
Gesetzliche Lage
Definition in § 421 BGB:
„Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu
fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem
Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche
Schuldner verpflichtet.“
Anders ausgedrückt: Die Gesamtschuld kennzeichnet, dass ein Gläubiger eine
Leistung nur einmal verlangen kann, zu der vollen Leistung jedoch mehrere natürliche oder juristische Personen als Schuldner verpflichtet sind.
Abgrenzung:
Teilschuld: Hier haftet jeder Schuldner – und zwar auch im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger – nur für seinen Anteil, nur zu einem Bruchteil. Beispiel:
§ 10 Abs. 8 WEG: Jeder Wohnungseigentümer haftet einem Gläubiger nach dem
Verhältnis seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Gemeinschaftliche Schuld: Schuldner sind in ihrer Verbundenheit zu einer Gesamtleistung verpflichtet. Die Leistungspflicht des einzelnen Schuldners beschränkt sich aber nicht wie bei der Teilschuld auf eine selbständige Teilleistung;
sie erstreckt sich aber auch nicht wie bei der Gesamtschuld auf die gesamte Leistung; vielmehr geht die Pflicht dahin, im Zusammenwirken mit den anderen
Schuldnern den Leistungserfolg herbeizuführen. Beispiel: Orchestermusiker.
Zielsetzung der Gesamtschuld:
Der Zweck der Gesamtschuld ist es, in solchen Fällen, in denen mehrere Schuldner an der Entstehung eines Schuldverhältnisse beteiligt sind, dem Gläubiger die
Möglichkeit der Durchsetzung seiner Forderung, etwa den Ersatz der ihm entstandenen Schäden, zu erleichtern und ihn so besser abzusichern. Der Gläubiger
muss nicht jeden einzelnen Schuldner auf den Teil der Schuld in Anspruch nehmen, den dieser im Innenverhältnis zu den anderen Schuldnern zu leisten verpflichtet ist. Vielmehr kann der Gläubiger jeden einzelnen der Gesamtschuldner
auf die gesamte Leistung in Anspruch nehmen.
Beispiel: Der Vermieter BER GmbH vermietet an die auf baubetriebliche
Beratung und die Erstellung von Bauzeitgutachten spezialisierte Ingenieurgesellschaft „Schwarz Wowereit Platzeck GbR“ Büroräume. Die GbR bleibt
Miete in Höhe von 30.000,00 Euro schuldig. Im Gesellschaftsvertrag der
GbR ist der Anteil der Gesellschafter an Gewinn und Verlust wie folgt vereinbart:
Schwarz
Wowereit
Platzeck
10 %
40 %
50 %
Der Vermieter ist hier nicht darauf beschränkt, Schwarz auf 10 Prozent der Schulden, also 3.000,00 Euro zu verklagen, Wowereit auf 40 Prozent, also
12.000,00 Euro und Platzeck auf die restlichen 15.000,00 Euro. Er kann vielmehr –
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wenn er das für angebracht und aussichtsreich hält – Schwarz auf 100 Prozent,
also 30.000,00 Euro verklagen. Schwarz wird dann auch entsprechend, weil er
Gesamtschuldner ist, zur Zahlung der vollen Summe verurteilt, obwohl er im Innenverhältnis zu Platzeck und Wowereit nur für 10 Prozent der Verbindlichkeiten
haften soll. Die Verteilung der Haftungsquoten im Gesellschaftsvertrag wirkt nur
im Innenverhältnis, nicht im Außenverhältnis!
Konsequenzen der Gesamtschuld:
§ 422 BGB:
„Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen
Schuldner.“
Zahlt einer der Gesamtschuldner an den Gläubiger, so tritt Tilgungswirkung auch
zugunsten der übrigen Gesamtschuldner ein. Zahlt Schwarz in unserem Fall
6.000,00 Euro auf die Mietschulden – also einen Betrag, der mehr als dem Doppelten des im Innenverhältnis auf ihn entfallenden Anteil der Verpflichtung entspricht –, dann tritt diese Tilgungswirkung auch zugunsten von Wowereit und
Platzeck ein, die dann jeweils auch als Gesamtschuldner nur noch auf
24.000,00 Euro haften. Der Gläubiger kann aber trotzdem immer noch von
Schwarz auch die Zahlung der restlichen 24.000,00 Euro verlangen und braucht
auch dann gegen Wowereit und Platzeck nicht vorzugehen.
Jeder Gesamtschuldner haftet also im Außenverhältnis auf die volle Summe, soweit sie nicht schon getilgt ist.
§ 426 BGB Ausgleichungspflicht und Forderungs'
Innenverhältnis
§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB:
„Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen
verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.“
Während also im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger jeder Gesamtschuldner auf die gesamte Forderung haftet (der Gläubiger aber insgesamt die
Gesamtforderung nur einmal verlangen kann), sind nach der gesetzlichen Ausgangsregelung im Innenverhältnis die Gesamtschuldner zu gleichen Anteilen verpflichtet. Bei einer GbR, bestehend aus drei Gesellschaftern, bietet also das Gesetz die gleichmäßige Innenhaftung als Auffangregelung, falls die Gesamtschuldner nicht etwas anderes vereinbart haben. Träfe der GbR-Gesellschaftsvertrag
keine Regelung, so haftete also intern jeder auf ein Drittel.
Ist aber etwas anderes bestimmt (vereinbart), so geht diese Vereinbarung im Innenverhältnis der gesetzlichen Auffangregelung vor. Hier bestimmt der Gesellschaftsvertrag die Haftung für Verbindlichkeiten im Innenverhältnis entsprechend
der Höhe der Gewinn- und Verlustbeteiligung für Schwarz mit 10 Prozent, Wowereit 40 Prozent und Platzeck mit 50 Prozent.
Mit § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gibt das Gesetz nur eine Auffangregel, nämlich die
Verpflichtung zur Haftung zu gleichen Anteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Etwas anderes kann vorrangig durch Parteivereinbarung oder durch
Gesetz (etwa § 840 Abs. 2 und 3 BGB für deliktsrechtliche Fälle) oder durch allgemeine Rechtsgrundsätze bestimmt sein, zum Beispiel § 254 BGB, die
Mitverschuldensregelung.
Maßgeblich sind die Gründe, aus denen mehrere Schuldner einem Gläubiger als
Gesamtschuldner verpflichtet sind. Dafür gibt es im Prinzip drei Fallgruppen, aus
denen drei verschiedene Grundsätze des Innenausgleichs folgen:
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Bei gemeinschaftlichen vertraglichen Verpflichtungen (§ 427 BGB) bestimmt sich der Haftungsanteil grundsätzlich vorrangig aus der Vereinbarung der Parteien. Hierzu zählt unser Mietvertragsfall. Die GbR als Mieter
hat sich durch einen Vertrag verpflichtet. Im Außenverhältnis gilt die Haftung als Gesamtschuldner, der Ausgleich erfolgt nach dem Haftungsanteil
im Innenverhältnis, hier also 10 : 40 : 50 Prozent.
