Eine Kenianerin geht in Graubünden auf Bio-Tour

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Eine Kenianerin geht in Graubünden auf Bio-Tour
REGION
Astra verunsichert
die Kantone
Das Bundesamt für Strassen
(Astra) hat im August die
Kantone mit falschen Zahlen
zu den Erträgen aus der
Mineralölsteuer beliefert.
Das Budget Graubündens
muss deshalb in diesem Punkt
nachgebessert werden.
Von Peter Simmen
Chur. – Auf den 1. Januar tritt die
Neugestaltung des Finanzausgleichs
zwischen Bund und Kantonen (NFA)
in Kraft. Im vergangenen Juli informierte der Bund die Kantone mittels
einer Globalbilanz über die Beiträge,
welche sie unter verschiedenen Titeln
zu erwarten haben. Dem Papier konnte die Bündner Finanzministerin EvelineWidmer-Schlumpf nebst anderem
entnehmen, dass Graubünden aus
dem Topf der Mineralölsteuer einen
Bundesbeitrag in Höhe von 46 Millionen Franken erwarten kann.
Astra mit anderen Zahlen
Nur einen Monat später bekamen die
Kantone Post vom Astra, und darin
waren, was die Beiträge aus der Mineralölsteuer betrifft, andere Zahlen
aufgeführt, als zuvor vom Bund kommuniziert. Gemäss den Berechnungen desAstra sollten Graubünden nur
35 Millionen Franken zustehen. Sie
sei überrascht gewesen, dass Graubünden plötzlich elf Millionen weniger bekommen sollte, sagt Regierungsrätin Widmer-Schlumpf.
Der Kanton begann nun selber zu
rechnen. UnterAnwendung der in der
2. NFA-Botschaft des Bundes enthaltenen Parameter zur Berechnung der
Beiträge kamen die Leute aus Widmer-Schlumpfs Finanzdepartement
schnell zum Schluss, dass die Zahl des
Bundes stimmen muss. Und in Zusammenarbeit mit Angestellten des
kantonalen Tiefbauamtes stiessen sie
auch auf den Fehler, den dasAstra bei
seinen Berechnung gemacht hatte.
Budget muss korrigiert werden
DasAstra räumte in der Folge den Berechnungsfehler ein, musste die den
Kantonen im August zugestellten
Zahlen korrigieren. Graubünden bekommt die vom Bund ursprünglich in
Aussicht gestellten 46 Millionen Franken. Im Budget 2008 des Kantons, das
der Grosse Rat im Dezember beraten
wird, sind unter der Position Anteil
am Mineralölsteuerertrag aber nur
35 Millionen verbucht. Das Budget
sei im August erstellt worden, sagt
Widmer-Schlumpf dazu. Zu diesem
Zeitpunkt sei die strittige Frage noch
nicht geklärt gewesen. Der Kanton
habe deshalb mit dem vom Astra offiziell mitgeteilten Betrag budgetiert im
Wissen, dass es wahrscheinlich mehr
Geld geben werde. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) werde dem
Parlament im Dezember die nötige
Korrektur beantragen.
Insgesamt hat das Astra für zwölf
Kantone einen zu tiefen Beitrag berechnet. Umgekehr wurden 14 Kantonen im August zu hohe Beiträge in
Aussicht gestellt. Besonders hart trifft
es den Kanton Appenzell Ausserrhoden, er erhält sechs Millionen Franken
weniger als angekündigt. Wie die
Bündner hätten auch die Appenzeller
merken müssen, dass eine Differenz
zu den vom Bund kommunizierten
Zahlen besteht.
DIE SÜDOSTSCHWEIZ | MONTAG, 19. NOVEMBER 2007
Eine Kenianerin geht in
Graubünden auf Bio-Tour
Su Kahumbu ist Bio-Bäuerin
und in ihrer Heimat Kenia eine
echte Pionierin auf diesem
Gebiet.Vor kurzem hat sie
auf Bündner Landwirtschaftsbetrieben die hiesigen Arbeitsweisen erkundet – und ihren
ersten Schneemann gebaut.
Von Peter Lüthi (Text und Bilder)
«Hey, it’s snowing!» Ungläubig blickt
Su Kahumbu in den grauen Himmel
über Andeer, aus dem die ersten
Schneeflocken herunterrieseln. Erstaunt stellt sie fest, dass die Flocken
gar nicht rund sind, wie sie immer geglaubt habe. Dann wendet sich die
aufgeweckte Bio-Pionierin aus dem
ostafrikanischen Kenia wieder an den
Andeerer Senner Martin Bienerth
und deckt ihn mit einer weiteren Salve von Fragen ein. Bienerth macht aus
seinen Erfolgsrezepten kein Geheimnis. Offen teilt er mit Kahumbu seine
Tricks zur Vermarktung von Biokäse.
Im Gegenzug erhält er dafür einen
verbalen Blumenstrauss: «Martin,
mir kommt es vor, als gehörten wir
Bio-Produzenten auf der ganzenWelt
zur gleichen Familie. Es ist fantastisch, wie gut ich mich mit den Menschen hier verstehe!»
Tatsächlich ist Bienerth nicht der
Erste, bei dem im Gespräch mit der
Kenianerin der Funke überspringt.
Bereits im Morgengrauen war Kahumbu zu Gast in der Sennerei von
Pragg-Jenaz, wo ihr Markus Racine
eine fünfstündige Einführung in die
Kunst des Käsens gab. Und in der
Metzgerei Mark in Lunden zeigte ihr
der Chef persönlich, wie Bündnerfleisch, Mostbröckli und Salsiz hergestellt und vermarktet werden.
