Kalifornien Nevada MexiKo

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Kalifornien Nevada MexiKo
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Nevada
Nevada
Laughlin
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Bullhead City
Kingman
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Saltonsee
Sea
8
1.Bullhead
Bullhead
City:Ausgangspunkt
Initial base of
operations
1.
City: Erster
der undercover
Undercover-Ermittlungen
und
and home of Donald Smith aka “Smitty”
Wohnort von Donald Smith alias »Smitty«
2.Laughlin:
Laughlin:
Site of
2.
Schauplatz
derHarrah’s
Schießerei Casino,
zwischen where
Hells Angels und Mon­
Hells Angels–Mongols shootout occurred
gols in Harrah’s Casino
3. Kingman: Home of Joby Walters
3. Kingman: Wohnort von Joby Walters
4. Chino Valley: Skull Valley clubhouse
4. Chino Valley: Hier steht das Clubhaus des Charters Skull Valley.
5.Prescott:
Prescott:
Undercover
trailer home
5.
Hier stand
unser Undercover-Wohnwagen.
6.
Flagstaff:
Arizona
Nomads
6. Flagstaff: Hier steht das Clubhaus der clubhouse
Arizona-Nomaden.
7.Munds
Munds
Site des
of Too
Broke
Sturgis
7.
Park:Park:
Schauplatz
Too Broke
for for
Sturgis
Run Run
8.Das
Cave
Creek
8.
Clubhaus
desclubhouse
Charters Cave Creek
9.
Wohnort
von Sonny
BargerBarger
9.Carefree:
Carefree:
Home
of Sonny
10.
wir Anwärter
waren)
10.Undercover-Haus
Undercover (während
house (while
prospecting)
11.
wir Solowith
Angeles
waren)
11.Undercover-Haus
Undercover (während
house (while
Solo
Angeles)
12.
Charters Mesa
12.Clubhaus
Mesa des
clubhouse
13.
Wohnort
von »Bad
Bob« Johnston
13.Chandler:
Chandler:
Home
of “Bad
Bob” Johnston
14. Florence: Hier findet jedes Jahr der Prison Run statt.
14. Florence: Home of annual Prison Run
15. Tucson: Clubhaus des Charters Tucson, Tätowiersalon Black Rose,
15. Tucson: Tucson clubhouse, Black Rose tattoo
Wohnort
von
Doug
Dam, Robert
McKay
und Jay
DobynsMcKay,
während der
parlor,
and
homes
of Doug
Dam,
Robert
Operation
Black
Biscuit during Operation Black Biscuit
and Jay
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von
Gulf
of
California
Kalifornien
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Tucson
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Jay Dobyns und
Nils Johnson-Shelton
Mein Höllentrip
als UndercoverAgent bei den
Hells Angels
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Inhalt
Biker, Cops und Motorradclubs, die an den Operationen »Riverside« und
»Black Biscuit« beteiligt waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweis für Leserinnen und Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil I
Das Ende
1. Vogelrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil II
000
Der Anfang
2. Meine »saugende« Brustwunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 000
3. »Was du hier siehst, ist die Liebe meines Lebens; genau das
siehst du hier« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Randale bei Harrah’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Black Biscuit BBQ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rudy will wissen, wo ich gesessen habe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil III Die Mitte
7. Zu pleite für Sturgis, wo Timmy die hohe Kunst des
Sauerkrautholens lernte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8. Jesus hasst Schlappschwänze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die erste Nacht in Mesa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Ich will was? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11. Warum hat Jack mir diesen Stein gegeben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Belehrung eines Lehrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Smitty wird mit Kuchen gefüttert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. »Zur Hölle mit euren Kanonen!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15. Auf Wiedersehen, Carlos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Wir wollen dich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17. Gib mir ein B! Gib mir ein I! Gib mir ein R! Gib mir ein D! . . . . . . . . . . . 18. Fünf Jahre in der Wüste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falscher Engel Umbruch.indd 6
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19. Rudy Kramer wird festgenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Hallo, JJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21. Aufmunternde Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. »Wenn ich dich Bastard noch einmal in dieser Stadt sehe,
