Mafia, Geheimdienste und Politik der USA

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Mafia, Geheimdienste und Politik der USA
2015
Mafia, Geheimdienste und
die Politik der USA...
Autor - R. Kohler
http://us-politik.ch
TTIP – Aktionsbündnis / Österreich
Networking Portal of Resistance
Als PDF verarbeitet von W. Nosko
http://npr.eulu.info
06.10.2015
1.
EINLEITUNG
Diese Chronik behandelt die Geschichte des Organisierten Verbrechens und der
Geheimdienste in den USA sowie deren Einflüsse auf die Politik
Schwerpunkte bilden:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
–die Präsidentschaften von John F. Kennedy, Richard Nixon, Ronald Reagan,
George Bush sen., George Bush jun. und Barack Obama;
–die Ermordungen von John Kennedy, Robert Kennedy, Marilyn Monroe, Patrice
Lumumba, Ernesto Che Guevara, Martin Luther King; Enrico Mattei, Aldo Moro,
Oscar Romero, John Lennon, Olaf Palme;
–die Mafia in Chicago, Louisiana und New York;
-die Aktivitäten von CIA, FBI, NSA, Secret Service, und der Militärgeheimdienste;
-die Kriege gegen Deutschland, Italien und Japan, Korea, Kuba, Vietnam,
Kambodscha und Laos, den Irak und Afghanistan;
-die Putsche im Iran, in Guatemala, Indonesien, Chile, Panama;
-der 11.September 2001 und der amerikanische Staatsterrorismus.
Zudem gibt es viele weitere Informationen zu relevanten, zeitlich angeordneten Ereignissen (siehe
Seite 3 - Übersicht.
Zu Beginn der jeweiligen Abschnitte sind die Stichworte und Personen angegeben, die behandelt
werden und mit den Links schnell gefunden werden können.
Für eine vertiefte Beschäftigung mit dem jeweiligen
Ereignis, Akteur oder Land habe ich die verwendeten
Quellen angegeben und in einem Quellenregister
zusammengefasst.
Zum Text
Die Chronik ist kein Buchtext mit einer ausgewogenen
Darstellung der Geschichte der USA im 20. Jahrhundert,
sondern eine Zusammenfassung meiner Recherchen für das
Theaterstück Kennedy. Macht. Sex. Die einzelnen Ereignisse
und Biographien dieser Chronik sind unterschiedlich genau
dargestellt, weil ich primär die Hintergründe für Präsident
Kennedys Ermordung verstehen wollte. Ich habe jedoch auch
andere wichtige Ereignisse und spätere Entwicklungen (vor
allem die Präsidentschaften von Nixon und Bush sen. und jun.) in diese Chronik miteinbezogen.
Entstanden ist eine komprimierte Zusammenstellung von Fakten, Personen und ihren Verbindungen,
die als Anregung für eigene Recherchen dienen soll.
Methodologische Grundsätze
Staaten und Institutionen sind soziale Konstrukte. Wörter wie "Regierung", "CIA" oder "Mafia"
verweisen auf kollektive Illusionen, die für die Koordination menschlichen Verhaltens
handlungsrelevant sind. Die Konstruktionen in den Köpfen werden durch Handlungen zu Fakten
(Faktum = Gemachtes). Wir haben keine andere Wahl, als am Selbstverständnis der Akteure
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anzusetzen und diese Konstruktionen ebenfalls zu verwenden, um das Funktionieren von Politik,
Gesellschaft oder Wirtschaft rekonstruieren zu können. Die begrifflichen Traditionen erleichtern die
historische Analyse, beinhalten aber die Gefahr der alltagstheoretischen Selbstverständlichkeit. Denn
"Staatsschutz", "nationale Sicherheitsinteressen" oder "Gesetze" sind im Wesentlichen
Legitimationsformeln, um bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten.
Da die Geheimdienste und die Mafia keine schriftlichen Quellen hinterlassen oder diese meist nur
ungenügend zugänglich sind, bleibt die Historiographie ihrer Aktivitäten und Wirkungen ein delikates
Unterfangen. Die mangelnden 'Beweise' müssen durch mehrschichtige Rekonstruktionen,
systematische Vergleiche und detaillierte Fallanalysen kompensiert werden, entsprechend der
kriminalpolizeilichen Doktrin Ciceros: "Cui bono?" (Wem nützt es?)
Trotzdem bleiben Rekonstruktionen wie diese Chronik anfällig für die Diffamierung als
"Verschwörungstheorien." Jede Theorie und jede Geschichtsschreibung muss die Komplexität der
Ereignisse und Zusammenhänge auf die wichtigen Faktoren reduzieren und mit Generalisierungen
arbeiten. Es gibt keine Person oder politische Gruppe, die die Welt beherrschen könnte, sondern nur
unzählige Akteure, die jedoch gruppenspezifische Interessen verfolgen. Von ihren Überzeugungen
und Intentionen muss jede historische Analyse ausgehen und diese in Bezug auf die Kontexte
rekonstruieren, indem sie nach den Möglichkeiten, Bedingungen und Effekte der Handlungsfelder
fragt. Politik ist das Feld der institutionalisierten Machtkämpfe, bei dem die inoffiziellen Kampfmittel
nicht ausgeblendet werden dürfen, mit denen die Prozesse im Geheimen wesentlich gesteuert
werden. "Wo das Geheimnis beginnt, beginnt die wirkliche Macht" (Hannah Arendt).
R. Kohler
Hinweis: Das PDF verfügt über ein anklickbares Inhaltverzeichnis (Lesezeichen) mit dem
man bequem zu jedem gewünschten Abschnit oder Thema navigieren kann.
Seite [2]
2.
Übersicht
Die wichtigsten Themen
Teil 1:
Die Entstehung und Konsolidierung der Mafia sowie die Karrieren von J. Edgar Hoover,
Prescott Bush und Joe Kennedy.
Teil 2:
Die Kooperation von Armee, Geheimdienste, Industrie, Mafia, Faschisten und Vatikan im
2. Weltkrieg und danach.
Teil 3:
Verdeckte Operationen der CIA und die Zusammenarbeit von Mafia, Nixon und den
Faschisten.
Teil 4:
Die Mafia-Unterstützung für Kennedy und Nixon, die Revolution in Kuba und die
Interventionen der CIA.
Teil 5:
Das erste Jahr der Präsidentschaft Kennedys: Aussenpolitik, Geheimdienste, Mafia und
Frauen.
Teil 6:
Die Ermordung von Marilyn Monroe und die Kuba-Krise.
Teil 7:
Kennedys Konfrontationspolitik und die Entstehung einer Gegenallianz.
Teil 8:
Die Ermordung von John F. Kennedy und die Ermittlungen der Warren-Kommission.
Teil 9:
Der Vietnamkrieg, der Garrison-Prozess und die Ermordungen von Martin Luther King und
Robert Kennedy.
Teil 10:
Die Präsidentschaft von Richard Nixon: Vietnamkrieg, Putsch in Chile und Watergate.
Teil 11:
Die Aktionen der CIA in Italien, Kambodscha, Indonesien, Iran, Afghanistan, Nicaragua und
Irak unter Ford und Carter.
Teil 12:
Der Iran-Contra- und der Sparkassenskandal während der Reagan/Bush-Regierung.
Teil 13:
Die Präsidentschaften von George Bush und Bill Clinton mit der Panama-Invasion und dem
Golfkrieg.
Teil 14:
George W. Bush und das Terror-Attentat vom 11. September 2001.
Teil 15:
Die Folgen von 9-11: Anthrax, Patriot Act und der Afghanistankrieg.
Teil 16:
Der Irakkrieg und die anderen 'Schurkenstaaten', Finanzkrise, die Präsidentschaft von
Barack Obama.
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1. Teil (bis 1938)
Dieser Teil der Chronik behandelt die Entstehung, Immigration und Konsolidierung der
Mafia, die US-Politik in Lateinamerika und die Aktivitäten von J. Edgar Hoover, Prescott
Bush, Joe Kennedy und Franklin D. Roosevelt.
Zentrale Themen und Personen:
Amerikanische Ideologie, Erste Expansionen, Entstehung der Mafia, Ermordung von Abraham Lincoln und Gründung des
Secret Service, Immigration der Mafia, Hegemonialpolitik der USA, Federal Reserve System, Erster Weltkrieg: Prescott Bush,
Averell Harriman und George Herbert Walker, Prohibition und Konsolidierung der Mafia, Joseph Kennedy und Frank
Costello, J. Edgar Hoover beim FBI, Al Capone in Chicago, Börsenkrise 1929 , Die Mafia in New York: Lucky Luciano, Meyer
Lansky, Benny Siegel, Joe Masseria, Castellammare-Krieg, Salvatore Maranzano, Amerikanisierung der Mafia, Albert
Anastasia, Roosevelt und Kennedy, Kartell der Erdölgesellschaften: John D. Rockefeller und Aristoteles Onassis, Attentat auf
Anton Cemak und Franklin D. Roosevelt, Aufhebung der Prohibition: Glücksspielgeschäft, Gewerkschaften, Heroinhandel,
Upton Sinclair, New Deal, Carlos Marcello, Mafiaverfolgung, Hoover, die Nazis und die Mafia, Botschafter Kennedy in
England.
1.1. Amerikanische Ideologie
Die Gründerväter der USA sehen sich als Erben Moses und Amerika als ihr gelobtes Land. Sie
postulieren mit der Verfassung eine Zivilreligion, die die christlichen Konfessionen übersteigt. Die
jüdischen Archetypen des Alten Testaments (Exodus, auserwähltes Volk, gelobtes Land, Opfertod,
Wiedergeburt, abstrakter Gottesbegriff, Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott, religiöse Freiheit)
bleiben jedoch in den Menschenrechten festgehalten. Die Puritaner wollten in der Neuen Welt eine
Kirche und Gesellschaft schaffen, die den Vorgaben der göttlichen Bestimmung entspricht und als
Vorbild für die korrupte Alte Welt dazu beiträgt, diese vor dem Zerfall zu retten. Die Puritaner
glaubten an die Prädestination und an die Gnadenerfahrung, aus der sie auf ihre Überlegenheit und
heilsbringende Mission schlossen. Sie glaubten an einen Vertrag mit Gott (Federal Covenant)
geschlossen zu haben, der ihnen als Gegenleistung für die Erfüllung der christlichen Tugenden die
kollektive Erlösung bringt. Puritanerführer John Winthrop etwa beschreibt sein Programm "to
advance the kingdom of our Lord Jesus Christ, and to enjoy the liberties oft he gospel in purity with
peace" (in: Kendall Hosmer 1908, II: 100). Nach aussen ist der amerikanische Staat ein
missionarisches Projekt, denn es repräsentiert nicht nur Gottes auserwähltes Land, sondern hat auch
eine Wächter- und Richterfunktion für andere Nationen. Gleichzeitig stellt der Staat nach innen eine
Bedrohung für die religiöse Autonomie dar, die es zu begrenzen gilt. Es waren weniger die Puritaner
als vielmehr die Quäker, Baptisten, Täufer und Spiritualisten, die die Unantastbarkeit des inneren
Lebens durch den Staat durchsetzten. Wärend die weissen Amerikaner stolz auf das amerikanische
Staatsmodell sind und es aufgrund der angenommenen zivilisatorischen Überlegenheit ausbreiten
(Eroberung des Westens bis 1848 mit der Ausrottung der Indianer) und exportieren (Imperialismus),
sind sie gleichzeitig staatskritisch und befürchten, ihre Glaubens-, Rede- und Handlungsfreiheit
könnte durch die Staatsmacht eingeschränkt werden (Individualismus). Im Staatsbegriff nimmt die
Armee eine mythische Rolle ein, denn dem Krieg kommt eine zentrale Rolle bei der Expansion der
amerikanischen Kultur zu. Die technische und logistische Überlegenheit der amerikanischen Armee
wird dabei als moralisch-kulturelle Überlegenheit interpretiert. Das Verhältnis der Amerikaner zur
Welt wird vom Kampf dominiert: gegen die Korruption, den Kommunismus, den Terrorismus, und
durchwegs moralisch-dualistisch ausgedrückt: unschuldig und moralisch überlegen gegen böswillig
und minderwertig.
Quellen: Madsen (1998).
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1.2. Amerikanische Verfassung
In heutigen Geschichtsbüchern erscheint die Amerikanische Revolution als eine demokratische
Umwälzung. Die Unabhängigkeitsbewegung der Siedlerkolonisten kann als demokratische Erhebung
interpretiert werden, denn schon vor der Unabhängigkeitserklärung 1776 hatte eine mächtige
Bauernbewegung in North Carolina den Aufstand gegen wohlhabende und korrupte britische Beamte
geprobt. Von 1766 bis 1771 konnte die sogenannte Regulatorenbewegung nur durch einen massiven
Einsatz des Militärs an einem demokratischen Umsturz gehindert werden. Allerdings wird die
politische und soziale Gleichheit in der Verfassung nicht festgeschrieben. Auf dem
Verfassungskonvent in Philadelphia 1787 verhindern die Wohlhabenden eine Teilhabe aller am
Reichtum und den politischen Entscheidungen. Schon die Unabhängigkeit war ein Projekt der
aufsteigenden Neureichen, denn 69% der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung waren
englische Kolonialbeamte. Doch war es nach erfolgreichem Unabhängigkeitskampf schwer, den
demokratischen Geist der bewaffneten Bevölkerung wieder in die Flasche zu bekommen. Da die
Kriegskosten auf die arbeitende Bevölkerung abgeschoben wurden, kam es zu Revolten und zwei
blutig niedergeschlagene Volkserhebungen in Massachusetts und Pennsylvania, die die Enteignung
der Kriegsspekulanten verlangten. In den Articles of Confederation wird daher das Privateigentum
besonders geschützt. Volksführer wie Samuel Adams und Patrick Henry hatten von vornherein auf
die Teilnahme am Verfassungskonvent verzichtet. Geschaffen wurde dann Bundesbehörden ohne
direkte Kontrolle des Volkes nach dem Vorbild Roms, wobei eine Balance zwischen Demokratie,
Aristokratie und Monarchie erreicht werden soll: Ein Präsident mit monarchischen Kompetenzen, ein
Senat als Interessevertretung der wohlhabenden Aristokratie und der Kongress als demokratisches
Element. Während die demokratischen Vertreter die politischen Repräsentationsorgane vielen
Delegierten besetzen wollen, um die Partikularinteressen einzudämmen, setzen die Federalists auf
einen Staat mit genügend Repressionsmittel, um die wirtschaftlichen Interessen der besitzenden
Klassen nach innen und außen zu schützen. Die Anti-Federalists können durchsetzen, dass die
Verfassung durch die Bill of Rights ergänzt wird, was aber keinen Sozialstaat garantiert.
1.3. Erste Expansionen
Bereits am 2.12.1823 verkündete Präsident James Monroe die nach ihm benannte Doktrin, die den
Europäern jeglichen Einfluss in den amerikanischen Kontinenten verbietet. Die Briten wollen das
bröckelnde Kolonialreich der Spanier beerben, was die USA zu verhindern verstehen. 1824 erfolgt
eine militärische Intervention der USA in Puerto Rico, 1831 in Argentinien, und 1845 und 1847 in
Mexico, worauf die USA die Hälfte des Territoriums annektieren. Nach dem Ende des Bürgerkriegs
proklamierte Präsident Ulysses Grant seinen Glauben an die "offenkundige Bestimmung" der USA,
den gesamten Kontinent unter ihre Vorherrschaft zu bringen.Der Konflikt mit den Briten 1895 um die
Grenze Venezuelas wird etwa mit der Doktrin der 'Manifest Destiny' gerechtfertigt. Zur "Verteidigung
der Demokratie" werden laufend Unabhängigkeits-Bewegungen abgeklemmt.
Meist wird der amerikanische Imperialismus religiös legitimiert: Schon im Krieg gegen die Mexikaner
in den 1840er Jahren wurde mit Rekurs auf die Prädestinationslehre behauptet, Gott selbst habe die
Pferde und Kanonen der Vereinigten Staaten gesegnet. 1859 verteidigte Horace Greeley die
Massaker an den Prärieindianern mit derselben Logik: "Diese Leute müssen aussterben - es kann
ihnen niemand helfen. Gott hat die Erde denen gegeben, die sie sich untertan machen und sie zu
kultivieren verstehen; es wäre vermessen, sich seinem gerechten Auftrag zu widersetzen." Die Politik
der USA ist von Anfang auf die Elimination der Ureinwohner ausgerichtet, denn die Kolonisation war
nicht auf Herrschaft, sondern auf privatrechtliche Ansiedlung angelegt. Deshalb gab es, im
Unterschied zu den spanischen Kolonien, nie eine Mestizengesellschaft. Während Jahrhunderten
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grenzte man die Indianer ‚aus der Gesellschaft' aus und verdrängte sie. Um ihnen die
Lebensgrundlage zu entziehen, wurden bis 1897 fast alle Bisons (30-40 Mio. Tiere) geschlachtet. Erst
1924 erhielten die Indianer auf dem Papier die volle Staatsbürgerschaft, was sich aber in der Praxis
nicht durchsetzte.
1853 laufen im Hafen von Uraga (heute Yokohama) vier US-Kriegsschiffe unter dem Kommando von
Admiral Matthew Calbraith Perry ein und belagern die Stadt. Ein Jahr später erhalten sie von der
Tokuguwa-Regierung den ersten Handelsvertrag. Damit ist die zweihundert jährige Geschichte der
Isolation Japans vorbei, und die Aufrüstung und Modernisierung wird zum zentralen Ziel der MeijiÄra von 1868 bis 1912. Wie seine westlichen Vorbilder will Japan eine imperiale Grossmacht werden,
wobei es sich in Bezug auf die Verwaltung und das Militär stark an Deutschland orientiert. Mit
Ausbruch des Ersten Weltkriegs beginnt Japans Expansionsstrategie.
Weder die Konflikte mit den Indianern noch der Krieg gegen Mexiko 1846 belasten die amerikanische
Wirtschaft, denn die USA unterhalten eine reguläre Armee von lediglich 26'000 Soldaten. Daher kann
das Kapital produktiv eingesetzt werden, und die USA entwickeln sich bis zum Beginn des
Bürgerkriegs 1861 zu einer wirtschaftlichen Grossmacht. Nur Grossbritannien hat noch ein deutlich
grösseres Produktionsvolumen als die USA. In den vier Jahren des blutigen Bürgerkriegs wird
allerdings eine gewaltige Wehrpflichtarmee aufgebaut, sodass die USA die grösste Militärmacht der
Welt darstellen: Der Union dienen etwa 2 Mio. Soldaten (auf dem Höhepunkt 186465 etwa 1 Mio.
gleichzeitig) und bei den Konföderierten etwa 900'000 (maximal 465'000 gleichzeitig Ende 1863, am
Ende bloss noch 155'000); die Union verliert 360'000 und die Konföderierten 258'000 Mann. Der
Norden ist wirtschaftlich viel stärker (110'000 Produktionsbetriebe) als der Süden (18'000 Betriebe)
und produziert 1,7 Mio. Gewehre und 671 teilweise gepanzerte Kriegsschiffe für die Seeblockade. Im
ersten industriellen totalen Krieg kommen Telegraphen, drehbare Geschütztürme, Torpedos und
Minen zum Einsatz.
Die Basis der amerikanischen Industrialisierung liegt im Walfang. Während der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts werden Hightech-Schiffe entwickelt, die alle Meere der Welt erobern und die Wale
direkt zu Öl verarbeiten, das Schmiermittel, Material und Energie für Licht und Maschinen liefert. Auf
dem Höhepunkte um 1850 segeln 750 amerikanische Schiffe (alle anderen Nationen verfügen über
insgesamt 150 Walfangschiffe) auf allen Meeren und schlachten über 8000 Wale pro Jahr ab, was
einen Gewinn von $11 Mio. bringt. Pottwale enthalten bis zu 3600 Liter hochwertiges Öl, und die
Barten der Bartwale sind die Vorform des Kunststoffes. Das durch die Quäker betriebene
Walfangzentrum Nantucked und später die Walfangstadt New Bedford werden zu den reichsten
Orten. Aufgrund der Expansion werden die Wale soweit dezimiert, dass die Industrie währen dem
Bürgerkrieg zusammenbricht. Rund 250'000 Pottwale waren erlegt worden. Auf den Walfang folgen
der Goldrausch im Westen und der Petroleumboom in Pennsylvannia.
Nach dem Bürgerkrieg nutzen die USA ihre Vorteile (fruchtbare Böden, keine unmittelbare Feinde,
gewaltige Ressourcen und moderne Technologie wie Eisenbahn, Dampfmaschinen, riesiger
Binnenmarkt, Landwirtschaftsmaschinen, Produktions- und Bergbautechniken), sodass sie ihre
Rohstoffe nicht mehr exportieren, sondern selbst zum grössten Hersteller von Agrar- und
Industrieprodukten werden. Bis zum ersten Weltkrieg steigern sie die Exporte um das Siebenfache;
die Aussenpolitik konzentriert sich schon früh auf die Schaffung und Erhaltung von Absatzmärkten.
Noch stärker als die Güter prägten die Kapitalabflüsse und -investitionen aus dem Handelsüberschuss
mit Europa die politischen Beziehungen.
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Nicht nur in Europa sind die USA präsent. So nehmen US-Delegierte zum Erstaunen aller an der
Kongo-Konferenz 1884-85 in Berlin teil und setzen sich für den Freihandel ein, ohne dass das
resultierende Abkommen dann von den USA ratifiziert wird. Mit der Besetzung der Philippinen 1898
werden die USA zu einer asiatischen Kolonialmacht und verlangen 1899, als sie sich mit 2500
Soldaten an der internationalen Interventionstruppe in China beteiligen, auch ein Mitspracherecht in
China. 1902 schreibt der britische Journalist W.T.Stead ein Buch über die ‚Amerikanisierung der
Welt'.
Quellen: Kessler (2010), Kennedy (1987).
1.4. Die Entstehung der Mafia
Nach 1812 wurde der Feudalismus in Sizilien nach und nach gesetzlich abgeschafft. Da die
Landadeligen und Feudalherren die Bauern nicht mehr zur Arbeit zwingen konnten, verpachteten sie
ihre Latifundien an skrupellose Dorfhonoratioren, die die Bauern notfalls mit Schlägertruppen auf die
Felder treiben. Gegen die Franzosen entstand eine Untergrundbewegung in Form einer
Geheimgesellschaft, die mit dem Slogan "Morte Alla Francia Italia Anela!" Aufstände anzettelt.
Mithilfe der Bauern können die Truppen Garibaldis 1860 die Bourbonen stürzen und Sizilien wird ein
Teil des Königreiches Italien. Aber statt der ersehnten Freiheit von den parasitären Landbesitzern
folgen nach der Proklamation des italienischen Nationalstaates die Truppen und Polizisten der
Bourgoisie aus dem Norden und beuten den Süden wie eine Kolonie aus. Politisch bleibt jedoch ein
Vakuum, in dem lokale Herrscher sich durchsetzen können. 1865 schliessen sich die sizilianischen
Grossgrundbesitzer zu einer grossen Geheimgesellschaft, der "onorata società", zusammen.
Mitglieder dieser "Ehrenwerten Gesellschaft" erobern die Kontrolle der Stadtregierungen und des
Managements der Fabriken. Um 1900 gibt es im westlichen Drittel der Insel kaum eine Ecke, die sich
dem Einfluss der Mafia entzieht. Der Begriff "Mafia" wird 1865 das erste Mal von einer
Strafverfolgungsbehörde für Gruppen von kleinen Hehlern und Organisatoren von Verbrechen
verwendet. Bald darauf wird er nur noch auf kriminelle Vereinigungen bezogen, die von einem Boss
geleitet werden und über Klientel-Beziehungen ihre Umwelt beherrschen. Diese Mafiosi mit ihren
Schlägertruppen hatten nie die Absicht, die Bauern und Kleingewerbler gegen Unterdrücker zu
verteidigen, sondern sie wollten sie selbst ausbeuten. Das insulare Misstrauen gegen die italienische
Staatsautorität hat allerdings zu einem gewissen Schutz mafioser Geschäfte durch manche
Bevölkerungsgruppen geführt. Obwohl es einen capo di tutti capi gibt, um 1900 ist dies Don Vito
Cascio Ferro, der bei Interessenkonflikten und Streitigkeiten oberste Autorität geniesst, bleiben die
Mafiosi lokale Herrscher.
Während es in Sizilien nie eine einheitliche Organisation mit Zentralleitung gibt, hat sich in Neapel ein
uniformes, straff hierarchisches Stadt-Gangstertum entwickelt. Im Unterschied zur Mafia besetzen
Camorra-Bosse keine hohen politischen Positionen und können jederzeit ausgewechselt werden. Bei
der Mafia steht die Familie im Vordergrund; dagegen rekrutiert die 'ndrangheta in Kalabrien ihre
Mitglieder aus den untersten Schichten, die gegenüber sozialrevolutionären Ideen viel
aufgeschlossener sind. Ihre kriminellen Tätigkeiten liegen im Agrarsektor (Schutzgelderpressung für
Plantagen, Beherrschung der grünen Märkte) und im politischen Bereich (Wahlstimmenbeschaffung
und Einschüchterung von Gegnern) und haben durchaus auch gewerkschaftliche Aspekte. Der
Widerstand des von Fremdherrschaft gezeichneten Südens gegen die Zentralregierung und die damit
verbundene Schwäche der staatlichen Institutionen eröffnen jenes Machtvakuum, in dem das
Briganten-Gangstertum und die organisierte Kriminalität entstehen können.
Quellen: Raith: 48-82, Davis (1994): 20-22, Best: 2.
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1.5. April 1865: Die Ermordung von Abraham Lincoln und die Gründung des Secret Service
Präsident Abraham Lincoln wird vom 21jährigen Schauspieler John Wilkes Booth, einem angeblich
verrückten Rassisten, am 14.4.1865 ermordet. Gleichzeitig mit Lincoln werden zwei seiner
Kabinettsmitglieder an verschiedenen Orten in Washington angegriffen. Die Motive des Täters und
der Tathergang bleiben im Dunkeln, wichtige Beweismaterialien verschwinden, und Booth wird
später im Gefängnis umgebracht. Offiziell wollen Booth und seine Komplizen die Abschaffung der
Sklaverei verhindern. Vor dem Bürgerkrieg gab es in den USA als letztem modernen Staat der Welt 4
Mio. Sklaven, deren Arbeit die Grundlage des Reichtums und der Macht der USA und der
Handelsmächte bildet. Etwa eine halbe Million Afrikaner wurden im 17. und 18. Jahrhundert nach
Nordamerika verschleppt. 1808 verboten die USA die Einfuhr von Sklaven, doch insgeheim wurde sie
fortgesetzt. 1861 waren von den etwa 9,5 Mio. Einwohnern der abtrünnigen Südstaaten 3,5 Mio.
Sklaven. Bei seinem Amtsantritt am 4.3.61 verspricht Lincoln, sich nicht in die Sklavenfrage der
Südstaaten einzumischen. Diese nehmen am 12.4.61 das Fort Sumter in South Carolina unter
Beschluss, das die Dominanz des Nordens symbolisiert. Die Union erlebt in der ersten Phase des
Bürgerkriegs überwiegend Niederlagen, weshalb Lincoln der Union mit dem Emanzipationsedikt eine
moralische Überlegenheit verschafft. Indem er die Abschaffung der Sklaverei zum Kriegsziel erklärt,
lenkt er vom Machterhalt des industrialisierten Nordostens ab. Die britische Oberschicht und die
Textilindustrie können sich nun nicht mehr auf die Seite der Südstaaten schlagen, weil sie sonst als
Verteidiger der Sklaverei gelten würden. Zudem flüchten in der Folge Hunderttausende Sklaven zu
den Unionstruppen, was die Wirtschaft des Südens empfindlich schädigt, denn in den Armeen der
Union kämpfen 200'000 bewaffnete Afroamerikaner in gesonderten Regimentern, und weitere
250'000 sind als Hilfskräfte in den rückwärtigen Diensten tätig. "Wenn ich die Union retten könnte,
ohne einen einzigen Sklaven zu befreien, würde ich es tun", schreibt Lincoln 1862. Die befreiten
Sklaven möchte er jedoch "im Ausland" ansiedeln. Erst kurz vor dem Ende des Kriegs, den der Norden
aufgrund der technischen Überlegenheit gewinnt, will er den "sehr intelligenten Negern" das
Wahlrecht zugestehen. 620'000 Soldaten und 50'000 Zivilisten kommen im sinnlosen Bürgerkrieg
ums Leben.
Nach der Niederlage des Südens sind die Sklaven zwar frei, doch zu der von ihnen erhofften
Bodenreform und Aufteilung der grossen Plantagen kommt es nicht. Die meisten Südstaaten
verabschieden sofort Gesetze, die die Unterdrückung der ehemaligen Sklaven erlauben. Zudem
werden sie durch Pogrome des Ku-Klux-Klan eingeschüchtert. Die Terrororganisation wird 1869
verboten, besteht aber aber im Untergrund weiter. 1877 zieht der Norden seine Truppen aus den
Südstaaten zurück, worauf ein System der Rassentrennung installiert wird, das bis in die 1960er Jahre
existiert.
Booth ist Mitglied der katholischen Knights of the Golden Circle. Dieser katholische Laienorden ist
"committed to the preservation of slavery in the lands bordering the Caribbean Sea--the so-called
'Golden Circle'." Im März 1865 wird Booth, der sich in Washington öfters mit Jesuiten trifft, vom
Erzbischof Spaulding von Baltimore zum römisch-katholischen Christen geweiht. Der
Südstaatenführer Jefferson Davis wurde vom Papst Pius IX als neuer Präsident anerkannt, was erst
den Bürgerkrieg möglich machte. Aufgrund ihrer aggressiven politischen Interventionen werden die
Jesuiten in vielen Ländern verboten: 1757 und 1834 in Portugal, 1747 in Österreich, 1786 in Russland,
1820, 1835 und 1868 in Spanien, 1848 in der Schweiz, 1872 in Deutschland und Guatamala, 1873 in
Mexico, 1874 in Brazil, 1875 in Equador und Kolumbien, 1880 und 1901 in Frankreich und 1884 in
Costa Rica. Die Päpste Clemens XIII und Clemens XIV, die versuchten, den Jesuitenorden aufzulösen,
wurden 1769 bzw. 1774 ermordet. Aufgrund der Kontakte Booths mit katholischen Priestern wird
vermutet, dass die Jesuiten unter Kardinal Giacomo Antonelli hinter dem Attentat stecken. Weitere
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Argumente: Lincoln soll die Einführung einer massiven Alkoholsteuer zur Kriegsfinanzierung geplant
haben. 25% des Alkohols wird von den katholischen Klöstern hergestellt. Zudem sollen die
Rothschilds involviert sein, weil Lincoln ihre hochzinsigen Kreditangebote zur Kriegsfinanzierung
ausgeschlagen hat und stattdessen 1862 den Greenback einführte und eine protektionistische Politik
verfolgt.
Booth rekrutiert Samuel Arnold, George Atzerodt, David Herold, Michael O'Laughlen, Lewis Powell
und John Surratt für die Durchführung des Attentats. Der Polizist John Frederick Parker, der den
Präsidenten bewachen soll, befindet sich während der Aufführung des Theaterstücks im Wirtshaus.
Während Booth den Präsidenten im Theater erschiesst, kann Powell den Aussenminister William H.
Seward nur verwunden. Atzerodt, der den Vizepräsidenten Andrew Johnson ermorden soll, bekommt
Angst und flieht. Michael O'Laughlin kann General Grant ebenfalls nicht ermorden, weil dieser seine
Pläne geändert hat. Lincolns Ermordung wird oft als Vorlage für das Kennedy-Attentat verstanden.
Trotz grosser Differenzen werden viele fragwürdige Parallelen zwischen den beiden Attentaten
gezogen.
Im gleichen Jahr wird der Secret Service zur Verfolgung von Falschgeldherstellern gegründet, weshalb
er dem Finanzministerium untersteht. Obwohl schon am 10.1.1835 ein bewaffneter Angriff auf
Präsident Andrew Jackson missglückte, wird erst 1881, nach dem Anschlag auf Präsident James A.
Garfield, eine Polizeibewachung des Weissen Hauses organisiert. Secret Service-Agenten
übernehmen Begleitschutzaufgaben, als Präsident Grover Cleveland 1884 Morddrohungen erhält.
Und erst nach der Ermordung von Präsident William McKinley am 6.9.1901 verfügt der Kongress
einen Vollzeitschutz durch den Secret Service. Nach einem Mordversuch an Harry S. Truman 1951
wird der Begleitschutz auch auf Familienangehörige und den Vizepräsidenten ausgedehnt.
Quellen: Scott (1993): 295, Marrs: 240f
1.6. Immigration in die USA
Während dem 19. und 20. Jahrhundert emigrieren über eine Million Sizilianer in die USA. Die
italienischen und sizilianischen Einwanderer haben das organisierte Verbrechen nicht als erste in die
USA gebracht. Es gibt bereits irische und jüdische Gangster, die sich organisieren. Die Iren haben kein
Sprachproblem und alliieren sich mit den Politikern, für die sie Wähler einschüchtern oder
gegnerische Wahlveranstaltungen stören.
Die Sizilianer spezialisieren sich zuerst auf die Erpressung ihrer Landsleute und auf
Falschgeldherstellung. In Louisiana formieren sich 1869 vier von der italienischen Polizei aus Palermo
ausgewiesene Banditen zu einem Bund, den sie "Stoppagherra Society" nennen und der eine Art
Kolonie der sizilianischen Mafia darstellt. Kurz nach dem Bürgerkrieg organisiert der Sohn eines
sizilianischen Einwanderers, Joseph Macheca, die erste Familie in New Orleans, die mehrheitlich im
Hafen aktiv ist. Der sizilianische Mafioso Giuseppe Esposito flüchtet nach der Ermordung seines
Bosses De Leoni nach New Orleans und versucht als "Radzo" den Lokalboss Tony Labruzzo zu
entmachten. Dieser schaltet die Polizisten Mike und David Hennessy ein, worauf Esposito verhaftet
und nach Italien abgeschoben wird. Labruzzo wird daraufhin von Giuliano Ardotta umgebracht, und
auch Mike Hennessy wird erschossen. Ende der 80er Jahre entwickelt sich die Organisation zur ersten
voll organisierten Verbrecherfamilie in den USA. An ihrer Spitze stehen als Nachfolger Machecas die
Brüder Charles und Tony Matranza, die mit etwa 300 Mitgliedern den French Market für die Standard
Fruit Company kontrollieren und die Werften und Kais der gegnerischen Provenzanos ebenfalls
unterjochen wollen. David Hennessy, alliiert mit den neapolitanischen Provenzanos, schaltet sich in
den entstehenden Krieg ein und wird am 15.10.1890 umgebracht. 19 Mitglieder der Matranza-Bande
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werden angeklagt, aber dank Todesdrohungen und Bestechungen freigesprochen. Die erzürnte
Bevölkerung stürmt unter der Führung von William S. Parkinson das Gefängnis und lyncht 11 der
Mobster. Nachfolger der Matranzas wird Sam "Silver Dollar" Carolla, der die Kontrolle der Territorien
der Provenzanos sichert.
Zwischen 1890 und 1920 kommen insgesamt mehr als 18 Millionen neue Bürger in die Vereinigten
Staaten, darunter sehr viele Kinder, die durch öffentliche Bildung integriert werden müssen. Als das
Stück des jüdischen Autors Israel Zangwill 'The Melting Pot' 1908 in Washington Premiere hat,
befinden sich die Vereinigten Staaten mitten in der grössten Einwanderungswelle, die das Land je
erlebt hat. Die Metapher des "Schmelztiegels" verweist auf eine Ideologie, weil die Schranken
zwischen den verschiedenen Ethnien trotz den Anstrengungen des Schulwesens bestehen bleiben.
Alle Einwanderergruppen bringen kriminelle Organisationen hervor. Beispielsweise sind die Banden
von Jesse Woodson James in den Südstaaten Anglo-Saxen.
In Pennsylvania formen Stefano LaTorre und Santo Volpe "The Men of Montedoro", da um die
hundert Familien aus diesem sizilianischen Ort stammen. Ihr Einfluss auf die Kohleminenarbeiter
führt zur ersten Kontrolle einer Gewerkschaft, der United Mine Workers.
In Chicago werden nach sozialistischen Agitationen auf dem Haymarket und einer Verschwörung des
Managements vier Gewerkschaftsführer zum Tod verurteilt und am 1.5.86 gehängt. Dieser Tag wird
seither jedes Jahr als Gewerkschaftstag begangen. Ende des Jahrhunderts entstehen die irische
Organisation unter Charles Dion O'Bannion und sizilianische und italienische Gangs wie die
"Camoras", die "Secret Hands" oder die "Mysterious Hands", die ihre Landsleute terrorisieren und
erpressen. Die bekannteste Gang wird die sizilianische "Black Hands". Deren Chef ist ab 1905
Diamond Joe Esposito, der dank seiner Korruptionstaktik und seinen Beziehungen zur Politik zum
Boss aufsteigt. Der zweite wichtige Mann ist Big Jim Colosimo, der seine Karriere bei einer Puffmutter
begann und nun die Prostitution kontrolliert. Die zunehmende Konkurrenz der Gangs führt zu
Kämpfen und erfordert immer wieder Verstärkung: Esposito lässt die Genna-Brüder aus Sizilien
kommen, Colosimo wird Johnny Torrio aus New York holen, und die lokalen Gangs von jungen
Kriminellen werden rekrutiert.
Die sizilianischen Immigranten in New York lassen sich mehrheitlich in Harlem, die neapolitanischen
vor allem auf der Lower East Side nieder. Die Sizilianer Ignazio Lupo Saietta und Giuseppe Morello
rekrutieren aus diesen Quartieren die Mitglieder ihrer Gang, die um die Jahrhundertwende die
grösste der Stadt sein wird. Der einfingrige Morello aus Corleone kämpft sich zum ersten grossen
Boss in der neuen Welt durch. Auch in New York gibt es eine "Black Hand", in die sich der
Polizeileutnant Joseph Petrosino infiltrieren kann. Als er die Polizeiarbeit gegen die Mafia mit
italienischen Fahndern koordinieren will, wird er in Sizilien angeblich von Don Vito Cascio Ferro
persönlich ermordet. Bekannt sind auch die "Five Points" und die "James Street Gang" von Johnny
Torrio, dem Neffen von Colosimo. Die Politik von New York City wird durch die Tammany Hall, ein
ämterverteilender Wahlapparat der Demokratischen Partei, beherrscht. Irische und dann auch
jüdische Gangster schmieren die Politiker der Tammany Hall, stellen ihnen die Wahlhelfer und
Schläger zur Verfügung, damit sie von Polizei und Justiz in Ruhe gelassen werden. Nach bewaffneten
Strassenschlachten im August 1903 zwischen der 1200 Mann starken jüdischen Gang von Monk
Eastman mit rivalisierenden Gangs greifen die Behörden ein, allerdings nicht, um die Gangs zu
eliminieren, sondern nur, um einen Waffenstillstand zu vermitteln.
Quellen: Davis (1988): 20-28, Delorme: 17-33, Giancana: 28ff, Marrs: 157, Best, Dash.
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1.7. Hegemonialpolitik der USA
Ab Ende der 1880er Jahre bauen die USA die Marine massiv und kontinuierlich aus und legen
Stützpunkte in Hawai, Samoa, auf den Philippinen und in der Karibik an. Die Ausgaben für die
Schlachtflotte steigen von 6.9% des Staatshaushalts 1890 ($22Mio.) auf 19% 1914 ($139 Mio.), womit
sie bereits die drittgrösste der Welt ist. Um 1890 steigen die USA zur weltweit stärksten Nation auf.
Der einzige Konkurrent der aufstrebenden USA auf dem amerikanischen Kontinent ist die
Kolonialmacht Spanien, das seit dem 16. Jahrhundert Zentral- und Südamerika und die Philippinen
beherrschte. Allerdings sind schon viele der Kolonien wie Venezuela, Mexiko und Argentinien
unabhängig geworden, und nur Puerto Rico, Kuba, Guam und die Philippinen sind noch in
spanischem Besitz. Die Interventionisten setzen sich gegen die Isolationisten durch und planen, die
Karibik und den Pazifik dem amerikanischen Imperium einzuverleiben.
1893 beschliesst die Königin von Hawaii, den Einfluss der aus den USA seit 1820 eingewanderten
Pflanzer und Missionare einzuschränken. Mit 250 Marinesoldaten organisieren die USA daraufhin
einen Putsch, der die Monarchie abschafft und unter dem Deckmantel einer Republik eine
amerikafreundliche Regierung einsetzt. Unter US-Präsident Ulysses S. Grant war 1875 bereits mit
dem König von Hawaii ein "Vertrag auf Gegenseitigkeit" unterzeichnet worden, der das Königreich
faktisch zu einem Protektorat der USA machte. Am 7.7.1898 beschliesst der USA-Kongress die
Annexion des Inselstaats, den sie 1842 noch als unabhängigen Staat anerkannt hatten. Seit 1959 ist
Hawaii offiziell der 50. US-Bundesstaat.
Die Depression im Winter 1893/94 brachte grosse Arbeitslosigkeit, gewalttätige Streiks in den
Stahlwerken von Pennsylvania und den Kohlebergwerken von West Virginia. Der Aufruhr zwang die
Oligarchen an der Ostküste, etwas zu finden, um den "Eiter aus dem anarchistischen, sozialistischen
und populistischen Furunkel zu ziehen", wie ein Banker aus Philadelphia sich ausdrückt. Eine dritte
Partei, die People's Party, hat sich im Mittelwesten gebildet und könnte die nächsten Wahlen
gewinnen. Das Volk muss abgelenkt werden von der riesigen Kluft der angehäuften Vermögen der
Eliten und der Verelendung der Bauern und des Mittelstandes.
Präsident William McKinley setzt auf einen aggressiven Patriotismus und die Idee eines
amerikanischen Empire. Um einen Kriegsgrund zu haben, sprengen die USA am 15.2.98 ihren eigenen
Panzerkreuzer USS Maine im Hafen von Havanna in die Luft, wobei 274 Menschen umkommen. Die
Pressezaren Joseph Pulitzer von World und William Randolph Hearst vom New York Journal
behaupten mehrere Wochen lang, die Spanier hätten eine Mine gelegt. McKinley untergräbt alle
Versuche der Spanier zu verhandeln, sondern schickt die Marine. Innerhalb weniger Wochen
kontrollieren die USA Kuba und Puerto Rico, das bis zur formalen Annexion von 1952 einem USGouverneur unterstellt wird. Am 1.5.1898 zerstört das US-Pazifikgeschwader unter dem Befehl von
Kommandant George Dewey die spanische Flotte in der Bucht von Manila innerhalb von wenigen
Stunden. Und am 21.6.1898 besetzen US-Truppen Guam, das bis heute zum ‚nichtinkorporierten
Territorium' der USA gehört, wo die Andersen Air Force Base und der Marinestützpunkt für Atom-UBoote im Hafen Apra ein Drittel der Fläche einnehmen.
Am 10.12.1898 muss Spanien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen den USA abtreten, und die
Identität der Amerikaner wird neu definiert. Der Journalist Marse Henry Waterson schreibt
daraufhin: "Wir sind eine grosse, imperiale Republik, dazu bestimmt, einen kontrollierenden Einfluss
auf die Handlungen der Menschheit auszuüben und die Zukunft der Welt zu formen, wie die Welt
niemals geformt ward, nicht einmal durch das Römische Reich." Albert Beveridge, republikanischer
Senator aus Indiana, rechtfertigt den US-Imperialismus in Asien in seiner Kongressrede 1900:
"Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermessliche Märkte. Wir werden unseren
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Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo
werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am
Tor zum Osten." Und 1901: "Wir werden nicht klein beigeben im Auftrag, unserer Rasse, unter Gottes
Wille weltweit als Treuhänderin der Zivilisation zu wirken, und wir werden mit unserem Werk
weitermachen, ohne wie Sklaven, die zu ihrer Arbeit gepeitscht werden, unseren Schmerz
herauszuschreien, sondern mit Dankbarkeit für ein Unternehmen, das unserer Kraft würdig ist, mit
Dankbarkeit gegenüber dem allmächtigen Gott, dass er uns als sein auserwähltes Volk bezeichnet
hat, das fortan seine Heilung der Welt anführen darf."
Die Unabhängigkeitsbewegungen unter José Marti auf Kuba und Emilio Aguinaldo auf den
Philippinen, die gehofft hatten, dass die mächtigen USA sie in ihrem Kampf um Freiheit und
Unabhängigkeit unterstützen, sind bald enttäuscht. Kuba muss 1901 eine Verfassung übernehmen,
die den USA das Recht auf Intervention und Landpacht für ökonomische und militärische Zwecke wie
den Stützpunkt Guantanamo gestattet. Die USA dirigieren die Innenpolitik und intervenieren bei
Widerstand militärisch: 1906, 1912 und 1917, wonach bis 1934 eine US-Militärverwaltung besteht.
Im dreijährigen Krieg gegen die philippinischen Rebellen sterben 4324 amerikanische Soldaten und
etwa 20'000 philippinische Aufständische. Da 26 der 30 amerikanischen Generäle Veteranen der
Indianerkriege sind, gibt es zahlreiche Massaker gegenüber Zivilisten, von den zwischen 250'000 und
1.Mio. umkommen (bei einer Bevölkerung von gut 6 Mio.). Die neue Kolonialmacht erprobt eine
Reihe von Methoden der ‚Aufstandsbekämpfung', die später in Korea und Vietnam ausgebaut
werden: von Nahrungsmittelblockaden bis hin zur Errichtung ‚strategischer Weiler'. Aufgrund dieser
Kriegsführung bildet sich in den USA die Antiimperialistische Liga, deren Vizepräsident von 1901 bis
zu seinem Tode 1910 der Schriftsteller Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain ist. 1902 werden
die Philippinen eine von einem Generalgouverneur verwaltete US-Kolonie mit Englisch als
Amtssprache, weshalb viele Englischlehrer ins Land gebracht werden. Allerdings dauert der Krieg im
vorwiegend muslimisch geprägten und von ‚Moros' besiedelten Süden bis 1916 an, unter dem
Kommando des als ‚Schlächter der Moros' bekannt gewordenen US-General John J. Pershing.
Auf Hawaii wird mit Pearl Harbor einer der grössten Stützpunkte eingerichtet, und auf einer der
schönsten Inseln der Karibik, Vieques, testet das US-Militär an 200 Tagen im Jahr scharfe Bomben.
Das Muster für die Interventionen ist immer dasselbe. Die USA provozieren oder organisieren einen
Überraschungsangriff, worauf eine inszenierte Empörung in der Presse folgt, bei der einzelne Figuren
barbarische Züge bekommen, was dann zur Legitimation dient, die lang zuvor ausgearbeitete
Angriffspläne umzusetzen. So läuft es beispielsweise bei der Belagerung der US-Gesandtschaft in
Peking (1899) oder beim angeblichen Verrat von Emilio Aguinaldo in Manila 1899. Beim Feldzug auf
den Philippinen massakrieren die Marines 200'000 Einwohner. Ähnlich auch der Überfall von Pancho
Villa in New Mexiko 1916 (18 Tote), die japanischen Bomben auf das US-Kriegsschiff Panay 1938, der
Einmarsch der chinesischen Armee in Nordkorea 1950, der Zwischenfall im Golf von Tonkin 1964, der
Angriff der Kambodschaner auf die Mayaguez 1975, die Geiselnahme in Teheran 1979, die
gefährdeten amerikanischen US-Soldaten auf Grenada oder bedrängten US-Soldaten in Panama
1989.
Wegen der Kontrolle der Häfen und der Hafengewerkschaften arbeiten die Import- und
Exportfirmen, vor allem wenn sie mit schnellverderblichen Gütern handeln, mit der Mafia
zusammen. In der Revolution von 1911 in Honduras spielt die Mafia von New Orleans eine führende
Rolle. Dabei werden die europäischen Banken und Investoren zurückgedrängt und die USBananenfirmen bekommen freie Hand. Samuel Zemurray von der Cuyamel Banana Company, die
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später zur United Fruit gehört, finanziert den in einem Bordell von New Orleans geplanten Coup.
Bereits 1903 und 1905 haben die USA die "Ordnung wiederhergestellt" und 1919 und 1924 erfolgen
erneute militärische Interventionen.
Die Kooperation von US-Firmen, dem Militär, der Mafia und lokalen Herrschern bewährt sich in ganz
Lateinamerika: Nach einer ersten Intervention 1853 machte sich der Amerikaner William Walker
1855 dank seiner Söldnerarmee zum Präsidenten von Nicaragua. 1857 und 1860 intervenieren die
US-Marines erneut in Nicaragua. 1909 stürzten die Marines Präsident Zelaya und die USA besetzten
das Land, wobei die Mafia ihre Zusammenarbeit mit den US-Firmen institutionalisiert. Nach der
Intervention von 1912 wurde Adolfo Diaz an die Macht gesetzt, der den Amerikanern die Kontrolle
des Finanzsystems Nicaraguas und den Bau einer Militärgarnison bei Managua erlaubte, wo die
Marines bis 1925 blieben. 1914 erfolgte der Bryan-Chamorro-Vertrag, der den USA das exklusive
Recht auf den Bau eines geplanten Kanals sicherte. Nachdem der US-Schützling Emiliano Chamorro
sich an die Macht geputscht hat, greifen die Marines gegen die Unabhängigkeitsarmee von Augusto
Cesar Sandino 1927 erneut ein und bauen die berüchtigte Nationalgarde auf, an deren Spitze
Anastasia Somozo 1932 die Macht übernimmt.
1903 erweiterte Theodore Roosevelt die Monroe-Doktrin, indem die USA die Funktion der
"Weltpolizei" übernehmen müsse bei einem "Fehlverhalten" eines Staates: "Ständiges Fehlverhalten
oder die Unfähigkeit, die auf eine allgemeine Lockerung der Bande der zivilisierten Gesellschaft
hinausläuft, können in Amerika, wie auch anderswo, am Ende das Eingreifen irgendeiner zivilisierten
Nation erforderlich werden lassen." Da der kolumbianische Senat sich weigerte, die Nutzungsrechte
des geplanten Kanals in der Provinz Panama den Amerikanern für hundert Jahre zu überlassen,
organisierte Roosevelt die Revolution vom 3.11.1903 in der Provinz Panama: er schickte das
Kriegsschiff Nashville mit Soldaten, die die Gebietsabtrennung erzwangen und eine
Marionettenregierung einsetzen. Eine Invasion in der kolumbianischen Provinz war bereits 1860
erfolgt. Aufgrund der offensichtlichen Manipulation zahlt der US-Kongress 1921 den Kolumbianern
eine Entschädigung von $25 Mio. Trotzdem erhält Panama 1926 faktisch den Status eines der von
oligarchischen Diktatoren regiert und US-Firmen wie Standard Oil und United Fruit ausgebeutet wird.
Präsident William Taft prophezeit 1912: "Die gesamte Hemisphäre wird uns gehören, da sie uns kraft
der Überlegenheit unserer Rasse moralisch eigentlich schon jetzt gehört". In den nächsten 25 Jahren
folgen 12 weitere Interventionen und 8 Invasionen. 1915 wird die Republik Haiti erstickt: Unter
William B. Caperton landet ein Korps in Port-au-Prince und zwingt das Land, wie schon im Falle der
Dominikanischen Republik 1907, die Militär-, Zivil- und Finanzverwaltung sowie das Zoll- und
Steuersystem in die Hände der Amerikaner zu übergeben. Die Amerikaner befürchteten, das hoch
verschuldete Land könnte seine Schuldenzahlungen einstellen. Bis 1934 halten die USA das
Militärprotektorat aufrecht.
1921 wird mit einer US-Intervention Präsident Herrera in Guatemala gestürzt, der sich gegen die
Expansionspläne der United Fruit stellt. 1923 werden Pläne für eine Föderalistische Republik von
Guatemala, Honduras und El Salvador vereitelt. General Smedley D. Butler schreibt am 21.8.31 in der
New York Times: "Ich half 1903, Honduras für die amerikanischen Fruchtfirmen zu öffnen. Ich half
1914 Mexico, und speziell Tampico, die Ölinteressen zu sichern. Ich half, aus Haiti und Kuba einen
netten Platz zu machen, wo die Jungs von der National City Bank Geld verdienen können. Ich half ein
halbes Dutzend zentralamerikanischen Republiken für die Wall Street weichzuklopfen. Ich half 19091912, Nicaragua für die internationale Bank Brown Brothers zu säubern. Ich öffnete die
Dominikanische Republik 1916 für die amerikanischen Zuckerfirmen. In China beschützte ich
Standard Oil. Rückblickend denke ich, dass ich Al Capone einige Tipps hätte geben können. Er betrieb
seine Erpressungsgeschäfte in 3 Distrikten, ich arbeitete in drei Kontinenten." 1927 behauptet der
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amerikanische Botschafter in Paris, Myron Herrick: "Die Vereinigten Staaten gieren nicht nach Land.
[...] Wer uns imperialistische Absichten unterstellt, kennt die Fakten nicht oder ist unaufrichtig."
Nachdem die USA in ganz Lateinamerika totalitäre Militärregimes installiert haben, verkündet
Präsident Franklin Roosevelt 1934 die "Politik der gutnachbarschaftlichen Beziehungen".
Quellen: Delorme: 17-33, CIA-Info: 15f, Davis (1988): 20-28, Best, Lemoine (2003), Ramonet (2003b), Lapham, Kinzer.
1.8. 1913 Gründung des Federal Reserve Systems
1790, 1816 und 1863 werden Nationalbanken in den USA begründet, die jedoch entweder von den
Rupublikanern bekämpft werden oder Finanz- und Bankkrisen nicht verhindern können. 1907 legt
der Kongress die Rahmenbedingungen für ein neues Notenbanksystem auf privater Grundlage. 1910
treffen sich die Chefs der grössten Banken auf der Jekyll Island auf dem Gut von J.P. Morgan und
schreiben den Gesetzesentwurf, für den Nelson Aldrich im Kongress lobbyiert.
Präsidentschaftskandidat Woodrow Wilson unterschreibt das Gesetz bereits vor seiner Wahl, für die
er dann von den Grossbanken unterstützt wird. Zwei Tage vor Weihnachten 1913, als die meisten
Abgeordneten bereits nach Hause gefahren sind, wird das Gesetz durchgedrückt. Im Federal Reserve
Board, in dem der Staat keine Aktien halten darf, sitzen die Bosse von Rockefeller und Rothschild, J.P.
Morgan, Lazard Freres, Schoellkopf, Kuhn-Loeb, die Warburgs, Lehman Brothers und Goldman Sachs.
Kein Senator oder Abgeordneter darf Mitglied des Federal Reserve-Gremiums oder ein Offizier oder
Direktor der Federal Reserve Bank sein. Die Banker schlagen jeweils eine Liste von Kandidaten für das
Direktorium vor, aus denen der Präsident auswählen darf. Da das Federal Reserve Board den
amerikanischen Grossbanken gehört, können diese sich über ihre eigene ‚Bank' nicht nur neues Geld
zuschreiben lassen, sondern die USA müssen für die Verwendung des Geldes sogar Zinsen bezahlen.
Zudem bekommen die Federal Reserve Banken für ihre Beteiligung eine fixe Dividende von 6%. Im
Übrigen hat der Kongress keine Kontrolle über die Goldbestände, mit denen das Fed die Währung
absichert.
Wilson schreibt später voller Bedauern: ""[Unsere] grossartige Industrienation wird jetzt von ihrem
Kreditsystem kontrolliert. Unser Kreditsystem ist privat konzentriert. Deshalb liegen das Wachstum
der Nation und all unsere Aktivitäten in den Händen weniger Männer […], die zwangsläufig durch ihre
eigenen Beschränkungen wahre ökonomische Freiheit einschränken, kontrollieren und zerstören.
Wir wurden so eines der am schlechtesten regierten, meist kontrollierten und beherrschten Länder
der zivilisierten Welt - wir haben keine Regierung der freien Meinung mehr, keine Regierung der
Überzeugungen und der mehrheitsentscheide mehr, sondern vielmehr eine Regierung der Ansichten
und Nötigungen einer kleinen Gruppe dominanter Männer." Der Abgeordnete Louis McFadden
analysiert: "Hier wurde ein Weltbankensystem erschaffen, ein durch internationale Bankiers
kontrollierter Superstaat. Sie arbeiten zusammen, um die Welt nach ihrem Belieben zu versklaven,
die FED hat sich widerrechtlich der Regierung bemächtigt."
Im Juni 1963 versucht Kennedy, die Macht des Federal Reserve Boards zu brechen, indem er eigene
US States-Banknoten drucken lässt. Nach seiner Ermordung wird dieses Geld jedoch sofort wieder
aus dem Verkehr gezogen.
1.9. 1917: Erster Weltkrieg: Bush, Harriman und Walker
Der Untergang des britischen Ozeanriesen Lusitania vor der Südküste Englands im Mai 1915 liefert
Woodrow Wilson den Vorwand, Frankreich und England gegen Deutschland zu unterstützen.
Torpedos eines deutschen U-Bootes versenkten das Schiff, wobei 1198 Menschen umkamen (davon
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128 Amerikaner). Deutschland behauptet, die Lusitania sei kein ziviles Handelsschiff, sondern ein
Kriegsschiff gewesen und habe Geschütze und Munition aus den USA nach England transportiert. Ein
Geheimpapier belegt, dass 1248 Kästen mit 7,5-Zentimeter-Granaten, 4927 Kisten mit
Gewehrpatronen und 2000 Kisten mit weiterer Munition für Handfeuerwaffen an Bord waren. Die
amerikanische Presse heizt die Stimmung an, indem behauptet wird, belgische Nonnen würden von
den Deutschen über glühenden Kohlen geröstet. Frankreich kann den Krieg gegen Deutschland nur
führen, weil Grossbritannien und die USA permanent Kohle, Eisen, Stahl, Werkzeumaschinen,
Waffen, Munition und Lebensmittel liefern. Nicht nur Frankreich, sondern auch Grossbritannien wird
zunehmend von den Lieferungen und vor allem auch den Krediten der USA abhängig.
Die Enthüllung des geheimen deutschen Allianzangebots an Mexico (Zimmermann-Depesche) erlaubt
Wilson, im April 1917 die Kriegserklärung im Kongress durchzubringen. Allerdings bleibt die
Kriegserklärung für ein Jahr, während dess aufgerüstet wird, militärisch praktisch folgenlos. Erst als
die europäischen Staaten ausgeblutet sind, intervenieren die USA.
Der Krieg erlaubt den USA, die Weltmachtstellung der Engländer zu übernehmen, was Wilson etwas
anders begründet: "Amerika hat das unendliche Privileg, seine Bestimmung zu erfüllen und die Welt
zu retten."
Der erste Weltkrieg eröffnet ungeahnte Verdienstmöglichkeiten für Börsenspekulanten wie J. P.
Morgan oder Edward H. Harriman, der 1898 mit Krediten von William Rockefeller, Otto Kahn, Jacob
Schiff und Felix Warburg die Kontrolle der Union Pacific Railroad übernommen hatte. Der Bruder von
John D. Rockefeller besitzt die National City Bank (später City Bank), die die Waffenindustrie für den
Krieg reorganisierte. Percy A. Rockefeller übernahm die Kontrolle der Remington Arms Company, die
die USA, England und Russland mit Maschinengewehren, automatischen Pistolen und Munition
beliefert. Die Gesamtkosten des Weltkriegs belaufen sich auf $260 Mia. und fordern (inklusive der
Spanischen Grippe) etwa 60 Mio. Menschenleben. 1918 sind die Vereinigten Staaten die stärkste
Macht der Welt), während das Wachstum der europäischen Wirtschaften um etwa acht Jahre
zurückgeworfen wurde. Aufgrund der massiven Verschuldung gegenüber den USA gelingt es den
Briten nicht, London als Handels- und Finanzzentrum zu erhalten, und Wallstreet übernimmt die
Führungsrolle. Einer der 14 Punkte Wilsons sieht sieht die Schaffung des Völkerbundes vor, dessen
Satzung am 28.4.19 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles (inklusive der
Monroe-Doktrin) angenommen wird. Der US-Senat will sich allerdings nicht durch eine
übergeordnete Instanz einschränken lassen und ratifiziert den Vertrag nie, und die Sowjetunion wird
draussen gehalten.
Prescotts Vater Samuel P. Bush, Präsident der Buckeye Steel Castings, wird 1918 dank Harriman
direkt dem Direktor der staatlichen Waffenbeschaffung unterstellt und nützt diese Position für die
Rüstungsfirma Remington. 1934 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Senats mit den
Machenschaften des als ‚Merchant of Death' bezeichneten Waffendealers im 1. Weltkrieg. Zudem ist
Samuel Bush Präsident der Federal Reserve Bank von Cleveland und Berater des Präsidenten Herbert
Hoover.
Zusammen mit seinem Freund E. Roland Harriman wurde Prescott Bush 1916 in die rassistische YaleGeheimgesellschaft Skull & Bones aufgenommen. Der exklusivste von rund einem Dutzend
Geheimbünden der Ivy-League nimmt jedes Jahr nur 15 Mitglieder auf. Zur Ivy-League gehören acht
Eliteuniversitäten im Nordosten der USA: Brown University, Columbia University, Cornell University,
Darmouth College, Harvard, Princeton, University of Pennsylvania und Yale (Ivy Plus unfasst noch das
Massachusetts Institut of Technology und die Stanford University). Der Zugang zu diesen
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Universitäten gelingt fast nur nach dem Besuch teurer Privatschulen wie der Phillips Academy (die
die Bushs besuchten), der ‚legacy' (der Vater und der Grossvater haben bereits an dieser Uni studiert)
und der Spendenzahlung. Harvard ist mit einem Fond von $22 Mia. die reichste Universität, gefolgt
von Princeton und Yale mit je etwa der Hälfte. Die S&B wurde 1832 gegründet und umfasst heute
800 Mitglieder. In Harvard ist es der Porcellian Club und in Princeton der Ivy-Club, die das Old-BoyNetwork und damit das rigide Klassensystem der USA reproduzieren. Die Mitglieder dieser
Aristokratie schanzen sich die obersten Stellen im Staat (in den Gerichten, im Kongress, der CIA und
der Regierung) und in der Wirtschaft (in den Anwaltskanzleien und den Konzernen) zu.
George Herbert Walker baut 1919 die Privatbank W.A. Harriman & Co mit auf, an der unter anderem
Percy Rockefeller als Direktor mitbeteiligt ist. Averell Harriman bekommt nach monatelangem
Taktieren unter nie veröffentlichten Konditionen die von den USA am Ende des ersten Weltkriegs
konfiszierten Dampfschiffe der Hamburg-Amerika-Linie, was ihm das Monopol für die nächsten 20
Jahre sichert. Die W.A. Harriman fusioniert mit der Privatbank Morton & Co. und verschafft sich 1922
über die Warburg-Bank den Zugang zur deutschen Schwerindustrie und zu russischen
Ölkonzessionen. 1921 heiratet Prescott Bush Walkers Tochter Dorothy und wird 1926 Vizepräsident
der W.A. Harriman Bank. Als Geschäftsführer der Union Banking Corp. und der Hamburg-AmerikaLinie wird Bonesman Bush einer der wichtigsten Unterstützer der Nazis.
Nach der Fusion mit dem Bankhaus Brown Brothers 1931 wird die Brown Brothers Harriman zur
grössten und politisch einflussreichsten Privatbank Amerikas, und Averell Harriman berät in Sachen
Finanzen insgesamt 6 US-Präsidenten. Er finanziert als Partner von Prescott Bush über die Union
Banking nicht nur die Nazis, sondern mit seiner Garanty Trust Company auch die Aufrüstung der
Sowjetunion.
Quellen: Tarpley/ Chaitkin: 13-20, Bröckers, Birnbaum, Lapham (2004), Fantasia (2004), Laurent: 18, Kennedy (1987).
1.10. Die Prohibition und die Konsolidierung der Mafia
Während der Prohibition (16.1.20-5.12.33) entwickeln sich die Gangs zu eigentlichen
Industrieimperien-Besitzer. Bereits vor dem ersten Weltkrieg führten einige Staaten wie Kansas
aufgrund religiöser und feministischer Lobbygruppen das Alkoholverbot ein. Der Krieg verstärkte den
Alkoholismus, was die Einführung des nationalen Verbots von Herstellung, Vertrieb und Verkauf
alkoholischer Getränke erleichterte. Die jüdischen Mobster (Dutch Schultz mit der Firma Seagrams
und Jack "Legs" Diamond) sind die ersten im Alkoholschwarzbrennen und -schmuggeln. Jüdischen
Ursprungs sind auch die Bronfman-Brothers in Kanada sowie Arnold Rothstein und Mannie Kessler in
New York. Die Iren steigen ebenfalls von Anfang an ins Bootlegging ein: Big Bill Dwyer in New York,
Steve Wallace, Dan Carroll und Joe Kennedy in Boston, Tommy McGinley in Cleveland, Tommy Banks
in Minneapolis und Charles O'Bannion in Chicago.
Nach den Juden und Iren entdecken die italienischen Gangs, die viel gewalttätiger sind und sich oft
gegenseitig bekämpfen (z.B. Sizilianer gegen Neapolitaner), den Markt. Allerdings arbeiten Juden und
Italiener auch manchmal zusammen. Die italienische Mafia, die bisher vor allem die Prostitution und
die Geldspiele beherrschte, wird erst durch den Alkoholschmuggel eine bedeutende Macht.
Um Diamond Joe Esposito nicht in die Quere zu kommen, bleibt Big Jim Colosimo in Chicago beim
Prostitutionsgeschäft. Sein Neffe Johnny Torrio holt 1919 Al Capone aus New York, und sie versuchen
zu zweit, Colosimo von den Vorteilen des Alkoholschmuggels zu überzeugen. Da er nicht
einschwenkt, wird er am 11. Mai 1920 von Frankie Yale umgebracht. Danach baut John Torrio ein
weiteres Alkoholkartell in Chicago auf. Während drei Jahren kann Torrio den Frieden
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aufrechterhalten, indem er die anderen Gangführer überzeugt, dass ohne Bandenkriege mehr Geld
zu verdienen ist. 1923 wollen verschiedene Gangs ihre Territorien erweitern, und neue sizilianische
Immigranten kommen in Chicago an, die die Unione Siciliana unterwandern, um am Alkoholgeschäft
mitzuverdienen. In den 20er Jahren ereignen sich 500 Mafiamorde in Chicago, fast alle ohne eine
Verurteilungen der Täter.
Die Machtstellung von Diamond Joe Esposito ist gesichert, weil er den für die Alkoholproduktion
notwendigen Zuckerimport kontrolliert, angeblich eine von Präsident John Calvin Coolidge persönlich
ausgestellte Lizenz. Esposito erzählt von mehreren Treffen mit Coolidge, für den er im Gegenzug bei
den Wahlen Stimmen organisiert. Der Boss demonstriert seine Macht, indem er von den Italienern
verlangt, mit den hübschesten Bräuten vor der Hochzeitsnacht zu schlafen. Trotz dieser
Entwürdigung wird ihm während den 20 Jahren seiner Herrschaft keine Jungfrau verweigert. Johnny
Torrio, Al Capone, Jake Guzik, Paul Ricca, Murray Humphreys, Frank Nitti, Jack McGurn und Tony
Accardo kamen alle aufgrund von Espositos politischen Beziehungen von New York nach Chicago und
arbeiten für ihn. Die sechs Genna-Brüder leiten die illegalen Destillerien im Patch und schmieren
über 400 Polizisten. Aufkommende Konkurrenten im Alkoholgeschäft werden mit Bomben bekämpft,
wofür Gangs wie die "42" angestellt werden. Allein 1925 werden über 100 Bombenattentate verübt.
Der wildeste der Aufsteiger ist Al Capone, der 1928 im Alter von 29 Jahren das höchste
Privateinkommen in den USA erzielt: $105 Mio.
In New York City wird die Korruption durch die Vormachtstellung der Tammany Hall besonders
gefördert. Es gibt zwei dominierende kriminelle Organisation: Die jüdische um Arthur Rothstein mit
Arnold "Dutch Schultz" Flegelheimer und James J. Hines. Und die italienische Organisation um Albert
C. Marinelli mit Joe Masseria, der Mitte der 20er Jahre zum dominanten Alkoholdealer in New York
aufsteigt und ein riesiges Vermögen anhäuft. Carlo Gambino, Joe Adonis und Albert Anastasia
arbeiten für "the Chinese", wie der vulgäre Masseria wegen seinen dicken Backen und schmalen
Augen von seinen Feinden genannt wird. Bereits ein Jahr nach Einführung des Alkoholverbots
bestehen in New York 5000 Spekeasies, deren Zahl bis 1927 auf 40'000 ansteigt. Der 1920 zum
Präsidenten gewählte Warren Harding, selbst ein Alkoholiker, wird wegen seiner sexuellen
Beziehungen erpresst, die grossen Schmuggler zu schützen.
Die unpopuläre Prohibition macht die Gangster zu Helden und salonfähigen Geschäftsherren und
festigt die Beziehungen zwischen Gangstern mit der amerikanischen Politik, da Polizisten, Richter und
Staatsbeamte durch die enormen Profite grosszügig bestochen werden können. Laut dem Chicagoer
Polizeichef Charles Fitzmorris sind 60% der Polizisten im Alkoholgeschäft tätig. Von den jährlich bis zu
4000 wegen illegaler Glückspiele Angeklagten werden durchschnittlich lediglich 175 vor Gericht
gestellt.
Aufgrund der Bandenkriege und des wachsenden Drucks der Behörden verlegen die Gangs ihre
Hauptsitze in die umliegenden Vororte. Eine Bewegung weg von den traditionellen Zentren zu besser
kontrollierbaren Gemeinden entsteht. Aber die Gangster versuchen in allen Städten, die
Ämterverteilung zu beeinflussen. Politiker, die oft nur mit entsprechenden Stimmenkäufen gewählt
werden, bleiben anfällig für Skandale und lassen deshalb den Mobster den benötigten Freiraum.
Journalisten, Richter, Justizbeamte, Polizisten und FBI-Beamte haben nichts zu fürchten, da sie in den
Augen der Mafia nur ihren Job tun. Wenn sie sich schmieren lassen, wird allerdings Loyalität
erwartet. Auch normale Bürger haben nichts zu befürchten, es sei denn, sie haben Spielkredite von
Loan Sharks aufgenommen, die sie nicht zurückzahlen können. Gefährlich leben hingegen
Informanten und Zeugen, die bei Prozessen aussagen.
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Dutch Schultz baut sein Number Racket-Imperium auf und verdient vorwiegend an den armen
Schwarzen. Das einfache Spiel besteht darin, dass der Spieler eine Zahl zwischen 0 und 999 wählt, bei
der richtigen Zahl aber höchstens 600 Mal den Einsatz ausbezahlt bekommt. Da viele spielen, setzt
Dutch Schultz $80'000 pro Tag um. Dazu kommen die Pferderennwetten, wofür Dutch Schultz das
Mathematikgenie Otto Berman als Spielbankexperte anstellt. Mit der Zeit beginnt jedoch die
italienische Mafia, Geldspiele und Wetten zu kontrollieren, wobei die Juden die "Banken" und
"Buchhaltungen" weiter betreiben und die Runners meist Schwarze sind. Die Kontrolleure kassieren
35% der Einnahmen, wenn sie die Polizei schmieren, sonst 30% und die "Bank" übernimmt die
Schmiergelder. Der Kontrolleur bezahlt seinerseits 20 bis 25% seiner Einnahmen an die Runners.
Diese ziehen bei einem Gewinner aber auch einen Teil für sich ab. In New York werden die Profite
aus dem illegalen Spielgeschäft auf $500 Mio. geschätzt. Die Mobster, die die Number-Rackets
kontrollieren, sind zudem die grössten "Loan sharks": für 20% Zins pro Woche leihen sie denen Geld,
die sonst keines mehr bekommen, und ihre Methoden der Wiedereintreibung sind effizient.
Quellen: Giancana: 30ff, 178, Lacey: 59, Best: 9, Davis(1993): 30-36, Delorme: 39, 77-83, Geffen, Behr (2002).
1.11. Joseph Kennedy und Frank Costello
Joseph Patrick Kennedy steigt in den Alkoholschmuggel ein und verdient damit das Kapital, um an der
Börse im grossen Massstab zu investieren. Sein Vater, Patrick Joseph Kennedy, der Sohn des 1848 aus
Dunganastown in Irland eingewanderten Patrick Kennedy, wurde 1885 nur 27jährig Abgeordneter
von East Boston im Repräsentantenhaus. Er begann seinen sozialen Aufstieg dank seinem blühenden
Alkoholgeschäft. Da er im "Hinterhof von Boston" äusserst populär war, wurde er dreimal zum
Senator gewählt, Mitglied des Zentralkomitees und später Vorsitzender des Strategieausschusses der
Demokratischen Partei. Trotz dieses Aufstiegs blieb Patrick Joseph Kennedy letztlich nur ein
Lokalpolitiker, weshalb er seinen 1888 geborenen Sohn Joseph Patrick an die aristokratische Harvard
Universität schickte.
Obwohl Joe ein Star im Baseball war, blieb er aufgrund seiner irisch-katholischen Herkunft von vielen
Aktivitäten des Campus ausgeschlossen. Er setzte sich zum Ziel, mit 30 Millionär zu sein, damit er
"auf diese protestantischen Bastarde pissen" könne. Nach dem Harvardabschluss bekam Joe
Kennedy dank dem politischen Einfluss seines Vaters einen Posten als staatlicher Bankrevisor mit
einem Jahresgehalt von $1500. Da es Joe gelang, die kleine Columbia Trust Company, an der sein
Vater wesentlich mitbeteiligt war, vor einer Übernahme zu retten, wofür er sich mit $45'000
persönlich verschuldete, wurde er vom Aufsichtsrat mit nur 26 zum jüngsten Bankpräsidenten der
USA befördert.
1914 heiratete er Rose Fitzgerald, die Tochter des eben rausgeworfenen Bürgermeisters von Boston.
Mit vielen gewagten Einsätzen in legalen und anderen Geschäften entstand der Grundstock von
Kennedys Vermögen. Um den Aktivdienst zu vermeiden, stieg Kennedy 1917 als stellvertretender
Manager der Bethlehem Steel in der riesigen Fore River Werft, wo Zerstörer gebaut werden, ein.
Daneben kaufte er sich eine Vertriebskonzession der Universal Pictures.