Bei Schadensersatzgesamtschuldnern sind die Tatbeiträge der (als Mitoder Nebentäter) verantwortlichen Schadensverursacher maßgeblich. Unter Würdigung der Verursachungs- und Verschuldensanteile sind diese
gemäß § 254 BGB zu gewichten. Diese Fallgruppe interessiert uns hier
und wird unten behandelt werden.
Bei Sicherungsgesamtschulden bestimmt der Sicherungszweck den Haftungsanteil.
Gesetzlicher Forderungsübergang:
§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB:
„Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des
Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über.“
Schwarz, der in unserem Fall als Gesamtschuldner mehr geleistet hat, als er im
Innenverhältnis zu den anderen zu leisten verpflichtet ist, kann das zuviel Geleistete von Wowereit und Platzeck im Regresswege zurückverlangen. Gesetzlich ist
das in der Weise ausgestaltet, dass die Forderung des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner nicht erlischt, sondern mitsamt den dafür bestellten Sicherheiten auf den regressberechtigten Gesamtschuldner, der bereits geleistet
hat, übergeht.
Anwendungsfälle und Voraussetzungen der Gesamtschuld
Obwohl es nur einige Vorschriften im BGB gibt, die für bestimmte Fälle ausdrücklich eine Gesamtschuld vorsehen, zum Beispiel § 427 BGB (gemeinschaftlich
vertragliche Verpflichtung), § 769 BGB (Mitbürgschaft), § 840 BGB (gesamtschuldnerische Haftung im deliktischen Schadensersatzrecht), ist die Gesamtschuld doch die häufigste Form der Schuldnermehrheit bei Geldleistungen und
anderen teilbaren Leistungen.
II. Gesamtschuldverhältnisse im Bau' und
Planungsrecht
Die Verwirklichung eines Bauvorhabens erfordert das Zusammenwirken vieler
Beteiligter: Bauherr, Planer, Sonderfachleute, Gutachter, Bauunternehmer, Fachunternehmen, Bauleiter müssen zusammenwirken. Fehler eines Baubeteiligten
wirken sich häufig auf andere Beteiligte und deren Leistungen aus. Gutachterfehler führen zu Fehlern in den Plänen. Fehler in den Plänen führen zu Baufehlern.
Der Bauüberwacher überprüft die ihm übergebenen Pläne unzureichend und lässt
nach Plan bauen – das führt zu Baumängeln. Oder der Bauüberwacher bemerkt
nicht, dass das ausführende Unternehmen die ordnungsgemäß erstellten Pläne
nicht vollständig und richtig umsetzt. Auch daraus entstehen Baumängel. Baufehler von vorleistenden Unternehmern führen zu Mängeln des nachfolgenden Unternehmers.
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Jeden Baubeteiligten trifft eine eigene Verantwortung für Fehler seiner Leistungen.
Da das Werkvertragsrecht eine Erfolgshaftung vorsieht, tritt diese Haftung in der
Regel unabhängig von einem Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ein.
In der Folge haben häufig eine Vielzahl von Baubeteiligten dem Bauherrn dafür
einzustehen, dass Mängel des Bauwerkes beseitigt werden und Schadensersatz
für die Folgen von Mängeln geleistet werden muss.
Liegen die Voraussetzungen für eine Gesamtschuld vor, dann haftet jeder Baubeteiligte als Gesamtschuldner, also sogar für den vollen Schaden, auch wenn er nur
einen möglicherweise verhältnismäßig geringen Leistungsumfang vertraglich
übernommen hatte.
Wann liegt nun im Bau- und Planungsrecht eine Gesamtschuld vor?
Im Gesetz ist das nicht geregelt.
Ein Gesamtschuldverhältnis wird angenommen, wenn die Verpflichtungen der
jeweiligen Schuldner nach der maßgeblichen Interessenlage des Gläubigers
grundsätzlich inhaltsgleich sind. Das ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die
geschuldete Leistung demselben Zweck dient, wenn also jeder der Schuldner auf
seine Art für die Beseitigung desselben Schadens einzustehen hat, den der Besteller dadurch erleidet, dass jeder von ihnen seine vertraglich geschuldeten
Pflichten mangelhaft erfüllt hat.
Die Rechtsprechung hat die Voraussetzungen für eine Gesamtschuld also zweckorientiert gefasst. Wenn und weil die Baubeteiligten als Zweckgemeinschaft zusammenwirken, dann haften sie als Gesamtschuldner (BGH, Urteil vom
19.12.1968, VII ZR 23/66).
Wenn mehrere Baubeteiligte als Gesamtschuldner haften, kann der Auftraggeber
sich denjenigen aussuchen, den er in Anspruch nimmt. Er wird denjenigen wählen, der am ehesten in der Lage ist, seinen Anspruch zu erfüllen. Will er, dass ein
Baumangel beseitigt wird, nimmt er den Bauunternehmer in Anspruch. Denn nur
der schuldet ihm Mangelbeseitigung. Der Architekt, der Ingenieur oder der Sonderfachmann ist dagegen wegen der Mängel am Bauwerk grundsätzlich nur zum
Schadensersatz in Form von Geldleistungen verpflichtet. Will der Bauherr Schadensersatz, wird er sich regelmäßig, wenn er nicht alle als Gesamtschuldner in
Anspruch nimmt, an diese Planer halten, weil diese jedenfalls in der Höhe der
Mindesthaftpflicht versichert sind und Versicherungsschutz genießen sollten.
Fallkonstellationen der Gesamtschuld im Baurecht
1. Bauunternehmer und Bauunternehmer
Zwischen mehreren Unternehmern besteht ein Gesamtschuldverhältnis, soweit
sie wegen desselben Mangels haften. Typischer Fall: Der Unternehmer baut auf
der mangelhaften Vorunternehmerleistung auf, ohne auf die Bedenken hinzuweisen, die ihm hätten kommen müssen oder die ihm vielleicht sogar gekommen
sind.
Beispiel: Der Estrichleger hat mangelhaften Estrich verlegt. Der Fliesenleger hätte das erkennen können, verlegt aber ohne Bedenkenanmeldung die
Fliesen. Wird der Fliesenleger wegen der zutage getretenen Mängel am
Fliesenbelag in Anspruch genommen, so kann er den Fliesenbelag nicht erneuern, ohne den Estrich zu beschädigen. Er muss dann auch den Estrich
erneuern. Er kann aber im Gesamtschuldnerausgleich vom Estrichleger Ersatz verlangen, und zwar nach der Quote der Mitverursachung.