begrabe ich dich in der Wüste, wo dich keiner findet« . . . . . . . . . . . . . . 23. Einatmen … Ausatmen … Einatmen … Ausatmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Jingle Bells, Batman Smells usw. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Die Solo-Gastarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Willst du mein sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27. »9-1-1! 9-1-1! Raus aus dem Haus!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Iron Skillet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29. »Hören Sie, Lady, das soll nicht heißen, dass es mir scheißegal ist,
was Sie sagen; aber es ist mir scheißegal, was Sie sagen« . . . . . . . . . . . 30. Hoover wurde ermordet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31. Keine Solos mehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32. Big Lou und Gayland Hammack ziehen eine Schau ab . . . . . . . . . . . . . . 33. »Bringt mir den braunen Senf, nicht den gelben Scheiß« . . . . . . . . . . . . Teil IV
Noch einmal: Das Ende
34. Auf der Hydroxycut-Autobahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35. Her mit dem Bottom Rocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36. Zu den Waffen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37. … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38. Hass und Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39. Die Razzia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wo sind sie jetzt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkung des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falscher Engel Umbruch.indd 7
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Rudy will wissen,
wo ich gesessen habe
Mai 2002
Rudy Kramer war seit langer Zeit Biker und Wiederholungs­
täter. Sein Vorstrafenregister drehte sich um Meth, das er hergestellt und verkauft,
aber auch konsumiert hatte – womit er gegen die wichtigste Regel im Hand­
buch des erfolgreichen Drogendealers verstoßen hatte. Er wurde wegen ille­
galen Waffenbesitzes eingebuchtet, und da die besagte Waffe ein Maschinen­
gewehr war, saß er in der Tinte. Vor die Wahl gestellt, Informant zu werden
oder eine lange Zeit im Knast zu verbringen, entschloss er sich klugerweise zur
Kooperation.
Rudy war kein Hells Angel, aber er erkannte verblüffend viele von ihnen auf
Verbrecherfotos und behauptete, mindestens drei prominente Angels in Ari­
zona persönlich zu kennen: Robert »Bad Bob« Johnston, den Präsidenten des
Mesa-Charters, Daniel »Hoover« Seybert, den Präsidenten des Cave-CreekCharters, und sogar Sonny Barger. Er erzählte uns, Sonny habe Alkohol und
Drogen gegen den Genuss von Cola und Eiscreme eingetauscht und fahre mit
Windschutzscheibe, weil er als Folge von Kehlkopfkrebs eine Öffnung in der
Luftröhre habe.
Außerdem kannte Rudy einen Typ namens Tony Cruze, einen gierigen Dro­
genkonsumenten, der offen mit Waffen und Drogen handelte. Cruze war der
Präsident der Red Devils von Tucson, eines Clubs, der die Hells Angels unter­
stützte. Solche Supportclubs unterscheiden sich von ihren übergeordneten Vor­
bildern – sie haben eigene Mitgliederlisten, Clubhäuser und Büros –, operieren
aber mit offizieller Erlaubnis der Hauptclubs und tun im Wesentlichen alles,
was man von ihnen verlangt. Weitere Unterstützungsclubs der Hells Angels in
Unser Informant
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Teil II DER ANFANG
Arizona waren damals unter anderem die Spartans und die Lost Dutchmen;
aber die Red Devils waren der größte und gefährlichste Club. Sie stellten den
Angels hauptsächlich Muskelmänner zur Verfügung, die Leute unter Druck
setzten, Geld eintrieben und Erpressungen verübten.
Das war alles sehr nützlich, aber in Rudys wechselvoller Vergangenheit gab
es noch eine Phase, die ihn für uns wichtig machte. Er war inaktives Mitglied
einer mexikanischen Motorradgang namens Solo Angeles in Tijuana. Die Solos
hatten etwa 100 Mitglieder, darunter auch ein paar in der Region San Diego
und Los Angeles.
Wir wussten, dass die Hells Angels paranoid waren, aber auch, dass sie nicht
so unsicher waren wie die kleineren Clubs. Hätten wir uns wie ganz normale
Ganoven aufgeführt und dann an die Angels herangemacht, hätten sie uns igno­
riert oder wären höchstens äußerst vorsichtig gewesen. Wir mussten erreichen,
dass sie uns in ihr Clubhaus einluden. Es war eine Frage des Respekts. Das
war in Bikerkreisen allgemein bekannt, so wie jeder wusste, dass der Himmel
blau ist.