John F. Fitzgerald gewinnt am 5.11.1918 die Wahl zum Repräsentanten von Boston gegen den
ebenfalls demokratischen Konkurrenten Peter F. Tague. "Honey Fitz" Fitzgerald forderte Tague
heraus, da dieser sich nicht an einem einträglichen Grundstückhandel mit dem Fore River Shipyard,
wo sein Schwiegersohn Joe Kennedy im Management tätig ist, beteiligen wollte. Seine
Wahlkampforganisatoren, zu denen Joe Kennedy gehört, rekrutieren italienische Immigranten und
Profiboxer, die Tague-Wähler mittels Drohungen und Schlägen umstimmen. Ein Drittel der
ungültigen Stimmen kommen von Personen, die nicht im Bezirk leben, andere Stimmen lauten auf
Seite [18]
Namen von Kriegsgefallenen oder noch in Europa stationierten Soldaten. Am meisten falsche
Stimmen kommen aus dem Prostituiertenmilieu. Am 24.10.19 wird Fitzgerald nach achtmonatiger
Untersuchung wegen Wahlbetrugs aus dem Repräsentantenhaus ausgeschlossen. 1942 schickt Joe
Kennedy den dann 79-jährigen nochmals ins Rennen, um den populären New Deal Demokraten
Joseph E. Casey, einer von Roosevelts Favoriten und daher möglichen Konkurrenten seines Sohnes
Joe Jr. zu schwächen. Der Republikaner Henry Cabot Lodge Jr. gewinnt dann zwar, aber die Kennedys
haben gelernt, wie man mit viel Geld und geschickter Propaganda auch einen sehr guten Kandidaten
ausschalten kann. 1920 steigt Kennedy bei der Massachusetts Electric ein und zieht nach New York
an die Wall Street.
Nach dem Krieg arbeitet Joe Kennedy als Leiter der Aktienabteilung des Maklerhauses Hayden, Stone
and Company und macht dank Insiderinformationen mit Börsenspekulationen so viel Geld, dass er
sich für seine sechsköpfige Familie ein neues Zwölfzimmerhaus in Brookline und einen neuen RollsRoyce kaufen kann. Wieviel und wie Kennedy Geld verdient, bleibt sein Geheimnis, auch seiner
Familie gegenüber, die gelernt hat, niemals Fragen darüber zu stellen.
Joe Kennedy, dessen Vater schon Alkohol importierte, benutzt medizinische Erlaubnispapiere für den
Import von kanadischem Whiskey, wovon er 200'000 Kisten ins Land geschmuggelt haben soll. Damit
wird er zu einem Konkurrenten der Mafiosi, zu denen er zwangsläufig auch partnerschaftliche
Kontakte unterhält. Anfangs schifft Kennedy englischen Scotch und Gin an die 12-Meilen Grenze, wo
Frank Costellos Leute den Alkohol übernehmen, weshalb Costello später behauptet, er habe Kennedy
reich gemacht. Kennedy arbeitet während Jahren auch mit Owny Madden zusammen und mietet
Leute von Murder, Inc, um mit den Gewerkschaften fertig zu werden. Weil Kennedy auf dem Gebiet
der jüdischen Purple Gang in Detroit ohne Erlaubnis geschmuggelten Rum verkauft, will diese seinen
Kopf. Kennedy geht nach Chicago und bittet Diamond Joe Esposito um Unterstützung. Da ihm dieser
das Leben rettet, bleibt er in der Schuld der Mafia von Chicago. Die Gewinne aus dem
Alkoholschmuggel investiert Kennedy meist an der Börse und beteiligt sich an einer Kinokette. Er gibt
seine Stelle bei Hayden, Stone and Company 1923 auf und eröffnet sein eigenes Büro in Boston:
"Joseph P. Kennedy, Bankier". Für seine bisher sieben Kinder und seine Frau Rose gründet Kennedy
Treuhandfonds, womit er ihnen eine wirtschaftliche Unabhängigkeit für politische Karrieren
ermöglicht. Sie sollten schliesslich über je $10 Mio. verfügen können.
Nachdem er, offenbar auch mit Geldern der Mafia Chicagos, die Kontrolle der "Film Booking Office of
America" erringt, zieht Kennedy 1925 nach Hollywood. Hollywood ist seit 1912 von jüdischen
Flüchtlingen aus Osteuropa (Samuel Goldman, Louis B. Mayer, Karl Lemmle, William Fox, Adolph
Zukor, Harry Cohn und die Brüder Jack und Harry Warner) aufgebaut worden, die wie niemand sonst
den American Way of Life definieren. Im Bedürfnis nach Assimilation schufen die Aussenseiter eine
idealisierte Welt, bei der das Böse immer vom guten Helden besiegt wird. Mayer verschob seinen
Geburtstag auf den 4. Juli und feierte ihn jeweils mit grossem Pomp und hunderten von illustren
Gästen. Auch die meisten berühmten SchauspielerInnen wie Kirk Douglas, Paul Newman, Lili Palmer,
Clark Gable, Tony Curtis oder Judy Holliday sind jüdischer Herkunft und werden zum Inbegriff der
amerikanischen Kultur. Trotzdem werden Juden bis in die 30er Jahre nicht in die Klubs der Reichen
aufgenommen, und die gesellschaftliche Anerkennung bleibt den ‚Superamerikanern' versagt.
Während die Familie in New York wohnt, vergnügt sich Joe Kennedy mit Jean Harlow, Anita Page und
Greta Garbo und versucht sich als Filmproduzent von Lowbudgetfilmen. Seine wichtigste
Geschäftspartnerin und Liebhaberin ist Gloria Swanson, die ihm einen Sohn (Joseph) zur Welt bringt.
Kennedy übernimmt faktisch die Kontrolle über ihr Leben, startet die Gloria Productions und
versucht vergeblich, von der Katholischen Kirche einen Dispens zu erhalten, der das Zusammenleben
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erlaubt hätte. Rose setzt sich häufig nach Europa ab und kompensiert ihre Frustration mit Einkäufen.
Besonders der junge Jack leidet unter den dauernden Absenzen seiner Eltern. Mit Käufen und
Verkäufen von Filmgesellschaften bereichert sich Kennedy um geschätzte $5 Mio. in Hollywood.
Quellen: Hersh: 35-43, Best: 16ff, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 7-54, Giancana: 73, 214, Wolfe: 125ff, Jacobovici, Russel
(2000), Geffen, Amara, Gabler.
1.12. 1924: J. Edgar Hoover und das Bureau of Investigation
John Edgar Hoover wird im Mai 1924 vorläufiger Chef des Bureau of Investigation, ernannt vom
Generalstaatsanwalt Harlan Fiske Stone.
Hoover übernahm 1918 24jährig die General Intelligence Division, mit dem Auftrag, die subversiven
Umtriebe zu studieren. Das Bureau of Investigation wurde 1909 vom rassistischen und
schwachsinnigen Präsidenten Theodore Roosevelt gegründet, der seine Karriere als Polizeikommissär
in New York begann. Der Chef des Bureau of Investigation, Charles Bonaparte, der Grossneffe
Napoleons, ging mit seinen neun Agenten gegen die Arbeiter-Bewegung vor. Die SyndikalismusBewegung mobilisierte 4 Mio. Streikende in 2665 Streiks in einem Jahr. Zur Bekämpfung der
Gewerkschaften wurden Bürgervereine und Freiwilligenverbände wie die American Protective
League gegründet und von der Industrie finanziert. Innenminister A. Mitchell Palmer liess am 2.1.19
ganze Stadtviertel abriegeln und durchsuchen, um Linke zu finden. Hoover beurteilte die
vorgenommenen Razzien, Verhaftungen, Verurteilungen und Ausweisungen als "zu lasch". In seinem
Eifer umging er die Grundrechte im Kampf gegen die Anarchisten und Kommunisten, indem er diese
ohne Gerichtsurteile ausschaffen liess (am 21.12.19 249 Personen und am 2.1.20 556). Das Vorgehen
Hoovers kostete Palmer seine Karriere, im Gegensatz zu Hoover, der zu seiner Verteidigung begann,
nicht nur Informationen über Radikale und Schwarze zu sammeln, sondern auch über gewählte
Politiker, Richter und Wissenschaftler. Im Jahre 1920 verhaftete die Polizei 4000 "subversive
Elemente" in 33 Städten. Bekannt wurden die beiden Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo
Vanzetti, die dem Rachewillen der Politiker und der Polizei zum Opfer fielen. Die Mafiosi Joe und
Butsey Morelli aus Providence, Rhode Island, waren für die den Anarchisten zugeschobenen
Überfälle und Morde verantwortlich.
Am 22.8.21 wurde Hoover von Justizminister Harry Daugherty zum Vizedirektor des Bureau of
Investigation, das bereits Dossiers über 500'000 Personen besitzt, ernannt.
Stone verbietet dem neuen Bundespolizeichef Untersuchungen in politischen Prozessen und ordnet
eine Reform der Abteilung an. Deshalb säubert Hoover das korrupte Netz seiner 657 Agenten, baut
eine Elitetruppe auf und führt eine autoritäre Hierarchie ein. Die Agenten des streng presbyterianisch
erzogenen Juristen dürfen nicht trinken, keine Schnurrbärte tragen, werden bei Ehebruch sofort
gefeuert, permanent kontrolliert und in Akten erfasst. Die Repression der linken
Arbeitervertretungen, die Verurteilungen und Rückschaffungen von Kommunisten und Anarchisten
und das neue Einwanderungsgesetz lassen die Zahl der Einwanderer ab 1924 stark zurückgehen. Der
Johnson-Reed Immigration Act kommt aufgrund der ‚Beweise' der Intelligenzforscher zustande,
wonach Schwarze, arme Weisse und Süd- und Osteuropäer, wobei vor allem die jüdischen
Einwanderer gemeint sind, geistig minderwertig und potentiell kriminell seien. Die massive
Beschränkung der Einwanderung wird unterstützt durch den Ku-Klux-Klan, der Mitte der 20er Jahre 5
Mio. Mitglieder zählt. Der Ku-Klux-Klan war 1915 wiedergegründet worden, um die ethnische,
religiöse und moralische ‚Einheit' des ‚Weissen Amerika' zu schützen. Nach einigen Skandalen bricht
die Bewegung 1925 aber zusammen.
Seite [20]
Hoover und seine Agenten legen trotz des Verbots nicht nur über Linke, Bürgerrechtler und
Kriminelle, sondern auch über Politiker Dossiers an. Am 25.3.25 eröffnet Hoover sein "Obscene File".
Seine Macht beruht auf diesen - zum Teil intimen - privaten Daten, mit denen er die Politiker
erpressen kann. Kein Präsident wagt es, Hoover zu entlassen. Sein Stellvertreter William Sullivan
bezeichnet Hoover als den grössten Erpresser aller Zeiten. Dank diesen Unterlagen bleibt Hoover bis
zu seinem Tod 1972 Direktor des FBI und überlebt acht Präsidenten und 16 Justizminister. Er ist den
Präsidenten allerdings auch gefällig: Auf Wunsch von Roosevelt, Truman, Johnson und Nixon lässt er
deren Gegner überwachen.
1925 wird zur Stärkung des umstrittenen FBI die private National Crime Commission geschaffen,
allerdings nicht um den Alkoholschmuggel und das Gangstertum zu bekämpfen, sondern um die
Macht der Polizei im Kampf gegen die Gewerkschaften zu stärken. Die Gründungsversammlung
findet bezeichnenderweise in den Räumen der United States Steel Corporation statt.
1928 erklärt der Oberste Gerichtshof das Abhören von Telefongesprächen für verfassungsmässig. Am
2.4.28 stellt Hoover seinen Lebenspartner Clyde Tolson ein, der Guy Hottel mitbringt. Die beiden
werden seine Vertrauensmänner an der Spitze des Federal Bureau of Investigation. Nebenbei ist
Hoover zugleich Direktor einer Versicherungsgesellschaft.
Quellen: Davis (1984), Fox: 65, Theoharis/ Cox: 21-88, 159, Schulz: 41, Todd, Summers (1993), Tarpley/ Chaitkin: 536f,
1.13. Al Capone in Chicago
Benito Mussolini besuchte 1924 das erste Mal Sizilien, und schickt kurz darauf mehrere
Infanterieregimente nach Sizilien. Der Präfekt Cesare Mori baute ein System von Spitzeln auf und
konnte 1926 die Macht der Mafia brechen, indem er mit Folter und Erpressung die 11'000
Verhafteten zum Reden brachte. Selbst die beiden mächtigsten Bosse Don Calo Vizzini und Genco
Russo kamen ins Gefängnis. Mussolini löste damit eine Mafiosi-Fluchtwelle, wozu Stefano und
Antonio Magaddino, Salvatore Maranzano, Joe Bonanno, Mike Coppola, Joe Profaci und Joe
Magliocco gehörten, ins Paradies der Prohibition aus. Bis Mitte des Jahrhunderts emigrieren
insgesamt über 5 Mio. Italiener in die USA, die die lokale Struktur der bisherigen Mafia in den USA
verändern.
In Chicago unterwanderten die Neuankömmlinge aus Sizilien die Unione Siciliana, eine 1895
gegründete Genossenschaft für gegenseitige Hilfe, und benutzten sie als Front für kriminelle
Aktivitäten. Michele Merlo, einer der Bosse Chicagos, starb am 8.11.24 an Krebs. Die Mafia hatte im
folgenden Mühe, sich zu behaupten. In internen Kämpfen werden sechs führende Mafiosi
umgebracht: Angelo Genna und Sam Samoots Amatuna (1925), Antonio Lombardo (1928), Pasquale
Lolordo (1929), Giuseppe Aiello (1930) und Agostine Loverdo (1931).
Neben den verschiedenen Mafia-Familien und dem Syndikat von Torrio mit Alfonso Capone gibt es
die irische North Side Gang, die ebenfalls im Alkoholgeschäft tätig ist. Ihr Chef, Charles Dion
O'Bannion, wurde am 10.11.24 in seinem Blumenladen, in dem Al Capone für $10'000 rote Rosen
und Johnny Torrio für $10'000 Chrysanthemen für das Begräbnis von Merlo bestellt hatten,
ermordet. O'Bannion soll selbst für den Mord von 24 Personen verantwortlich gewesen sein. Zum
Konflikt kam es, weil seine Männer mehrere Lastwagen mit Alkohol der Genna-Brüder entführten.
Nachfolger O'Bannions wurden Frank Gusenberg und George "Bugs" Moran. Sowohl die Gennas wie
auch die Aiellos gehören im Gegensatz zu Torrio der Unione Siciliana an.
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Im Januar 1925 wollen der 17jährige Sam Giancana und Leonard Gianola Johnny Torrio im Auftrag Al
Capones umbringen, verletzen ihn aber nur. Capone erträgt es nicht, dass Torrio sich weigert, den
Kuchen zu teilen. Torrio verlässt daraufhin die Stadt mit seinen angehäuften $40 Mio. und überlässt
Capone seinen Platz. Dieser schaltet nun systematisch alle Konkurrenten aus: Giancana wird im Mai
1925 erneut engagiert, um die Gennas auszuschalten: Nachdem Angelo, Mike und Tony Genna
umgekommen sind, flüchten die restlichen drei Brüder. Giancana bringt am 3.10.28 auch seinen
Mentor und Beschützer Diamond Joe Esposito um. Am 8.1.29 wird Pasqualino Lolordo von Joe Aiello
und den Brüdern Frank und Pete Gusenberg ermordet. Al Capone, der im Laufe seiner Karriere 215
Morde angeordnet haben soll, organisiert das Management des Verbrecherkartells, das mithilfe der
geschmierten Kooperation von Politikern, Polizei und Justizbeamten $60-250 Mio. Umsatz
erwirtschaftet. Der populäre Capone gibt der Bevölkerung, was sie will: Alkohol, Sex und Spiele, und
zusammen mit Paul Ricca führt er die politischen Beziehungen Espositos weiter. Das Syndikat Al
Capones ist mit der Lolordo-Familie verbündet, die mit der Aiello-Familie in Konflikt steht.
Am 14.2.29 wird die irische North Side Gang mit einem siebenfachen Mord ausgeschaltet. Die
Mörder fahren am Valentinstag in einem Polizeiauto und in Uniform beim Treffpunkt vor und
erschiessen die nichts ahnenden Anwesenden. Capone steht hinter der Ermordung von Frank und
Pete Gusenberg, Jack May, Al Weinshank und Adam Heyer. Bugs Moran, eigentliches Ziel des
Anschlags, und seine Leibwächter Willie Marks und Ted Newsberry überleben, weil sie verspätet zum
Treffpunkt erscheinen. Moran zweigte Capones Alkohol ab und verkaufte ihn an eigene Kunden.
Moran verliert trotz dem fehlgeschlagenen Attentat seine Machtbasis und zieht sich aus dem
Alkoholgeschäft zurück.
Damit besitzen Al Capone und und Don Giuseppe Aiello, der am 23.10.30 im Auftrag von Pasquale
Prestigiocomi ermordet wird, das Alkoholmonopol in Chicago.
Aber Al Capones Berühmtheit als ‚scarface' ist den anderen Mafiosi ein Dorn im Auge, weil es das
Geschäft gefährdet. Mafia-Bosse von verschiedenen Familien und Städten treffen sich im Mai 1929 in
Atlanta City und teilen die Territorien den einzelnen Familien zu. Aufgrund der Prohibition
systematisierte sich die Kooperation zwischen den Schmugglern der einzelnen Staaten, wobei die
grossen Bosse des Nordwestens den Ton angeben. Dazu gehören Al Capone, Joe Adonis, Lepke
Buchalter, Moe Dalitz, Johnny Torrio, Lucky Luciano, Frank Costello, Charlie Solomon, Waxey Gordon,
Longy Zwillman, das Reinfeld Syndikat, Meyer Lansky und Bugsy Siegel. In Nebengesprächen wird
beschlossen, dass der publizitätssüchtige Al Capone, der die Plätze von Torrio und Esposito und damit
die Macht in Chicago übernommen hatte, gehen muss. Auf dem Nachhauseweg von Atlanta wird
Capone wegen unerlaubtem Waffenbesitz verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Kaum
entlassen, kommt Al Capone wegen Steuerhinterziehung erneut für 11 Jahre ins Gefängnis.
Paul Ricca übernimmt den Vorsitz in Chicago. Ricca hiess Paul DeLucia, bis er 1920 in die USA
flüchtete. Er wurde 17jährig wegen Mordes verurteilt und brachte unmittelbar nach seiner
Entlassung den Zeugen, der ihn ins Gefängnis gebracht hatte, um. In den USA arbeitete er dann in der
Zentrale von Esposito, dem Café Bella Napoli, woher er seinen Übernamen "the Waiter" hat. Die
Medien sind überzeugt, dass Frank "the Enforcer" Nitti der Nachfolger von "Scarface" sei, was Ricca,
Humphreys und Jake Guzik, der für die Finanzen zuständig ist, ziemlich freie Hand lässt. Tatsächlich
plante Nitti zusammen mit Capones Cousin Rocco Fischetti die Kontrolle der Organisation zu
übernehmen, aber Ricca hat die Rückendeckung des Syndikats. 1939 wird Capone entlassen, stirbt
aber kurz darauf an Syphilis, die er sich bei einer seiner minderjährigen Prostituierten zugezogen
hatte.
Quellen: Bradley, Raith: 72f, Delorme: 87ff, 133-145, Giancana: 30-34, 67, Best: 4, 10, Behr (2002), Olgiatti, Russel (2000).
Seite [22]
1.14. Oktober 1929: Börsenkrise
Drei Monate vor dem Börsen-Crash 1929 stösst Joe Kennedy alle Aktien ab, wie Michel C. Bouvier
auch. Er gehört damit zusammen mit Industriellen wie William Crapo Durant von der General Motors
und John Davison Rockefeller zu den Auslösern des "Schwarzen Freitags". Die Blase wird wesentlich
ausgelöst wegen Anlagefonds, bei denen verschiedene Anlagen gebündelt werden, sodass der Wert
der einzelnen Papiere nicht mehr ersichtlich ist. Das erlaubt endlose Anlage-Pyramiden und
Spekulationsspiele. Die 1869 von den deutschen Immigranten Marcus Goldman und dessen
Schwiegersohn Samuel Sachs gegründete Goldman Sachs steigt spät ins Spekulationsgeschäft ein,
dafür aber mit verheerender Wirkung. Die Bank gründet die Goldman Sachs Trading Corporation, für
die eine Mio. Aktien à $100 ausgegeben werden, die die Bank selbst aufkauft, um den Preis in die
Höhe zu treiben. Mit dem Erlös wird die Blue Ridge Corporation gegründet, deren Aktien von
Shenandoah gekauft werden, die auch der Goldman Sachs Trading gehört. Dieses System erlaubt,
dass mit einem Dollar neun weitere geliehen werden können, mit diesen 10 weitere 90, mit diesen
100 können weitere 900 bezogen werden, etc.. Beim Crash fällt das Schneeballsystem zusammen
und Goldman Sachs fährt einen Verlust ein, der umgerechnet auf die heutige Kaufkraft $475 Mia.
entspricht.
Kennedy wird wie Bernard Baruch oder Jean Paul Getty dank dem Börsencrash zum Multimillionär,
weil er sichere Aktien wie beispielsweise von General Electric kauft, die von $391 auf $10 gefallen
sind.
In den USA verringert sich die Produktion um 90%. Die Entlassungswelle führt zu einer
Arbeitslosigkeit von 25% und dazu, dass die Bauern ihre Ernten vernichten, obwohl die Bevölkerung
hungert, dass viele Wohnungen leer stehen, während die Menschen campen müssen und dass sie
sich keine Kleider mehr kaufen können und frieren, obwohl die Lagerhäuser zum Bersten voll sind.
Die Kommunistische Partei und andere Arbeiterorganisationen haben regen Zulauf und organisieren
Streiks und Fabrikbesetzungen, die mit Truppen niedergeknüppelt werden. Douglas MacArthur und
Dwight D. Eisenhower spielen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der unbewaffneten
Versammlungen. Selbst gegen die 12'000 Veteranen des Ersten Weltkriegs, die in Washington die
Zahlung ihrer Entschädigungen einforderten, schiessen die mobilisierten Truppen. Hoovers Ansehen
bricht daraufhin zusammen, und der Gouverneur von New York, Franklin D. Roosevelt, gewinnt die
Wahlen 1932 mit einem Erdrutschsieg, allerdings weniger aufgrund seines Konzepts des New Deal,
sondern weil er die Prohibition abschaffen will.
Aufgrund der internationalen Kreditsysteme ist die ganze Welt vom Zusammenbruch betroffen.
Allein in den Industrieländern sind 1930 bereits 35 Mio. Menschen ohne Arbeit. Vor allem in
Deutschland bewirkt die politische Radikalisierung aufgrund der Arbeitslosigkeit von 40% den
Nährboden für den Erfolg des Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg.
Quellen: Martin: 81f, Best: 16ff, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 35-54, Hillesheim, Taibbi 2009.
1.15. Die Mafia in New York
Charlie Luciano, Benjamin Siegel und Meyer Lansky hatten sich schon vor der Prohibition
kennengelernt und schlossen ihre italienische und jüdische Bande zum Kampf gegen die irischen
Gruppen zusammen. Charlie Luciano, als Neunjähriger 1906 von Sizilien eingewandert, machte seine
ersten Erfahrungen mit sogenannten Schutz-Rackets. Er nutzte als 18jähriger die grosse Zahl der
Rauschgiftsüchtigen in der Gegend um die East Tenth Street, indem er sich eine halbe Flasche Opium
kaufte und deren Inhalt in kleinen Mengen weiterverkaufte. Beim Verkauf seiner dritten Flasche
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wurde er erwischt und zu 8 Monaten Erziehungsanstalt verurteilt. Als er 5 Jahre später wegen
Heroinhandels verhaftet wird, entgeht er dem Gefängnis, weil er die Beamten zu einem Drogenlager
an der Mulberry Street führt, worauf mehrere seiner Konkurrenten von der Bildfläche verschwinden.
Meyer Lansky wurde 1902 in Grodno (Polen) als Meyer Suchowljansky geboren und kam 1912 in die
USA. Seine ersten Erfahrungen machte Meyer mit Craps-Spielen an Strassenecken an der Lower East
Side in Manhattan. Er verdingte sich als Wachtposten, Einbrecher und Schläger für Gewerkschaften,
die Streikbrecher verprügeln und Maschinen und Waren sabotieren liessen. Bereits im Alter von 16
Jahren versuchte er vergeblich, Zuhälter zweier Prostituierten zu werden. Angezogen durch die neue
phantastische Einkommensquelle mit Alkoholschwarzhandel gab Lansky seinen Job als
Automechaniker für immer auf. Seine bürgerliche Fassade bleibt jedoch ein Auto- und
Lastwagenverleih. Lansky organisierte mit Benny Siegel, Sohn von eingewanderten russischen Juden,
den Alkoholtransport und stellte Freunde wie Moe Sedway oder Red Levine als Überwacher und
Fahrer ein. Siegel ist ein geschickter Autodieb und wird wegen seiner Furchtlosigkeit Bugsy genannt.
Lansky wurde Geschäftspartner des unverfrorenen Fat Al Levy und Schützling des Archetypen für das
organisierte Verbrechen in Amerika, Arnold Rothstein. Der weltmännische und charmante Rothstein
traf nur separate Absprachen, so dass niemand, der auffliegt, sein Imperium durch Geschwätzigkeit
in Gefahr bringen kann. Als erster Jude erlangte er bedeutenden Einfluss in den
rauchgeschwängerten Hinterzimmern der Tammany Hall und wurde zum ‚König' der
Alkoholschmuggler. Arnold Rothstein erhielt am 4.11.28 beim Park Central Hotel Kugeln in den
Bauch, nachdem in Cleveland das erste bekannte Mafia-Meeting im Hotel Statler stattfand, an dem
27 Mafiosi aus dem Osten, dem Süden und dem Mittleren Westen der USA teilnahmen. "The Brain"
starb zwei Tage später im Krankenhaus, nachdem er sich bis zuletzt geweigert hatte, der Polizei auch
nur den kleinsten Hinweis auf Täter oder Motiv zu geben.
Luciano versuchte, Meyer zu erpressen und lernte ihn so kennen. Nun koordinierten Luciano, Lansky
und Siegel den Alkoholschmuggel und verkauften in ihren Speakeasies denselben Alkohol. Später
kamen die Neapolitaner Frank Costello (Francesco Castiglia) und Vito Genovese zum Team dazu.
Luciano beanspruchte schon früh die Führung der Gang und plante mit Siegel die Diebstähle,
Entführungen, den Transport und Verkauf von Alkohol. Der diplomatische Costello spezialisierte sich
auf das Schmieren von Polizisten, und Lansky kümmerte sich um die Finanzen. Der brutale Genovese,
der oft eigene Wege geht, galt als der Schläger der Gang. Bis Mitte der 20er Jahre kontrollierte
Lucianos Gang mehrere Destillerien, eine Lastwagenflotte, um Alkohol von Kanada nach New York zu
bringen, Lagerhäuser, ein Entführer-Team für die Alkohollieferungen der konkurrierenden
Schmuggler sowie Dutzende von Speakeasies. Insgesamt beschäftigte die Gang etwa 100 Personen
und soll $4 Mio. pro Jahr verdient haben, was sich Luciano, Lansky, Siegel und Costello untereinander
aufteilten. Joe Masseria bemerkte den erstaunlichen Aufstieg von Lucianos Gang und begann,
Luciano zu umwerben, damit dieser sich seiner Organisation anschliesst.
In New York tobte Ende der 20er Jahre der "Castellammare-Krieg": In Brooklyn leben Hunderte von
Sizilianern aus Castellammare, westlich von Palermo, die durch ihre Herkunft eine Art Clan bilden.
Salvatore Maranzano wurde vom sizilianischen Capo di tutti capi Don Vito Cascio Ferro in die USA
gesandt, mit dem Auftrag, die amerikanische Mafia unter sizilianische Kontrolle zu bringen.
Maranzano wurde zum Führer des Castellammare-Clans und begann, Joe Masserias Macht zu
untergraben, indem er dessen Alkohollieferungen entführen liess und die Speakeasies zwang, seinen
Alkohol zu verkaufen. 1928 verlangte Masseria Tribut und liess prompt einen Mann von Maranzanos
Clan umbringen, als dieser sich weigerte zu zahlen. Es folgten Morde an weiteren Castellammarese in
anderen Städten, worauf Maranzano seine Angriffe auf Masserias Alkoholgeschäfte intensivierte.
Seite [24]
Masseria war der Situation je länger je weniger gewachsen, bis er schliesslich die Ermordung aller
Castellammerese anordnete, worauf ein eigentlicher Krieg ausbrach, da Maranzano durch seine 400
Männer zurückschlagen liess. Nach einem Jahr hat Masseria bereits 50 seiner Männer verloren. Zu
dieser Zeit beginnt die Gang von Luciano als Teil von Masserias Organisation mit Anastasia und
Gambino zusammenzuarbeiten. Diese Allianzen sind allerdings nicht stabil: Masserias Schützling
Carlo Gambino wechselt zu Maranzanos Organisation, zu der aufsteigende Kräfte wie Joe Profaci, Joe
Bonanno und die Magaddinos gehören, als er das Gefühl hat, Masseria werde unterliegen.
Luciano weigerte sich, die Seite zu wechseln, und wurde deshalb am 16.10.29 von Maranzanos
Männern in eine Falle gelockt und so geschlagen, dass sein Gesicht für immer entstellt bleibt. Sie
hängten ihn an den Daumen an einen Baum und bearbeiteten ihn mit Rasierklingen und brennenden
Zigaretten bis zur Bewusstlosigkeit, schlitzten ihm die Kehle auf und warfen ihn in ein Lagerhaus. Nur
durch Zufall wurde er gefunden und überlebte, ‚lucky', wenn auch mit bleibenden Schäden. Zu
diesem Zeitpunkt hatte er 17 Haftstrafen hinter sich.
1931 wechselten Luciano und Genovese aber ebenfalls die Seite. Luciano trifft Masseria am 15.4.31
im Restaurant Nuova Villa Tammarano auf Coney Island zum Lunch. Als Luciano auf die Toilette geht,
stürzen Genovese, Anastasia, Siegel und Adonis herein und erschiessen Masseria.
Salvatore Maranzano ist nun der mächtigste Boss im Land und beruft im Mai ein Meeting aller
Familien des Landes in einer grossen Banketthalle in der Bronx ein, zu dem 400 Männer erscheinen.
Er erklärt sich zum Boss der Bosse und verkündet eine neue Organisationsstruktur, wobei er den
Begriff "Cosa Nostra" braucht. Maranzano ist der gebildetste aller Bosse: er spricht sechs Sprachen,
ist ein guter Rhetoriker und ein grosser Verehrer Cäsars, den er auf Lateinisch liest, und lebt nach den
Maximen von Macchiavelli. Maranzano führt die militärische Organisation der Mafia ein: La Cosa
Nostra wird in 24 Familien eingeteilt und von je einem "Capo" regiert. Dem Boss steht ein "Sotocapo"
(Stellvertreter) zur Seite. Sie befehlen mehrere "Caporegime" (Leutnants), die für die "button men"
(Soldaten) verantwortlich sind. Eine strenge Befehls- und Kommunikationshierarchie soll die Disziplin
und Effizienz der Organisation garantieren. Gleichzeitig verstärkt Maranzano mit dem Obligatorium
von Katholizismus und italienischer Nationalität die traditionellen Werte und verlangt unbedingte
Einhaltung der Omertà.
New York wird in 5 Familien aufteilt: Die Maranzano-Familie in Brooklyn mit Joe Bonanno als
Stellvertreter. Eine zweite in Brooklyn mit Maranzanos gutem Freund Joe Profaci als Boss und mit Joe
Colombo als Sotocapo. Eine dritte in Brooklyn mit Vincent Mangano, dem Herrscher über die Werft,
mit Anastasia als Unterboss und Adonis, Gambino und Scalise als Leutnants. Der extrovertierte
Adonis heisst eigentlich Doto, hat aber seinen Namen in Hommage an seine Schönheit gewechselt.
Im Gegensatz zum ruhigen und eleganten Gambino, der vorwiegend für das Alkoholgeschäft
zuständig ist, gilt sein Vorgesetzter Anastasia als blutdürstig und jähzornig. Manganos Bruder Philip
steigt in der International Longshoremen's Association auf, und Anastasia macht für Mangano viel
Geld, indem er die Schiffsgesellschaften und -besitzer, Hafenarbeiter und Kapitäne erpresst. Mit der
Kontrolle des Hafens lassen sich auch grosse Gewinne mit Schmuggel von Alkohol und Drogen
machen. Anstelle von Masseria steht jetzt Lucky Luciano, zu dem Costello und Genovese gehören, an
der Spitze der vierten Organisation. Luciano übernimmt Masserias Lotterie-Rackets und ist
Maranzanos Kronprinz. Anstelle der bisherigen Reina-Gang wird eine fünfte Familie geschaffen, die
von Tommy Lucchese geführt wird und zu der Frank Scalise gehört. Im ganzen Land zählt die Cosa
Nostra 4000-5000 Mitglieder und hat 30-40'000 Verbündete.
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Maranzano weiss, dass er seine eroberte Macht gegen die ambitionierten Jungen verteidigen muss
und plant, Al Capone, Frank Costello, Joe Adonis, Vito Genovese und Lucky Luciano umbringen zu
lassen. Luciano hält nichts von den traditionellen Werten eines Maranzano, ihm geht es ums
Geldmachen, weshalb er Lansky und Siegel mit der Cosa Nostra assoziiert haben will. Maranzano
setzt den jungen irischen Killer Vincent "Mad Dog" Coll auf Luciano und Genovese an und teilt seine
Pläne unvorsichtigerweise seinen Verbündeten mit, von denen einer Luciano warnt. Luciano kommt
ihm zuvor, indem er ihm am 10.9.31 vier Killer der Siegel-Lansky-Gang in Uniformen von
Steuerbeamten in sein Büro schickt. Danach sichert sich Luciano die Macht, indem er die Säuberung
der alten Garde anordnet: 60 Maranzano-Loyalisten werden umgebracht. Damit ist der Versuch
fehlgeschlagen, die US-Mafia von Sizilien aus zu kontrollieren.
Unter dem Pseudonym Charles Ross organisiert Luciano eine ‚Friedenskonferenz' im Waldorf-Astoria,
in dem er residiert. Dabei vollzieht sich die endgültige Amerikanisierung der Mafia: Eine Kommission
von zwölf Bossen unter Leitung von Vincent Mangano (Präsident), mit Lucky Luciano, Joe Profaci,
Joseph Colombo, Frank Milano und anderen, soll demokratisch Aktionen und Streitigkeiten regeln.
Allerdings hat diese Kommission keine zentralistische Struktur, sondern dient der Abgrenzung von
Territorien, und die 24 Familien bleiben autonom. Miami bleibt eine offene Stadt, wo alle Geschäfte
betreiben können. Die Einteilung Maranzanos lässt Luciano bestehen, aber er fügt jedem Boss einen
"Consigliere" (Berater) bei. Auch in der Unterwelt herrscht nun das marktwirtschaftliche Prinzip des
Laissez faire, wobei Geschäftsinteressen im Vordergrund stehen und nicht mehr formale soziale
Strukturen wie Familien- und Nationalzugehörigkeit. Allerdings stabilisiert das ethnische Bewusstsein
die Unterwelt dahingehend, dass Aufgabenteilung und Kompetenzverteilung sich entsprechend der
Herkunft durchsetzt: Die Iren sind für Politikerbestechung zuständig und stark in den
Gewerkschaftserpressungen vertreten. Nach eigenen Angaben haben Luciano und Costello 1932 die
Tammany Hall, die politische Schaltzentrale New Yorks, in der Hand. Die Juden, die nie zum innersten
Kreis gehören, sind in Spielgeschäften und Finanzangelegenheiten favorisiert, und die Italiener
übernehmen Gewaltakte und beanspruchen die Führung. Luciano ist damit der erste moderne
Mafiaboss, beraten von Meyer Lansky.
Nach dem Modell der Gang von Siegel und Lansky (The Bug and Meyer Mob) stellt Luciano die später
so benannte Murder, Incorporated auf die Beine, die in den 30er und 40er Jahren in New York und
New Jersey Mord auf Bestellung ausführt. Hauptziel ist, dass keine Verbindung zwischen
Auftraggeber und Opfer hergestellt werden kann, da die Auftraggeber die Täter nicht kennen.
Deshalb werden oft professionelle Killer aus anderen Staaten angeheuert, um einen Auftrag zu
erledigen. Albert Anastasia kontrolliert die von Louis "Lepke" Buchalter und Jacob "Gurrah" Shapiro
geführte, eigenständige Organisation. Beide hatten mit Erpressungen bei den Hafenarbeitern und in
der Bekleidungsindustrie begonnen. Die jüdischen und italienischen Mörder verdienen $200 in der
Woche, müssen aber immer verfügbar sein. Das Hauptquartier ist ein immer geöffneter
Süssigkeitsladen in Brooklyn, das "Midnight Rose's". Anastasia hat durch die Kontrolle der Murder
Inc. und des Hafens eine unglaublich starke Machtposition innerhalb der Mafia und wird Ende der
30er "Mad Hatter", "Earthquake" und "Lord High Executioner" genannt. Man schätzt die Zahl der
ausgeführten Ermordungen der Murder Inc. auf mindestens 400-500, vielleicht aber auch viel mehr.
Mithilfe seines Bruders Anthony "Tough Tony" Anastasio, der Vizepräsident der International
Longshoremen, aber nie offizielles Mitglied der Cosa Nostra wird, kontrolliert Anastasia effizient den
Hafen von Brooklyn.
Quellen: Delorme: 12-15, 57-68, Davis (1994): 34-58, Russel (2000), Best: 4f, Behr: 111-119, Amendt: 28, Lacey: 55-64, Anson:
306f.
Seite [26]
1.16. 1932: Roosevelt und Kennedy
Franklin Delano Roosevelt wird mit der Unterstützung der Mafia, die über Joe Schenk Millionen in die
Wahlkampagne fliessen liess, zum Präsidenten gewählt. 1937 soll Ricca, unterdessen offizieller Boss
von Chicago, sogar im Weissen Haus empfangen worden sein. Joe Kennedy arbeitete im
Wahlkampfausschuss, spannte den Herausgeber William Randolph Hearst für die Nomination ein und
zahlte beinahe $100'000 an Roosevelts Wahl, ohne dann aber einen Job in der Regierung zu
bekommen. Dafür wird Kennedy von Roosevelt als Vorsitzender der "Securities and Exchange
Commission", der staatlichen Kommission zur Börsenüberwachung, eingesetzt. Kennedy gehört nicht
nur zu den Profiteuren, sondern zu den Auslösern der Wirtschaftskrise. Dem erstaunten Publikum
erklärt Roosevelt: "Diebe fangen Diebe am besten." Kennedy führt tatsächlich harte Bestimmungen
ein und erzwingt die Offenlegung der Handelsgeschäfte der Makler. Dank der Erfolge dieser
Stabilisierungspolitik wird Kennedy zum Vertrauten Roosevelts.
Zudem kann er sich bei einer Reise mit Roosevelts Sohn nach England die Konzessionen von Gordon's
Gin und Dewars- und Haig-Whiskeys sichern und gründet "Somerset Importers". Ihm gehört ein Teil
einer Pferderennbahn Hialeah, was neben seiner Spielleidenschaft die Kontakte zu Mobstern
aufrechterhält. Die Aufhebung der Prohibition führt zu einem vehementen Kampf mit der Mafia, die
sich ebenfalls Konzessionen sichern will. Eine besondere Feindschaft verbindet Kennedy mit Meyer
Lansky und Joseph "Doc" Stacher, nachdem diese 1927 eine ganze Ladung irischen Whiskey
entführten, wobei elf Männer getötet wurden. Kennedy glaubte zuerst, Zwillman hätte ihn
bestohlen. Da er nicht nur den Alkohol verlor, sondern die Witwen und Angehörigen entschädigen
musste, kostete ihn dies ein Vermögen. Kennedys Firma und Costellos Firma "Alliance Distributors"
sind Mitte der 30er Jahre erbitterte Konkurrenten, nachdem es einen Streit zwischen ihnen gegeben
hat.
Quellen: Davis (1988): 39, Kessler (1997), Best: 18, Collier/ Horowitz: 73-85.
1.17. Das Kartell der Erdölgesellschaften
Die sieben bedeutendsten Ölgesellschaften Exxon, Mobil Oil, Texaco, Gulf Oil, Standard Oil of
California, Anglo-Persian Oil Company und Royal Dutch-Shell unterzeichnen ein kartellähnliches
Abkommen zur Ausbeutung der arabischen Ölfelder.
Bisher wurde das meiste Öl in den USA gefördert und von John D. Rockefellers Standard Oil Company
raffiniert. Gegen dieses faktische Monopol wurde 1911 das Antitrustgesetz erlassen. Rockefeller
musste seine Firma in Standard Oil of New Jersey (=Exxon), Standard Oil of New York (=Mobil Oil),
Standard Oil of California, Standard Oil of Ohio, Standard Oil of Indiana und Marathon Oil aufteilen,
an deren Spitzen er Strohmänner einsetzte. Zudem expandierte Rockefeller nach Mexiko und
Venezuela, wo er mit aggressiven Methoden die Konzessionen erwarb, was der Beginn des
internationalen Wettlaufs im Ölgeschäft darstellte. Im Ersten Weltkrieg lieferte Rockefeller Öl an
beide Seiten. Er nutzte die Abhängigkeit der US-Armee von seinem Öl und erreichte, dass die USA das
Kartellgesetz aushebelte. Trotzdem lieferte Rockefeller weiterhin auch an die Deutschen.
Noch 1920 wurden zwei Drittel des Öls in den USA gefördert, aber die übrigen Weltmächte zogen
Konsequenzen aus dem ersten Weltkrieg und versuchten, an die Ölvorräte im Nahen Osten
heranzukommen. Vor allem die Engländer hatten sich mit einer 60jährigen Konzession im Iran den
zweiten Platz im Ölgeschäft gesichert. Zudem standen den Europäern die politisch unsicheren
russischen Ölfelder von Baku, die mit dem Kapital der Nobels und Rothschilds erschlossen wurden,
und die Einrichtungen der Royal Dutch Company in Niederländisch-Ostindien zur Verfügung.
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Rockefeller nutzt die Abhängigkeit der US-Armee von seinem Öl, um das Kartellgesetz 1916 wieder
auszuhebeln.
Im Juli 1928 wurde die vor dem Krieg gegründete Turkish Petroleum Company unter den
Amerikanern (Exxon, Gulf und Mobil bekamen 23.75%), den Briten (Anglo-Persian und Royal DutchShell 47,5%) und Franzosen (Compagnie Française des Pétroles 23,75%) aufgeteilt. Der Besitzer
Calouste Sarkis Gulbenkian behielt 5% der Aktien, womit die weitere Konkurrenz ausgeschlossen
werden konnte. Im September 1928 wurden von Henri Deterding (Royal Dutch-Shell), Walter Teagle
(Standard Oil of New Jersey) und John Cadman (Anglo-Persian) mit dem As-is-Abkommen auch die
Aufteilung der internationalen Märkte festgelegt, was bis Mitte der 60er Jahren funktioniert.
1933 wurde auch Gulf Oil ins das Kartell miteinbezogen und Kuwait aufgeteilt. Allerdings hatte sich
die Standard Oil of California bereits Saudi-Arabien unter den Nagel gerissen, indem Harry St. John
Philby mit König Ibn Saud eine Konzession aushandelte. Aber die Standard Oil of California kann sich
auf den abgesprochenen Märkten nicht durchsetzen, weshalb 1933 Aramco (Arabian-American Oil
Company) gegründet wird, die sich zum grössten Erdölproduzenten entwickeln wird. Während der
Depression sinkt der Ölpreis auf 10 Cents pro Barrel, und die Aramco muss versuchen, da die
Bohrtürme in Texas und Mexico förmlich aus dem Boden schiessen, die Förderung anderswo radikal
zu unterbinden. 1935 wird über Harry St. John Philby ein neues Abkommen zwischen König Ibn Saud
und der Aramco geschlossen, das ihr die Produktions- und Transportrechte bis ins Jahr 2000
garantiert.
Rockefeller lässt das saudische Öl von Aristoteles Sokrates Onassis transportieren, der 1930 die
ersten sechs Tanker kaufte und den ersten Grosstanker Ariston bauen lässt. Onassis wurde 1906 in
Smyrna (Türkei) geboren. Sein Vater war ein wohlhabender Tabakhändler und Leiter der Börse bis
zum 1. Weltkrieg, der das Vermögen seiner Familie vernichtete. Onassis floh 1922 vor den
grauenhaften ethnischen Säuberungen der Türken, die Karatass besetzten, nach Griechenland und
kaufte mit dem geretteten Geld seinen inhaftierten Vater frei. 1923 wanderte er mit $250 nach
Argentinien aus. In Buenos Aires arbeitete er in einer Telefongesellschaft, handelte mit türkischem
Tabak, kreierte er eine eigene Zigarettenmarke für Frauen und schmuggelte Alkohol in die USA.
Nachdem die griechische Regierung die Anhebung der Zollsteuer um 1000% beschlossen hat, reiste
Onassis 1928 nach Griechenland, wo er seinen Kontakt zu Minister Michalakopoulas aufbaute, um
eine Ausnahmeregelung für ihn zu erwirken. Onassis wurde kurz darauf griechischer Vizekonsul,
erhielt die griechisch-argentinische Doppelnationalität, arbeitete im Devisenschwarzmarkt und hatte
mit Spionage zu tun. 1932 wurde ein Versicherungsbetrug für eine angeblich gesunkene Fracht, an
dem Onassis beteiligt war, unterdrückt, indem die Dossiers verschwinden.
Quellen: Marrs: 276, Epstein: 6-14, Best: 53, Evans, Morgenthaler.
1.18. Februar 1933: Das Attentat auf Cermak und Roosevelt
Der Bürgermeister von Chicago, Anton Cermak, ist mit Roosevelt an einer Veranstaltung in Miami.
Cermak wurde dank seinem Versprechen, mit Al Capones Organisation in Chicago aufzuräumen, zum
Bürgermeister gewählt. Der Krieg Cermaks gegen die Capone-Organisation nützt vor allem dem
Konkurrenten Teddy Newberry. Nach einem Mordversuch an Frank Nitti liess Ricca Newberry
umbringen, und Cermak, der um sein Leben fürchtete, flüchtete nach Florida.
Ricca engagierte Joe Zangara, den Esposito fünf Jahre früher aus Sizilien holen liess und nach Florida
setzte, um den Zuckerimport aus Kuba zu überwachen. Zangara war Eliteschütze der italienischen
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Armee und ist aufgrund seiner Spielleidenschaft stark verschuldet. Giuseppe Zangara feuert am
15.2.33 angeblich fünf Schüsse auf den Präsidenten, ohne ihn allerdings zu treffen. Sechs Leute
werden in der Schiesserei getroffen, darunter Cermak. Zangara hat eine .32 Pistole, Cermak wird mit
einer .45 getroffen und stirbt drei Wochen später. In der Nähe von Zangara steht ein zweiter
unbemerkter Killer. Die Untersuchung ergibt, dass Zangara ein Einzeltäter mit psychotischen
Problemen sei, der unter chronischen Magenbeschwerden leidet, für die er die herrschende Klasse
verantwortlich mache. Zangara wird verurteilt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.
Roosevelt erhöht die Zahl seiner Leibwächter danach um das 20fache und fährt nachher fast nur
noch im geschlossenen Wagen.
Quellen: Callahan: 146, Giancana: 63f, Karel 2009.
1.19. Dezember 1933: Die Aufhebung der Prohibition
Mit der Aufhebung der Prohibition muss sich die Mafia neue Geldquellen erschliessen. Meyer Lansky,
Moe Dalitz, Sam Tucker und andere gründen die Molaska Corporation, die illegale Schnapshersteller
mit Rohstoffen beliefern. Weil mit der Legalisierung eine hohe Alkoholsteuer eingeführt wird, geht
der illegale Schmuggel weiter, wobei die Gewinnmargen massiv zurückgehen. Auch andere
Schmuggler wie Sam Bronfman (Seagram), Lewis S. Rosenstiel (Schenley Distillers), Joe Reinfeld,
Longy Zwillman und Doc Stacher (Browne Vintners), Joe Linsey (Whitehall Distributers) oder Joe
Fusco der Capone-Gang (Gold Seal Liquors) legalisieren ihre Geschäfte, zumindest zum Teil. Praktisch
alle Alkoholfirmen sind ehemalige Schmuggler. Die meisten suchen sich erträglichere
Einnahmequellen und nehmen ihre kriminellen Aktivitäten vor der Prohibition wieder auf.
In den Aussenbezirken der Städte blühen die "Carpet Joints", eine Kombination von Flüsterkneipe
und Spielkasino, die ebenfalls Schmiergeldzahlungen an die lokalen Polizeibeamten und Politiker
erfordern. Die "Ricks", die von 1933 an diese Teppichschuppen betreiben, sind die ehemaligen
Flüsterkneipenbesitzer. Meyer Lansky konzentriert sich auf das Glückspielgeschäft, hauptsächlich in
Saratoga, wo er zusammen mit Frank Castello und Joe Adonis das Piping Rock Casino aufbaut. Auf
dieser Basis etabliert er sich als Nachfolger von Arnold Rothstein und wird eine Art Bankier der
Unterwelt, Experte in Geldwäscherei, Finanzmanipulationen und Buchmacherei.
Paul Ricca versucht an einer Geheimkonferenz im Hotel Bismarck in Chicago, Lucky Luciano, Rocco
Fischetti, Harry Ducket und Sylvester Agoglia zu überzeugen, die Gewerkschaften unter Kontrolle zu
bringen. Murray Humphreys hatte die Idee, nicht nur politische Macht der ArbeitnehmerOrganisationen zu sichern, sondern sich an den vollen Gewerkschaftskassen zu bereichern. Die
Kontrolle der Arbeiter und die Öffnung der Gewerkschaftskassen wird mit Intimidation erreicht, was
Sam Giancana, Willie Bioff und Johnny Roselli übernehmen.
Die Mafia von Chicago nistet sich über Joe Kennedy in Hollywood ein. Roselli überwacht die
Aktivitäten in Kalifornien, zusammen mit Bugsy Siegel, Mickey Cohen und Frank Costello. George
Browne und Willie Bioff werden an die Spitze der Kinogewerkschaft International Alliance of
Theatrical Stage Employees gesetzt. Die Gangster konzentrieren ihre Investitionen als gute
Kapitalisten in Bereichen, in denen die Gewerkschaften eher schwach sind. Verhängnisvoll für die
Arbeiter ist die Übernahme der Kontrolle der Hafenarbeiter (Longshoremen) unter Joseph Patrick
Ryan (Präsident von 1927-53) und der Lastwagenfahrer (Brotherhood of Teamsters) unter Daniel
Tobin (1907-52).
Seite [29]
Im New Yorker Hafen koordinieren die verschiedenen Gangster die Kontrolle durch die Gründung der
Varick Enterprises Inc, die den Umschlag des Hafens überprüft, Abgaben einzieht und verteilt. Der
starke Mann hinter Ryan ist William J.McCormick. Neben den Hafen- und Transportgewerkschaften
können sich die Mafiosi vor allem bei den Laborers (Baugewerbe) und im Gastgewerbe einnisten. Für
ihre Schläger, die sie gegen Arbeiterforderungen und Streiks einsetzen, kassieren sie anfänglich von
den Firmenbesitzern. Mit der Kontrolle der Gewerkschaftsspitzen kassieren sie auch einen Teil der
Gewerkschaftsabgaben der Arbeiter. Manchmal übernehmen die Mobster die Firmen auch gleich
selbst.
Besonders übel geht es in der Textilindustrie New Yorks zu, wo die Gewerkschaften Lepke Buchalter
und Gurrah Shapiro anheuern, die die Streikbrecher erfolgreich bekämpfen und sich gewaltsam in
den Besitz einiger Kleiderfirmen bringen. Nach der Depression und dem Verschwinden der
Kommunisten in der McCarthy-Hysterie und der Arbeitskämpfe bleiben die Mobster als Parasiten
trotzdem in ihren Machtpositionen.
Lucky Luciano konzentriert sich auf sogenannte Dienstleistungs-Rackets: Buchmacherei, Prostitution
und Drogenhandel. Mit dem Ende der Prohibition gewinnt der Heroinhandel an Bedeutung und
verspricht noch höhere Gewinne als der Alkoholschmuggel. Nach der Erfindung der Injektionsspritze
1864 wurde das 1803 entdeckte Morphin als Wundermittel für kranke und gesunde Soldaten
verwendet. Die Firma Bayer brachte 1898 das Heroin als Hustenmittel auf den Markt und warb mit
dessen "Fähigkeit, Morphinsüchtige schnellstens zu heilen". Dann löste der Erste Weltkrieg eine
eigentliche Suchtepidemie aus, worauf die meisten Staaten versuchten, mit Vorschriften und
Verboten dagegen anzukämpfen. In Deutschland wurde Heroin zwar 1921 verschreibungspflichtig,
aber erst seit 1958 ist es nicht mehr als Medikament erhältlich und wird durch Valium und Librium
ersetzt. In den USA wurde das Heroin 1924 verboten, worauf einige Paten ins Geschäft einstiegen.
Die meisten Mafiosi waren jedoch gegen den unmoralischen Drogenhandel.
Lucianos geniale Idee ist die Verbindung von Heroin und Prostitution: süchtige Dirnen sind willige
Arbeitskräfte und erlauben einen doppelten Gewinn. Wenn sie in den Bordellen Heroin an die Freier
weiterverkaufen, sogar einen dreifachen. Vier Jahre später kontrolliert Lucky Luciano 200 Bordelle
mit 1800 Prostituierten und macht damit $10 Mio. Gewinn jährlich.
Meyer Lansky reist 1935 ins britische Shanghai und organisiert den Heroinhandel mit "Pockennarbe"
Huang, dem Chef der "Grünen", und Chang Hsiao-lin, dem Chef der "Roten". Die Gang der "Grünen"
arbeitete mit den Franzosen zusammen und besorgte für sie Rauschgift- und Geheimdienstgeschäfte,
die "Roten" kollaborierten mit dem britischen Geheimdienst. 1927 zerschlugen die Gangs zusammen
mit Tschiang Kai-schek den Generalstreik der Arbeiterbewegung gegen die ausländischen
Wirtschaftsmächte und gegen die Generalität. Das Massaker an den vormals verbündeten
Kommunisten dauerte einige Monate. Tschiang Kai-schek verwandelte das Opiumverbot in ein
Staatsmonopol, das allerdings Ende 1928 wieder aufgehoben wurde, da sich in der Illegalität grössere
Geschäfte machen lassen. Die Huangs kontrollieren seither den Osten, die Changs den Westen
Chinas. Für Meyer Lansky liefert Chang ab 1935 Heroin aus seinen Raffinerien, während Huang den
Transport in die USA kontrolliert.
Um nicht von einer Lieferorganisation abhängig zu sein, baut Meyer Lansky eine zweite Heroinkette
auf. Da die Mafia in Sizilien von Mussolini bekämpft und unterdrückt wird, kommt diese als
Handelspartner nicht in Frage. Fündig wird Meyer Lansky in Istanbul: Die Brüder Eliopoulos kaufen
türkisches Opium auf und transportieren es - teilweise schon zu Morphin verarbeitet - nach
Marseille. Dort beherrschen die beiden Bosse Paul Bonnaventure Carbone und François Spirito die
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aus Korsen rekrutierte Unterwelt. Der Umsatz deren Heroinraffinerie vergrössert sich dank der
Zusammenarbeit mit Meyer Lansky um das Dreissigfache. Ein wichtiger Mann wird zudem der
Finanzmakler John Pullman, der dafür sorgt, dass die nötigen Bankgeschäfte von nun an mit
Schweizer Diskretion erledigt werden. Meyer Lansky steigt 1936 in Hallandale ins Glückspielgeschäft
ein, das Julian "Potatoes" Kaufman dort auf die Beine gestellt hat. Florida entwickelt sich zum
Paradies für Glückspieler.
Meyer Lansky übersiedelt 1938 für drei Jahre nach Kuba. Fulgencio Batista, seit 1933 nach einem
Putsch an der Macht, und Meyer Lansky schliessen einen Vertrag: Lansky zahlt Batista $3 Mio. pro
Jahr und bekommt dafür nach die Rechte für das Glückspielgeschäft auf der Insel, womit der Einzug
der Mafia und des Glückspiel- und Freiertourismus in der Karibik beginnt.
Der Waffenhändler Rolando "El Tigre" Masferrer überzeugte Batista, sich mit Meyer Lansky zu
assoziieren, woraus eine Freundschaft entsteht. Der kubanische Senator schützt die Mobinteressen
mit seiner Privatarmee und baut eine langjährige Freundschaft mit den Trafficantes auf, die auch
nach Castros Machtübernahme anhält. Der seit 1933 die Politik dominierende Feldwebel Fulgencio
Batista stellte die Glückspiele im Januar 1937 unter militärische Kontrolle und wollte die Einnahmen
aus diesem Geschäft erhöhen. Dazu stellte er Lou Smith, ein erfolgreicher Betreiber von Rennanlagen
aus New England, an, der Frank Erikson und Lansky nach Kuba holte. Meyer Lansky, der seit 5 Jahren
Spielkonzessionen hat, baut sein Imperium auf der Insel aus: er kauft fünf Hotels, pachtet und kauft
verschiedene Spielkasinos und pachtet im Namen von Rockefellers Chase Manhattan Bank die
Rennbahn von Havanna. Nach der Wahl Batistas zum Präsidenten verlässt Meyer Lansky 1940 Kuba
und setzt Santos Trafficante Sr. als seinen Stellvertreter ein, den die US-Drogenbehörde zukünftig für
den Koordinator der Drogengeschäfte hält. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage verliert Batista
die auf Druck der Amerikaner durchgeführten Wahlen 1944 und geht für 8 Jahre ins Exil nach Florida.
Quellen: Geffen, Giancana: 69-72, Fox: 210, Olgiatti, Best: 6f, 32, Moldea: 4f, Behr: 160-170, 174f, Lacey, Russel (2000), Amendt:
28, Anson: 306f, Bartholomew (4): 18, Pfletschinger/ Weymar.
1.20. 1934: Upton Sinclair
Der Journalist und Schriftsteller Upton Sinclair gewinnt die demokratischen Vorwahlen in Kalifornien
haushoch, mit mehr Stimmen als alle anderen Kandidaten zusammen. Sinclair praktiziert einen
investigativen Journalismus: Sein Roman Der Dschungel von 1906, in dem er die Ausbeutung der
Arbeiter in Chicago schilderte, erreichte Millionenauflage. Er produzierte einen Film von Sergej
Eisenstein, verteidigte Sacco und Vanzetti und war eine sozialistische Berühmtheit. Er versprach im
Wahlkampf, die durch die Wirtschaftskrise grassierende Armut abzuschaffen, indem er die
leerstehenden Fabriken von den Besitzern pachten und die Leitung den Arbeitern übergeben und
eine neue Steuer für Filmstudios einführen würde. Alle 700 Zeitungen in den USA starten daraufhin
eine Verleumdungskampagne, die von den Grossbrauereien, Southern Pacific, Standard Oil und der
Elektrizitätsfirma PG&E finanziert wird, in der Sinclair als Antichrist und kommunistischer Agitator
dargestellt wird. Die Kinos zeigen Kurzfilme der Firma Whitaker & Baxter, in denen seine Anhänger
als zerlumpte Galgenvögel dargestellt werden, die von einer Revolution sowjetischer Art träumen.
Sinclair verliert die Wahl knapp und verlässt 1966 Kalifornien, als Ronald Reagan Gouverneur wird.
Immerhin führten Sinclairs Enthüllungen und Schriften dazu, dass der Konsumentenschutz verbessert
wurde.
Quellen: Halimi/ Wacquant.
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1.21. 1935 New Deal
1935 führt Roosevelt die 'Social Security' ein, um der Radikalisierung entgegen zu treten und den
Kapitalismus zu retten. Allerdings gilt die Arbeitslosenversicherung nicht für die Arbeiter im tiefsten
Segment (Tellerwäscher, Dienstmädchen, Gepäckträger, Hausangestellte etc), also die Schwarzen.
Dagegen profitieren die Weissen vom New Deal. Roosevelt räumt den Arbeitern die Vertretung durch
Gewerkschaften ein und akzeptiert zunächst die eigentlich illegalen Streiks. Aber die Unternehmen
setzen ihre Milizen gegen die Streikenden ein, was die Polizei unterstützt, und Roosevelt mobilisiert
die Nationalgarde gegen die Streikenden. Der New Deal versagt bei der Landwirtschaft, weil
Roosevelt die Drosselung der Produktion durchsetzt, obwohl es sich nicht um eine
Überproduktionskrise handelt. Trotzdem erreicht das Bruttoinlandprodukt 1937 wieder den Stand
von 1929. Roosevelt kürzt die staatlichen Subventionen, worauf die Krise sofort wieder einsetzt und
die Verbesserungen der vergangenen Jahre wieder rückgängig gemacht wurden. Die Arbeitslosigkeit
liegt 1939 bei 10 Mio. Erst die Aufrüstung für den Zweiten Weltkrieg beendet die Krise.
Quellen: Karel 2009, Kennedy 1987.
1.22. Carlos Marcello
Calogero Minacore wurde 1910 in Ravunsa Sizilien geboren. Der Vater musste, da er den gleichen
Namen hatte wie einer der Aufseher auf der Zuckerpflanzung, auf der er arbeitete, für sich und seine
Familie einen neuen Namen suchen. Seine Eltern liessen sich in den USA einbürgern, was für Sohn
Carlos versäumt wurde. 1928 verübte Marcello sein erstes Verbrechen: ein $7000-Bankraub mit drei
minderjährigen Komplizen. Er wurde von seinem Bruder verraten, aber eine Anklage gegen ihn und
seine Komplizen wurde fallengelassen. Nach einem weiteren bewaffneten Raubüberfall wurde er
erneut verhaftet und zu 9-12 Jahren Gefängnis verurteilt, die er am 28.5.30 antrat. Nach 4 Jahren
Gefängnis wurde er vorzeitig entlassen, nachdem ihm Gouverneur O. K. Allen auf Druck korrupter
Beamte, die von Marcellos Vater gratis mit Gemüse beliefert wurden, Straferlass gewährte. Marcello
übernahm die Bar ‚Brauner Bomber' in Gretna, wo er Drogen an junge Schwarze verkaufte.
25jährig tritt er dank Frank Todaro der Mafia von Louisiana bei und heiratet 1936 dessen Tochter
Jacqueline. Kurz darauf gründet er mit seinem Bruder Vincent die Spielautomatenfirma "Jefferson
Music Company". Frank Costello kommt nach New Orleans, nachdem Bürgermeister Fiorello La
Guardia in New York seine Spielkästen öffentlich mit einer Axt zertrümmerte. Bürgermeister und
Senator Huey B. Long empfängt Costellos Spielmaschinen mit offenen Armen, weil er damit, so die
Begründung, staatliche Wohltätigkeitsprogramme finanzieren möchte. Long wurde 1928
Gouverneur, machte sich mit publizitätswirksamen Massnahmen einen Namen und befreundete sich
als Senator im New Yorker Jet-set mit Costello. Vom ersten Jahresgewinn der neugegründeten
Pelican Novelty Company von $800'000 gehen monatlich $20'000 an Long und $600 werden an
Witwen und Waisen ausbezahlt. Carlos Marcello wird Frank Costellos Partner: Marcello kann 250 der
1000 Spielautomaten Costellos verwalten und zwei Drittel der Einnahmen davon einstecken. Um das
verbotene Spielgeschäft zu sichern, schmiert er den Polizeichef Beauregard Miller. Mit Waffengewalt
werden überall seine Automaten installiert und Marcello erwirbt sich den Ruf eines unnachgiebigen
Eintreibers.
Die Mafia von New Orleans unter Sam Carolla ist, da es keine rivalisierenden Banden gibt, die einzige
nicht straff hierarchisch organisierte im ganzen Land. Die bis anhin isolierte Mafia von Louisiana wird
nun Teil des nationalen Syndikats, und Costello, Carolla und Finanzfachmann Meyer Lansky
beschliessen, in New Orleans ein Unterwelt-Kommunikationszentrum zu errichten, während Crescent
City zum Finanzzentrum wird. Long setzt sich für die Interessen des Mob ein und wird dafür
Seite [32]
geschmiert. Meyer Lansky schreibt Finanzgeschichte, als er für Long ein Nummernkonto in der
Schweiz eröffnet. Allerdings wird Long 1935 im Zusammenhang mit seinen
Präsidentschaftsambitionen gierig; er verlangt über $3 Mio. Schmiergelder pro Jahr. Seymour Weiss,
Verwaltungsrat der Standard Fruit, dealt mit Costello und Rosenstiel und ist der Schmiergeldzahler
von Long. Roosevelt setzt das IRS auf Long und Weiss an, nachdem Long Präsidentschaftsabsichten
äusserte, und Long wird daraufhin eliminiert. Offiziell wurde Long von einem verrückten Arzt
erschossen, der dann selbst sofort umgebracht wird. Vermutlich ist Guy Molony, der in
Zentralamerika mehrere Revolutionen für die Bananenfirmen mitorganisiert hat, der Mörder Longs.
New Orleans Bürgermeister T. Semmes Walmsley hatte den früheren Polizeichef Molony kurz vorher
zurückgebracht. Molony baute beim Zusammenbruch der Bananenwirtschaft in den 30er Jahren
einen erfolgreichen Drogenhandel mit der honduranischen Staats-Airline TACA auf und wird später
durch die CIA geschützt. Seine Konkurrenten im Heroinhandel, zu denen Marcellos Kollege Nofio
Pecora gehören, fliegen auf.
Die Früchtefirmen sind schon seit langem mit der Mafia liiert. Weil ihre Produkte verderblich sind,
können sie leicht mittels Streiks erpresst werden. Um die Gewerkschaften zu kontrollieren,
engagierten die erfolgreichen Firmen Mobsters: in New Orleans arbeitete United Fruit bereits mit
dem Boss Joe Machecha zusammen. Aus den sizilianischen Vaccaro Brothers entstand Standard Fruit
& Shipment. Seymour Weiss von der Standard Fruit kooperiert mit Frank Costello, und der Enkel von
Lucca Vaccaro, Blaise d'Antoni, geschäftet mit Paul Frankie Carbo von der Lucchese-Familie. Mit
Longs Mord kann eine ganze Serie von Korruptionsaufdeckungen verhindert werden. 1940 wird
allerdings fast der gesamte Hafen von New Orleans angeklagt wegen Erpressung und Betrug,
inklusive Earl Long, Hueys Bruder und Nachfolger.
Carlos Marcello verkauft im März 1938 einem FBI-Agenten 23 Pfund Marihuana, wird verhaftet und
zu einem Jahr Gefängnis und $76'830 Busse verurteilt. Er wird jedoch mit einer Busse von nur $400
nach 9 Monaten, erneut dank O.K. Allen, freigelassen. Nach der Begnadigung 1935 gibt es gegen
Marcello Anklagen wegen Überfällen und Raub, Steuerhinterziehung, Überfälle mit Tötungsabsicht
eines Polizisten und eines Reporters und Drogenhandels, aber keine kommt je vor Gericht. Dazu
kommen die meist sehr grausamen Morde, denen Marcello verdächtigt, aber niemals angeklagt wird.
Quellen: Giancana: 64f, Davis (1988): 29-41, Best: 7.
1.23. Mafiaverfolgung
Thomas E. Dewey wird von Bürgermeister Foriello La Guardia zum Sonderankläger von New York
ernannt. La Guardia wurde 1932 gewählt, nachdem sein Vorgänger Jimmy Walker wegen
Schmiergeldern zurücktreten musste, und versucht nun ernsthaft, das Glückspielgeschäft, die
Korruption und die Macht der Tammany Hall zu brechen. Dewey fordert die Bevölkerung über das
Radio zur Mithilfe auf, und im ersten Monat melden sich bei ihm 3000 Informanten. Seine Verfolgung
der Mobster, die ihnen als "the Big Heat" in Erinnerung bleibt, startet mit Dutch Schultz und seinen
Number-Rackets. Schultz, wegen Steuerhinterziehung angeklagt, bittet das Syndikat, Dewey
umzubringen. Aber das Risiko wird als zu gross eingestuft. Am 23.10.35 wird Dutch Schultz
zusammen mit seinem Bankier Otto Berman und seinen Leibwächtern Lulu Rosenkrantz und
Abraham "Abe" Landau im Palace Chop House in Newark, New Jersey, von Charly "the Bug"
Workman und Emmanuel "Mendy" Weiss umgebracht.
Dewey ermittelt danach gegen Lucky Luciano und sein Prostitutionsunternehmen, das diesem $12
Mio. jährlich einbringt. Luciano war unangenehm aufgefallen, weil er die Schauspielerin Thelma Todd
zu Tode prügeln liess. Da die Angestellten des Paramount-Studios und die Kriminalpolizei von Santa
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Monica die Beweise verschwinden liessen, wurde der Tod als tödlicher Selbstunfall klassiert. Dewey
lässt 68 Zeugen, davon 40 Prostituierte, im Prozess auftreten. Luciano, der sich bei seinen Dirnen
siebenmal mit Tripper und mit Syphilis angesteckt hatte, wird 1936 zu 30 bis 50 Jahre Haft verurteilt,
nachdem 3 Prostituierte gegen ihn aussagten. Das einzige Beweismaterial gegen Luciano kommt von
der heroinsüchtigen Strassenhure "Cokey" Flo Brown, die ihre Geschichte nach mehreren Tagen im
Gefängnis ohne Drogen erzählte.
Über Vito Genovese kann Luciano sein Unternehmen von der Zelle in Dannemora aus weiterleiten.
1932 verliebte sich Genovese in eine verheiratete Frau, die er zwölf Tage nach dem Tod ihres
erwürgten Ehemannes heiratete. Nach den Flitterwochen tätigte Genovese ein Erpressungsgeschäft
mit Fernand "the Shadow" Boccia im Spielgeschäft. Anstatt die $150'000 zu teilen, setzte er zwei
Killer auf Boccia an und bezahlte dann den einen der beiden, um seinen Kollegen zu ermorden. Aber
dieser überlebte und ging zur Polizei. Carmine Galante der Bonanno-Familie steuert den Wagen beim
Boccia-Attentat, kann allerdings, obwohl unter Bewachung stehend, nicht verfolgt werden, da die
Polizeidetektive während dem Krieg keine Autos zur Verfügung haben. 1938 flieht Genovese nach
Italien, um einer Verhaftung durch Dewey wegen dem Mord an Boccia von 1934 zu entgehen, und
Frank Costello ersetzt Genovese.
1936 wird Lepke Buchalter angeklagt, Heroin im Wert von $10 Mio. von Shanghai und Hong Kong in
die USA geschmuggelt zu haben. Anastasia versteckt Buchalter, auf dessen Kopf eine Belohnung von
$1 Mio. ausgeschrieben wird, muss aber immer wieder Zeugen bestechen, weil Buchalter weiterhin
für die Murder Inc. und an Schutzerpressungen von Firmen arbeitet. Lucky Luciano entscheidet im
August 1939 im Gefängnis, Buchalter zu opfern, um dem Sonderermittler Thomas Dewey den Wind
aus den Segeln zu nehmen. Der Kopf der Murder Inc. wird über Meyer Lansky angewiesen, sich
Hoover zu ergeben. Costello trifft sich auf Vermittlung von Lewis Rosenstiel mit Hoover, der
Buchalter am 24.8.39 mit grosser Publizität festnimmt. Dewey und die Polizei von New York fühlen
sich ausgetrickst, da Hoover hinter ihrem Rücken arbeitet und ausser Prestigeerfolg absahnen nichts
zum "Big Heat" beiträgt. Lansky, der Lucianos Drogenhandel und die Geldtransaktionen weiterführt,
gewährt den Rosenstiels daraufhin unbeschränkte Spielkredite im Hotel Nacional in Havanna. Er
profitiert besonders von diesem Deal, lässt ihn doch nicht nur Hoover, sondern auch Anslinger in
Ruhe. Obwohl er in den Berichten von FBN und FBI oft figuriert, wird er, abgesehen von einer kurzen
Periode, in der Robert Kennedy versucht, Licht in die Casinos von Las Vegas zu bringen, nie abgehört
oder genauer unter die Lupe genommen. Als Lansky schliesslich angezeigt wird, steckt das IRS
dahinter.
Da Abraham Reles und Allie Tannenbaum 1940 wegen Immunitätszusicherung zu singen beginnen,
kommen Workman und Weiss wegen dem Mord an Dutch Schultz ins Gefängnis. Dank den Aussagen
kann die Polizei 40 Morde der Murder Inc. aufklären, ohne aber einen Zusammenhang zur Mafia
beweisen zu können. "Abe Kid Twist" Reles, dessen Spezialität Mord mit Eispickeln war, wird am
12.11.41, obwohl unter Polizeischutz stehend, aus dem Fenster des sechsten Stocks des Half MoonHotels geworfen. Er hätte kurz darauf gegen Anastasia aussagen sollen. Joe Adonis rühmt sich, den
Staatsanwalt, der die Untersuchung von Reles Tod nach nicht mal einem Tag einstellt und Anastasias
Namen vom Fahndungsregister streicht, im Griff zu haben. Zusätzlich zu den ergiebigen
Schutzgelderpressungen steigt Adonis in den Zigarettenmarkt ein. Tausende von Verkaufsmaschinen
werden installiert und oft mit gestohlenen Zigaretten von Lastwagenlieferungen der Konkurrenz
gefüllt. Buchalter und Weiss landen 1944 auf dem elektrischen Stuhl. Buchalter ist der einzige
bedeutende Mafiosi der amerikanischen Geschichte, der legal hingerichtet wird. Shapiro, wegen
Mord zu lebenslänglich verurteilt, stirbt im Gefängnis. Damit verliert die Murders Inc. an Bedeutung,
und die jüdischen Namen werden seltener.
Seite [34]
Auch Bugsy Siegel wird wegen Mord an Harry Greenbaum, einem Gangster aus dem Umkreis von
Lepke Buchalter, der Siegel verpfiffen hat, verhaftet. In der Zelle, mit allen VIP-Privilegien
ausgestattet, entwickelt er den Plan, dem Dreamland Kuba ein zweites in Las Vegas
entgegenzustellen, weil Nevada 1931 das Glückspiel legalisierte. Dank seinem Jugendfreund und
Bierschmuggler George Raft ist Siegel nach Hollywood gekommen und hat dort sowohl
Filmproduzenten wie auch SchauspielerInnen, die auf ihre grosse Karriere hofften, erpresst. Die
$500'000, die er pro Jahr so erwirtschaftete, investierte er weitgehend in den Drogen- und
Mädchenhandel. Mithilfe seines Verteidigers Jerry Geisler und dem rätselhaften Tod einiger Zeugen
kommt Siegel bald wieder frei und macht sich daran, in Las Vegas ein luxuriöses Hotel mit
integriertem Casino aufzubauen. Der spätere Schauspieler Raft arbeitet in Lanskys Casinos in
Havanna und London.
Quellen: Davis (1994): 59, Delorme: 60, 115ff, Best: 5-8, 19, Summers (1993): 238f, Lacey: 110, Knorr (1992a): 45.
1.24. Hoover, die Nazis und die Mafia
J. Edgar Hoover bekämpfte bisher die Prostitution und die Erpressungsgeschäfte der Mafia, aber
nicht die verbotenen Wetten der Pferderennbahnen, die nach dem Ende der Prohibition das meiste
Geld einbringen. Hoover liebt die Pferdewetten.