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Gleiches gälte, wenn der Fliesenleger die Fliesen erneuern könnte, ohne dabei
den (mangelhaften) Estrich zu zerstören. Denn der Estrichleger schuldet im Rahmen seiner Mängelhaftung ebenfalls die Aufnahme der Fliesen, um den Estrich
erneuern zu können, und im Anschluss daran die Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands, also die Neuverlegung der Fliesen.
2. Architekt/Ingenieur – Bauunternehmer
Architekt/Ingenieur und Bauunternehmer haften für die von ihnen verursachten
Mängel gegenüber dem Auftraggeber als Gesamtschuldner (BGHZ 43, 227; BGHZ
51, 275).
Planungsfehler: (Nur) bei Planungsfehlern kann der Bauunternehmer gegenüber
dem Bauherrn nach §§ 254, 278 BGB ein Mitverschulden einwenden und haftet
nur in diesem Ausnahmefall auf eine Quote (Beispiel: Schürmann-Bau, BGH, Beschluss vom 03.06.2003, VII ZR 186/01).
Bauüberwachungsfehler: Anders bei reinen Ausführungsfehlern, die mit Überwachungsfehlern zusammentreffen. Hier kann der am Bau Beteiligte kein Mitverschulden des Bauherrn einwenden. Auch bei Fehlern anderer Beteiligter (Ingenieure, Sonderfachleute) kann der Bauunternehmer dem Bauherrn kein Mitverschulden des Bauherrn entgegenhalten, weil die bauüberwachenden Ingenieure
und Sonderfachleute keine Erfüllungsgehilfen des Bauherrn sind. Denn den Bauherrn trifft keine Verpflichtung zur Stellung eines Bauüberwachers zum Schutze
der ausführenden Unternehmen vor Haftungsfällen.
Umgekehrt kann sich der Ingenieur im Verhältnis zum Bauherrn weder bei Planungsfehlern noch bei Überwachungsfehlern auf ein mitwirkendes Verschulden
des Bauunternehmers berufen.
Der Ingenieur kann sich als Gesamtschuldner dem Bauherrn gegenüber auch
nicht mit dem Argument wehren, der Bauherr hätte sich bei einem anderen Gesamtschuldner – als dieser noch nicht insolvent war – schadlos halten können.
(Beispiel BGH, Urteil vom 26.07.2007, VII ZR 5/06).
3. Planende Architekten/Ingenieure – Bauüberwacher
Abgrenzungsprobleme ergeben sich, wenn ein Auftragnehmer nur Teile der Leistungen und ein anderer oder ein Generalunternehmer weitere Leistungen der
Planung oder die Bauüberwachung erbringen.
Grundsätzlich kann der zunächst Tätige sich nicht durch Fehler des Nachfolgenden entlasten. Auch der Nachfolgende hat seine eigenen Leistungen voll verantwortlich selbst zu erbringen. Die Vorleistungen muss er aber nicht ohne Anhaltspunkte vollständig durchdringen und auf ihre Richtigkeit überprüfen. Vielmehr
haftet er dem Bauherrn insoweit nur dann, wenn er bei durchschnittlich zu erwartenden Kenntnissen eines Planers/Ingenieurs den Fehler des vorher tätigen Kollegen bemerken musste (s. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2006,
17 U 168/04).
Problematisch ist häufig die Abgrenzung der Haftung zwischen Planern und hiervon verschiedenen Überwachern. Der Planer kann sich nicht auf unterlassene
Hinweise des Bauüberwachers berufen. Der Bauüberwacher ist nicht Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers.
Zur Haftungsverteilung bei gravierenden Fehlern in der Planung des planenden
Architekten, die der bauüberwachende Architekt pflichtwidrig nicht erkennt, siehe
unten, III.
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4. Architekt/Ingenieur – Sonderfachmann
Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Architekten/Ingenieuren
und Sonderfachleuten ist immer wieder schwierig. Hierzu müssen die Leistungskreise und daraus resultierenden Verantwortlichkeiten geklärt werden.
Für den fachlichen Bereich der Sonderfachleute ist der Architekt/Ingenieur nur bei
ihm nach seinen Fachkenntnissen offensichtlichen Fehlern verantwortlich.
Beispiel: Enthält ein Baugrundgutachten Vorgaben für den Aushub einer
Baugrube, insbesondere in einem Hangbereich, so darf der für die Ausführung verantwortliche Architekt sich grundsätzlich darauf verlassen, dass
auch die Standsicherheit von Nachbargrundstücken ausreichend berücksichtigt wurde (BGH, Urteil vom 26.01.1996, VII ZR 264/94).
Entsprechendes gilt auch für die Fachingenieure untereinander.
Auch für Fehler eines von ihm im eigenen Namen eingeholten Gutachtens haftet
der Architekt nicht ohne Weiteres, sondern nur dann, wenn er die Leistung nach
den vertraglichen Grundlagen schuldet, also zu erbringen hat.
Grundsätzlich haftet der Ingenieur für Fehler anderer nur, wenn der Fehler auf
seinen unzureichenden Vorgaben beruht, wenn er einen unzuverlässigen Sachverständigen ausgewählt hat oder wenn er Mängel des Gutachtens nicht beanstandet, die nach den von einem Ingenieur zu erwartenden Kenntnissen erkennbar sind (s. etwa BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 233/95).
Die vom Vermessungsingenieur vorgenommene Grundstücks- und Gebäudeeinmessung wird er dagegen zumindest auf offenkundige Fehler überprüfen
müssen.
Beispiel (OLG Nürnberg, Urteil vom 02.02.2005, 6 U 2921/04):
Sachverhalt: Ein Architekt ist mit der Vollarchitektur (LPh 1–9) beauftragt. Der
Bauherr lässt das Grundstück vom Vermessungsingenieur auf Grundlage eines
vom Architekten stammenden Einmessplans, in dem der Baukörper fehlerhaft
eingetragen war, einmessen. Dadurch ist der Vermessungsplan fehlerhaft. Der
Architekt beauftragt mit der Bauüberwachung den BÜ und übergibt ihm den Vermessungsplan. Der BÜ überprüft den Vermessungsplan nicht ausreichend und
lässt auf dessen Grundlage die Bodenplatte herstellen, leider zu nah am Nachbargrundstück. Der Rückbau wird erforderlich, Kosten 76.000,00 EUR. Der BÜ verklagt den Architekten auf sein Honorar; der kürzt das um diesen vollen Schadensbetrag. Zu Recht?
Entscheidung:
Nach Einschätzung des OLG rührt die wesentliche Schadensursache aus dem
Bereich des Architekten her. Der falsche Plan, nach welchem die Einmessung
erfolgte, stammt von dem Architekten. Nur wegen der Existenz des fehlerhaften
Plans ist es zu der fehlerhaften Einmessung und der Errichtung von Baugrube und
Bodenplatte an der falschen Stelle gekommen.