Nach unserem Plan sollte Rudy die Hells Angels um Erlaubnis bitten, in
Arizona einen Nomaden-Charter der Solo Angeles zu gründen. Dann würden
wir als seine Truppe auftreten. Der Umstand, dass dieser Club seine Wurzeln in
Mexiko hatte, passte vorzüglich zu meiner Behauptung, dass ich dort Waffen
verkaufte. Als Nomaden der Solo Angeles brauchten wir keinem Charter anzu­
gehören, so dass die bereits vorhandenen Mitglieder uns nicht behindern konn­
ten. Außerdem hatten wir die Chance, den Weg für eine Anklage nach dem
RICO-Gesetz zu ebnen, wenn wir beweisen konnten, dass die Angels die Out­
law-Clubs in Arizona befehligten. Wir sahen nur Vorteile. Rudy sollte unser
Präsident sein, Carlos ein Vollmitglied. Mein zuverlässiger Informant Pops sowie
Billy »Timmy« Long sollten Anwärter spielen. Und ich, Jay »Bird« Dobyns, war
als Vizepräsident der Solo-Nomaden vorgesehen.
Bevor wir loslegten, musste ich mit Rudy sprechen. Slats arrangierte ein Tref­
fen in den Embassy Suites in der Nähe des Sky Harbor International Airport in
Phoenix.
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Kapitel 6
63
Rudy wusste fast gar nichts von mir. Gemäß unserem Plan hatte Slats ihm
nicht gesagt, dass ich Polizist war. Wir wollten, dass er sich mit möglichst wenig
Vorurteilen einen ersten Eindruck von mir verschaffte.
Ich fuhr mit meiner ’63 Harley-Davidson Panhead zum Hotel. Slats Auto
stand davor. Ich war wie üblich gekleidet und trug keine sichtbare Waffe.
Ich klopfte an die Tür von Zimmer 11. Schritte näherten sich, die Tür ging
auf, und Sonnenlicht fiel in den ansonsten halbdunklen Raum. Slats hielt den
Türgriff und winkte mich hinein.
An einem runden Tisch rechts neben der Tür saß ein dicker Mann mit kur­
zem braunem Haar, der eine Panoramasonnenbrille trug. Er hatte einen saube­
ren Schnurrbart, auf den er offensichtlich sehr stolz war, und ein dreieckiges
Haarbüschel unter der Unterlippe. Auf seiner Stirn sah ich eine tiefe, waag­
rechte Sorgenfalte. Er trug ein ärmelloses schwarzes Hemd, und sein ganzer
Oberkörper, auch die Arme und der Hals, war tätowiert.
Ich wandte mich ihm zu und steckte mir eine unangezündete Zigarette in
den Mund. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Einige Sekunden ver­
gingen, während wir einander musterten.
»Ich bin Bird.«
»Rudy.«
Ich streckte die Hand aus, und er ergriff sie. Es war ein sehr kräftiger Hän­
dedruck. Er warf einen Blick auf meine Schulter und meine Brust und prüfte
meine Tattoos. Meine Hand ließ er nicht los. Und ich ließ seine nicht los.
»Wo hast du gesessen? Und wofür?«
Ich lächelte Slats an und wandte mich dann wieder an Rudy. »Alter, sie
­haben mich nie geschnappt, und ich war nie im Knast.« Unsere Hände gaben
nicht nach, aber sie schmerzten bestimmt. Meine auf jeden Fall.
»Was zum Teufel hast du dann mit Slats zu schaffen?«
»He, Mann, ich weiß nicht, was Big Boy dir von mir erzählt hat« – natürlich
wusste ich es –, »aber ich bin hier, weil Slats und ich zusammenarbeiten.« Ich
machte eine Pause. »Ich bin Polizist.«
Rudy ließ meine Hand los und zog ungläubig den Kopf zurück. Meine
Fingerknöchel freuten sich. Ich wollte die Hand schütteln, tat es aber nicht. Er
sagte: »Blödsinn.«
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Teil II DER ANFANG
»Nee. Die reine Wahrheit. Ich bekomme alle zwei Wochen einen Scheck,
damit ich mich so anziehen und mit Leuten wie dir rumhängen kann.«
Rudy lachte, sah Slats an und zeigte auf mich. »Das ist nicht fair. Wie sollen
wir gegen Bullen gewinnen, die so aussehen?«
Slats zuckte mit den Schultern.