Im Juli 1933 konnte Hoover nur mit viel Lobbying, indem er diffamierende Informationen über
andere Kandidaten streute, und Mord (oder Glück) seine Stelle behalten: Der ihm feindlich gesinnte
Staatsanwalt Thomas Walsh starb zwei Tage vor Amtsantritt als Justizminister an einem Infarkt. Der
neue Justizminister Homer Cummings startete einen Anti-Gangster-Kriegszug, zusammen mit einer
vom Journalisten Henry Suydam geleiteten, breit angelegten PR-Kampagne. Die Erfolge der Jagd auf
Einzelgänger-Banditen wie "Machine Gun" Kelly, "Baby Face" Nelson oder John Dillinger wurden vor
allem Hoover zugeschrieben, der Louis B. Nichols als Leiter der Crime Records Division für die Public
Relation einstellte. Mit der Förderung der G-Man-Unterhaltungskultur (Filme, Groschenhefte,
Comics) kann sich Hoover zum Volkshelden stilisieren. Er baute eine Zentralkartei für Fingerabdrücke
und eine Nationale Polizeiakademie auf und stellte die FBI-Akten den Polizeidienststellen zur
Verfügung, worauf sich die Beziehungen zu den lokalen Ordnungshütern etwas verbesserte.
Während sich die Mafia als "Organisation" etabliert, gibt Hoover deren Bekämpfung 1937 ziemlich
abrupt auf und behauptet, es gebe keine nationale Verbrecherorganisation. Laut Boss Carmine
Lambordazzi hat die Mafia Hoover in der Tasche. Hoover fährt gelegentlich nach Manhattan und trifft
Frank Costello. Der Mafiosi hatte Hoover in den frühen 30er Jahren auf der 5th Avenue in New York
angesprochen und ihn seither "kultiviert". Hoover und Costello sind Freunde und treffen sich in
Washington, im Central Park, in der Lobby des Waldorf-Astoria, an den Pferderennen oder bei einem
gemeinsamen Freund. Hoover mag es nicht, mit einem monatlichen Geldcouvert geschmiert zu
werden, weshalb Costello Pferderennen manipulieren lässt, um Hoover bei der Stange zu halten.
Frank Erikson, der grösste und mächtigste Buchmacher, informiert Costello über ein bevorstehendes
abgekartetes Rennen, der dann den Chronisten Walter Winchell benachrichtigt, welcher wiederum
Hoover ins Bild setzt. Der FBI-Direktor kann so selbst entscheiden, wie viel er gewinnen will. Er selbst
setzt immer nur die legalen $2, aber einer seiner Agenten oder Clyde Tolson setzen grosse Summen,
im Schnitt $200, und gewinnen immer. Hoover lässt sich auch in Mafiakreisen sehen wie im Stork
Club von Sherman Billingsley in New York, in Joe's Stone Crab Restaurant von Jesse Weiss in Miami
oder bei Del Webb, Casinobesitzer in Las Vegas, der ihn gratis einquartiert.
Hoover hat Kontakt mit Ed Levinson, John Drew, Ray Ryan, Art Samish, Dub McCanahan, einem
Marcello-Partner, Johnny Roselli oder Irving Davidson. Die Mafia hilft Hoover, solange es nicht um ihr
Seite [35]
eigenes Geschäft geht, dafür lässt Hoover die Mobster in Ruhe. Als Costello in den frühen 50er
Jahren von einem fleissigen FBI-Agenten überwacht wird, versetzt Hoover diesen nach einem
Telefonanruf Costellos nach Alaska. Dasselbe passiert einem anderen FBI-Agenten, der Lansky
bewacht und nach Georgia versetzt wird. Costello ist der wichtigste Kontaktmann der Mafia mit der
Oberwelt in den 40er und 50er Jahren, bis er von Gigante angeschossen wird. Danach zieht er sich in
eine Art Halbpension zurück, wobei er immer noch Deals arrangiert und Streit zwischen Mobstern
schlichtet.
Der Journalist Walter Winchell, Hoovers Freund, kennt auch Owney "the Killer" Madden, Meyer
Lansky, der in New York im selben Haus wohnt, und Joe Kennedy persönlich. Als Kennedy 1933 eine
Affäre hatte mit dem Broadway Showgirl Evelyn Crowell, der Witwe des New Yorker Gangsters Larry
Fay, und im New York Journal-American darüber berichtet wurde, besuchte Kennedy Winchell. Die
beiden befreundeten sich, die Story konnte unterdrückt werden und Kennedy wurde zu einer der
Schlüsselquellen für seine Boulevardgeschichten.
Meyer Lansky ist im Besitz von kompromittierenden Fotos, auf denen Hoover gut erkennbar seinem
Freund Clyde Tolson einen bläst. Lansky schmiert auch Nahestehende Hoovers und bekommt sogar
FBI-Reports von den FBI-Agenten, die ihn "überwachen" sollen. Der Stillhaltepakt dauert bis zum
Tode Hoovers. Manchmal behindert Hoover aktiv und bewusst ein Vorgehen gegen die Mafia, zum
Beispiel als der Pferderennservicebesitzer James Ragen dem FBI über seine neuen Konkurrenten alles
berichtet, was er weiss. Das FBI startet zwar eine Operation, verweigert Ragen aber Begleitschutz.
Nachdem dieser von Lenny Patrick und Dave Yaras auf Befehl von Jake Guzik umgebracht wird, weist
Hoover seine Agenten an, die Untersuchung abzubrechen.
Der FBI-Direktor, der Homosexuelle in der Öffentlichkeit als pervers bezeichnet, hat auch
fetischistische und pädophile Tendenzen. Er verkleidet sich bei Sexparties als Frau, und die
Sittenpolizei von New Orleans verhaftete ihn Ende der 20er Jahre einmal mit einem minderjährigen
Strichjungen. Da Henry G. C. Corcoran damals intervenierte und eine Strafverfolgung verhinderte,
kann sich dieser im Gegenzug illegale Geschäfte erlauben, ohne mit Strafverfolgung rechnen zu
müssen. Der Ex-Agent Guy Hottel erzählt, wenn er betrunken ist, von Sex-Parties ohne Mädchen bei
Hoover, weshalb Hoover ihn jeweils in Polizeigewahrsam nehmen lässt. Da Hottel aber zu viel weiss,
entlässt Hoover ihn nicht. Hoover lässt jedes Gerücht über seine eigene Homosexualität
unterdrücken und seine Agenten während 23 Jahren gegen die "homosexuals right groups"
vorgehen, um davon abzulenken. Offenbar macht Hoover das Risiko der möglichen Entdeckung
seiner Homosexualität paranoid. Hoover befindet sich von 1941-71 in psychiatrischer Behandlung,
und oft verhält er sich sehr brutal gegenüber Homosexuellen (wie gegen Sumner Welles) und benutzt
Gerüchte angeblicher Homosexualität als politische Waffe (wie gegen Adlai Stevenson). Hoover
besteht darauf, beschlagnahmtes pornografisches Material selbst zu sichten.
Der Automagnat Henry Ford beschreibt die Juden in seinem internationalen Bestseller 'Der
internationale Jude' als Ursache der Börsenkrise und der illegalen Alkoholproduktion aufgrund einer
Verschwörung. Ford ist so populär, dass er Präsident werden könnte. In Hitlers Hauptquartier steht
ein Foto von Ford. Fords rechte Hand Harry Bennett trifft sich als Informant mit J. Edgar Hoover.
Bennett ist der Verbindungsmann zu Chester LaMare, Boss des Detroiter Mafia, der eine Privatarmee
gegen Gewerkschaftsaktivitäten aufbaut, womit Henry Ford keine Gewerkschaftsprobleme mehr hat.
Im Gegenzug erhalten Gangster wie Joe Tocco, Leo Cellura, Joe Adonis, Tony D'Anna Beteiligungen
bei Ford. Bennett versorgt Hoover mit Informationen über Linke, wobei sich später herausstellt, dass
viele Namen vom lokalen Faschistenführer Gerald Smith stammen.
Seite [36]
1934 erhielt Hoover von Roosevelt den geheimen Auftrag, die Nazis und deren Sympathisanten zu
überwachen, wobei alle anderen Aktivitäten gegen Radikale ausdrücklich verboten bleiben. In den
USA entstand nach der Machtergreifung Hitlers eine nationalsozialistische Bewegung, die neben dem
Ku-Klux-Klan den Kampf gegen andere Rassen propagiert. Im Central Park marschieren 20'000 Nazis
auf, die sich als Verteidiger des weissen Christentums verstehen. Aber Hoover arbeitet eng mit der
1923 in Berlin gegründeten Interpol zusammen, in der Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Arthur
Nebe und andere fanatische Nazis aktiv sind. Auch nach dem Überfall der Tschechoslowakei und dem
Fall Frankreichs tauscht Hoover noch immer Fahndungslisten mit Interpol aus. Erst drei Tage vor
Pearl Harbor stoppt er die Zusammenarbeit. Nach dem Krieg verlegt Interpol seinen Sitz nach Paris,
ernennt Hoover zum Vizepräsidenten und weigert sich hartnäckig, Nazi-Kriegsverbrecher zu suchen.
In den 70er Jahren wird der ehemalige SS-Offizier Paul Dickopf Präsident der Interpol.
Am 24.8.36 ersuchte ihn Roosevelt wiederum geheim, neben den Faschisten auch die Kommunisten
zu überwachen, was Hoover schon lange machte. Wegen Spionage- und Sabotagegefahr bewilligte
Roosevelt $150'000. Die Abteilung für Spionage heisst Division Five, die bereits seit 1919 existieren
soll, aber erst zu diesem Zeitpunkt offiziell wurde.
Nach einer cleveren Intrige seitens Hoovers beschliesst Roosevelt am 26.6.39, dem FBI die Leitung
bei Spionage- und Sabotagefällen zu übertragen, und nicht der Military Intelligence Division oder
dem Office of Naval Intelligence. Das FBI expandiert von 898 Agenten 1940 auf 4886 Agenten 1945.
Hoover eröffnet am 2.9.39 eine präventive Notverhaftungsliste "aller Feinde der USA". Justizminister
Briddle verbietet diese Auflistung als sinnlos, wonach sie Hoover unter "Security Matter" geheim
weiterführt. Eine weitere geheime Archivierung veranlasst Hoover mit Informationen, die durch
illegale Aktionen des FBI wie Einbrüche bei politischen Organisationen, um beispielsweise
Mitgliederlisten zu stehlen, zustande kommen. Obwohl offiziell seit 1934 durch den Kongress
verboten, hat Hoover das Telefonabhören permanent eingesetzt. Am 21.5.41 legitimiert Roosevelt
das geheime Abhören von Subversiven. Roosevelt beauftragt Hoover auch, Informationen über seine
Gegner bei der nächsten Präsidentenwahl zu sammeln.
Alle Präsidenten seit Roosevelt benutzen Hoovers Wanzen auch für eigene politische Zwecke, was
Hoovers Position sichert. Hoover sichert seine Macht auch durch die Mitgliedschaft in vielen
Organisationen: American Bar Association, Boy Scouts, United States Chambres of Commerce,
Kiwanis International, Knights of Columbus, Optimists International, Rotary International, Veterans of
Foreign Wars u.a.m. Am meisten bringt ihm die American Legion, die dem Justizminister Jackson im
Juni 1940 vorschlägt, er solle 11'000 Posten der Legion erlauben, die das Land in Bezug auf
"subversive Aktivitäten" flächendeckend überwachen würden. Jackson lehnt ab, aber Hoover kann es
so drehen, dass die Legionäre als Informanten die FBI-Büros kontaktieren können. Obwohl über die
Legion bis im Oktober 1943 60'000 Informanten rekrutiert werden, kommt wenig Brauchbares über
diese Kanäle. Aber sie eröffnen Hoover einen breiten Kontakt mit konservativen Medienschaffenden
und Abgeordneten. Zudem baut Hoover über seinen Freund Carl McIntire die Cover-Institution
American Council of Christian Churches auf.
Quellen: Theoharis/ Cox: 119, 187, 237, Schulz: 82, 181, Davis (1988): 237, 267f, Davis (1994): 103-107, Todd, Brussell: 5f,
Summers (1993): 43-91, 91-129, 225-245, Cran, Lacey: 89, Hersh: 48, Giancana: 247f,
1.25. Appeasement-Politik
Arthur Neville Chamberlain und Winston Churchill verfolgen beide eine Politik der Beschwichtigung
gegenüber Hitler, was Deutschland die Militarisierung und Aufrüstung erlaubt. ‚Appeasement' ist ein
Euphemismus, denn es handelt sich um eine aktive Unterstützung des Nationalsozialismus. Seit 1919
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drängen die Briten die Franzosen, gegenüber Deutschlad eine versöhnlichere Politik einzuschlagen.
Ziel der britischen Politik ist, dass Hitler die Sowjetunion angreifen und vernichten wird. Mit diesem
Ziel finanziert die Bank of England unter Lord Montague Norman die Nazis. Zur einflussreichen Round
Table Group, die später nach dem Landhaus von Lord und Lady Astor als Cliveden Set bezeichnet
wird, gehören neben dem prodeutschen Chamberlain unter anderem Lord Lothian, Lord Brand
(Direktor der Lazard Brothers Bank), Abe Bailey, Lord Milner, Leopold Amery, Edward Grigg, Lionel
Curtis, Geoffrey Dawson (Herausgeber der Times), Lady Ravensdale (die Schwägerin des Führers der
British Union of Fasists, Sir Oswald Mosley) und Lord Halifax an.
Unter der Bedingung, dass Hitler seine Expansion nach Osten richtet, schliessen England und
Deutschland einen Vertrag, der die Versailler Beschränkung der Waffenlieferungen aushebelt. Und
im Juni 1935 erfolgt ein anglo-deutsches Flottenabkommen, worauf Frankreich und Russland sich
verbünden. Die britische Regierung akzeptiert Hitlers schon 1925 in ‚Mein Kampf' geplante
Annexionen der deutschsprachigen Teile der Tschechoslowakei, Österreichs und Polens. Die Briten
versuchen nicht nur, einen Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion, sondern auch der USA
gegen Japan zu provozieren. Als Hitler mit Stalin 1937 den Pakt schliesst, bricht die britische Strategie
zusammen, Deutschland gegen Russland zu mobiliseren. Stalin hatte auch mit England und
Frankreich verhandelt, um einen Pakt gegen Deutschland abzuschliessen.
Nicht nur die Briten, auch die USA unterstützen die Faschisten tatkräftig: so steigern die USA ihre
Ölexporte an Italien 1935 gewaltig. Völlig überraschend verkündet Franklin D. Roosevelt am 5.10.37
in seiner ‚Quarantänerede' in Chicago, dass sich die USA auf einen neuen Krieg einstellen müssen.
Drei Monate zuvor startete Japan einen Krieg gegen China, um seine Dominanz auf dem asiatischen
Kontinent, wo es Korea und die Mandschurei als Kolonialgebiete bereits besetzt hielt, zu sichern. Im
Jahr zuvor beschlossen Japan und Deutschland den Antikominternpakt gegen die Sowjetunion, dem
sich auch Italien anschliesst. Nach einem Sieg gegen die Sowjetunion wird es nötig sein, die
geschwächten faschistischen Staaten zu besiegen. Ein Jahr darauf interzeichnet der britische Premier
Neville Chamberlain das Abkommen mit Hitler in München, das diesem freie Hand gibt und das
Roosevelt unterstützt.
Erstes und letztes Opfer der Appeasement-Politik ist Polen, das zwischen Deutschland und der
Sowjetunion aufgeteilt wird. England hatte für Polen eine Garantieerklärung abgegeben, was
Grossbritannien in den Krieg hineinzieht, als Hitler am 1.9.39 Polen angreift. Zwei Tage später erklärt
England Deutschland den Krieg, und Churchill wird zum 1. Lord der Admiralität ernannt. Obwohl
Polen für den erwarteten Angriff 1 Mio. Soldaten mobilisiert hat, überrollen 2 Mio. Deutsche das
Land in wenigen Tagen. Am 16.9. besetzt die Rote Armee den Ostteil Polens. Ein Teil des polnischen
Generalsstabs unter General Dyslaw Sikorski und etwa 100'000 Truppen fliehen nach Frankreich und
hoffen auf einen Gegenschlag. Etwa 30'000 Offiziere und Soldaten erreichen Frankreich und bilden
eine neue, aber kaum einsatzbereite Exilarmee. Bei der Niederlage Frankreichs können 340'000
alliierte Soldaten nach England fliehen, darunter 20'000 Polen. Im August 1940 beginnen die
deutschen Luftangriffe gegen England, ohne dass sie die Kontrolle über den Luftraum erreichen. Die
polnischen Geschwader bringen mehr deutsche Flugzeuge zum Absturz als die britischen (insgesamt
2000). Nach der Invasion der Sowjetunion willigt Stalin ein, die überlebenden polnischen
Kriegsgefangenen freizulassen, womit Sikorski im Nahen Osten eine zweite polnische Armee gegen
Deutschland aufbaut. Nach der Wende im Krieg um Stalingrad im Februar 1943 zeichnet sich eine
Niederlage der Deutschen ab.
Am 4.7.1943 stürzt das Flugzeug Sikorskis wegen einem manipulierten Hohenruder im britischen
Spionagenest Gibraltar ab. Sikorski hielt sich nich an den britischen Maulkorb, den Churchill über die
Seite [38]
Eliminierung von 20'000 Mitgliedern der polnischen Elite durch Stalin verhängte, die in Katyn mit der
Ermordung von 4000 Offizieren ihren Höhepunkt fand. Mit der Vertuschung der Ermordungen und
der Ermordung Sikorskis wollen Churchill und Roosevelt den Verbündeten Stalin bei der Stange
halten, weil sie ihr Versprechen, Deutschland auf europäischem Boden anzugreifen, nicht einhielten.
Die Amerikaner warteten bisher mit dem Angriff, damit Russland und Deutschland sich gegenseitig
genug schwächen. An einem eigenständigen Polen ist niemand interessiert. In Warschau erheben
sich Untergrundkämpfer gegen die Deutschen, aber Stalin, dessen Armee nur wenige Kilometer
entfernt ist, bezeichnet die polnischen Kämpfer als Kriminelle und wartet, bis die SS und die
Wehrmacht nach 63 Tagen die Stadt in Schutt und Asche gelegt haben.
Quellen: Tarpley 2008: 360f, Schaaf/ Weinert 2011, Bardehle 2012.
1.26. Dezember 1937: Botschafter Kennedy in England
Joe Kennedy wird, obwohl er über keinen politischen Background verfügt, als Dank für die
Unterstützung von Roosevelts Wiederwahl zum Botschafter in England ernannt. Die beiden Jahre
vorher beschäftigte Kennedy sich mit der Reorganisation der Firmen RKO, Paramount und Hearst
Corporation und schrieb zusammen mit dem Journalisten Arthur Krock das Buch I'm for Roosevelt.
Krock ist der Leiter des New York Times-Büros in Washington und wird von Kennedy mit bezahlten
Ferien, teuren Geschenken und Frauen versorgt.
Nach dem Wahlsieg Roosevelts wurde Kennedy, der eigentlich auf das Finanzministerium hoffte, zum
Direktor der maroden Obersten Handelsschifffahrtsbehörde berufen, ein Job zweiter Klasse, aus dem
Kennedy das Beste macht. Kennedy verbringt Monate mit Lobbying für eine angemessene Stellung
und beackert James Roosevelt. 1933 begleitete der Präsidentensohn Kennedy nach England, als es
um die Neuorganisation und Legalisierung von Alkoholimporten ging, wobei Joe die Schwächen
Roosevelts für Frauen und Reichtum gezielt auszunützen verstand. Als dann der Botschafter in
London unerwartet neu zu besetzen ist, ist Roosevelt froh, dass er den aufsässigen Kennedy, der ihm
gefährlich werden könnte, abschieben kann.
Als Botschafter versagt Kennedy auf der ganzen Linie, vor allem wegen seiner Fehleinschätzungen
der politischen Situation. Er glaubt, dass England weder den Willen noch die Waffen zur Verteidigung
gegenüber Deutschland habe. Bei Ausbruch des Krieges bezeichnet er Hitler als Genie und empfiehlt
seiner Regierung, ein Arrangement mit dem Führer zu suchen, damit die Vereinigten Staaten nicht in
den Krieg hineingezogen werden. Antisemitische Äusserungen, seine politische Ignoranz der
europäischen Lage und die Feigheit, sich während der Bombenangriffe auf dem Land in Sicherheit zu
bringen, machen ihn bei Winston Churchill und allen Diplomaten äusserst unbeliebt. Über John J.
Burns spekuliert der Botschafter trotz Businessverbot weiterhin an der Wallstreet und missbraucht
dringend benötigten Frachtraum für den Whiskey seiner Somerset Importers. Da England nur mithilfe
der USA eine Chance gegen Hitler hat, wird Kennedy für Churchill zum Sicherheitsrisiko. Der
Botschafter wird vom MI-5 abgehört und beschattet, wobei klar wird, dass Kennedy über eine reiche
Engländerin in Kontakt mit dem Führer der britischen Faschistenbewegung, Sir Oswald Mosley,
getreten ist. Kennedy trifft sich im Geheimen am 9.5.39 trotz dem expliziten Verbot Roosevelts mit
Dr. Helmut Wohltat, dem Vertreter Görings, zur Besprechung gegenseitiger Konzessionen. Mit seiner
Indiskretion bringt Kennedy die Anti-Hitler-Verschwörergruppe um die Generäle Ludwig Beck und
Franz Halder in Lebensgefahr, indem er deren Absichten und Namen an einer Pressekonferenz
bekanntgibt. Kennedy will ein Attentat Hitlers verhindern, weil die Sowjetunion für ihn gefährlicher
ist als Nazi-Deutschland.
Seite [39]
Hauptinteressen Kennedys sind allerdings seine eigenen Präsidentschaftspläne und die
Wahlkampfstrategie für die demokratische Nomination von 1940. Roosevelt isoliert Kennedy in
London, indem er alle wichtigen Verhandlungen und Entscheidungen über persönliche Vertreter wie
William Donovan und den amerikanischen Botschafter in Paris laufen lässt und selbst in direktem,
aber geheimem Kontakt zu Churchill steht. Kennedy versucht daraufhin, Roosevelt zu erpressen,
indem er diesen Geheimkontakt, der über die Amerikanische Botschaft läuft, an die Presse verraten
würde, falls der Präsident ihn nicht zurückrufe. Kennedy hatte den Codespezialisten Tyler Kent
angewiesen, von allen aussergewöhnlichen Telegrammen Kopien zu machen und diese aus der
Botschaft zu schmuggeln. So stellt er sich ein Dossier der geheimen Roosevelt-Churchill-Telegramme
zusammen, das er in die USA schiffen lässt, um Roosevelt damit politisch auszuschalten. Im Frühjahr
1940 schlägt die britische Gegenspionage-Abteilung nach achtmonatiger Bewachung zu und entdeckt
in Kents Wohnung 1500 dekodierte Kopien. Kennedy lässt Kent fallen, indem er dessen diplomatische
Immunität aufhebt - Kent verbringt die Kriegsjahre nach einem geheimen Prozess in einem britischen
Gefängnis - und kann so verhindern, dass die amerikanische Öffentlichkeit etwas erfährt.
Am 26.10.40 kehrt Kennedy in die USA zurück und trifft sich, zehn Tage vor der Nomination, mit
Roosevelt. Roosevelt kann Kennedy nicht einfach fallenlassen, denn er will sich widerrechtlich ein
drittes Mal wählen lassen und braucht jede Unterstützung. Da Roosevelt Kennedy vor allem nicht als
Konkurrent für die Präsidentschaft will, macht er ihm Hoffnungen auf einen Ministerstuhl, verspricht
seine Unterstützung für die Kandidatur seines Sohnes Joe Jr. zum Gouverneur von Massachusetts
und droht mit einer alten Steuerhinterziehung. Nach der erneuten Wahl Roosevelts bekommen die
beiden jedoch Streit, da Kennedy die Aussenpolitik in einem Interview kritisiert und damit seine
eigene Politkarriere sabotiert. Kennedy, dessen Vermögen unterdessen auf $250 Mio. angewachsen
ist, setzt nun alle seine politische Hoffnung auf seinen ältesten Sohn Joe Jr.
Quellen: Kessler (1997), Hersh: 61ff, Best: 18, Collier/ Horowitz: 84-137
Seite [40]
2.
Teil (1939 bis 1948)
Dieser Teil der Chronik behandelt die Zusammenarbeit der amerikanischen Armee,
Geheimdienste, Politiker und Industriellen mit der Mafia, den Nationalsozialisten und der
Katholischen Kirche während dem 2. Weltkrieg und in den Jahren danach.
Zentrale Themen und Personen:
Zweiter Weltkrieg, Finanzierung Hitlers durch Prescott Bush, Averell Harriman, Fritz Thyssen, Friedrich Flick, Montagu Collet
Norman und Warburg, Ölhandel, Rockefeller, I.G.Farben, William Stamps Farish, Eugenik und George Bush, US-Firmen und
die Nazis: IBM, Ford und GM, Onassis, Howard Hughes, Pearl Harbor, OSS und Hoover, Mafia und US-Militär, Coca-Cola,
USA und Frankreich, Charles de Gaulle, Mafia, Roosevelt und Hollywood, Italien-Invasion, Rückkehr der Mafia, Hoover und
Kennedy, Politikerbespitzelung, Krieg gegen Deutschland, Bretton Woods, IWF, Weltbank, Dollar, Saudisches Öl, UNO und
Harry S. Truman, Niederlage Japans, Atombomben, biologische Waffen, John F. Kennedys Einstieg in die Politik,
Reorganisation der Mafia, Heroin-Schmuggel, Las Vegas, Kalter Krieg, Partisanenbewegungen, Antikommunismus, MarshallPlan, Containment-Strategie, Josip Tito in Jugoslawien, Gründung der CIA, Hoover, HUAC, Reagan und Nixon, Allen Dulles,
George F. Kennan, Vatikan und Kriegsverbrecher, CIA in Italien, CIA und Gewerkschaften, Howard Hughes, Nixon, Chotiner
und Johnson, Truman und die Mafia.
2.1. 1939 Zweiter Weltkrieg
Der Heroinhandel bricht während des Zweiten Weltkrieges beinahe zusammen. Die Brüder
Eliopoulos ziehen sich in den ersten Kriegstagen aus dem Handel zurück, und die Unterwelt von
Marseille kollaboriert mit den Nazis. Als Japan Shanghai besetzt, versiegt der schon zuvor
verminderte Heroinnachschub vollends. Meyer Lansky reist nach Mexiko und organisiert dort den
Mohnanbau in den Bergen, der jedoch nur minderwertiges Heroin liefert. Auch eine zweite
Verbindung, über die Heroin aus der I.G.-Farben-Produktion nach Kuba geliefert wird, bricht 1943 ab.
1938 ist das Heroin noch zu 28% rein verkauft worden, 1941 nur noch zu 3%, obwohl der Preis sich
verzwölffachte. 1945 kostet das Heroin das 70fache von 1938, und die Zahl der Süchtigen hat sich
von 300'000 auf 20'000 vermindert.
Für die Mafia eröffnen sich mit dem 2. Weltkrieg aber andere Einnahmequellen. Die amerikanische
Regierung verfügt Kriegsrationierungen und Preiskontrollen, was zur sofortigen Entstehung von
Schwarzmärkten führt. Dank der Kontrolle über die Häfen von Brooklyn und Manhattan können die
Mobster auch genügend Waren für den Schwarzmarkt abzweigen. Die Mafia handelt mit Fleisch,
Zucker, Speiseöl, Autos, Pneus und Nylon und verkauft rationiertes Benzin. Das Office of Price
Administration errechnet, dass jeden Tag 2,5 Mio. Gallonen Benzin (1 Gallone = 3,785 Liter) illegal
verkauft werden. Am lukrativsten ist der Verkauf von gefälschten Rationierungsmarken, vor allem für
Benzin, die nicht einmal alle gefälscht werden müssen. Sie kommen von korrupten Beamten des
OPA, wo Richard M. Nixon und Charles Gregory Rebozo arbeiten. Vor allem Carlo Gambino hat sich
diesen Handel unter den Nagel gerissen und kauft sich Hunderttausende von Marken von korrupten
OPA-Beamten und macht laut Valachis Aussagen bis zu $1 Mio. pro Deal. Nixons ethische
Qualifikationen als Anwalt wurden schon bei dessen ersten Prozess von Richter Alfred Paonessa
ernsthaft in Frage gestellt. Rebozo gründet mit 23 eine Auto-Service Station und verdient am
illegalen Handel mit gebrauchten Pneus und anderen Secondhandgeschäften so viel Geld, dass er
nach dem Krieg eine Wäschereikette kaufen und in die Bodenspekulation einsteigen kann.
Quellen: Delorme: 83-85, Weberman (6), Best: 85, Summers (2000): 29-34, 102, 495.
Seite [41]
2.2. Finanzierung Hitlerstop
Im Gegensatz zum Warenhandel laufen die Finanztransaktionen zwischen Deutschland und den USA
nach der Besetzung Europas durch Deutschland praktisch unverändert weiter. Prescott Bush
handelte mit der deutschen Luftwaffe und betrieb andere Geschäfte mit den Nazis, so dass 1942
Firmen, an den er beteiligt ist, wegen "Handel mit dem Feind" eingezogen werden: die Union Banking
Corporation, die Holland-American Trading Corporation, die Seamless Steel Equipment Corporation,
die Hamburg-Amerika Line/Hapag-Lloyd und die Silesian-American Corporation.
Fritz Thyssen, der Adolf Hitler seit 1923 finanziert, und W. Averell Harriman beschlossen 1922,
gemeinsam die Union Banking Corporation aufzuziehen, was 1924 geschah. Zusammen mit dem Wall
Street Banker Clarence Dillon und der Beteiligung von Friedrich Flick gründeten sie 1926 die
Vereinigte Stahlwerke/German Steel Trust, die die SA (Sturm-Abteilung) und SS (Schutz-Staffel)
finanzierten. Dass die deutsche SS Totenkopf und Knochenkreuz der "Skull & Bones" in ihr
Ordenssymbol übernahm, wird Bush und seinem Partner Harriman, die beide 1913 initiiert wurden,
gefallen haben. Sowohl Thyssens wie Flicks Bankgeschäfte fliessen über die von Bush geführte Union
Banking. Dillons riesige Spekulationspyramide U.S. & International Securities Corp. (USIS) betrog
Aktionäre um Hunderte von Millionen und trug wesentlich zum Börsenkrach bei. Harriman traf sich
1927 auch mit Benito Mussolini.
Die Fusion zu Brown Brothers Harriman 1931, der nun grössten und politisch einflussreichsten
Privatbank der USA, eröffnete über Thatcher Brown die Beziehungen zum Direktor der Bank of
England, Montagu Collet Norman, einer der wichtigsten Hitler-Unterstützer im englischen Filz. Auch
Sir Henri Deterding, Vorsitzender der weitgehend der britischen Königsfamilie gehörenden Royal
Dutch finanziert Hitler, der seine politische Karriere im deutschen militärischen Geheimdienst
begann. Das britische Königshaus unterstützt nicht nur Hitler, sondern auch Mussolini. Ohne die
Gelder von Thyssen (über seine Bank voor Handel en Scheepvaart) und von Harrimans HamburgAmerika Line (als Teil der American Ship and Commerce Corp.) wäre Hitler 1933 nicht an die Macht
gekommen. Dank Norman, Harriman und Bush konnte eine Übernahme des nach dem Börsenkrach
bankrotten deutschen Stahlkonglomerats durch die katholische Zentrumspartei verhindert und die
Kontrolle durch Thyssen gesichert werden.
Mitbeteiligt an der Finanzierung der teuren Wahlpropaganda mit Harriman und Bush war Hjalmar
Schacht und Baron Kurt von Schroeder, Direktor der Thyssen-Hütten mit engen Beziehungen zu den
Dulles-Brüdern. Schroeder ist SS-Brigadeführer und gehört als Bankier der Stein Bank zu den
Geldgebern Himmlers. Schroeders und Montagu Normans Protégé Hjalmar Schacht wurde Hitlers
Financier. Baron Rudolph von Schroeder ist Vizepräsident und Direktor der Hamburg-Amerika Line,
die mit ihren Finanzierungen die von der Regierung 1932 beschlossene Auflösung von Hitlers
Privatarmee von 300'000 bis 400'000 Mann verhindern konnte. Hitlers SA, mit Waffen aus
amerikanischer Produktion ausgestattet, zerschlug die Opposition daraufhin nachhaltig.
Samuel Pryor, Gründungsmitglied der Union Banking und der American Ship and Commerce, ist
Vorsitzender der Remington Arms, die ein Sprengstoff-Kartell mit der I.G. Farben einging, wonach
über Holland grosse Mengen an Waffen nach Deutschland geliefert wurden. An ähnlichen
Waffenlieferungen zwischen Du Pont und I.G.Farben war auch Walter S. Carpenter, ein weiterer
Freund von Bush, beteiligt. Obwohl diese Deals mit den Nazis dann wie bei Bush unterbunden
wurden, blieb Carpenter am Manhattan Project zum Bau der ersten Atombombe involviert und
präsidierte Du Pont von 1948 bis 1962.
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Du Pont ist der grösste Chemieproduzent und Waffenlieferant der USA, der die Armee mit
Sprengstoff und Munition beliefert. I.G.Farben und Du Pont treffen nach dem Ersten Weltkrieg
illegale Absprachen und kontrollieren schliesslich ein Kartell, das die Chemie-Märkte in den USA und
Deutschland unter sich aufteilt. Am 8.2.1924 wird im Staatsgefängnis erstmals ein Gefangener mit
Blausäure hingerichtet, und 1930, als die Du Pont-Familie das Empire State Buildung errichten lässt
und die I.G.Farben eine gigantische Firmenzentrale einweiht, wird erstmals eine Gaskammer unter
US-Patentschutz gestellt. Viele Du Pont-Mitglieder sympatisieren mit Hitler, unterstützen
faschistische Gruppen und bauen die Geschäftsbeziehungen aus. Deshalb werden die Du Pont vor
einen Untersuchungsausschuss gestellt. Obwohl dies keine Konsequenzen hat, finanzieren die Du
Ponts faschistische Gruppen, die einen Sturz Roosevelts planen.
In der I.G. Farben übernehmen die Nazis unter NSDAP-Mitglied Herrmann Schmitz, der über direkte
Verbindungen zu Hitler verfügt, die Leitung, und die Gründer werden in den Verwaltungsrat
abgeschoben. Schmitz führt in Basel eine Tarnfirma, über die die Geschäfte mit Du Pont während des
Kriegs weiterlaufen. Dazu gehören die Projekte zur Giftgasproduktion. Die I.G.Farben-Tochter
Degesch unter NSDAP-Mitglied Gerhard Peters entwickelte Zyklon B., das zur Vergasung der Juden
eingesetzt werden soll. Die USA werden von Erwin Respondek, der an einer geheimen Übereinkunft
von Du Pont und I.G.Farben mitgearbeitet hatte, über die Kriegspläne Hitlers gegen die Sowjetunion
und über den geplanten Einsatz von Giftgaseinsätzen informiert. Der Antifaschist baut ein
Informationsnetz gegen die Nazis auf, zu dem auch I.G.Farben-Aufsichtssrat Wilhelm Kalle gehört.
Die USA erfahren so, dass die SS das Zyklon B an sowjetischen Gefangenen testet, um eine
Vernichtungsmaschinerie gegen die Juden aufzubauen. Kalle wird von einer Anklage verschont, aber
Schmitz wird nach dem Krieg wegen Verwendung von Gefangenen zur Sklavenarbeit, aber nicht
wegen der Giftgasgeschäfte zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, und bald begnadigt. Respondek
erhält von den Amerikanern keinerlei Anerkennung für seine Spionagetätigkeit und verarmt in den
50er Jahren.
Ebenfalls beteiligt an der Hamburg-Amerika Line und späteren Hapag-Lloyd war der berühmte Jude
und Hitler-Unterstützer Max Warburg. Frederick M. Warburg, einer der Direktoren von Harrimans
Eisenbahnnetz, kontrolliert das American-Jewish Committee, das sich von 1933 bis zum Kriegsbeginn
gegen einen Boykott Nazi-Deutschlands einsetzte. Dank einem Vertrag, der von Hjalmar Schacht,
John Foster Dulles, Max Warburg und Kurt von Schroeder geschrieben wurde, liefen ab Mai 1933 alle
deutschen Exporte in die USA über die Harriman International. Mit der Unterstützung von Prescott
Bush und Felix Warburg von der Kuhn Loeb and Co. organisierte der spätere Aussenminister John
Foster Dulles während den 30er Jahren die Schuldenrestrukturierungen für deutsche Firmen und
ermöglichte damit die Umstellung auf die Rüstungsproduktion, wofür die beiden enorme Summen
kassierten. US-Investoren unterstützen die Nazis nicht heimlich, sondern so offen, dass der USBotschafter in Deutschland, William E. Dodd, 1937 einem Reporter der "New York Times" mitteilt: "A
clique of U.S. industrialists is hell-bent to bring a fascist state to supplant our democratic government
and is working closely with the fascist regime in Germany and Italy. I have had plenty of opportunity
in my post in Berlin to witness how close some of our American ruling families are to the Nazi
regime...."
Polens grösstes Industriekonglomerat, die Upper Silesian Coal and Steel Company, wird von Friedrich
Flick und der Harriman Fifteen Corporation über die Silesian-American Corporation kontrolliert, bei
der auch Prescott Bush im Verwaltungsrat sitzt. Die polnische Regierung verlangte 1934, dass Bush,
Harriman und ihre Nazipartner wenigstens die normalen Steuern zahlen. Der Konflikt wurde im
September 1939 mit dem Überfall Hitlers auf Polen gelöst, wobei ironischerweise die russischen
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Panzer, die den Osten Polens besetzten, mit dem Öl von Harriman/Walker/Bush-Konzessionen
fuhren. In einer der polnischen Minen von Bushs Firma werden Zwangsarbeiter eingesetzt.
Der Ölhandel bleibt während dem Krieg erstaunlich intakt. Rockefellers Standard Oil of New Jersey
beliefert Deutschland auch im Krieg, und der Vertreter von Standard Oil in Deutschland, Emil
Helfferich, repräsentiert zugleich die Hapag-Lloyd. William Stamps Farish organisierte das Kartell von
Standard Oil of New Jersey, der späteren Exxon, mit der I.G.Farben, die seit 1940 mit
Zwangsarbeitern in Auschwitz produziert. Walter Teagle von Standard Oil arbeitet eng mit Hermann
Schmitz von I.G.Farben zusammen, und die Amerikaner, auch Texaco, liefern den Deutschen Benzin,
Motorenöle und Diesel für die Flugzeuge, Panzer und U-Boote. Dank dem deutsch-amerikanischen
Geheimabkommen werden die Anlagen der I.G.Farben für die Herstellung von synthetischem Benzin
aus Kohle finanziert, und die von KZ-Häftlingen betriebene Anlage in Oberschlesien hilft, die Folgen
des alliierten Embargos abzuschwächen. Die Freundschaft und Zusammenarbeit von Humble OilGründer Farish und Prescott Bush begann 1929, als Harriman die Dresser Industries kaufte, deren
Direktor Bush wird. Bush und Farish schmieren SS-Chef Heinrich Himmler über Emil Helfferich, Kurt
von Schroeder und Karl Lindemann, Verwaltungsratsmitglied der Hamburg-Amerika-Line, bis 1944.
Harriman, Rockefeller und Bush organisierten und bezahlten Eugenik-Kongresse mit Nazi-Ideologen
wie Dr. Ernst Rüdin oder Alfred Plötz in den USA. Auf Initiative von Rüdin wurden 250'000 Blinde,
Taube und Alkoholiker sterilisiert, wozu sie eine Generation von Ärzten ausbildeten. Seit
Kriegsbeginn werden Behinderte und "Degenerierte" meist umgebracht. Dillon, Farish und sein
Freund Hermann Schmitz, der Vorsitzende der I.G.Farben, bezahlen den Werber Ivy Lee, der ProNazi-Propaganda in den USA betreibt.
Farish lässt den Nazis Patente ("Auschwitzpatente") zukommen, die er der US-Militärindustrie
vorenthält. Auf Initiative von Verteidigungsminister Henry L. Stimson stoppt Roosevelt im April 1942
die Senatskommission, die Kartellallianzen von deutschen und amerikanischen Firmen untersucht.
Obwohl Farishs Rolle als Kriegsunterstützer der Nazis publik wird, bleibt die Farish-Bush-Verbindung
die finanzielle und politische Basis für die Karriere von George Bush. Prescott Bush wird, obwohl
rechtlich für die Bankoperationen mit den Nazis verantwortlich, in den BeschlagnahmungsVerfügungen nicht erwähnt.
General William H. Draper Jr. arbeitete bei Dillon Read & Co, wo er die Konten von Fritz Thyssen
verwaltete und die German Credit and Investment Corp. bis im November 1943 leitete, und Hitler
unterstützte. Er finanzierte zusammen mit Harriman, Rockefeller und Prescott Bush bereits 1932 den
Internationalen Eugenik-Kongress in New York und ist Gründer und Präsident des Population Crisis
Committee. Nach dem Krieg wird Draper, selbst 15 Jahre lang an den übelsten Nazi-Geschäften
beteiligt, zum Chef der Wirtschaftsabteilung der US-Kontrollkommission ernannt und leitet die
"Entflechtung" der faschistischen Korporationskartelle. Dabei bestimmt er, wer sein Business
behalten kann und wer vor Kriegsgericht gestellt wird, und kann nicht nur seine eigenen Profite mit
den Nazis, sondern auch beispielsweise die von Harriman und Bush geheim halten. Draper arbeitet
später mit Averell Harriman für die NATO, ist Berater Eisenhowers und Johnsons und fördert Bushs
Karriere.
Nach seinem dubiosen Abschuss im Pazifik, wobei seine beiden Kollegen ums Leben kommen,
studiert Veteran George Bush an der Yale und wird Mitglied der Russell Trust Association. Die
Geheimgesellschaft wurde 1833 von William Huntington Russell gegründet, dessen Russell and
Company die grösste und durch Opiumhandel reichste kriminelle Organisation (mit Partnern wie
John Murray Forbes, Joseph Coolidge, Warren Delano, Jr. oder Russell Sturgis) in den USA war, und
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verwendet das Piratenemblem der ‚Skull and Bones'. Eine lange Reihe von einflussreichen Leuten
gehörte zu den S&B wie Präsident William Howard Taft, Gifford Pinchot, Robert Lovett, Richard M.
Bissell, McGeorge Bundy oder Henry L. Stimson. Stimson, initiiert 1888, ist bis zu seinem Tod 1950
Minister unter 7 Präsidenten. Als Kriegsminister Roosevelts ist "The Colonel" einer der Architekten
des 2. Weltkriegs und des anschliessenden Kalten Kriegs. Die Ideologie der S&B-Brüder geht nicht nur
von einer Überlegenheit der weissen Rasse aus, sondern auch von ihrem Recht, als elitäre Ritter
dieser Rasse die Geschicke der Menschheit zu kontrollieren.
Quellen: Tarpley/ Chaitkin: 21-44, 74-100, Ploppa, Schröder/ Schroeder, Karel (2003, 2004), Christianson/ Koch (2011).
2.3. 1939 US-Firmen und die Nazis
Aber nicht nur die Mafia, auch andere Firmen und Grossinvestoren verdienen am Krieg. IBM-Chef
Thomas J. Watson lieferte seinem Freund Adolf Hitler die Hollerith-Lochkartenmaschinen, womit die
erste Volkszählung im Dritten Reich durchgeführt wurde. Dank diesen Personendaten können die
Konzentrationslager, Gettos, Judendeportationen und deren Vernichtung effizient organisiert
werden. Die auf den Armen tätowierten KZ-Häftlingsnummern entsprechen den Personenkennziffern
der IBM-Maschinen, die Haftgrund, Gesundheitszustand, Nationalität, Beruf, Art der Lagerstrafen
und schliesslich die Todesart auf den Lochkarten festhalten. Da auch die gesamten Wirtschafts- und
Rüstungsdaten mit den Hollerrith-Maschinen verrechnet werden, besteht die Gefahr der Enteignung
und Verstaatlichung der Tochter Dehomag, was Watson mit der Einsetzung eines Treuhänders
verhindern kann. Als Präsident der Handelskammer und Berater Roosevelts sprach sich Watson stets
gegen die Isolation Deutschlands aus und kooperierte bis 1940 direkt und danach indirekt mit allen
Regierungsstellen des NS-Regimes. Die europäischen Interessen von IBM während dem Krieg vertritt
Werner Lier, ein Hauptmann der Schweizer Armee in Genf. 1942 hält IBM 94% der Munitions
Manufacturing Corporation, die Kanonen und Flugzeugmotorteile produziert und IBM $200 Mio.
einbringt. Nach dem Krieg erhält Watson nicht nur die "Computer"-Maschinen zurück, sondern auch
die Gewinne der Tochterfirma Dehomag. Watson wird Vertrauter und Golfpartner von Eisenhower
und von 1952 bis 1962 Senator von Connecticut.
Nur etwa 60'000 der Hunderttausenden jüdischen Flüchtlinge, die ein Visumsgesuch stellen,
gelangen aus Europa in die USA. Viele der Abgewiesenen schicken Geld voraus, da Mittellose sowieso
keine Chance haben, weshalb Milliarden von Dollars an Flüchtlingsgelder in die USA strömen und von
den Behörden als Vermögen der "enemy aliens" eingefroren werden. Nach der Krieg beschlagnahmt
die US-Regierung $900 Mio. (der heutige Wert ist rund 10 Mal höher) auf diesen Bankkonten und
entschädigt damit die deutschen Tochterfirmen amerikanischer Unternehmen wie General Motors
mit $16,4 Mio. oder Ford mit $785'000, obwohl Henry Ford Hitlers Wahlkampf mitfinanzierte. Ford
ist ein radikaler Antisemit, dessen Ansichten Hitler beeinflussten, und geht mit eigenen
Werkpolizisten gegen Gewerkschafter vor. Beide Firmen beschäftigen Zwangsarbeiter und sind
Bestandteil von Hitlers Kriegsmaschinerie: 1942 stammt ein Drittel der 350'000 produzierten
Lastwagen aus Ford-Fabriken. Seit 1929 gehört Opel zu 100% der GM und bildet mit 100'000
produzierten Opel Blitz-Lastern das Rückgrat der Reichwehr. Während dem Krieg baut Opel etwa die
Hälfte der Antriebssysteme für die JU-88-Bomber. Obwohl Carl Luer am 25.11.42 die Verwaltung in
Rüsselheim für die Nazis übernimmt, werden die wesentlichen Entscheidungen weiterhin in Detroit
gefällt. 1943 entwickelt, produziert und montiert Opel die Motoren für das erste Düsenflugzeug
Messerschmitt 262, während General Motors die US-Luftwaffe aufrüstet. Für die Schäden an den
Tochterfabriken in Deutschland, Österreich, Polen und China durch die Bombardierungen der
Alliierten erhält GM 1967 Steuervergünstigungen von $33 Mio. Die Fabriken von Ford und IBM
werden bei den Bombardierungen durch die USA offensichtlich geschont.
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Opel erzielt dank den Zwangsarbeitern hohe Kriegsgewinne, ohne einen Cent an den
Zwangsarbeiterfonds der amerikanischen Handelskammer zu zahlen. Insgesamt werden 10 Millionen
Verschleppte aus 26 Nationen im Dritten Reich zur Arbeit gezwungen (davon 3 Mio. Russen, 1,2 Mio.
Polen und 1,2 Mio. Franzosen). Ohne diese Sklaven wären die Landwirtschaft und die Kriegsindustrie
nicht in der Lage, die Produktion aufrecht zu erhalten.
Anfangs der 40er Jahre propagieren 3000 Agenten des britischen Secret Service innerhalb der USA,
Hitler strebe die Weltherrschaft an. 80% der Amerikaner wie auch der Kongress sind gegen den
Kriegseintritt der USA. Die Propaganda des British Service Coordination kommt den Kriegsplänen
Roosevelts entgegen, weshalb das FBI sie toleriert.
Aristoteles Onassis verkauft an beide Seiten Öl und Waffen und vermietet seine Schiffe, wofür die
Alliierten $250'000 pro Jahr zahlen. Interessanterweise verliert er als einziger während des ganzen
Krieges kein einziges Schiff und keinen einzigen Matrosen, während beispielsweise von den 450
griechischen im Krieg eingesetzten Frachtschiffen 360 sinken. An die Japaner, die einen grausamen
Eroberungskrieg in Asien führen, verkauft Onassis Schiffe, die er durch neue aus Südamerika ersetzt.
Ab dem November 1942 wird Onassis vom FBI wegen seinen Beziehungen mit Faschisten wie Fritz
Mandl, Juan Peron, Alfred Krupp oder Hjalmar Schacht überwacht. Als Hollywoodplayboy hat er eine
Affäre mit Gloria Swanson, mit der Kennedy ein langdauerndes Verhältnis hatte.
Nach dem Krieg beschliesst der amerikanische Kongress den Verkauf der nicht mehr benötigten
Kriegsfrachter "Liberty ships" für $550'000 pro Stück. Da Onassis nicht zur kaufautorisierten
griechischen Reederunion gehört, ist er von der einmaligen Gelegenheit ausgeschlossen. Er umgeht
die Bestimmung mithilfe des Anwalts Burke Marshall und der neu geschaffenen Scheinfirma "United
States Petroleum Carriers Inc", die 4 T2-Tanker kaufen kann. Er schliesst zudem
Kohletransportverträge mit 16 "Liberty ships", die er gar nicht hat, ab. Dasselbe macht er mit
Öltankern, die noch gar nicht gebaut sind. Mit der Metropolitan Life Insurance Company handelt er
einen Investitionsvertrag über $40 Mio. für eine neue Supertankergeneration aus. Die vier "Liberty"Schiffe aus den US-Kriegsbeständen werden für die Waljagd eingesetzt, in die Onassis, unter
Umgehung der Jagdgesetze, einsteigt. Die erste Walexpedition bringt ihm $4,2 Mio., weshalb es nicht
kümmert, dass beispielsweise 69% der Pottwale, die er vor der Küste Perus erlegen lässt, nach den
Bestimmungen zu klein sind. 1950 schliesst Onassis einen Vertrag mit Lars Anderson für den Walfang
in der Antarktis und in Argentinien. Anderson gehörte zur norwegischen Nazikollaborationsgruppe
Vidkum Quisling. Ebenfalls 1950 wird ein Geheimabkommen zwischen dem Aussenministerium und
den sieben Ölmultis geschlossen, dass alle Tantiemen für die arabischen Nationen steuerfrei sind.
Onassis gewinnt den Konkurrenzkampf um Tina Livanos gegen den bereits verheirateten Stavros
Niarchos, der sich mit der älteren Schwester zufrieden geben muss.
Über Sasha de Seversky lernt Onassis während dem Krieg den Nobelgangster Johnny Meyer kennen.
Meyer arbeitet für Howard Hughes, für den er dank seinen ausgezeichneten Beziehungen in
Washington Rüstungsaufträge und Mädchen organisiert.
Quellen: Morgenthaler Piechowiak, Evans, Glaser, Best: 47-49, Morgenthaler, Schweitzer, Levis, Brussell (1983), Haar,
Kindhauser, Schröder/ Schroeder. Laurent: 13-17.
2.4. Howard Hughes
Howard Robard Hughes erbte 1924 mit 19 Jahren die Ölfirma seines Vaters, der beim Ölboom 1901
nach Houston zog und eine Bohrmaschine erfand, die seinen Reichtum begründete. Obwohl noch
minderjährig, konnte er den Richter von seinen Kompetenzen überzeugen und brauchte dann die
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gesamten Firmenreserven von $325'000, um die weiteren Erben auszuzahlen. Noch 1950 beherrscht
die Hughes Tool Company 85% des Ölbohrmarktes, was seine enormen Ausgaben weitgehend
deckte. Während eine normale Familie mit $4000 pro Jahr lebte, gab er in den ersten beiden Jahren
$100'000 für Autos und $550'000 für die Entwicklung eines Prototyps mit Düsenantrieb, $20'000 für
Kleider und Schmuck, $20'000 für Hotel- und Unterhaltungskosten und $25'000 für einen
persönlichen Telex für die Verbindung nach Wall Street aus und verlor $4 Mio. in Investitionen. Bis
zur Krise von 1929 setzte er an der Börse $8 Mio. in den Sand. Hughes zog 1925 nach Hollywood, wo
er eine Karriere als Schauspieler, Regisseur, Pilot und Flugzeugbauer startete. Nach einem ersten
Fehlschlag, den $80'000 teuren und nie veröffentlichten "Swell Hogan" gewann "Two Arabian Nights"
(1928) einen Preis. Für seinen Flieger-Film "Hell's Angels" (1930) kaufte er für über $500'000 mehr als
40 Kampfflugzeuge des Ersten Weltkriegs, womit er die grösste private Flugwaffe der Welt besass.
Drei Piloten und ein Mechaniker (und er beinahe) kamen bei den Dreharbeiten ums Leben für den
Film, der $4,2 Mio. kostete (wovon nur $2,7 Mio. eingespielt wurden), und Jean Harlow zum Star
machte.
In den 30er Jahren baute er im Rahmen einer Kinokette das Texas Theater in Dallas, in dem Lee
Harvey Oswald verhaftet wird. "Scarface" (1932) und "The Outlaw" (1941) über Billy the Kid mit den
gewagten Aufnahmen von Jane Russells Brüsten galten als "pornografisch". Von 1925 bis 1929 war er
verheiratet mit Ella Rice, der Tochter des Standard Oil-Vorsitzenden William Stamps Farish, dem
Hauptkunden der Hughes Tool. Gleichzeitig führte er ein Playboyleben mit zum Teil ernsthaften
Affären mit Katherine Hepburn, Joan Crawford, Constance Bennett, Marian Marsh, Madge Bellamy,
Ginger Rogers, Ida Lupino, Billie Dove, Bette Davis, Loretta Young, Olivia de Havilland, Brenda Frazier,
Yvonne Shubert, Lana Turner, Jane Greer, Nancy Carroll, Linda Darnell, Gene Tierney, Marilyn
Monroe, Gail Ganley, Sallilee Conlon, Phyllis Applegate, Joyce Taylor, Barbara Hutton, Dorothy
Jordan, Timmie Lansing und vielen anderen Starletts. Hughes holt sich die Syphilis, von der er trotz
radikalen Kuren nicht geheilt wird. Einige der Mädchen beschaffen ihm William Randolph Hearst jr.
und Cary Grant. Seine Geliebten lässt er von Detektiven überwachen, verzichtet aber deshalb selbst
nicht auf beinahe tägliche Seitensprünge.
Bei Ava Gardner entlarven die von Detektiv Frank Angell und seinem Team von Spezialisten gesetzten
Wanzen ihr Verhältnis mit Mickey Rooney, worauf Hughes ihre Wohnung stürmt. Beim folgenden
Streit wirft ihm Ava eine Bronzeglocke an den Kopf, so dass er hospitalisiert werden muss. Den
meisten, oft noch sehr jungen Mädchen wie der 15jährigen Faith Domergue, schenkt er teuren
Schmuck und kiloweise Blumen, beeindruckt sie mit seinen Flugzeugen und verspricht die Heirat,
damit sie mit ihm ins Bett steigen. Bei seiner Affäre mit Rita Hayworth wird diese von zwei
Detektivteams im Auftrag von Ehemann Orson Welles und Columbia-Boss Harry Cohn beschattet.
Rita wird schwanger von Hughes und lässt abtreiben.
Der beinahe taube Hughes flog als Kopilot Charles W. Howard bei der American Airways, bis der
Schwindel bemerkt wurde. Um das schnellste Flugzeug zu bauen, gründete er die Hughes Aircraft
Company und stellte in den 30er Jahren mehrere Flugrekorde auf. Offenbar gab es mehrere
Sabotageversuche bei seinen Geschwindigkeitsrekorden.
Mit Beginn der Depression musste Hughes, der monatlich Hunderttausende ausgab, die Hughes Tool
verpfänden und seine Ausgaben auf $250'000 pro Jahr reduzieren. Zusammen mit Noah Dietrich
baute er daraufhin die Firma neu auf, stellte 200 Wissenschaftler und Sanierer Fred Ayers ein, die die
Gewinne von $6 Mio. 1935 auf $13 Mio. 1937 und $22 Mio. 1941 steigern können. Zudem geht er
gnadenlos gegen Konkurrenten vor und beteiligt sich offenbar an Mafiageschäften, da zu seinen
regelmässigen Gästen Lucky Luciano und Bugsy Siegel gehören.
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1939 kauft Hughes 200'000 Aktien der Trans World Airlines, was einem Anteil von 21% entspricht,
den er durch permanente Käufe bis Ende 1940 auf 78% steigert. Bei Lockheed bestellt Hughes
geheim 40 der eigens entwickelten Constellation für $18 Mio. Gleichzeitig hofft Hughes vergebens,
Militärflugzeuge für den Zweiten Weltkrieg bauen zu können. Henry J. Kaiser, der die Liberty Ships
produziert, verschafft ihm einen Auftrag über $18 Mio. für die Entwicklung und Produktion von
Grossraumwasserflugzeugen (Spruce Goose) innerhalb eines Jahres, was ihm nicht gelingt. Um zu
besseren Aufträgen zu kommen, engagiert Hughes Johnny Meyer, in dessen Nachtklub hohe Militärs
und der Präsidentensohn Colonel Elliott Roosevelt verkehrt, den er mit der Schauspielerin Faye
Emerson verkuppelte. Meyer zahlt die Hotel- und Nachtklubrechnungen der geladenen Militärs, die
vom FBI observierten 3 Galas mit engagierten Mädchen und das Hochzeitsfest der beiden, worauf
Hughes dank Roosevelt den Auftrag für 98 XF-11-Aufklärungsflugzeuge für $43 Mio. erhält. Aber
aufgrund seines autokratischen Perfektionismus werden weder ein Wasserflugzeug noch ein
Aufklärer bis zum Kriegsende fertiggestellt. Der zunehmend irre Hughes stürzt auf dem Testflug mit
der vollgeladenen Constellation im April 1943 beinahe ab, weil er zwei Motoren abstellt, und einen
Monat später mit seinem Wasserflugzeug ins Wasser, wobei zwei Mitarbeiter sterben. Nachdem er
im Oktober 1944 einen Teil seiner Dokumente verbrannte, organisiert er in seinem Verfolgungswahn
eine dreimonatige bizarre Flucht durch verschiedene Staaten. In Louisiana wird "der Landstreicher"
verhaftet, und in Fort Lauderdale verbrennt er seine Kleider. Das FBI verwanzt selbst das Telefon
seines Hotelzimmers in Vancouver, wo er auf der Jagd nach Yvonne De Carlo dank seiner TreibstoffPrivilegien des Kriegsministeriums hingeflogen ist. Um eine Verbreitung dieser Beziehung zu
verhindern, lässt Hughes den Medienleuten sehr teuren schottischen Whiskey zukommen. Im Juli
1946 fliegt er trotz Warnungen allein den ersten Testflug mit dem XF-11-Prototypen in eine Villa in
Beverly Hills und verletzt sich so sehr, dass keiner der Ärzte glaubt, dass er überleben wird.
Quellen: Drosnin, Best: 47-49, Brown/ Broeske: 4-224, 256f, 394-399.
2.5. 1941 Angriff auf Pearl Harbor
Der Angriff der Japaner am 7.12.41 auf den amerikanischen Stützpunkt fordert 2402 Tote, zerstört
188 Flugzeuge und mehrere Schlachtschiffe. Admiral Yamamoto plant den Kriegsbeginn seit dem
Herbst 1940 und befiehlt den Angriff am 22.11.41.
Bis 1895 waren die Hawaï-Inseln ein selbständiges Königreich, das 1898 wegen seiner strategischen
Bedeutung im spanisch-amerikanischen Krieg von den USA annektiert und erst 1959 regulärer
Bundesstaat wurde. Schon 1932 und 1938 war der Stützpunkt zweimal bei Marineübungen
"überfallen" worden - einmal von 152 Flugzeugen - und jedes Mal war die Verteidigung völlig
überfordert.
Schon am 27.1.41 wird der US-Botschafter in Japan, Joseph Grew, vom peruanischen Gesandten
Ricardo Rivera Schreiber gewarnt. Vier Monate vor Pearl Harbor informiert der deutsch-englische
Doppelagent Dusan Popov Hoover über die bevorstehende Attacke der Japaner, die damit auf das
amerikanische Export-Embargo reagieren. Obwohl das MI-6 Popov nach New York schickt, reagiert
Hoover unkooperativ mit Vorwürfen über dessen Lebensstil. Der britische MI-6 übermittelt Hoover
noch andere Informationen über die japanischen Vorbereitungen und Pläne. Der Botschaftssekretär
Frank Schuler warnt zusammen mit 5 Kollegen in einem Memo im September vor einem japanischen
Überraschungsangriff, worauf das Aussenministerium verlangt, dass das Memo zurückgezogen und
eine Entschuldigung geschrieben wird. Schuler ist einer der wenigen, der fliessend Japanisch spricht,
wird aber im November nach Antigua, 1943 nach Kanada und 1944 in die Südsee versetzt und dann
entlassen. Im Oktober sagt die Marineaufklärung einen Angriff voraus. Das ‚McCollum-Memo
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konstatiert, dass es besser wäre, wenn es gelänge, Tokyo zu einem offenen Kriegsakt zu provozieren.
Am 25.11.41 notiert US-Verteidigungsminister Henry Stimson nach einer Unterhaltung mit Präsident
Roosevelt über die Japaner in sein Tagebuch: "Die Frage war, wie man sie in eine Position
manövrieren könnte, in der sie den ersten Schuss abgeben würden, ohne dass uns allzuviel passiert...
es war wünschenswert, sicherzustellen, dass die Japaner dies wären, [die den ersten Schuss
abgeben], so dass niemand auch nur den geringsten Zweifel haben könnte, wer der Aggressor war."
Im Juni1938 beschloss Roosevelt ein Exportverbot von Flugzeugteilen, 1939 wurde das amerikanischjapanische Handelnsabkommen aufgekündigt, 1940 verhängte Washington ein Handelsembargo
gegen Japan, und im Sommer 1941 dehnt Roosevelt es um ein Öl- und Eisenerzhandelsverbot aus,
womit das Kaiserreich an seiner empfindlichsten Stelle getroffen wird. Damit provozierte Roosevelt
den Konflikt, um in den Krieg eintreten zu können, denn die USA nicht anzugreifen hätte für Japan
bedeutet, die westliche Erpressung hinzunehmen. Als Roosevelt befielt, die Flotte von der Westküste
dorthin zu verlegen, protestiert der amtierende Admiral Richardson dagegen und weigert sich
schliesslich sogar, den Befehl auszuführen. Er wird durch Admiral Husband Kimmel ersetzt - den man
nach dem japanischen Angriff wegen Nachlässigkeit vor einen Untersuchungsausschuss bringt. Er
wird freigesprochen, als bekannt wird, dass man ihm 188 entschlüsselte japanische Nachrichten
vorenthalten hat, aus denen der bevorstehende Angriff samt Datum und Uhrzeit hervorging. Die
Amerikaner hatten sämtliche Codes der japanischen Seite entschlüsselt und können den
militärischen und politischen Funkverkehr verfolgen. Auch die Briten sind im Besitze des
Marinecodes, und holländische und russische Nachrichtendienste haben vor einem bevorstehenden
Angriff gewarnt.
Der US-Zerstörer Ward versenkt eine Stunde vor dem Angriff ein japanisches U-Boot, das in den
Hafen eindringen will. Damit bliebe genügend Zeit, um die Abwehr zu aktivieren, was die Zahl der
Opfer massiv reduziert hätte. Aber Roosevelt will einen Grund für den Kriegseintritt, denn sonst ist
der Kongress nicht zu einem solchen Schritt zu bewegen.
Nach dem Angriff muss Helen Shaffer die Protokolle und Telegramme unter strengster
Geheimhaltung neu tippen und dabei alle vorgängigen Hinweise weglassen.
2008 schreibt Japans Luftwaffenkommandant Toshi Tamogami in einem Wettbewerbs-Aufsatz,
Roosevelt habe den Angriff auf Pearl Harbor provoziert. Obwohl der Aufsatz von der Jury der Hotelund Immobilienfirma APA prämiert wird, muss er sofort zurücktreten.
Nach dem Pearl Harbor-Angriff am 7.12.41 gründet Roosevelt das Office of Coordinator of
Information, das ihm direkt untersteht und setzt seinen ehemaligen Klassenkameraden William
Donovan als dessen Direktor ein. Im Juni 1942 wird daraus das Office of Strategic Services mit
erweiterten Kompetenzen. "Wild Bill" Donovan, Wallstreet-Anwalt, Millionär und Republikaner stellt
die unterschiedlichsten Leute ein, wie die späteren Vertreter der Neuen Linken Norman O. Brown
und Herbert Marcuse, Liberale wie Arthur M. Schlesinger, Jr. und selbst Kommunisten, die im
Spanischen Bürgerkrieg in der Abraham Lincoln Brigade gekämpft hatten. Hoover verlangt, dass die
Kommunisten gefeuert werden, worauf Donovan meint, er würde selbst Stalin einstellen, um Hitler
zu bekämpfen. Allein 2000 Wissenschaftler arbeiten in Washington als Analytiker für das OSS. Aber
auch viele von Donovans konservativen Geschäftspartnern arbeiten für das OSS, die auf dem
Höhepunkt 13'000 Mitarbeiter umfasst, ohne die Informanten.
Die unterschiedlichen Positionen führen schon bald zu Grabenkämpfen, insbesondere wegen der
Unterstützung von linken oder rechten Partisanengruppen in Frankreich, Jugoslawien, China oder
Italien. Der bekannteste Fall ist derjenige von OSS-Major Holohan, dessen Team eine
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Partisanengruppe in den italienischen Alpen infiltrierte. Holohan wird vermutlich von seinem
Kollegen Aldo Icardi wegen den politischen Differenzen ermordet. 1956 erreichen der CIA-Anwalt
Edward Bennett Williams und sein Freund Robert Maheu einen Freispruch Icardis. Das OSS
unterstützt die katholischen Partisanen, zu denen alle wichtigen Nachkriegspolitiker der DC wie
Giulio Andreotti, Enrico Mattei oder Aldo Moro gehören, um die Machtergreifung der
kommunistischen Partisanen nach dem Zusammenbruch des Faschismus zu verhindern. In
Jugoslawien unterstützt das OSS sowohl die kroatischen Partisanen von Tito, der in den 30er Jahren
für die Komintern arbeitete, wie auch die serbischen Tschetniks des royalistischen Mihailovic. Wegen
dem Druck Churchills wird die Unterstützung der Tschetniks 1944 aufgegeben.
Das OSS arbeitet eng mit dem britischen Geheimdienst zusammen, dessen Agenten versuchen, die
Amerikaner für den Erhalt des britischen Imperiums einzusetzen. Donovans Geheimdienstagenten
brechen in die Botschaften von deutschfreundlichen Regierungen ein, um die Entschlüsselungscodes
zu klauen. Schon bald nach Gründung richtet das OSS eine Gewerkschaftsabteilung unter Arthur J.
Goldberg ein, die Verbindungen zu amerikanischen und europäischen Gewerkschaften aufbaut, was
sich als äusserst wertvoll erweisen soll. Über diese Verbindungen gelingt es der CIA nach dem Krieg,
die Gewerkschaften in Europa von den Kommunisten zu säubern: in Italien über die Koalition der
christlichen Gewerkschaften; in Frankreich, wo Charles de Gaulle eine Machtübernahme der
Kommunisten bei der Befreiung von Paris verhindern kann, indem das OSS den Waffennachschub
verzögert und die kommunistische Résistance ausblutet, und über die Spaltung der Force Ouvrière; in
Westdeutschland über den Wiederaufbau der antikommunistischen Einheitsgewerkschaft. In
Österreich wird über die Bau- und Holzarbeitergewerkschaften sogar eine geheime paramilitärische
Organisation aufgebaut und finanziert.
Der FBI-Direktor J. Edgar Hoover überwacht das OSS und sabotiert dessen Arbeit aus Eifersucht.
Während einem Einbruch in die Spanische Botschaft in Washington fahren zwei FBI-Autos mit
heulenden Sirenen vor und die OSS-Agenten werden von der alarmierten Polizei verhaftet. Aber
Roosevelt unternimmt weder etwas gegen Hoover noch gegen Donovan. Hoover, der bis zu seinem
43. Jahr bei seiner Mutter wohnt, waltet nach dem Kriegseintritt der USA als Medien-Zensor und
macht die Zeitungen mundtot. 1942 werden auf Hoovers Initiative 120'000 Amerikaner japanischer
Herkunft in Konzentrationslager interniert. Auch viele Deutsch-Amerikaner werden völlig grundlos als
Nazis verdächtigt, interniert und teilweise nach Deutschland zurückgeschickt, im Austausch gegen
amerikanische Kriegsgefangene. Im Herbst 1944 schlägt Donovan dem Präsidenten vor, das dem
Generalstab unterstellte OSS in einen eigenen Geheimdienst umzuwandeln, was Hoover sofort an die
Öffentlichkeit bringt, um die Idee zu sabotieren. Auch General Douglas MacArthur, der dem OSS jede
Operation im Pazifik verboten hat, wehrt sich gegen einen Central Intelligence Service.
Hoover hasst die First Lady, Eleanor Roosevelt, da sie politisch aktiv, liberal und den Schwarzen
gegenüber aufgeschlossen ist. Der FBI-Chef lässt ihr Privatleben akribisch ausspionieren, so dass ihre
im Geheimarchiv untergebrachte Fiche 449 Seiten umfasst. Im Januar 1942 brechen FBI-Agenten in
New York im Hauptquartier des American Youth Congress ein, dessen Leiter, Joseph Lash, ein
vermuteter Liebhaber der First Lady ist, und fotografieren dessen Korrespondenz. Lash wird aufgrund
dieses weitergegebenen Materials abgelehnt, als er sich um eine Stelle bei der Navy bewirbt. Mit
gleichem Ziel bricht das FBI im Dezember im Büro des International Student Service ein. Auch das
Army Counter-Intelligence Corps überwacht die First Lady: es verwanzt 1943 das Blackstone Hotel in
Chicago, in dem Lash und Roosevelt absteigen und geben das Material Roosevelt weiter. Lash wird
daraufhin in den Pazifik geschickt. Hoover ist ebenfalls im Besitz dieser Infos.
Seite [50]
Hoover startet auch eine Kampagne wegen angeblicher Homosexualität gegen Vizeaussenminister
Sumner Welles, worauf Roosevelt seinen Freund entlassen muss und plant, Hoover nach dem Krieg
abzusetzen.
Mit Hoover arbeitet auch Francis Spellman, der nach der Nomination seines Freundes Eugenio Pacelli
zum Papst Pius XII. 1939 zum Erzbischof von New York ernannt wurde. Spellman durchreist als
Geistlicher problemlos die Kriegszonen und amtet als Geheimagent für Roosevelt. Nach dem Krieg
unterstützt Spellman seine Freunde Roy Cohn und Joe McCarthy bei der Kommunistenjagd, wird
einer der zentralen Figuren im Machtgefüge New Yorks, nimmt an Pentagon-Sitzungen teil, diskutiert
Militärstrategien mit dem Generalstab, sammelt Informationen für die CIA und das
Aussenministerium und geschäftet mit Joe Kennedy und John Reynolds.
Nachdem der Psychoanalytiker Wilhelm Reich im August 1939 in die USA flüchtete, begann ihn das
FBI zu observieren. Über den Propagandisten der sexuellen Revolution, die eine politische
Umwälzung nach sich ziehen soll, entsteht eine 789 Seiten umfassende Akte, obwohl er nach der
Finnlandinvasion der Sowjetunion strikter Anti-Stalinist ist.
Nach einem Artikel über Reichs Orgasmus-Maschine in Harper's Magazine beginnt die Food and
Drugs Administration eine $2 Mio. teure Untersuchung wegen missbräuchlicher Werbung, was 1954
zum Verbot der Orgon-Akkumulatoren führt. Reich hält sich nicht an das Verbot, worauf er zu zwei
Jahren Gefängnis verurteilt und seine Schriften verboten und verbrannt werden.
Quellen: Summers (1993): 125-150, Theoharis/ Cox: 200-255, Schulz: 53, 161, 325, Best: 24ff, Cran, Collier/ Horowitz: 149, 308,
Chotjewitz: 15-20, Kennedy (1987), Cooney, Todd, Pletschinger/ Bredenbrock, Chomsky (2001), Bröckers, Bülow (2003): 246f.
2.6. 1942 Kooperation von Mafia und Militär
Seit dem Kriegseintritt am 11.12.41 haben die USA vor ihrer Ostküste 272 Handelsschiffe durch
deutsche U-Boote verloren, ohne dass ein einziger Gegenangriff erfolgreich gewesen wäre.
Kollaboration, Sabotageakte und Spionage im New Yorker Hafen machen die Marine machtlos.
Sowohl die Navy wie auch die Polizei sind sich bewusst, wer die Häfen kontrolliert und vermuten,
dass die Mobster auch hinter den Sabotageanschlägen stecken. Agenten der Naval Intelligence
durchsuchen deshalb die Häfen nach Deutschen und Italienern, die für die Deutschen arbeiten. Die
Ermittlungsabteilung des amerikanischen Marinenachrichtendienstes B-3 unter Charles Redcliffe
Haffenden stösst bei ihren Nachforschungen auf unerwarteten Widerstand der Docker und Fischer
und sucht deshalb Hilfe von Insidern.
Über Murray I. Gurfein wird Kontakt zu Joseph Lanza, dem Chef der Ortsgruppe der United Seafood
Workers, hergestellt. Da gegen "Socks" Lanza solides Beweismaterial vorhanden ist, um sieben
Anklagen wegen Erpressung und Konspiration durchziehen zu können, zeigt sich Lanza kooperativ
und schlägt vor, den inhaftierten Luciano einzuschalten. Die Anastasia-Brüder beschliessen, die
Freilassung von Lucky Luciano zu erpressen und versenken am 9.2.42 die Normandie, ein
französischer Luxusdampfer, der zu einem Truppentransporter umfunktioniert worden war, im New
Yorker Hafen. Über Lucianos Anwalt Moses Polakoff und Meyer Lansky laufen Haffendens Kontakte
mit Luciano, der am 12.5.42 nach Comstock ins Great Meadow Gefängnis verlegt wird. Polakoff
machte eine verblüffende Karriere als Richter, Staatsanwalt, Chef der Kriminalabteilung und Mitglied
der Oberstaatsanwaltschaft in New York und arbeitet seit 1935 für Luciano. Dieser organisiert 850
Mafiosi, die die Landung der Alliierten auf Sizilien vorbereiten, darunter 62 Bürgermeister. Der
unbestrittene Boss bekommt als Gegenleistung für seine Garantie, dass keine Sabotageakte mehr
Seite [51]
vorkommen, das Recht auf freien Besuchskontakt mit der Aussenwelt, was ihm die Leitung seines
Imperiums ermöglicht.
Auch Meyer Lansky, der schon vor dem Krieg nationalsozialistische Demonstranten verprügeln liess,
setzt sich für das B-3 ein, indem er unter anderen Vincent Alo als Informant über die Hafensicherheit
und Johnny "Cockeye" Dunn als Beschaffer von Gewerkschaftsausweisen für das B-3 heranzieht.