Dynamische Bio-Pionierin in Kenia
Kahumbus Besuch in Graubünden erfolgte auf Einladung von BioVision,
einer Schweizer Stiftung für ökologische Entwicklung. BioVision leistet
Hilfe zur Selbsthilfe in Ostafrika (siehe Kasten).
Kahumbu spielt eine Schlüsselrolle
in einem der Projekte. Als eine Art
Briefkastentante der Bauernzeitung
«The Organic Farmer» beantwortet
sie drängende Fragen von Bäuerinnen
und Bauern und erreicht mit ihren
Tipps etwa 100 000 Menschen. Dabei
kann sie auf fundierte Praxiskenntnisse zurückgreifen. Seit zehn Jahren
produziert sie zusammen mit zwei
Dutzend Angestellten auf ihrem eigenen Betrieb ausserhalb der kenianischen Hauptstadt Nairobi Gemüse,
Erfreuliche Überraschung: Zwischen den «Lektionen» auf den Landwirtschaftsbetrieben findet Su Kahumbu noch Zeit,
sich mit dem frisch gefallenen Schnee zu vergnügen.
Früchte, Milchprodukte und Fleisch.
Im Jahr 2000 gründete sie die Firma
Green Dreams. 2005 erhielt der Betrieb als einer der ersten in Kenia das
Bio-Zertifikat, kürzlich schaffte Kahumbu es als erste, in zwei Supermärkten Bio-Shops zu eröffnen. «Das
ist toll, macht mir aber auch Probleme», meint die Unternehmerin. Allein könne sie die wachsende Nachfrage nämlich nicht decken. Darum
bezog sie weitere Bauern ein, sorgte
für eine entsprechende Ausbildung
und für die Bio-Zertifizierung der Betriebe. Dank Kahumbu und Green
Dreams haben heute im Raum Nairobi insgesamt 1200 Menschen Arbeit.
Während ihrer Stippvisite in Graubünden liegen Kahumbu Begegnungen mit Bergbauern besonders am
Herzen. Im Gemüsegarten von Barbara und Erwin Sac in Pitasch informiert sie sich detailliert über die
strengen Richtlinien für Bio-Knospenbetriebe und über die regelmässigen Bio-Kontrollen. Angesichts der
Qualität und Sortenvielfalt der PitascherTomaten beneidet Kahumbu für
einmal die Bündner Bauern um die
kühlen Temperaturen: «Unglaublich,
diese Tomaten», meint sie erstaunt,
«da können wir wegen all unseres Ungeziefers nicht mithalten.» Auf dem
Heustock wird sie von den Pitascher
Bauern über die Futterwirtschaft im
Berggebiet aufgeklärt. Und mit beiden Füssen im Mist tritt sie schliesslich in hautnahen Kontakt mit der
Mutterkuhhaltung und der Produktion von Bio-Rindfleisch.
Die Unterschiede benannt
Einen letzten Höhepunkt der Graubünden-Tour bildet der Besuch bei
Familie Heinz in Sufers. Im Gespräch
mit dem jungen Rico, der soeben die
Lehre als Bauer abgeschlossen hat,
bringt Kahumbu einen grossen Unterschied zwischen Graubünden und ihrer Heimat wie folgt auf den Punkt:
«In Kenia haben die meisten Menschen wenig Ahnung von der Landwirtschaft, obwohl 80 Prozent der Bevölkerung davon leben. Sie werden
aus der Not heraus zu Kleinbauern.
Hier in der Schweiz entscheiden sich
Leute bewusst, Landwirt zu werden
und gehen sogar in eine Bauernschule.» In Kenia gäbe es zudem keine
staatliche Unterstützung für Bauern,
selbst bei Dürre oder katastrophalem
Hochwasser nicht, fügt sie an.
Hoch über dem Rheinwald am Lai
da Vons nimmt Su Kahumbu schliesslich Abschied von Graubünden. Sie
hinterlässt viel Sympathie und Res-
pekt bei jenen, die ihr begegnet sind,
den ersten Schneemann ihres Lebens
und ein Versprechen: «Es war wundervoll – ich komme wieder!»
Lebensbedingungen
in Afrika verbessern
BioVision ist eine gemeinnützige,
unabhängige Stiftung. BioVision
fördert die Verbreitung, Umsetzung und Anwendung von ökologischen, wissenschaftlich fundierten Methoden, die der Armutsbekämpfung dienen und zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen in Afrika führen.
Gründer und Stiftungs-Präsident Hans Rudolf Herren gehört
zu den weltweit führendenWissenschaftlern im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung und
leitete während 27 Jahren verschiedene Forschungsprojekte und
-institutionen in Afrika. Herren
wurde unter anderem mit dem
Welternährungspreis ausgezeichnet. (so)
Weitere Informationen: www.biovision.ch
DSP befürwortet den
Nichtraucherschutz
Chur. – Die Demokratisch Soziale
Partei Graubünden (DSP) empfiehlt
dem Bündner Stimmvolk, die Teilrevision des kantonalen Gesundheitsgesetztes anzunehmen, über die am
25. November abgestimmt wird. Die
Partei stuft den Schutz Jugendlicher
vor dem Passivrauchen als sehr wichtig ein und befürwortet deshalb die
Teilrevision, die gemäss einer Medienmitteilung der Partei trotzdem eine «Mogelpackung» ist. (so)
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Fragen über Fragen: Von den Bündner «Bio-Experten» holt sich Su Kahumbu allerlei Tipps, von der Tierhaltung bis hin zur Strohqualität.