»Sollst du ja gar nicht, Mann.« Ich deutete auf die Sessel am Tisch. »Darum
gibt es Jungs wie mich – wahrscheinlich mehr, als du dir vorstellen kannst.«
Er dachte eine Weile nach. Vielleicht ging er eine Datei mit Gesichtern und
Namen durch und pickte Kandidaten heraus. »Verdammter Mist. Wäre aber
sinnlos, mir jetzt darüber Sorgen zu machen.«
Ich setzte mich, nahm meine Sonnenbrille ab und legte sie auf den Tisch.
Dann steckte ich die Zigarette hinters Ohr und verschränkte die Finger. Meine
Ringe klopften eine kleine blecherne Melodie. Ich strahlte Ruhe aus. »Schau mal«,
sagte ich so freundlich wie möglich. »Wir haben dich in der Hand, das stimmt.
Slats hat dir das bestimmt schon gesagt. Du bist ein alter Hase und kennst das
Spiel ebenso gut wie wir. Dies ist für dich eine Chance, frühere Sünden gutzu­
machen, wenn du das willst. Wenn nicht, weißt du, was dich ­erwartet.«
Er sagte: »Mann, ich bin hier, um zu arbeiten.«
»Gut. Dann lass uns reden.«
Ich berichtete ihm alles von Bird und nichts über Jay Dobyns. Ich erzählte
ihm, wie ich ein paar flüchtige Bekanntschaften mit Angels geschlossen hatte,
die er zu kennen behauptete. Wir sprachen über Smitty und Bad Bob. Ich sagte
Rudy, er sei ein wichtiger Teil der nächsten Ermittlungsphase. Slats bestätigte,
dass wir ihn brauchten. Es ist immer gut, einem Informanten zu schmeicheln,
vor allem wenn ein Strom aus gemischten Gefühlen ihn von uns trennt. In
solchen Fällen muss man Vertrauen herstellen oder zumindest den Anschein
von Vertrauen. Rudy fragte, was wir von ihm verlangten. Slats erläuterte kurz
den Plan. Rudy hörte aufmerksam zu und nickte oder lächelte hin und wieder.
Als Slats fertig war, sagte Rudy, es sei riskant, besonders für ihn. Aber er fügte
hinzu, der Plan sei derart verrückt, dass er klappen könne, und dass wir den
richtigen Mann ausgesucht hätten. Ich erklärte, nicht jeder sei für diese Auf­
gabe geeignet – wir bräuchten ihn und nur ihn.
Ich zog die Zigarette hinter meinem Ohr hervor und zündete sie an. Wir
alle zündeten eine Zigarette an.
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Kapitel 6
65
Er sagte: »Ihr braucht mir nicht so zu schmeicheln.«
»Vielleicht nicht«, sagte ich. »Aber nach außen hin bist du der Chef, und
das darfst du nie vergessen. Wenn es funktioniert und wir als Einheit arbeiten,
mit dir als Boss, dann muss dir eines klar sein: Wir, vor allem ich, sagen dir, wo
es langgeht. Kapiert?«
Er machte »Mhmmmm.« Ich starrte ihn an. Er trug immer noch seine Son­
nenbrille. Ich wusste, dass ich an diesem Tag seine Augen nicht sehen würde.
Vielleicht schämte er sich, mit der Gegenseite zu kollaborieren, oder es reizte
ihn, etwas so Kühnes zu wagen. Wie auch immer, er verbarg seine Gedanken
hinter der Brille. Ich machte ihm keinen Vorwurf, denn er hatte keinerlei Wahl,
und niemand hat Lust, dem Kerl ins Gesicht sehen, der einem sagt, was man
tun oder lassen soll – nicht bei der ersten Begegnung.
»Nun?«, fragte ich.
Er schwieg eine Minute lang. Dann deutete er auf meinem linken Arm und
sagte: »Dieses Tattoo …«
»Ja?«
»Was ist das?«
»Sankt Michael.«
»Oh.«
»Kennst du ihn?«
»Ich glaub schon. Er ist der Schutzpatron der Cops, nicht wahr?«
»Stimmt. Und der Krämer. Hab ich mal im Internet gecheckt.«
»Echt?«
»Echt.«
Das gefiel ihm nicht besonders. Egal.
Er sagte: »Wenn du mit diesen Jungs fahren willst, musst du dir aber ’ne
andere Geschichte ausdenken.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und fuhr
mit einem Finger über die Tätowierung auf meinem Rumpf.