Lansky trifft sich zweimal mit Anwalt Murray Gurfein, der Assistent von OSS-Chef Donovan wird. Am
27.7.42 können acht deutsche Geheimagenten mit Sprengstoff für geplante Sabotageakte verhaftet
werden. Die Erfolge der deutschen U-Boote können erheblich eingeschränkt werden, was aber auch
auf neue Konvoi-Massnahmen zurückzuführen ist. Anfang 1943 ist der New Yorker Hafen die grösste
Nachschubbasis für den Krieg in Europa.
Winston Churchill setzt sich mit dem Plan bei den Alliierten durch, zunächst in Italien zu landen,
worauf das OSS seine Aktivitäten dort forciert. Earl Brennan vom Secret Intelligence verfügt über
gute Beziehungen zum Vatikan und hat Kontakte zu Mussolinis Geheimpolizei und zu Mafiabossen im
Exil. Das päpstliche Aussenministerium unter Giovanni Battista Montini, dem späteren Papst Paul Vl,
offeriert dem amerikanischen Geheimdienst eine Karte mit den wichtigsten italienischen
Kriegsbetrieben. Brennan besetzt seine Abteilung fast ausschliesslich mit Sizilianern und stützt sich
auf vier in den USA bestehende Italienerorganisationen: 1. Die 1904 gegründete ultrakonservative
Emigrantenvereinigung "Sons of Italy" mit 500'000 Mitgliedern, mit deren Hilfe das "Amerikanische
Komitee für die Demokratie in Italien" gegründet wird und das den Machtwechsel in Italien
ideologisch vorbereiten soll. 2. Die "Mazzini-Gesellschaft", in der fast alle italienischen Antifaschisten
organisiert sind. Zu ihrer Spitze gehören Max Ascoli, der erste Aussenminister nach dem Faschismus,
Carlo Sforza, der Gründer der Christdemokratischen Partei, Don Luigi Sturzo, der erste Botschafter in
Washington nach dem Krieg, Alberto Tarchiani, erster Präsident der Republikanischen Partei Italiens,
oder die OSS-Agenten Randolfo Pancciardi und Serafino Romualdi, die graue Eminenz der
Gesellschaft. 3. Die italo-amerikanische Gewerkschaft, das Arbeitsfeld Romualdis. Nach seiner
Rückkehr nach Italien 1945 beteiligt er sich massgeblich an der Spaltung der italienischen
Gewerkschaftsbewegung. 4. Die Mafia, die die Eroberung Italiens tatkräftig unterstützt. Im B-3 von
Haffenden wird ein Kartenzimmer eingerichtet, und Italiener und Sizilianer helfen, detaillierte Karten
zu erstellen.
Coca-Cola-Boss Robert Woodruff schickt mit der Armee 248 Firmenvertreter auf die Schlachtfelder,
die dafür sorgen, dass die Soldaten jederzeit mit der schwarzen Brause versorgt werden. Die USArmee verleiht den Repräsentanten den pseudomilitärischen Rang als uniformierte technische
Beobachter und stellt Flugzeuge und Schiffe für den Transport des Getränks zur Verfügung. Auf allen
Kontinenten werden Abfüllanlagen eingerichtet, häufig auf Regierungskosten. Bis Kriegsende
konsumieren 11 Mio. Soldaten 10 Mia. Flaschen Coke und verbreiten das Getränk, das seit 1929 kein
Coca-Extrakt mehr enthält, in den eroberten Ländern. Das Coca-Cola-Emblem ersetzt das Hakenkreuz
und wird mit Freiheit assoziiert. Deshalb kann The Economist den Coca-Cola-Index erfinden: Je mehr
Coke in einem Land getrunken wird, desto freier, gesünder, wohlhabender und gebildeter seien die
Bürger. Es ist nicht bekannt, wie viel Geld die englische Zeitschrift dafür von der Softdrinkfirma aus
Atlanta erhielt.
Quellen: Davis (1994): 59-61, Behr: 171, Bradley, Chotjewitz: 15-20: 15ff, Potter: 3, Russel (2000), Best: 6, Ansom: 291f,
Callahan: 129, Bröckers, Pendergrast.
Seite [52]
2.7. USA und Frankreich
Washington plant, nicht nur Deutschland, Italien und Japan, sondern auch Frankreich unter die
Protektoratsverwaltung der American Military Government of Occupied Territories (AMGOT) zu
stellen, um zu verhindern, dass Frankreich wieder als Störenfried auftreten könnte wie 1918/19, als
es sich gegen die amerikanische Deutschlandpolitik wehrte. Zudem würde Frankreich sein an
Rohstoffen und strategischen Stützpunkten reiches Empire nicht freiwillig öffnen, was die USA für
ihre Waren und ihr Kapital seit 1899 fordern. Deshalb bekämpft Washington Charles de Gaulle, vor
allem seit sich die Résistance unter seinem Namen vereinigte, und toleriert das Vichy-Regime, das es
für fügsamer hält als eine von der breiten Bevölkerung getragene Regierung.
Seit Dezember 1940, ein Jahr vor dem Kriegseintritt, bereitet der Sonderbeauftragte Robert Murphy
die Eroberung Nordafrikas vor. Murphy gewinnt Admiral François Darlan, der von Februar 1941 bis
April 1942 an der Spitze des Vichy-Regimes stand, als Verbündeten. Drei Tage nach der Landung der
Amerikaner in Nordafrika lässt Pétains Stellvertreter Darlan am 10.11. alle Kampfhandlungen auf
Seiten Nazi-Deutschlands einstellen, worauf die Deutschen am nächsten Tag Südfrankreich besetzen.
Am 22.11. lässt General Mark W. Clark den gewendeten Admiral ein geheimes Abkommen
unterschreiben, das Frankreich zu einem Vasallenstaat mit Kapitulationsauflagen erklärt und den
Alliierten die Kontrolle der Häfen, Befestigungsanlagen, Waffenlager und Kommunikationseinrichtungen und das Recht auf Beschlagnahmungen gestattet. Andere Bereiche wie Verwaltung,
öffentliche Ordnung, Wirtschaft und Zensur sollten "gemischten Ausschüssen" übertragen werden.
Am 27.11. versenkte sich die französische Flotte vor Toulon selbst.
Die Gaullisten sind an der Ermordung von Darlan am 24.12.42 beteiligt. Danach wendet sich
Washington an General Henri Giraud, der einflussreiche Figuren aus Wirtschaft und Politik hinter sich
hatte. Da er aber mit de Gaulle auf guten Fuss steht, präferieren die Amerikaner Pierre Pucheu, die
Symbolfigur des Vichy-Regimes: Industrie- und Innenminister unter Darlan, Vertreter der Banken und
der Schwerindustrie, Sponsor und Politiker der rechtsextremen Parti Populaire Français, Befürworter
der Kollaboration mit den Nazis und treibende Kraft der antikommunistischen Repression. Giraud
und de Gaulle schalten Pucheu aus: er wird zum Tod verurteilt und im März 1944 in Algier
hingerichtet.
Das am 3.6.43 von de Gaulle gegründete Comité Français de Libération Nationale kann dank einem
Freundschaftsvertrag mit Moskau verhindern, dass der Dollar in den befreiten Gebieten eingeführt
und die provisorische Regierung der französischen Republik von den Amerikanern und Briten am
23.10.44 anerkannt werden muss. Obwohl Frankreich in Jalta nichts zu sagen hat, sorgt Stalin dafür,
dass es nicht zum Protektorat degradiert wird.
Quellen: Lacroix-Riz.
2.8. 1943 Mafia, Roosevelt und Hollywood
Die Polizei stellt Paul Ricca, Frank Nitti, Phil d'Andrea, Louis Campagna, Frank Maritote, Johnny
Roselli und Charlie Gioe im März 1943 unter Anklage. Drei Jahre zuvor untersuchte die Polizei die
Gewerkschaft von Willie Bioff und entlarvte die Korruption in Hollywood. Bioff und George Browne
wurden wegen Erpressung verurteilt, wonach Sydney Korshak zur Verbindung zwischen Kinoindustrie
und der Mafia von Chicago wird.
Auch ihr Komplize Joe Schenck, Produzent bei der Twentieth Century Fox, wurde verurteilt, weil er
die jährlichen $400'000 Kommission, die Chicago ihm bezahlte, nicht versteuerte. Schenck steuerte
Seite [53]
über den Postminister Farley $500'000 an die Wahlkampagne Roosevelts bei, wofür dieser den Boss
der Bekleidungsgewerkschaft, Sydney Hillman, zu seinem Berater für Arbeitsprobleme ernannte.
Zudem ernennt Roosevelt 1944 Harry Truman, den Giancana als "unseren Mann" bezeichnet, zum
US-Vizepräsidenten und zum Präsidenten des Democratic National Committee. Truman erfüllt im
Wesentlichen Repräsentationspflichten und stellt Roosevelts Machtanspruch nicht in Frage.
Hollywood bringt viel zu viel Geld ein, als dass Chicago sich zurückziehen würde. Johnny Roselli, der
Konzernchefs wie Harry Cohn von Columbia, Harry Warner von Warner Bros. oder Louis B. Mayer von
MGM in der Tasche hat, führte die Geschäfte in Hollywood weiter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzen das US-Aussenministerium und die neugegründete Motion
Picture Export Association of America (MPEA, ab 1994 MPA) die Regierungen, die ihre eigene
Filmkultur fördern möchten (wie Chile, Südkorea, Marokko, aber auch die Ostblockländer) unter
Druck und bieten dafür Zugeständnisse in anderen Sektoren von bilateralen Handelsabkommen.
Obwohl anfangs die Verbindung zu Chicago nicht nachgewiesen werden konnte, erfolgt im März
1943 die Anklage wegen Erpressung von über $ 1 Mio. von verschiedenen Studios. Der Mafiaboss
Chicagos Paul Ricca verlangt von Frank Nitti, der in der Öffentlichkeit als Padrone gilt, die
Verantwortung für alle zu übernehmen. Aber Nitti bringt sich um, und Paul Ricca und Johnny Roselli
werden zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt.
Ricca ernennt Tony Accardo zum Stellvertreter, Murrey Humphreys und Jake Guzik zu dessen
Berater. Im April entführt Accardos Chauffeur Sam Giancana seinen Mentor und Freund Jake Guzik,
der Financier der Chicagoer Mafia, und stellt ihn vor die Alternative: $200'000 oder eine Kugel. Guzik
fügt sich, ebenso wie die anderen der Organisation, die vom Bioff-Browne-Prozess absorbiert sind.
Um seine Stellung zu sichern, integriert Accardo neue Köpfe in die Organisation: Gussie Alex, Eddie
Vogel und Ross Prio, und arrangiert sich mit den ehemaligen Capone-Beratern Abe Pritzker, Art
Greene und Jake Arvey. "Big Tuna" Accardo, der fähigste Mobster von Chicago, dehnt die
Einflusssphäre in den Mittleren Westen aus: Des Moines, St.Louis und Dallas.
Quellen: Giancana: 187ff, Jacobovici, Best: 10, Olgiatti, Karel (1), Moldea: 4f, Mattelart.
Seite [54]
2.9. 1943 Italien-Invasion
Über Joseph Colucci unterstützt der sizilianische Pate Calogero Vizzini die Sizilien-Invasion der USArmee. Der Capo di tutti capi schaltet die Nummer Zwei der Insel, Genco Russo, ein, der Pächter des
grossen Gutes ist, auf dem die deutsche Herman Göring-Division ihr Hauptquartier aufgeschlagen
hat. Russos Männer treiben alle Küstenverteidigungspläne der italienischen Armee auf und
erreichen, dass zwei Drittel der dort stationierten Soldaten während der Invasion desertieren.
Am 10.7.43 beginnt die amerikanische Invasion Westsiziliens unter General George Smith Patton. Im
Gegensatz zur britischen Invasion unter General Montgomery im Ostteil der Insel verläuft die
amerikanische unproblematisch. Sizilien wird innerhalb von 35 Tagen befreit, und die "politischen"
Gefangenen werden freigelassen.
Charles Poletti, einflussreiches Mitglied der Mazzini-Gesellschaft, wird amerikanischer
Militärgouverneur des Allied Military Government in Palermo. Luciano bezeichnet den ehemaligen
Gouverneur von New York als guten Freund. Am 24.7.43 wird Don Calo Vizzini zum Bürgermeister
von Villalba ernannt, und 95% der eingesetzten Bürgermeister sind Mafiosi oder Vertrauensleute der
Mafia. Bereits nach zwei Monaten hat sich die Macht der Mafia etabliert. 1944 schliessen sich unter
der Führung von Enrico Cuccia die bisherigen Herzstücke der italienischen Finanzwelt (die Banca
Commerciale Italiana, der Credito Italiano und die vatikannahe Banco di Roma) zur Mediobanca
zusammen, die zusammen mit dem Fiat-Konzern von Gianni Agnelli und dem Pirelli-Konzern von
Carlo De Benedetti die italienische Industrie bis zum Ende des Jahrhunderts beherrschen wird. Im
Gegensatz zum industrialisierten Norden bleibt das Mezzogiorno von Grossgrundbesitz, Mafia und
Armut beherrscht. Der im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 entstandene ‚Staatskapitalismus'
Mussolinis setzt sich fort, indem neben dem 1933 gegründeten IRI, das den Bankensektor und 40%
der Aktiengesellschaften kontrolliert, nach dem 2. Weltkrieg die Enel und die ENI gegründet werden,
womit der Staat 50% des Industriekapitals kontrolliert.
Nach dem Zusammenbruch des Faschismus entsteht auf der Insel eine starke kommunistische
Bewegung, hauptsächlich unter den Bauern. Die USA beschliessen, die Kommunisten mithilfe der
Mafia zu bekämpfen, unterstützt von der Kirche und den Grossgrundbesitzern. Der Geheimdienst
OSS steht über den Rechtsanwalt Vito Guarazi in Kontakt zur Mafia, die die wichtigste
Informationsquelle für den US-Geheimdienst ist. Im September 1944 kommt es zu einer ersten
Mordwelle, und am 1.5.47 erreicht der Terror seinen Höhepunkt, als ein eigentliches Massaker bei
einer Feier in Portella stattfindet. Von 1944 bis 1949 werden über 500 sozialistische oder
kommunistische Aktivisten umgebracht, womit diese Gefahr radikal gebannt ist.
Vito Genovese wechselt die Front und stellt sich der US-Armee, die soeben Neapel erobert hat, zur
Verfügung. Wegen einer Mordanklage aus den USA geflüchtet und seit 1939 in Neapel, knüpfte er
Kontakte zu hohen Faschisten wie Galeazzo Ciano, Hermann Göring oder Benito Mussolini und
unterstützte sie, indem er beispielsweise $250'000 für den Bau des Generalquartiers der
Faschistischen Partei beisteuerte. 1942 noch hatte er dem Duce zuliebe den Herausgeber einer
antifaschistischen italienischen Zeitung in New York ermorden lassen, um seine Allianz mit den
Faschisten zu stärken. Carmine Galante der Bonanno-Familie steuerte den Wagen beim BocciaAttentat, konnte allerdings, obwohl unter Bewachung stehend, nicht verfolgt werden, da die
Polizeidetektive während dem Krieg keine Autos zur Verfügung haben.
Die Deutschen blockieren Neapel während der 104 Bombardierungen durch die Alliierten, was
20'000 Tote und 100'000 Obdachlose bewirkt. Nach dem Einmarsch in die von den Deutschen bereits
verlassene und völlig ausgehungerte Stadt am 1.10.43 setzen die USA die Camorra wieder ein, die
Seite [55]
zuvor während 20 Jahren keine Rolle gespielt hatte. Die zugeteilten Rationierungen sind viel zu
gering, um überleben zu können, weshalb in Kürze ein Schwarzmarkt entstand.
Charles Poletti setzt Genovese als Berater und Übersetzer des Allied Military Government ein, wobei
er vor allem für Rekrutierung von antikommunistischen Politikern zuständig ist. Genovese organisiert
den Schwarzmarkt mithilfe amerikanischer Lastwagen, die liefern und gleichzeitig Verkaufsraum
bilden, und er ist der Verbindungsmann zwischen US-Hauptquartier der Armee und der
Zivilverwaltung. 1944 dehnt sich der Schwarzmarkt von Forcella zum grössten von ganz Europa aus,
und neben den italienischen Waren werden vor allem Diebesgut und Produkte aus den
amerikanischen Armeebeständen. Über 30% der Frauen(und auch viele Kinder) müssen sich
prostituieren, um an Lebensmittel zu kommen. Die Krankenhäuser spezialisieren sich auf
Geschlechtskrankheiten, und ein ganzes Quartier wird für infizierte Soldaten abgesperrt. Genovese
ist auch im Hafen tätig, und man munkelt sogar von einem verkauften US-Zerstörer. Wegen den
Aktivitäten auf dem Schwarzmarkt wird er von der Criminal Investigation Division der Armee
festgenommen und wegen der hängigen Mordanklage, trotz des Widerstands der amerikanischen
Autoritäten, die ebenfalls in Schwarzmarktaffären verwickelt sind, in die USA zurückgebracht und vor
Gericht gestellt. Da der Hauptzeuge des Boccia-Mordes, Pete Latempa, im Januar 1945 im Gefängnis
vergiftet wird, und die Aussage des zweiten Zeugen, Ernest "the Hawk" Rupolo, für eine Verurteilung
nicht genügt, kommt Genovese 1946 frei. Rupolo wird im August 1964 mit einbetonierten Füssen in
der Jamaica Bay versenkt.
Frank Costello hatte in New York genügend Tammany-Leute in der Tasche, um den politischen
Apparat der Stadt zu kontrollieren. Costello hat als Stellvertreter Genoveses seine Macht konsolidiert
und wurde der politische Repräsentant der Mafia in der Oberwelt. Als "Premierminister der
Unterwelt" sieht man ihn in Begleitung von Spitzenpolitikern, führenden Bankern, höheren
Polizeibeamten und Richtern. Zudem hat er sich mit Anastasia verbündet, der mit seinem Boss
Vincent Mangano je länger je mehr Schwierigkeiten hat. Als Genovese seine Familie in New York
wieder übernimmt, behält Costello eine einträgliche Lotteriebank Genoveses für sich, worauf es zu
Feindseligkeiten kommt.
Priorität der USA hat nach der Eroberung die Entmachtung der Kommunisten, die bei Kriegsende
zwischen 100'000 und 200'000 Partisanen unter Waffen haben. Dazu arbeitet Serafino Romunaldi an
der Spaltung der PSIUP, der sozialistischen Partei unter Pietro Nenni, was mithilfe des Führers der
sozialdemokratischen Fraktion, Giuseppe Saragat, und zwei Sozialisten im Exil, Modigliano und
Silone, gelingt. Die USA erreichen mit Unterstützung der Sozialdemokraten drei Zielsetzungen:
1. Die Ausschaltung der früher im Mittelmeerraum starken Briten in militärischer und
wirtschaftlicher Hinsicht.
2. Die Einigung der politischen Mitte.
3. Die Spaltung und Schwächung der Gewerkschaften und der Kommunisten.
Als politische Kraft bieten sich zunehmend die Christdemokraten an, die vom Vatikan und der Mafia
stark favorisiert werden. Damit beginnt eine Allianz der Geheimdienste, der Mafia und des Vatikan
mit den Christdemokraten und dem sozialdemokratischen Flügel der Sozialisten, die fast 50 Jahre
lang funktioniert. Der Vatikan verbreitet antikommunistische Hetzreden, wonach Kinder von den
Kommunisten misshandelt und umgebracht würden. Die USA verhindern konsequent die Säuberung
des italienischen Staatsapparates von den Faschisten und sabotieren die Strafverfolgung von
Unternehmern, die vom Faschismus profitierten und ihn unterstützten. 1946 erlässt der
Justizminister und kommunistische Parteichef Palmiro Togliatti auf Druck der USA eine
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Generalamnestie für die Faschismuszeit. Die Politik der PC wird nicht in Moskau, sondern in
Washington diktiert, und die USA drohen mehrmals mit einer militärischen Intervention, sollten die
Italiener eine kommunistische Regierung wählen.
Obwohl mit etwa 2000 Prozessen wegen der Ermordung von 15'000 italienischen Zivilisten und
Partisanen gerechnet wurde, finden bis 1965 nur 13 Verfahren mit 25 Angeklagten statt. Alle
anderen hängigen Fälle werden am 14.1.60 archiviert. Kein einziger italienischer Kriegsverbrecher
wird verurteilt, andere wie der SS-Scherge Eugen Dollmann arbeitete nach dem Krieg nicht nur für
die CIA, sondern auch für den italienischen Geheimdienst. 1946 reorganisieren sich die Faschisten in
der Movimento Sociale Italiano, die 1995 in die Alleanza Nazionale umbenannt und 2001 zusammen
mit Berlusconi wieder an die Regierung gelangt.
Quellen: Raith: 20, Chotjewitz: 15-20, Bradley, Delorme: 87-99, 105-109, Russel (2000), Meurice, Musso, Davis (1994): 62f,
Delorme, Potter: 3, Best: 7f, Ansom: 292f, Bradley, Horowitz: 52ff, Simpson, Giancana: 253f, Schulz: 55, 70, Pilger: 46ff,
Schweitzer: 6f, Ascherson 1, Karel.
2.10. 1943 Hoover und Kennedy
Mit der Hilfe von Hugh Clegg des House Appropriations Committee startet Hoover 1943 ein
wirksames Kongress-Lobbying-Programm, mit dem er die Operationen anderer Agenturen
überwachen und sein eigenes Budget beeinflussen kann. Hoover ordnet drei FBI-Beamte als
permanente Assistenten für Clegg ab, und von 1943 bis 1970 dienen 28 FBI-Agenten dem
Vorsitzenden des Budget-Komitees, John Rooney. Rooney wird von Hoover geschützt, da er von der
Mafia geschmiert wird. Laut einem FBI-Report erhält er allein 1967 $100'000.
Hoover legt "Zusammenfassungen" über Abgeordnete an und behauptet deshalb, er führe keine
"Akten" über Politiker. Hoover begann damit schon in den 20er Jahren und verfeinerte seine Technik
im Laufe der Zeit. Im "Official and Confidential"-Archiv werden 1973 833 Dossiers von Senatoren und
722 von Repräsentanten entdeckt. Ein Teil der Fichen ist dann aber schon vernichtet oder versteckt
worden. Seit 1945 wird über jeden Oberrichter, deren Wahl Hoover oft entscheidend beeinflusst,
eine Fiche geführt. Die Transkripts der Telefonüberwachungen dieser Richter umfassen allein 20'000
Seiten. Dank diesen Unterlagen kann Hoover beispielsweise ein Hearing vor dem "Subcommittee on
Invasion on Privacy" unter Vorsitz von Senator Edward Vaughan Long mit Erpressung verhindern.
Obwohl Long die Untersuchung über die Missachtung der Freiheitsrechte durch das FBI einstellt,
zerstört eine Kampagne im Life Magazine, die behauptet, er habe von Morris Shenker von der
Teamsters Union Schmiergelder angenommen, ein Jahr darauf seine politische Karriere. Auch über
Cornelius E. Gallagher, der sich Hoovers Forderung, Robert Kennedy vor dieses Subcommittee zu
bringen, widersetzt, wird von Sandy Smith im Life Magazine behauptet, er habe Beziehungen zur
Mafia. Die erfundenen Beweise bekam Smith von Cartha DeLoach. Das FBI bricht bei Gallagher ein
und hört sein Telefon ab.
Joe Kennedy, der Hoover seit den 20er Jahren kennt, arbeitet hart daran, ihm den Honig um den
Mund zu schmieren. So spendet er grosse Summen an die J. Edgar Hoover Foundation und meldet
sich im September 1943 als Special Service Contact für das FBI. Obwohl dieses Programm nach dem
Krieg ausläuft, setzt Hoover ihn 1950 wieder ein, und ab 1951 ordnet er sogar 4 Agenten als
persönliche Hilfe Kennedys ab. Das FBI wird insgesamt 343 Akten über Kennedy-Fälle anlegen.
John F. Kennedy, dem sein Vater wegen seiner Rückenprobleme einen Büroplatz beim ONI in
Washington organisierte, hat seit 1941 eine Affäre mit der Journalistin und ehemaligen Miss
Dänemark Inga Arvad. Hoover lässt seit 1939 Material über JFK sammeln, interessiert sich laut
DeLoach für die Fiche aber erst, als Kennedy Präsidentschaftskandidat wird. Die schöne "Inga-Binga"
Seite [57]
steht unter Spionageverdacht, weil sie mit Rudolf Hess befreundet ist, Himmler und Goebbels kennt,
an Görings Hochzeit teilnahm und nach der Trauung den Führer interviewte, als sie während der
Olympiade 1936 in Deutschland war. Hoover gab Informationen über das Verhältnis an Walter
Winchell weiter, was dieser in seiner Kolumne publizierte. Um die Karriere seines Sohnes zu retten,
organisierte Joe Kennedy dessen Versetzung nach Charleston in South Carolina. JFK traf sich jedoch
weiter mit seiner Geliebten, beobachtet vom FBI, worauf Hoover den Vater telefonisch warnte. Inga
Arvad erwartete ein Kind von JFK, aber sie heiratete 1942 sechs Monate vor der Geburt den
Schauspieler Tim McCoy.
JFK wurde 1942 in den Krieg in den Südpazifik geschickt. In der Blackett-Meerenge wird das von JFK
kommandierte Torpedoboot PT-109 durch Nachlässigkeit in eine Flottenaktion verwickelt, wobei ein
japanischer Zerstörer das Boot entzweischneidet, der einzige Unfall dieser Art während des 2.
Weltkrieges. JFK kann sich und seinen verwundeten ersten Maschinisten Patrick McMahon retten,
indem er vier Stunden lang mit dem Verletzten auf dem Rücken zur nächsten Insel schwimmt. Bei der
Rettungsaktion der übriggebliebenen Besatzung sind Leit Erickson von der Associated Press und Fran
Hewlitt von der Universal Press dabei. Die Story erscheint am 20.8.43 auf der Titelseite der New York
Times, und ein Artikel von John Hersey wird im New Yorker publiziert, womit JFK zum offiziellen
Kriegshelden erkoren wird. Sein Vater überredet den Chefredaktor des Reader's Digest, Paul Palmer,
die Story in gereinigter Fassung, ohne Erwähnung der Nachlässigkeit zu veröffentlichen. Diese
Kriegsheldengeschichte wird später im Zusammenhang mit den Wahlkampagnen immer wieder
nachgedruckt. Die Rettungsaktion schwächt JFK so stark, dass er mehrere Monate braucht, um sich
zu erholen. JFK durchlebte alle möglichen Kinderkrankheiten und hatte keine Chance, neben seinem
älteren Bruder zu bestehen, weshalb er sich darauf verlegte, den Clown zu spielen.
Joe Kennedy jr. ist sportlich und fleissig, überall beliebt, bewundert und das Lieblingskind der Eltern.
Der Konkurrenzkampf der beiden ältesten Brüder bezieht sich meist auf sexuelle Eroberungen. Aber
ein Jahr nach Johns Unfall kommt Joe jr, der als Ältester für die politische Karriere vorgesehen war,
beim Versuch, seinen Bruder als Kriegsheld noch zu übertreffen, ums Leben. Er hat sich für eine
gefährliche Mission als Pilot von fliegenden Bomben gemeldet und Störungen des Zündsystems nicht
ernst genommen. Da sein Bomber mit 11 Tonnen TNT vollgestopft war, um die deutsche Flugabwehr
ferngesteuert auszuschalten, setzt er sein Leben und das seines Kopiloten Wilford Willy leichtsinnig
aufs Spiel. Auch die Schwester Kathleen kommt am 13.5.48 bei einem Flugzeugunfall ums Leben.
Quellen: Summers (1993): 195ff, Theoharis/ Cox: 269-273, Posener: 54ff, Davis (1984), Wolfe: 153ff, Gregory/ Speriglio: 240,
Best: 18f, Collier/ Horowitz: 140-164, Hersh: 82-86.
2.11. 1944 Krieg gegen Deutschland
Im Juli 1943 stoppt die Rote Armee den Vorstoss der Wehrmacht in der Region Charkow, und es wird
klar, dass die Sowjetunion nicht nur überleben, sondern das Dritte Reich besiegen wird. Damit geht
das strategische Ziel der USA, dass sich Deutschland und Russland gegenseitig total vernichten und
sie die alleinige Weltmacht blieben, nicht mehr auf. Am 20.8.43 legt OSS-Chef William Donavan dem
General John R. Deane ein vom Historiker Gerard D. Robinson geschriebenes Papier vor, dass die
Frage stellt, ob die Deutschen den Einmarsch der USA erleichtern würde, um gemeinsam die Russen
zurückzuwerfen. Das Papier empfiehlt, die immer wieder verschobene Landung an der Atlantikküste
nun unmittelbar voranzutreiben, um günstige militärische Voraussetzung für die Auseinandersetzung
mit der Sowjetunion zu schaffen. Drei Optionen stehen zur Diskussionen:
1. Ein Separatfrieden mit den Nazi-Generälen, um gemeinsam die Sowjetunion zu besiegen,
und danach die Niederwerfung des Nazis.
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2. Liquidierung Hitlers durch ein Attentat (das OSS steht zu diesem Zeitpunkt bereits in Kontakt
zum Widerstand des späteren "20. Juli"), um ein starkes Europa gegen die Sowjetunion zu
behalten.
3. Totale Kriegsmobilisierung, um eine bedingungslose Kapitulation Deutschlands zu erreichen,
was einen Kompromiss mit der Sowjetunion bedeutet.
Alle die Strategien werden gleichzeitig verfolgt, wobei Roosevelt eher die dritte Möglichkeit
favorisiert, schliesslich haben die USA ihre Kriegsgüterproduktion zwischen 1941 und 1943
verachtfacht. Ausschlagebend ist dann der Krieg gegen Japan, wozu die USA die Rückendeckung der
UdSSR brauchen, wofür Roosevelt Stalin Zugeständniss in Europa einräumt.
Die Judenfrage spielt dabei keine Rolle. Schon zu Beginn des Jahres 1943 erhielten die Amerikaner
Berichte, dass in Deutschland über 6000 Juden pro Tag umgebracht würden. Roosevelt und die
amerikanischen Behörden verhinderten aktiv die Verbreitung des Genozids. Bei Aufklärungsflügen
fotografieren und identifizieren die Alliierten die Konzentrationslager, Arbeitslager und Gaskammern.
Aber im Bombenkrieg gegen Deutschland werden die Gaskammern und Transportwege zu den
Konzentrationslagern nicht bombardiert, weil sie nicht von strategischem Wert sind, im Gegensatz zu
den Fabriken.
Auch bei der Immigration von Juden in die USA gibt es Probleme. So konnte das Kreuzfahrtschiff St.
Louis, das 1939 930 Juden nach Kuba bringen wollte, aber in Havanna nicht landen konnte, auch in
Florida nicht anlegen. Die Ausschaffung wurde in Deutschland zu Propaganda benutzt, wonach Juden
ausreisen können, wenn sie ein Land finden, das sie aufnimmt. Auch in den USA herrscht starker
Antisemitismus, weshalb die jüdischen Organisationen sich nicht getrauen, sich für die Immigranten
auf der St. Louis der Hamburg-Amerika-Linie einzusetzen. Belgien, Holland, Frankreich und England
nehmen die Flüchtlinge dann auf. Nur etwa die Hälfte der Passagiere erlebt das Kriegsende.
Trotz der massiven Zerstörung der Städte (80%) durch die Bombardierung, die die Bevölkerung
demoralisieren soll (was nicht gelingt), bleibt 60% der Industrieanlagen intakt. Auf der Potsdamer
Konferenz beschliessen die Siegermächte die Demontage der deutschen Industrie, um Deutschland
als Konkurrenten und Kriegsmacht auszuschalten.
Die US-Armee führt die antisemitische Politik in den Konzentrationslagern weiter und misshandelt
die jüdischen Überlebenden: "Es sieht so aus, als ob wir die Juden so behandeln wie die Nazis, nur
dass wir sie nicht umbringen", stellt Kommissär Earl Harrison in seinem Bericht fest. Die USA
beschlagnahmen nicht nur Gelder aus Konten der jüdischen Opfer, sondern auch Grundstücke in den
USA, Patente, Copyrights und Kunstwerke im Wert von $5 Mia, die die SS den Holocaust-Opfern
gestohlen hatte.
Den amerikanischen Soldaten wird mit Propagandafilmen eingetrichtert, dass alle Deutschen Nazis
seien, damit sie sich nicht mit den deutschen Frauen einlassen. Die Deutschen sollen umerzogen
werden, zuerst durch brutale Filme in den Kinos, dann durch Umerziehung mit schulischen
Massnahmen. Beides funktioniert schlecht, weshalb das Kontaktverbot aufgehoben wird und
versucht, Vertrauen zu gewinnen. Mit Beginn des Kalten Kriegs wird auf die Demokratisierung
verzichtet und mit Filmen Propaganda für die Freundschaft mit den USA und gegen den
Kommunismus gemacht.
Quellen: Pohlmann, Schulz 2005, Weber 2008, Roth 1986.
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2.12. 1944 Bretton Woods
Auf Einladung Roosevelts treffen sich in Bretton Woods 44 alliierte Staaten, um über ein
internationales Währungssystem zu beraten. Das abgewirtschaftete Grossbritannien wehrt sich
vergeblich gegen die Herrschaftsansprüche der USA. Mit dem Internationalen Währungsfonds und
der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) werden zwei Institutionen geschaffen, über
die die USA ihre finanzpolitischen Interessen global durchsetzen können. Aufgrund des
Quotenprinzips und einem festgelegten Mehrheitsprinzip von 85% kann kein Entscheid des IWF
gegen die USA gefällt werden. Die Stimmrechte betragen 1981 20% für die USA, 25% für die neun
Staaten der damaligen EG, 36% für die 121 Entwicklungsländer und 4% für Japan.
Die Erhaltung der Währungskonvertibilität über Kredite und Stützungsaktionen ist die zentrale und
illusionäre Aufgabe der IWF, wofür ein System der festen Wechselkurse definiert wird. Der
ursprüngliche Zweck, nicht nur einen freien, sondern dank dem Abbau der Zollschranken, der
Stabilisierung der Rohstoffpreise und dem Transfer von Wissen und Technologie in die Dritte Welt
auch einen fairen Handel zu ermöglichen, wird bald verdrängt.
Mit seinen harten Kreditbedingungen (Abbau der Sozialleistungen, Steuererhöhungen, Einführung
von Verbrauchssteuern, Reallohnsenkungen durch Lohnfixierung, Kürzungen oder Streichungen der
Subventionen, die zur Verschärfung der sozialen Differenzen führen) werden die Entwicklungsländer
ausgebeutet und in Abhängigkeit gehalten. Da sich die Privatbanken bei ihrer Kreditvergabe von den
Entscheidungen des IWF lenken lassen, haben die Entwicklungsländer keine anderen Finanzquellen.
Die USA nutzen diese Möglichkeit, um ihre politischen Interessen durchzusetzen. Mit der endgültigen
Verdrängung des Pfund Sterlings durch den Dollar als internationales Zahlungsmittel und
Reservewährung, wozu die USA seit 1934 einen Goldstandard von $35 pro Unze Feingold
garantieren, setzen sich die USA an den Geldhahn. Die USA kaufen von 1934 bis 1945 im Wert von
$16 Mia. systematisch Gold auf, davon für $753 Mio. aus Deutschland, Italien und Japan. Nach der
Besetzung von Frankreich, Belgien und Holland versuchten die Briten vergeblich, die Amerikaner von
Goldkauf aus Deutschland abzuhalten. Auch nach dem Einmarsch bemächtigen sich die USA des
Raubgoldes, beispielsweise das Gold in der Merkers-Salzmine im Wert von RM 400 Mio. In
Deutschland ziehen die USA $343 Mia. an Geld, Gold und Wertpapieren ein.
Der Ökonom John Maynard Keynes schlägt vor, eine internationale Währung namens Bancor
einzuführen, um ein stabiles Wechselwährungssystem zu garantieren. Verständlicherweise haben die
USA daran kein Interesse, sondern wollen den Welthandel mit dem Dollar kontrollieren. Die USA
können damit als einziges Land der kapitalistischen Welt ihre internationalen
Zahlungsverpflichtungen selbst produzieren. Bedingt durch das Fehlen internationaler
Kontrollinstanzen können die USA so viele Dollars drucken, wie sie brauchen. Die skrupellose
Ausnützung dieses Privilegs, vor allem zur Finanzierung des Vietnamkriegs, führt dazu, dass das
Vertrauen in den Dollar nach zwei Jahrzehnten abnimmt und die Goldreserven der USA von $24,4
Mia. auf $11,1 Mia. 1970 schrumpfen.
Quellen: Kolloch: 32-60, 111-124, 146-149, Schweitzer: 6f.
2.13. 1945 Saudisches Öl, UNO und Truma
Schon vor Jalta vereinbaren Churchill und Stalin, dass Rumänien nach dem Krieg den Russen und
Griechenland den Briten zufallen wird. Mehr kann Churchill nicht durchsetzen, denn Roosevelt will
von Stalin die Unterstützung im Pazifikkrieg, weshalb dieser seine Bedingungen in Europa diktieren
kann. So werden 12-14 Mio. ‚Volksdeutsche' aus dem Osten und Südosten Europas vertrieben und
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müssen unter Mitwirkung der Alliierten ins besetzte Deutschland umziehen. Nach dem Krieg sind die
Briten bei den USA hoch verschuldet und verlieren ihre Rolle als führendende westliche Macht an
diese.
Franklin D. Roosevelt trifft sich zwei Monate vor seinem Tod mit dem arabischen König Abdel-Aziz
Ibn Saud an Bord der USS Murphy und sichert mittels Darlehen die amerikanische Vorherrschaft über
das arabische Öl. Der Krieg zehrte in bedrohlichem Ausmass an den amerikanischen Ölvorräten,
weshalb Washington 1943 Geologen auf die arabische Halbinsel entsandte, um nach Öl zu suchen.
Was sie entdeckten, stellte alles in den Schatten, was man bisher kannte. Die grossen Ölfelder im Irak
und Iran hatten sich Grossbritannien und Frankreich bereits im Abkommen von San Remo 1920 unter
den Nagel gerissen. 1928 mussten die Briten und Franzosen bereits US-Firmen in die Iraq Petroleum
aufnehmen, ohne die Kontrolle zu verlieren, aber 1948 können sich die Amerikaner durchsetzen und
mit König Saud und dem Schah von Persien exklusive Schürfrechte vereinbaren.
Die arabischen Reserven werden 1945 auf 100 Mia. Barrel geschätzt (heute auf 262 Mia., was einem
Viertel aller Vorkommen entspricht). Seit diesem Fund ist die Sicherung der Ölressourcen eines der
wichtigsten Ziele der US-Aussenpolitik, das mit geheimen Umsturzkomplotten, wirtschaftlichem,
diplomatischem und finanziellem Druck und blutigen Kriegen durchgesetzt wird.
In der Oper von San Francisco beschliessen Vertreter von 51 Ländern im April 1945 die Gründung der
UNO nach den Prinzipien der Gleichheit der Nationen, damit diese in Frieden und guter
Nachbarschaft zusammenleben. Wichtige Initiativen zur Gründung von UNO, UNESCO, FAO, UNRRA
und Weltbank stammen aus dem Rockefeller-Netz rund um den Spelman Fund. Charles E. Merriam,
Professor an der Universität Chicago und Stadtmanager Louis Brownlow entwickelten
Organisationstechniken, die eine Professionalisierung der Bürokratie erlauben sollen. Bis 1938 wird
daraus das 1313 Netzwerk, dem 1963 22 Non-Profit-Organisationen wie American Public Works
Association, American Public Welfare Association, Council of State Government, American Society of
Planning Officials, American Society of Public Administration, National Legislative Conference, Public
Administration service, National Association of State Budget Officers oder die National Association of
Attorneys General angehören.
Roosevelt hatte darauf insistiert, dass die Konferenz in den USA stattfindet, um die Delegierten
besser ausspionieren zu können. Sämtliche Telegramme zu den jeweiligen Regierungen werden von
den amerikanischen Firmen an den Geheimdienst weitergereicht und dekodiert. Damit beginnt ein
neues Zeitalter der internationalen Spionage. Damit gelingt es den USA, die neuen Institutionen nach
ihren Vorstellungen zu gestalten. Mit dem Ziel der weiteren Spionage drängen die US-Diplomaten
darauf, dass die UN-Zentrale in den USA angesiedelt wird. Die Überwachung erlaubt den USA
beispielsweise, die Teilung Palästinas 1948 durchzusetzen, indem Liberia, Haïti und die Philippinen
am Vorabend des Entscheids gezwungen werden, die Position zu wechseln. 800'000 Palästinenser
werden vertrieben. Die Spezialisten der diplomatischen Überwachung werden schon bald in der
National Security Agency (NSA) organisiert.
Harry S. Truman wird am 14.4.45 Nachfolger Roosevelts. Der Protégé von Tom Pendergast, der ihn
1934 in den Senat schickte, wird von der Mafia finanziert. Pendergast hatte seine Herrschaft in
Kansas City mit der Kooperation mit der lokalen Mafia zementiert, und Roosevelt und Truman
wurden auch von der Mafia Chicagos unterstützt. Auch Howard Hughes begab sich 1944 persönlich
ins Biltmore Hotel in Los Angeles, um Truman einen Umschlag mit Geld zu überreichen. Roosevelt
bezog seinen Vizepräsidenten in keiner Weise in die Politik mit ein, nicht einmal nach Jalta suchte er
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das Gespräch. Mit Truman und seinem neuen Aussenminister James F. Byrnes beginnt der Kalte
Krieg.
Die Amerikaner brauchen die Russen nach dem Zusammenbruch des Krieges in Europa nicht mehr als
Verbündete gegen Deutschland. Truman erklärte im Juli 1941:"Wenn wir sehen, dass Deutschland
den Krieg gewinnt, sollten wir Russland helfen, und wenn Russland gewinnt, sollten wir Deutschland
helfen und die Deutschen auf diese Weise so viele wie möglich umbringen lassen..."
Ende März 1945 wird in Bern ein Separatfrieden zwischen den in Italien operierenden Heeresgruppe
der Wehrmacht und den Westalliierten vereinbart, womit die Amerikaner die den Vorrang der
Antihitlerkoalition bis zur deutschen Gesamtkapitulation aufgeben und die gemeinsame Strategie mit
der Sowjetunion aufgeben. Waren die USA zu Beginn der Kriegs auf die UdSSR angewiesen,
brauchten sie diese nun nicht mehr zur Durchsetzung ihrer Ziele. Im Januar 1945 ist dem Generalstab
klar, dass sich die Sowjetunion aufgrund der Verluste nach dem Krieg auf den wirtschaftlichen
Wiederaufbau konzentrieren und internationale Konflikte vermeiden wird. Zudem hält Stalin die
eingegangenen Verpflichtungen peinlich genau ein, was den USA freie Hand für ihre
Dominanzansprüche gibt.
Quellen: Horowitz: 52ff, Giancana: 253f, Summers (2000): 151, Schulz: 55, 70, Best: 26, Pilger: 46ff, Schweitzer: 6f, Bradley,
Ascherson 1, Chotjewitz: 15-20:19, Karel (1), von Dohnanyi (2001d), Pons (2001), Hager, Johnson, Portenier/ McNaught,
Gehrig, Brändle, Roth (1986), Tarpley (2008), Douglas (2012), Hager (2015).
2.14. 1945 Kapitulation Japan
Die USA setzten erstmals das 1942 an der Harvard erfundene Napalm (33% Benzin, 21% Benzol und
46% Polystyren) als Brandbomben gegen japanische Städte ein. Um der Sowjetunion auf dem
japanischen Kriegsschauplatz zuvorzukommen, setzen Truman und Byrnes die Atombombe ein, die
ihnen das strategische Monopol verschafft. Die Atombomben in Hiroshima und Nagasaki sind mehr
als nur "ein Experiment mit überragendem Erfolg", wie Truman am 7.8.45 nach der ersten Bombe
mit 80-100'000 Toten frohlockt. 1944 wiesen Spezialagenten mit der Operation ALSOS zweifelsfrei
nach, dass Deutschland keine Atomwaffen baute, obwohl Hahn 1938 die Spaltung von Uran gelang
und Heisenberg an der Weiterentwicklung arbeitete.
Nach der Niederlage Belgiens gegenüber Deutschland Ende Mai 1940 war die Kolonie Kongo vom
Mutterland abgeschnitten, worauf sich der Generalgouverneur Pierre Ryckmans den Alliierten
anschloss. In einem Geheimabkommen wurde festgelegt, dass der Kongo den USA mehr als 30'000
Tonnen Uran für den Bau der Atombombe liefert. Dank üppigen Zahlungen an die
Fördergesellschaften erhalten die Amerikaner sogar das Monopol auf das Uranerz. Im Frühling 1945
transportierte die deutsche U-234 neben dem ersten, zerlegten Düsenjäger rund 65 Kg Uranoxid
nach Japan. Das U-Boot ergab sich dann aber bei Kriegsende mit Deutschland den Amerikanern. Das
deutsche Uran wurde ironischerweise ebenfalls für die amerikanische Bombe verwendet.
Japan hatte bereits mehrfach seine Kapitulation angeboten, als die Atombomben eingesetzt werden,
denn der amerikanische U-Boot-Krieg droht Japan auszuhungern, und die Luftangriffe mit den B-29
Bombern legen die Städte in Schutt und Asche. Aber es geht nicht nur darum, die beiden
Bombentypen Uran 235 in Hiroshima und die doppelt so starke Plutonium 239 in Nagasaki
(vorgesehen war Kokura (Kitakyushu), das aber unter einer dicken Wolkendecke lag) in einem
Realexperiment zu testen. Beide Städte waren zuvor nicht bombardiert worden und daher ohne
strategische Bedeutung. Da die Bombe am 9. August aufgrund des Nebels nicht über dem Zentrum
Nagasakis abgeworfen wurde, starben ‚nur' 36'000 Menschen sofort. Die Ärzte in Japan müssen
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machtlos zuschauen, wie die Opfer wegsterben. Die amerikanische Ärzte kommen nicht um zu
helfen, sondern um die Wirkungen zu analysieren, für künftige Kriege.
General Douglas MacArthur erklärt den Südwesten Japans zum Sperrgebiet und lässt alle Berichte
(etwa von George Weller, dem ersten Journalisten vor Ort) über die verheerende Wirkung der
Atombomben zensieren.
Die Atombomben, deren Entwicklung $2 Mia. kostete, sichern den Vorsprung über die durch den
Krieg völlig zerstörte Sowjetunion. Zudem halten die USA nun mit Deutschland die stärkste
europäische Macht und mit Japan das stärkste Land in Asien besetzt.
1947 gründen die amerikanischen Besatzer die Atomic Bomb Casualty Commission, die die
Auswirkungen der Strahlung auf die 290'000 Überlebenden in Hiroshima untersucht, von denen die
meisten an Leukämie, Krebs, Blutkrankheiten und Immunschwächen leiden und früh sterben. Die
Resultate werden manipuliert, v.a. auch in Bezug auf die zweite Generation, um die Entschädigung
für die Bombenopfer klein zu halten. Den 300'000-500'000 Kindern der Überlebenden werden nicht
einmal die Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung bezahlt. Erleichtert wird die Verheimlichung der
massiven Spätfolgen durch die Schamhaftigkeit der Japaner. 1975 wird die ABCC in Radiation Effects
Research Foundation umbenannt, aber bis heute kommen die Gelder vom Wohlfahrtsministerium in
Tokyo und vom Energieministerium in Washington, das für die amerikanische Nuklearindustrie
verantwortlich ist.
Auch in Japan benutzen Armee und Geheimdienst das Organisierte Verbrechen, um die Linke zu
bekämpfen. Major-General Charles Willoughby engagiert die drogenhandelnden Yakuza-Gangs, um
Streiks zu brechen und Demonstrationen zu verhindern. Willoughby wurde als Adolph Charles
Weidenbach in Heidelberg geboren, diente als Militärattaché in Ecuador, bekam von Mussolini den
Saints Maurizio und Lazzaro-Orden, unterstützte Generalissimo Franco, wurde Generalsekretär der
Falange und MacArthurs Geheimdienstchef im Pazifik.
Douglas MacArthur, der die protestierenden Veteranen des 1. Weltkriegs vor dem Kapitol
erschiessen liess, hatte sein Quartier vor dem Krieg auf den Philippinen, wo die Spanier noch immer
die Wirtschaft dominieren. Einer seiner Offiziere im Krieg war der Faschist Andres Soriano, ein
Fluglinien-, Minen- und Brauereibesitzer, der zu den Hauptsponsoren Francos zählte. 1952 lobbyiert
Willoughby beim Kongress für eine Finanzhilfe über $100 Mio. für Francisco Franco. Der spanische
General gewann 1939 dank der militärischen Unterstützung Nazi-Deutschlands und des
faschistischen Italiens den dreijährigen ‚Bürgerkrieg' und liess danach mindestens 150'000
Anarchisten, Kommunisten und Republikaner hinrichten (insgesamt kamen im Spanischen
Bürgerkrieg 600'000 Menschen um).
Willoughby übt harte Zensur in Japan und diffamiert kritische Korrespondenten als Kommunisten,
eine Taktik, die McCarthy übernimmt. Nachdem die Sozialisten 1947 die Wahlen gewinnen, wird eine
Propagandawelle gegen die Kommunisten gestartet und die Gewerkschaften und Streiks verboten.
Die Kader aus der Kriegszeit werden zurückgeholt. Einer der bekanntesten Rückkehrer ist Nobuseke
Kishi, den die Amerikaner zuerst als Kriegsverbrecher gefangen halten. Kishi wird 1957
Premierminister und drückt 1960 den Vertrag durch, der Japan den Amerikanern ausliefert. Gegen
die Demonstranten werden Schläger der Yakuza eingesetzt. Trotzdem muss Eisenhower seinen
Staatsbesuch in Japan wegen Attentatsgefahr absagen.
Willoughby schützt japanische Kriegsverbrecher und gewährt den Forschern, die bei
Menschenversuchen mit biologischen Waffen 3000 Kriegsgefangene umbrachten, Immunität gegen
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die Herausgabe der Materialien und Berichte. Zwischen 1936 und 1945 experimentierte die Einheit
731 der japanischen Armee unter General Shiro Ishii mit bakteriologischen Kampfstoffen und
Vivisektionen in der Mandschurei. Auf dem Höhepunkt arbeiten 10'000 Japaner an der Entwicklung
biologischer Waffen. Da Erreger wie Pest, Cholera und Anthrax von Flugzeugen aus mit Hilfe von
verseuchten Fliegen (etwa 1942 in Yunnan) freigesetzt werden, kommen insgesamt zwischen
400'000 und 580'000 Chinesen ums Leben (in Yunnan sterben offenbar 400'000 Menschen wegen
Cholera-verseuchten Fliegen). Opfer werden bei lebendigem Leib seziert, damit die Ergebnisse nicht
verfälscht werden. In der Region von Nankin wurden zu Versuchszwecken mit Brunnenvergiftungen
Epidemien ausgelöst. Nankin erlebte bereits bei der Eroberung 1937 ein unglaubliches Massaker, bei
dem zwischen 150'000 und 300'000 Zivilisten abgeschlachtet wurden und die Stadt abbrannte. Die
Japaner schleppten 200'000 Frauen, vor allem aus Korea, in die Bordelle der japanischen Militärs.
US-Geheimdienste erfahren von Plänen, Biowaffen gegen russische und amerikanische Stützpunkte
und gegen San Diego einzusetzen. Aufgrund der Drohung, dass die USA die Standorte der
japanischen Giftlabors kennen und bombardieren würden, geben die Japaner diese Pläne auf. Kurz
vor dem Kriegsende werden alle Gefangenen für die Humanexperimente auf Befehl von Ishii durch
Giftgas und Erschiessen ermordet. Die US-Geheimdienste sind begeistert von den Dokumenten, die
besonders wertvoll seien, weil die Erkenntnisse nicht aus Tier-, sondern Menschenexperimente
stammten. Shiro Ishii wird in die USA gebracht, wo er für die Amerikaner an Biowaffen weiter
arbeitet. Da diese die Untersuchungen übernehmen und weiterführen, werden die japanischen
Kriegsverbrechen tabuisiert, während die gleichen Delikte gleichzeitig am Nürnberger Ärzteprozess
mit lebenslangen Zuchthaus- und Todesstrafen (teilweise) geahndet werden. Ishii wird nach
Südkorea verlegt, und seine Biowaffen (infiszierte Insekten) setzen die USA im Krieg gegen
Nordkorea ein.
Zwischen 1946 und 1948 experimentiert John Cutler, ein Mitarbeiter des United States Public Health
Service, an rund 1500 Gefangenen, Soldaten und psychiatrischen Patienten in Guatemala mit Syphilis
und Tripper, um die Wirksamkeit von Penicillin zu testen. Zuerst versucht er, die Ansteckung von
Männern über den Kontakt mit bereits infizierten Prostituierten zu erreichen. Als sich nur wenige auf
diesem Weg anstecken, versucht Cutler fast 700 mittels Impfungen in Harnröhre, durch Injektionen
in die Haut oder den Kontakt der Vorhaut mit infektiösem Material zu infizieren. 83 der menschlichen
Versuchskaninchen sterben bei den Experimenten. Cutler ist auch an der Syphilis-Studie von
Tuskegee in Alabama beteiligt, wo schwarze Patienten nicht behandelt werden, damit man den
Krankheitsverlauf studieren kann. Erst als sich 1972 ein Beteiligter an die Öffentlichkeit wendet, wird
die Studie gestoppt.
Nachdem Truman im Juli 1945 noch erklärte, die USA verzichteten auf Gebietsannektierungen, beugt
er sich kurz darauf den Protesten der Heeres- und Marineführungen, die die eroberten strategischen
Stützpunkte als ihr ausschliessliches Eigentum betrachten. Bis 1949 erheben die USA Anspruch auf
über 400 Flotten- und Luftstützpunkte in der ganzen Welt, 91 davon in Japan. John Foster Dulles gibt
den Demokratisierungsplan auf und zwingt 1949 den Japanern den Friedensvertrag auf, der die
Zahlung von 9% des japanischen Budgets an die "Schutzmacht" beinhaltet, was im Jahre 2000 einer
Summe von $500 Mia. entspricht. Dafür erhält Japan zusammen mit Südkorea einen erleichterten
Zugang zur US-Wirtschaft, was eine beispielslose Hochkonjunktur ermöglicht. Die Macht wird für
über 60 Jahre in der Liberalen Demokratischen Partei konzentriert und von den USA geschützt.
Die USA schliessen einen Deal mit Ryoichi Sasakawa und seinem Angestellten Yoshioi Kodama, die
beide im Auftrag der japanischen Armee in Shanghai Lagerstätten für geraubtes Gold, andere
Edelmetalle und Diamanten anlegten und nach bis zum Kriegsende nach Japan schafften. Nachdem
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Mao an die Macht kommt, ist definitiv klar, dass China die geraubten Schätze nicht mehr erhalten
wird, sondern Sasakawa und Kodama, die beide zur Yakuza-Mafia gehören, finanzieren damit im
wesentlichen antikommunistische Gruppen, die etwa den Führer der Sozialisten umbringen.
Sasakawa erhält als einzige Privatperson eine Lizenz für Rennschiffwetten, womit er zu einem der
reichsten Japaner wird. Aber nicht die ganze japanischen Raubbeute fliesst den faschistischen
Gruppen oder den schwarzen Kassen der CIA zu, denn auch der philippinische Diktator Marcos lässt
Bestände davon umschmelzen, und John Singlaub sucht in den 80er Jahren auf den Philippinen nach
japanischem Raubgold, um damit die Contras in Nicaragua zu finanzieren.
Quellen: von Dohnanyi (2001d), Pons (2001), Hager, Johnson, Portenier/ McNaught, Gehrig, Brändle, Horowitz: 52ff, Simpson,
Pilger: 46ff, Schweitzer: 6f, Bradley, Ascherson 1, Chotjewitz:15-20, Karel, Bork, Weller, Koch (2008), Pohlmann.
2.15. 1946 John F. Kennedys Einstieg in die Politik
Joe Kennedy hatte nach dem Tod seines ältesten Sohn lange Zeit sehr gelitten, und John F. Kennedy
fühlt sich verpflichtet, die Enttäuschung seines Vaters wettzumachen, obwohl er nicht über die
Disposition und Kompetenzen seines Bruders verfügt und er eigentlich lieber Schriftsteller oder
Journalist werden würde. Aber JFK wird genau die Anweisungen seines Vaters befolgen, und auf ihm
lasten die ganzen Hoffnungen und Ambitionen auf das Präsidentenamt, das sein Vater nicht erreicht
hatte. JFK lernt, ein Doppelleben zu führen: nach aussen der charmante und sportliche Politiker
versteckt er perfekt seine gesundheitlichen Probleme und seine in der Öffentlichkeit nicht
akzeptierten Neigungen.
Da Joe Kennedy befürchtet, der Schnapshandel könne dem Image und damit der Karriere seiner
Söhne schaden, verkauft er Somerset Importers an Longy Zwillman und Joe Reinfeld und die 17%Beteiligung des Hialeah-Tracks für $8 Mio. und zieht sich aus dem öffentlichen Leben zurück.
Trotzdem bleibt er Stammgast in Costellos Colonial Inn in Miami Beach. 1945 hat Kennedy das
höchste Gebäude der Welt, das Merchandise Mart in Chicago, gekauft, an dessen Speakeasies er
während der Prohibition beteiligt war. Zudem unternimmt er einen Versuch, das Suffolk Downs Race
Track zu einem Bruchteil seines Wertes zu übernehmen, was ihm trotz Drohungen,
Schmierzahlungen und Justizkorruption nicht gelingt. In New York ist Joe Kennedy zusammen mit
John J. Reynolds in den Immobilienhandel eingestiegen, sein vierter Sektor nach den Spirituosen,
Filmen und Wertpapieren. An den Liegenschaften verdient Kennedy zwischen 1942 und 1960 weit
über $100 Mio, muss sich aber dafür vielen Klagen wegen Ausbeutung stellen.
Die Kennedys und die Fitzgeralds unterstützen die Wahl des ihnen verhassten James Michael Curley
zum Bürgermeister von Boston, weil damit dessen Sitz im Repräsentantenhaus für den 11.Bezirk frei
wird. Curley gewinnt, und JFK kandidiert für den Platz. Um sich die Wahl zu sichern, schmieren die
Kennedys den schärfsten Gegner, Joseph Russo, damit sein Name zweimal auf der Kandidatenliste
erscheint und somit seine Wähler irritiert werden. Dank der Unterstützung seines Verwandten
Joseph L. Kane (der seit 40 Jahren in den Hinterzimmern von Boston operiert und weiss, wem man
wie viel zahlen muss), des alten Fitzgerald (der JFK den Senioren näherbringt) und der Verteilung von
100'000 Kriegsheldenbroschüren wird JFK in den Kongress gewählt, obwohl seine sehr vagen
politischen Ansichten in der Presse scharf kritisiert werden. Erfolgreich waren auch die persönlichen
Einladungen von Wählerinnen zu einem Hotelempfang kurz vor der Wahl. Gutes Aussehen, eine
loyale, effiziente Organisation und harte Wahlkampagne und vor allem das Geld des Vaters bringen
JFK nach Washington.
Die Kongressarbeit überlässt JFK weitgehend seinem Assistenten Ted Reardon und profiliert sich,
wenn er nicht zu sehr an seinen Krankheiten leidet, als Playboy. JFK verheimlicht seine
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Gesundheitsprobleme aus Scham, weil sie für ihn Zeichen einer Verweiblichung und Verweichlichung
darstellen, für die er sich ablehnt. Die Eroberung von Frauen erlaubt ihm, seine körperliche
Insuffizienz zu ertragen. Bereits als 17jähriger zog er sich einen chronischen Dickdarmkatarrh zu,
möglicherweise als Folge von Stress im Elternhaus. Die schmerzhaften Behandlungen schlagen alle
fehl. Aufgrund eines verkürzten Beins und verschiedener Sportunfälle im College hat JFK immer
wieder akute Rückenschmerzen, die durch seinen Militäreinsatz noch verschärft wurden. Zwei
Operationen 1944 und 1954 bleiben erfolglos. JFK leidet zudem an einer schweren Form der
Addison-Krankheit, die aber erst 1947 diagnostiziert wird. Nach der Entdeckung des Cortisons 1937
verbesserte sich sein Zustand, aber da er, unfreiwillig als Versuchskaninchen dienend, zu viel Cortison
bekommt, schwächt dies seinen Knochenbau. Viermal war er dem Tode so nahe, dass ihm die letzte
Ölung verabreicht wurde.
Die Erfahrung der Todesnähe lässt ihn hedonistisch werden: "Lebe jeden Tag so, als ob es dein letzter
Tag auf Erden wäre!" Das bedeutet, möglichst viel zu erleben, vor allem mit Frauen. Schon sein Vater
hatte das Ziel, "möglichst viele Frauen flachzulegen". Jacks promiskuitives Sexualverhalten basiert
auch auf seiner Angst vor Homosexualität, die sich in der zwanghaften Eroberung eines blossen
Sexualobjekts negieren lässt. "Mit einer Frau bin ich erst dann fertig, wenn ich sie auf drei Arten
gehabt habe", meint er als Präsident. JFK leidet während über 20 Jahren, da er sich trotz starker
Antibiotika immer wieder neu infiziert, an der erst Ende der 60er Jahre formell diagnostizierten
Geschlechtskrankheit Gonorrhoe. Die chronischen Harnweg- und Prostata-Entzündungen führen zu
einer gravierenden Nebennierenerkrankung, was sich in Fieberschüben, Abszessen, Durchfall,
Schlaflosigkeit und Angstzuständen äussert.
JFK heiratet Anfang 1947 Durie Malcolm bei einem Friedensrichter, weil sie sonst nicht mit ihm
schläft. Malcolms zweite Scheidung wurde im Januar 1947 vollzogen. Als Joe von der Heirat erfährt,
verbietet er seinem Sohn diese Beziehung und ordnet an, die Heirat rückgängig zu machen. Sein
Freund Charles Spalding entfernt im Gerichtsgebäude von Palm Beach mithilfe eines befreundeten
Anwalts alle Heiratsdokumente. Geschieden wird die Ehe nie. Am 11.7.47 heiratet Durie Malcolm
Thomas Shevlin.
Quellen: Hersh: 2, 5, 13ff, 41ff, 326-340, Posener: 56f, 69-74, Summers (1993): 292, Best: 19, Collier/ Horowitz: 167-214,
Niederberger (2002e).
2.16. 1946 Reorganisation der Mafia
Lucky Luciano wurde, nachdem der Staatsanwalt Thomas Dewey $90'000 erhielt, mit über 100
anderen Mafiosi wegen nationaler Verdienste aus der Haft entlassen und am 9.2.46 als italienischer
Staatsbürger in seinen Geburtsort nach Sizilien deportiert. Danach nimmt Luciano die
unterbrochenen Kontakte wieder auf und organisiert den Heroin-Schmuggel von neuem: Im Libanon
lässt Sami El Khoury türkisches und persisches Opium aufkaufen und in einem Vorort von Beirut zu
Morphin verarbeiten. Dieses wird in Palermo, wo im Winter 1946/47 drei Labors in die Luft fliegen,
und im Pharmakonzern Schiaparelli in Mailand raffiniert. Über Kanada oder Kuba kommt der Stoff in
die USA, wobei die Verteilnetze an der von Luciano im Oktober 1946 einberufenen Mafiakonferenz
festgelegt werden. Diskussionsthemen sind neben der Organisation des Drogenhandels die
Aufteilung der Territorien und der Spielcasinos auf Kuba, Anastasias Geldgier und der Fall Bugsy
Siegel.
Anwesend im Hotel Nacional in Havanna sind über 1000 Personen: die Bosse und Unterbosse von 16
Mafia-Familien, darunter Vito Genovese, Joe Adonis, Albert Anastasia, Frank Costello, Tommy
Lucchese, Joe Bonanno, Willie Moretti, Joe Profaci, Tony Accardo, Sam Giancana und Santos
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Trafficante. Zudem werden 18 Gewerkschaftsbosse und über 100 Anwälte vom FBN registriert.
Meyer Lansky ist als nichtstimmberechtigter Verbündeter ebenfalls anwesend.
Rocco Fischetti, einer der Neffen Al Capones, reist mit Frank Sinatra an und überbringt Luciano $2
Mio. in bar aus dessen Geschäftsbeteiligungen. Sinatra, der auch geschäftliche Beziehungen mit den
Fischettis unterhält, behauptet später, er hätte nie etwas mit der Mafia zu tun gehabt, obschon die
italienische Polizei bei Luciano ein goldenes Zigarettenetui mit der Aufschrift findet: "Für meinen
Kollegen Lucky, von seinem Freund Frank Sinatra." Als Lucianos Präsenz auf Kuba in den US-Medien
publiziert wird, erreichen das Federal Bureau of Narcotics und das State Departement, dass Lucianos
Dauervisum gestrichen wird. Obwohl Batista 1944 offiziell zurücktreten musste, ist er immer noch
der faktische Machthaber der Insel und wird auch in seinem Exil in Miami geschmiert.
Zusammen mit Luciano wurde auch Francesco Paolo Coppola aus Detroit nach Italien ausgeschafft.
Dreifinger-Franco hatte sich bei einem Banküberfall zwei im Tresor eingeklemmte Finger
abgeschnitten, um der Polizei zu entgehen. Coppola und Nicola Gentile, der FBN und FBI-Informant
war, beliefern die US-Army in Sizilien mit Drogen, die als "Medikamente" deklariert werden. Von
1946 an verschifft Coppola Heroin nach Detroit, von wo es mithilfe der Teamsters (Local 985 unter
John Priziola und Raffaele Quasarano) auch nach New York transportiert wird. Am Handel beteiligt ist
der Mafiaboss Luciano Liggio, dem Coppola später zur Flucht verhilft, und Lucky Luciano. Coppola
steht hinter dem Massaker vom 1. Mai 1947 in Sizilien, bei dem 8 Personen getötet und 33
verwundet werden. 1948 werden auf der Insel 498 Personen, fast alles Linke, ermordet.
Im April 1947 reist Lucky Luciano nach Palermo, wo angeblich kurz darauf 47 Leute ermordet
werden, da er sich Reklamationen wegen schlechten und ungenügenden Lieferungen aus Sizilien
habe anhören müssen. Der zuständige CIA-Agent für Luciano in Italien ist Mario Brod, der 1960-61 an
den gemeinsamen Castro-Mordprojekten von CIA und Mafia beteiligt ist.
Luciano beteiligt sich, wie Genovese, am Schwarzmarkt in Neapel. Luciano und Vito Genovese stellen
1947 Anträge zur Aufnahme in die Christdemokratische Partei Italiens. Aber nur Genovese wird
Mitglied der Partei, dank den geschickten Verhandlungen des CIA-Agenten Henry Tasca. Seit den mit
$50 bis 60 Mio. geschmierten Wahlen von 1946 verfügt die DC unter Alcide De Gasperi über die
absolute Mehrheit.
Als Luciano in Sizilien grosse Zuhälterringe wie in den USA aufbauen will, sind die lokalen Mafiosi
entsetzt, denken sie doch vor allem an ihre unberührten und für die Ehe bestimmten Töchter.
Luciano muss Don Calogero Vizzini versprechen, dass die Prostituierten ohne Ausnahme
Ausländerinnen sein werden.
Bugsy Siegel übernimmt die Trans-American, ein konkurrierendes Kabelnetz, das gegründet wurde,
um Ragen unter Druck zu setzen. Siegels Weigerung, die beiden Netze zusammenzulegen und seine
Hinterziehungen beim Flamingo führen zu seiner Ermordung am 20.6.47. Siegel hatte mit dem Bau
des Flamingo in Las Vegas einen Boom ausgelöst. Nevada, besonders hart von der Depression
getroffen, beschloss 1931, das Glücksspiel zu legalisieren, weshalb es bereits Luxushotels und einige
Spielkasinos, vor allem in Reno, gab, die ordentlichen Umsatz machten. Doch Siegels Flamingo in Las
Vegas soll alles übertreffen. Anfangs mit Baukosten von $1,5 Mio. veranschlagt, fand Meyer Lansky
Gefallen und steuerte Geld bei. Der Bau begann im Dezember 1945, verteuerte sich aber auf $6,5
Mio, worauf ihm Lansky den Geldhahn zudrehte. Um zu Geld zu kommen, verschuldet Siegel sich
überall. Am 26.12.46 fällt die Eröffnung des Flamingos ins Wasser, da die Flugzeuge wegen dem
starken Regen nicht fliegen können. Bugsy möbelt das Casino noch weiter auf und öffnet es im März
1947 erneut, wobei die Spieler Gewinne und das Flamingo Verluste einfahren. Erst im Mai wendet
Seite [67]
sich das Blatt: Siegel macht $300'000 Reingewinn, und die anderen Gangster schmieden ebenfalls
Baupläne.
Dann kommt heraus, dass Siegels Geliebte Virginia Hill dank ihrer Bankvollmacht $2 Mio. aus dem
Flamingo-Baufond abzweigte und auf einem Schweizer Nummernkonto deponierte. Virginia begann
ihre Karriere mit einem Buchmacher der Capone Gang und hatte Beziehungen mit den Fischetti
Brüdern, Anthony Accardo, Frank Nitti, Carlos Marcello und Joe Adonis, bevor Bugsy sie heimlich
heiratete. Als das Gerücht kursiert, Siegel wolle sich wegen seinen Schulden mit seiner Geliebten und
einer halben Million nach Europa absetzen, ordnet Luciano seine Ermordung an. Nur 20 Minuten
nach dem Mord übernehmen die drei Juden Moïse "Little Moey" Sedway, Morris Rosen und Gustav
"Gus" Greenbaum, letzterer ein Veteran Capones, das einträgliche Flamingo. Meyer Lansky wird von
1960-67 allein aus dem Flamingo $36 Mio. abziehen.
Las Vegas wird wie Miami als freie Zone definiert. Obwohl Meyer Lanksy eine Schlüsselrolle in der
Etablierung von Las Vegas spielt, ist er von den Italienern abhängig, wie auch Doc Stacher oder Moe
Dalitz, der von Cleveland nach Las Vegas zieht, 1950 das Desert Inn, das Sands und das Fremont baut
und neben Johnny Roselli eine der Hauptrollen dort spielt. Siegels Ermordung führt zu einem kurzen
Krieg zwischen Siegels Leutnant Mickey Cohen und John Roselli, wobei der neugewählte Polizeichef
William Parker Roselli hilft, Cohen gefügig zu machen. 1948 baut Lansky das Thunderbird. 1952
entsteht eine Reihe von italienischen Casinos wie das Sahara (Mafia von Oregon), das Dunes
(Raymond Patriarca von Rhode Island, der mit Carlos Marcello zusammenarbeitet) oder das
Tropicana (Lansky, Costello und Kastel). Die Mafia von Chicago ist beteiligt am Riviera, dem Stardust,
dem Landmark, dem Four Queens, dem Aladdin, dem Circus Circus und dem Caesar's Palace. Die von
der Mafia kontrollierte Lastwagengewerkschaft Teamster hat Geld im Dunes investiert und leiht Hank
Greenspun, dem Herausgeber der Las Vegas Sun, $250'000 für den Bau eines Golfplatzes. Nevada ist
der einzige Staat bis 1976, als New Jersey (Atlantic City) dazukommt, in dem Geldspiele und
Prostitution legal sind. In den 60er Jahre wird Howard Hughes ein Casino nach dem anderen in Las
Vegas aufkaufen.
Die Mafia von Chicago weitet das Spielgeschäft auf Iowa, Kansas, Indiana, Michigan und Dallas aus.
Um in Dallas einzusteigen, schickt Boss Tony Accardo Pat Manno, Paul Jones und Jack Nappi zum
Sheriff von Dallas, Steve Guthrie. Sie offerieren ihm und Leutnant George Butler ein
Jahreseinkommen von $150'000 und versprechen, keine Drogen, sondern nur das Glücksspiel in die
Stadt zu bringen. Aber Guthrie nimmt die Gespräche auf Band auf, und die drei werden der
Korruption angeklagt.
Paul Roland Jones wurde 1940 von Gouverneur Ratner begnadigt, nachdem er 1931 wegen
Zeugenermordung zu lebenslänglich verurteilt wurde. Er startete 1942 Spielgeschäfte in Dallas im
Namen der Fischetti-Brüder, eröffnete ein Casino in Mexico City und organisierte politische
"Arrangements" mit mexikanischen Politikern. Vertreter des nach dem Krieg vermutlich
bedeutendsten Drogensyndikates in Mexico sind Harold "Happy" Meltzer und John Ormento. Der
Gründer des Dirección Federal de Seguridad, Captain Rafael Chavarri, arbeitet mit dem
Drogenhändler Jorge Moreno Chauvet zusammen, der Drogen von der Luciano-Organisation in
Europa bezieht.
Mit Jones sowie John und Maurice Melton steigt Jack Ruby in den Heroinhandel ein. Am 27.8.47 wird
einer von Jones Männern mit 24 Kilogramm Opium an der Grenze verhaftet, und Jones sitzt bis 1952
im Gefängnis. Im Gerichtsverfahren wegen Drogenhandels gegen Paul Roland Jones und Maurice
Seite [68]
Melton muss Ruby zwar aussagen, wird aber nicht angeklagt, weil er wahrscheinlich ein FBNInformant ist. Auch im Bestechungsprozess wird Ruby von George Butler geschützt.
Ruby wurde 1911 als Jacob Rubenstein in Chicago als Sohn polnischer Juden geboren, wo er schon als
11jähriger die Schule verliess und sich der Jugendgang von Dave "Yiddles" Miller anschloss. Wegen
seiner Aggressivität war er bald als "Sparky" bekannt, und 1926 begann er, Aufträge für Frank Nitti,
Jake Arvey und Al Capone zu erledigen. Seit Mitte der 20er Jahre akzeptierte das Syndikat Juden in
seinen Reihen, beeinflusst von der Zusammenarbeit von Luciano mit Lansky. 1934 zog Rubenstein
mit seiner Schwester Eva nach San Francisco, um für Frankie Goldstein, Eugene Shriber und "Bones"
Remer in Spielhöllen und auf dem Pferderenntrack von Santa Anita, welches der Gouverneur über
Artie Samish dank den Zuwendungen Rosellis legalisierte, zu arbeiten.
John Roselli war Annenbergs Vertreter in Los Angeles, wo er mit Jack Dragna die Macht in der
Unterwelt übernahm. Chicago stieg durch Jake Guzik und Paul Roland Jones in den
Sportinformationsdienst ein. Moe Annenberg hatte die Continental Press in den 20er Jahren mit
seinem Leutnant Jim Ragen aufgebaut und bis 1940, als er wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis
muss, geleitet. Parallel zu den Informationen über Pferderennen liefen über sein Nationwide News
Service, bekannt als "the Trust", Resultate für die illegalen Wetten. Drei von vier gewetteten Dollars
wurden über die 15'000 illegalen "Bookies" in 223 Städten in 39 Staaten abgewickelt, die die
Resultate unmittelbar nach den Rennen per Telefon und Telegraph zugestellt bekamen. Annenberg
besass faktisch das Monopol und verdiente bis $6 Mio. pro Jahr, von denen er eine Schutz-Provision
an Frank Nitti ablieferte.