Der Verursachungsanteil des BÜ hat daneben weniger Gewicht. Ihm ist lediglich
anzulasten, dass er die Richtigkeit des Einmessplans nicht überprüft hat. Sein
Verschulden wiegt geringer als das des Architekten: Die Richtigkeit des von der
Bauzeichnerin P gefertigten Einmessplans wäre zunächst im Haus des Architekten zu überprüfen gewesen, dem der BÜ nicht angehörte; eine solche Überprüfung fand nicht statt.
Dass der BÜ die ihn als Objektüberwacher treffende Überprüfungspflicht vernachlässigt hat, wiegt daneben weniger schwer; der BÜ musste nicht unbedingt erwarten, dass von dem fachkundigen Architekten ein falscher Plan in Umlauf gesetzt wird.
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Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände „erscheint dem Senat daher
eine Haftungsquote des Klägers von 1/3 als angemessen“.
Ob der Architekt oder Ingenieur die Angaben von Sonderfachleuten überprüfen
muss, ist Frage des Einzelfalls. So wird er die Angaben eines Brandschutzsachverständigen zur Nutzerzahl eines Gebäudes übernehmen dürfen (OLG Düsseldorf, NZR 2006, 187).
Urteil vom 29.04.2004, 5 U 144/03: Der planende Architekt hat das Brandschutzkonzept zu prüfen. Übersieht er vorwerfbar in diesem Konzept enthaltene Anforderungen, die der Nutzungsabsicht nicht entsprechen, kann er schadensersatzpflichtig sein. Im vorliegenden entschiedenen Fall wurde das verneint.
III. Haftungsquoten – Das Glasfassadenurteil
Grundsatz: Die Ermittlung der Haftungsquote im Innenverhältnis im Einzelnen
entzieht sich einer Systematisierung. Es ist hier stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Leistungspflichten, Verursachungsanteile und Verschuldensanteile sind zu ermitteln und zu gewichten. Es gibt hier keine starren Formeln!
Die Inanspruchnahme von Ingenieuren ist regelmäßig auf Schadensersatz in Geld
gerichtet. Bei der Verteilung des Schadens auf mehrere ersatzpflichtige Gesamtschuldner im Innenverhältnis richtet sich die Ermittlung der Quoten nach § 254
BGB.
§ 254 Abs. 1 BGB lautet:
„Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten
mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des
zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil
verursacht worden ist.“
Entscheidend ist daher in erster Linie das Maß der Verursachung. Daneben, aber
erst in zweiter Linie, ist das Verschulden heranzuziehen.
Das Glasfassadenurteil BGH, Urteil vom 27.11.2008 VII ZR 206/06:
Sachverhalt:
Der Bauherr lässt ein Mehrfamilienhaus mit einer aufwendigen Glasfassade errichten. Mit der Planung, Leistungsphasen 1 bis 5 des § 15 HOAI, beauftragt der
Bauherr einen Planungsarchitekten. Mit der Leistungsphase 8, Objektüberwachung, beauftragt der Bauherr einen bauüberwachenden Architekten. Die Planung
weist gravierende Fehler auf. Der bauüberwachende Architekt übersieht diese
Fehler an den Plänen und lässt nach den Plänen bauen. Es kommt zu massiven
Schäden an der Fassade. Diese muss neu hergestellt werden. Der Schaden in
Form der Neuherstellungskosten beläuft sich auf 1.000.000,00 Euro. Der planende Architekt fällt in Insolvenz. Der Bauherr verklagt den bauüberwachenden Architekten allein auf die volle Summe in Höhe von 1.000.000,00 Euro.
Der bauüberwachende Architekt konnte sich nach früherer Rechtsprechung (z.B.
OLG Celle, Urteil vom 20.11.2001, 16 U 187/99) gegenüber dem Bauherrn nicht
auf ein Mitverschulden wegen Fehlern des planenden Architekten berufen und
musste in derartigen Fällen den gesamten Schaden ersetzen, wenn der Planer
nicht zahlen konnte. Dies wurde damit begründet, dass der bauleitende Architekt
im Verhältnis zum Bauherrn, für den er gerade eine risikoentlastende Funktion
ausübe, nicht darauf vertrauen dürfe, dass die ihm zur Verfügung gestellten Pläne
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die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigen. Der bauplanende Architekt,
der für die mangelhafte Planung primär verantwortlich ist, könne daher nicht als
Erfüllungsgehilfe des Bauherrn angesehen werden. Eine Zurechnung der Fehler
des planenden Architekten gemäß § 278 BGB im Wege der Erfüllungsgehilfenzurechnung komme daher nicht in Betracht. Ein mitwirkendes Verschulden zu Lasten des Bauherrn scheide damit aus. Schließlich schulde der Bauherr gegenüber
dem Bauüberwacher gerade nicht die Zurverfügungstellung mangelfreier Pläne.
Diese Rechtsprechung korrigiert der Bundesgerichtshof:
Es ist zwar richtig, dass der Bauherr dem Bauüberwacher nicht die Zurverfügungstellung mangelfreier Pläne „schuldet“ im Sinne eines vom Bauüberwacher
einklagbaren Anspruchs. In seinem Vertragsverhältnis zum Bauüberwacher trifft
den Besteller aber jedenfalls eine Obliegenheit, eine Verpflichtung sich selbst
gegenüber, diesem mangelfreie Pläne zur Verfügung zu stellen. Nimmt der Besteller den Bauüberwacher wegen eines Bauwerkmangels in Anspruch, der darauf zurückzuführen ist, dass die gelieferten Pläne mangelhaft sind und der Bauüberwacher dies pflichtwidrig nicht bemerkt hat, dann muss sich der Besteller
gemäß §§ 254 Abs. 1, 278 BGB das mitwirkende Verschulden des planenden
Architekten als seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.
Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten in diesem Sinne vor, so hängt der
Umfang der Ersatzpflicht von einer Abwägung der Umstände des Falles ab. Dabei
ist insbesondere in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Verursachung
abzustellen, und erst in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens. Es kommt also für die Haftungsverteilung wesentlich darauf an, ob das
Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in
erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat.
Der Besteller hat den bauaufsichtsführenden Architekten zur Risikominimierung
eingesetzt; er will durch diese zusätzliche Sicherungsmaßnahme gewährleisten,
dass das Bauwerk mangelfrei errichtet wird. Diese Aufgabe kann der Bauüberwacher aber nur auf der Grundlage mangelfreier Pläne sinnvoll wahrnehmen. Solche
zu übergeben liegt daher im eigenen Interesse des Bestellers. Daran ändert sich
nichts dadurch, dass der bauüberwachende Architekt verpflichtet ist, die ihm
überlassenen Pläne auf Fehler und Widersprüche zu überprüfen. Überlässt der
Bauherr dem bauaufsichtsführenden Architekten fehlerhafte Pläne, so verletzt er
dieses Interesse im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst.