»He, Alter, glaubst du wirklich, ich hätte es ohne eine gute Story über mei­
nen Sankt Michael so weit gebracht? Ich bin der Mann mit dem Schwert, der
Drache ist meine Drogensucht, und ich bringe diesen Dreckskerl um. Ich bin
vom Fach, Kramer, nur keine Panik.«
Er grunzte zufrieden und zog die Vorhänge auseinander. »Und das dort?«
»Mein Motorrad?«
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66
Teil II DER ANFANG
»Ja.«
»Was ist damit?«
»Es sieht gut aus, aber es kann mit den Jungs, die wir treffen werden, nicht
mithalten.«
»Ich kann mithalten.«
»Aber nicht mit einer abgetakelten Panhead. Vielleicht bist du der King der
Undercover-Cops, aber ich bin ein Top-Biker. Also schau zu und lerne.«
»Was das betrifft, will ich nicht mit dir streiten, Alter.«
Darum tat ich es nicht.
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Glossar
18 USC § 922 (g) (1): In diesem Gesetzestext steht: »Einer Person, die von
einem Gericht wegen einer Straftat zu einer Gefängnisstrafe von über einem
Jahr verurteilt wurde, ist es untersagt, im Binnen- oder Außenhandel Feuerwaf­
fen oder Munition zu verschicken oder zu transportieren oder zu besitzen oder
damit zu handeln oder Feuerwaffen oder Munition in Empfang zu nehmen, die
im Binnen- oder Außenhandel verschickt oder transportiert wurde.«
81: Andere Bezeichnung für die Hells Angels, abgeleitet vom achten und ersten
Buchstaben des (HA).
AFFA: »Angels Forever, Forever Angels.«
Altamont Raceway: Eine Rennbahn in Altamont, Kalifornien. Hier fand 1969
das berüchtigte Konzert der Rolling Stones statt, bei dem die Hells Angels mit
einem Besucher in Streit gerieten und ihn schließlich töteten.
Angel Dust: Phencyclidin, auch PCP genannt. Wurde in den 1970er-Jahren
durch die Hells Angels bekannt gemacht und wird daher auch Angel Dust
(»Staub der Angels«) genannt.
Anwärter (prospect): Ein »Auszubildender«, der eine Vollmitgliedschaft bei den
Hells Angels anstrebt.
Apehanger: Motorradlenkstange mit Griffen oberhalb der Schultern.
ASAC: Assistant Special Agent in Charge. Ein Außenagent, der dem SAC unter­
steht (siehe dort).
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Teil IV NOCH EINMAL: DAS ENDE
Associate: Ein Verbündeter oder Freund eines Motorradclubs; in allgemeinerer
Bedeutung auch ein Partner, etwa bei Straftaten.
Berdoo: San Bernardino in Kalifornien. Dort entstand 1948 der erste Charter
der Hells Angels, der offizielle »Muttercharter«.
Bezahlter Informant: Ein Informant, der für eine Justizbehörde arbeitet, aber
kein Polizist ist. Er ist eine Art Söldner, dem es nicht um Strafmilderung geht.
Biker: Motorradfahrer.
bottom rocker: Siehe Rocker.
Charter: Eine lokale oder regionale Untergruppe eines Clubs, auch Chapter
genannt.
Cover: Da ein verdeckter Ermittler gefährlich lebt, bekommt er von einem
Kollegen Deckung (cover). Bei riskanten Einsätzen schützt ihn ein ganzes Cover­
team, das jederzeit eingreifen kann.
Dago: San Diego in Kalifornien.
Deckung: siehe Cover.
Die vier Großen: Die größten Outlaw-Motorradclubs der Welt: Pagans (»Hei­
den«), Outlaws (»Gesetzlose« oder »Geächtete«), Bandidos und Hells Angels.
Dreiteiliges Abzeichen: Die drei Aufnäher auf dem Rücken einer Weste, die
ein Mitglied eines Outlaw-Motorradclubs trägt.
Einprozenter: Spitzname, der auf eine Bikerschlägerei im Jahr 1947 in Hollis­
ter zurückgeht. Danach erklärte die American Motorcyclist Association: »99
Prozent der Motorradfahrer sind gesetzestreue Bürger, nur ein Prozent ist ge­
setzlos.«
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Anhang
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Farben: Die Biker-Kutte.