Da Jim Ragen auf Rat des Journalisten Drew Pearson das FBI einschaltet, um sich gegen die
Übernahme des Sportdienstes durch die Mafia von Chicago zu wehren, eliminieren Dave Yaras, Lenny
Patrick und Willie Block mithilfe von Gussie Alex und Strongy Ferraro den uneinsichtigen Nachfolger.
Die bisherigen konkurrierenden Bosse der Spielgeschäfte, Herbert Noble und Benny "Cowboy"
Binion, werden durch Chicago-Mobster abgelöst: Noble fliegt mit einer Bombe in die Luft, worauf
Binion es vorzieht, sich ins ruhigere Las Vegas abzusetzen. Als neuer Chef des FBN von Chicago
kümmert sich George White um die ‚Aufklärung' von Ragens Ermordung, wobei er sich mit dem FBNInformanten Rubenstein trifft. Der übernommene Pferderenn-Nachrichtendienst spielt eine
Schlüsselrolle für den Aufbau eines kriminellen Netzes in der Region. Der junge Kongressabgeordnete
Richard Nixon schützt Rubenstein vor den 1947 einsetzenden Hearings, indem er behauptet, dass
Rubenstein für das House of Un-American Activities Committee arbeite. Rubenstein kürzt danach
seinen Namen und zieht nach Dallas, wo sei Freund Yaras Spielautomaten stehen hat.
1939 kam Jack Ruby nach Chicago zurück, und Paul Dorfman organisierte Ruby einen Job als
Finanzsekretär in der Chicago Waste Handler's Union. Am 8.12.39 erschoss der Gewerkschaftler John
Martin in Rubys Präsenz den Anwalt Leon Cooke, da dieser sich gegen den Einfluss der Mafia wehrte.
John Martin behauptete, er habe aus Notwehr gehandelt. Es ist gut möglich, dass Ruby den
widerspenstigen Cooke ermordete. Jedenfalls übernahm Paul Dorfman die Gewerkschaftsleitung und
arbeitet mit Anthony Accardo und ab 1949 mit Jimmy Hoffa zusammen. Dorfmans Sohn Allen wird
zusammen mit Robert "Barney" Baker Hoffas engster Mitarbeiter. Mehrere Jahre später untersucht
der Privatdetektiv Bob Mullenix die Gewerkschaftsübernahme und die Finanztransaktionen von
Dorfman und Ruby. Er kommt 1962 bei einem Autounfall ums Leben.
Eva Rubenstein ist während Rubys Militärdienst 1943-46 bei der Air Force nach Dallas gezogen und
hat sich dort mit Paul Roland Jones angefreundet. Nach der Verurteilung von Jones, Manno und
Nappi ist Jack Ruby, der den Nachtklub Silver Spur eröffnet, Verbindungsmann Chicagos in Dallas.
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Schon früh steht Ruby auf gutem Fuss mit Richtern und Politikern in Dallas, die er schmiert. Da es
Chicago nicht gelingt, die Kontrolle der Stadt zu erlangen, fühlt sich Ruby exiliert und im Stich
gelassen. Bis 1952 verschafft sich Carlos Marcello die Kontrolle der Unterwelt von Dallas, und Ruby
arbeitet mit den Leuten aus New Orleans zusammen: Russell Douglas Matthews, Ralph Paul, Joe und
Sam Campisi, Joe Civello, Jack Todd und Lewis McWillis, den Ruby bewundert.
An der Mafia-Konferenz vom 5.5.1947 im "Black Diamond" in New Orleans macht sich Carlos
Marcello zum Nachfolger des ausgewiesenen Sam "Silver Dollar" Carolla. An der Sitzung dabei sind
Frank Todaro, Joseph Capro, Tom Rizzuto, Frank Lambardino, Nick Grifazzi, Anthony Carolla, Joseph
Poretto, Nofio Pecora und alle 7 Marcellos, die sich mit Drohungen gegen die Ansprüche von
Anthony Carolla als Nachfolger seines Vaters durchsetzen. Der neue Boss von Louisiana macht
"Willswood Tavern" auf seinem Landbesitz, in dessen Sumpf zahlreiche Leichen verschwinden, zum
Hauptquartier.
Marcello, der kaum lesen und schreiben kann, verdankt seinen Aufstieg Frank Costello und seinen
Fähigkeiten beim Schmieren und Geldeintreiben. Seit der Eröffnung des Spielkasino "Beverly Country
Club" in New Orleans am 4.12.45, das Frank Costello, Meyer Lansky, Phil Kastel, A.G."Freddie"
Rickerfor und Carlos Marcello gehört, ist Marcello Teil des inneren Zirkels der Mafia. Nach der
Deportation Frank Coppolas wurde Marcello Manager des Kasinos. Mit dem Bau einer Villa
demonstriert der 38jährige, dass er es geschafft hat. Er kontrolliert die Vollstreckungsbehörde und
die politische Maschinerie des Kreises Jefferson und wird trotz einiger grausamer Mordfälle nie
angeklagt. Marcello kümmert sich ebenfalls um den Aufbau eines Pferderenninformationsdienstes in
Louisiana nach dem Muster Annenbergs. 1948 gewinnt Marcello mit Joseph Poretto die Kontrolle
über den Southern News and Publishing Co, den grössten Rennsport-Informationsdienst.
Quellen: Davis (1994): 71, 118-121, Groden/ Livingstone: 129f, 295, 413, Behr: 171-175, Scott (1993): 142, 151-161, 169, 175,
326, 353, Chotjewitz: 15-20, Gregory/ Speriglio: 210, Best: 6, 22, 41, Raith: 123, Marrs: 269, Weberman (27): 1-13, Fox: 102,
Griffith (1996): 6, Knorr (1992a): 45, Pease (1995), Anson: 230-238, Sylwester: 1-3, Davis (1988): 47-58, 527f.
2.17. 1947 Kalter Krieg
Nach dem Krieg sind Frankreich und Italien unbedeutend, Grossbritannien zweitrangig, Deutschland
und Italien besetzt, und Russland weitgehend zerstört. Die USA konnten dagegen ihr
Bruttosozialprodukt von $88,6 Mia. (1939) auf $135 Mia. (1945) steigern und produzieren über die
Hälfte der Industriegüter auf der Welt. Sie besitzen zwei Drittel der ingesamt $30 Mia. Goldreserven
und können den Dollar zur Leitwährung machen, was ihre Exportdominanz sichert. Abgesehen von
den Territorien der Sowjetunion und Chinas werden sie sich militärisch und ökonomisch fest- und
durchsetzen.
Noch ehe der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, wurde durch den Einsatz britischer Truppen die soziale
Revolution in Griechenland verhindert. Winston Churchill ging im August 1944 den einzigen englischdeutschen Deal im Krieg ein, der den Deutschen den freien Abzug erlaubte, um seinen Freund König
George II. wieder an die Macht zu bringen. Mit Stalin ging Churchill dafür den Deal Rumänien gegen
ein monarchistisches Griechenland ein. Nach der Ausrufung des Generalstreiks metzeln die
Engländer die ehemaligen Verbündeten nieder. Auch die USA unterstützen die Bekämpfung der
Widerstandsorganisationen E.A.M, EDES und EKKA mit dem Ziel, die Monarchie wiedereinzuführen.
Nach dem erzwungenen Waffenstillstand werden 100'000 Partisanen umgebracht und König Georg II
kehrt zurück, worauf der Bürgerkrieg erneut ausbricht.
Stalin reagiert nicht auf die Intervention der Amerikaner in Griechenland und den Einsatz der
Atombomben in Japan, sondern verhält sich bis 1948 defensiv. Trotzdem begann im Herbst 1945 die
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Mobilmachung gegen den "sowjetischen Block". Einerseits hatten die amerikanischen Strategen
Angst vor den innenpolitischen Folgen einer Demilitarisierung, weil das Ende der Kriegsprosperität
Arbeitslosigkeit und Massenstreiks bedeuten könnte. Andererseits drängen die Hochfinanz und
Industrie auf die ökonomisch-militärische Expansion. Im September und Oktober 1945 werden in den
Direktiven JCS 1496/2, 1518 und 1545 des Vereinigten Generalstabs die permanente
Rüstungsüberlegenheit gegenüber der Sowjetunion, die Erstschlags- und Präventivkriegsstrategie
festgeschrieben. Die Strategen gehen davon aus, dass die Sowjetunion während der nächsten fünf
Jahre so verwundbar ist, dass ein Präventivkrieg mit 20-30 Atombomben erfolgreich sein würde.
Deshalb könnte die UdSSR erpresst werden, die amerikanische Expansion zu akzeptieren. Das
revidierte Strategiepapier JIC 329/1 kombiniert den Atombombeneinsatz mit den Instrumenten der
konventionellen Kriegsführung, was 1947/48 in die offizielle Atomkriegsstrategie des National
Security Councils einfliesst, obwohl klar wird, dass die Atombomben die Rote Armee nicht
entscheidend schwächen könnten und dass USA noch zu wenig ‚Zweitschlagpotenzial' besitzt, um
einen möglichen weltweiten Widerstand gegen den Atomkrieg in Russland zu brechen. Also
beschliessen die USA, ihre Interessen gegenüber der Sowjetunion lokal durchzusetzen und diese an
vielen Fronten zu schwächen.
Bald darauf folgen geheime militärische Aktionen gegen die Sowjetunion. Die Partisanenbewegungen
in den baltischen Ländern und der Ukraine werden vom Oberkommando der US-Streitkräfte mit
Geld, Waffen und Ausrüstung unterstützt. Partisanen werden in den Westen geschleust, für Funk und
Sabotage ausgebildet und zurückgeschickt. Obwohl immer wieder Kuriere, Saboteure und Leiter der
Organisation der ukrainischen Nationalisten verhaftet werden, gelingt es dem KGB erst Mitte der
60er Jahre, die Bewegung zu zerschlagen.
In Ungarn beispielsweise wird die antikommunistische Partei der kleinen Landwirte, die zunächst
noch Regierungspartei und stärkste Kraft im Land ist, unterstützt.
In Polen werden antirussische Partisanen unterstützt, die jüdische Überlebende der NaziVernichtungslager ermorden. Die "Bewegung für Freiheit und Unabhängigkeit" (WIN) gilt bald einmal
als die einzige noch funktionierende Widerstandsgruppe, und die CIA schickt Waffen, Gold in
Millionenhöhe, Ausrüstung und Agenten. Erst als die Polen 1952 die Aktion abbrechen, merkt die
CIA, dass der polnische Geheimdienst die WIN seit 1947 kontrolliert und die CIA an der Nase
herumgeführt hat.
Im Iran kommt die Aggressivität der USA zum ersten Mal offen zum Ausdruck. Die drei Grossmächte
besetzten den Iran, dessen Regierung mit den Nazis kokettierte, um die kriegswichtigen
Öllieferungen nach Russland sicherzustellen. Nach dem Krieg sollten alle Mächte gleichzeitig
abziehen, aber Russland schürte im Norden einen Konflikt gegen die Zentralregierung, setzte dann
eine eigene "autonome" Regierung ein und liess sich die Ölverwertungsrechte übertragen. Damit
konnte Russland die beschädigten Ölfelder im Kaukasus kompensieren. Unter dem Druck des
Sicherheitsrates muss sich die Sowjetunion allerdings dann aus dem Iran zurückziehen, und die
Amerikaner ziehen ein, mit Dollars, Zivil-und Militärberatern, um den Status Quo aufrechtzuerhalten.
FBI-Chef J. Edgar Hoover spielt das "rote Problem" hoch, was den Republikanern, die mit der Losung
"Schlagt die Kommunisten" antreten, im November 1946 das erste Mal seit 28 Jahren die Mehrheit
im Kongress verschafft. Der demokratische Präsident Harry Truman versucht deshalb, die
Republikaner rechts zu überholen und forciert innen- wie aussenpolitisch den Kampf gegen den
internationalen Kommunismus.
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Als die Briten den USA am 24.2.47 mitteilten, dass sie ihr Kolonialimperium nicht mehr halten
können, den Bürgerkrieg gegen die Kommunisten in Griechenland und die Hilfslieferungen an die
Türkei nicht mehr finanzieren können, springt Truman in die Bresche und verkündet am 12.3.47 seine
Doktrin, die eine Politik der Unnachgiebigkeit gegenüber der UdSSR einleitet. Aber der Kongress zeigt
sich bei $400 Mio.-Finanzhilfe für Griechenland und die Türkei sperrig, weshalb zuerst die
Bevölkerung mobilisiert werden muss. Mithilfe einer grossangelegten Verschwörungs- und
Verleumdungskampagne beweisen Hoover, John Cronin von der National Catholic Welfare
Conference und Generalstaatsanwalt Tom Clark der bestürzten Öffentlichkeit, dass die USA die
kommunistische Weltverschwörung bereits im eigenen Land haben.
Am 22.3.47 verabschiedet Truman die Executive Order 9835, um die "Infiltration der Regierung mit
illoyalen Personen" aufzudecken. Innenpolitisch bedeutet die folgende McCarthy-Phobie die
Loyalitätsüberprüfung von 2,5 Mio. Regierungsbeamten, 3 Mio. Angehörigen der Streitkräfte und 3
Mio. Beschäftigten in der Rüstungsindustrie, die im Schatten der Akten des FBI leben. 500 Menschen
verlieren ihre Jobs wegen "zweifelhafter Loyalität."
Aussenpolitisch besteht die einzige Möglichkeit, diese Gefahr des sowjetischen Kommunismus zu
bannen, in der Unterstützung Europas. Im Sommer 1947 geben die USA ihre Politik der kollektiven
Bestrafung gegenüber den Deutschen auf, die zu Hunger und Verelendung führte. Die Deutschen
begannen sich aus Verzweiflung gegen die Besatzungsmächte aufzulehnen, was sie anfällig für den
Kommunismus macht. In Hessen stimmen 80% für die Sozialisierung der Schlüsselindustrie, und in
Frankreich und Italien mobilisieren die Kommunisten zu Massendemonstrationen. Das Programm
heisst Marshall-Plan, kostet $15 Mia. und sichert die Vorherrschaft der USA. Für die Verteilung der
Gelder verantwortlich ist "Europa-Botschafter" Averell Harriman, der bei allen strategischen
Entscheidungen der anglo-amerikanischen Allianz mitredet. Die Entnazifizierung, welche die
führenden Köpfe sowieso kaum zur Rechenschaft zog, wird damit aufgegeben.
In Griechenland siedeln amerikanische Soldaten 1 Mio. Menschen um (ein Siebtel der Bevölkerung),
um die Aufständischen zu isolieren und den Widerstand gegen Monarchie und Kapitalismus in einem
zweijährigen Krieg zu brechen.
Verteidigungsminister James Forrestal widersetzt sich der eingeschlagenen Politik, wird am 28.3.49 in
einem Militärflugzeug nach Jupiter Island in Florida gebracht, wo Bush, Payson, Dillon und Carpenter
ihre Wohnsitze haben. Forrestal wird von Robert Lovett und einem Militärpsychiater in die Mangel
genommen. Im Walter Reed Army Hospital in Washington erhält er eine Insulin-Schocktherapie und
wird am 22.5. in der Klinik tot aufgefunden, was noch vor der dann geheimgehaltenen Untersuchung
als Suizid interpretiert wird.
Natürlich hat der Marshall-Plan auch wirtschaftliche Motive: Die Produktion ist nach dem Kriegsende
um 30% gesunken, und es gibt bereits 8 Millionen arbeitslose Amerikaner. Um den Export
anzukurbeln, schlug Unterstaatssekretär Clayton vor, Europa mit Krediten und Wirtschaftshilfe zu
öffnen. Zuerst erhalten England $3,75 Mia. und Frankreich $650 Mio. Kredite, und bereits im
Frühjahr 1946 steigen die US-Exporte von $4 Mia. auf $15 Mia. Allerdings müssen die Europäer für
die Lieferung von amerikanischen Gütern "Gegenwertfonds" bilden, die aus Steuergeldern finanziert
werden. Diese Fonds benützt die CIA für die politische Propaganda in Europa.
Durch die Subventionen und Kredite des Marshall-Planes werden die Wirtschaftsadern eines grossen
Teils der Welt an die USA angeschlossen und geöffnet. 75% des globalen Anlagekapitals und 66% der
Industriekapazität konzentrieren sich in den USA, der Rest verteilt sich auf die anderen 95% der
bewohnten Erdoberfläche.
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Damit ergibt sich eine nicht zu unterschätzende politische Macht, da durch das Abdrehen des Geldoder Güterstroms jederzeit ein Land destabilisiert werden kann. Deutschland, Italien und Japan
werden ‚redemokratisiert', im Gegensatz zur 3. Welt, wo sich die USA fast ausnahmslos hinter die
ärgsten Diktatoren stellen.
Die Containment-Strategie verspricht doppelt vorteilhaft zu sein, indem sie den Westen stärkt und
die kriegszerstörte Sowjetunion zu Gegenmassnahmen zwingt und weiter schwächt. Stalin hatte mit
seiner Deklaration des "Sozialismus in einem Land" in den 20er Jahren die marxistisch-leninistische
These der Weltrevolution aufgegeben. In der Zwischenkriegszeit wies er die Kommunistischen
Parteien immer wieder an, sich an konservative und monarchistische Gruppierungen zu halten und
verurteilte sogar revolutionäre Tendenzen. Er nahm auch nach dem Krieg an, die Ostblockländer
würden kapitalistisch bleiben und hatte keine Absicht, ihnen kommunistische Regierungen
aufzuzwingen. Die besetzten Gebiete wollte Stalin auspressen: Ungarn, Bulgarien, Rumänien,
Finnland und Ostdeutschland müssen hohe Reparationen zahlen. Stalin war sogar mit der
Wiederführung der Monarchie in Jugoslawien einverstanden, wie in Griechenland, und bekämpft die
revolutionäre Politik Josip Titos.
Erst die Truman-Doktrin und die wirtschaftspolitische Offensive durch den Marshall-Plan lässt Stalin
aufschrecken und handeln: Zwischen dem 10. Juli und 26. August 1947 schliesst die Sowjetunion
Handelsverträge mit Bulgarien, der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Polen und Rumänien,
unterstützt die Revolution in der Tschechoslowakei im Februar 1948, der im Westen als Staatsstreich
dargestellt wird. Stalin säubert die Regierungen in Osteuropa von nationalistischen Politikern,
diszipliniert sein neues Herrschaftsgebiet mittels Terror und Schauprozessen Die angeschuldigten
Genossen werden mit Drogen und Gehirnwäsche zu Geständnissen gezwungen. Im Labor K12
erfindet und probt der KGB die Drogen und Gifte für Ermordungen. Daneben entwickelt sich der
tschechoslowakische Geheimdienst STB zum Spezialisten für Drogeneinsätze, wobei er etwa mit LSD
bei den Verhören experimentiert. Schon vor den Nazis experimentierten die Tschechen etwa mit
Meskalin. Für die Russen testeten die Tschechoslowaken die Drogen an amerikanischen
Kriegsgefangenen aus Korea und Vietnam.
Stalin bricht im Juni 1948 mit dem einzigen unabhängigen Regierungschef Tito. Um sich die dringend
benötigte amerikanische Hilfe zu sichern, zog Josip Tito die Unterstützung griechischer Rebellen
zurück und verweigerte den Griechen die Benutzung der jugoslawischen Hoheitsgebiete, womit er
deren Aufstand wirksam beendet. Die USA finanzieren die Entwicklung und Unabhängigkeit
Jugoslawiens mit einem Kredit von mehr als $1 Mia, obwohl Tito seine kommunistischen Ideen und
Praktiken nie aufgegeben hat. Die CIA unterstützt die antikommunistischen Kräfte im griechischen
Bürgerkrieg, die Widerstandsbewegung in der Ukraine von 1949-53, den Sturzversuch von Enver
Hoxha 1950 in Albanien und die polnische Freiheits- und Unabhängigkeitsbewegung 1950-52. Die
Blockade Berlins vom Juni 1948 bis im Mai 1949 liefert dem Westen die Bestätigung der angeblich
inhärenten Aggressivität der Sowjetunion.
Die Massnahmen zur wirtschaftlichen und politischen Integration der osteuropäischen Länder laufen
parallel mit militärischen Massnahmen: Die Russen stellen ein Blitzprogramm zum Bau von
Atombomben, Abfangjägern und der Reorganisation der Armee auf die Beine. Der Mathematiker
Klaus Fuchs lieferte den Russen schon während dem Krieg über Ruth Werner die Angaben und die
Pläne für die Atombombe. Die nun einsetzende Wiederaufrüstung lähmt den wirtschaftlichen Aufbau
und führt zu den Revolten von 1956. Dank der enormen Überproduktion der USA und dem MarshallPlan entgeht Westeuropa weitgehend den Entbehrungen der Remilitarisierung. Trotzdem zahlt auch
die westliche Welt einen hohen Preis für den Kalten Krieg.
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Griechenland erhält von 1946-58 $1,59 Mia. Wirtschaftshilfe und $1,24 Mia. Militärhilfe, wovon
weitgehend die privilegierten Klassen profitieren. Die Türkei erhält $1,16 Mia. Wirtschaftshilfe und
$2 Mia. Militärhilfe, womit sie ein Heer von 500'000 Mann aufrechterhalten, aber die dringend
benötigten Strassen-, Schul- und Bewässerungsprojekte nicht bauen. Griechenland, die Türkei,
Südvietnam, Südkorea (ohne die Kriegskosten) und Taiwan erhalten Waffenlieferungen im Wert von
$7.9 Mia, womit fast 2 Mio. Soldaten kampfbereit gemacht werden. Die Amerikaner haben seit dem
2. Weltkrieg Truppen in Vietnam, die 1953 verstärkt und als ‚Berater' bezeichnet werden. Tschang
Kai-scheks Armee von 600'000 Mann ist bei einer Bevölkerung von 10 Mio. ebenfalls eine Art
Besatzungsarmee im eigenen Land.
Quellen: Horowitz: 7-84, 179-182, Chotjewitz: 15-20, Matthias, Theoharis/ Cox: 277ff, Epstein: 14-19, Schulz: 165, 173, CIA-Info:
13, Summers (1993): 158-169, Best: 28, Brussell (1983): 6, Manthoulis, Ascherson 1, 2, Avineri: 66, Frölich, Afterbach 5,
Tarpley/ Chaitkin: 54, Roth 1986, Kennedy 1987).
2.18. 1947 Gründung der CIA
FBI-Chef J. Edgar Hoover versuchte am Ende des Krieges, das OSS in das FBI zu integrieren, um auch
den Auslandgeheimdienst unter sich zu haben. Er organisierte eine Pressekampagne gegen die noch
geheimen Pläne Donovans, eine Central Intelligence Authority zu gründen, allerdings ohne Erfolg.
Hoovers SIS-Abteilung wie auch das OSS wurden im September 1945 durch Präsident Truman
aufgelöst. Ein Teil der Agenten wechselte in die Strategic Services Unit des Kriegsdepartements,
einige Analysten wechselten ins Aussenministerium, und die Wissenschaftler wollten wieder lehren
und forschen.
Insgesamt arbeiteten während des Zweiten Weltkriegs 75'000-100'000 Agenten in den USGeheimdiensten. Das OSS beschäftigte bei Kriegsende 13'000 Mann, 16'000 waren bei der
Funkabhör-Abteilung und 14'500 bei der Briefkontrolle. Dazu kamen die Dienste der Truppen, der
Kommandos und der Spionageabwehr. Meist drängten Angehörige der Oberschicht in den
ungefährlichen und vornehmen "Oh So Social"-Dienst, wobei aber nur etwa die Hälfte der Agenten
als qualifiziert galten und Korruption weit verbreitet war.
Am 22.1.46 unterzeichnet Truman eine Direktive zur Gründung eines neuen Geheimdienstes, der
National Intelligence Authority, dessen operativer Arm die Central Intelligence Group sein soll. Die
Veteranen des OSS arbeiten daraufhin im Office of Special Operations innerhalb der CIG weiter.
Auf der Grundlage des National Security Act wird im September 1947 das Pentagon geschaffen, das
Armee, Flugwaffe und Marine vereint. Während dem Kalten Krieg wächst das Pentagon zu einem
Koloss, der 3 Millionen Angestellte und 2 Millionen Berufssoldaten umfasst und ein Budget in der
Höhe des französischen Staatshaushalts erhält. Vier Millionen Amerikaner arbeiten in der
Rüstungsindustrie, die weitere 10'000 Zulieferfirmen beschäftigt.
Zudem wird das National Security Council gegründet, und aus OSO und CIG wird die Central
Intelligence Agency aus der Taufe gehoben. Die CIA soll keine Feldoperationen durchführen, sondern
sich, unabhängig von den militärischen Geheimdiensten und des FBI, auf Nachrichtenauswertung
konzentrieren. Aber bereits im Gründungsjahr werden die Mittel für die CIA von $47 auf $70 Mio.
erhöht und im Juni 1948 autorisiert Präsident Truman "Propaganda, wirtschaftliche Kriegsführung,
vorbeugende direkte Aktionen einschliesslich Sabotage, Zerstörung und Massnahmen der
Evakuierung; Subversion gegen feindliche Staaten einschliesslich der Unterstützung von Partisanen
und Flüchtlingsgruppen für die Befreiung sowie Unterstützung einheimischer antikommunistischer
Kräfte der freien Welt." Kontrolliert wird die CIA durch das National Security Council und untersteht
somit direkt dem Präsidenten.
Seite [74]
Hoover verweigert die Zusammenarbeit mit der CIA. Der Chef der CIA-Gegenspionage James Jesus
Angleton ist wie Meyer Lansky im Besitz von kompromittierenden Fotos Hoovers, die ihn bei
homosexuellen Aktivitäten zeigen. Offenbar bekam er sie von der Naval Intelligence, die mit der
Mafia beim Hafenschutz, bei Einbrüchen und Drogenexperimenten zusammenarbeitet.
Hoovers Kampf mit Vertretern der CIA ist mehr als nur ein persönliches Machtspiel: Es geht um
verschiedene Visionen, wie die USA expandieren soll. Die globalistische Fraktion, zu der die Ölmultis
und die CIA gehören, steht gegen die von Hoover unterstützte nationalistische Gruppe, die sich auf
die Kontrolle des Hinterhofs beschränken will. Hoover führt die "unlabeled blind memos" ein, wenn
er dem Weissen Haus Geheiminformationen zukommen lässt, damit die Quelle nicht festgestellt
werden kann.
Obwohl die Kommunistische Partei der USA nur 80'000 Mitglieder hat (0,053% der Bevölkerung), von
denen etwa 25'000 Industriearbeiter sind, schürt Hoover die Kommunistenangst und erreicht, dass
alle neuen Staatsangestellten auf ihre Loyalität überprüft werden. Hinter dem Angriff des "House of
Un-American Activities Committee" auf Hollywood steht ebenfalls Hoover, dessen Agenten im
Untersuchungsteam unter der Leitung von Ex-FBI-Agent Allen Smith dabei sind. Die Angriffe des
HUAC auf die Filmindustrie wegen kommunistischer Unterwanderung bricht die Macht der jüdischen
Filmmogule endgültig. Die Mitarbeiter der Filmindustrie und andere Künstler und Schriftsteller
werden in den nächsten sieben Jahren am Telefon abgehört, ihre Post wird geöffnet und man klagt
sie oft wegen lächerlichen Vergehen an. FBI-Spitzel Ronald Reagan profiliert sich als Denunziant für
das HUAC in Hollywood besonders. Der Präsident der Screen Actors Guild schliesst 1952 ein
Spezialabkommen mit der Music Corporation of America MCA, die das Monopol über die Buchungen
der Künstler und damit über die Unterhaltungsindustrie besitzt. Die 1924 von Jules Stein gegründete
Music Corporation of America ist heute ein $2 Mia.-Imperium und besitzt die Universal Pictures und
Universal Television, Buch- und Musikverlage, Plattenfirmen, Transportfirmen, Videoverleihs, eine
Sparkasse, Grundbesitz, Kabelnetzfirmen und mehr.
Im Komitee hat Hoover andere Verbündete gefunden: die Repräsentanten Karl Mundt und Richard
Nixon, der sich 1937 als junger Jurist beim FBI als Agent beworben hatte, aber wegen seinem
Einbruch in das Dekanat der Jura-Fakultät abgelehnt wurde. Hoover spannt Nixon ein und schiebt
ihm über Priester John Cronin und die FBI-Mitarbeiter Ed Hummer, Louis Nichols und Lou Russell
Dokumente und Informationen zu. Nixon besuchte bereits 1936 die Anwaltsfirmen von William
Donovan und von John Foster Dulles und kann während dem Krieg Nazidokumente von Allen Dulles
prüfen. Die Dulles-Brüder, die während dem ganzen Krieg Beziehungen mit einflussreichen Nazis
unterhielten, sind mit den Republikanern eng vernetzt. Allen Dulles arbeitete vor seinem Einstieg in
den Geheimdienst für Prescott Bush, dank dem Nixon 1941 in Kalifornien für den Kongress
kandidieren kann. Die Dulles unterstützten Nixons Wahlkampf und lassen ihm über Thomas Dewey
Geheimdienstmaterial über den angeblichen Kommunisten Alger Hiss zukommen. Mit dem Fall Hiss
versuchen die Republikaner, den Demokraten Truman wegen Nachlässigkeit gegenüber dem
Kommunismus zu diffamieren. Das 1938 einberufene HUAC unter J. Parnell Thomas, der wegen
Steuerhinterziehung verurteilt wird, beginnt 1947 mit der Kommunistenjagd, die unter Joseph
McCarthy Tausende von Amerikanern ihre Stelle kostet.
Quellen: Horowitz: 269f, Schulz: 57, 69-71, 201-204, CIA-Info: 13, Summers (1993): 245ff, (2000): 62-66, Theoharis/ Cox: 273314, Frölich, Moldea: 2-7, Uesseler/ Saupe: 30-37, Laurent: 22.
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2.19. 1947 Die CIA und die Kriegsverbrecher
Angesichts des sich abzeichnenden Konflikts mit der UdSSR rekrutieren die Geheimdienste
OSS/CIG/CIA und das Pentagon ehemalige Nazis und Nazikollaborateure. Von 1945-55 stellt das
Pentagon 765 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker Nazideutschlands ein, von denen die
Mehrzahl der NSDAP oder der SS angehörten wie General Walter Dornberger, Arthur Rudolph,
Wernher von Braun, Emil Augsburg oder Herbert Axster. Von den 150'000 Kriegsverbrechern werden
lediglich 50'000 verurteilt, und vermutlich sind fast 10'000 Kriegsverbrecher vom Geheimdienst
angestellt und meist in die USA gebracht worden, um sie aufgrund ihres Antikommunismus und ihrer
Kenntnisse gegen die Sowjetunion einzusetzen.
Der erste CIA-Chef Allen Dulles verhinderte bereits 1945 mit der Operation SUNRISE, dass führende
Nazis den Russen in die Hände fielen. SS-General Karl Wolff, Dulles, Donovan und Pater Felix Morlion
organisieren die Flucht der Nazis mithilfe der Katholischen Kirche. Felix Morlion baute den
vatikanischen Geheimdienst Pro Deo in Lissabon auf. Mit dem Kriegseintritt kam Morlion mit der
Unterstützung von OSS-Chef William Donovan in die USA und gründete das "American Council for
International Promotion of Democracy Under God" in New York. Im selben Gebäude an der 60th
Street befindet sich das Büro von William Taub, der als Mittelsmann von Richard Nixon, Howard
Hughes, Aristoteles Onassis und Jimmy Hoffa fungiert und dessen Name bei der Watergate-Affäre
auftaucht. Taub ist ein Vertrauter von Kardinal Alfredo Ottaviania, der die Gabe Mussolinis von $89
Mio. an den Vatikan arrangierte, um die "Neutralität" der Kirche zu garantieren. Die Spende ging auf
ein Spezialkonto der Vatikan-Bank, für das Michele Sindona nach dem Krieg verantwortlich ist. Nach
der Befreiung Italiens 1944 zog Morlion und das Pro Deo nach Rom. Papst Pius XII. zeichnete
Donovan mit dem Grossen Kreuz des St. Sylvester-Ordens, Reinhard Gehlen und James Jesus
Angleton mit dem Malta-Orden aus.
Die Katholische Kirche arbeitete schon lange mit den Faschisten zusammen und half Mussolini und
Hitler, ihre Macht zu etablieren. Seit Papst Pius IX. mithilfe der Franzosen den Kirchenstaat 1850
zurückeroberte, war die Kirche wieder autokratisch und strikt antisemitisch. Obwohl die meisten
Staaten Europas die Judenemanzipation durchgesetzt hatten, liess der im Jahr 2000 von Johannes
Paul II. seliggesprochene Pius IX. die Mauern des Judenghettos wieder hochziehen, hielt die Juden
mit Steuerauflagen in Armut und setzte den Talmud auf den Index der verbotenen Bücher. Pius liess
sich als "Vice-Gott der Menschheit", "lebendiges Ebenbild Gottes" oder "König der Könige" verehren.
Durch Zwang und Manipulation führte das Erste Vatikanische Konzil 1870 das Doppeldogma vom
Universalprimat und der Unfehlbarkeit des Papstes ein, womit der Papst alle Entscheidungen allein
fällen kann.
In Italien schlossen der Advokat Francesco Pacelli und der Kardinal Eugenio Pacelli, (der spätere Papst
Pius XII.) mit Benito Mussolini am 11.2.29 die Lateranverträge ab, welche der Kirche die staatlichen
Hoheitsrechte, Territorien, Reichtümer und die Erziehungshoheit zurückgeben. Diese Verträge und
das Konkordat mit Hitler von 1933, das unter anderen die Kirchensteuer brachte, bilden die
Grundlage des katholischen Finanzimperiums des 20. Jahrhunderts. Die Verträge werden nach dem
Krieg in die italienische Verfassung und ins Bonner Grundgesetz übernommen. 1958 wird der
Gesamtbesitz des Vatikans an Kapitalbeteiligungen auf DM 50 Mia. geschätzt.
Karl Wolff, der die Idee zur Diaspora seiner Kollegen mithilfe des Vatikans hatte, ist verantwortlich
für die Ermordung von 300'000 Juden in Treblinka. 1983 ist er mit alten SS-Kumpanen wie Gert
Heidemann auf einem Törn mit der Yacht von Hermann Görings Witwe. Melvin Belli ist nicht nur der
Anwalt von Emmy Göring, sondern auch von Jack Ruby und Schauspieler Errol Flynn, der mit
Gestapo-Agent Hermann Friedrick Erban kollaborierte und ein Freund von Ronald Reagan ist.
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Tausende von Nazis können dank der Operation INTERMARIUM des Vatikans, abgesegnet von Papst
Pius XII. und gemanagt von Giovanni Montini, dem späteren Paul VI, und der Operation RATLINES des
britischen Geheimdienstes nach Nord- oder Südamerika entkommen. Dazu gehören Adolf Eichmann,
der Organisator der Judentransporte in die Vernichtungslager, Franz Stangl, der Kommandant von
Treblinka, SS-General Walter Rauff, der Erfinder der mobilen Gaskammern, Josef Mengele, als
Auschwitz-Arzt an Menschenexperimenten und am Tod von 400'000 Menschen beteiligt, oder die
Ustaschaführer Ante Pavelic und Andrija Artukovic, die zusammen die Ermordung von 400'000750'000 Serben und Juden organisiert hatten. Artukovic ist gleichzeitig britischer Agent, und
entkommt im November 1946 in die Schweiz, von wo er über Irland nach Los Angeles flieht. Pavelic
organisierte bereits vor dem Krieg Bombenattentate und die Ermordung des jugoslawischen Königs
Alexander vom 9.10.34 in Marseille, wonach er bei Mussolini Unterschlupf fand. Nach der Eroberung
Jugoslawiens durch Hitler übernahm Pavelic die Macht, errichtete Konzentrationslager, in denen
unter der Leitung von Vjekoslav Luburic 350'000 Menschen ermordet wurden. Pavelic säuberte
Kroatien von 80% der jugoslawischen Juden und bekehrte die orthodoxen Serben zwangsweise zum
Katholizismus. 299 serbisch-orthodoxe Kirchen wurden ausgeraubt und geschleift. Erzbischof Alois
Stepinac arbeitet in allen Bereichen mit den Schlächtern zusammen, und der Papst gewährt Pavelic
zwei Privataudienzen. Pavelic und seine Getreuen fliehen nach dem Zusammenbruch ins britische
Österreich, wo der britische Geheimdienst ihn beschützt. Im April 1946 flieht er als katholischer
Priester verkleidet nach Italien, wo er sich dank Priester Krunoslav Draganovic im Vatikan versteckt.
Die CIG/CIA arbeitet mit Draganovic zusammen, der selbst als Kriegsverbrecher gesucht wird.
Draganovic ist der Vertreter des Roten Kreuzes und kann für die Ustascha-Mitglieder Pässe ausstellen
lassen, womit Pavelic als ungarischer Flüchtling Pablo Aranjas im Herbst dank Prater Petranivoc von
Genua nach Buenos Aires ausreisen kann. Der argentinische Präsident Juan Peron, der 35'000 Visas
für Ustaschas ausstellen liess, die ihm gegen die Kommunisten helfen sollen, beruft Pavelic zu seinem
Sicherheitsberater.
Den Russen gelingt mit der Anheuerung von Kim Philby die Penetration in die Operation RATLINES.
Auch der zaristische Prinz Anton Turkul, mit dessen faschistischem Spionagenetz die CIA
zusammenarbeitet, ist ein Doppelagent. Dank dem Schutz der CIA, dem Pentagon und von George F.
Kennan vom State Departement entgehen Verbrecher wie Klaus Barbie, Otto von Bolschwing, Alois
Brunner, Gustav Hilger, Vilis Hazners, Heinrich Herwarth, Mykola Lebed, Franz Six, Pavlo Shandruk
oder Otto Skorzeny einer Verurteilung und bilden in den USA eine Art "Viertes Reich". Kennan
konsultiert regelmässig seinen Freund Gustav Hilger, bevor er Präsident Truman Vorschläge zur
West-Ost-Politik unterbreitet, eine Funktion, die Hilger bereits Ribbentrop und Hitler gegenüber
einnahm. "Es war unbedingt notwendig, dass wir jeden Schweinehund verwendeten, Hauptsache, er
war Antikommunist", meinte CIA-Geheimoperationsleiter Harry Rositzke. Kennan, einer der
einflussreichsten Diplomaten, schreibt in einen Memorandum 1948: "Wir besitzen etwa 50% des
Reichtums der Welt, aber nur 6,3% ihrer Bevölkerung [...] In einer solchen Situation müssen wir das
Ziel von Neid und Erbitterung sein. Unsere wahre Aufgabe für die nächsten Zeiten wird darin
bestehen, ein Netzwerk von Beziehungen zu entwerfen, die uns erlauben werden, die Position der
Ungleichheit aufrecht zu erhalten, ohne dass die nationale Sicherheit dabei Schaden nimmt. Um dies
erfolgreich zu tun, müssen wir uns von Sentimentalitäten uns Wunschträumen verabschieden [...]:
unrealistische Ziele wie Menschenrechte, die Verbesserung des Lebensstandards oder
Demokratisierung."
Der ehemalige SS-Major Otto Skorzeny arbeitet mit der CIA zusammen und erhält von Dr. Fritz
Thyssen und Dr. Gustav Krupp Geld, um Todesschwadronen aufzubauen: die "Todesengel" in
Bolivien, "die Antikommunistische Allianz" in Argentinien und, zusammen mit Stephano delle Chiaie,
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die "Guerilla von Christus dem König" in Spanien. Skorzeny wird 1947 von den Amerikanern
freigelassen und zieht nach Madrid, wo er die International Fascista gründet, bei der ehemalige SSAngehörige, französische OAS-Terroristen und Geheimpolizisten der portugiesischen PDID arbeiten.
Die Geheimpolizei in Los Angeles unterhält eine Abteilung mit demselben Kürzel: die Public Disorder
Intelligence Division sammelt mithilfe eines computerisierten Dossiersystems der Western Goals von
Larry McDonald Geheimdaten der Bürger. McDonald ist einer der Führer der John Birch Society, und
Western Goals Filialleiter in Deutschland Eugene Wigner versorgt Gehlens BND mit Geheimdaten. Zu
den Verwaltungsräten von Western Goals gehören die Kalten Krieger Edward Teller, der Vater der
Wasserstoffbombe, Admiral Thomas Moorer und der ehemalige Luftwaffenpilot Dr. Hans Senholt.
Skorzeny ist verantwortlich für die Paladin-Söldner, die unter dem Cover der M.C. Inc. arbeiten.
Geschäftsführer dieser Import-Exportfirma in Madrid ist Dr. Gerhard Hartmut von Schubert, der
zuvor im Propagandaministerium für Goebbels arbeitete.
Skorzenys Operationszentrum befindet sich im selben Gebäude in Albufera wie der spanische
Geheimdienst SCOE von Colonel Eduardo Blanco. Auch die CIA hat Büroräume in diesem Haus.
Skorzeny ist ein Freund des faschistischen Finanzmannes Prinz Justo Valerio Borghese, der von James
Jesus Angleton vor der Exekution durch die italienische Résistance gerettet wurde, und von José
Lopez Rega, der grauen Eminenz hinter Juan Peron. Die Freigabe der Konten von Hitler-Sekretär
Martin Bormann, der sich nach Paraguay absetzte, und der an Krebs gestorbenen Evita Peron, die
unter ihrem Namen auf 40 Schweizerkonten $100 Mio. in Geld und $40 Mio. in Diamanten angelegt
hatte, führt 1953 zu einem Kampf um die Gelder und zu den Ermordungen von Evitas Bruder Juan
Duarte, von Schacht-Assistent Heinrich Dorge und von Nazi-Banker Rudolf Feude. Hjalmar Schacht ist
Skorzenys Schwiegervater.
Der bekannteste der geretteten Nazis dürfte Generalleutnant Reinhard Gehlen sein. Seit 1920
Mitglied der Reichswehr, wurde er unter Hitler 1942 als Chef des Generalsstabs, Abteilung Fremde
Heere Ost, der höchste Geheimdienstoffizier an der Ostfront und damit mitverantwortlich für den
Tod Hunderttausender. Im März 1945 hatten er und seine Offiziere ihr umfangreiches
Spionagematerial über die Sowjetunion und die sowjetische Armee auf Mikrofilm aufgenommen und
diese auf einsamen Wiesen in den bayrischen und österreichischen Alpen vergraben. Im August wird
Gehlen in einer US-Uniform, während die Russen den Kriegsverbrecher suchen, in die USA geflogen
und von OSS-Chef William Donovan persönlich verhört. Gehlen verhandelt mit führenden
Geheimdienstlern wie Allen Dulles und J. Edgar Hoover und entgeht dank seinem Material einer
Verurteilung als Kriegsverbrecher. Die Akquisition durch die CIA erfolgt so geheim, dass der
militärische Geheimdienst Counter Intelligence Corps ihn offiziell bis 1949 sucht. "Er steht auf
unserer Seite", erklärt Dulles, "und nur darauf kommt es an".
Die USA bezahlen im ersten Jahrzehnt nach dem Krieg $200 Mio. für die Fortsetzung der Spionageund Subversionstätigkeit von Hitlers ehemaligen Geheimdienstchef, obwohl Hitler selbst das
Versagen des deutschen Geheimdienstes gegenüber der Sowjetunion eingestanden hatte. Gehlen
setzt meist ehemalige Geheimdienstexperten der SS, des SD und der Wehrmacht ein, um seine
Organisation mit 4000 Mitarbeitern aufzubauen. 1947, als Millionen zurückkehrender
Kriegsgefangener verhört werden, wechselt die ‚Org' von Taunus nach Pullach bei München, wo sie
von einer deutschen Sondereinheit bewacht wird. Gehlen fördert die im US-Geheimdienst bereits
vorhandene Antikommunismus-Paranoia und liefert Falschinformationen über die angebliche soziale,
politische und wirtschaftliche Fragilität und militärische Potenz Russlands, die den Kalten Krieg
massgeblich verschärfen und beinahe zum Dritten Weltkrieg führen. Allen Dulles benutzt Gehlen zur
Legitimation der Remilitarisierung, denn er kennt aufgrund eigener Quellen den desolaten Zustand
Seite [78]
Russlands. Nichts so General Lucius Clay, der sich von der bevorstehenden russischen Welteroberung
überzeugen lässt, wie die meisten Amerikaner. Aussenminister John Foster Dulles: "Um den
Menschen die Last erträglich zu machen, müssen wir eine emotionale Atmosphäre schaffen, die
ähnlich ist wie das Gefühl des Kriegszustandes. Wir müssen das Phantom einer äusseren Gefahr
schaffen." Die Hysterie überzeugt schliesslich, und die Rüstungsindustrie kann ihre Auftragsbücher
wieder füllen.
Obwohl immer noch der CIA unterstellt, arbeitet die Gehlen-Organisation ab 1951 auch für die
Bundesregierung. 1953 ist die Gehlen-Organisation am Sturz Mossadeghs im Iran beteiligt. 1954 wird
der Chef des westdeutschen Geheimdienstes Otto John mit einer Verleumdungskampagne der CIA
gestürzt und Gehlen wird offizieller Chef des von den USA mit $6 Mio. finanzierten Geheimdienstes
BND. Der BND wird innerhalb kurzer Zeit der grösste Nachrichtendienst in Europa und ist zuständig
für die DDR, die CSSR und Polen. Beim BND öffnen beispielsweise 250 Geheimdienstler jährlich 1,6
Millionen Briefe aus und in diese Länder. Gehlens Vertreter in den USA ist ab 1954 der SS-Offizier
Otto Albrecht von Bolschwing, der Eichmanns Chef war und gleichzeitig mit Dulles OSS-Abteilung
zusammenarbeitete. Elmer Bobst von der Warner-Lambert Pharmaceutical, der Richard Nixons
politische Karriere ermöglicht, wird ein Vertrauter von Boschwings, der 1960 für die Kampagne
Nixons arbeitet. Seit 1952 hält sich Karl Adolf Eichmann unter dem Pseudonym Clemens in
Argentinien auf, was CIA und BND wissen. 1960 wird der ehemalige SS-Obersturmbannführer vom
Mossad entführt und 1962 in Israel hingerichtet. 1969 ist von Bolschwing an der kalifornischen
Hightechfirma TCI und deren geheimen Rüstungsaufträgen des Pentagon beteiligt. Von Bolschwing
pflegt mit Ronald Reagans Sekretärin Helene van Damme, die während der Präsidentschaft ihres
Bosses Botschafterin in Österreich wird, eine enge Freundschaft. Auch SS-Sturmbannführer Alois
Brunner, der als Mitarbeiter von Adolf Eichmann am Tode von 128'000 Juden mitverantwortlich war,
arbeitet als Dr. Georg Fischer in Syrien für die Organisation Gehlen und den syrischen Geheimdienst.
Neben der Gehlen-Organisation werden von den USA andere Organisationen wie die "TostojStiftung", die "Union der Bischöfe der Orthodoxen Kirche ausserhalb Russlands" oder die aggressive
"Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit" aufgebaut und über das Counter Intelligence Corps der
US-Armee, die CIA, die Ford Foundation, das Rote Kreuz, die US-Gewerkschaften und die Caritas
finanziert und gesteuert. Nachdem die "Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit" KgU 1951 von
Gräuelpropaganda zu aktiver Sabotage in Ostdeutschland wechselt, wird die Unterstützung
zurückgefahren, obwohl Willy Brandt 1952 bereit ist, die Leitung zu übernehmen. 1954 wird die
Finanzierung eingestellt, und Ende der 50er Jahre löst sich die KgU auf. Eine ähnliche Organisation ist
der von der CIA gegründete "Untersuchungsausschuss der freiheitlichen Juristen in der Sowjetzone".
Auch die von den grösseren Parteien errichteten Ostbüros, von denen das der SPD wirkliche
Bedeutung erlangt, betreiben Propaganda, Spionage und Sabotage, um einen Aufstand im
sowjetischen Teil auszulösen. Zudem wird der von den Deutschen finanzierte Spionagering der
Falange in Lateinamerika und die Saibatsu-Organisation in Japan in den Dienst der USA genommen.
Man verwendet sie wegen ihrer Erfahrung für Propaganda und psychologische Kriegsführung,
braucht sie in Laboratorien oder bildet sie als Guerillakämpfer aus, die nach einem Atomangriff auf
die UdSSR eingesetzt werden sollen. Finanziert werden diese Aktionen durch beschlagnahmte
Nazivermögen, die wiederum meistens von enteigneten Juden oder aus Kriegsbeute stammen.
Quellen: Simpson: 21-59, Köhler: 34f, Horowitz: 269f, Schulz: 57, 69-71, 201-204, CIA-Info: 13, Scott, Arons/ Loftus, Bradley,
Deschner (1962): 524-528, 563-569, (1965): 17-50, 97-259, (1968), Meier: 2, Uesseler/ Saupe: 30-37, Theoharis/ Cox: 277ff,
Best: 26, Pilger: 49, Summers (1993): 154-157, Brussell (1983): 1-8, Ranelagh/ Treharne: 1, Loftus, Aarons/ Vicary, Herman:
36f, Avineri: 66, Levin, Lapham (2004), Hübner/ Sperlich, Schoch: 5, Karel (2003).
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2.20. 1948 CIA in Italien
Die CIA hat in Italien ihre ersten Erfolge, da es Frank Wisner und dem Team um Roscoe Hillenkoeter
mit der Operation DEMAGNETIZE gelingt, den Einfluss der Kommunisten bei den ersten italienischen
Nachkriegswahlen 1948 einzudämmen. Statt der prognostizierten Mehrheit von 51% kommt der
kommunistisch-sozialistische Block nur auf 30% der Stimmen. $10 Mio. wurden an Parteien und
Kandidaten vergeben und anonyme Broschüren verteilt, in denen kommunistische Kandidaten als
Feinde der Kirche oder wegen ihres Sexuallebens angegriffen wurden. Propaganda,
Wählereinschüchterungen durch die Mafia und die Drohung des amerikanischen Aussenministers
George Marshall, sofort jede Hilfe zu stoppen, würden die Linken gewählt, bringen den
Christdemokraten eine satte 53%-Mehrheit. Während den Wahlen liegen amerikanische und
britische Kriegsschiffe in den italienischen Häfen vor Anker.
Von 1948 bis 1968 zahlt die CIA durchschnittlich $30 Mio. pro Jahr an bürgerliche und
sozialdemokratische Politiker Italiens wie Giulio Andreotti, Giuseppe Saragat oder den
christdemokratischen Gewerkschaftsführer Vito Scalia. In Zusammenarbeit mit der CIA wird in Italien
der militärische Geheimdienst Sifar aufgebaut, der Akten über 157'000 prominente Politiker,
Bischöfe, Journalisten, Gewerkschaftsführer, Industrielle, Künstler und Offiziere führen wird. Die
Mafia setzt sich fest in Italien.
Auch die alten faschistischen Schergen kehren schnell wieder an ihren Platz zurück und kontrollieren
die Repressionsapparate. Die Unternehmer und Grossgrundbesitzer können sich auf die Polizei
verlassen, die bei Streiks gegen die Arbeiter vorgehen, auch mit Maschinengewehren und
Handgranaten, und diese foltern. Bis im Juli 1960, als es wegen der Regierungsbeteiligung der
faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) zu landesweiten Demonstrationen und Streiks
kommt, sterben bei sozialen Konflikten 95 Menschen.
In Sizilien funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Staat und organisierter Unterwelt unter
Calogero Vizzini, und ab 1954 unter Giuseppe Genco Russo, ausgezeichnet. Die absolute Mehrheit
der Democrazia Cristiana ist gesichert, mit dem Erzbischof von Palermo und der lokalen Polizei
versteht man sich, während Sozialisten und Kommunisten häufig nicht alt werden. Russo selbst wird
ins Provinzkomitee der DC gewählt, etwas später wird er Mitglied des Sizilianischen Parlaments, und
ab 1960 ist er Bürgermeister von Mussomeli. Schon vorher löst er die engagierten
Bauerngenossenschaften auf und gründet eigene, unter seiner Kontrolle stehende Bauernverbände,
womit er die Verteilung des Landes an die Bauern weitgehend verhindern kann. Dankesgelder der
von der Enteignung bedrohten Landbarone und die Verfügungsgewalt der Verbandskassen von
57'000 Bauern verbessern seine Einnahmen, die unter anderem aus Weiterverpachtung von grossen
Ländereien an arme Bauern zu horrenden Zinsen und den Entwicklungsgeldern für den Süden
bestehen. Von 1947 bis 1971 fliessen 830 Mia. Lire für Wohnungs- und Strassenbau, Staudämme und
Wasserleitungen nach Sizilien, und von 1972 bis 1976 weitere 630 Mia. Die Aufträge dazu holen sich
fast ausschliesslich mafiöse Firmen, wobei die Gelder dann, meistens ohne brauchbare Resultate,
versickern.
Der Erfolg in Italien ist der Beginn der systematischen Einmischung der CIA in andere Länder. 1948
intervenieren die USA auch in Costa Rica mit Hilfe der nicaraguanischen Nationalgarde Somozas, und
erste Militärberater werden nach El Salvador geschickt.
1948 beschliesst das National Security Council, dass unter dem Namen ‚Stay behind' (später Gladio)
in ganz Westeuropa geheime paramilitärische Verbände aufgebaut werden sollen, um einer
möglichen Invasion der Sowjetunion im Untergrund zu begegnen. Diese Geheimarmeen mit ihren
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Waffenlagern werden zunächst ohne das Wissen der jeweiligen Regierungen aufgebaut. In
Deutschland wird die Geheimarmee von Reinhard Gehlen begründet. An 75 Knotenpunkten werden
Agentengruppen als bewaffnete Nachrichten- und Sabotageteams stationiert. Wichtigstes Kriterium
für die Partisanen ist der Antikommunismus, weshalb SS-Angehörige und Kriegsverbrecher rekrutiert
werden. Die 2000 Neo-Nazis des Bundes Deutsche Jugend sollen gegebenenfalls auch gegen
innenpolitische Gegner eingesetzt werden. So soll die Spitze der Linke im Ernstfall interniert werden.
1949 wird der Central Intelligence Act angenommen, der der CIA absolute Geheimhaltung von
Funktionen, Namen und Anzahl der Angestellten sowie der Aufgaben, Gehälter und Finanzierung
garantiert.
Frank Wisner, Dulles ehemaliger Assistent, baut nach seinem Erfolg ein Agentennetzwerk in
Osteuropa auf und gründet 1949 das Radio Free Europe. Unter Allen Dulles arbeitet er an der
Albanien-Invasion, bei der aber alle Exilalbaner, die im April 1950 von Griechenland ins Land
einfallen, unmittelbar verhaftet werden. Bis 1953 versuchen die USA und Grossbritannien erfolglos,
die kommunistische Regierung zu stürzen und eine neue Pro-Westliche Regierung einzusetzen, die
hauptsächlich aus Monarchisten und Faschismussympathisanten bestanden hätte.
Bereits jetzt wird Kim Philby verdächtigt, Informationen weitergeleitet zu haben. Der Sohn des
britischen Agenten Harry St. John Philby wurde während seinem Studium in Cambridge Marxist und
trat 1940 in den Secret Intelligence Service ein und steigt 1944 zum Leiter der Spionage-Abwehr auf.
Kim instruierte James Angleton, wie man Nazispione zu Doppelagenten aufbauen kann, die
Falschmeldungen nach Berlin schicken. Im folgenden Jahr offerierte ein hoher KGB-Offizier auf der
britischen Botschaft in Istanbul, zwei British Foreign Office-Diplomaten und einen
Gegenspionageagenten, die für die Sowjetunion arbeiten, gegen Geld zu identifizieren. Philby flog in
die Türkei, worauf ein russisches Militärflugzeug einen Verhafteten von Istanbul ausfliegt und der
Agent nicht mehr gefunden werden kann. 1949 wird Philby britischer Verbindungsagent in
Washington mit Zugang zu Geheimdokumenten, trifft sich regelmässig mit dem Chef der
Gegenspionage der CIA und hilft dem FBI, Spione zu enttarnen. 1951 fliehen die beiden britischen
KGB-Doppelspione Guy Burgess und Donald Maclean, die Zugang zum Hauptquartier der Atomic
Energy Commission haben, in die UdSSR. Philby muss daraufhin nach London zurückkehren, wobei
viele britische Geheimdienstagenten vermuten, dass er ein Opfer der McCarthy-Hysterie sei. Erst als
er sich 1963 selbst in die UdSSR absetzt, wird wirklich klar, dass er als sowjetischer Doppelagent
gearbeitet hat.
Quellen: Horowitz: 76, Raith: 20ff, 57, 88, Schulz: 82,164, Best: 27f, Meurice, Schoen.
2.21. 1948 Die CIA und die Gewerkschaften
Dave Dubinsky von der International Ladies Garment Workers' Union sponsert den
Gewerkschaftsführer Jay Lovestone, der das AFL Free Trade Union Committee aufbaut. Über diese
Organisation laufen James Jesus Angletons Kontakte zur Mafia (z.B. von New York) und werden
Gelder verschoben (z.B. zu den korsischen Gangs in Marseille). Angleton startete 1943 beim OSS und
wurde nach Rom abgeordnet, wo er Helms und Dulles kennenlernte. Angletons Einheit entdeckte die
Geheimpost von Hitler und Moussolini. Als Stationschef in Rom ist Angleton zusammen mit Raymond
Rocca an der Operation gegen die Kommunisten in Italien beteiligt, wobei er mit Harry Anslingers
Topagenten George White und Charles Siragusa zusammenarbeitet. Mithilfe von neuen
Identitätspapieren ermöglicht er vielen Nazis zur Flucht aus den Gefangenenlagern. 1948 tritt
Angleton der CIA bei, wird Direktor der Gegenspionage und legt Dossiers über eigene Mitarbeiter an,
um seine Macht zu sichern.
Seite [81]
Der ehemalige Kommunist Jay Lovestone benutzt die Gewerkschaft American Federation of Labor als
Deckmantel für CIA-Programme. Vor allem beim Aufbau der deutschen antikommunistischen
Gewerkschaften spielt Lovestone eine entscheidende Rolle, nachdem er die Konkurrenzgewerkschaft
CIO in die AFL integrieren kann. Dank den grossen finanziellen Ressourcen kann Lovestone Kongresse
und Hilfsprogramme in Deutschland durchführen, bezahlt deutsche Politiker der Christ- und
Sozialdemokraten und Gewerkschafter wie Fritz Heine, Willy Richter, Ernst Reuter, Willy Brandt oder
Carlo Schmidt.
Lovestone und sein Mitarbeiter Irving Brown haben auch enge Beziehungen zu den Pressehäusern
und bezahlen einige wie den Universum-Verlag, die den American Way of Life propagieren.
Lovestone gibt anfangs $200'000, aber schon nach kurzer Zeit über $ 1 Mio. pro Jahr für die CIA aus.
Auch der Chef des Dachverbandes der Gewerkschaften Victor Reuther unterstützt die deutschen
Gewerkschaften, aber nicht im Auftrag der CIA, abgesehen von einem Scheck von Thomas Braden
über $50'000, womit ihn die CIA zu erpressen versucht.
Quellen: Scott (1993): 195, Weberman (6): 3, Russel (2000), Schröder, Levin.
2.22. 1948 Howard Hughes und die Politik
Howard Hughes wurde aufgrund seines schweren Flugzeug-Unfalls codein- und morphinsüchtig und
bleibt es bis zu seinem Tod. 1947 verschwand Hughes zweimal, um seinem neuen Schwarm Jean
Peters nach Mexico zu folgen und um einer Senatsvorladung zu entgehen. Seit 1946 stellen die
Republikaner nach 16 Jahren wieder die Mehrheit im Kongress. Ein Senatskomitee unter Ralph Owen
Brewster begann, die Kriegskorruption zu untersuchen. Hughes schmierte Roosevelt über dessen
Sohn Elliott und Truman persönlich, unterhielt hohe Militärs mit Prostituierten und kassierte $40
Mio, ohne auch nur ein einziges Flugzeug zu liefern. Um das Senate War Investigating Committee zu
bremsen, stellte Hughes den Kolumnisten Drew Pearson und seinen Assistenten Jack Anderson ein,
um eine Schmutzkampagne über den Vorsitzenden zu starten. Engagierte Detektive beschäftigten
sich mit Senator Brewsters Beteiligungen an der Pan American Airways, die über
Steuererleichterungen und Regierungsfranchisen marktführend geworden ist und dank Brewster die
Exklusivrechte für Überseeflüge erhalten hat. Pan Am ist die Hauptkonkurrentin der Trans World
Airways, an der Hughes seit 1939 massgeblich beteiligt ist. Im August 1947 stellte er sich dem
Senatsausschuss und sah erstmals die FBI-Reporte der vierjährigen Abhörung seiner Telefone und
Hotelsuiten, wobei auch seine Geliebten beschattet wurden. Auch Brewster bezahlte einen
Polizeileutnant, Joseph W. W. Shimon, der Hughes Hotelzimmer in Washington verwanzte und sein
Telefon anzapfte. Hughes schlug zurück, indem die Schindler Detective Ageny Brewsters Zimmer im
Mayflower Hotel verwanzte und herausfand, dass Brewster auf allen Pan Am-Flügen gratis fliegt und
seine Ferien von der Airline bezahlen lässt. Die Untersuchung gegen Hughes wurde daraufhin
fallengelassen.
Kurz darauf "entstehen" etwa hundert "Hughes for President"-Clubs in allen grösseren Städten, und
Hughes wird zum Hauptlieferanten von Elektronik für die Air Force. Im November 1947 flog Hughes
das erste und letzte Mal eine Meile weit seine hölzerne Herkules (Spruce Goose), deren Entwicklung
den Staat $22 Mio. und seine Hughes Tool Company $50 Mio. gekostet hatte.
Im Mai 1948 kauft er die RKO, das drittgrösste Filmstudio hinter MGM und Twentieth Century Fox,
und bietet Brewster einen Job als Schauspieler an, für $300 pro Woche, weil er kein Anfänger sei.
1952 unterstützt Hughes grosszügig die Senatskampagne des Gegners, worauf Brewster seinen Sitz
verliert. RKO läuft schlecht, weshalb Hughes seine Aktien im September 1952 abstossen will. Aber
Seite [82]
nach einem Bericht des Wall Street Journals, wonach die 5 Käufer mit der Mafia verhängt seien, wird
das Vorhaben abgebrochen.
Als das House on Un-American Activities Committee seine Untersuchungen in Hollywood durchführt,
zeigt sich Hughes sehr kooperativ. Die Büros werden verwanzt und Drehbuchautor Paul Jarrico, der
sich weigert, vor dem Ausschuss auszusagen, wird gefeuert, was Hughes das Lob von Nixon einbringt.
Hughes kommt einem daraufhin geplanten Streik der Screen Writer's Guild zuvor, indem er gleich
hundert Angestellte entlässt. Zudem verbietet er die Präsentation des Films Limelight in seinen Kinos,
weil sich Charles Chaplin ebenfalls die Aussagen verweigerte. RKO schreibt unter seiner Führung bis
zum Verkauf 1955 $24 Mio. Verluste, auch wegen seinen permanenten Interventionen bei den
Filmen. Hughes verlangt von seinem Umfeld absolute Loyalität, vor allem von den meist grossbusigen
Schauspielerinnen, die er als seinen Besitz betrachtet.
Obwohl er ab 1947 mit Jean Peters zusammenlebt, führt er seine Eroberungen weiter und hat
Affären mit Tanzstar Cyd Charisse, dem Sopranostar Kathryn Grayson oder Starlett Terry Moore, die
ein Kind von ihm bekommt, das aber nach 12 Stunden stirbt. Im März 1952 veranlasst Hughes, dass
Terry sich nach 15 Monaten Ehe von Glenn Davis scheiden lässt, worauf der Footballstar den
Milliardär spitalreif schlägt. Hughes lässt nicht nur seine Geliebten, sondern auch seine Freunde,
Feinde, Angestellten oder irgendwelche Frauen, die ihm aufgefallen sind, von seiner Geheimpolizei
beschatten. Mit einem Jahresetat von $2 Mio. führt Jeff Chouinard mit seinen Privatdetektiven von
1950 bis 1954 über 100 Untersuchungen über Frauen wie Miss Italien Gina Lollobrigado, Susan
Hayward, Elisabeth Taylor, Mitzi Gaynor, Barbara Payton, Anita Ekberg oder Zizi Jeanmaire durch, die
Hughes erlauben, die Tagesabläufe und jedes Telefongespräch jeder einzelnen zu verfolgen. Sein
Spionagesystem funktioniert so perfekt, dass er vor Jane Greer weiss, dass sie schwanger ist. Je älter
Hughes wird, desto häufiger konzentriert er sich auf sehr junge Mädchen wie die 15jährige Sally Bliss.
Dutzende von Möchtegernstars werden in sein RKO-Programm aufgenommen, wobei sie Gesangs-,
Drama- und Fotokurse bekommen, aber wie Gefangene gehalten und permanent überwacht werden.
Laut Confidential Magazine umfasst sein modernes Harem 164 Mädchen, und er benutzt die
Wohnung von Walter Kane am Sunset Boulevard für Sexstunden. Einer empörten Mutter, die ihre
15jährige Tochter mit Hughes erwischt, zahlt er beinahe $1 Mio., um einen Prozess zu verhindern.
Aus Angst vor feindlichen Lauschangriffen hält er seine Geschäftssitzungen im fahrenden Wagen ab.
Hughes engagiert Frank William Gay, den Assistenten seiner Sekretärin Nadine Henley, als
Geschäftsführer und Carl Byoir Associates als PR-Agentur seiner Firmen. Während dem Krieg vertrat
Byoir Nazi-Banker und -Industrielle wie Ernest Schmitz von I.G.Farben oder Friedrich Flick, der dank
John McCloy freigesprochen wird. Flicks Sohn investiert $400'000 in die W. R. Grace Company von J.
Peter Grace, der Nazi-Offiziere in Bolivien unterstützt. George DeMohrenschildt ist ein Partner von
Firmengründer William Grace.
Hughes begann 1946 seine Zahlungen für Richard Nixon, der als jüngster Abgeordneter im Education
and Labor Committee und im House of Un-American Activities Committee Einsitz nimmt. Nixon
profitiert vom Ärger der Ölfirmen über Jerry Voorhis und wird von Standard Oil, Richfield Oil und
Signal Oil als Gegenkandidat finanziert und dank Kyle Palmer von der Los Angeles Times, Union- und
Tribune- Besitzer Jim Copley und Herbert Klein von der Alhamba Post-Advocate aufgebaut.
Verantwortlich für Nixons Dreckkampagne ist Murray Chotiner, der führende Mafiabosse wie Marco
Reginelli vor dem Gericht vertritt. Chotiner erhielt sein Anwaltspatent mit 19 Jahren, arbeitete mit 23
an der Präsidentschaftskampagne von Herbert Hoover und leitete mit 33 die Kampagne von Earl
Warren für den Gouverneurssitz in Kalifornien. Entsprechend seinem Credo "Politik ist Krieg" setzt er
Seite [83]
jedes Mittel ein. 1946 vermittelt er ein Treffen von Mafiaboss Mickey Cohen mit dem in seinem
Territorium kandidierenden Nixon, der $5000 Wahlkampfunterstützung bekommt. Nixons
Beziehungen zu Mobstern gehen bald über Miami hinaus und laufen auch über Bebe Rebozo, George
Smathers, Bobby Baker, Dana Smith oder Richard Danner.
Das zweite Standbein von Hughes in der Politik ist Lyndon Baines Johnson. Alles in allem erhält
Johnson von Hughes ab 1948 etwa $1 Mio. Schmiergelder. Auch die Baulöwen George und Herman
Brown unterstützen Johnson für seinen Senatswahlkampf, den er 1948 dank der Manipulation des
mächtigen George Parr gewinnt. Brown & Root avancieren dank Johnsons Staatsaufträgen während
seiner Präsidentschaft zur weltgrössten Baufirma. Verschiedene Verfahren und Untersuchungen
gegen Johnson werden politisch oder mit Morden verhindert. Johnson und sein Schützling John
Connally haben beide Büros in Fort Worth, wo sie mit Gamblern wie W. C. Kirkwood in Kontakt
kommen, die mit der Mafia und den Ölbaronen liiert sind. In Kirkwoods "The Four Deuces Club"
treffen sich H. L. Hunt, Clint Murchison, Amon Carter, Johnson, Connally und Sam Rayburn zum
Pokern. Johnson lässt sich in seinem Büro von Jack Halfen, der Gelder von Frank Costello, Vito
Genovese, Carlos Marcello, Jimmy Hoffa und ähnlichen Figuren bringt, finanzieren, und selbst als
Vizepräsident nimmt Johnson dort noch Schmiergelder entgegen.
Quellen: Marrs: 292, Scott (1993): 235, (2000): 60, Drosnin, Best: 49f, Brussell (1983): 10f, Summers (2000): 41-57, 151, 495f,
Brown/ Broeske: 225-274, 281ff, 288.
2.23. Oktober 1948 Truman und die Mafia
Paul Ricca und seine Komplizen werden unter dem Protest der Öffentlichkeit auf Bewährung
freigelassen. Die immer noch von Chicago kontrollierten Gewerkschaften in Hollywood erzwangen
mit Streiks und Sabotage, dass die Studios Harry S. Truman $5 Mio. zahlten, und das Syndikat
versprach Truman die Unterstützung für die Wahl. Auf Anweisung verhinderte der demokratische
Politiker Jake Arvey mit seiner Kandidatur eine Nomination von Estes Kefauver.
Hoover unterstützte den republikanischen Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen Mafiajäger
Thomas Dewey mit geheimen Informationen über Truman und arbeitete somit gegen seinen Chef.
Dewey, der zum Alkoholmillionär Lewis Rosenstiel eine lange Bekanntschaft unterhält, schlug sich auf
die Seite von Lucky Luciano und Meyer Lansky, die ihn unterstützen. Auch von Howard Hughes
erhielt Dewey $25'000.
Doch Truman wird am 3.11.48 mithilfe eines Wahlbetrugs der Mafia von Chicago entgegen allen
Wahlumfragen wiedergewählt. Justizminister Tom Clark, mit dem sich Murray Humphrey mehrmals
getroffen hatte, um den Deal einzufädeln, wird kurz darauf von Truman zum Bundesrichter ernannt.
Quellen: Giancana: 226, 248, 253f, Summers (1993): 169ff, (2000): 128f, 151, 498, CSP: 8.
Seite [84]
3.
Teil (1949 bis 1955)
Dieser Teil der Chronik behandelt die Etablierung der verdeckten Operationen der CIA
(Putsch, Propaganda, Drogen- und Waffenhandel, Geheimkriege, PsyOps, Mord) und die
Kooperation von Mafia, Nixon und den Faschisten.
Zentrale Themen und Personen:
Reorganisation des Drogenhandels, French Connection, Korsische Mafia und CIA, Revolution in China, Opiumhadeln,
Rüstungswettkampf, Atombomben, Gründung der NATO, Kommunistenhysterie, HUAC, Volks-Überwachung, Korea-Krieg,
Napalm, biologische Waffen, Harriman, Eugenik, CIA in Mexiko: E. Howard Hunt, Frank Wisner, William F. Buckley, Office of
Policy Coordination, Mafia-Untersuchungen von Kefauver, CIA-Programme zur Verhaltenskontrolle,, ARTICHOKE,
MK/ULTRA, LSD, Humanexperimente und Mordtechniken, Biowaffen, NK/NAOMI, Grossexperimente, Batista und die Mafia
auf Kuba, Nixon, Lansky, Faschisten, Eisenhower, Hoover und die Ölbarone, John F. Kennedy und Jacqueline Bouvier, Die
CIA unter Allen W. Dulles: Medienkontrolle, Propaganda, USIA, Neonazis, kirchliche Organisationen, akademische
Institutionen, Jugendverbände, verdeckte Operationen, Geheimkriege, Kooperation mit anderen Geheimdiensten,
Polizeischulen, Sturz von Mossadegh im Iran, Schah Mohammed Resa Pahlewi, Helms, Onassis und Aramco, Stavros
Niarchos, Robert Maheu, Vietnamkrieg, Edward G. Lansdale, Ho Chi Minh, Ngo Dinh Diem, Opiumhandel, Sturz von Arbenz
in Guatemala, United Fruit, Dulles, Ermordung von Remon in Panama, Frank Sturgis, E. Howard Hunt, U-2-Projekt.
3.1. 1949 Die Reorganisation des Drogenhandels
Meyer Lansky unternimmt eine fast einjährige Europareise, die ihn zu Lucky Luciano in Rom und zu
John Pullman in Zürich führt. Für die nächsten zehn Jahre steht Lansky mit einem Dutzend Schweizer
Banken in Geschäftsverbindung. Dann beschliesst er, unabhängig zu werden und kauft die Genfer
"Exchange & Investment Bank" auf und ordnet das komplexe Finanzwesen der Organisation neu.
Lansky gilt als Begründer der internationalen Geldwäscherei. Nach einem Besuch beim König von
St.Pauli in Hamburg, "Onkel Joe", reist er über Amsterdam und Brüssel nach Marseille, um den
Drogenhandel mit der "Union Corse" neu zu regeln. Luciano hatte früher die kalabresische Mafia in
seinen Drogenhandel miteinbezogen, und ein Cousin von Luciano gründete 1948 mit Calogero Vizzini
eine Zuckerfabrik in Palermo, in der Heroin hergestellt wird. Kurz vor dem Tod Vizzinis 1954
veröffentlicht die Zeitschrift "Avanti" die Funktion der Zuckerfabrik und erzwingt damit die
Stilllegung, wobei die Heroinproduktion in Marseille inzwischen voll angelaufen ist.
Das "französische Shanghai" wurde in den 20er Jahren von François Spirito und Paul Buonaventure
Carbone aufgebaut. Ihre Hauptleistungen bestanden in der Politisierung der Unterwelt und der
Organisation einer monopolistischen Bordellkette. 1931 wurde das Heroin in Europa verboten und
damit erfolgte ihr Engagement im Drogengeschäft. Mit dem spanischen Bürgerkrieg kam der Einstieg
ins Waffengeschäft, wobei die Mafiosi zu den Hauptlieferanten Francos gehörten. Auch unter der
Okkupation der Nazis änderte sich in Marseille nichts an der Struktur der Mafia. Die Gangster
verrieten der Gestapo Widerstandskämpfer, womit sie sich für die Nazis unentbehrlich machten.
Carbone flog 1943 mit einer Truppe Gestapo-Offiziere in einem Zug in die Luft, den die Résistance
sprengte. Spirito flüchtete 1944 zu seinem Freund Franco und kam 1947 nach New York zu Meyer
Lansky.