Der Sorge, diese Wertung könne zu einer völligen Haftungsfreistellung des
Bauüberwachers führen, tritt der BGH in seiner Urteilsbegründung sogleich selbst
entgegen:
Beruht der Mangel des Bauwerkes darauf, dass der planende Architekt fehlerhaft
gearbeitet und der Bauüberwacher dies unter Verletzung seiner Aufsichtspflicht
nicht bemerkt hat, so sind diese Umstände bei der Abwägung der beiderseitigen
Verursachungsbeiträge im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Die
Verletzung der Bauaufsichtspflicht darf dabei nicht vernachlässigt werden. Der
BGH weist aber auch hier ausdrücklich darauf hin, dass die Verletzung von Prüfungs- und Hinweispflichten nicht bagatellisiert werden darf, weil diese in der
Regel eine gewichtige Ursache für den Schaden am Bauwerk darstellen. Es muss
hier eine einzelfallgerechte Gewichtung unter Berücksichtigung der besonderen
Aufgabenstellung des Bauüberwachers vorgenommen werden.
Eine (nahezu völlige) haftungsfreie Stellung des Bauüberwachers würde seiner
Verpflichtung und Stellung am Bau nicht gerecht.
Ein Gesamtschuldverhältnis besteht also auch zwischen dem bauplanenden und
dem bauüberwachenden Architekten, allerdings begrenzt auf die Höhe, mit der
beide haften. Da sich der Auftraggeber das Planungsverschulden des Planers
gegenüber dem Bauüberwachter entgegenhalten lassen muss bei Bauschäden,
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die nur auf Planungsfehlern beruhen, die der Bauüberwacher, allerdings pflichtwidrig nicht erkannt hat, ist der Haftungsanteil des Bauüberwachers von vorneherein entsprechend verkürzt. Der planende Architekt haftet auf den ganzen Schaden; der Bauüberwacher nur mit einer Quote, insoweit aber als Gesamtschuldner.
Das entspricht der Haftungsverteilung bei Planungsfehlern des Architekten, die
vom Bauunternehmer nicht bemerkt und daher umgesetzt werden.
Wie hat nun der BGH den Glasfassadenfall entschieden?
In der Sache gar nicht. Er musste an das Kammergericht zurückverweisen, weil
zunächst noch ermittelt und entschieden werden muss, ob die Ansprüche bereits
verjährt sind oder nicht.
Beispielsfall 2
OLG München, Urteil vom 04.05.2010, 9 U 4557/09, Nichtzulassungsbeschwerde
durch BGH mit Beschluss vom 23.03.2011 – VII ZR 85/10 – zurückgewiesen.
Sachverhalt:
Der Bauherr beauftragt ein Architekturbüro mit Planungsleistungen bis hin zur
Ausführungsplanung. Diese sieht abweichend von der Genehmigungsplanung nur
15 statt 16 Treppenstufen je Stockwerk vor. Dadurch wird beim anschließenden
Bau der Treppe die bauordnungsrechtlich zulässige Stufenhöhe überschritten. Die
Gesamttreppenanlage muss deswegen nachträglich umgebaut werden. Der Bauherr verlangt dafür Schadensersatz in Höhe von 180.000,00 Euro. Die Architekten
verweisen darauf, dass der Fehler für den Bauherrn leicht zu erkennen war. Er soll
sich deshalb ein Mitverschulden von 50 Prozent anrechnen lassen.
Entscheidung: Nein! Der Bauherr ist gegenüber den von ihm beauftragten Planern
nicht gehalten, eine solche Überprüfung vorzunehmen. Es spielt auch keine Rolle,
dass der Bauherr vorliegend gar keine Bauüberwachung hat vornehmen lassen.
Ebenso wie der ausführende Unternehmer keinen Anspruch auf Überwachung
seiner Leistungen durch den Bauherrn hat, hat der planende Architekt einen Anspruch auf Überprüfung seiner Planung durch den Bauherrn oder durch einen vom
Bauherrn mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten. Für den Mangel der
Planung ist der planende Architekt alleine selbst verantwortlich. Ein Mitverschulden des Bauherrn scheidet aus.
Beispielsfall 3
BGH, Urteil vom 26.07.2007 VII ZR 5/06, zuvor OLG Brandenburg, Urteil vom
14.12.2005, 4 U 167/99.
Sachverhalt:
Der Architekt verklagt den Bauherrn auf 57.500,00 DM Honorar. Der Auftraggeber
wendet Planungs- und Bauüberwachungsfehler ein und macht widerklagend
280.000,00 DM geltend. Das OLG Brandenburg weist die Widerklage ab mit der
Begründung, der Bauherr habe gegen den Rat des Architekten nach Prüfung der
Rechnungen der ausführenden Unternehmen lediglich 8,1 Mio. DM zur Zahlung
freigegeben. Der AG habe jedoch 9,4 Mio. DM gezahlt. Der Bauherr habe also
gegen den Rat des Architekten 1,3 Mio. DM zuviel gezahlt. Es verstoße gegen
Treu und Glauben, wenn der Bauherr nunmehr 280.000,00 DM Schadensersatz
verlange.
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Entscheidung:
Anders als das OLG gibt der BGH dem Bauherrn Recht: Der Architekt hafte für
Bauaufsichtsfehler auf Schadensersatz, wenn es infolge des Fehlers zu einem
Mangel des Bauwerkes gekommen ist. Der Unternehmer und der Architekt seien
insoweit Gesamtschuldner. Dem Auftraggeber stehe es grundsätzlich frei, ob er
sich insoweit an den Architekten oder an den Unternehmer halte. Diese seien
Gesamtschuldner. Nur in Ausnahmefällen kann die Inanspruchnahme nur eines
Gesamtschuldners als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Der Gläubiger (hier der
Bauherr) darf bei seinem Entschluss, gegen welchen Gesamtschuldner er vorgeht, nicht jede Rücksichtnahme auf den anderen vermissen lassen. Geht es allein um den finanziellen Ausgleich des Schadens, ist jedoch einem Gesamtschuldner in der Regel der Einwand versagt, der Gläubiger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem anderen Gesamtschuldner befriedigen können und müssen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gläubiger arglistig handelt. Nur bei einer
missbilligenswerten Inanspruchnahme nur eines Gesamtschuldners, dem damit
das Regressrisiko aufgebürdet wird, sei diese isolierte Inanspruchnahme unzulässig. Im vorliegenden Fall fällt der Architekt mit dem Regress wegen der Insolvenz
des Unternehmers aus.
IV. Sonderproblem
Gesamtschuldnerische Haftung des Objektplaners im Hinblick auf §§ 48 und 49
BbgBauO?