Hangaround: Ein potenzieller Anwärter, der bei einem Club »herumhängt«,
um herauszufinden, ob der Club daran interessiert ist, ihn zum Anwärter zu
machen, und ob die Lebensweise der Biker ihm zusagt. Auch Hanger oder
Hänger genannt.
Informant: Jemand, der Informationen über seine Komplizen liefert. Oft wer­
den Informanten ebenfalls angeklagt und sind daher bereit, im Austausch für
eine Strafmilderung mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Einige Informanten
wenden sich freiwillig an die Polizei. Siehe auch Bezahlter Informant.
Käfig: 1. Gefängnis. 2. Ein Auto oder ein LKW. Wer darin fährt, sitzt in den
Augen der Biker in einem »Käfig«.
Kutte: Die (ärmellose) Weste eines Bikers.
Mittelstück, mittlerer Aufnäher: Der große Aufnäher auf dem Rücken einer
Kutte zwischen dem top rocker und dem bottom rocker. Er stellt die Insignien
des Clubs dar, bei den Hells Angels den Totenkopf. Siehe auch Totenkopf und
rocker.
MC: Motorcycle Club. Ein kleiner MC-Aufnäher befindet sich meist auf dem
Rücken einer Kutte, rechts vom und unter dem Mittelstück.
Meth: Methamphetamin. Ein sehr starkes Aufputschmittel, bei dem die Sucht­
gefahr extrem groß ist. Wird meist geschnupft oder geraucht, gelegentlich inji­
ziert. Auch Crystal oder Ice genannt.
Nomaden (nomads): Hells Angels, die keinem lokalen Charter angehören.
Outlaws: »Gesetzlose« oder »Geächtete«. Der »harte Kern« der Bikerclubs, den
Recht und Gesetz nicht interessieren.
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368
Teil IV NOCH EINMAL: DAS ENDE
Panhead: Ein Motorrad der Marke Harley-Davidson, das von 1948 bis 1965
produziert wurde. Seinen Namen verdankt es seinem Zylinderkopf, der einer
Bratpfanne ähnelt. Andere Serien sind Knucklehead (vor 1948), Shovelhead
(1966–1984) und V-Twin (1985 bis heute).
Poker Run: Ein Run (siehe dort), bei dem Biker an verschiedenen Orten anhal­
ten und eine Spielkarte bekommen. Am Ende gewinnt der Besitzer des besten
Blattes einen vorher festgelegten Preis.
Ratte: Ein Insider, der die Seite gewechselt hat und mit der Justiz zusammen­
arbeitet.
RICO: Racketeering Influenced and Corrupt Organizations Act (Gesetz gegen
erpresserische Beeinflussung und korrupte Organisationen). Ein Bundesgesetz,
das Verbrechen unter Strafe stellt, die jemand als Mitglied einer bestehenden
kriminellen Organisation begeht.
rocker: Ein gekurvter Aufnäher, welcher der Kufe eines Schaukelstuhls ähnelt.
Der top rocker enthält den Namen des Clubs und wird auf den Rücken der
Kutte quer über die Schultern genäht. Der bottom rocker gibt den Sitz des Char­
ters an und befindet sich auf dem Rücken der Kutte quer über der Taille. Zu­
sammen mit dem mittleren Aufnäher bilden die Rocker das dreiteilige Ab­
zeichen der Vollmitglieder eines Outlaw-Motorradclubs.
Run: Ein großes Treffen von Motorradfahrern. Auch Rally genannt.
SAC: Special Agent in Charge. Der Außenagent (Field Agent), der die Ermitt­
lungen in einem bestimmten Fall (z.B. Black Biscuit) leitet.
Sekretär: Ein Clubmitglied, das für den Papierkram zuständig ist, zum Beispiel
für das Protokoll einer Clubsitzung und für die Buchführung. Auch Schriftwart
oder Schatzmeister genannt.
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Anhang
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Sergeant at arms: Ein Clubmitglied, das für Sicherheit, Waffen und innere
Disziplin zuständig ist.
top rocker: Siehe Rocker.
Totenkopf: Der geflügelte Totenkopf ist das Logo der Hells Angels.
Unterstützungsclub (support club): Ein Club, der einen anderen Club unter­
stützt.
World Run: Meist ein jährliches Treffen, zu dem alle Clubmitglieder erschei­
nen müssen.
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