Nach dem Krieg zerfiel die Résistance in eine kommunistische und eine antikommunistische Fraktion,
was zu heftigen Auseinandersetzungen führt. 1947 streikten 3 Millionen Arbeiter, was die
französische Wirtschaft lahmlegte. In der Sozialistischen Partei Gaston Defferres, die sich mit der
neugegründeten Partei de Gaulles verbündete, um die Kommunisten aus der Rathauskoalition zu
werfen, wurden die Brüder Antoine und Barthélemy Guerini von der korsischen Mafia die starken
Männer. Antoine verfügt über gute Beziehungen zu den britischen und amerikanischen
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Geheimdiensten. Um die von den Kommunisten organisierten Streiks in Marseille zu brechen, schloss
die CIA am 15.11.47 mit der korsischen Mafia einen Pakt. Gegen Geld und Waffen wurde die
Streikbewegung mit einigen Morden gebrochen. Die Gefahr einer KP-Machtübernahme löst die CIA
mit der jährlichen Unterstützung von $ 1 Mio. an die Sozialistische Partei, die im Gegenzug eine
Konkurrenzgewerkschaft zu den Kommunisten aufbaut und sich nicht gegen die Niederschlagung von
Streiks wehrt. Die Guerinis organisieren die Spaltung der Arbeiterbewegung und die Einsetzung von
Terror-Kommandos der Union Corse, die die Kommunisten blutig niedermetzeln.
Nachdem die USA zuerst die Vietminh unterstützten, schicken sie 1950 Waffen für Frankreichs
Kolonialkrieg gegen Ho Chi Minh in Vietnam über Marseille, was im Februar bei den Hafenarbeitern
Streiks auslöst. CIA-Agent Tom Braden lässt den Guerinis persönlich $15'000 zukommen, und einen
Monat später sind die Streiks niedergeprügelt und die Gewerkschaftsführer ermordet. In der
Gegenrichtung der Waffen wird Heroin transportiert. Die "French Connection" verarbeitet 8 Tonnen
Heroin pro Jahr. Die französischen Geheimdienste SDECE, SAC und das Deuxième Bureau decken den
Handel, da sie einen Teil ihrer Geheimdienstaktivitäten daraus finanzieren können. Die Verflechtung
von Mafia, Parteipolitik und Geheimdienst ist ein System gegenseitiger Abhängigkeit: Als
Entschädigung für den Kampf gegen die Kommunisten muss man der Unterwelt spezifische
Freiheiten zugestehen, und diese Verbindung bedeutet Profit und Erpressbarkeit. Die Koalition in
Frankreich funktioniert fast zwei Jahrzehnte lang perfekt, denn obwohl Marseille das grösste
Heroinlabor der Welt ist, kann man in Frankreich kaum ein Gramm des Stoffs kaufen. In den USA ist
1951 die Zahl der Heroinsüchtigen auf 60'000 angestiegen. Heroin findet man bis Ende der 60er Jahre
allerdings nur in den schwarzen Slums der Städte.
Paul Helliwell organisiert 1950 den Kauf der auf Drogenhandel spezialisierten General Chennaults
Airline, die dann in Civil Air Transport umgetauft wird. US-General Claire Chennault stellte sich
bereits 1937 als Luftwaffen-Berater in den Dienst Tschiang Kai-scheks. Die Piloten seiner Flying
Tigers, die China und Burma gegen die Japaner verteidigten, wurden von der US-Armee rekrutiert,
von der OSS finanziert, und bekämpften Maos Truppen. Mit dem Kriegseintritt der USA gegen Japan
wurde Chennault Chef der OSS-Operationen in China. Zu seinen Agenten gehörte Captain John Birch,
der bei einer Strassenkontrolle von jugendlichen Bauern erschossen und zum Märtyrer und Symbol
des Kampfes gegen den Kommunismus wird. Ein weiterer OSS-Agent war E. Howard Hunt, dessen
Teams Brücken und Nachschubwege der Japaner in die Luft jagten und die Kollaborateure mit Gold
und Opium bezahlten. Nach dem Kampf gegen die Japaner folgt der Kampf gegen die Kommunisten,
finanziert mit Opium. Helliwell, Agent des Office of Policy Coordination, ist auch an der Gründung der
Castle Bank auf den Bahamas dabei, wo sowohl Drogenprofite gewaschen wie die Geheimfonds der
CIA verwaltet werden. Die Nugan Hand Bank of Australia, die World Finance Corporation (WFC) und
die Bank of Credit and Commerce International (BCCI) erfüllen denselben Zweck.
Quellen: Behr: 175-179, Scott (1993): 165f, 351, Potter: 3f, Russel (2000), Best: 6,25ff, Ansom: 293, Summers (2000): 518.
3.2. November 1949 Chinesische Revolution
Mao Zedong ruft am 10.11.49 in China die Volksrepublik aus. Während des ganzen Krieges hatte
Stalin die bürgerliche Kuo-min-tang unterstützt, die das Kriegsmaterial in ihrem Kampf gegen die
Kommunisten einsetzten. Stalin war überzeugt, dass die Revolution im agrarischen China keine
Chance habe. Nach dem Krieg plünderten die Russen die Mandschurei, Chinas industrielles Kernland,
so dass es zu Proteststürmen kam. Die Amerikaner sind nicht in der Lage zu begreifen, wie die
chinesische Revolution zustande kam, wofür die Mitarbeiter der China-Abteilung des
Aussenministeriums verantwortlich gemacht und entlassen werden. Washington pumpte nach dem
Seite [86]
Krieg Milliarden von Dollar nach China, um die Machtübernahme der Kommunisten zu verhindern.
Während des dreijährigen Bürgerkriegs nach 1945 gewährte die USA Tschiang Kai-schek ("Cash my
check") die doppelte Militär- und Wirtschaftshilfe, die es der KMT in den acht Jahren des Krieges
gegen Japan bezahlte.
Die USA verweigern der neuen Regierung von Mao Zedong die Anerkennung und bezeichnen sie als
illegal. Trotz dem Versprechen, sich nicht in den Bürgerkrieg einzumischen, stationieren sie die 7.
Flotte zwischen dem Festland und Taiwan, helfen der besiegten Armee von Tschiang Kai-schek
wieder auf die Beine und schliessen China vom internationalen Handel und der UNO aus. Die CIA
unter Ray Cline forciert die Landwirtschaft Taiwans und organisiert Sabotageaktionen auf dem
Festland, indem sie bis in die 60er Jahre Viermannteams mit Fallschirmen absetzt, die alle
verschwinden. Riesige Radioanlagen in Okinawa und Taiwan senden ihre Propaganda mit einer
solchen Stärke, dass sie selbst die Radios von Shanghai und Peking übertönen. Von 1951 bis 1954
unterstützt die CIA Guerillateams, die Angriffe von den besetzten strategischen Pazifik-Stützpunkten
der Japaner in die Volksrepublik fliegen. Eine beachtliche Armee von 12'000 Mann (Shan-National
Armee und die 93. KMT-Armee), die vor Mao nach Burma geflohen sind oder von Taiwan in das
burmesisch-chinesische Grenzland geflogen wurden, unternehmen im April 1951 und August 1952
Vorstösse in die Volksrepublik, unterstützt von nichtmarkierten CIA-Flugzeugen. KMT-General Li Mi
und seine 5000 Banditen organisieren den Drogenhandel im goldenen Dreieck, mit deren Erlösen der
Inselstaat Taiwan aufgebaut wird.
Kurz vor seinem Amtsantritt als Premierminister 1947 wurde General Aung San, der die föderative
Verfassung für ein nachkoloniales Burma schrieb, umgebracht. Aufgrund der KMT-Söldner und Maos
harter Reaktion geriet Burma in einen Bürgerkrieg, den alle Armeen ausser die Kachins, die
Edelsteine haben, mit Opium finanzieren. Der Armeechef Ne Win legalisiert den Opiumhandel für
alle, die mit seiner Ka Kwe Ye kämpfen. Khun Sa, der mit der KMT und der CIA zusammen arbeitet,
schliesst sich KKY an und erhält das Recht, alle staatlich kontrollierten Strassen für den
Opiumtransport zu nutzen. Ein Teil der 12'000 Krieger in Burma lebt nach kurzer Zeit als Banditen
oder vom Opiumhandel, den sie mit thailändischen Generälen oder der CIA selbst aufziehen.
Während Banditen auf dem Landweg hohe Abgaben für den Drogentransport erheben, fliegt die CIA
das Opium billiger nach Bangkok. Zu diesem Zweck gründet Helliwell die Sea Supply Corporation, und
die CIA übernimmt die Civil Air Transport, die Militärmaterial zu den Truppen und Opium vom
Goldenen Dreieck nach Taiwan und Thailand transportiert. Helliwell tritt 1950 der CIA bei und stellt
die CIA-Deckfirma dem Angleton-Vertrauten John Hart zur Verfügung, der mit 76 Agenten
thailändische Polizisten trainiert.
Die bekanntesten Opiumbarone sind Chang Chi-fu, Li Wen-huan, Hsu-shui und Khun Sa, der als seine
Hauptkunden Richard Armitage, Theodore Shackley und Thomas Clines nennt. Anfang der 60er Jahre
ist das Goldene Dreieck die grösste Opiumproduktionsregion der Welt. Nach langen Verhandlungen
mit der burmesischen Regierung werden 1953 90% der Truppen nach Taiwan zurückgebracht. Die
restlichen 10% bleiben im Opiumhandel tätig, bis sie 1961 von Regierungstruppen nach Laos und von
dort nach Nordthailand getrieben werden, wo sie sich etablieren. Die CIA schickt einige dieser KMTLeute mit dem beginnenden Krieg in Vietnam als Agenten nach China.
Trotz der wirtschaftlichen Rückständigkeit und der Bekämpfung durch die USA schafft es Mao
Zedong, das riesige Land zu konsolidieren und China vom Opium zu säubern. Obwohl im Reich der
Mitte seit 1729 verboten, führten die Engländer das Opium 1772 mithilfe der Unterwelt von Kanton,
den Chiu-Chaus, als Zahlungsmittel ein. Die Untertanen in Indien konnten das Opium billig
produzieren, womit wertvolles Silber gespart werden konnte. Nach der Niederlage im Opiumkrieg
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(1839-42) wurde der chinesische Kaiser gezwungen, nicht mehr gegen den Opiumhandel vorzugehen.
Wurden um 1815 noch 340, und 1839 noch 1841 Tonnen Opium importiert, stiegen die Lieferungen
der Britisch East Indian Company 1880 auf 6500 Tonnen. China zählte 20 Millionen Süchtige, und der
Kaiser musste die Bewilligung zur Eigenproduktion geben. 22'000 Tonnen wurden um die
Jahrhundertwende hergestellt, und verhungernde Süchtige gehörten zum normalen Strassenbild. Das
Reich zerfiel unter dem Einfluss der Briten, und 1911 kam es zur Revolution, und der Kaiser musste
ein Jahr später abdanken. Kurz darauf begannen verschiedene Generäle, die Macht an sich zu reissen
und sich gegenseitig zu bekriegen. Diese Kriege finanzierten die Warlords mit Rauschgift, wobei
Briten, Deutsche und Franzosen kräftig mitmischten.
Mit der Machtübernahme Maos flüchtet die Mehrzahl der Drogenhändler in das seit dem
Opiumkrieg britische Hongkong, wo noch 1970 mindestens 15 Heroinraffinerien betrieben werden.
In den südlichsten Provinzen Chinas wird allerdings bis 1955 Opium produziert und unter Aufsicht der
KMT exportiert. Der Hauptanteil kommt aber aus Burma und wird nach wie vor unter KMTBewachung nach Bangkok und von dort in die USA transportiert. Die Zahl der Süchtigen in den USA
steigt in den 60er Jahren von 65'000 auf über 500'000. Die burmesischen Militärs werden mit dem
Handel reich und können sich und ihr System, von CIA und DEA als Block gegen China unterstützt, bis
heute an der Macht halten. 1996 produziert Asien laut UNO Heroin für $63 Mia, wovon über die
Hälfte aus Burma stammt.
Der Grossteil des Drogengeldes wird über die australische Nugan-Hand Bank gewaschen, zu deren
Netz viele hohe Militärs und Geheimdienstoffiziere gehören. Präsident ist der pensionierte U.S.
Admiral Earl F. Yates, Rechtsberater ist der ehemalige CIA-Direktor William Colby, und im
Verwaltungsrat sitzen der ehemalige stellvertretende CIA-Direktor Walter McDonald, der National
Security Council-Berater Guy Parker und Andrew Lowe, einer der grössten Heroinschmuggler
Australiens. Die Gewinnbeteiligung erlaubt der CIA auch die geheime Finanzierung anderer
verdeckter Aktionen.
Quellen: Horowitz: 93-100, Behr: 151-164, Schulz: 173,330, CIA-Info: 7,13, Potter: 3f, Gritz, Russel (2000), Best: 65, Amendt,
Hamilton-Paterson (1971): 148, Cortesi, Kappstein: 33-35.
3.3. 1950 Rüstungswettkampf
Die USA beginnen mit der Aufrüstung, um gegenüber der Sowjetunion eine Situation der Stärke zu
schaffen. Nachdem 1945 noch $81,2 Mia. für den Krieg ausgegeben wurde, sanken diese Ausgaben
auf $13 Mia. im Jahre 1950, wobei sie immer noch ein Drittel des Gesamtbudgets ausmachen. Nach
der von Truman im April 1950 gebilligten Strategie steigen die Militärausgaben 1951 auf $22,4 Mia.
und auf $43,9 Mia. im Etatjahr 1952. Bis 1955 vervierfacht sich das US-Verteidigungsbudget, und die
Wiederbewaffnung Deutschlands ist im vollen Gang. 1949 beginnen die USA mit der Produktion von
Propagandafilmen, die die Westdeutschen an die USA binden sollen, die sich jedoch mehrheitlich ein
wiedervereinigtes und neutrales Deutschland wünschen.
Aufgeschreckt durch die Erfolge der SPD finanzieren die USA den CDU-Politiker und MussoliniBewunderer Konrad Adenauer, der sich als Vollstrecker der US-Interessen erweist. Die Brüder Dulles
haben schon vor dem Krieg enge Beziehungen zu Deutschland, etwa zu Hans Maria Globke, der trotz
seiner Nazivergangenheit als Kommentator der Nürnberger Rassengesetze von Adenauer zum
Staatssekretär ernannt und dann zu dessen grauen Eminenz wird. Mit Propaganda- und
Briefkampagnen wie der Crusade for Freedom oder dem Arbeitskreis Demokratischer Kreise soll die
Wiedervereinigung und die Remilitarisierung erreicht werden, wozu die Amerikaner die Idee eines
Vereinigten Europas unter Federführung der Deutschen entwerfen. Als Reaktion auf diese
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Propaganda offeriert Stalin 1952 die Wiedervereinigung Deutschlands als neutralen Staat, was
Adenauer jedoch umgehend ablehnt. Noch 1957 sitzen in Adenauers Regierung 18 Minister, die
Mitglieder der NSDAP oder der SA waren. 104 frühere hohe Offiziere Hitlers werden Generäle und
Admiräle, 8250 führende Faschisten erhalten einflussreiche Staatsstellen. 1963 wird Adenauer
abgelöst von Ludwig Erhard, ehemaliger ‚wirtschaftswissenschaftlicher Berater' der ‚Reichsgruppe
Industrie und der IG Farben' war. Ihm folgt 1966 bis 1969 Kanzler Kurt Georg Kiesinger, Mitglied der
NSDAP seit 1933 und stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung im Auswärtigen Amt
Rippentrops.
1949 wurde die NATO gegründet, zuerst noch nicht mit der Absicht, diese als Machtfaktor gegen
Russland zu brauchen, sondern um die USA und Westeuropa aneinander zu binden. Die USA rechnen
nie wirklich mit einer Aggression der UdSSR in Westeuropa, sondern die NATO soll dazu dienen,
Russland Bedingungen diktieren zu können. Die Russen zündeten im September 1949 ihre erste
Atombombe, und die USA, die bereits über 245 Atombomben verfügen, nahmen Pläne für die
Wasserstoffbombe in Angriff. Die USA ignorieren die Chancen zu Friedensverhandlungen und
untergraben alle diplomatischen Vorschläge der Sowjetunion zur Beilegung des Wettrüstens,
angefangen bei der Frage der Kontrolle der Atombombe 1945 über die Möglichkeiten nach dem Tod
Stalins im März 1953 bis zu den Abrüstungsbemühungen Chruschtschows von 1955-1960. 1960
besitzen die USA 15468 Atombomben, die UdSSR 1060. Für die USA bleibt eine friedliche Koexistenz
mit einer gleichwertigen, kommunistischen Macht unvorstellbar, denn schliesslich geht es um viel
Geld. Bis Ende des Jahrhunderts werden 13 Trillionen Dollar an Bundesgeldern in den ‚militärischindustriellen Komplex' fliessen.
Die mächtige Militärindustrie, für die 10% der Arbeitnehmer arbeiten, propagiert Mythen über die
Bösartigkeit der Kommunisten. Gleichzeitig erfolgen die US-Atombombenversuche dort, wo
Menschen leben, die sich nicht wehren (können). Von 1943 bis 1958 testeten die USA für $20 Mia.
über 100 Atom- und Wasserstoffbomben auf den Marshall- und Bikini-Inseln, deren Bewohner als
Versuchskaninchen gebraucht werden. Etwa 2000 Menschen, die ihre Inselchen gutmütig für
"Frieden und Fortschritt" zur Verfügung stellten, werden radioaktiv verseucht. Die meisten leiden an
Schilddrüsentumoren und Krebs, viele erblinden, Miss- und Totgeburten häufen sich. Die AEC nutzt
die "einzigartige Forschungsmöglichkeit", das Leben der Insulaner auf einem "der am meisten
kontaminierten Gebiete der Welt" zu erforschen, ohne dass die Bewohner entschädigt werden.
"Wenn einer hier auch nur ein Wort von der Sache herauslässt, wird er vor Sonnenaufgang
erschossen", bedankt sich Operationsleiter Maynard Nuex. Die Insel Runit wird zubetoniert und für
24'000 Jahre, die Halbwertszeit des Plutoniums, für unbetretbar erklärt. Nur ist der atomare
Grabhügel nach einigen Jahren bereits leck.
Auch viele der amerikanischen Soldaten werden verstrahlt und sterben an Krebs. Von 1951 bis 1963
detoniert durchschnittlich eine Atombombe pro Monat über Nevada, weshalb heute die
Leukämiehäufigkeit bei Kindern in Utah um 780% über dem Landesmittel liegt. Bis 1960 besitzen die
USA einen Atombombenvorrat von 30'000 Megatonnen, was 10 Tonnen TNT pro Erdbewohner
entspricht, und Zehntausende von Transport- und Abschussmöglichkeiten.
Quellen: Horowitz: 227-327, Reason: 88-97, Müller-Borchert, Afterbach 5, Lapham (2004), Moore (2001), Weber (2008).
3.4. 1950 Kommunistenhysterie
Max Lowenthal, ein Freund Roosevelts, schreibt ein Buch über das FBI, wovon Hoover, obwohl
Lowenthals Telephon seit längerem abgehört wird, erst kurz vor der Publikation erfährt. Bei
Lowenthal wird daraufhin eingebrochen. FBI-Agenten klappern die Buchläden ab, was zeitaufwendig
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und teuer ist, und versuchen, die Buchhändler zu überzeugen, das Buch nicht zu verkaufen. George
Dondero startet eine Schmutzkampagne im Kongress und behauptet, Lowenthal habe Beziehungen
zu Kommunisten, weshalb dieser vom House of Un-American Activities Committee verhört wird.
Joseph McCarthy, Senator und Vorsitzender des Subcommittee on Investigation, kommt mit seinen
Anschuldigungen gegen angebliche Kommunisten in die Presse. Seine Hearings kann McCarthy nur
dank dem Material seines Freundes Hoover, der ihn seit 1947 unterstützt, durchführen. Hoover und
Colonel John V. Grombach, der seine Geheimdienstaktivitäten 1947 an die CIA abtreten musste und
diese danach in Rosenstiels "Universal Service Corporation" kaschiert weiterführt, benutzen
McCarthy, um vermeintliche Linke wie William Bundy innerhalb der CIA oder John Service im
Aussenministerium zu attackieren. Die Dokumente werden so präpariert, dass die Herkunft nicht
ersichtlich ist. Auch Alfred Kohlberg und der Geheimdienstchef in Japan, General Charles Willoughby,
versorgen den Senator mit Material, und William Buckley, Frank Seusenbrenner und Walter
Harnisfeger unterstützen ihn. Letztere sind explizite Bewunderer Adolf Hitlers und besuchten das
Dritte Reich regelmässig. McCarthy selbst stand hinter der Freilassung und Freisprechung von
Kriegsverbrechern, die nach dem Krieg im KZ Dachau eingesperrt waren, wie die Generäle Fritz
Kraemer, Sepp Dietrick oder Hermann Priess, die am Malmédy-Massaker beteiligt waren.
Die Jagd auf kritische Intellektuelle begründet McCarthy mit einer Verschwörungstheorie, die an
Eindeutigkeit nicht zu überbieten ist: "Die aktuelle Lage der USA kann bloss das Resultat einer
grossen Verschwörung sein, einer Verschwörung von solchen immensen Ausmassen, dass sie alle
vorherigen Projekte dieser Art in der Geschichte in den Schatten stellt. Eine Verschwörung von solch
finsterer Schmach, dass, wenn sie schliesslich aufgedeckt sein wird, ihre Prinzipien für immer den
Fluch aller ehrlichen Menschen verdienen werden."
McCarthy ernennt Robert Morris zum Chefberater des Senate Internal Security Subcommittee.
Morris war ein ONI-Gegenspionageagent, der für Russland und psychologische Kriegsführung
zuständig war. Nach dem Tod McCarthys zieht Morris nach Dallas, wo er Richter und Präsident der
Universität wird. Richard Nixon arbeitet mit McCarthy zusammen und erlangt dank den HUACHearings nationale Bekanntheit. 1950 tritt Nixon gegen Helen Gahagan Douglas für den Senat an,
wobei neun der zwölf Zeitungen in Californien dank William Randolph Hearst den Republikaner
unterstützen. Mafiaboss Mickey Cohen sammelt im Auftrag Meyer Lanskys an einem Mafiatreffen
$75'000, was heute SFr. 1,15 Mio. entspricht, für Nixons Rennen in den Senat, wonach Cohen über
Leute wie den Alkohollobbyisten Art Samish seine Finanzierung Nixons weiter führt. Insgesamt kostet
der Wahlkampf weit über $1 Mio, die vom Ölbusiness, der Grossindustrie, den Banken und
Grossgrundbesitzern kommt. Murray Chotiner startet eine Verleumdungskampagne wie 1946, wobei
falsche Douglas-Propaganda produziert und in den zwei Tagen vor der Wahl angeblich eine halbe
Million anonymer Telefonanrufe an Wähler durchgeführt werden, die Douglas als Jüdin und
Kommunistin denunzieren.
Auf Initiative seines Vaters drückt John Kennedy Nixon einen Umschlag mit Geld in die Hand für
dessen Wahl, was er später als den "grössten, verdammten Fehler seines Lebens" bezeichnet.
Vermutlich ging es darum, mit der Schwächung von Douglas seine eigenen Aussichten zu stärken.
Kennedy und Nixon lernten sich 1947 an der Cocktailparty für neue Kongressabgeordnete kennen
und verstehen sich so gut, dass JFK ihm die Telefonnummern von drei jungen Frauen in Paris auf
seine erste Europareise mitgab. Im Gegensatz zu Kennedy, der seinen Konkurrenten für einen
Opportunisten hält und eine gespaltene Persönlichkeit "diagnostiziert", bewundert Nixon JFK und
bricht in Tränen aus, als er 1954 im Spital erfährt, dass ihm die letzte Ölung verabreicht worden sei.
Beim Wahlkampf von 1960 bricht seine Bewunderung in ebenso heftigen Hass um.
Seite [90]
Legislative Arbeit hat für Nixon ebenfalls keine Priorität, sondern er reist im Lande herum und hält
1951 49 Reden, um seine Popularität, die er durch das HUAC erreichte, zu steigern. Hoover nutzt
viele Kanäle für seine antikommunistische Propaganda: Neben einem Dutzend Kongresskomitees
sind dies Vereinigungen wie die National Catholic Welfare Conference (Generalsekretär Howard
Carroll, Vizedirektor Pater John Cronin), die US Chamber of Commerce (Vorsitzender Francis
Matthews) oder die American Bar Association (Vorsitz Austin Canfield). Einige von McCarthys
Untersuchungsbeamten sind ehemalige FBI-Agenten. Auch John Kennedy sitzt zeitweilig in
McCarthys berüchtigtem Ausschuss, und Robert Kennedy schnüffelt im Auftrag von McCarthys
rechter Hand, dem Homosexuellen Roy Cohn, nach Homosexuellen im Aussenministerium. Cohn
arbeitet eng mit Louis B. Nichols vom FBI zusammen, und Hoover bestraft seine Agenten Donald
Jones, Russell Sullivan und Jack Knox mit Versetzungen, weil sie den New Yorker Staatsanwalt Robert
Morgenthau in einem Verfahren gegen Cohn unterstützten.
Der McCarthyismus ist nur die hässliche Spitze des antikommunistischen Kreuzzuges der TrumanAdministration, wobei die amerikanischen Sozialwissenschaften es sich dann einfach machen, die
gesamte Demagogie mit den Exzessen des Senators zu identifizieren. Aber die Kommunistenhysterie
von McCarthy, der behauptet, 205 Mitglieder der Kommunistischen Partei würden im
Aussenministerium arbeiten, erlaubt FBI-Direktor Hoover die breitangelegte Überwachung der
Bevölkerung: Allein 1952 werden 6,6 Mio. Bürger überprüft. Loyalitätsschwüre werden nicht nur von
Regierungsangestellten, sondern auch von Lehrern, Schauspielern und Akademikern verlangt. In den
50er und 60er Jahren werden an über 50 Universitäten und Colleges die Professoren vom FBI
überwacht. Besonders genau observiert werden Medienstars wie Albert Einstein, der sich gegen den
Bau der Wasserstoffbombe ausgesprochen hat und sich mit Opfern der McCarthy-Hysterie
solidarisiert. Die FBI-Akte über den Freidenker und Pazifisten, der zu Unrecht verdächtigt wird, den
Sowjets Geheimnisse zum Bau der Atombombe verraten zu haben, umfasst bei seinem Tod 1800
Seiten.1950 wird der Internal Security Act erlassen, der die Vorbeugehaft von Oppositionellen im
Krisenfall vorsieht. Das FBI legte bereits 1939 ohne jede Rechtsgrundlage solche Listen an, die in den
50er Jahren 200'000 Namen enthalten. Hoover behauptet, es gäbe "628 kryptokommunistische
Organisationen". Die American Communist Party dient Hoover als monströses Schreckgespenst, um
sich Geld vom Kongress zu sichern. Die Mitgliederzahlen werden allerdings geheimgehalten (1956
sind es 20'000, 1971 nur noch 2800, wobei viele der Mitglieder FBI-Spitzel sind, die die Partei
mitfinanzieren und vermutlich überhaupt weiterexistieren lassen).
Prominenteste Opfer des HUAC werden der State Departement-Beamte Alger Hiss, der in einem
Verleumdungsprozess mittels gefälschten "Beweisen" zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wird,
worauf Nixon eine vierstündige Siegesrede im Parlament hält, sowie Julius und Ethel Rosenberg, die
im Sommer 1950 verhaftet werden, weil sie gegen Ende des 2. Weltkriegs Informationen über die
Atombombe an die UdSSR weitergegeben haben sollen. Aufgrund gefälschter Beweise durch das FBI
verurteilt sie das Gericht im März 1951 zum Tode, was am 19.6.53 trotz internationaler Proteste
vollstreckt wird. Ein weiteres prominentes Opfer der Repressionswelle ist der schwarze Footballstar,
Schauspieler und Sänger Paul Robeson, der als Pazifist und Bürgerrechtler die Wut des Ku-Klux-Klan,
des FBI und der Medien auf sich zieht. Berufs- und Reiseverbot, Verleumdungen und physische
Angriffe gegen ihn und seine Anhänger zerstören seine Karriere und sein Leben.
Im Sommer 1953 wird der Kommunistenjäger für Hoover wegen seinem unvorsichtigen Vorgehen
und seinen Alkoholproblemen zu heiss, und als McCarthy im Oktober einen FBI-Agenten in sein
Komitee beruft, setzt Hoover einen Schlusspunkt. Auch Vizepräsident Nixon distanziert sich auf Druck
Eisenhowers daraufhin von seinem Mentor. Am 2.12.54 wird McCarthy vom Senat mit 67 gegen 22
Stimmen gerügt. John Kennedy ist der einzige Demokrat, der in dieser Frage nicht seine Stimme
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abgibt. Er ist glücklicherweise im Spital und hat eine Entschuldigung, um den Freund der Familie zu
schonen. McCarthy wird nach seinem Fall schwer depressiv, seine Morphinsucht verstärkt sich
massiv, und er stirbt am 2.5.57 nur 48jährig. 1967 werden die HUAC-Dokumente für weitere 50 Jahre
versiegelt.
1951 gelingt es dem FBI mit der Operation SOLO, Morris und Jack Childs als Agenten anzuwerben.
Der in Kiew geborene Moische Tschilowski legte sich wie sein Bruder Jack einen neuen Namen bei
der Einwanderung zu und engagierte sich in der Kommunistischen Partei, davon viele Jahre als
Rechungsführer. 1958 wird er von der Partei zur internationalen Kontaktperson ernannt und
unternimmt während 20 Jahren 52 Reisen in die kommunitische Welt. Über Childs weiss Hoover
genau Bescheid über die Intentionen Moskaus und Pekings, was die US-Aussenpolitik von
Eisenhower bis Nixon prägt.
Quellen: Scott (1993): 212, Theoharis/ Cox: 318, Posener: 88, Weberman (25): 15-17, Todd, Schulz: 101, Torbitt: 10, Summers
(1993): 175-192, (2000): 61, 66-87, 116, 135, 200ff, Brussell (1983): 12, Ascherson 2, Avineri: 66, Frölich, Scheffer: 22, Ege/ Ast,
Weiner (2012).
3.5. Juni 1950 Korea-Krieg
1945 wurde Korea gemäss den Abmachungen von der Sowjetunion und den USA besetzt, wobei die
USA die Demarkationslinie am 38. Breitengrad vorschlugen. Nach vierzigjähriger Besetzung durch
Japan gab es eine starke koreanische Widerstandsbewegung, die die Kontrolle über das Land hätte
übernehmen können. Den USA passte die beabsichtigte Bodenreform allerdings nicht, und aus den
Befreiern wurden die neuen Unterdrücker. Während die Marionette der Amerikaner, Syngman Rhee,
der sich auf die Grossgrundbesitzer stützte, das Volk im Süden unterdrückte, führte die sowjetische
Marionette, Kim Il-Sung, Reformen (Landreform, Verstaatlichung der Grossindustrie, Einführung von
Achtstundentag und Mindestlohn) durch, worauf sich die Lebensqualität der Bevölkerung im Norden
verbesserte.
Rhee erleidet am 30. Mai 1950 eine entscheidende Wahlniederlage und provoziert danach den
Einmarsch der Nordkoreaner, der im Juni erfolgt und von Millionen Südkoreanern begrüsst wird.
Eigentlich handelt es sich in Korea um einen Bürgerkrieg mit Beteiligung der Grossmächte. In
Abwesenheit der Sowjetunion mandatiert der UNO-Sicherheitsrat eine Allianz unter amerikanischer
Führung, womit die UNO eine Partei im Kalten Krieg wird. Unter Befehl von Douglas MacArthur wird
die nordkoreanische Offensive von den UNO-Truppen zurückgeschlagen, wobei die US-Armee
südkoreanische Zivilisten, die sie kommunistischer Sympathien verdächtigt, gnadenlos massakriert.
In Nordkorea setzen die USA weit mehr Napalm ein als später in Vietnam. Napalm wurde 1942 an
der Harvard-Universität entwickelt und bereits im Krieg gegen Japan als Brandbombe eingesetzt.
Zwischen Juni und Oktober 1950 werfen die B-29-Bomber 3,28 Mio. Liter Napalm ab, und der Presse
gaukelt man vor, es handle sich um eine Präzisionswaffe.
Am 30. September erreichen die UN-Truppen den 38. Breitengrad und dringen entgegen dem UNOMandat nach Nordkorea ein, um dessen Armee zu vernichten. Anfang November gibt MacArthur den
Befehl, alle Kommunikations- und Versorgungseinrichtungen, alle Fabriken, Städte und Dörfer des
Nordens zu zerstören. Das Borbardement soll an der Grenze zur Mandschurei beginnen und Richtung
Süden fortgeführt werden. Am 8.11. wird die Stadt Sinuiju mit 550 Tonnen Brandbomben aus 79 B-29
ausradiert. Eine Woche später wird Hoeryong mit Napalm restlos niedergebrannt, und bis zum 25.11.
stehen weite Teile der Nordwestregion unter Flammen. Die Truppen überschreiten am 24.11. den
Jalu-Fluss, was den Kriegseintritt Chinas provoziert. Deshalb lässt MacArthur die Hauptstadt
Pjöngyang am 14. und 15.12. mit Napalm und Sprengbomben mit Verzögerungszündern angreifen
Seite [92]
und komplett niederbrennen. Wenn die Chinesen sich den Städten nähern, werden diese (wie
Uijongbu oder Wonju) abgefackelt.
Gleichzeitig versuchen die Amerikaner, mit neuentwickelten 12'000 Pfund-Bomben
("Tarzanbomben") Kim Il Sung in seinem Tiefbunker zu ermorden. Die USA experimentieren mit
weiteren neuen Waffen in Nordkorea: bakteriologischen Kampfstoffen. Die US-Flugzeuge werfen mit
Toxinen bedeckte Bäume, Sojastängel und Truthahnfedern und Kartonschachteln mit infizierten
lebendigen Insekten, verfaulten Fischen und verwesendem Schweinefleisch, Fröschen und
Nagetieren ab. Mit Pest verseuchte Flöhe und Scharen von Wanderheuschrecken, Insekten und
Spinnen als Milzbrandträger tauchen mitten im Winter auf, nachdem die CIA zusammen mit der Air
Force beschlossen hat, biologische Waffen gegen China zu testen. Laut Augenzeugen wird der
japanische Kriegsverbrecher General Shiro Ishii zu diesen Versuchen nach Korea geflogen, was
erklären würde, wieso die gleichen Erreger und Insekten auftauchen wie damals in der Mandschurei.
Seine Belohnung soll er an die ehemaligen Mitarbeiter der Einheit 731 verteilt haben, als
Schweigegeld. Mit dem Einsatz biologischer Waffen gegen Nordkorea und die chinesischen Truppen
verletzen die USA das Genfer Protokoll von 1925.
Trotzdem lässt sich der Anmarsch der Chinesen nicht aufhalten. Am 30.11. droht Präsident Truman
mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die USA besitzen bereits 450 Atombomben, während die
Sowjetunion erst 25 Bomben hat, weshalb man sich keine Sorgen macht. Aber es fehlen genügend
grosse Ziele in Nordvietnam. Trotzdem legt MacArthur am 26.12. eine Liste mit 26
Atombombenzielen vor, und er wollte acht weitere auf die "Invasionstruppen" und ihre
Luftwaffenstützpunkte werfen. Er legt den 10.3.51 als atomaren "D-Day" fest, worauf die Sowjets
200 Bomber in die Mandschurei verlegen, von wo sie nicht nur Korea, sondern auch die US-Basen in
Japan erreichen können. Am 6.4. erhält General Omar Bradley von Truman die Zustimmung für die
Verlagerung der Atombomben zum Einsatz gegen Ziele in China und Nordkorea, worauf die 9.
Bombergruppe nach Guam verlegt wird.
MacArthur wird aber nicht wegen dem geplanten Atombombeneinsatz oder den Kriegsverbrechen
am 10.4.51 aus dem Dienst entlassen, sondern weil er für Robert Lovett, George C. Marshall, William
Averell Harriman und Dean Acheson zu unabhängig ist. Lovett wird Verteidigungsminister, Harriman
Direktor der Mutual Security Agency und damit Chef der anglo-amerikanischen Militärallianz.
Harrimans Interesse deckt sich mit denen der Brüder Dulles und gilt der Organisation von verdeckten
Operationen und psychologischer Kriegsführung, wozu er 1951 das Psychological Strategy Board
gründet. An die Spitze beruft er Bush-Freund Gordon Gray, der Sponsor der Sterilisationen in North
Carolina. Während dem Krieg änderte die Sterilization League of America ihren Namen in "Birthright,
Inc.", aber nicht ihr Ziel der Verhinderung des Bevölkerungswachstums von Nichtweissen. Gordon
Gray, Sohn von R. J. Reynolds Tobacco-Besitzers Bowman Gray, gründete eine Medizinschule mit
Eugenik-Zentrum in Winston-Salem, wo Dr. Claude Nash Herndon und Dr. Clarence Gamble mehrere
hundert Kinder aus North-Carolina mit einem Intelligenzquotient unter 70 sterilisieren. Da Gray das
Winston-Salem Journal, die Twin City Sentinel und die Radiostation WSJS besitzt, haben die
Experimente eine gute Presse.
Rockefeller-Foundation-Präsident John Foster Dulles und John D. Rockefeller III. gründen 1952 das
Population Council zur Wachstumskontrolle. Erster Präsident wird Frederick Osborne, der langjährige
Sekretär der American Eugenics Society, die ab 1953 von Nash Herndon präsidiert wird.1972 heisst
die Liga "Association for Voluntary Surgical Contraception" und führt unter dem Deckmantel der
Entwicklungshilfe Sterilisationen durch. 1988 zahlt die Agency for International Development unter
Bush $80 Mio. für Sterilisationsprogramme in 58 Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, wobei 2
Seite [93]
Millionen Sterilisationen durchgeführt werden. Drew Parsons enthüllt die Verbindung des für den
Senat kandidierenden Prescott Bush zur Sterilisationsorganisation, worauf dieser knapp verliert.
Im Juni 1951 zieht der Vereinigte Generalstab den Einsatz von Atombomben, diesmal als taktische
Gefechtswaffen, erneut in Betracht. Unter dem Druck Eisenhowers, die Atombombe einzusetzen,
ziehen sich Chinesen wieder aus Südkorea an die Demarkationslinie zurück. Täglich lassen die B-29
800 Tonnen Napalm auf die Bevölkerung nieder, deren Überlebende in Höhlen und Erdlöchern
hausen müssen. Das Verteidigungsministerium schickt deshalb Samuel Cohen nach Korea, um eine
Methode zu entwickeln, wie man den Feind ohne Zerstörung der Infrastruktur vernichten könnte.
Cohen wird der Vater der Neutronenbombe.
1952 wird die 5000 Mann starke Spezialruppe Green Berets für die unkonventionelle Kriegsführung,
Terrorbekämpfung und die Ausbildung fremder Truppen gegründet. Sie werden nach Korea vor allem
in Vietnam und bei der Niederschlagung der kommunistischen Guerillabewegungen in Lateinamerika
eine zentrale Rolle spielen.
Beim Rückzug wenden die USA die Taktik der verbrannten Erde an. Im Frühling 1953, nachdem die
Bauern den Reis eingepflanzt haben, bombardiert die US-Luftwaffe die riesigen Staudämme von
Kusong und Toksan in Nordkorea. Die Landwirtschaft, der einzige noch funktionierende Bereich, wird
damit zerstört. Die ausgelöste Flutwelle reisst ganze Dörfer mit, und die Hauptstadt steht unter
Wasser. In 200'000 Arbeitstagen wird das Wasserreservoir nach dem Krieg mühsam wieder
aufgebaut.
Am 27.7.53 wird in Panmujom nach zweijährigen Verhandlungen ein Waffenstillstand geschlossen,
das wieder den 38. Breitengrad zur Grenze bestimmt. Schon vorher haben die Amerikaner aufgehört,
Bombenangriffe zu fliegen, weil alles restlos zerstört war, wobei auch auf die Südkoreaner keinerlei
Rücksicht genommen wurde. Zwischen 1950 und 1953 kommen in Korea 3-4 Millionen Menschen
um, mindestens 1,3 Mio. Südkoreaner, 1 Mio. Chinesen, 500'000 Nordkoreaner und 54'000
Amerikaner (5,72 Mio. Amerikaner kämpften im Koreakrieg). Zwei Drittel der Toten sind Zivilisten,
und mehrere Millionen Koreaner flohen. 18 der 22 grössten Städte sind mindestens zur Hälfte
zerstört, Pyöngyang zu 75%, die Industriestädte Hamhung und Hungnam zu 80%, Sinajnu zu 100%.
Diktator Syngman Rhee kann sich mithilfe seines Polizeiapparates bis im Februar 1960 an der Macht
halten. 1972 entsteht im Süden eine breite Demokratisierungsbewegung, die von den USA vorerst
niedergeschlagen wird, aber in den 80er Jahren Erfolge zeigt. Im Dezember 1992 wird mit Kim Young
Sam erstmals seit Rhee wieder ein Zivilist zum Präsidenten gewählt, und unter Kim Dae Jung wird
1998 eine Versöhnungspolitik mit dem Norden eingeleitet. . Noch im Jahre 2000 sind 37'000 USSoldaten in Südkorea stationiert, und 8100 GIs gelten immer noch als vermisst. Als ob es keinen
Napalm- und Biowaffenkrieg, keine Massaker an Zivilisten und keine sinnlosen Zerstörungen der
United Sadists of America gegeben hätte, bezeichnet George Warlord Bush 2002 Nordkorea als
Schurkenstaat, weil es an der Entwicklung der Atombombe arbeite. Damit wird erneut ein
Konfrontationskurs eingeschlagen.
Die Angst der Nordkoreaner vor ausländischen Invasoren liegt aber nicht nur in der amerikanischen
Katastrophe begründet: Schon 1910 wurde Korea von Japan überfallen, worauf es zu zahllosen
Massakern, Misshandlungen und Verschleppungen kommt. 100'000 Frauen werden zur Prostitution
gezwungen, und ein Viertel der Todesopfer der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki sind
verschleppte koreanische ZwangsarbeiterInnen.
Quellen: Horowitz: 100-128, Endicott, Best: 67, Tarpley/ Chaitkin: 43-46, 55ff, Karel (2004), Cummings (2004), Pohlmann, Song/
Werning (2012).
Seite [94]
3.6. Dezember 1950 Die CIA in Mexiko
E. Howard Hunt übernimmt die CIA-Station von Lateinamerika in Mexico City. Ehemalige FBI-Agenten
in Mexico wie Winston MacKinley Scott, William King Harvey und Raymod Leddy wechselten zur CIA,
nachdem sie die Dokumente verbrannten, damit sie der Konkurrenz Hoovers nicht in die Hände
fielen. Hoover baute während dem 2. Weltkrieg das Special Intelligence Service-Spionagenetzwerk in
Lateinamerika mit Basis in Mexico auf.
Die geheime Finanzierung zum Ausbau der CIA-Station kommt von der International Organizations
Division, eine Abteilung des Office of Policy Coordination, das über ein Bugdet von $100 Mio. für
verdeckte Operationen verfügt. Hunts Aufgabe in Mexiko ist, Antikommunisten zu unterstützen, vor
allem in Bezug auf die Führungsrollen in Gewerkschaften und Studentenorganisationen.
Everette Howard Hunt, dessen Vater ein Freund des OSS-Gründers William J. Donovan ist, studierte
englische Literatur und Journalismus und wurde an der Yale Drama School aufgenommen. Nach
einem Jahr bei der Navy arbeitete er für die Time im Südpazifik. 1944 begann er beim OSS und
kooperierte mit Lawrence Houston, Walter Kuzmuk und Claire Chennault für Paul Helliwell in China.
Hunt arbeitete 1948 als Wirtschaftsattaché in Paris mit Richard Bissell, OPC-Direktor Frank Wisner
und William Averell Harriman. 1949 trat Hunt dem Office of Policy Coordination der CIA bei und
heiratete Dorothy Wetzel.
Frank Wisner wurde im 2. Weltkrieg von William Donovan rekrutiert und in den Balkan geschickt.
Seine Operationen dort gelten als vorbildliche Modelle für psychologische Kriegsführung. Wisner
nahm im April 1945 im Auftrag von Dulles Kontakt mit Reinhard Gehlen auf, um ihn anzuwerben.
Nach seinem Einsatz in Italien und dem Aufbau eines Agentennetzes in Osteuropa wurde er 1948
zum Direktor des Office of Policy Coordination ernannt, das 1952 offiziell mit der CIA fusioniert.
Dabei rekrutiert er ausländische Studenten, infiltriert Gewerkschaften und kümmert sich um die
Propaganda-Instrumente, um die "Wahrnehmung gegenüber dem Kommunismus zu verändern".
Über James Burnham lernte Hunt William F. Buckley Jr. kennen und holte ihn in die CIA. Buckley Sr.
besitzt die Pantipec Oil in Mexico, deren Wert auf $110 Mio. geschätzt wird. William F. Buckley Jr.
dient von 1950 bis 1954 bei der CIA in Japan und Mexico, danach gibt er die The National Review
heraus und hilft beim Aufbau des "American Committee to Aid the Katanga Freedom Fighters", die
im Kongo gegen Patrice Lumumba kämpfen. Zusammen mit Douglas Caddy gründet Buckley 1960 die
"Young Americans for Freedom", deren Mitglieder wie Tom Charles Huston für die CIA und Howard
Hughes arbeiten. Im Verwaltungsrat der YAF sitzen Scharfmacher wie die Senatoren Strom
Thurmond, John Tower und Barry Goldwater, Ronald Reagan, Professor Lev Dobriansky, General
Charles Willoughby, General Mark Clark, John Wayne und Robert Morris. Buckley ist ein Freund von
Cord Meyer, der die United World Federalists gründet, bei denen Ruth Forbes Paine ein aktives
Mitglied ist.
James Burnham war zusammen mit George Lyman Paine eine leitende Figur der United World
Federalists. Als Undercoveragent diente er sich in der trotzkistischen Bewegung hoch, um sie zu
manipulieren oder zu spalten. Burham wurde danach Chef der verdeckten Aktionen bei der CIA. Leon
Trotsky wurde im mexikanischen Exil im August 1940 von Ramon Mercador, einem Agenten der
Geheimpolizei, umgebracht. Burnham beriet bereits 1942 das OSS und das OPC bei Mordoperationen
in Algier und unterstützt Howard Hunt, der Agenten in die mexikanische Trotsky-Bewegung infiltriert.
Das National Security Council erlaubt 1950 mit dem Beschluss NSC-68, dieselben Methoden
anzuwenden wie die UdSSR, womit Geheimdienstaktionen gemeint sind, die die Ermordung von
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Regimekritikern miteinschliessen. Die CIA-Station in Mexico beschäftigt allein sieben Agenten zur
Registratur von Personen öffentlichen Interesses in Mexico. Ein Ingenieur baut in der
Telephongesellschaft ein umfangreiches Abhörsystem auf, das nicht nur den Telephonverkehr einiger
Botschaften, sondern auch der mexikanischen Politiker bis hin zum Präsidenten aufnimmt. Auch in
Parteibüros und Buchläden werden Abhöreinrichtungen installiert. Daneben knüpft die CIA ein Netz
von Verbindungen zu Regierung, Staatsapparat, Armee, Parteien, Gewerkschaften, Massenmedien
und Kirchen. Diese Kontakte erhalten oft Geld oder werden unter Druck gesetzt, damit sie
kooperieren. Die New Yorker Bank Deak und Company spezialisiert sich auf die diskrete Überweisung
von Bestechungsgeldern von Geheimdiensten und Waffenhändlern. Aber auch gemeinnützige
Stiftungen eignen sich für Geldtransaktionen. Nahezu die Hälfte der Gelder, die von US-Stiftungen im
Ausland ausgegeben werden, stammt von der CIA.
Quellen: Bartholomew (2): 13f, (4): 2, Weberman (6): 3-8, Powers: 54, Schulz: 158f, Mason: 1f, Brussell (1983): 12-15, Schröder,
Kappstein: 33.
3.7. 1951 Mafia-Untersuchungen
Der Senats-Ausschuss unter dem Vorsitz von Estes Kefauver untersucht erstmals die
Mafiaverbrechen auf nationaler Ebene. J. Edgar Hoover versuchte, das Kefauver-Komitee zu
verhindern und sammelte "Dreckmaterial" über den Senator. Hoover untersagt seinen Beamten jede
Kooperation mit dem Ausschuss und verbietet ihnen sogar, das Wort Mafia zu brauchen. Er
verweigert, selbst nachdem zwei Augenzeugen umgebracht werden, jeden Begleitschutz für die
Aussagewilligen. Das FBI hat keine Abteilung zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens, da
Hoover behauptet, es gebe kein nationales Verbrechersyndikat. Werden Zeugen zu MafiaVerbrechen oder beschuldigte Mafiosi vernommen, lässt der FBI-Direktor die Protokolle unter
fehlleitenden Begriffen archivieren.
Am 25.1.51 muss Carlos Marcello vor dem Ausschuss aussagen. Er benutzt 152 Mal den 5.
Zusatzartikel, der Aussageverweigerung erlaubt, wenn man sich damit selbst belasten würde. Wegen
Missachtung des Kongresses wird Carlos deshalb zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, was ein
Berufungsgericht aber aufhebt.
1953 kommt es zum ersten Ausweisungsbefehl gegen Marcello, was zu einem jahrzehntelangen
Rechtsstreit führt, der Marcello insgesamt $1Mio. kostet. Nach dem Ausweisungsbefehl wechselt
Carlos Marcello 1953 sein Hauptquartier. Am Ausgang des "Town & Country-Motel", das er mit Nofio
Pecora und Joseph Poretto leitet, hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Drei können ein Geheimnis
bewahren, wenn zwei tot sind".
Untersuchungsrichter Aaron Kohn kommt nach New Orleans und bildet die Metropolitan Crime
Commission of New Orleans zur Bekämpfung der Marcello-Organisation. Zu Beginn seiner Arbeit
muss Kohn feststellen, dass alle lokalen Akten über Marcello vernichtet worden sind. Aber seine
Kommission kann einen Teil der Korruption aufdecken und mindestens drei Morde auf Marcello
zurückführen. Kohn zufolge verdient Marcello sein Geld mit allen Arten von Glücksspielen, Drogen,
Prostitution, Handel mit gestohlenen Waren aus Raub, Einbrüchen und Diebstahl. Die Profite
investiert er in legale Firmen: Motels und Restaurants, Banken und Finanzfirmen,
Spirituosenvertriebe, im Schiffsbau, in Taxi- und Busbetrieben, Rundfahrtlinien, Tankstellen,
Wäscheverleihfirmen, Souvenirgeschäfte, Schallplattenvertriebe, Elektrogeschäfte und eine
Tomatenkonservenfabrik. Die US-Marine ist der Hauptkunde von Marcellos Pelican Tomato
Company. Diese bildet seine Legitimation als einfachen Tomatenverkäufer, an der auch der für
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Marcello zuständige FBI-Beamte Regis Kennedy festhält. 1957 und 1958 kommt es dann zu zwei
Anklagejurys, bei denen mehrere hochrangige Polizeibeamte wegen Korruption angeklagt werden.
Jack Ruby ist ein Informant des Kefauver-Komitees und kann erreichen, dass Dallas von einer
Untersuchung wegen Mafiaaktivitäten und Polizeikorruption verschont wird. Joe Kennedy wird in
Zeugenaussagen des Bootleggings belastet, erscheint aber nicht im Index der Verhöre. Die im
Fernsehen direkt übertragenen Hearings machen die Mobster berühmt, womit die Geschäfte
schwieriger werden. Im Zentrum der öffentlichen Verhöre stehen vor allem die Unterwelt von New
York und Frank Costello, weshalb Vito Genovese ihn und sein Umfeld ausschalten will. Costello will
seinen "Ruf" verteidigen und beantwortet bis zu einem gewissen Punkt die Fragen des Ausschusses,
wodurch er nationale Berühmtheit erlangt.
Frank Costello und Albert Anastasia verbünden sich: Costello braucht Anastasia aufgrund der
Konkurrenz, die Genovese innerhalb der Luciano-Familie auslöst. Nach der Rückkehr aus dem
neunjährigen Exil in Italien hat Genovese die Führung der Familie wieder übernommen, aber nicht
ohne dass es zu Missstimmungen kam. Anastasia andererseits hat sich schon lange von seinem Boss
Vincent Mangano distanziert, der mit seinem Bruder Philipp nur kassiert, was Anastasia und Tony aus
dem Hafen herauspressen. Wegen seiner Allianz mit Costello muss Anastasia befürchten, dass
Vincent Mangano ihn beseitigen will. Am 19.4.51 wird Phil Mangano tot im Sumpfgebiet bei
Sheepshead Bay gefunden und Vincent Mangano verschwindet spurlos. Mit der Unterstützung
Costellos wird Anastasia am nächsten Treffen der Bosse in Manhattan zum Chef der ManganoFamilie erklärt. Frank Scalise und Joe Adonis werden seine Unterbosse und Carlo Gambino sein
Berater. Mit ihnen übernimmt Anastasia die Kontrolle über die 300 Docks und 40'000 Arbeiter des
Hafens, dem Umschlagplatz der Mehrheit der Importe in die USA. Diese fast grenzenlosen
Möglichkeiten zum Geldverdienen, auch mit dem Schmuggel, und sein Bündnis mit Costello machen
Anastasia zum mächtigsten Boss in New York in den nächsten Jahren.
In den 40er Jahren arbeitete Joe Adonis intensiv mit Willie Moretti in den Spielcasinos von New
Jersey und Brooklyn. Moretti, der Boss von New Jersey, leidet an Syphilis, weshalb Vito Genovese die
meisten Syndikatsmitglieder von dessen Gefährlichkeit überzeugen kann. Der Alliierte von Costello
und Förderer von Frank Sinatra wird am 4.10.51 in einem Restaurant ermordet. Damit verstärkt
Genovese seine Position gegenüber Anastasia und strebt danach, der Boss der Bosse zu werden.
Allerdings ist auch er für die Syndikatsmitglieder nicht ungefährlich. Nachdem er seiner Frau an einer
Party zwei Zähne ausgeschlagen und eine andere Frau, die sich einmischte, ebenfalls geschlagen hat,
erzählt seine Frau während der Scheidungsverhandlung, wie Genovese sein Geld verdient. Aber die
Justiz interessiert sich mehr für Costello, der im Sommer 1952 für 18 Monate ins Gefängnis wandert
wegen Missachtung des Gesetzes vor dem Kefauver-Ausschuss.
Quellen: Meurice, Davis (1988): 64-80, Weberman (6), (27): 17, Pease (1995), Summers (1993): 228-231, Cran, Davis (1994):
62ff, 72, Giancana: 307, Best: 6, 8, Scott (1993): 129ff, 189ff, 217ff, Sylwester.
3.8. 1951 CIA-Programme zur Verhaltenskontrolle
Die CIA startet das Projekt ARTICHOKE unter Leitung von Morse Allen, dessen Versuche das Ziel
haben, Leute mittels Hypnose zu unfreiwilligen Killern zu machen. Programmierte Mörder könnten
laut Memobericht missliebige Politiker beseitigen und würden nach vollbrachter Tat in
Polizeigewahrsam genommen und ausgeschaltet. Untersuchungen an verurteilten Mördern sollen
herausfinden, ob diese "besondere organische Eigenschaften" haben. Dieses Programm ist eine
Fortsetzung der Humanexperimente der nationalsozialistischen Wissenschaftler, von denen sieben in
Nürnberg zum Tod verurteilt wurden, und deren Arbeiten statt in ein Archiv an die CIA gingen. Dieses
Seite [97]
Wissen verschaffte den amerikanischen Wissenschaftlern einen Vorsprung auf dem Gebiet der
Verhaltensmanipulation.
Von Interesse sind auch leistungssteigernde Medikamente für den Kriegseinsatz. Hitlers
Blitzkriegserfolge sind wesentlich durch das Amphetamin ‚Pervitin' der Firma Temler ermöglicht
worden. Das Doping, das die Konzentration über Stunden steigert, euphorisiert und die Müdigkeit
vertreibt, wurde 1937 entdeckt und der breite Einsatz des Medikaments führt dazu, dass die meisten
deutschen Soldaten süchtig vom Krieg zurückkehren. Die Geschichte des Krieges und des Drogen
gehören zusammen. Schon Alexander der Grosse liess bei allen Garnisonsstätten Opium anpflanzen,
oder die napoleonischen Kriege waren ohne Opium nicht denkbar.
Schon während dem Krieg experimentierte das OSS mit Marihuana-Derivaten, um eine
Wahrheitsdroge zu finden. Die CIA nahm die Verhaltensmodifikationsversuche zunächst unter dem
Namen BLUEBIRD wieder auf, um eigene Mitarbeiter zu konditionieren, damit sie im Falle einer
Enttarnung keine Geheimnisse verraten und nicht "umprogrammiert" werden können, wobei
verschiedene Drogen, Schlafmaschinen, Lügendetektoren und Hypnosetechniken getestet und
eingesetzt wurden. Das im August 1951 in ARTICHOKE umbenannte Programm untersteht dem Office
of Security, einer Abteilung der Technical Service Division, die Waffen, falsche Dokumente,
Tarnungen und Codes produziert. Das OS führt Akten über 300'000 US-Bürger, mit einem
Hauptinteresse für sexuelle Orientierungen und Präferenzen.
Mitte 1953 startet Allens Stellvertreter Dr. Sydney Gottlieb das Projekt MK/ULTRA, das
Verhaltenskontrolle und Ermordungsstrategien mittels Drogen, Elektroschocks und chemischen,
biologischen und radioaktiven Materialien weiter ausbaut. Gottlieb promovierte an der Technischen
Universität von Kalifornien in Chemie und übernahm im Alter von 33 Jahren die Chemical Division des
TSD der CIA. Er gewann schnell die Achtung seiner Kollegen und von Richard Helms, weil er sich nicht
vor heiklen Aufgaben drückte, wozu beispielsweise verrückte Vergiftungspläne gegen Abdul Karim
Kassem und Fidel Castro gehören. Durch MK/ULTRA werden Medikamente zur Willens- und
Bewusstseinssteuerung wie das Bulbacapin gefunden, sowie eine tödliche Droge, die keine Spuren
hinterlässt.
Die ausgedehntesten Experimente werden mit dem 1943 entdeckten LSD gemacht, von dem 1953 für
$240'000 Proben an verschiedene Universitäten und Labors für zum Teil gefährliche Tests geschickt
wird. Es werden Kollegen und Leute "von zweifelhafter Loyalität, verdächtige Agenten oder Spitzel,
Subjekte mit Geheimwissen" ausgewählt, die zu ahnungslosen Versuchskaninchen werden. Gottlieb
engagierte den Zauberkünstler John Mulholland, der den CIA-Agenten beibringen soll, wie man
unbemerkt Drogen in Drinks kippt.
Zu den Opfern gehören Prostituierte mit Kundschaft in San Francisco und New York, wo George
White in Appartements Beobachtungsposten einrichtet, zu den 5000 Personen, an denen
Halluzinogene ausprobiert werden. Whites Assistent Ira Feldman betätigt sich als Zuhälter, wobei die
Frauen mit Gutscheinen, die sie beispielsweise bei einer Verhaftung einsetzen können, und
Heroinsüchtige mit Heroin für die Teilnahme an Experimenten belohnt werden. Die Tonbänder und
Fotos der 'Safehouses' dienen gleichzeitig dazu, Erpressungsmaterial zu beschaffen, so dass sich die
Testopfer nicht wehren können. Jahre später schreibt White in einem persönlichen Brief an Gottlieb:
"Ich war ein höchst unbedeutender Missionar, ein Ketzer praktisch. Aber ich habe aus ganzem
Herzen in den Weinbergen geackert, weil es Spass, Spass und nochmals Spass machte. Mit dem
Segen des Allerhöchsten lügen, töten, betrügen, stehlen, vergewaltigen und plündern - wo sonst
hätte ein echter Amerikaner das tun können?"
Seite [98]
George White ist neben Garland Williams und Charles Siragusa einer der Topbeamten des Federal
Bureau of Narcotics von Harry Anslinger und dient als Schnittstelle von Drogenhändlern und
Geheimdienstagenten zwecks antikommunistischer Aktionen. Im 2. Weltkrieg war White Offizier der
Gegenspionageabteilung X-2 des OSS und an der Operation UNDERWORLD beteiligt, die den Hafen
New Yorks sicherte, die Invasion in Sizilien erleichterte und Luciano aus dem Gefängnis brachte.
White und Siragusa waren an den antikommunistischen CIA-Aktionen 1948 in Italien und der
Unterstützung der Hip Sing Tong-Mafia in Hong Kong beteiligt, welche schon in den 30er Jahren im
Drogenhandel war und mit der Kuo-min-tang zusammenarbeitet. FBN-Agent Garland Williams
verschaffte dem Mobverbündeten Satiris "Sonny" Fassoulis 1949 einen Job bei der Commerce
International China als Zuständiger für militärischen Nachschub und Berater von Tschiang Kai-Schek
in Taiwan. Fassoulis Name taucht in mehreren grossen Finanzskandalen in den USA auf.
White verabreichte bereits vor dem Krieg konzentriertes Marihuana an Ahnungslose, unter anderem
auch an August Del Gracio, einem Vertrauten von Lucky Luciano. 1966 gelingt es dem israelischen
Geheimdienst, Cannabis synthetisch herzustellen, das die US-Armee 1967 zur Kriegsverwendung
weiterentwickelt.
Es gebe nur einen "operativ realistischen" Weg, Drogen zu testen, erklärt CIA-Direktor Richard Helms
später, "das Experiment an ahnungslosen Menschen". Viele der Drogenuntersuchungen werden aber
nicht in den CIA-Labors und -Safehouses selbst durchgeführt, sondern über Stiftungen und
Direktaufträge an 88 Experten vergeben. 86 Universitäten und Colleges (z. B: University of Illinois,
University of Minnesota,) und viele Spitäler (z. B: Mount Sinai Hospital, Boston Psychopatic Hospital,
Valley Forge General Hospital, Detroit Psychopatic Clinic, Mayo Clinic, National Institue of Health, wo
Krebskranke für Tests gebraucht werden) experimentieren mit. In Montreal beispielsweise testet der
Psychiater Ewen Cameron langjährige und mehrstufige Bewusstseinsmanipulationsprogramme
(MK/ULTRA Subprojekt 68) mit massiven Elektroschocks, Dauerbeschallungen in Isolationszellen,
dem nervenlähmenden Curare, Schlafmitteln und LSD an ahnungslosen PatientInnen. Der Londoner
Arzt Dr. Sergeant experimentiert im Auftrag der CIA mit Schlafkuren und Elektroschocks zur
Verhaltensprogrammierung an depressiven Patientinnen.
Arzneimittelproduzenten und Gefängnisse in den USA (z.B. im kalifornischen Folsom-Gefängnis, in
Vacaville und in Springfield), aber auch in Lateinamerika und Südostasien machen mit. Der
Pharmakologe Dr. Carl Pfeiffer führt LSD-Versuche für die CIA in den Gefängnissen Atlanta und
Bordentown, New Jersey durch. Allein das Gesundheitsministerium gibt von 1954 bis 1968 $7,5 Mio.
für 2500 LSD-Versuche in den Gefängnissen aus. Zudem wird LSD zwischen 1953 und 1973 an 745
Armee-Angehörigen ausprobiert, oft ohne deren Wissen. Eines der bekanntesten
Drogenversuchsopfer der Armee ist der Profi-Tennisspieler Harold Blauer. Alle Beteiligten halten sich
an die auferlegte Schweigepflicht.
Ende der 60er Jahre verliert die CIA das Interesse am LSD, das 1966 verboten wird, weil es zu wenig
verlässliche Geständnisse hervorbringt, und testet vermehrt mit Opiaten und BZ (=Quinuclidinyl
Benzilat ist 100 Mal stärker als LSD). General Lloyd Fellenz und Solomon Snyder entwickeln Pläne, BZ
im Kriegsfalle in die Trinkwasserversorgung des feindlichen Landes zu kippen, wozu in Dugway
Proving Ground in Utah 50 Tonnen der Droge gelagert werden.
Bei der Versetzung Helms als Botschafter nach Teheran 1973 vernichtet Gottlieb alle verbleibenden
Dokumente über MK/ULTRA, das aus 149 Unterprojekten bestanden hat. Eines davon ist CHATTER,
das eine Wahrheitsdroge für Verhöre und Agentenrekrutierung sucht, wobei beispielsweise
Scopolamin, Mescalin oder Anabasis Aphylla eingesetzt werden. Fester Bestandteil des Programms,
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bei dem der Psychiater Dr. Edgar Schein eine zentrale Rolle spielt, sind die Versuche mit dem
Wahrheitsserum Sodium Penthotal, das kombiniert mit anderen Medikamenten beispielsweise
Todesängste hervorrufen soll. Schein fordert 1961 die systematische Gehirnwäsche bei
Strafgefangenen, da sie das Recht auf eine eigene Persönlichkeit durch die Straftat verwirkt hätten.
Die Fernsteuerung von Menschen und das Erlangen von Informationen in Verhören werden mit
Elektroschocks, Bestrahlungen, Ultraschall, Psychochirurgie, auch an Geisteskranken, versucht. Mit
der Forschung über hypnotische Suggestion wurde Dr. George Estabrooks bereits nach Pearl Harbor
beauftragt. In den 50er Jahren wird an der Kombination von Hypnose und Drogen weitergeforscht,
was als besonders erfolgreich angesehen wird.
1962 bombardieren die Sowjets die US-Botschaft in Moskau mit Mikrowellen, die Auswirkungen auf
das Zentralnervensystem haben können. Die CIA verheimlicht diese Bestrahlung trotz Entdeckung,
vermutlich weil sie selbst solche Untersuchungen an der Universität von Illinois durchführt. Auch das
Office of Naval Intelligence finanziert Forschungen wie die des Neurophysiologen José Delgado über
die elektronische Manipulation des Hirns.
In der CIA-Forschungsabteilung werden 1300 Wissenschaftler beschäftigt, die spurenlose Gifte und
geräuschlose Pistolen entwickeln sowie Provokations-, Sabotage- und Mordkommandos ausbilden.
Hauptaufgabe des Office of Special Operations unter Oberst Boris T. Pash ist die Beseitigung von
Doppelagenten, aber es werden auch missliebige Politiker umgebracht, wie der linke griechische
Abgeordnete Lambrakis. Pash war bei der Army Intelligence der Chef der ALSOS Mission, die
versuchte, deutsche Wissenschaftler zu "fangen", um die vermutete deutsche Atombombe in den
USA fertigzustellen. Nach dem Krieg half er Nazi-Wissenschaftlern, in die USA zu kommen.
Die CIA erarbeitet ein 22seitiges Manual mit dem Titel "A Study of Assassination", das verschiedene
Mordtechniken, angemessene Waffen und Vertuschungstechniken wie Tarnungen als Unfälle erklärt.
Laut diesem Handbuch dürfen Mordaufträge nie schriftlich erfolgen und nicht in die Akten
aufgenommen werden. In einem Spezialprogramm wird versucht, 40 Kinder (ab 6jährig) zu Killern zu
programmieren: sie lernen verschiedene Mordtechniken, erhalten Scharfschützentraining und eine
Gehirnwäsche. Zur Mordabteilung gehören General Robert Cushman, John Richardson, John Baker,
Milton Buffington, Tracy Barnes sowie E. Howard Hunt. Viele der Mordpläne werden aber nicht
ausgeführt oder scheitern, wie der gegen den chinesischen Premierminister Tschou En-lai, der 1955
vergiftet werden soll, oder derjenige gegen den Journalisten Jack Anderson, dem man das Lenkrad
seines Wagens mit LSD besprühen will.
Quellen: Callahan: 97, Scott (1993): 172f, Weber: 28-50, 57-68, Schulz: 155ff, CIA-Info: 5f, 13, Kirchmann, Marks, Ege (1984):
161-167, Powers: 238ff, Amendt, Albrecht/ Schäfer, Koch/ Beck, Bitar 2010.
3.9. 1952 Biowaffen
Parallel zu MK/ULTRA läuft NK/NAOMI, ein gemeinsames Projekt der Technical Services Division der
CIA und der Special Operations Division der U.S. Armee in Fort Detrick in Maryland, wo 600
Wissenschaftler ab 1952 während 18 Jahren biologische Waffen entwickeln und testen. Dabei
werden Giftpfeile, Gifttabletten oder biologische Waffen gegen Getreide und Tiere entwickelt.
Insgesamt gibt es in dieser Zeit über 200 Freiluftexperimente mit biologischen Waffen.
Schon 1930 bekam der I.G.Farben-Chemiker Gerhard Schrader von seinem Chef Otto Bayer den
Auftrag, Insektizide als Kampfstoffe zu entwickeln. 1937 produzierte er das Nervengas Tabun, 1939
das Sarin und 1944 das Soman, die zuerst an Affen und später an KZ-Häftlingen in Ausschwitz
Seite [100]
ausprobiert wurden. 1945 blieb Schrader als wissenschaftlicher Direktor des Laboratoriums für
Pflanzenschutz bei Bayer Leverkusen an seinem Arbeitsplatz.
Weiter als die Nazis bei den chemischen Massenvernichtungswaffen waren ihre japanischen
Verbündeten, die bei ihrem Überfall auf China 1941 Kugelbomben mit bakteriologischen und
chemischen Kampfstoffen in der Mandschurei erprobten. Um die Forschungen der Japaner, die
biologische Waffen an Gefangenen zuerst testeten, zu übernehmen, integrierten die USA die
Kriegsverbrecher als Zivilberater in ihrer Sondereinheit 406. Der Kriegsverbrecher Nobosuke Kishi,
Minister für Waffen und Munition in Tojos Kriegskabinett, wird 1957 Japans Ministerpräsident. Die
CIA finanziert und fördert die Ein-Parteien-Herrschaft Japans, wodurch die ‚Kolonie' einfacher
kontrolliert werden kann.
Zusammen mit den Kanadiern experimentieren die Wissenschaftler mit Fliegen, Flöhen, Moskitos
und Zecken, um die Keime zu verbreiten. Die Kanadier entwickelten eine 225-Kilo-Bombe, die
200'000 Fliegen transportieren soll. 1952 bestellt die Air Force 23'900 M-33-Streubomben, die je 108
Aerosolbomben mit biologischen Toxinen enthalten, und die Navy entwickelt eine biologische Mine
für den Einsatz von U-Booten aus.
Zwischen 1949 und 1968 werden 26 Operationen in verschiedenen Städten und Landstrichen mit
Nervengiften durchgeführt. Ende September 1950 brach in San Francisco eine
Lungenentzündungsepidemie aus, die die Ärztewelt vor ein Rätsel stellte. Die Marine und die CIA, die
die 800'000 Einwohner als Testpersonen für die Bakterien Bazillus Globigii und Serratia Mercescens
verwendeten, schwiegen. Edward Nevin starb an den Folgen dieser Sprühaktion. Vergleichbare
Breitentests werden 1954/55 mit Keuchhusten-Bazillen (Hemophilus pertussis) in Florida und im
Februar 1956 in New York, wo bei der Operation BIG CITY Bazillen über den Auspuff eines Autos
verteilt werden. Unter dem Codenamen WHITECOAT werden von 1955 bis 1977 153 streng geheime
Experimente mit Q-Fieber, Milzbrand, Hasenpest, Bauchtyphus oder Hirnhautentzündung mit
Vorliebe an freiwilligen 7-Tags-Adventisten ausprobiert, da diese keinen Alkohol trinken und nicht
rauchen. Die Kirchenleitung rekrutiert dafür 2200 junge Männer, die im Gegenzug keinen
Militärdienst leisten müssen.
Quellen: CIA-Info: 5, 11, 14, Potter, DDAH, Cole, Brandt, Kohn/ Meinke: 46, Best: 92-95, Narco, Groden/ Livingstone: 350,
Tarpley/ Chaitkin: 185-209, CNPC: 18, O'Shaughnessy, Schulz: 106, 166-168, 198, Weber: 52-55, Dezalay, Endicott, DiEugenio
(1997): 2, 20, Schneider, Kienzlen, Pepper: 217.
3.10. Mai 1952 Batista und die Mafia auf Kuba
Fulgencio Batista übernimmt am 10.5.52 zum 2. Mal die Macht auf Kuba in einem unblutigen Putsch.
Meyer Lansky bezahlte dem Präsidenten Carlos Prio Socarras $250'000, damit der exilierte Batista die
Bewilligung zur Rückkehr bekam. Die Mafia organisiert Streiks und Unruhen, damit es Gründe für
einen Putsch gibt. Kurz vor den Wahlen stürzt Batista den gewählten Staatspräsidenten, der sich
nicht wehrt. Die USA anerkennen die neue regierung sofort an, weil sie wissen, dass Batista die
amerikanischen Konzerne, wozu insbesondere die Ölkonzerne mit ihren Raffinerien gehören,
gewähren lässt. Der starke Mann in Havanna ist eigentlich nicht Batista, sondern der US-Botschafter.
Als Lansky 1953 aus dem Gefängnis entlassen wird, investiert er grosse Summen in Kuba und zieht
1954 auf die Insel. Lansky und der Diktator stehen sich laut einem Anwalt Lanskys "sehr nahe, wie
Brüder". 1955 erlaubt Batista die Glücksspiele in jedem Nachtklub oder Hotel, das mehr als $1 Mio.
Wert hat und befreit sie von allen Steuern, wofür er die Hälfte der Gewinne der Spielautomaten
einkassiert. Kuba entwickelt sich zum Zentrum des Glücksspiels und damit der Geldwäsche, der
Prostitution für amerikanische Touristen, Spieler, Investoren, Spekulanten und Freier. Im Zentrum
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der Wäsche der Gewinne aus dem Drogenhandel steht die Trust Company, die vollständig von der
amerikanischen Mafia kontrolliert und von Batista geschützt wird.
In den nächsten vier Jahren investieren die Mobster insgesamt $50 Mio. in Havanna. Lansky baut das
einundzwanzigstöckige Riviera Hotel mit Swimming Pool und eiförmigem Kasino, besitzt Anteile am
Sevilla Biltmore, am Tropicana Casino und am Havanna Hilton. Moe Dalitz von Cleveland übernimmt
das Hotel Nacional, wo Lanskys Bruder Jake die Geschäfte führt. Lanskys Freund Charlie "the Blade"
Tourine besitzt das Capri. Das $24 Mio. teure Havanna Hilton leitet Eddie Levinson aus Las Vegas.
Santos Trafficante gehört das Sans Souci und Anteile am Capri, Hilton und Commodoro. Lucky
Luciano hat ebenfalls Anteile am Sans Souci und am Riviera. Auch Sam Giancana und Johnny Roselli
von Chicago sowie Salvatore Granello und James Plumeri von der Lucchese-Familie haben auf Kuba
investiert.
Santos Trafficante kontrolliert den Drogenhandel auf Kuba und in Florida, er besitzt ein Büro im
Teamster Local 320 in Miami, das Dave Yaras und Barney Baker in den 50er Jahren mitaufbauen. Als
Trafficante Sr. stirbt, übernimmt sein gleichnamiger Sohn die Geschäfte und gilt allgemein als der
offizielle Boss auf Kuba.
Kuba ist eine Art Halbkolonie der USA und wirtschaftlich und politisch völlig abhängig. Es hatte sich
sogar das Interventionsrecht des Grossen Bruders in die Verfassung schreiben lassen müssen. Die CIA
baut Batistas Geheimdienst BRAC auf, der sich auf die Folterung von Gefangenen spezialisiert. Die
Gewalt des Regimes gegen den aufkeimenden Widerstand nimmt in der zweiten Hälfte der 50er
Jahre immer mehr zu: 20'000 Oppositionelle sterben. Die USA üben nach der Revolution Castros
grossen Druck aus, um die Freilassung der gefangenen BRAC-Folterer durchzusetzen.