Problemstellung:
Häufig werden Architekten oder Ingenieure gar nicht mit den Planungsleistungen
beauftragt, sondern mit Alibi-Funktion gegenüber den Behörden vorgeschoben.
Sie bekommen vom Bauherrn gar kein (angemessenes) Geld und sollen Erklärungen abgeben und Bauvorlagen unterzeichnen, auf Grund derer sie dann später in
Haftung genommen werden.
Eine andere Problemkonstellation betrifft Fälle, in denen Planer aufgefordert werden, die Objektplanererklärung gemäß 76 Abs. 1 S 1 BbgBO abzugeben, obwohl
sie in Wahrheit gar nicht als Objektplaner tätig waren. Nicht selten wird diese
Erklärung von den planenden Architekten oder Ingenieuren gefordert, die nur mit
LPh 1-5 beauftragt waren (und dafür bezahlt wurden), nicht aber mit der LPh 8.
Hier zeichnet sich ein Spannungsfeld auf: Entsteht hier eine Haftung gegenüber
der öffentlichen Hand, entstehen vertragliche Ansprüche des Bauherrn?
Kann man als dem Ingenieur/Architekt raten, sich auf die Abgabe derartiger Erklärungen einzulassen?
§ 46 BbgBauO lautet:
„Bei der Errichtung, der Instandhaltung, der Änderung, der Nutzungsänderung oder der Beseitigung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und
Einrichtungen sind der Bauherr und im Rahmen ihres Wirkungskreises die
anderen am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, dass die öffentlichrechtlichen Vorschriften und die Anordnungen der Bauaufsichtsbehörden
eingehalten werden. Die am Bau Beteiligten müssen ausreichend haftpflichtversichert sein.“
§ 47 BbgBauO bestimmt:
„(1) Der Bauherr hat zur Vorbereitung, Überwachung und Ausführung eines
genehmigungspflichtigen Bauvorhabens geeignete am Bau Beteiligte zu
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bestellen, die den Anforderungen der §§ 48 bis 50 entsprechen, soweit er
nicht selbst diese Anforderungen erfüllt. Dies gilt entsprechend für die
technisch schwierige Beseitigung baulicher Anlagen. Der Bauherr hat die
nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Anzeigen und
Nachweise zu erbringen.
(2) Wechseln der Bauherr oder der Objektplaner vor der Fertigstellung der
baulichen Anlage, so hat dies der Bauherr der Bauaufsichtsbehörde unverzüglich schriftlich mitzuteilen.“
§ 48 BbgBauO lautet:
„(1) Der für die Erarbeitung der Bauvorlagen bestellte Objektplaner muss
nach Sachkunde und Erfahrung zur Vorbereitung und Überwachung des jeweiligen Bauvorhabens geeignet sein und ist für die Vollständigkeit und
Brauchbarkeit seiner Planung verantwortlich. Der Objektplaner hat dafür zu
sorgen, dass die Ausführungsplanung erarbeitet wird und die für die Ausführung notwendigen Einzelzeichnungen, Einzelberechnungen und Anweisungen geliefert werden. Der Objektplaner ist dafür verantwortlich, dass
das Bauvorhaben nach den genehmigten oder angezeigten Bauvorlagen
ausgeführt wird und im Übrigen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.
(2) Verfügt der Objektplaner auf einzelnen Fachgebieten nicht über die erforderliche Sachkunde oder Erfahrung, so sind geeignete Fachplaner heranzuziehen. Diese sind für die von ihm gefertigten Fachplanungen verantwortlich. Für das ordnungsgemäße Ineinandergreifen aller Fachplanungen bleibt
der Objektplaner verantwortlich.“
§ 49 BbgBauO bestimmt:
„Verfügt der Objektplaner nicht über die erforderliche Sachkunde oder Erfahrung zur Bauüberwachung, so ist ein geeigneter Bauüberwacher heranzuziehen, der die Aufgabe nach § 48 Abs. 1 Satz 3 wahrnimmt. Die Bauüberwachung darf eigenverantwortlich nur durchführen und die Erklärung
nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 eigenverantwortlich nur abgeben, wer die Bauüberwachung als Objektplaner durchführt.“
§ 76 BbgBauO lautet:
„(1) Mit der Anzeige der Fertigstellung nach § 68 Abs. 5 hat der Bauherr
die Erklärung des Objektplaners, mit der die Bauausführung entsprechend den genehmigten oder angezeigten Bauvorlagen bescheinigt
wird,
die Bescheinigungen der Prüfingenieure und Prüfsachverständigen,
mit denen die Bauausführung entsprechend den geprüften bautechnischen Nachweisen bestätigt wird,
die Bescheinigung des Bezirksschornsteinfegermeisters nach § 36
Abs. 6,
die Bescheinigungen der Prüfsachverständigen über die ordnungsmäßige Beschaffenheit und Betriebssicherheit der technischen Anlagen und Einrichtungen der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen.
(2) Eine bauliche Anlage darf erst benutzt werden, wenn sie selbst, Zufahrtswege, Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen in
dem erforderlichen Umfang sicher benutzbar sind, nicht jedoch vor dem Ablauf von zwei Wochen nach Eingang der Anzeige nach § 68 Abs. 5. Eine
bauliche Anlage darf nicht benutzt werden, wenn
der Zeitpunkt der Fertigstellung nicht angezeigt wurde,
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nach Absatz 1 vorzulegende Erklärungen oder Bescheinigungen nicht
oder nicht vollständig vorgelegt wurden oder
eine nach § 75 Abs. 5 Satz 2 verlangte Überprüfung vom Bauherrn
nicht ermöglicht wurde.
Die Befugnisse der Bauaufsichtsbehörde nach § 75 bleiben unberührt.
(3) Die Bauaufsichtsbehörde kann gestatten, dass die bauliche Anlage ganz
oder teilweise schon vor der Fertigstellung genutzt wird, wenn wegen der
öffentlichen Sicherheit oder Ordnung Bedenken nicht bestehen.“
§ 24 BbgIngG lautet:
„(1) Die Kammermitglieder und Anwärter haben ihren Beruf gewissenhaft
und unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Regeln und der allgemein zugänglichen gesicherten Erkenntnisse der Technik auszuüben. Sie
müssen sich so verhalten, wie es das Ansehen ihres Berufes erfordert.