Quellen: Marrs: 169, Davis (1994): 129, Schulz: 175, Best: 32, Olgiatti, Anson: 306-308, Pfletschinger/ Weymar.
3.11. 1952 Nixon, Lansky, Faschisten
Obwohl Richard Nixon dem kalifornischen Gouverneur Earl Warren seine Unterstützung für die
Präsidentschaft versprach, schwenkt "Tricky Dick" nach der Zusicherung von Thomas Dewey für eine
eigene Präsidentschaft um und intrigiert mit Murray Chotiner für General Dwight D. Eisenhower. Der
stramme Antikommunist wird auf dem republikanischen Parteitag zum Erstaunen aller zum Running
Mate Eisenhowers ernannt.
Unterstützt wird Nixon dabei von Prescott Bush, der Vater des späteren Präsidenten. Der
überraschende Tod des 48jährigen Senators James O'Brien McMahon am 28.7.52 erlaubt es Bush, im
Fahrwasser des Kriegshelden Eisenhower problemlos in den Senat gewählt zu werden. McMahon
war von 1935 bis 1939 stellvertretender Justizminister und dürfte über die Nazigeschäfte von Bush
informiert gewesen sein. Der optimale Zeitpunkt seines Todes und die Möglichkeit, dass McMahon
seine Karriere hätte zerstören können, lassen auf Mord schliessen.
Nixon und Eisenhower treten im Wahlkampf als Reinemacher gegen die korruptionsgeschüttelten
Demokraten unter Harry Truman auf, bis die Presse berichtet, Nixon hätte $18'000 Wahlkampfgelder
von konservativen Geschäftsleuten in die eigene Tasche gesteckt. Nixon behauptet, die
Kommunisten steckten hinter dieser "Verleumdung" und kann seine Haut mit einer populistischen
Rede im Fernsehen (‚Checkers Speech') retten, indem er sich als armen Schlucker darstellt. Dank dem
Wahlkampfstrategen Murray Chotiner wird Nixon aber mindestens von 27 Grossfirmen und
Millionären finanziert, die wissen, dass Nixon macht, was sie von ihm verlangen, wie es bei den
Aktionen gegen Onassis offensichtlich wird.
Seite [102]
Von 1952 bis 1956 vertritt Murray Chotiner mit seinem Bruder Jake Mafiosi in 221 BuchmacherProzessen. Nixon arbeitete in den 40er Jahren als Anwalt für Meyer Lansky, der seinen
Wahlkampffinanzmanager Dana Smith sehr gut kennt. Lansky und Nixon treffen sich anfangs der
50er Jahre auf Kuba, wo Nixon als passionierter Spieler bekannt ist. Nixon ist öfters auf der Insel als
gerngesehener Gast bei Batista und verleiht ihm 1955 als Vizepräsident die Ehrenmedaille.
An einem Abend im März 1952 verspielt Nixon im Sans Souci $4200, was offenbar das Casino
übernehmen soll, weshalb es zu einem Streit kommt. Nixon, Bebe Rebozo, Smith und Richard Danner
kennen jedoch Norman Rothman, der das Sans Souci für die Mannarino-Brüder leitet, die mit Santos
Trafficante zusammenarbeiten.
Bebe Rebozo, der an Lanskys illegalen Spielcasinos in Halandale bei Fort Lauderdale und im Osten
von Miami beteiligt ist, und Nixon investieren gemeinsam in Kuba, beispielsweise ins Coral Gables
Motel. Lanskys Kontakte zu Nixon laufen auch über George Smathers, und über "Jimmy" Alo, Lanskys
rechte Hand und Manager des Hotel Nacional, laufen die Gelder für Nixons Wahlkampf. Nixon
benützt die Kommunistenhysterie, um den demokratischen Kandidaten Adlai Stevenson, den Sam
Giancana finanziert, zu attackieren.
Von den $100'000 Schmiergeldern, die Nixon vom rumänischen Geschäftsmann Nikolae Malaxa für
seinen Einsatz erhält, damit dieser in den USA bleiben kann, erfährt die Öffentlichkeit dank der CIA
nichts. Malaxa unterstützte Hermann Göring, geschäftete im 2. Weltkrieg mit Alfred Göring, gehörte
zum Gestapo-Netzwerk von Otto von Bolschwing und finanzierte die "Iron Guard", die mit der
Auslandgeheimdienstabteilung des SS zusammenarbeitete und in Bukarest 7000 Juden umbrachte.
Nach dem Krieg schlug er sich auf die Seite der Kommunisten und wurde mit der Rückgabe seines
von der Partei eingezogenen Vermögens von $2,4 Mio. (nach anderen Quellen $200 Mio.) belohnt,
womit er sich mithilfe von OSS/CIA-Agent Frank Wisner in die USA absetzte. Die Anwaltskanzlei
Sullivan & Cromwell der Brüder Dulles organisierte seine Immigration in die USA.
Der spätere Aussenminister John Foster Dulles vertrat als Anwalt die Interessen des 3. Reiches.
Vizeaussenminister Adolph Berle vertrat Malaxa vor dem Immigrationskomitee, und die Kanzlei
Bewley, Knoop and Nixon konnte 1951 seine Niederlassung durchsetzen, da die von Malaxa
gegründete Pipeline-Firma Western Tube nationale Sicherheitsinteressen wahrnehme. Die Firma
produzierte keine einzige Röhre, aber ihr Präsident Herman L. Perry, unterstützt Nixon seit 1946. Das
INS versucht seit einiger Zeit, Malaxa auszuweisen und kam deshalb über die Führer der Exilrumänen
zu Beweisen der Schmiergeldzahlungen. CIA-Chef Walter Bedell Smith, der im Krieg bei Eisenhower
diente, kann den Skandal verhindern. 1952 zieht Malaxa nach Argentinien und wird mit Juan Peron
und Otto Skorzeny gesehen.
Der Rassist Nixon hat auch andere Drähte zu Faschisten: Sein Mitarbeiter Lynn Nofziger finanziert die
American Nazi Party, FBI-Agent G. Gordon Liddy organisiert die Projektion von NaziPropagandafilmen, Viorel Trifia gehörte zu Otto von Bolschwings Gestapo. Nixon, ein
ausgesprochener Antisemit, ernennt den Nazi-Kriegsverbrecher Laszlo Pasztor zum Mitglied des
Republican Nationalities Council. Nixon ist auch mit Kurt-Georg Kiesinger befreundet, der NSDAPMitglied war, für Ribbentrop und Goebbels arbeitete und von 1966-69 als CDU-Bundeskanzler amtet.
1974 vergleicht sich Nixon selbst mit Hitler, als er sagt, er wolle, dass Bill Simon sein Alfred Speer sei.
Der Prediger Billy Graham, der seit den 50er Jahren praktisch alle Präsidenten berät, meint zu Nixon,
man müsse die Herrschaft der Juden über die Medien brechen, sonst sei das Land verloren. Die
antisemitischen Prediger Frank Graham, Billys Sohn, Pat Robertson und Jerry Falwell von Moral
Seite [103]
Majority, der den Teufel 1999 als jüdisch und männlich beschreibt, wechseln nach dem Attentat vom
11.9.2001 schnell auf einen antiislamischen Kurs.
Quellen: Behr: 171,178, Davis (1988): 275, 314, 359, Hersh: 157, Giancana: 316f, Bartholomew: 54f, Weberman (6): 1f, Groden/
Livingstone: 418, Summers (1993): 201ff, (2000): 41-57, 106-135, 178f, 353ff, Tarpley/ Chaitkin: 58, Warde (2002b),
Birnbaum.
3.12. 1952 Eisenhower, Hoover und die Ölbarone
J. Edgar Hoover interessiert sich vor allem für die Seitensprünge von Dwight D. Eisenhower,
unterstützt ihn aber politisch. Kay Summerby, Eisenhowers Chauffeurin und Liebhaberin während
des 2. Weltkriegs schrieb 1948 das Buch "Eisenhower was my Boss", das Hoover aus den Buchläden
verschwinden lässt. Adlai Stevenson wird von Donald Surine, McCarthys Verbindungsmann zu
Hoover, im Fernsehen attackiert und als Homosexuellen und Kommunistenfreund diffamiert.
Die Ölbarone finanzieren ebenfalls Eisenhowers Wahlkampf. Eine der ersten Amtshandlungen
Eisenhowers besteht im Stopp der Grand Jury-Untersuchung des internationalen Petroleumkartells
wegen "Staatssicherheitsgründen". Die Ölmultis werden für ihre Wahl-Unterstützung während seiner
ersten Amtsperiode mit 60 Lizenzen aus Bundesreserven belohnt. In den 55 vorhergehenden Jahren
wurden insgesamt nur 16 Lizenzen erteilt.
Hoover betrachtet Clint Murchison und Sid Richardson als seine besten Freunde. Murchison
finanziert Lincoln Rockwell, der Führer der amerikanischen Nazi-Partei. 20% der Murchison Oil Lease
Company gehören der Genovese-Familie, Handridge Oil teilt Murchison mit der Mafia von Las Vegas.
Auch mit der International Brotherhood of Teamsters Union laufen Deals, und Clint Murchison jr.
unterhält Geschäftsbeziehungen mit Carlos Marcello.
Hoovers Assistent Thomas Webb wechselt auf Rat Hoovers nach siebzehn Jahren Dienst beim FBI zu
Murchison und schmiert für ihn zusammen mit Bobby Baker Politiker, vor allem Johnson. Von 1953
bis zu seinem Tod ist Hoover zusammen mit seinem Liebhaber Clyde Tolson jeden Sommer während
mindestens einem Monat Gast im Murchisons Hotel La Jolle, ohne je eine Rechnung zu bezahlen.
Auch Myer Schine finanziert Hoovers Ferien, und dank Börseninsidertipps mit den Ölmultis kassieren
der Direktor und der Vizedirektor Börsengewinne. Tolson besitzt bei seinem Tod Aktien im Wert von
mindestens $750'000. Obwohl die Einkünfte aus Hoovers Büchern offiziell an eine Stiftung gehen,
steckt der FBI-Direktor 90% davon in die eigene Tasche und die seiner Ghostwriter.
Eisenhower holt nach seiner Wahl Nelson Rockefeller, der die New Deal-Programme wegwischen
soll. Über Oveta Culp Hobby und Gouverneur William P. Hobby lernte Rockefeller einflussreiche
Texaner kennen wie George und Herman Brown, den Versicherungskönig Gus Wortham,
"Mr.Houston" Jesse Jones, oder den Gründer der Vinson & Elkins und First City Bank in Houston,
Richter James Elkins. Verteidigungsminister wird Charles Wilson von der General Motors, der das
Land mit Highways überzieht, mit der Begründung: "Was gut ist für GM, ist gut für Amerika". Seit
1930 hat GM dafür gesorgt, dass 100 Tramsysteme in 45 Städten aufgegeben wurden.
Quellen: Summers (1993): 180-191, 233, Best: 85, Kangas: 3, Brussell (1983): 7f, 22, Theoharis /Fox: 356-375,Snell.
3.13. 1952 John F. Kennedy und Jacqueline Bouvier
John F. Kennedy wird gegen den siegessicheren Henry Cabot Lodge in den Senat gewählt. Nachdem
1949 das Cortison entdeckt wurde, verbesserte sich sein Gesundheitszustand entscheidend, und er
wurde politisch aktiv. Statt der nötigen 2500 Nominierungsunterschriften liess Kennedy über 260'000
sammeln und anschliessend allen Unterzeichnern einen Dankesbrief schicken. JFK setzte vor allem
Seite [104]
auf die Stimmen der Frauen, für die Teegesellschaften organisiert wurden. Wiederum wurde 900'000
Mal die achtseitige Kriegsheldengeschichte verteilt, mit Kennedys Foto auf dem Umschlag. Viel
Propaganda verbreitete auch die Boston Post, die kurz vor dem Ruin von Kennedy ein $500'000Darlehen bekam. Die perfekte Kampagne, die $250'000 kostete, managte Joe, der seine alten
Kontakte in Boston reaktivierte.
Nachdem die Frauen ihre Stimmen für JFK abgegeben haben, heiratet er am 12.9.1953 Jacqueline
Bouvier, die er 1951 in Washington kennengelernt hatte. Arthur Krock, dem Joe Kennedy seit einiger
Zeit wegen einer Frau für Jack in den Ohren lag, organisierte ein Treffen mit der Journalistin. Aber
Jack interessierte sich zunächst nicht für Jackie, und sie verlobte sich im Sommer mit John Husted,
obwohl dieser nicht zu den ganz Reichen gehört. Beim zweiten Versuch, die beiden zu verkuppeln,
klappte es dann, wenn er sie auch nur selten anrief und ihr keine Karten, Blumen oder gar
Liebesbriefe schickte. Da JFK sich nicht zur Ehe entscheiden kann, entzieht sie sich ihm und geht als
Korrespondentin nach London. Im Verlauf eines transatlantischen Telephongesprächs wird im Mai
1953 die Heirat vereinbart, obwohl Jacks Freund Lem Billings am Inaugurationsball Eisenhowers
Jackie zur Seite nahm und ihr von Jacks Frauengeschichten erzählte. Sie will den emotional unreifen
36jährigen, weil die Kennedys wirklich Geld haben. Jack hätte lieber seine schwedische Geliebte
Gunilla von Post geheiratet, aber der Vater verbietet es wegen der politischen Karriere.
Die Heirat bedeutet den Eintritt der irischen Katholiken in die herrschende WASP-Oberschicht, die
aus 60 Familien besteht, wofür Joe Kennedy sein Leben lang gekämpft hat. Obwohl der
aristokratische Stammbaum der Bouvier-Auchincloss eine Erfindung von Jackies Schwiegervater war,
hat die Mutter zunächst Bedenken, weil die Tochter unter ihrem Stand heiratet. Der Vater "Black
Jack" Bouvier hasst Joe Kennedy, weil dessen Börsenreform ihm finanziell das Genick gebrochen
hatte. Und Jackie hat Bedenken, weil die Kennedys "so bourgeois" sind. Aber ihre Familie ist
verschuldet, während Kennedys Privatvermögen auf $400 Mio. geschätzt wird. Kardinal Richard
Cushing traut das Paar, das sich einig ist, dass die Ehe zum äusserlichen Erfolg und zum Kinderkriegen
nötig ist. Jackie wird die Rolle der Präsidentengattin und Mutter perfekt spielen und Jack auf den
Wahlkampagnen begleiten, auf denen sie viele Stimmen einbringt.
Da Frauen für Jack entweder Hausfrauen oder Huren sind, hält er sich mit George Smathers eine
Hotelsuite. Dabei passt Jackie trotzdem nicht in sein Bild, weil sie explizit keine Hausfrau sein will.
Aber sie inszeniert diese Rolle zumindest am Anfang, um den Sprung ins Weisse Haus zu schaffen. JFK
stellt sein "Familienleben" schamlos zur Schau, lädt Journalisten und Fotografen zu sich nach Hause
ein und sorgt dafür, dass das Traumpaar regelmässig auf den Frontseiten der Magazine erscheint. JFK
hat gelernt, dass Publicity das Wichtigste ist und wie man die Medien für sich nutzt. Privat kennen
sich die beiden kaum und sind wie zwei Eisberge, aber politisch sind sie ein perfektes Paar. JFK ist zu
emotionaler Bindung nicht fähig und kann, obwohl er bei Männern wie Frauen starke Gefühle
wecken kann, selbst weder Liebe zeigen noch geben. Als er gegen Ende seines Lebens gefragt wird,
ob er je einen Menschen geliebt habe, starrt eine Weile aus dem Autofenster und verneint dann. JFK
ist ein Profiteur, der Dienst, Loyalität und Zustimmung fordert, aber Kritik und Widerspruch nicht
duldet. Im Oktober 1955 und im August 1956 erfolgen zwei Fehlgeburten, bevor im November 1957
Caroline und 1961 John jr. geboren werden. Wenige Tage nach der Geburt stirbt Patrick im August
1963. Diese Schwierigkeiten haben vermutlich mit seiner Geschlechtskrankheit zu tun.
Quellen: Posener: 13-45, 58-69, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 215-259.
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3.14. Die CIA unter Allen W. Dulles
Allen Welsh Dulles, der als Chefagent des OSS in Bern innerhalb kurzer Zeit ein Agentennetz über
ganz West- und halb Osteuropa aufgezogen hatte, wird neuer CIA-Direktor der Regierung
Eisenhower, und sein Bruder John Foster Dulles wird Aussenminister. Von 1937 bis 1943 war Allen
Dulles Direktor der Schroeder Bank, die Hitler finanzierte. Deshalb hat er zeitlebens beste
Beziehungen zur Wall Street und zum Zirkel von Morgan, Rothschild, Hambros, Baring und Eugene
Meyer.
1942 schickt Roosevelt Dulles nach Bern, weil es den Nazis gelungen war, den Chiffriercode der USGesandtschaft und des Aussenministeriums zu knacken. Dem deutschen Agenten Emil Knüttel gelang
Ende 1941 die Rekrutierung des Bürogehilfen Jakob Fürst, womit der militärische Geheimdienst unter
Admiral Willhelm Canaris von Januar bis März 1942 die Geheimberichte des US-Militärattachés
Barnwell Rhett Legge in Bern mitlesen konnteSeit 1942 stand Dulles in Kontakt zu SS-General Karl
Wolff und arbeitete mit bei der Operation BERNHARD, einem Geldwasch- und -fälschungsprogramm
mit Wolff und dem Mailänder Gestapo-Chef Walter Rauff, der für den Tod von 100'000 Juden
verantwortlich ist. 1943 führte Dulles in der Schweiz mit dem SS-Offizier Prinz Hohenlohe
Verhandlungen, um eine totale Niederlage Deutschlands zu verhindern. Dabei hatte Dulles auch
Kontakt mit Hitlers Stellvertreter Martin Bormann, der in Paraguay das neue Nazi-Netzwerk "die
Spinne" aufbaut.
Dulles begann im Dezember 1942 eine professionelle und amouröse Beziehung mit Mary Bancroft,
die eine lebenslange Freundin von George Lyman und Ruth Forbes Paine ist. Bancroft war Dulles
primärer Kontakt mit der Gruppe "20. Juli", die ein Attentat gegen Hitler plante. Verbindungsmann
Hans Bernd Gisevius, Mitglied der Organisation von Militärgeheimdienstchef Admiral Wilhelm
Canaris, dessen Untergebener Hans Oster die Aktion koordinierte, ging Anfang Juli 1944 nach
Deutschland, um den Coup vorzubereiten. Im Sommer 1944 ging die Bombe hoch, die Hitler nur
knapp verfehlte. Wäre Hitler getötet worden, hätte ein sofortiger Waffenstillstand mit den
Westmächten stattgefunden, um gemeinsam gegen Russland weiterzukämpfen. Die Briten, deren
Agent Kim Philby die Codes der Deutschen knacken konnte, widersetzten sich vehement einem
solchen Deal. Canaris, der den Mord an Rosa Luxemburg, die Unterstützung der IRA, von Francisco
Franco, die faschistische Freiwilligenarmee CONDOR, aber auch die Rettung von Juden aus
Deutschland organisiert hatte, wurde entlarvt, und SS- und Gestapochef Heinrich Himmler übernahm
dessen Funktion. Auch Himmler schickte Agenten zu Dulles, um einen Separatfrieden und den
gemeinsamen Krieg gegen Russland zu verhandeln.
Nach dem fehlgeschlagenen Anschlag konnte sich Gisevius mit falschen Papieren in die USA
absetzen, wo er bei Dulles Freund Tom Braden unterkam und bei Dresser arbeitete. Der Vater des
zukünftigen CIA-Direktors und Präsidenten, Prescott Bush, ist Verwaltungsrat bei Dresser. Der Chef
der Dresser ist Henry Neil Mallon, der die Ölequipment-Firma und deren Tochterfirma IDECO seinem
Freund Dulles als Cover für verdeckte Aktionen der CIA zur Verfügung stellt. Seinem Sohn George
Bush vermachte Prescott über Ray Kravis, der J. Paul Getty und Joe Kennedy bei
Steuerhinterziehungen hilft, einen Job. Aber dieser begann bei Dresser Industries, die Harriman
gehört. Danach stieg er mit John Overbey und Kapital von Jimmy Gammell, Eugene Meyer und
seinem Vater in den skrupellosen Handel von Grundstücken mit vermuteten Ölquellen ein.
George Bush stellt seine 1953 mit den Liedkte-Brüdern gegründete Zapata Oil und die 1954
gegründete Zapata Offshore der CIA als Basis für Kuba-Angriffe zur Verfügung. Der Manager Wayne
H. Dean bei Zapata, die mit Gulf, Standard Oil of California und Royal Dutch Shell handelt, ist ein
Freund von DeMohrenschildt. Auch Prescott "profiliert" sich als Senator ausschliesslich im Bereich
Seite [106]
der verdeckten Inland-Operationen der CIA, die er über die H. Smith Richardson Foundation des Vick
Chemical-Besitzers Richardson finanziert (beispielsweise die MK/ULTRA-Experimente im Bridgewater
Hospital in Massachusetts). Mit seiner Ernennung in das Senate Armed Services Committee 1956
steigt er in den Kreis der Entscheidungsträger auf. Auch sein Freund Gordon Gray wird 1958 als Chef
des National Security Council in die Machtzentrale berufen.
Eisenhower stellt sich nicht gegen die verdeckten Operationen von Harriman, Dulles und Bush, wenn
er sich im Falle des Scheiterns oder einer Veröffentlichung absichern kann. Gray, Dulles, Robert
Lovett, C. Douglas Dillon, Jock Whitney und Prescott Bush sind wesentlich an der Stärkung des CIAMachtblocks des President's Foreign Intelligence Advisory Board beteiligt.
Dulles startet Anfang der 50er Jahre das CIA-Programm MOCKINGBIRD, um die Medien zu
kontrollieren. Der ‚ehemalige' CIA-Agent Generoso Pope gründet 1952 die American Media Inc., die
Boulevard-Blätter wie Sun oder the National Enquirer herausgibt. Frank Wisner und sein Assistent
Richard Helms rekrutieren 400 Journalisten, zum Beispiel Harrison Salisbury, Drew Pearson, Eugene
Methvin, Sulzberger, Rowland Evan, Robert Novak oder Joseph und Stewart Alsop. Phil Graham
arbeitet eng mit Wisner und Helms zusammen an der Operation MOCKINGBIRD, weshalb die
Washington Post zu einem wichtigen Sprachrohr in Washington wird, schnell wächst und die TimesHerald und das WTO-Radio übernimmt. Mediengesellschaften wie CBS, ABC, NBC, Hearst, Reader's
Digest, Time, Life-Time, New York Times, New York Herald Tribune, Look, Houston Post, New Leader
und die Agenturen AP, UPI, Reuter, Forum World Features, International Communication Agency, die
Nachfolgeorganisation der USIA, EFEC in Spanien und Latin in Chile arbeiten mit der CIA zusammen.
Nach Angaben der Zentralstelle für Nationale Sicherheit kontrolliert die CIA um 1980 230
Nachrichtenagenturen. Den Rekord mit 23 als Journalisten eingestellte CIA- und FBI-Agenten hält
Copley Press. Die meisten Medien legen der CIA zuerst die Berichte vor, wenn sie etwas über die CIA
enthalten, und verschweigen Informationen, die die CIA stören könnten.
Eigentliche Propagandasender der CIA sind Radio Free Europe in München, Radio Free Asia, Radio
Swan, Radio Liberty, Voice of America, das 822 Wochenstunden in 38 Sprachen sendet, und RIAS.
Letzteres trägt mit seinen Aufrufen zum Generalstreik entscheidend dazu bei, dass aus der
Demonstration der Bauarbeiter Ostberlins am 16.6.53 eine das ganze Land erfassende Rebellion
entsteht. 1949 gründet die CIA das National Committee for a Free Europe und das Committee for the
Liberation of Peoples of Russia, um Radiostationen aufzubauen. Radio Liberty sendet in 14 Sprachen
in die UdSSR. Radio Free Europe verliert mit dem Aufstand in Ungarn 1956, wo die CIA militärische
und finanzielle Hilfe für die Widerstandsbewegung leistet, seine Glaubwürdigkeit. Aufgrund der
Radiozusicherungen von Frank Wisner warten die Rebellen, die Budapest eingenommen haben,
vergeblich auf die Unterstützung durch die Amerikaner, bis sie von den sowjetischen Panzern
überrollt werden. 200'000 Ungarn fliehen nach Österreich, bevor die russischen Truppen die Grenzen
dichtmachen. 1980 betreibt die CIA 101 Sender mit einem Jahresetat von $85 Mio. und 2196
Beschäftigten. Angeblich hören 80 Mio. Menschen im Ostblock diese Sendungen regelmässig. Zudem
werden Bandaufzeichnungen meist kostenlos an 4000 Radiostationen in der Dritten Welt geliefert.
"Bis zum heutigen Tag gibt es so etwas wie eine unabhängige Presse in der Weltgeschichte nicht. Sie
wissen es und ich weiß es. Es gibt niemanden unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu
schreiben, und wenn er es tut, weiß er im Voraus, dass sie nicht im Druck erscheint. Ich werde jede
Woche dafür bezahlt, meine ehrliche Meinung aus der Zeitung herauszuhalten, bei der ich angestellt
bin. Andere von Ihnen werden ähnlich bezahlt für ähnliche Dinge, und jeder von Ihnen, der so dumm
wäre, seine ehrliche Meinung zu schreiben, stünde sofort auf der Straße und müsste sich nach einem
neuen Job umsehen. Wenn ich meine ehrliche Meinung in einer Ausgabe meiner Zeitung
Seite [107]
veröffentlichen würde, wäre ich meine Stellung innerhalb von 24 Stunden los. Es ist das Geschäft der
Journalisten, die Wahrheit zu zerstören, unumwunden zu lügen, zu pervertieren, zu verleumden, die
Füße des Mammon zu lecken und das Land zu verkaufen für ihr tägliches Brot. Sie wissen es und ich
weiß, was es für eine Verrücktheit ist, auf eine unabhängige Presse anzustoßen. Wir sind die
Werkzeuge und Vasallen der reichen Männer hinter der Szene. Wir sind die Hampelmänner, sie
ziehen die Strippen und wir tanzen. Unsere Talente, unsere Fähigkeiten und unser ganzes Leben sind
Eigentum anderer Menschen. Wir sind intellektuelle Prostituierte". Das Statement von John Swinton,
dem Doyen der amerikanischen Presse und einstigen Redaktionsleiter der "New York Times", vor
dem vornehmen New Yorker Presseclub im Jahr 1880 hat nach wie vor Gültigkeit, besonders auch
nach dem 11.9.2001.
Auch die Unterhaltungsindustrie Hollywoods trägt entscheidend zur US-Propaganda und
Mythologisierung von FBI und CIA bei. Kritische Reportagen und Bücher werden mit öffentlichen
Kampagnen und Drohungen verhindert oder diffamiert. Die CIA entwickelt sich ausserdem zu einem
der grössten Verleger der Welt. Von 1947 bis 1967 lässt sie über 1000 Bücher schreiben, deren
Gesamtauflage durchschnittlich bei 10 Mio. pro Jahr liegt. Da ihr diese Tätigkeit 1967 verboten wird,
publiziert sie in den folgenden Jahren mindestens 250 Bücher im Ausland. Mitte der 70er Jahre
schreiben noch immer mehrere Hundert Akademiker als CIA-Autoren in den USA und übersetzen
entsprechende Literatur. Der CIA ist zu verdanken, dass T.S.Eliot auf Russisch und Machiavellis "Il
Principe" auf Suaheli gelesen werden kann.
Im Ausland finanziert die CIA Medienorganisationen wie das Internationale Presse-Institut, die
Internationale Journalistenkonferenz in Genf, den Internationalen Journalistenverband in Brüssel,
den Westberliner Verein zur Förderung der Publizistik in den Entwicklungsländern, das Asian Student
Press Bureau oder den nationalen Studentenpresserat Indiens und Zeitschriften wie die englischen
Socialist Commentary, Encounter, Survey und Campaign, das Forum in Österreich, Der Monat von
Melvin Lasky und Die Welt in Deutschland, Tempo Presente in Italien und Le Combat und Preuves in
Frankreich. Auch im Ausland hat die CIA Hunderte von Journalisten, darunter Ernst Kux von der
Neuen Zürcher Zeitung, Robert Moss vom Daily Telegraph, Gerhard Löwenthal vom ZDF, und sogar
21 Geistliche unter Vertrag.
1952 lief die CIA-Operation POCKETBOOK in Deutschland unter Leitung von Frank Wisner und
Thomas Braden an, eine Kultur-, Polit- und Gewerkschaftsoffensive zur Amerikanisierung
Deutschlands. Für die Propaganda ist die United States Information Agency (USIA) zuständig, die die
Amerikanerhäuser in allen Städten gründet, wo Bibliotheken eingerichtet und Konzerte,
Ausstellungen, Filme, Lesungen und Diskussionen organisiert werden. Die CIA bezahlt etwa die
Übersetzung und Publikation amerikanischer Literatur des Verlages Kiepenheuer & Witsch (Josef
Kaspar Witsch war bei SA und nationalsozialistischer Kulturfunktionär und wird zur Schlüsselfigur des
Kongresses für kulturelle Freiheit). Oder der Roman ‚1984' von George Orwell wird unter der
Anleitung der CIA als ausschliesslich antikommunistische Propaganda verfilmt. Der Erfolg der
Propaganda wird von Meinungsforschern wie Leo Crespi wissenschaftlich erforscht und ausgewertet.
John McCloy, ehemaliger Berater Mussolinis, wurde 1949 Hochkommissar der neu gegründeten
Bundesrepublik, mit dem Auftrag, die Teilung Deutschlands aufrechtzuerhalten und die neue Kolonie
Amerikas in das Westbündnis zu integrieren.
Anfang der 50er Jahre baut die CIA rechtsextreme Guerillas wie die League of Young Germans auf,
um die SPD zu unterwandern. Die Neonazis werden ausgebildet, bewaffnet und bezahlt, um im Falle
einer russischen Invasion oder einer Rebellion mögliche sozialdemokratische und sozialistische
Kollaborateure zu ermorden, über die Listen geführt werden. Auch für die Unterwanderung
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antiamerikanischer Gruppierungen werden Untergrundgruppen gegründet. Tom Braden übernimmt
1954 die International Organizations Division der OPC und leitet mit seinem Assistenten Cord Meyer
verdeckte Operationen.
Auch kirchliche Organisationen arbeiten für die CIA, wie der souveräne Malteserorden SMO, der
50'000 Nazis mit Pässen und Geld zur Flucht verhalf und später eine Art Bindeglied zwischen CIA und
Vatikan ist. Auch die Opus Dei, aus deren Reihen Papst Karol Wojtyla kommt, kooperiert mit der CIA.
Auf Anordnung von Gerald Ford infiltriert die CIA die christliche Missionsarbeit in Lateinamerika, so
dass 1976 allein in Bolivien 11 Agenten als Geistliche getarnt werden. Ein Jahrzehnt früher sollen sich
unter Vertrag stehende Missionare an der Jagd auf Che Guevara beteiligt haben. Die Christian and
Missionary Alliance missioniert in Laos die Bergstämme, aus denen die Söldner für die CIA rekrutiert
werden, wogegen die katholische Kirche nichts einzuwenden hat. Konsequenterweise streicht der
Senat im Juni 1980 das Verbot, Missionare und anderes kirchliches Personal als Agenten zu
verwenden.
Die CIA beschäftigt 1953 15'000 Angestellte, die ausländischen Agenten und Vertragsangestellten
nicht mitgerechnet. Sie steht mit Professoren an Hunderten von akademischen Institutionen in
Verbindung und gibt Studien in Auftrag, wie das European Non-State Actors Project von Professor
Richard Mansbach der Universität in New Brunswick, New Jersey, über europäische
Oppositionsgruppen, die der CIA Ansatzpunkte für Interventionen wie Spaltungsversuche oder
finanzielle Unterstützung liefern. Zudem halten die Professoren nach geeigneten Studenten für die
Rekrutierung des CIA-Nachwuchses Ausschau. Man wird von der CIA fast ausschliesslich auf
Empfehlung rekrutiert. 5000 Akademiker erhalten Zuschüsse oder Forschungsaufträge für die
Rekrutierung ausländischer Studenten, die systematisch überprüft werden.
Aber auch die eigenen Studenten und Arbeiter werden überwacht: 1958 wird bekannt, dass für 13
Mio. Arbeitsstellen Sicherheitsüberprüfungen vorgenommen wurden. Das entspricht jedem fünften
Arbeitsplatz. Auch in US-Firmen im Ausland hat die CIA Hunderte von CIA-Agenten eingeschleust. Zur
entsprechenden Stellenvermittlung unterhält man ein eigenes Verbindungsbüro. 50'000 US-Bürger
und 700'000 ausländische Informanten führt die CIA in ihren Archiven, die für sie im Ausland
arbeiten.
Zusätzlich zum riesigen Budget gründet die CIA eigene Firmen, die als Deckmantel für verdeckte
Aktionen und zusätzliche Geldquellen dienen. Diese "Fronts" umfassen Luftfahrtgesellschaften,
Import-Export-Firmen, High-Tech-Unternehmen, Werbeagenturen und Stiftungen, aus denen Gelder
an kooperationswillige akademische, gewerkschaftliche, kulturelle und politische Organisationen und
Jugendverbände verschoben werden. Dazu gehören die National Students Association, die
International Students Conference, der International University Exchange Fund, das Institute for the
Study of Conflict, der Congress for Cultural Freedom von Melvin Lasky, zu dem Arthur Koestler,
Ignazio Silone (der als ‚Kommunist' für Mussolinis politische Polizei und im Krieg für den
amerikanischen Geheimdienst OSS gearbeitet hatte), Benedetto Croce, Manès Sperber, John Dewey,
Isaiah Berlin und Karl Jaspers gehören, die Mankind Research Unlimited, das Institute of Political
Education, das Foreign Policy Research Institute der Universität von Pennsylvania, das Center for
International Studies am Massachusetts Institute of Technology, die Asia Foundation, die American
Society of African Culture, das Gambia National Youth Council, die American Friends of Middle East,
die International Development Foundation, das Otto Suhr Institut an der Freien Universität Berlin, die
deutsche Vereinigung Freiheitlicher Juristen, die Internationale Juristenkommission, die Konferenz
für die Atlantische Gemeinschaft, der Internationale Bund Freier Gewerkschaften, die American
Federation of Labor, die Inter-American Regional Labor Organization (über die bis Mitte der 70er
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Jahre 250'000 Funktionäre in Lateinamerika ausgebildet werden), die grösste türkische Gewerkschaft
Türk-Is, die uruguayische Gewerkschaft CSU, das American Institute for Free Labor Development, das
Internationale Institut für Marktforschung, die Synode der russisch-orthodoxen Kirche, der
Nationalrat der Kirchen, die Internationale Union Junger Christlicher Demokraten, der christliche
Verein junger Mädchen, die Weltjugendversammlung, das Internationale Jugendzentrum in New
Dehli, das Institut für Internationale Arbeitsforschung, das Internationale Sekretariat der Pax
Romana, der Berliner Verein zur Förderung der Bildungshilfe in Entwicklungsländer oder die
International Union of Socialist Youth. Mindestens 24 Stiftungen wie die M.A. Anderson Foundation,
den Kaplan Fund, die Baird Foundation, den Brown Fund, den Price Fund, den Monroe Fund, die Ford
Foundation, die Independence Foundation oder die Pan-America Stiftung an der Universität von
Miami arbeiten für die CIA. Beispielsweise wird der Kongress für kulturelle Freiheit, der die
Intellektuellen in die amerikanische Imperialstrategie einbinden will, über die Farfield und Ford
Stiftungen gesponsert. Zentrale Figuren des Kongresses sind der französische Soziologe Raymond
Aron unf François Bondy, die mit seiner Zeitschrift ‚Preuves' Kommunisten wie Jean-Paul Sartre
bekämpfen. Gleichzeitig werden ehemalige Nazi-Künstler wie Wilhelm Furtwängler oder Herbert von
Karajan geschützt. Werden in Europa gemässigte Linke wie Heinrich Böll oder Siegfried Lenz
unterstützt, werden gegen ihre amerikanische Kollegen (etwa Arthur Miller, Corliss Lamont oder
Charlie Chaplin) Propagandaschlachten (etwa in Life) gefahren. Mit einer Schmutzkampagne in
Schweden verhindert René Tavernier, dass der chilenische Lyriker Pablo Neruda den
Literaturnobelpreis bekommt. Der Kongress für kulturelle Freiheit ist zudem ein wesentliches
Instrument, im Ostblock Propaganda und Terroranschläge zu organisieren. Am 27. April 1966 enthüllt
die New York Times die Finanzierung der Kulturinstitutionen durch die CIA, wonach Tom Braden die
Propaganda als notwendigen Kampf gegen den Kommunismus in einem Interview rechtfertigt.
1953 laufen in 48 Ländern verdeckte Operationen, die aus Propaganda, paramilitärischen und
politischen Aktionen bestehen und zwei Drittel der gesamten Ausgaben verschlingen. Die CIA
entwickelt sich damit zu einer paramilitärischen Macht, die ohne Wissen des Kongresses
Geheimkriege führt. Frank Wisner lässt Armeen aus ungarischen, rumänischen, bulgarischen und
ukrainischen Flüchtlingen aufstellen und geheime Flugplätze in Griechenland, Japan, England und
Deutschland bauen, von wo aus Agenten mit Fallschirmen nach Georgien, Sibirien, Belorussland und
in die Ukraine geflogen werden, aber von denen man meist nichts mehr hört. Von 1961 bis 1975
werden 900 grosse und einige tausend kleine solcher Programme durchgeführt. Die Arbeit der
Geheimdienste im Ausland ist die Fortsetzung der Aussenpolitik mit anderen Mitteln, nach den
Gesetzen des Krieges.
Dabei arbeitet die CIA mit dem südafrikanischen BOSS, dem israelischen Mossad, dem chilenischen
DINA und dem deutschen BND, der 1950 aufgebaut wurde, zusammen. Nirgends hat die CIA so viele
Agenten wie in der BRD, wo sich allein in Westberlin 48 CIA-Büros befinden. Zusammen mit den
französischen und britischen sollen sich um die 20'000 Agenten im Westteil der Stadt betätigen.
Rund 10% der Briefpost in Berlin wird aussortiert und als sogenannte Amtszimmerpost von der CIA
geöffnet. Um die Identität der Überwachten vor den Postbeamten geheim zu halten, wird die Post
ganzer Häuser abgezweigt. $25 Mio. kostet der Tunnel nach Ostberlin, dank dem Telephonleitungen
angezapft werden. Der Agent, der die Transkripts verwaltet, arbeitet auch für das KBG. In
Deutschland wird eine Geheimarmee mit 5000 Söldnern von amerikanischen Offizieren trainiert.
Ebenfalls 1950 wird der Verfassungsschutz, 1956 der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr,
beide mit vielen ehemaligen Nazis im Korps und an der Spitze, gegründet.
Aber auch die Wirtschaftsverbände errichten 1954 mit der "Gemeinschaft zum Schutz der deutschen
Wirtschaft" einen Geheimdienst, der zusammen mit dem Verfassungsschutz schwarze Listen anlegt.
Seite [110]
Schon früh beginnt der BND, neben Informationen über Linke auch Material über Politiker zu
sammeln und möglichst gute Verbindungen zu Parteien, Verbänden, Organisationen und
Unternehmen zu schaffen.
Die CIA baut ausländische Geheimdienste manchmal selbst auf, wie den südkoreanischen KCIA, den
griechischen KYP, den iranischen Savak oder den Geheimdienst Venezuelas. Auch der BND hilft mit,
den israelischen und ägyptischen Geheimdienst zu schaffen und rüstet die Geheimdienste von SaudiArabien, Indonesien und Zaire aus. Der BND ist stark im internationalen Waffenhandel,
beispielsweise nach Pakistan, Indien, Nigeria, Südafrika, Griechenland, dem damaligen Rhodesien
und China, engagiert, an Sabotage- und Umsturzaktionen wie in Guinea und im Sudan beteiligt und
unterstützt über Organisationen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Hanns-Seidel-Stiftung
politische Parteien, Gewerkschaften, Massenmedien und militärische Organisationen in El Salvador,
Guatemala, Venezuela, Ecuador, Peru, Chile, Italien, Portugal, Spanien, Mozambik oder Namibia.
Schon bald ist der BND von Korruption durchzogen: Gehlen setzt 16 seiner Verwandten auf teilweise
hohe Posten im BND, Erpressungen und Unterschlagungen sind an der Tagesordnung. Aber der BND
bezahlt um die 120 Journalisten, beispielsweise von Spiegel, ZDF oder Quick, die für gute
Öffentlichkeitsarbeit sorgen. Das Chalet in Bayern, in das sich Gehlen 1968 zurückzieht, ist ein
Geschenk von Dulles.
Zwischen 1950 und 1968 bilden die USA 287'000 ausländische Soldaten und Hunderttausende von
Polizisten aus. In der 1946 gegründeten Militärakademie "School of the Americas" in Panama schulen
die USA jährlich Tausende von Soldaten und Geheimdienstagenten für die Bekämpfung von sozialen
Bewegungen in Lateinamerika. Dabei ist die Schule vor allem eine Fassade für spezielle und
verdeckte Operationen. In Argentinien beispielsweise kostet der schmutzige Krieg der US-trainierten
"Sicherheitskräfte" gegen die eigene Bevölkerung 30'000 Menschenleben. Auch die Mörder von
Erzbischof Oscar Romero oder die Hälfte des kolumbianischen Offizierstabs, von denen 250 als
grausame Killer verdächtigt werden (einer davon soll über 100 Zivilisten mit einer Kettensäge
massakriert haben) werden in Fort Benning geschult. Es gibt kaum ein Massaker oder eine
systematische Folter in Lateinamerika ohne Beteiligung von Abgängern der ‚School of the Americas'.
Die ersten Versuche mit Folter führt die CIA nicht im eigenen Land durch. Im Keller des USMilitärgefängnisses Mannheim werden Anfang der 50er Jahre Gefangene mit neuen Foltermethoden,
die keine sichtbaren Spuren hinterlassen, zum Sprechen gebracht. Beispielsweise werden die Zellen
mit Betonwannen mit Wasser gefüllt, sodass die Gefangenen (amerikanische Soldaten, die in
Deutschland strafbar wurden) stunden- oder tagelang im Wasser stehen müssen, sie werden
nächtelang mit Strahlern geblendet, das Essen wird entzogen oder es gibt Schläge mit
Baseballschlägern. Die brutalen Experimente werden aber nicht an Amerikanern durchgeführt. Für
die Tests mit Elektroschocks, ‚Wahrheitsdrogen' und Lügendetektoren im ehemaligen IG-FarbenHauses in Frankfurt, wo die CIA ihr Hauptquartier einrichtet, und im ‚Camp King' in Oberursel im
Taunus (und in den Aussenstellen wie der Villa Schuster in Kronberg) werden deutsche
Kriegsgefangene, russische Spione und verdächtige Überläufer eingesetzt. Nach Eingaben von Drogen
werden stundenlang Elektroschocks verabreicht, um Geständnisse zu erzwingen oder Gehirnwäsche
zu erreichen. Wissenschaftlich geleitet werden die Versuche von Anästhesieprofessor Henry K.
Beecher von der Harvard Universität. Noch während den Nürnberg-Prozessen erhält er die
Unterlagen der Menschenversuche aus den deutschen KZ, welche amerikanische Ärzte nach der
Befreiung erstellten, und führt diese Experimente (etwa mit Meskalin) fort. Beteiligt an diesen
Experimenten ist der frühere KZ-Arzt Prof. Walter Schreiber, der von der CIA rekrutiert wird (unter
dem Pseudonym Dr. Fischer) und daher der Anklage wegen Naziverbrechen entgeht.
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Dr. Frank Olson ist im Juni 1952 in Kronberg an der Fortsetzung der Nazi-Experimente durch die CIA
im Rahmen des ARTICHOKE-Programms dabei. Sein tödlicher Sturz aus dem 13. Stock eines Hotels in
New York hat nichts mit einem tragischen Selbstversuch der CIA zu tun, wie lange behauptet. Olson
kannte nicht nur die Foltermethoden und Gehirnwäscheversuche mit Drogen, sondern wusste auch
um den Einsatz von Biowaffen wie Anthrax im Koreakrieg. Alle beteiligten Soldaten und Piloten
wurden gezwungen, getätigte Aussagen bezüglich des Biowaffeneinsatzes zu widerrufen und
Stillschweigen zu schwören. Da Olson Informationen weitergab und aussteigen will, bringt ihn die CIA
um, indem er betäubt und dann aus dem Fenster gestürzt wird. Seine Familie erfährt erst 1975 aus
einem Zeitungsbericht über die Rockefeller-Kommission, dass es kein Selbstmord war. Donald
Rumsfeld und Richard Cheney überreden Präsident Gerald Ford, sich bei der Familie zu entschuldigen
und den Mord als Unfall nach einem LSD-Selbstversuch darzustellen, um eine weitergehende
Untersuchung zu verhindern.
Die CIA und die CIC führen von 1951-1963 Tausende von Studien dazu durch, die auf dem Höhepunkt
der Aktivitäten zur Bewusstseinskontrolle Ende der 50er Jahre etwa $1 Mia. jährlich kosten. Die
Erkenntnisse zur Folter werden im 'Kubark Counterintelligence Interrogation Manual'
zusammengefasst. Das Handbuch bildet die Basis für das PROJECT X des Pentagons, wobei die
Erfahrungen mit den Foltermethoden von 1966 bis 1990 in Lateinamerika gegen Oppositionelle
angewandt werden. Sexuelle Erniedrigung wie erzwungene Masturbation vor Frauen, Elektroschocks
oder die Stehfolter, die zu unerträglichen Schmerzen führt, werden unter Pinochet ebenso eingesetzt
wie im 21. Jahrhundert in Abu Ghraib und Guantanamo.
1955 bauen die CIA und das Militär die Nellis Air Force Farm in Nevada mit einer 8,3 Km langen Piste,
um das Spionageflugzeug U2 zu testen. Die als AERA 51 bekannte Geheimzone dient dem Test
zahlreicher Flugobjekte, weshalb vermutet wurde, es seien hier UFO gelandet. Insbesondere die von
Walter und Reimar Horten konstruierten parabolischen Flügelapparate und tassenförmigen
Gluggeräte scheinen die Phantasie beflügelt zu haben. Die Aera 51 grenzt an das 12'000
Quadratkilometer grosse Atomtestgelände in Nevada, auf dem zwischen 1951 und 1963 über Atomund Wasserstoffbomben gezündet werden. Danach folgen 900 unterirdische Tests. 1962 startet von
hier auch die A-12 Oxcart ihre Spionageflüge über die Sowjetunion. Dem Mossad gelingt es 1966,
dass sich ein irakischer Pilot mit einer MIG 21 nach Israel absetzt. Die Kenntnisse des Flugzeugs
helfen den Israelis im Sechstagekrieg. Der Handel der MIG 21 gegen Fantom-Flieger ist der Beginn
der engen Zusammenarbeit von USA und Israel. Die MIG ist die erste einer ganzen Reihe von
russischen Flugzeugen, die nach Nevada gebracht und studiert werden, was die militärische
Überlegen der USA erheblich verbessert.
Quellen: Callahan: 70, Marrs: 183, Schulz: 69, 101, 136-184, 205-210, 218ff, 242-257, Zanetti, Bollinger, Gremliza (1978a,b), Ege
(1984), Mader: 561, Weberman (9): 14ff, Höfling: 249-254, Richter, CIA-Info: 2f, 6f, 13, Trento/ Roman, Best: 25-28,97, Mason:
1f, Brussell (1983): 3f, 7, 19f, Sam Smith: 1, Bruce/ Luft, Ranelagh/ Treharne: 1, Prouty (1973): 244-265, Meurice, Ascherson 3,
Schröder, Herman: 36, Tarpley/ Chaitkin: 40, 58-61, 101-114, Knopp/ Deick, Avineri: 66, Mehio, Labidi, Bröckers, Kupferberg,
Koch (2008a), Fuchs, Pohlmann 2009a, Kamber.
3.15. 1953 Sturz von Mohammed Mossadegh
Schah Mohammed Resa Pahlewi kam 1941 als Nachfolger seines faschistischen Vaters auf den Thron,
der 1934 Persien in Anlehnung an die arischen "Aryan" in Iran umtaufte. 1945 hatten die Russen die
nordpersische Provinz Asarbeidschan unter ihre Kontrolle gebracht, mussten sich dann aber aufgrund
des Drucks der USA aus Persien zurückziehen. Da die Anglo-Iranian Oil Company, die in
Grossbritannien mehr Steuern zahlen musste als im Iran, sich weigerte, faire Vereinbarungen
einzugehen, verstaatlichte der neugewählte iranische Ministerpräsident Mohammed Mossadegh auf
Verlangen des iranischen Parlaments die Gesellschaft 1951. Die Briten suchten daraufhin Hilfe bei
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den USA. Obwohl Truman Averell Harriman als ‚Vermittler' zwischen den Briten und dem Iran nach
Teheran schickte, vereitelte das US-State Departement jede Vermittlung. Dementsprechend verlangt
der Nationale Sicherheitsrat vom Iran, dass es die verstaatlichten Ölförderungsanlagen wieder
zurückgeben müsse.
Am 25.6.53 beschliessen Allen und John Foster Dulles die Operation AJAX, die über das United States
Army Mission Headquarter und die Botschaft in Teheran organisert wird. Seit 1942 wuirde das
paramilitärische Gendarmeriekorps mithilfe dieser Mission unter General Norman Schwarzkopf
aufgestellt und ausgebildet. CIA-Agent Kermit Roosevelt, der Enkel des früheren Präsidenten, leitet
die Operation. Richard Helms sorgt für das Verschwinden von Mossadegh-Unterstützern, bezahlt
6500 Demonstranten gegen den iranischen Ministerpräsidenten und organisiert den Strassenterror,
was die CIA $10 Mio. kostet. Daraufhin erklärt der Schah Mossadegh am 12.8.53 für abgesetzt, muss
aber dann selbst nach Rom fliehen, wo er sich mit Dulles trifft. Die kaiserliche Garde und das
Gendarmeriekorps führen daraufhin den Putsch aus. Der faschistische General Fazlollah Zahedi wird
vom Schah und der CIA ausgewählt, um die Macht zu übernehmen. Am 24.8. kehrt Pahlewi zurück,
und Zahedi wird Premierminister.
Die Führer der Nationalisten wandern ins Gefängnis, die Kommunisten aufs Schafott, und die
Parteien werden verboten. US-Präsident Eisenhower schickt dem Iran $45 Mio. Soforthilfe. Obwohl
die Dulles-Brüder mehrere Geschäftsverbindungen mit der nach der Verstaatlichung von AngloIranian Oil Company in British Petroleum umbenannten Firma haben, verlieren die Engländer ihr
persisches Ölmonopol infolge des Staatsstreichs, und die Quellen werden einem Vier-LänderKonsortium unterstellt, an dem sich die USA 40% sichern. Die USA sind die neue ‚Schutzmacht'.
Auf Initiative von Herbert Hoover jr. kann sich das Ölkartell von Exxon, Shell, Gulf, BP, Socal und
Texaco die Kontrolle über das iranische Öl sichern, obwohl die Verstaatlichung offiziell nicht
rückgängig gemacht wird. Mit dem Argument der nationalen Sicherheit wurden schon die vom
Justizministerium ausgearbeitete Antitrustklage gegen die "Sieben Schwestern" von Harry Truman
am 5.1.53, kurz vor seinem Auszug aus dem Weissen Haus, abgeblockt, womit deren Macht
ungebrochen blieb. Gleichzeitig warnte Truman aber vor der "Gestapo-CIA", die er geschaffen hatte.
Richard Helms Karriere nimmt nach dem Putsch einen steilen Aufstieg, indem er zum Chef des
neugegründeten Office of Strategic Operations ernannt wird. Kermit Roosevelt wird Vizepräsident
der Gulf Oil, die stark von der neuen Situation im Iran profitiert. 1960 richtet die Gulf ein Konto bei
einer Bank auf Nassau ein, über das Millionen an Politiker fliessen. Beispielsweise erhält der
südkoreanische Diktator Chung Hee Park 1966 $1 Mio., und 1970 $3,2 Mio., sein Ministerpräsident
Kim Jong Pin $500'000 und das Verteidigungsministerium $2,5 Mio.
Mossadegh stirbt kurz nach seiner Freilassung nach drei Jahren Gefängnis, auf Initiative von Helms.
Noch 1953 besucht Vizepräsident Nixon den neuen Diktator und bezeichnet den Schah als
"persönlichen Freund". Die neue iranische Regierung ist so korrupt, dass die Staatskasse ständig leer
ist, und fast die gesamte US-Hilfe von $500 Mio. pro Jahr in der Finanzierung der Armee versickert.
Die USA verkaufen dem Schah für $17 Mia. modernstes Kriegsgerät und bewaffnen auf dessen
Wunsch die Kurden, wofür Nixon mit Geschenken und Wahlkampagnenfinanzierung belohnt wird.
1961 liefern die USA den ersten Atomreaktor.
Die persische Geheimpolizei Savak ist eine der brutalsten der Welt, und trotz massiver Folter hat der
Schah Mühe, sich an der Macht zu halten. Während der Herrschaft des Schahs werden
durchschnittlich 1500 Menschen pro Monat verhaftet und gefoltert, und bis 1974 sitzen 25'000
Dissidenten in den Gefängnissen. Der frühere CIA-Beamte Jesse J. Leaf gab öffentlich zu, dass die CIA
Seite [113]
die Folterer der Savak in Seminarprogrammen ausgebildet habe. Aber auch der israelische Mossad
erteilte dem Savak Nachhilfeunterricht, und wie die USA kooperiert auch Israel militärisch mit dem
Iran.
Quellen: Epstein: 19f, Bartholomew (1): 26, Horowitz: 172-176, Schulz: 97, 329, Giancana: 538, CIA-Info: 13, Potter: 1f, Best: 29,
Brussell (1983): 11, Ranelagh/ Treharne: 3, Levin, Summers (2000): 163f, Karel (2003), Perkins (2004).
3.16. 1954 Onassis und die Aramco
Aristoteles Onassis gefährdet das seit 1933 bestehende Transportmonopol des Ölkartells Aramco.
1953 baute Onassis seine Macht aus, indem die Kontrolle der Société des Bains de Mer in Monaco
übernahm und damit eigentlicher Herrscher über das Steuerparadies wurde. Diese Machtübernahme
und der Erwerb der Liberty-Ships werden Gegenstand einer geheimen FBI-Untersuchung, bei der sein
Vermögen auf $200 Mio. geschätzt wird.
Die Schiffsbaurestriktionen für Deutschland wurden 1951 aufgehoben, worauf Hitlers ehemaliger
Reichsbankchef Hjalmar Schacht und Onassis planten, die deutsche und japanische Kriegsflotte
wiederaufzubauen.
Onassis bestellt für $100 Mio. 30 Grosstanker in Hamburg und Kiel, womit er das Monopol der
"Sieben Schwestern" brechen will. Nach dem Tod von Ibn Saud 1953 begannen Spyridon Catapodis
und Hjalmar Schacht mit Finanzminister Scheich Abdullah Al Suleiman Al Hamdan über ein Projekt
einer saudischen Tankerflotte mit Beteiligung von Onassis zu verhandeln. Onassis offerierte dem
saudischen König, eine Flotte zu bauen, die unter saudischer Flagge fahren und die Macht des
Kartells einschränken würde. Anfang 1954 schliesst Onassis das noch geheime Djaddah-Abkommen
mit Suleiman: Onassis stellt 500'000 Tonnen seiner Tankerflotte für den Aufbau der Saudi Arabian
Maritime Company zur Verfügung. Suleiman bekommt für seine Unterschrift unter das Abkommen,
das noch vom neuen König Saud ratifiziert werden muss, $100'000, mit Aussicht auf weitere
$250'000 Provision.
Onassis Schwager und Konkurrent Stavros Niarchos, der sehr enge Beziehungen zur CIA hat,
bekommt von den noch geheimen Verträgen Wind und engagiert am 15.2.54 den seit einer Woche
bei der CIA mit monatlich $500 auf der Lohnliste stehenden Robert Aimé Maheu, der Onassis Vertrag
mit den Saudis verhindern sollte. Maheu studierte Wirtschaft am Holy Cross College of
Massachusetts und wurde wegen seiner Französischkenntnisse vom FBI rekrutiert, obwohl er beim
Aufnahmetest durchfiel. Er arbeitete in den 40er Jahren zusammen mit Guy Banister beim FBI in
Chicago und im 2.Weltkrieg als Gegenspion für das FBI. 1947 verliess er Hoovers Apparat und
gründete eine Fabrik für Dosencrème, die Bankrott ging. Während mehrerer Jahre leistete er
Sicherheitsarbeit für die Small Business Administration. Maheu erhält 1954 die Cover Security
Approval der CIA und gründet 1955 seine Detektivagentur Robert A. Maheu Associates, die sich in
den Büroräumen von CIA-Anwalt Edward Bennett Williams befindet. Die CIA setzt Maheu bei
"unmöglichen Missionen", die dementierbar bleiben müssen, ein (angeblich sollen seine Erfolge die
TV-Serie "Mission: Impossible" inspiriert haben).
Dank Maheu wird das Vertragsprojekt zwischen Onassis und den Saudis in einer von der CIA
gegründeten römischen Zeitung veröffentlicht. Zudem organisiert er die Abhörung in den
Wohnungen und Büros von Onassis, zusammen mit den Detektiven Lou Russell und Horace Schmahl,
die bereits bei der Fälschung von Beweisen gegen Alger Hiss dabei waren. Maheu schaltet Militärund Wirtschaftsanalytiker, Richard Nixon und den Sicherheitsrat ein, worauf das Aussenministerium
beginnt, Druck auf Saudi-Arabien auszuüben. Vizepräsident Nixon meint, dass man diesen
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"Hurensohn", falls man ihn töten müsse, nicht in den Vereinigten Staaten umbringen solle. In der
Maheu and King Associates Inc. arbeitet sein Partner Bob King, ebenfalls ehemaliger FBI-Agent,
Gegenspionagespezialist, Freund von Bebe Rebozo und Nixons Wahlkampagnenhelfer 1956 und
1960, Lobbyist und Berater während seiner ganzen Vizepräsidentschaft.
Maheu organisiert mithilfe der CIA einen Streik in der Hamburger Werft, wo der erste Tanker für die
neue SAMCO-Flotte gebaut wird. Das Schiff wird allerdings trotzdem ausgeliefert. Der nächste Schlag
Maheus konzentriert sich auf den illegalen Walfang von Onassis Schiffen vor der Küste Perus. Das USJustizdepartement konfisziert Onassis Schiffe, da er wegen krimineller Verschwörung zur Schädigung
des US-Staates vor einem Geschworenengericht erscheinen müsste. Um die Situation zu klären, geht
Onassis in die USA und wird im New Yorker "Colony Restaurant" verhaftet, allerdings kurz darauf
wieder freigelassen. Dann wird Onassis von seinem früheren Teilhaber Catapodis in Frankreich auf
Entschädigung verklagt, weil er Hunderttausende Pfund Sterling Bestechungsgelder an die Araber
verteilt habe, um den Vertrag unter Dach zu bringen. Der Prozess wird schliesslich abgeblockt.
Am 18.5.54 erfolgt die Ratifikation des Vertrags durch König Saud. Das Kartell reagiert mit
kurzfristigen Annulationen von bestehenden Verträgen und der Verweigerung der Lade- und
Löschzugänge, weshalb Onassis Tanker untätig in den Häfen liegen. Er versucht deshalb, mit
britischen Firmen zu geschäften, was ihm nach einigen Public-Relation-Anstrengungen auch in
kleinem Umfang gelingt. Maheu ist im Oktober in Saudi-Arabien. Kurz darauf wird Suleiman
abgesetzt und der Vertrag von König Saud mit den Worten "Die Zukunft verwischt die
Vergangenheit" rückgängig gemacht. Onassis sieht ein, dass er keine Chance hat, den Vertrag gegen
das Kartell durchzusetzen.
Peru beschlagnahmt im November 1954 aufgrund von Maheus Bemühungen 5 Onassis-Schiffe und
steckt die 400 Matrosen wegen illegalem Walfang in peruanischen Gewässern ins Gefängnis.
Aufgrund seiner aussergewöhnlichen Versicherungen bei Lloyds kassiert Onassis $15 Mio. für diese
Beschlagnahmung und $30'000 für jeden Tag, an dem seine Flotte still liegt, wogegen die $2,9 Mio.
Busse, die er bezahlen muss, ein Pappenstiel ist. Im Fall der US-Anklagen muss Onassis $7 Mio. Busse
bezahlen und seine United States Petroleum Carriers umstrukturieren. Auch Norwegen
beschlagnahmt im Januar 1955 eine Ladung von 6300 Tonnen Walfett. In Rotterdam wird ein
Waljagdschiff von Onassis blockiert. Seine Flotte wird international boykottiert und die Banken
werden nervös. Onassis beschliesst, aus dem Walgeschäft auszusteigen und kann seine Fang- und
Verarbeitungsschiffe für $8,5 Mio. an die Kyokuyo Hogei Kaisha in Japan verkaufen.
Die Suez-Krise im Oktober 1956 rettet Onassis vor dem Ruin. Da über die Hälfte seiner stark mit
Hypotheken belasteten Flotte arbeitslos ist, kann Onassis als einziger Reeder sofort auf die
Tankernachfrage, die durch die Kapumschiffung entsteht, antworten und verdient an jeder Ölladung
nach Europa $2 Mio. In weniger als 6 Monaten, der Kanal wird im April 1957 wieder eröffnet,
verdient er $80 Mio. Onassis kauft für $2 Mio. die nationale griechische Luftfahrtgesellschaft TAE, die
er in Olympic Airways umtauft. Es gelingt ihm, von der Regierung Konstantin Karamanlis einzigartige
Konzessionen wie den garantierten Mindestgewinn und ein absolutes Streikverbot zu erhalten, wofür
er drei neue Düsenflugzeuge kauft.
Auch Niarchos kann der griechischen Regierung einen Vertrag für den Bau einer wichtigen
Schiffswerft in Skaramanga abringen. Onassis verliert 1959 nach einer Serie von Manövern des
Königshauses von Monaco die Kontrolle über die SBM. Auch im Öltankergeschäft herrscht eine
grosse Rezession, und seine Fluggesellschaft ist ebenfalls kein blühendes Unternehmen. Aber er
besitzt insgesamt 70 Firmen, die von einer guten Führungsgruppe geleitet werden. Zu diesem Stab
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gehören Johnny Meyer, Costa Gratsos, Thomas R. Lincoln, Nicolas Cokkinis, Roberto Arias und Nigel
Neilson. Onassis kauft sich die Insel Skorpios im Ionischen Meer.
Auch E. Howard Hunt arbeitet gegen Ende der 50er Jahre für Nixon, den er seit 1952 kennt, gegen
Onassis. Wie Kennedy lebt Onassis seine Sexualität mit Prostituierten aus, vorwiegend mit Mädchen
von Madame Claude, während Maria Callas die Rolle der Hausfrau übernimmt.
Quellen: Epstein: 20-23, Evans, Groden/ Livingstone: 191, Best: 45, 52f, Glaser (1972), Brussell (1983): 8, Morgenthaler,
Summers (2000): 141, 153f, 195f, 504.
3.17. 1954 Vietnamkrieg
Die CIA schickt General Edward G. Lansdale von den Philippinen nach Vietnam, um die militärische
Intervention der USA vorzubereiten. Nach dem spanisch-amerikanischen Krieg 1898 waren die
Philippinen amerikanischer Besitz und die USA unterdrückten die Arbeiter- und Bauernbewegungen
auf dem Inselreich. Gegen die japanische Besetzung bildete sich 1942 die kommunistische
Widerstandsbewegung der Huksbalahups. 1946 wurde das Land formell unabhängig, aber die USA
stellten militärisch ihre Kontrolle wieder her. 1953 gelang der CIA die Niederwerfung der Huks mittels
Ermordungen und Propaganda, der Absetzung von Präsident Quirino und der Einsetzung von Ramon
Magsaysay.
1954 finanzieren die USA bereits 78% der Kriegskosten der Franzosen, die Vietnam seit 1867 besetzt
halten. Bis 1945 unterstützten die USA Ho Chi Minh, der mit richtigem Namen Nguyen Sinh Cung,
aber auch Nguyen Tat Thanh, Nguyen Va Ba und Nguyen Ai Quoc hiess.
Ho Chi Minh ist mit Trotsky und Stalin befreundet, arbeitete für die Komintern und gründete 1930
die KP Vietnams in Hong Kong, wo er, an Tuberkulose erkrankt, offiziell für tot erklärt wurde, weil die
Franzosen die Briten wegen seiner Auslieferung unter Druck setzten. Ab 1938 arbeitete er mit Mao,
kehrte 1941 heimlich in das von Japan besetzte Vietnam zurück und gründete die
Widerstandsorganisation Viet Minh. Auf der Suche nach Unterstützung wurde er von Tschiang Kaischek in China verhaftet und konnte fliehen. Nachdem er vom OSS zuerst abgewiesen wurde,
erreichte er über General Chennault die Bereitstellung von Waffen und Ausbildungstrainer der USA,
weil seine Viet Minh die stärkste Kraft gegen die Japaner war. Als Mitglied des amerikanischen
Geheimdienstes OSS (Decknamen "Lucius") sprang er hinter den japanischen Linien ab und
koordinierte den Kampf. 1945 gab die Widerstandsbewegung unter seiner Leitung eine nach dem
amerikanischen Vorbild verfasste Unabhängigkeitserklärung heraus, und der Kaiser Bao Dai legte sein
Amt nieder.
Nach dem Ende des Kriegs bot Ho Chi Minh den USA freien Marktzugang und die Errichtung einer
Militärbasis in Vietnam an. Aber die Amerikaner liessen Ho Chi Minh fallen, obwohl dieser Präsident
Truman in sechs Briefen um Unterstützung für den Aufbau eines demokratischen Staates innerhalb
einer französischen Union bat. Stattdessen verkauften die USA den Franzosen Militärausrüstung im
Wert von $160 Mio. für ihren Kampf gegen den Viet Minh. Frankreich besetzte alle wichtigen Städte,
hatte aber keine Chance, das Land zu kontrollieren. Frankreich wollte den Süden der ehemaligen
Kolonie, wo das Gros der französischen Kapitalinvestitionen konzentriert war, vom Rest der Republik
abtrennen, und setzte dort 1949 den Kaiser Bao Dai wieder an die Spitze einer
Marionettenregierung. Ho Chi Minh wandte sich nun an die UdSSR und China, die ihn unterstützten.
Trotz amerikanischer Finanz- und Militärhilfe (Eisenhower begründete die Einmischung der USA mit
der Dominotheorie und erhöht die US-Unterstützung von $400 Mio. auf $785 Mio., wofür die
Franzosen der Wiederbewaffnung Deutschlands zustimmen) konnten sich die Franzosen gegen die
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nationale Befreiungsarmee nicht durchsetzen.Vizepräsident Nixon ist der erste amerikanische
Politiker, der sich, schon vor der französischen Niederlage, für den Einsatz von US-Truppen
aussprach, und Generalstabschef Arthur Radford plante die Operation VULTURE, die den Einsatz von
drei taktischen Nuklearbomben zur Hilfe Frankreichs vorsah. Nach der französischen Niederlage am
8.5.54 bei Dien Bien Phu sieht der am 21.7.54 ausgehandelte Waffenstillstand, der aufgrund von
amerikanischen Interventions- und Atombombendrohungen zustande kommt, die provisorische
Teilung am 17. Breitengrad und freie Wahlen innerhalb von zwei Jahren zwecks Wiedervereinigung
des Landes vor. Eisenhower verhindert dann die gesamtvietnamesischen Wahlen, die zu einer
Wiedervereinigung führen sollten.
Auf Anordnung von Dulles wird der Katholik Ngo Dinh Diem von Kaiser Bao Dai am 16.6.54 im Süden
des buddhistischen Landes eingesetzt. Eine Million Vietnamesen, 80% davon Katholiken, ziehen in
den Süden, und drei Millionen aus dem Süden in den kommunistischen Norden unter Ho Chi Minh.
Obwohl ihre Armee besiegt ist, beginnen die Franzosen eine aggressive opiumfinanzierte
Terrorkampagne gegen den antifranzösischen Diem. Zwischen der CIA und dem französischen
Geheimdienst kommt es zu einem Geheimkrieg um die Kontrolle des Drogenhandels: Frankreich
unterstützt den Kaiser Bao Dai in Südvietnam über Colonel Roger Trinquier, der schon die Provinzen
der Meo kommandiert hat. Vor dem Krieg machte der monopolisierte Handel mit Opium 15% der
Kolonialeinnahmen der Franzosen aus. Wegen den Schwierigkeiten mit Opiumtransport aus der
Türkei und dem Iran während des 2. Weltkriegs setzten die Franzosen die Meo und Yao für die
Opium-Produktion, die um 800% stieg, ein. Captain Antoine Savani vom militärischen Geheimdienst
Deuxième Bureau organisierte mithilfe der Mixed Airborne Commando Group den Opiumtransport
der französischen Luftwaffe nach Saigon. Dort befindet sich die Binh Xuyen-Gang, die das Opium in
Geld umsetzt. Das Deuxième Bureau, die Mixed Airborne Commando Group und der Kaiser erhalten
alle einen festen Prozentanteil des Gewinnes. Diese vietnamesische Mafia betreibt in Saigon zwei
Opiumraffinerien und kontrolliert alle, das heisst hunderte von Opiumhöhlen, das Grand Monde, das
profitabelste Casino der Welt, und die Hall of Mirrors, ein Bordell mit 1200 Prostituierten. Ein Teil des
Opiums wird von Savani zur korsischen Mafia nach Marseille exportiert. Zur Krönung der Korruption
setzt der Kaiser den Binh Xuyen-Boss Le Van "Bay" Vien nach einer Bezahlung von $1,25 Mio. als
Polizeichef Saigons ein.
Nachdem sich Diem die Kontrolle über die Armee gesichert hat, stellt er sich im Januar 1955 gegen
die Mafia, indem er die Lizenz des Grand Monde nicht mehr erneuert. Edward G. Lansdale kauft mit
$12 Mio. die Unterstützung der Sekten von Cao Dai und Hao Hao, die gleichzeitig politische und
militärische Organisationen sind, und die Armee ARVN von Colonel Van Minh, die zusammen mit der
regulären Armee im April 1955 die Binh Xuyen-Gang von Le Van Vien in blutigen Strassenkämpfen in
Saigon besiegt. Im Mai 1955 fährt der US-Aussenminister John Foster Dulles zu Verhandlungen nach
Paris, worauf Kaiser Bao Dai nach einem Pseudoreferendum abgesetzt wird. Obwohl die
amerikanischen Berater Diem empfehlen, 60% wäre glaubwürdiger, gibt Diem bekannt, dass 98,2%
der Wahlgänger für ihn gestimmt hätten. In Saigon übertrifft er sogar die späteren Wahlergebnisse
Ho Chi Minhs, die meistens mit 99,1% angegeben werden: 605'000 Stimmen sollen für Diem
eingelegt worden sein, bei 405'000 eingeschriebenen Wählern.
Lansdale arbeitet mit Lucien Conein zusammen, der schon während dem Krieg paramilitärische OSSOperationen in Vietnam geleitet hatte. Gegen den Norden beginnt eine Serie von CIA-Programmen,
die von psychologischer Kriegsführung (Falschmeldungen über Vergewaltigungen, Überfälle
chinesischer Truppen, Massaker an Katholiken und anderen Vietminhgräuel, negative astrologische
Prophezeiungen für den Norden) bis zu Sabotage (Benzinzusätze zerstören die Busse in Hanoi)
reichen.
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Diem schafft ein Parlament, das aber nichts zu sagen hat. Die Macht halten er, sein Bruder Ngo Dinh
Nhu und dessen Frau "Madame Nhu". Diem suspendiert die für 1956 ausgehandelten Wahlen zur
Wiedervereinigung, da der militärische Geheimdienst ermittelte, dass 80% der Vietnamesen Ho Chi
Minh unterstützen. Im gleichen Jahr gründet Nhu seine eigene Gestapo, die Personalist Labor
Revolutionary Party (Can Lao). Auch seine Frau hat mit der "Woman's Solidarity" einen eigenen
Geheimdienst. Dank ihr werden Verhütung, Schönheitswettbewerbe, Boxen, sentimentale Lieder,
Tanzen (auch privat), Prostitution (die mit der Ankunft der US-Soldaten boomt) und Scheidung
verboten. Für alle Publikationen wird die Zensur eingeführt. Der autokratische Diem kann seine
Macht mithilfe der Amerikaner, die bis 1959 jährlich $250 Mio. zahlen, und einer Leibgarde aus
Filipinos innerhalb von drei Jahren konsolidieren, indem er mit unglaublicher Brutalität jegliche
Opposition, auch die der Buddhisten, vernichtet. Da Diem die Franzosen und Chinesen vertreibt,
bricht der Handel zusammen. Diem muss einen neuen Verwaltungsapparat aufbauen, wozu er fast
ausschliesslich Katholiken einsetzt. Die USA bezahlen die vietnamesische Armee zu 100%, was 80%
der südvietnamesischen Regierungsausgaben entspricht. Über die Staatsuniversität von Michigan
werden für $25 Mio. die Verwaltungsbeamten und die Polizisten ausgebildet, die die VietminhMitglieder jagen und vernichten. Deren Rektor Hannah ist bezeichnenderweise der Vorsitzende der
US-Kommission für Menschenrechte. Die vom Vietminh durchgeführte Bodenreform wird rückgängig
gemacht.
Nachdem die Opiumhöhlen 1955 mit grosser Publizität geschlossen werden, führen die USA die
Praxis der Franzosen fort. Die drei Fluggesellschaften der CIA (Air America, Continental Air Service
und Lao Development Air Service) heissen beim Volksmund schon bald "Air Opium". Sie fliegen
zwischen Taiwan und dem Goldenen Dreieck und transportieren Waffen und Opium. Ab 1958 dealen
Ngo Dinh Nhu, seine Frau und der Oberst der Luftwaffe Nguyen Cao Ky mit den Meo unter Vang Pao
und den chinesischen Syndikaten in Saigon, wo bereits wieder Hunderte von Opiumlokalen
existieren. Auch die Union Corse ist am Handel beteiligt: Als Gegenleistung für die Unterdrückung der
Kommunisten fliegt die Air Laos Commercial von Bonaventure Francisci Heroin aus Laos ein, wobei
General Nhu 15% von diesen Profiten kassiert. Im Gegensatz zu Captain Savani wird Nhu selbst
opiumsüchtig. Diems Familie transferiert Vermögen auf schweizer, brasilianische, englische,
französische und deutsche Banken.
Die rücksichtslosen "Sicherheitsprogramme" laufen auch nach der Versetzung von Lansdale 1962
weiter und werden als PHOENIX-Programm bekannt. Die politische Unterdrückung, die
Umsiedlungen der Landbevölkerung und die offensichtliche Korruption bringt jedoch mehr
Oppositionelle hervor als das Regime unterdrücken kann. Bis 1960 kontrolliert die National
Liberation Front etwa die Hälfte des Landes im Süden.