(2) Die Kammermitglieder und Anwärter sind besonders verpflichtet,
sich beruflich fortzubilden und sich dabei auch über die für ihre Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten,
die berechtigten Interessen des Auftraggebers und dessen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren,
bei der Ausübung des Berufes darauf zu achten, dass das Leben, die
Gesundheit Dritter sowie Belange des Umweltschutzes und bedeutende Sachwerte nicht gefährdet werden,
im Falle der eigenverantwortlichen Tätigkeit für andere sich gegen
Haftpflichtgefahren, die sich aus der ausschließlichen Wahrnehmung
von Berufsaufgaben nach § 23 ergeben, entsprechend dem Umfang
sowie der Art der ausgeübten Berufstätigkeiten ausreichend zu versichern und auf Anforderung der Ingenieurkammer nachzuweisen,
als Beratende Ingenieure in Ausübung ihrer Tätigkeit keine Provisionen, Rabatte oder sonstige Vergünstigungen für sich, ihre Angehörigen oder Mitarbeiter von Dritten anzunehmen, die nicht Auftraggeber
sind und neben ihrer Tätigkeit als Beratende Ingenieure keine gewerbliche Tätigkeit gegen Vergütung auszuüben, die in einem Zusammenhang mit ihren Berufsaufgaben nach § 23 stehen,
sich gegenüber Berufsangehörigen und Mitarbeitern und in der Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe und Berufskammern
kollegial zu verhalten,
Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs, die gegen geltendes
Recht oder gegen die guten Sitten verstoßen, zu unterlassen,
an Wettbewerben sich nur zu beteiligen, wenn durch die Verfahrensbedingungen ein fairer und lauterer Leistungsvergleich sichergestellt
ist und in ausgewogener Weise den partnerschaftlichen Belangen
von Auslober und Teilnehmer Rechnung getragen wird,
nur solche Pläne, Projekte, Bauvorlagen und Gutachten mit ihrer Unterschrift zu versehen, die von ihnen selbst oder unter ihrer Leitung
oder ihrer Verantwortung gefertigt wurden und
die zum Erwerb der Berufserfahrung nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 zu leistende Fortbildung zu gewähren.“
Die Antwort auf die Frage lautet: eindeutig Nein!
Konstellation Bauantragsunterlagen:
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Wer fremde Vorlagen stempelt, unterschreibt und abgibt und hierbei bewusst
wahrheitswidrig Angaben macht oder Erklärungen abgibt, läuft zum einen Gefahr,
dass die Baugenehmigung widerrufen und die Mitwirkung des Architekten oder
Ingenieurs als Ordnungswidrigkeit geahndet wird.
Wird die Baugenehmigung erteilt, und treten infolge von Planungsmängeln Schäden ein, die zur Verletzung von Leib oder Leben oder Sachgütern führen, besteht
die Gefahr, dass der Alibi-Objektplaner auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Dies gilt unabhängig davon, ob er tatsächlich die Planung erstellt hat.
Denn durch die Unterzeichnung und Einreichung machte er sich insoweit diese
Planung zu eigen, erklärt gegenüber der öffentlichen Hand, dass er unter Berücksichtigung der anerkannten Regeln der Technik ordnungsgemäß geplant hat und
mit der Bauvorlage ein genehmigungsfähiges Planwerk vorlegt. Die Erteilung der
Baugenehmigung entlastet weder den Bauherrn noch den Planer insoweit aus der
Verantwortlichkeit. Er übernimmt eine Verantwortung, die mit unübersehbaren
Haftungsrisiken verbunden ist.
Konstellation Bauüberwachung:
Die Haftungsrisiken sind die gleichen wie beim Planer, die Folgen unüberschaubar. Gesamtschuldnerische Konstellationen sind im Ergebnis nach oben ausgeführten Grundzügen zu lösen.
Risiko: Kein Versicherungsschutz. Wer bewusst wahrheitswidrige Angaben macht
und/oder Blankoerklärungen abgibt, erhält keine Deckung der Haftpflichtversicherung.
Zudem verstoßen derartige Praktiken gegen das Standesrecht, insbesondere gegen § 24 Abs. 1 sowie § 24 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 9 BbgIngG und können und sollten insoweit auch standesrechtlich geahndet werden.
Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten muss, letztlich auch in Anbetracht
dieser Haftungsrisiken, dieses Ergebnis folgen. Wer verantwortlich eine Bauvorlage unterzeichnet, muss die gesamten Antragsunterlagen, Pläne, Skizzen, Erläuterungen etc. im einzelnen sorgfältig prüfen, damit er sie sich durch seine Unterschrift und die Vorlage zu eigen machen kann. Wer die Objektplanererklärung
abgibt und auch für die ordnungsgemäße Objektüberwachung haftet, muss durch
angemessene Honorierung in den Stand gesetzt werden, den mit einer ordnungsgemäßen Leistungsausführung verbundenen Aufwand zu bewältigen.
Wer hierfür nicht ein Honorar vereinnahmt, das sich nach dem in der HOAI vorgesehenen Honorar richtet, handelt auch wirtschaftlich unverantwortlich.
Insoweit raten wir dringend von derartigen Verfahren ab.
V. Ausgleichsanspruch und dessen Verjährung
Nach § 426 BGB kann jeder Gesamtschuldner von dem anderen Ausgleich in
Höhe des Anteils seiner Mitverantwortung verlangen. Der Umfang des Ausgleichsanspruchs (Regressanspruch) hängt von den jeweiligen Umständen ab. Es
muss ermittelt werden, welcher Schuldner den Schaden unter Berücksichtigung
des jeweiligen Aufgabenbereichs vorwiegend verursacht hat.
Im Innenverhältnis dürfen Verursachungsbeiträge von Bauleitern, die die fehlerhafte Ausführung nicht bemerkt haben und von Unternehmen, die die Fehler des
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Vorgewerks nicht bemerkt haben, nicht bagatellisiert werden. denn sie sind eine
erhebliche Ursache für den entstehenden Mangel.
Daher gilt die alte Formel, dass der Unternehmer immer voll haftet, die Verantwortung des Bauüberwachers dahinter völlig zurücktritt, nicht mehr.
Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Der Ausgleichsanspruch unterliegt nicht den besonderen Voraussetzungen des
Gewährleistungsrechts! Er entsteht durch Gesetz.
Er verjährt in der neuen gesetzlichen Regelfrist des § 195, mit Ablauf von 3 Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist
und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen
müsste. Entstanden ist der Anspruch bereits mit der Begründung der Gesamtschuld, also nicht erst nach vollständiger Aufklärung und Durchführung des Gerichtsverfahrens gegen den zuerst in Anspruch genommenen gesamtschuldnerisch verantwortlichen Schadensmitverursacher. Man darf sich also nicht erst als
Planer verklagen lassen und dann erst nach jahrelangem Prozess den Unternehmer in Anspruch nehmen. Der Unternehmer – oder andere potentiell haftende –
sollten sogleich mit in Anspruch genommen werden, erforderlichenfalls im Wege
der Streitverkündung in den Prozess einbezogen werden.
Ein Vergleich mit einem Gesamtschuldner hat in der Regel keine (auch keine beschränkte) Gesamtwirkung, wobei die Auslegung jedoch etwas anderes ergeben
kann.
Daher ist bei der Abfassung von Vergleichsverhandlungen auf diese Frage Aufmerksamkeit zu legen.
VI.1. Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten
Die gesamtschuldnerische Haftung kann nicht wirksam ausgeschlossen werden!
Die entsprechende, früher in § 5 Abs. 2 AVA enthaltene Klausel war unwirksam
und war im letzten Einheitsarchitektenvertrag auch nicht mehr enthalten.
Auch eine Klausel, wonach der Planer nur für von ihm „nachweislich schuldhaft
verursachten Schaden“ haften soll, ist unwirksam. Eine derartige Klausel verstößt
gegen § 309 Nr. 8 b) aa), § 309 Nr. 12 a BGB sowie auch gegen die generelle
Wertungsklausel des § 307 Abs. 2 BGB. Das gilt nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern auch im Rechtsverkehr mit Kaufleuten.
In Einzelfällen kann jedoch durch vertragliche Gestaltung der Gesamtschuldnerausgleich durch Haftungsfreizeichnungen des Auftraggebers auch zugunsten des
Bauüberwachers beschränkt werden.
Fall (BGH, Urteil vom 17.12.2009 – VII ZR 172/08)
Sachverhalt:
Der Hauptunternehmer ist mit der Verlegung zweier Trassen für Lichtwellenleiter
beauftragt. Der Hauptunternehmer (im Folgenden: AG) vergab die Bauüberwachungsleistungen für die Verlegung eines Leerrohes in sogenannten Spülrohrverfahren an einen Architekten. Die für die Durchführung der Horizontalspülbohrungen notwendigen Arbeiten wurden einem Nachunternehmer (im Folgenden: Unternehmer) beauftragt. Das Angebot des Unternehmers sah zunächst vor, dass
für etwaige Schäden an Fremdanlagen von Drittversorgern (z. B. Telekom AG) der
Auftraggeber haften sollte. In der Auftragserteilung des Auftraggebers, dass vorhandene Fremdanlagen bauseits nicht freigelegt werden, sondern lediglich die
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Bestandspläne der anderen Versorger übergeben und vor Ort eine Einweisung
durch Bauleitung erfolgt und der Auftraggeber nicht für die Beschädigung von
Fremdleitungen haftet.
Das Unternehmen führt Tiefbauarbeiten durch und beschädigt hierbei eine aktive
Gasleitung. Infolge einer Verpuffung kommt es zu Sach- und Personenschäden.
Der Drittversorger nimmt den Auftraggeber, den Unternehmer und den bauüberwachenden Architekten auf Schadensersatz in Anspruch. Der Auftraggeber und
der Unternehmer werden durch das Landgericht rechtskräftig als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Betrages von 75.043,63 € nebst Zinsen verurteilt. Nachdem
der Haftpflichtversicherer des Unternehmens den Schaden reguliert hatte, nahm
er zunächst den Auftraggeber im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs erfolglos in Anspruch. Die Klage wurde unter Hinweis auf die zwischen dem Auftraggeber und dem Unternehmer vereinbarte Haftungsfreistellung rechtskräftig abgewiesen.
Daraufhin verklagt der Versicherer den Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich.
Der BGH weist die Klage ab: Der vom Auftraggeber (Hauptunternehmer) mit dem
von ihm beauftragten Tiefbauunternehmer (Nachunternehmer) vereinbarte eigene
Haftungsausschluss für Beschädigungen von Fremdleitungen erstreckt sich auf
den mit der Einweisung des Tiefunternehmers beauftragten Bauleiter. Durch diese Vereinbarung sei dem Tiefbauunternehmer das Risiko der Beschädigung an
einer Fremdleitung in vollem Umfange zugewiesen worden. Nach dem Willen der
Parteien solle er alleine voll haften. Der Hauptunternehmer solle dagegen von
jeder Haftung freigestellt werden. Aus Sicht des Tiefbauunternehmers mache es
keinen Unterschied, ob für den Hauptunternehmer ein Angestellter oder ein beauftragter fremder Ingenieur tätig geworden sei. Da die Parteien eine Haftungsverlagerung von der Auftrageber auf die Auftragnehmerseite beabsichtigt und
vereinbart hatten, gelt, da der Ingenieur Zum Auftraggeber gehöre, die Haftungsfreistellung auch zu seinen Gunsten. Dieses Ergebnis sei auch interessengerecht,
da der Tiefbauunternehmer mit unterirdischen Versorgungsleitungen zu rechnen
habe, und daher besondere Vorsicht walten lassen muss.
Der BGH stützt seine Entscheidung auf die gesamtschuldnerische Haftungseinheit.
Im Ergebnis kommt diese Entscheidung Auftraggebern und Bauleitern von Tiefbauarbeiten zu gute. Neben dem Bauherrn bzw. Auftraggebern werden vor allem
die mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten und Ingenieure darauf
achten, dass ihr Auftraggeber mit den Bauunternehmern Haftungsfreizeichnungen
für Drittschäden vereinbaren. Denn damit besteht – nicht durchgreifend, aber
häufig – die Möglichkeit, ihre gesamtschuldnerische Haftung für Drittschäden
wirksam auszuschließen.
VI.2. Ausschluss von Schadensersatzansprüchen im
Gesamtschuldverhältnis
Wenn endgültig feststeht, dass der Bauherr an den Bauunternehmer wegen eines
Mangels, hinsichtlich dessen der Planer gesamtschuldnerisch dem Grunde nach
mithaftet, keinen Werklohn in Höhe des mangelbedingten Schadens mehr zahlen
muss, dann soll in dieser Höhe kein Schadensersatzanspruch gegen den Planer
bestehen. Denn dem Bauherrn entstehe insoweit kein Schaden. „Ein Architekt,
der fehlerhaft geplant oder überwacht hat, braucht dem Bauherrn insoweit keinen
Schadensersatz zu leisten, als endgültig feststeht, dass dieser an den Bauunternehmer gerade wegen des in Rede stehenden Mangels keinen Werklohn entrich-
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ten muss. Denn dann hat der Bauherr insoweit keinen Schaden mehr (BGH, Urteil
vom 09.05.1996, VII ZR 181/93, abgedruckt zum Beispiel in Baur 1996, 732).
(Das ist in der Literatur umstritten.)
Aus Sicht des Planers und Bauüberwachers ist in diesem Zusammenhang auch
im eigenen Interesse eine sorgfältige Prüfung von Rechnungen der ausführenden
Unternehmen und Empfehlung von Einbehalten wegen Mängeln ratsam. Denn
berechtigte Abzüge vom Werklohn des Unternehmers mindern den möglichen
Schadensanteil des Ingenieurs/Bauüberwachers.
Abschließend bleibt festzuhalten: Gesamtschuld – hic sunt leones!
BÖRGERS Rechtsanwälte und Notare
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