Quellen: Behr: 191-195, Groden/ Livingstone: 442, 467, Horowitz: 132-141, Schulz: 171f, Kangas: 4, CIA-Info: 13, Russel (2000),
Best: 57-64, Abramovici/ Decornoy: 1, Ansom: 294f, Dehnhardt, Wronkow: 6, Kappstein, Holzkamp: 13, Summers (2000):
164ff, Pepper: 8ff.
3.18. 1954 Sturz von Jacobo Arbenz Guzman
Oberst Carlos Castillo Armas fällt von Honduras mit 450 Mann in Guatemala ein, um die 1950
verfassungsmässig gewählte Regierung des Sozialdemokraten Jacobo Arbenz Guzman zu stürzen.
Unterstützt werden Castillo Armas und Miguel Ydigoras Fuentes von 6 CIA-Flugzeugen, die von USPiloten geflogen werden, und von Diktator Anastasio Somoza, der den Rebellen eine nicaraguanische
Insel als Operationsbasis zur Verfügung stellte.
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Arbenz hatte ein Reformprogramm nach dem Vorbild Mexikos entworfen, die ohnehin schwache
kommunistische Partei legalisiert und mit 4 Ministern an der Regierung beteiligt. Um die
feudalistischen Strukturen zu durchbrechen (3% der Bevölkerung besitzen 70% des Bodens), forcierte
Arbenz die Agrarreform 1953 und enteignete 162'000 Hektar brachliegendes Land der United Fruit
Company, das er laut dem von der Besitzerin selbst deklarierten Steuerwert von 1952 mit $600'000
entschädigen wollte. Im April 1953 verlangte die US-Regierung $16 Mio. Entschädigung. Das
Anwaltsbüro von Aussenminister John Foster Dulles, Aktionär der United Fruit, hatte in den 30er
Jahren die Verträge der United Fruit mit Guatemala geschrieben, die den Konzern faktisch von den
Steuern befreiten. Der Vize-Aussenminister für Inneramerikanische Angelegenheiten, John Moors
Cabot, ist einer der Hauptaktionäre, der Chef des NSC, Robert Cutler, besitzt ebenfalls Aktien der
Früchte-Firma. CIA-Direktor Allen Dulles war vorher Präsident der United Fruit, und sein Vorgänger
bei der CIA, Walter Bedell Smith, bekommt nächstens den Job als Vizepräsident des Konzerns. Der
erste Ehemann von Dulles Liebhaberin Mary Bancroft, Sherwin Badger, arbeitete ebenfalls bei United
Fruit, die auch Ländereien in Kolumbien, Costa Rica, Kuba, Jamaica, Nicaragua, Santo Domingo und in
Panama besitzt oder besass.
Eisenhower und Nixon bewilligten $20 Mio. für die Beseitigung von Arbenz, nachdem der
Spezialberater Eisenhowers, Nelson Rockefeller, und der Anwalt der United Fruit, Ernest Cuneo,
Druck gemacht hatten. Der CIA-Agent John Peurefoy wird als US-Botschafter nach Guatemala
geschickt, um den Putsch vorzubereiten, indem er die Militärs rekrutiert, und E. Howard Hunt wird
Political Action Officer. Hunt stiess kurz zuvor zur Mord-Abteilung der CIA (Office of Special
Operations, Program Branch 7), die von Boris Pash geleitet wird und Angleton und Harvey untersteht.
Seitens der CIA sind Frank Wisner, Richard Bissell, Tracy Barnes, David Atlee Phillips, Henry Hekscher,
Burch O'Neill und John Dothoty an der Vorbereitung des Putsches und den Propagandaaktionen
beteiligt. Die CIA-Operation PW/SUCCES mobilisiert Exilguatemalteken zum Kampf. Eine
"Entsorgungsliste" von 55 Guatemalteken mit vermuteter kommunistischer Gesinnung wird
aufgestellt und Mörder werden ausgebildet, ohne dass diese Morde dann ausgeführt werden. Die
Katholische Kirche hilft im Wallfahrtsort Esquipulas mit, den Widerstand gegen Arbenz aufzubauen.
Die Mafia beteiligt sich ebenfalls am Putsch, der nicht einmal $5 Mio. kostet. Die Verbindung zur
Mafia läuft über Antonio Valladares, ein Anwalt des Mafiabosses Carlos Marcello, und Maurice B.
Gatlin. Dank Vizepräsident Richard Nixon begann eine breit angelegte Kooperation zwischen Mafia,
FBI, CIA und Howard Hughes, der wie die texanischen Ölmilliardäre Nixon finanziert. Bob Maheu,
Johnny Roselli, Guy Banister, Murray Humphreys sind die Verbindungsmänner. Der Umsturz hilft
Marcello, die Kontrolle des Drogenhandels in Guatemala zu erreichen. Es ist wahrscheinlich, dass
Marcello, der die Hafengewerkschaften kontrolliert, und die United Fruit beim Marihuanaanbau auf
United Fruit-Plantagen in Guatemala und den Transport in die USA zusammenarbeiten. In Guatemala
City ist das Spielgeschäft in den Händen von Ted Lewin, einem Vertreter von Lansky.
Johnny Roselli und John Martino arbeiten ebenfalls in Guatemala, allerdings auf der Seite der
Standard Fruit & Shipment, die keine eigenen Plantagen besitzt. Martino, ein Verwandter von Angelo
Bruno, arbeitet für Santos Trafficante und wird in Kuba Vertrauter von Estaban Ventura, dem
zweithöchsten Kommandanten von Batistas Geheimpolizei.
Die 3 Jagdflugzeuge und die 3 B-26 Bomber fliegen zahlreiche Einsätze gegen die ungeschützten
Städte. Die guatemaltekische Armee beschränkt sich auf die übertriebene Darstellung der feindlichen
Kräfte. Die von Radio Voice of Liberation verbreitete Nachricht, Arbenz erhalte Waffen aus der
Tschechoslowakei, erlaubt den USA, 50 Tonnen Gewehre an die Rebellen zu liefern. Mit der
eroberten Lufthoheit beginnt der Guerillakrieg. Innerhalb der CIA kommt es zu Spannungen, weil die
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Feldagenten oft die Direktiven der Zentrale ignorieren. Bekannt wird das Beispiel von "Rip"
Robertson, der auf Drängen von Somoza eine Bombe auf ein vermeintlich tschechisches, aber in
Wirklichkeit britisches Frachtschiff werfen liess, worauf die CIA $1,4 Mio Schadenersatz zahlen muss.
Arbenz verhängt den Notstand, und die guatemaltekische Geheimpolizei beginnt, Verdächtige zu
verhaften. Die winzige Rebellenarmee marschiert 6 Meilen ins Land, worauf Arbenz die Sowjetunion
um militärische Hilfe bittet, was Eisenhower mit einer Blockade verhindert. Der US-Botschafter und
der päpstliche Nuntius vermitteln zwischen den Armeen. Nach zehn Tagen tritt der international
isolierte Arbenz zurück und flieht in die mexikanische Botschaft, und Putschführer Castillo Armas
wird im Flugzeug des US-Botschafters nach Guatemala City geflogen.
Die neue Junta von Castillo setzt die Agrarreform ausser Kraft, entzieht den 70% Analphabeten das
Wahlrecht, gibt den enteigneten Boden an die United Fruit zurück, schafft die Besteuerung aller
Zinsen, Dividenden und Gewinne von ausländischen Investoren ab und lockert die Erdölgesetze. Die
Gewerkschaftsfunktionäre werden ihrer Posten enthoben, 9000 Kommunisten werden meist
jahrelang verhaftet, und Tausende von Bauern und Arbeitern werden aus Rache von
Grossgrundbesitzern und Unternehmern umgebracht. Der folgende jahrzehntelange Bürgerkrieg in
Guatemala fordert über 100'000 Menschenleben. Von den $900 Mio. US-Wirtschaftshilfe versickert
der grosse Teil im korrupten Netz der Diktaturen.
Da die neue Regierung ihre Existenz der United Fruit verdankt und nur ihr gegenüber loyal ist, wird
Castillo am 26.7.57 von Romeo Vasquez Sanchez, einem angeblich kommunistischen Mitglied der
Palastwache, ermordet. Nach einem Putsch wird General Miguel Ydigoras Fuentes neuer Präsident,
der 1960 der CIA gestattet, Guatemala als Stützpunkt der kubanischen Invasionstruppen zu
benutzen. Dafür stellt die CIA Fuentes Militärmaterial, das B-26 Bomber umfasst, zur Bekämpfung
der Rebellen zur Verfügung. 1959 soll Fuentes von Bobby Willis im Auftrag der Mafia von Chicago
umgebracht werden. Willis flieht und wird an der Grenze verhaftet, wobei er den Namen Martin
Borman, Hitlers Sekretär und hingerichteter Kriegsverbrecher, benutzt. Arbenz wird am 27.6.71 tot in
seiner Badewanne in Mexico City gefunden.
Johnny Rosellis Armeekontakt Enrique Trinidad Oliva wird Chef der Geheimpolizei. Oliva stellt in den
70er Jahren die berüchtigten Todesschwadronen auf die Beine, die verantwortlich für die 40'000
"Verschwundenen" sind. Geleitet werden die privaten Schwadronen vom Umsturzveteranen Mario
Sandoval Alarcon, dessen CIA-Verbindungsagent John Martino ist. Roselli beliefert die
Rebellenbanden mit Munition und Geld, die von Zeit zu Zeit United Fruit-Anlagen attackieren, und
gleichzeitig beliefert er die Geheimpolizei mit Informationen über die Rebellen. Die Rebellen werden
später in Mexico trainiert, unter anderem von Albert Sicilia Falcon, und eignen sich bestens, um
Waffen- und Heroingeschäfte laufen zu lassen.
Quellen: Scott (1993): 110, Horowitz: 150-171, Weberman (6): 11-17, (27): 60, Giancana: 343, Schulz: 173f, Sylwester: 14, CIAInfo: 8f, 13f, Potter: 2, Best: 29-31, O'Shaughnessy, Levin, Summers (2000): 174f, Karel (2003).
3.19. 1955 Ermordung von José Antonio Remon
An einem Treffen der Special Group 54-12, geleitet von Vizepräsident Richard Nixon, wird am
Neujahrsmorgen die Ermordung des Präsidenten José Antonio Remon von Panama festgelegt, der
mit Reformen begonnen hatte und die nationalistischen Forderungen der Übergabe des
gewinnbringenden Kanals unterstützt. Panama wurde wegen dem Kanal auf Druck der USA 1903 von
Kolumbien abgespalten. Die Special Group koordiniert die Aktionen der CIA und der militärischen
Seite [120]
Geheimdienste. Ihr gehören neben Nixon Alexander Haig, E. Howard Hunt, Frank Sturgis, Robert
Cushman und Marion Cooper an. Am nächsten Tag wird Remon mit Maschinengewehren erschossen.
Frank Anthony Fiorini, der eigentlich katholischer Priester hatte werden wollen, trat 1942 mit 17
Jahren den Marines bei und diente als Scharfschütze bei der Elitetruppe First Marine Raider Battalion
im pazifischen Dschungel gegen die Japaner. 1945 wurde er wegen Psychoneurose und
Schlaflosigkeit ins Sun Valley Naval Center eingeliefert. Nach seiner Entlassung zog er nach Miami
und heiratete die Prostituierte Nora "Betty" Odell Thompson. Sie zogen nach Norfolk, Virginia, wo er
als Polizist, Barkeeper und in Nachtklubs arbeitete. Zugleich trat er der United States Naval Reserve
bei und verpflichtete sich erneut bei den Marines, obwohl er inzwischen einen eigenen Nachtklub
besass. Er diente 1950 in Heidelberg und Berlin und landete bei der Army Security Agency. Wegen
einer Affäre mit einer ungarischen Schauspielerin, die auch eine Affäre mit seinem Vorgesetzten
General Lucius Clay hatte, verliess er die Armee. In Miami gewinnt er Kontakt zu Exilkubanern und zu
E. Howard Hunt. 1952 stellte er einen Antrag zur Änderung seines Namens und heisst seit 1953 nach
seinem Stiefvater Sturgis. Am 20.9.54 wurde Betty von der Prostituierten Lyghia Buckwater
erschossen.
E. Howard Hunt geht nach der Aktion gegen Remon nach Tokyo und arbeitet 1956 mit Bissell am U-2Projekt. 1954 schlug Edwin Land von der Polaroid Company Allen Dulles vor, spezielle Fototechniken
zu entwickeln, um Luftaufnahmen aus grosser Höhe zu machen, was Eisenhower bewilligt. Mit Kelly
Johnson von Lockheed wird ein Flugzeug entwickelt, das so hoch fliegt, dass es nicht abgeschossen
werden kann. Die Bilder des ersten U-2-Fluges im Frühjahr 1956 sind so gut, dass man die
Automarken auf dem Parkplatz des Kremls erkennen kann. Die Sowjets halten ihr Wissen um die U-2Flüge geheim, weil sie nicht in der Lage sind, die Maschinen abzuschiessen.
1957 wird Hunt Station Chief in Montevideo, Uruguay, und arbeitet an Umsturzplänen gegen
Präsident Benito Nardone, der mit kommunistischen Ländern Handelsverträge geschlossen hatte.
Quellen: Hersh: 186, Weberman (6): 2, 8, 17-68, (7): 6, CIA-Info: 13, Best: 31, Groden/ Livingstone: 315f.
Seite [121]
4.
Teil (1956 bis 1960)
Dieser Teil der Chronik behandelt die Unterstützung der Mafia für Kennedy und Nixon, die
Revolution in Kuba und die Interventionen der CIA
Zentrale Themen und Personen:
Hoovers FBI-Programme gegen Linke, Schwarze, Indianer und Pazifisten, Terrorkommandos der CIA, Mafiaboss Sam
Giancana und Frank Sinatra, Giancana und Kennedy, Suez-Krise, Nasser, Israel, Atombombe und Islamismus, Hughes und
Nixon, Robert Kennedy gegen die Teamster-Gewerkschaft, James Hoffa und die Mafia, Mafiakrieg in New York, ApalachinMeeting, Lewis Rosenstiel, Meyer Lansky, Roy Cohn und Lyndon Johnson, Präsidentschaftskampagnen von John Kennedy
und Richard Nixon, US-Interventionen in Indonesien (Achmed Sukarno), Kambodscha (Norodom Sihanouk), Tibet (Dalai
Lama), Libanon, Jordanien, Irak (Abdul Karim Kassem, Saddam Hussein), Castros Revolution auf Kuba, CIA und Mafia,
Waffenschmuggel, Casinos und Drogen, Machtkämpfe auf Kuba, Mordpläne gegen Castro, Marita Lorenz, Frank Sturgis, E.
Howard Hunt, Kennedys Wahlkampf, Sam Giancana, Frank Sinatra, Judith Campbell, Lyndon B. Johnson, Lee Harvey Oswald
in der Sowjetunion, Marilyn Monroe und John Kennedy, Aktionspläne gegen Kuba, Kennedys Wahl, Ermordungen von
Patrice Lumumba und Dag Hammarskjöld.
4.1. 1956 FBI-Programme
FBI-Direktor J. Edgar Hoover startet mit der Einwilligung Präsident Eisenhowers das Communist
Intelligence Program, das die Kommunisten und andere Gruppen zu diskreditieren versucht.
Insgesamt gehören zu COINTELPRO bis 1971 über 2000 verdeckte Operationen, die von Infiltration
und Unterwanderung über psychologische Kriegsführung mit gefälschten Veröffentlichungen und
Diskreditierungen bis zu direkter Gewalt, Einschüchterung und inszenierten Anschlägen reichen. Ein
Fünftel der COINTELPRO-Aktionen sind Medien-"Informationen", die Personen und Organisationen
diffamieren. In einem von 1956 bis 1971 laufenden speziellen Medienprogramm sind etwa 400
Journalisten eingebunden, die für das FBI arbeiten. 40% des Programms besteht aus Störaktionen
wie dem Versenden von anonymen, gefälschten und fiktiven Materialien, um
Meinungsverschiedenheiten, Desorganisation und Frustrationen innerhalb der Gruppen zu schaffen.
Terroristische "White Hate"-Gruppen wie etwa der Ku-Klux-Klan werden geduldet und gefördert, so
lange sie gegen Ziele wie die "Black Panthers" vorgehen. Auch Morddrohungen erweisen sich als
effektiv. Aufgrund zugespielter Akten veröffentlichen die Medien einen winzigen Teil der
Operationen, die nie restlos aufgeklärt werden, weil das FBI verspricht, derlei nicht wieder zu tun.
Gegen die Socialist Workers Party und die Young Socialist Alliance werden zwischen 1960 und 1976
1331 Spitzel angesetzt, von denen etwa 300 als Mitglieder der Organisationen aufgenommen
werden. In der Kommunistischen Partei soll in den 50er Jahren jedes sechste Mitglied ein Spitzel
gewesen sein. Die eigentliche Zersetzungsarbeit wird aber von eingeschleusten Provokateuren
übernommen, die beispielsweise Mitglieder zu kriminellen Handlungen anstiften. Das FBI selbst
schreckt vor kriminellen Handlungen nicht zurück: In das Hauptquartier der SWP wird beispielsweise
zwischen 1960 und 1966 mindestens 92 Mal eingebrochen (im Schnitt alle drei Wochen), um
Mitgliederlisten, Korrespondenz, Informationsmaterial und Akten zu fotografieren.
Andere Programme laufen ab 1965 gegen die Schwarzenbewegung, 1968 gegen die Neue Linke, von
1972 bis 1976 gegen die American Indian Movement, von 1976 bis 1985 gegen die puertorikanischen
Nationalisten sowie gegen die Friedensbewegungen. Das FBI gibt eigene Publikationen wie die
Armageddon News heraus, die sich gegen den Einfluss der Sozialisten in der Friedensbewegung stellt.
Bei der Washington Peace Mobilization, das Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg vorbereitet,
sind von 32 Teilnehmern 9 FBI-Agenten. Von den 30 Mitgliedern der Washington Black Liberation
Front sind es sogar 14.
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Überwacht werden in den USA über 1000 politische Organisationen - alles, was politisch nicht
etabliert ist. Von 1960 bis 1974 führt das FBI 500'000 Untersuchungen gegen subversive
Bestrebungen durch und startet im Rahmen von COINTELPRO zwischen 1956 und 1971 gegen 5
Organisationen 2370 Aktionen. FBI-Agenten, die sonst bei kleinsten "moralischen Verfehlungen"
gefeuert werden, erhalten die dienstliche Anweisung, mit Ehefrauen von Ku-Klux-Klan-Mitgliedern zu
schlafen, um Eheprobleme zu schaffen.
Das FBI organisiert gleichzeitig selbst rechtsradikale Terrorgruppen, um sie gegen die Linken
einzusetzen, und schützt andere Nazi-Gruppen vor Strafverfolgung. Das FBI deckt beispielsweise
Angriffe der National Caucus of Labor Committees in New York und der faschistischen Legion of
Justice in Chicago auf Versammlungen der Socialist Worker Party. Es wird sogar so etwas wie eine
nationale Terrorgruppe aus Polizei-und FBI-Agenten aufgebaut.
Auch die CIA organisiert rechtsradikale Terrorbanden in Deutschland und in Südamerika. In Uruguay
erhält der Polizei- und Geheimdienstchef Otero den Auftrag zur Bildung von Todesschwadronen vom
"Landwirtschaftsattaché der US-Botschaft" Dan Mitrone, der bereits Terrorgruppen in Brasilien und
der Dominikanischen Republik auf die Beine gestellt hat. Innerhalb der türkischen Armee baut die CIA
eine Anti-Guerilla-Abteilung auf, unter deren Schutz und Anleitung die "Grauen Wölfe" operieren.
Anfang der 70er Jahre schult die CIA libysche Terrorkommandos. 1956 versucht die CIA, die
Regierung von Ghazzi in Syrien, das eine Föderation mit Ägypten anstrebt, zu stürzen, was aber
angesichts der Angriffe von Israel, Grossbritannien und Frankreich auf Ägypten im Oktober und
November 1956 aufgegeben wird.
Quellen: Scott (1993): 191f, 309, 380-397, Schulz: 94, 100-116, 170, 310, Schröder, Zanetti, Roth: 41f, CIA-Info: 13.
4.2. 1956 Sam Giancana
Sam Giancana, geboren am 24.5.1908, wird Mafiaboss von Chicago. Salvatore Giancana gehörte
bereits mit 12 Jahren der Strassengang "the 42" in Chicago an und eiferte Colosimo, Esposito, Torrio
und Capone nach, die Macht, Geld und Frauen hatten. Nach einem Aufenthalt in einem
Erziehungsheim lebte er bereits mit 10 Jahren auf der Strasse, weil sein Vater den widerspenstigen
Jungen jeden Tag schlug, ihn an die Eiche im Garten band und peitschte. Seine Mutter starb an einer
Fehlgeburt, als er knapp zweijährig war. Meistens schlief er in verlassenen Autos und stahl Nahrung
und Kleider. Nachdem er sich der Gang von Joey Colaro angeschlossen hatte, kamen organisierte
Diebstähle von Autos, dann Bombenattentate und Mordaufträge dazu. "Moony" wurde zum besten
Fahrer der Gang und verschaffte sich durch seine Brutalität Respekt in seiner neuen Familie, neben
der nichts zählte. 1923 begann er als Transporteur für Diamond Joe Esposito und zeitweise auch für
Joe Kennedy zu arbeiten. Über seinen Job als Chauffeur von McGurn kam er in die Chefetage der
Mafia von Chicago und machte sich einen Namen als verwegener Fahrer und guter Schütze. Ab 1924
arbeitete er auch für Al Capone als Killer auf Bezahlung. Im Januar 1925 brachten Sam Giancana und
Leonard Gianola den Nachfolger Colosimos, Johnny Torrio, mittels Schussverletzungen dazu, seinen
Platz Al Capone zu überlassen und die Stadt zu verlassen. Kurz darauf wurde Moony wegen
Autodiebstahl verurteilt.
Nach seiner Freilassung setzte er sich zuhause gegenüber seinem Vater als Familienoberhaupt durch.
Mit 18 erfolgte eine erste Mordanklage, da der Besitzer des überfallenen Ladens nach einer
Schiesserei starb. Nachdem er gegen $25'000 Kaution, die Esposito ihm sponserte, freikam, wurde
der einzige Zeuge der Anklage, Alex Burba, ermordet. Im November 1927 organisierte Moony
mithilfe eines anonymen Telefonanrufs an die Polizei, dass Joey Colaro niedergestreckt wurde. Er
übernahm die Führung der "42", zu der Leonard Caifano, Gianola, Fiore Buccieri, Willie Daddano,
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Sam DeStefano, Phil Alderisio, Chuckie Nicoletti und die Brüder Chuck und Butch English gehörten.
Am 3.10.28 brachte Giancana im Auftrag Capones seinen Förderer Diamond Joe Esposito um, womit
er sich eine bessere Stellung innerhalb der Capone-Organisation verschaffte. Mit 20 soll er bereits 20
Morde ausgeführt haben.
Am 23.9.33 heiratete Giancana Angeline DeTolve, nachdem er ihren Verlobten umgebracht hatte.
Seine Geliebte Marie Fanelli will er für Sex, Ange als Mutter seiner Kinder. 1932 wurde Giancana der
Fahrer von Paul Ricca, der nach der Verhaftung Al Capones die Leitung des Syndikats von Chicago
übernahm. Sein ehemaliger Vorgesetzter McGurn war innerhalb der Organisation in Ungnade
gefallen und wurde am 13.2.36 umgebracht. Giancana bewunderte Ricca für seine Intelligenz und
Kaltblütigkeit, seinen Charme und seine Beziehungen zu Politikern und Frauen. 1937 baute sich
Moony im Patch sein eigenes Imperium auf. Über 50 Kriminelle arbeiteten für ihn und erledigten
Autodiebstähle, Einbrüche, illegale Alkoholproduktion, Erpressungen, Wucherei, Glücksspiele und
trieben Geld ein. Die Polizei entdeckte am 17.1.39 die klandestine Destillerie von Garden Prairie,
worauf Giancana wegen Alkoholschwarzbrennerei zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Giancana schaltete sich, nachdem er kurz vor Weihnachten 1942 aus dem Gefängnis entlassen
wurde, dank seinem Zellengenossen Eddie Jones ins schwarze Lotterienetz ein. Um die Lotterien in
den Quartieren der Schwarzen in den Griff zu bekommen, liess er Eddie Jones vier Jahre später
kidnappen und zwang ihn aufzugeben. Seiner Meinung nach gehört es sich für einen Schwarzen
nicht, soviel Geld zu machen. Jones durfte sich nach Mexico zurückziehen und "Moony" half mit
Schlägern und Bomben nach, das ganze Spielnetz zu übernehmen. Leonard Caifano leitete dann für
Giancana die nun von Weissen kontrollierten Lotterien. Gleichzeitig kaufte er Spielautomaten, die
von Chuckie English überwacht wurden, und er profitierte, wie Gambino auch, von den
Kriegsrationierungen, indem er mit gestohlenen Marken handelte.
Kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde Giancana zum stellvertretenden Boss ernannt. Er ist häufig in Las
Vegas und Hollywood, hat engen Kontakt mit Frank Sinatra und Sammy Davis. Sinatra ist der offizielle
Besitzer des Casinos Cal Neva, das eigentlich Giancana gehört. Das Chicago-Syndikat kontrolliert die
Filmgewerkschaften, kann Produzenten und Studios erpressen. Über den Einfluss auf James Riddle
Hoffa eröffnen die Gewerkschaften den Zugang zur Macht in Washington. Zudem ist Giancana
dauernd in Kuba, wo alles erlaubt ist, was im spiessigen Amerika der 50er Jahren verboten ist.
Giancana beginnt, Harry Stonehill auf den Philippinen (gestohlene) Zigaretten zu liefern. Stonehill
unterhält Kontakte zum späteren Diktator Ferdinand Marcos, zur katholischen Diözese, zum
philippinischen Prokonsul, zu CIA-Mitarbeiter General Edward Lansdale und zu General Douglas
MacArthur.
In einem Casino von Moe Dalitz in Las Vegas lernt Giancana Phyllis McGuire kennen, die in diesem
Casino eine Spielschuld von $100'000 angehäuft hat. Die Sängerin wurde auch mit Elvis Presley
gesehen, aber nachdem Giancana ihr versprach, sich um die Schuld zu kümmern, gibt sie ihm den
Vorzug. Dalitz muss sich den Verlust ans Bein streichen. Die Presse ist hingerissen: die Schöne und
das Biest. Dadurch gerät auch seine Rolle als Boss von Chicago vermehrt in die Presse. Der
eifersüchtige Giancana reist McGuire überall hin nach, um sie zu kontrollieren, aber er ist unfähig,
seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Er kauft dafür teure Geschenke, wenn sie nicht wie meistens
aus Diebesbeute stammen. Der 48jährige Boss, der Wert auf altmodische Umgangsformen legt,
wurde schon 60 Mal verhaftet wegen Beihilfe zu Verbrechen, Einbruch, tätlichem Angriff, Diebstahl,
versuchtem Totschlag, Waffenbesitz, Bombenüberfall, Glücksspiel und Mord. Bis 1960 hat er etwa
200 Morde auf dem Gewissen, viele davon ausgeführt von seinen Henkern "Mad Sam" DeStefano,
Fifi Buccieri und Willie Daddano. DeStefano bearbeitet beispielsweise seine Opfer in seiner
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Folterkammer vorwiegend mit Eispickeln. Giancana herrscht über ein Kader von ungefähr 1000
Gangstern, die ihrerseits Befehle an gegen 50'000 Einbrecher, Entführer, Fälscher, Erpresser,
Drogenhändler, Kredithaie und Mörder ausgeben. Die Jahreseinnahmen dieses Grossunternehmens
betragen schätzungsweise $2 Mia. Mittels Gewalt und Korruption kontrolliert Giancana Polizisten,
Richter und Politiker, die öfters an seinen Partys zu Gast sind.
Quellen: Hersh: 46ff, Giancana: 20-370, Olgiatti, Best: 10f, 37, Lewens/ Wall.
4.3. 1956 Giancana und Kennedy
Joe Kennedy tritt mithilfe des Bürgermeisters von Chicago, Richard Daley, in Kontakt zu Sam
Giancana, und lässt ihm mitteilen, er habe einen Fehler begangen und befände sich in
Schwierigkeiten. Kennedy bittet Giancana, ihn an der Ostküste zu treffen, was dieser kategorisch
ablehnt. Kennedy habe seit Jahren ein Büro in Chicago und ihm gehöre seit 1945 das Merchandise
Mart, also würde man sich in Chicago treffen, oder gar nicht.
In einer Suite des Ambassador East bittet Kennedy den Mafiaboss drei Tage später um Hilfe, da Frank
Costello ihn umbringen lassen wolle. Obwohl Kennedy dank der Mafia reich geworden war, weigert
er sich zunehmend, Gegenleistungen zu bringen und distanziert sich von seinen alten Komplizen. Im
Streitfall sollte Kennedy seinen Namen für ein Immobiliengeschäft Costellos leihen, aber er hat Angst,
damit die politische Karriere seines Sohnes zu gefährden. Kennedy hat seine Kontakte mit der Mafia
nie aufgegeben: mit Johnny Roselli spielt er von Zeit zu Zeit Golf, mit Meyer Lansky trifft er sich 1957
in Kuba, kurz darauf mit "Smiling Gus" Battaglia und Joe Bonanno. Kennedy verspricht Giancana die
Loyalität seines Sohnes, falls er Präsident werden sollte. Giancana geht auf diesen Vertrag ein und
annulliert das Todesurteil Kennedys.
Der Parteitag der Demokraten im Juli 1956 bedeutet einen Wendepunkt in der Karriere von John
Kennedy, weil er mit einem Schlag berühmt wird, obwohl er bei seiner Kandidatur um die
Vizepräsidentschaft in Chicago gegen Estes Kefauver verliert. Gleich danach fliegt er mit Bruder
Teddy, aber ohne seine schwangere Frau Jackie nach Cannes für ein Segelturn mit George Smathers
und verschiedenen Frauen. Am 23.8. muss sie notfallmässig ins Spital eingeliefert werden und
erleidet eine Totgeburt, woran sie beinahe stirbt. Die Familie kann Jack, der in London bei Marilyn
Monroe ist, nicht erreichen. Als die Ärzte ihm am 26.8. am Telefon versichern, dass sie ausser
Lebensgefahr sei, will er seine angebliche Kreuzfahrt fortsetzen. Erst zwei Tage später fliegt JFK
zurück, weshalb Jackie sich scheiden lassen will. Joe Kennedy offeriert ihr $1 Mio., damit sie sich
nicht scheiden lässt, und verspricht ihr, dass sie fortan mehr Raum und Zeit ausserhalb der KennedyFamilie bekomme, um ihr eigenes Leben zu leben.
Joe Kennedy hat eine Mauer zwischen seinem Familienleben und seinem Geschäftsleben gebaut.
Zuhause wird über Business nicht gesprochen; die Söhne sind naiv in Geldfragen und kennen die
Hintergründe seines Reichtums nicht. Da das Kennedy-Büro in New York alle Rechnungen der Söhne
bezahlt, werden die Kinder vom Vater auch finanziell kontrolliert. Im Hintergrund zieht er die Fäden
ihrer Karrieren. Joe sieht nicht vor, dass seine für Politikerkarrieren getrimmten Söhne seine Firmen
übernehmen, das kommt eher für die Schwiegersöhne in Frage.
Joe Kennedy wird, vermutlich als Resultat seiner Einschmeichelung bei Hoover, von Eisenhower in
das President's Board of Consultants on Foreign Intelligence Activities berufen. Der FBI-Check
unterschlägt Kennedys Rolle als Alkoholschmuggler und beschönigt diejenige als Botschafter.
Kennedy sorgt für Unruhe, als er bei einem Besuch der CIA-Station in Rom die Namen der geheimen
Undercoveragenten in der italienischen Regierung und im Vatikan verlangt - und bekommt.
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Vermutlich informiert er anschliessend Hoover über die CIA-Aktionen. Jedenfalls gewinnt Kennedy in
den sechs Monaten im Amt Kontakte zur Geheimdienstwelt. Wahrscheinlich versichert Kennedy
Hoover, dass er trotz seines Alters das FBI weiterführen könne bei der Wahl seines Sohnes zum
Präsidenten.
Quellen: Wolfe: 298, Posener: 14,75-78, Davis (1994): 94, Giancana: 214-222, Collier/ Horowitz: 260-269, Best: 13, Summers
(1993): 260-264, 268f, Olgiatti, Obenhause.
4.4. Juli 1956 Suez-Krise
Gamar Abdel Nasser verstaatlicht den Suezkanal, die Lebensader der westlichen Ölversorgung,
worauf der englische Premier Anthony Eden und die Eskalation gegen den ägyptischen Präsidenten
startet.
Ursprünglich wurde Nasser von der CIA unterstützt, denn Anfang der 50er Jahre wurde die morsche
feudale Herrschaft des unfähigen Königs Faruk zum Risiko für die Stabilität im Nahen Osten. Die CIA,
wahrscheinlich Kermit Roosevelt, nahm Kontakt zu den "freien Offizieren" um General Ali
Mohammed Nagib auf, um den Königssturz zu planen. 1952 musste der König abdanken, und die
Briten mussten 88'000 Truppen abziehen. Nasser, einer der Putschisten und danach zuerst
stellvertretender Ministerpräsident hinter Nagib, will den Assuan-Staudamm bauen, um die
Industrialisierung zu fördern und lässt mit dem Geld der Amerikaner einen Fernsehturm in Kairo
bauen, den man den CIA-Tower nennt. Ägypten will jedoch auch mit der Aufrüstung der Israels
mithalten und Waffen kaufen, was die Amerikaner ablehnen. Deshalb kauft das Land Waffen bei der
Sowjetunion, worauf der englische Premier Anthony Eden und John Foster Dulles die
Geheimoperation OMEGA beschliessen. Mittels Propaganda, Sanktionen und der Sabotage des Baus
des Assuan-Staudamms soll Nasser, der im April 1954 Nagib verdrängt hat, destabilisiert werden.
Zudem versucht der MI-6 im Schnitt einmal pro Monat, Nasser zu ermorden. Auch der saudische
Geheimdienst gibt $3 Mio. aus, um Nasser ermorden zu lassen. Nach der Kündigung des Kredits für
den Staudamm will Nasser das Geld dafür aus dem Suezkanal erhalten. Die seit 1922 von
Grossbritannien unabhängigen Ägypter betrachten die britische Suez-Gesellschaft als Relikt der
kolonialen Ausbeutung, weshalb sie verstaatlicht wird.
Die Briten versuchen daraufhin erfolglos, den Betrieb des Kanals zu sabotieren. Deshalb planen die
Briten zusammen mit den Franzosen und Israelis eine Falle. Israel greift mit Unterstützung der USA
Ägypten an und dringt auf der Halbinsel Sinai gegen den Suezkanal vor und liefert damit Frankreich
und England den verabredeten Vorwand zur Invasion. Grossbritannien und Frankreich stellen ein
unerfüllbares Ultimatum, worauf die Briten Kairo, Alexandria und Port Said bombardieren und zum
"Schutz der freien Schifffahrt" in Ägypten landen. Aber das ägyptische Volk stürzt Nasser nicht, wie
Eden hofft, sondern verteidigt ihn. Dabei versenken die Ägypter Schiffe im Kanal, um ihn zu
blockieren. Die nukleare Kriegsdrohung der Sowjetunion führt zum Rückzug der Engländer, die damit
ihre Vorherrschaft im Nahen Osten an die Amerikaner verlieren, die sich plötzlich und unerwartet
gegen Eden gewandt haben.
Frankreich liefert Israel im Gegenzug das Material zum Bau der Atombombe, die unter der
Verantwortung des späteren Friedensnobelpreisträgers Shimon Perez gebaut wird. 1967, 1973 und
1991 werden die Atomköpfe zum Abschuss montiert. Am 22.9.1979 testet Israel die Atombombe
mithilfe von Südafrika. Bis ins Jahr 2000 produziert Israel um die 200 Sprengköpfe.
Nach der Krise beginnen die USA mit der Unterstützung islamistischer Bewegungen, wie die
Muslimbrüder, um die panarabische Bewegung Nassers zu unterlaufen. Ägypten gehört 1955 zu den
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Gründern der Blockfreien, die sich dem Regime der ‚freien' Welt nicht unterordnen wollen. Nasser
bekämpft die 1928 von Hasan al-Banna gegründete Muslimbruderschaft, die die religiösen
Verpflichtungen über die nationalen Interessen stellen und sich von Nasser verraten fühlen, weil
dieser keinen islamischen Staat aufbauen will. 1948 zählen die Muslimbrüder etwa eine halbe Million
Mitglieder und baute eigene Schulen, Krankenhäuser, Fabriken und eine Geheimarmee, die gegen
das britische Kolonialsystem kämpfte. Nach Anschlägen von Muslimbrüdern verbot Premierminister
Mahmud Fahmi al-Nuqraschi im Dezember 1948 die Bruderschaft, woraufhin er selbst kurz darauf
einem Anschlag der Bruderschaft zum Opfer fiel. Die Behörden reagierten ihrerseits mit verstärkter
Verfolgung, und am 12.2.1949 wurde al-Banna wahrscheinlich im Auftrag des ägyptischen
Königshauses erschossen. Die Bruderschaft unterstützte den Staatsstreich der "Freien Offiziere" im
Juli 1952. Nach dem erfolglosen Attentatsversuch auf Staatspräsident Nasser am 26.10.54 verfolgte
dieser die Muslimbrüder gnadenlos, die meist ins Exil gingen. Die Amerikaner erinnern sich daran,
dass die Nationalsozialisten bei den sowjetischen Kriegsgefangenen viele Muslime rekrutieren
konnten, die dann gegen Stalin kämpften, weil dieser die Religion unterdrückte. Nicht weniger als
250'000 Muslime aus Zentralasien und dem Kaukasus kämpften auf der Seite der Deutschen gegen
die atheistische Sowjetunion. Mithilfe der Islamisten sollen die Sowjetunion und die nationalistischen
und panarabischen Bewegungen destabilisiert werden. Die CIA unterstützt aber auch Muslime in
Europa während Jahrzehnten. Insbesondere das 1958 gegründete Islamische Kulturzentrum in
München erhält regelmässig Geld. Die Hauptrollen spielen der Turkologe Gerhard von Mende (der
während der NS-Zeit Muslime rekrutierte und nach dem Krieg einen Geheimdienst in Düsseldorf
leitete), CIA-Agent Robert H. Dreher (ein Playboy mit Vorlieben für FKK-Strände und Wodka, der über
die Tarnorganisation American Committee for Liberation die Muslimbrüder unterstützt) und Said
Ramadan (ein faschistischer exilierter Muslimbruder, der zum islamischen Recht dissertiert und die
Kontakte zu den westlichen Geheimdiensten unterhält).
Mit der Niederlage Ägyptens im Sechstagekrieg gegen Israel von 1967 setzt der Niedergang des
arabischen Nationalismus ein. Der beim Volk äusserst beliebte Nasser bleibt, unterstützt von der
Sowjetunion, bis zu seinem Tod 1970 im Amt. In den 90er Jahren erodieren die sozialen
Errungenschaften Nassers durch die Privatisierungen unter Mubarak, während sich gleichzeitig die
wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit von den USA massiv vergrössert.
Quellen: Epstein: 20-23, Evans, Best: 45, 52f, Schröder, CIA-Info: 13, Schulz: 156, 169, Avineri: 66, Mehio, Labidi, Johnson 2011.
4.5. 1956 Hughes und Nixon
Dwight D. Eisenhower und Richard Nixon werden im November wiedergewählt. Eisenhower hielt
Nixon weitgehend ausserhalb der Regierungsgeschäfte und vermied so weit möglich jeden
persönlichen Kontakt mit dem Vizepräsidenten, den er für "unreif" und gefährlich hält. Er lässt alle
Sitzungen und Gespräche mit Nixon heimlich aufnehmen, um sich abzusichern, und Nixon bekommt
sein Desinteresse und seine Verachtung zu spüren. Eigentlich hatte Nixon die Nase voll und versprach
seiner Frau, aus der Politik auszusteigen, als Eisenhower im September 1955 einen Herzinfarkt erlitt.
Die Aussicht auf die Nachfolge liess Nixon weitermachen und weiterhin die Erniedrigungen
hinnehmen. Aber Eisenhower wollte ihn rauswerfen, wozu Murray Chotiners Beziehungen zur Mafia
in der Washington Post veröffentlicht wurden. Christian Herter war der Gegenkandidat, mit dem
Harold Stassen versuchte, Nixon zu stürzen ("Dump Nixon Movement"). Im Auftrag von Howard
Hughes schleuste Robert A. Maheu einen Undercoveragenten bei Stassen ein, dessen Aktion
erfolgreich sabotiert werden konnte. Offenbar wurde Eisenhower mit bei Stassen platzierten
Informationen dann erpresst, Nixon zu behalten. Chotiners Name tauchte nicht mehr auf, und Nixon
stürzte sich mit den von Pater Cronin geschriebenen Reden in den von Howard Hughes
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mitfinanzierten Wahlkampf. Nixon wurde dem Milliardär von Adela Rogers St. John in den 40er
Jahren vorgestellt. 1988 behauptet er, er hätte Hughes nie getroffen. Hughes schmiert nicht nur
Nixon seit 1946, sondern auch andere Familienmitglieder, und benutzt das Pseudonym Mr. Thomas,
wenn er den Vizepräsidenten anruft.
Howard Hughes setzte sich nach Las Vegas ab und zog dort während drei Jahren von einer Hotelsuite
zur anderen, bis er 1953 in einem 5 Zimmer-Bungalow des Desert Inn blieb, begleitet von einer fast
endlosen Folge von One-Night-Stands. Als Jean Peters am 29.5.54 den Ölhändler Stuart Cramer III
heiratete, fasste Maheu den ersten Job von Hughes, um möglichst viel Dreck über Cramer
aufzudecken. Maheu fand heraus, dass der reiche Texaner über Lockheed mit der CIA verhängt ist.
Nach kurzer Zeit verlässt Peters Cramer, der 1959 Terry Moore heiratet. Hughes verspricht aber auch
Kathryn Grayson, Susan Hayward, Yvonne Shubert die Heirat und organisiert 1956 eine parallele
Silvesternacht mit Peters, Hayward und Shubert. Maheu beschattete in der Folge Dutzende von
Starletts Hollywoods, die Hughes als seinen Besitz ansah. Im Weiteren überprüfte er die Loyalität von
Angestellten und fand Abhöranlagen in den Büros.
Das IRS untersuchte Maheu im Gegenzug, weil die Steuerprüfer entdeckten, dass er seine
Rechnungen an die Hughes Tool Company kodiert verfasste. Maheu hat in Las Vegas
Geschäftskontakte mit der Mafia und trifft sich mit John Roselli, schmiert FBI-Beamte und Politiker in
Washington, um an Militäraufträge für Hughes zu kommen. Die Hughes Aircraft konzentrierte sich
schon früh auf Militärelektronik und entwickelte mit der Falcon die erste Radarsuchrakete. Auch die
CIA gehört mit Aufträgen von insgesamt $7 Mia. zu den Grosskunden der Firma, die 1953 dank dem
Koreakrieg, dem Bau von Spionagesatelliten und guten Wissenschaftlern nach 18 Jahren erstmals
schwarze Zahlen schreiben und einen Gewinn von $5,3 Mio. erzielen konnte. Allerdings entstanden
Probleme, weil Kaderleute auch in Aktien ausbezahlt werden wollten, um Steuern zu umgehen, und
Hughes auf dem Alleinbesitz bestand. Zudem setzte ihn die Luftwaffe nach FBI-Berichten, wonach er
nicht mehr in der Lage sei, die Waffenfabrik zu führen, unter Druck.
Im Dezember 1953 gründete er das Howard Hughes Medical Institute als wohltätige Stiftung, und
überschrieb die Patente und Aktien seiner Firmen der steuerfreien Stiftung. Nur ein Prozent der $3,6
Mio. Gewinn von 1954 floss tatsächlich in medizinische Forschung. Ende 1955 entschied das
Steueramt, dass der steuerfreie Status nicht angebracht sei, ändert aber völlig überraschend seine
Meinung im März 1957, obwohl ein entsprechendes Gesuch zuvor zweimal abgelehnt worden war.
Nachdem Hughes am 20.8.55 erfolglos versuchte, FBI-Direktor Hoover zu schmieren, zahlte er im
Dezember Vizepräsident Nixon $205'000, was einem heutigen Betrag von über $1,25 Mio. entspricht.
Einen Monat danach kauft sich Nixon eine 16-Zimmer-Villa für $75'000. Als der Deal auffliegt, wird
behauptet, Hughes habe Donald Nixon einen Kredit für seine defizitäre "Nixonburgers"-Kette
gewährt, die aber nur zwei Wochen nach dem angeblichen Kredit Konkurs geht. Da die Hughes
Medical Alleinbesitzerin der Hughes Aircraft ist, über die Hughes alle möglichen Geschäfte abwickelt,
wird dank Nixon sein ganzes Wirtschaftsimperium praktisch steuerfrei. Er selbst versteuert ein
Einkommen von nicht einmal $20'000.
Einen Monat nach der Zahlung erlaubt das Civil Aeronautic Boards der TWA die Aufnahme eines
riesigen Kredits, erteilt ihr Lizenzen zu neuen In- und Auslandrouten und eine Flugpreiserhöhung.
Hughes hat seit 1939 laufend Aktien der Trans World Airways gekauft, mit der Idee, seine eigenen
Flugzeuge der TWA zu verkaufen, und besitzt 78% der Firma. 1956 versuchte er, der TWA 63 zu
entwickelnde Jets der Hughes Aircraft zu verscherbeln. Um gegenüber der Konkurrenz nicht in
Rückstand zu geraten, bestellte er aber in einer überstürzten Aktion für $487 Mio. 188 Boeing 707
und 30 Convair 880, was die Finanzmöglichkeiten der Fluglinie bei weitem übersteigt. Anstatt weitere
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Finanzierungen mit den Banken zu verhandeln, verschwindet Hughes nach der heimlichen Hochzeit
mit Jean Peters am 12.1.57 von der Bildfläche, weil seine absolute Kontrolle über die TWA
beschränkt worden wäre. Sein Entschluss zur Heirat mit der Schauspielerin erfolgt aus Angst, wegen
seiner fortschreitenden Neurosyphilis in einer Klinik zu landen, wozu die Ehefrau die Einwilligung
erteilen müsste. Die in der Presse kursierenden Spekulationen über die Heirat tut Hughes gegenüber
der 17jährigen Shubert als Gerüchte ab und verspricht ihr die Heirat, bis sie schwanger wird. Als sich
Shubert 1959 aus dem goldenen Käfig löst und sich ihr neuer Freund Johnny Rand bei einem Unfall
offenbar selbst erschiesst, gratuliert Hughes, Maheu sei besser, als er gedacht hätte. Hughes
verbarrikadiert sich im Dezember 1957 im Filmprojektionsraum eines Produzenten in Hollywood, wo
er nackt Filme schaut und telefoniert. Nach drei Monaten informiert er seine Frau, er sei krank und
werde in einem medizinischen Zentrum behandelt.
Finanzinvestoren setzen einen ehemaligen FBI-Agenten und eine Horde von Detektiven ein, um ihm
eine Gerichtsvorladung zu überbringen, worauf Maheu mit einigen CIA-Agenten eine
"Gegenspionageaktion" organisiert. Viele falsche Tipps werden den Detektiven gegeben und ein
Doppelgänger von Hughes wird engagiert, um sie zu irritieren. Es gibt daraufhin Vermutungen, dass
Hughes gekidnappt worden sei, um sein Imperium zu übernehmen. Tatsächlich ist Maheu nach der
Intrige der Bediensteten, alles Mormonen, gegen Noah Dietrich und dessen Weggang der letzte
Aussenkontakt. Der Chef der Mormonentruppe, Frank William Gay, überwacht im Hauptsitz der
Hughes Productions in Hollywood die Koordination der Geschäfte, die Kommunikation mit den
Geschäftspartnern und die Klassifikation der Dokumente in "secret", "confidential" oder "restricted".
Schliesslich zieht Hughes nach vier Monaten zurück in das Beverly Hills Hotel, umgeben von seinem
Stab aus Mormonen, die seine Phobie vor Bakterien und Staub noch fördern. Auf Anweisung von
Hughes wird ein Manual mit detaillierten Anweisungen und religiösen Referenzen geschrieben, wie
seine Helfer beispielsweise einkaufen oder eine Büchse öffnen müssen. Alle Gegenstände, mit denen
Hughes in Berührung kommt, müssen desinfiziert und mit Kleenex überreicht werden.
Nachdem Hughes die Miss Universe-Wahlen im Fernsehen gesehen hat und vor allem von Miss
Belgien angetan ist, weist Hughes Chouinard und Maheu an, einige der Mädchen in die USA zu
importieren. 6 oder 7 werden unter dem Cover einer Filmgesellschaft eingeflogen, in Appartements
einquartiert und mit dem üblichen Programm versorgt. Bis auf Carolyne Lecerf verlassen aufgrund
der Überwachung alle wieder die USA innerhalb einer Woche, und die Mutter der Miss Belgien,
deren Briefe abgefangen werden, schaltet die belgische Botschaft und diese das FBI ein. Nachdem sie
in einem Interview von der Tortur ihrer Gefangenschaft erzählte, kehrt sie nach einem halben Jahr
zurück, ohne ein versprochenes Treffen mit dem Milliardär.
Quellen: Drosnin, Giancana: 341, Best: 50-53, 84, Brown/ Broeske: 275-322, Summers (2000): 134, 145-159.
4.6. 1957 Robert Kennedy gegen die Teamster-Gewerkschaft
Kurz nachdem im "Hotel des Palmes" in Palermo die Spitzen der sizilianischen und amerikanischen
Mafia zusammengekommen waren, um ein Abkommen über die Koordination im Drogengeschäft zu
schliessen, kommt es zur ersten grossen Kongressuntersuchung gegen die Geschäfte der Mafia in den
USA. An Weihnachten 1956 hatten Joe und Robert Kennedy ihren schlimmsten Streit, weil Bobby als
Rechtsberater im McClellan-Ausschuss zur Untersuchung der Gewerkschaften und ihrer
Verbindungen zum Organisierten Verbrechen mitarbeiten will, was sein Vater ihm verbietet. Bisher
immer folgsam, zurückgezogen und strenggläubig, verheiratet und Vater von 5 Kindern, trotzt der
33jährige das erste Mal dem Willen seines Vaters, der sogar seinen Freund Richter William O.
Douglas von obersten Gerichtshof einschaltet, um Bobby von der Mitarbeit abzuhalten.
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Nach seinem Studium begann Bobby 1951 für die Internal Security Division des Justizministeriums
nach sowjetischen Spionen zu suchen und sammelte in der Kommission von McCarthy als
Kommunistenjäger weitere Erfahrungen. John McClellan wurde der neue Vorsitzende des Senate
Investigations Subcommittee, das zunächst weiter gegen Kommunisten aktiv ist, bis die TranportGewerkschaft 1956 zum Thema wurde. Mit 1,7 Mio. Mitgliedern sind die Brotherhood of Teamsters
die grösste, reichste und aggressivste Gewerkschaft, die das Land jederzeit lahmlegen könnte.
Am 30.1.57 wird der Senatsausschuss unter dem Vorsitz von Senator John L. McClellan geschaffen,
und für die nächsten 30 Monate werden sich RFK, Chef-Rechtsberater der Kommission und treibende
Kraft der Untersuchung, und auch JFK als Mobjäger profilieren. Bobby findet heraus, dass TeamsterPräsident Dave Beck mit Geldern der Gewerkschaft ein Haus baute, und es nach zwei Jahren der
Gewerkschaft für $163'000 wieder verkaufte. Im Mittelpunkt steht der $370'000-Diebstahl des
Gewerkschaftsführers aus der Teamster-Pensionskassen und Steuerhinterziehung, für welche dieser
1957 ins Gefängnis geht, aber von Gerald Ford 1975 vollumfänglich rehabilitiert wird. Auch dessen
Nachfolger Jimmy Hoffa (Präsident von 1957-71) sowie Joey Glimco von Chicago werden unter die
Lupe genommen.
James Riddle Hoffa wurde 1913 geboren und zog mit seiner Mutter nach dem Tod des Vaters 1920
nach Detroit. Nachdem er bereits mit 19 Jahren seinen ersten Sieg in der Gewerkschaftsbewegung
davontrug, kam Hoffa anfangs der 30er Jahre über seine Geliebte Sylvia Pagano, die mit Frank
Coppola ein Verhältnis hatte und die Mutter von Chuck O'Brien ist, in Kontakt mit dem Organisierten
Verbrechen, das über die Jahre zu einer unverzichtbaren Basis seiner Karriere an die Spitze der
Teamsters wird. Hoffa assoziiert sich mit Coppola und Santo Perrone, der im Gegensatz zu anderen
Firmenerpressern zuerst die Bomben zündet und danach das Geld verlangt. 1936 wegen
Mobaktivitäten bei den Docks gefeuert, stellte ihn die Transportgewerkschaft als Organisator ein.
1941 kam es in Detroit zu einem Machtkampf zwischen dem Congress of Industrial Organizations und
den AFL Teamsters, für die sich Hoffa als mit Ketten bewaffneter Schläger profilierte, zusammen mit
seinem späteren Bodyguard Rolland McMaster. Mit Hilfe des Justizministeriums gelang es ihm auch,
die linke Konkurrenzgewerkschaft CIO in Minneapolis zu besiegen.
Über Perrone begann Hoffas Verbindung mit Paul Dorfman, Präsident der mafiadominierten Waste
Handlers Union Chicagos seit der Ermordung seines Vorgängers 1939, bei der Jack Ruby eine Rolle
spielte. 1949 schuf Hoffa die Michigan Conference of Teamsters Welfare Fund, und Vater und Sohn
Dorfman gründeten die Union Casualty Agency für die Geldtransaktionen. Diese Kassen entwickelten
sich zu einer eigentlichen Mafia-Bank. Hoffa schützt Deals der Gangster, die die Gewerkschaft als
Deckmantel benutzen können. Die Mobster sorgen im Gegenzug mit effizienten Methoden dafür,
dass die Arbeiter den Befehlen folgen, wie bei den Wäschefahrern von Teamsters Local 285 mit
Morris Dalitz. Wenn eine Firma den Schutz von Hoffas Gewerkschaft ablehnt, zündet Frank Kierdorf
eine Bombe. Zudem stellt Hoffa Gelder der Pensionskassen zur Verfügung, die vorwiegend in Las
Vegas und Grundstückhandel investiert werden.
Vermutlich ist es Hoffa, der die Mafiosi Russell Bufalino, Salvatore Granello, John LaRocca, Gabriel
Mannarino und James Plumeri überzeugt, mit der CIA zu kooperieren. Diese Mobster sind alle mit
den Teamstern verknüpft, haben Kasinoinvestitionen in Havanna und sind in den Drogenhandel
verwickelt. Die Kommission findet auch heraus, dass Hoffa eng mit Tony "Ducks" Corallo und Johnny
Dioguardi zusammenarbeitet, die New Yorks Flughafen für Tommy Lucchese ausbeuten. Dank Paul
Dorfman wurde "Dio" Dioguardi Direktor der New York United Auto Workers Union, AFL. Ein
Journalist der Hearst begann, über Dioguardis Verflechtungen zu schreiben und erblindete, weil ihm
Säure ins Gesicht gespritzt wurde. Nachdem der Säureattentäter erfahren hatte, dass sein Opfer eine
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bedeutende Person war, verlangte er statt $500 plötzlich $50'000, worauf er vier Kugeln in den
Hinterkopf erhielt. Die Aufklärung von Dioguardis Fall musste aufgegeben werden, weil alle
potenziellen Augenzeugen es vorzogen zu schweigen.
Nach der Übernahme des Präsidiums stellt Hoffa Robert Maheu an, der mit dem Teamster-und CIAAnwalt Edward Bennett Williams das Büro teilt. Über Williams lernte Maheu seinen Freund Johnny
Roselli kennen. Ebenfalls 1957 gründet Hoffa mithilfe von McMaster und David Yaras das Teamsters
Local 320 in Miami, in dem Santos Trafficante ein Büro bezieht. Im Jahr darauf übernehmen die
Teamster die Kontrolle der Miami National Bank. Der gewalttätige McMaster ist auch der
Verbindungsmann zu Genoveses Mafiafamilie in New York. Genoveses Capo Anthony Provenzano ist
der Chef des New Jersey Local 560 und wird 1959 zum Präsidenten des 100'000 Mitglieder zählenden
New Jersey Joint Council 73 gewählt, womit er 10% aller Teamsters kontrolliert. "Tony Pro" bekämpft
in erster Linie Gewerkschaftsreformer, von denen viele umgebracht werden. Hoffa macht ihn zum
Vizepräsidenten der International Teamsters. Hoffas Macht wird von der McClellan-Kommission als
gefährlich für das ganze Land eingeschätzt.
Insgesamt arbeiten über 100 Anwälte an dieser Untersuchung mit, 1500 Zeugen werden befragt in
über 500 öffentlichen Hearings, die 20'432 Protokollseiten füllen. Während den Untersuchungen in
den verschiedenen Städten befreundet sich RFK mit Polizeichef William Parker und Captain James
Hamilton, in dessen LAPD Intelligence Division er sein Büro in Los Angeles einrichtet. Eisenhower
unterstützt die McClellan-Kommission nicht, aber er behindert sie wenigstens nicht, wie das bei der
Kefauver-Untersuchung durch Roosevelt der Fall war. Hoffa versucht, den Anwalt John Cheasty als
Spion in der Kommission zu kaufen, der in Absprache mit Bobby beschliesst, als Doppelagent zu
funktionieren. Hoffa übergibt Cheasty $200'000 unter FBI-Beobachtung, und trotzdem verliert RFK
den Bestechungsprozess gegen Hoffas Anwalt Edward Bennett Williams. RFK will seine Niederlage
rächen und erklärt "diesen Hurensohn Jimmy Hoffa" zum wichtigsten Feind, als er das
Justizministerium übernimmt.
Mafiabosse wie Carlos Marcello und Sam Giancana, die mit Hoffa zusammenarbeiten, werden von
der McClellan-Kommission befragt. Anwalt Aaron Kohn informiert RFK ausführlich über seine
Untersuchungsergebnisse über Marcello und sagt vor dem Ausschuss auch gegen ihn aus. Beim
Verhör am 24.3.59 verweigert Marcello die Aussage auf alle Fragen von RFK und der Senatoren.
Giancana benutzt vor dem McClellan-Ausschuss 34 Mal den 5. Zusatzartikel. Robert Kennedy macht
ihn während des Verhörs lächerlich, was in der Presse Aufmerksamkeit erregt. Trotz den
Ermittlungen seiner Söhne lässt Joe Kennedy über Murray Humphreys Giancana mitteilen, er habe
die Situation im Griff. JFK sagt einmal während der Hearings: "Wir haben nur eine Regel hier: Wenn
sie Gauner sind, verwunden wir sie nicht, wir bringen sie um." Und RFK meint: "Wenn wir das
Organisierte Verbrechen nicht auf nationaler Ebene mit ihnen ebenbürtigen Waffen und Techniken
angreifen, werden sie uns zerstören." Giancana fühlt sich von Joe Kennedy verraten, obwohl dieser
sagt, es handle sich nur um ein politisches Spiel, was Humphreys und Sinatra offenbar glauben.
Zudem hat Giancana andere Schwierigkeiten: Leon Marcus, ein korrupter Bankier, wird am 31.3.57
wegen Veruntreuung von Geldern seiner Southmoor-Bank in Chicago angeklagt. Um einen Freispruch
zu erzwingen, will er Giancana mithilfe kompromittierender Dokumente mithineinziehen und
erpressen. Sal Moretti, ehemaliger Polizist und Soldat von Lieutnant Willie Patate, soll Marcus
erschiessen und die belastenden Unterlagen entwenden. Er macht jedoch den Fehler, die belastende
Quittung über eine Zahlung von $100'000 im Zusammenhang mit dem Motel Thunderbolt zu
vergessen. Willie Patate foltert Moretti daraufhin grausamst zu Tode, was jedoch trotz der Publizität
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nicht zu einer Anklage führt. Giancana wird daraufhin aber wegen 67 Glücksspielvergehen im Wagon
Wheel angeklagt, die ins Jahr 1951 zurückgehen.
Giancana kauft 1958 mit Geldern der Pensions- und Gewerkschaftskassen der Teamsters das Stardust
auf. Gus Greenbaum, der von den $15 Mio. Gewinn des Flamingos in Las Vegas $9 Mio. für sich
abzweigt, um zu spielen, und seine Frau werden im Dezember 1958 auf Befehl Giancanas und
Lanskys zu Tode gefoltert. Las Vegas ist eine der einträglichsten Quellen geworden und bleibt es bis
Ende der 70er Jahre. Insgesamt verdient Giancana $4 Mio. monatlich, steuerfrei.
Murray Chotiner, der für Earl Warren und Richard Nixon arbeitet, muss wegen seiner Mafiaklienten
aussagen. Er verteidigte zusammen mit seinem Bruder Jack 249 Mafialeute vor Gericht, was Richard
Nixon nicht hindern wird, ihn zu seinem Spezialberater zu ernennen. Carmine Bellino deckte 1956
einen Korruptionsfall bei Uniform-Aufträgen auf, in den Chotiner verwickelt ist. Dieser versucht alles,
um nicht vor dem Komitee aussagen zu müssen, und wird schliesslich von Joe McCarthy gedeckt.
Auch Jack Ruby hätte eigentlich vor dem Kongress aussagen sollen, aber Vizepräsident Nixon kann
dies verhindern, indem er gegenüber dem FBI aussagt, Ruby arbeite für ihn unter seinem richtigen
Namen. Laut neuen FBI-Dokumenten arbeitete Ruby seit 1947 als "spy & hit man" tatsächlich für
Nixon. Ruby wird in einem FBI-Bericht von 1956 im Zusammenhang mit Drogenschmuggel zwischen
Mexico, Texas und dem Osten erwähnt. Ruby schmuggelt Drogen mit James Breen, lebt von
Zuhälterei und Glückspielen, die er mit Harry Hall betreibt. Ruby ist mit mehreren Polizisten wie
Leutnant Ellis Joseph und sogar mit Dallas-Polizeichef Jesse Curry befreundet. Bis 1958 haben die
Mobster von Dallas die American Guild of Variety Artists (AGVA), die neben den Schauspielern auch
die Stripperinnen vertritt, unter ihrer Kontrolle, um zu verhindern, dass es erneut zu Verurteilungen
wie der von Rubys Geschäftspartner Joe Bonds 1954 wegen "Weisser Sklaverei" kommt. James Henry
Dolan, ein Vertrauter von Marcello, Pecora, Ruby und Tafficante, wird an die Spitze der AGVA
gesetzt.
Quellen: Giancana: 227-229, 238-240, 273, Davis (1988): 81-86, 406, (1994): 110, Marrs: 171f, Weberman (27): 14ff, Hersh: 134,
Scott (1993): 233, Pease (1995), Sylwester: 3-7, Kangas: 3, Best: 11-14, 41, Groden/ Livingstone: 317f, Summers (2000): 51ff,
Collier/ Horowitz: 269-293, Anson: 314-321, Carey/ Olgiatti.
4.7. 1957 Mafiakrieg in New York
Albert Anastasia, seit 1951 Chef der Mangano-Familie, wird im Coiffeursalon des Sheraton Hotel am
25.10.57 auf Befehl von Joseph Profaci erschossen. Anastasia war der reichste der Bosse New Yorks,
wobei seine Geldgier und der völlig unnötige, durch Frederico Tenuto ausgeführte Mord an Arnold
Schuster die anderen Bosse glauben liess, Anastasia verliere den Verstand. Schusters Aussagen
führten zur Verhaftung des Bankräubers Willie Sutton, worauf Schuster von den Zeitungen zu einem
Helden stilisiert wurde. Anastasia setzte sich im Zusammenhang mit dem neuen Havanna Hilton auch
in Konkurrenz zu Lansky und bot Trafficante an, mit ihm Lanskys Geschäfte zu übernehmen. Zudem
kursierten Gerüchte, Anastasia verkaufe die Mitgliedschaft zur Cosa Nostra für jeweils $50'000.
1956 wurde Anastasias Unterboss Joe Adonis vom INS nach Italien abgeschoben. Kurz danach berief
Vito Genovese ein Meeting der Kommission ein und erklärte, Frank Costello müsse neutralisiert
werden. Genovese begann nach der Freilassung Costellos aus dem Gefängnis am 29.10.53 gegen den
Anastasia-Verbündeten zu plotten, indem er Costellos Publizität kritisierte. Costello wurde aus der
Kommission ausgeschlossen, wonach ihm Meyer Lansky als Entschädigung ein Teil des Tropicana
Casinos abtrat. Während Costello im Gefängnis sass, ermittelten die Behörden weiter gegen ihn und
konnten wegen einer Zahlung von $4888 seiner Frau einen neuen Prozess wegen Vertuschung seines
Einkommens gegen ihn aufziehen, weshalb er zu weiteren fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Da
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der Anwalt Edward Bennett Williams beweisen kann, dass die Verurteilung nur durch illegale
Abhörung erreicht werden konnte, wird Costello 1957 wieder auf freien Fuss gesetzt. Costello führt
daraufhin trotz seinem Ausschluss seine Geschäfte weiter, weshalb Genovese ohne Warnung
zuschlägt: Der Schütze Vincent Gigante verletzt ihn am 2.5.57 aber lediglich und lässt sich zudem von
der Polizei erwischen. Da Costello aussagt, er habe Gigante noch nie gesehen, kommt dieser
allerdings wieder frei. Die Polizei entdeckt bei Costello $800 Bargeld und eine Quittung von $651'254,
die Einnahmen des Casinos Tropicana in Las Vegas vom 27. April, wofür er zu weiteren vier Jahren
Zuchthaus verurteilt wird. Anastasia verbarrikadiert sich danach in seinem Landhaus, worauf sein
Underboss Frank Scalise von Jimmy Squillante erschossen wird.
Anastasia erklärt daraufhin, er werde die Schüsse auf Costello und Scalise rächen. Genovese kann
Carlo Gambino, den verbleibenden Leutnant von Anastasia, nun überzeugen, dass Anastasia für die
Mafia gefährlich werde. Genovese versichert Gambino seine Unterstützung in der Kommission,
worauf dieser Joe Profaci einschaltet. Dieser gibt den Kontrakt an die wildesten seiner Killer weiter:
die Brüder Crazy Joe, Louie und Kid the Blast Gallo, die Anastasia umbringen, nachdem dieser noch
am Vortag mit Trafficante gegessen hat, um über die vermeintliche Übernahme eines Casinos zu
diskutieren. Laut Pfletschinger und Weymar steckt Meyer Lansky hinter der Ermordung Anastasias,
weil dieser sich ebenfalls auf Kuba einnisten will.
Nahezu 100 Mafiosi und Verbündete aus 15 Staaten treffen sich am 14.10.57 auf Einladung von Vito
Genovese auf dem Landgut von Joseph Barbera bei Apalachin. Angeblich wollte Genovese das
Treffen zuerst in Chicago durchführen, ging dann aber auf den Vorschlag des Mafiabosses von
Buffalo, Stefano Magaddino, ein. Die Mobster trafen sich seit 1931 alle 5 Jahre, das letzte Mal 1956
ebenfalls bei Barbera, wo Joe Zerilli und Angelo Bruno in die Kommission aufgenommen wurden, die
aus 9 Mitgliedern besteht. Aber die auftretenden Probleme erfordern ein vorgezogenes Treffen: Die
Bosse wollen die Rivalitäten in den New Yorker Familien, die nach 20 stabilen Jahren auftraten,
beenden und verlangen eine Erklärung für die Attentate gegen Costello, Scalise und Anastasia. Der 2.
Punkt betrifft die Mitgliedschaftsbedingungen: Die von Anastasia eingekauften Mitglieder sollen
wieder ausgeschlossen werden. 3. Einige Mafiabosse wollen nicht ins Drogengeschäft einsteigen, das
sie als unmoralisch oder als zu gefährlich beurteilen. Am 1.7.57 wurde der Narcotic Control Act in
Kraft gesetzt, der Drogenhandel zu einem Bundesvergehen macht, was die Strafverfolgung
vereinfacht. Als 4. Punkt stehen Gewerkschaftsprobleme in New York und Pennsylvania auf der
Traktandenliste. Der 5. und für Vito Genovese wichtigste Punkt ist, sich zum Boss der Bosse krönen
zu lassen.
Aus New York kommen Vito Genovese, Tommy Lucchese, Joe Bonanno, Carmine Galante, Joseph
Magliocco, Carlo Gambino, Carmine Lombardozzi, Joseph Profaci und John Bonaventre. Aus New
Jersey sind Gerardo Catena, Joseph Ida und Frank Majuri dabei. Frank de Simone aus Kalifornien,
Joseph Civello aus Dallas, James Colletti aus Colorado, John Scalish aus Cleveland, John Montana aus
Buffalo, Santo Trafficante jr. aus Havanna, Anthony Magaddino aus Niagara Falls, Russell Bufalino aus
Pittston (Pennsylvania), der Bruder des Bosses von New Orleans, Joseph Marcello, und Sam Giancana
aus Chicago sind ebenfalls dabei. Von den Konferenzteilnehmern haben 22 mit Gewerkschaften zu
tun. Dazu gehören James La Duca, der Chef der Hotel- und Restaurant-Gewerkschaft in Buffalo, John
Scalish und Louis "Babe" Triscaro von den Teamsters und 4 Vertreter der New Yorker
Bauarbeitergewerkschaft.
Der 5. Punkt kann wegen dem Erscheinen der Polizei nicht mehr in Angriff genommen werden. Laut
Barbera reduzierte er kurz zuvor seine Schmiergeldzahlungen, weil ihm die Polizei zu gierig geworden
sei, weshalb sie ihm Ärger machen wollen. Laut Sergant Edgar D. Crosswell, der den Einsatz leitet,
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wird das Mafiatreffen entdeckt, weil Joseph Barbera jr. in einem lokalen Motel Reservationen für
unbekannte Gäste machte, was er zufällig hörte. Zudem seien die vielen schwarzen Limousinen mit
ausserstaatlichen Nummernschildern aufgefallen.
Die Polizisten schreiben die Autonummern auf und errichten eine Strassensperre, um die Besucher
zu überprüfen. 58 der Flüchtenden, die zusammen $300'000 Bargeld auf sich tragen, werden
identifiziert. Sam Giancana und Carmine "the Cigar" Galante können durch den Wald entkommen.
Interessanterweise fehlen Carlos Marcello, Frank Costello und Meyer Lansky am Treffen, und
Giancana und Galante laufen nicht in die Falle. Vermutlich hat Costello, den Genovese umzubringen
versucht hatte, mit einem Tip an die New York State Police die Machtübernahme Genovese sabotiert,
wenn auch zum hohen Preis, dass das Meeting die Aufmerksamkeit von Justizdepartement und
Öffentlichkeit auf sich zieht.
Gleich nach dem Fiasko beruft Vito Genovese ein Meeting der New Yorker Familien ein, um die
hängigen Punkte zu bereinigen: Der Drogenhandel wird wegen dem neuen Narcotics Control Act
verboten. Jedes Mitglied, das beim Drogenhandel erwischt wird, soll sofort umgebracht werden. Die
neuen Mitglieder, die für ihre Initiation bezahlt haben, werden ausgeschlossen. Bedrohen
unabhängige Gewerkschaften die Interessen der kontrollierten Arbeiter, werden die Führer gewarnt
und bei Nichtreagieren exekutiert. Carlo Gambino wird von Genovese zum neuen Oberhaupt der
Mangano-Familie gekrönt und in die Kommission aufgenommen. Don Carlo ernennt Joe Biondo,
seinen Bruder Paul Gambino und seinen Cousin Paul Castellano zu seinen Underbossen und Joe
Riccobono zu seinem Berater. Gambino lässt die Anastasia-Loyalen "Johnny Roberts" Robilotto und
Armand "Tommy" Rava erschiessen und beginnt, seinen Förderer zu ruinieren.
Obwohl Genovese den Drogenhandel verboten hat, nimmt er sich selbst von diesem Verbot aus.
Gambino, Giancana und Lansky beschliessen, den machthungrigen Genovese damit auszuschalten.
Gambino offeriert dem puerto-ricanischen Kriminellen Nelson Cantellops, der für Giancana und
Lansky arbeitete und wegen Drogenhandels im Gefängnis von Sing Sing sitzt, $100'000 für seine
Aussagen gegen Genovese. Das FBN von New York lässt sich darauf ein, Cantellops die Reststrafe zu
erlassen, wenn dieser vor Gericht aussagt. Genovese und 24 seiner Leute, darunter Carmine Galante
und Joseph Valachi, werden 1958 wegen Verstössen gegen das neue Drogengesetz verhaftet.
Aufgrund der Aussagen des Starzeugen Cantellops über grosse Drogendeals werden alle Angeklagten
verurteilt. Genovese, zu 15 Jahren Gefängnis verdonnert, stirbt 10 Jahre später in Haft. Galante
landet im Lewisberg Penitentiary in gleichen Zellenblock wie Jimmy Hoffa, wo er Vincente Teresa
verspricht, er werde Carlo Gambino mitten auf den Times Square scheissen lassen.
Das Apalachin-Treffen der Mafia beweist dem McClellan-Ausschuss, dass ein nationales VerbrecherSyndikat existiert. Diese Bestätigung ist für J. Edgar Hoover äusserst peinlich, hat er doch immer
behauptet, es gebe keine interstaatlich tätige Mafia, und sich über Kefauver, Kennedy und McClellan
lustig gemacht. Da es offensichtlich nicht nur lokal aktive Gangster gibt, kann er die Zuständigkeit des
FBI nicht mehr bestreiten. Am 27.11.57 startet er das Programm TOP HOODLUM gegen das
organisierte Verbrechen und benutzt den Begriff LCN (La Cosa Nostra von Maranzano), um den
Eindruck zu erwecken, er sei besser informiert als alle anderen. LCN tönt weit weniger gefährlich als
"Organisiertes Verbrechen" oder "Mafia". Die Mobster bezeichnen ihre Organisation oft anders: "the
Office" in New England, "the Arm" in Buffalo oder "the Outfit" in Chicago.
Während zwei Jahren sammelt das FBI nun Informationen über das organisierte Verbrechen. Der von
Vizedirektor William Sullivan und seinem Assistenten Charles Peck geschriebene Report wird in 25
nummerierten Exemplaren gedruckt und an Spitzenbeamte verteilt. Nachdem Hoover sein Exemplar
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gelesen hat, ordnet er den Rückzug aller Kopien an und lässt sie vernichten. Zudem behindert er
massiv die Arbeit der Special Group on Organized Crime, geleitet von Richard Ogilvie und Milton
Wessel, welche auf Initiative Eisenhowers als Reaktion auf das Apalachin-Treffen gebildet wird.
Schliesslich werden 27 Teilnehmer des Treffens wegen Behinderung der Justiz angeklagt und 20
verurteilt.
Quellen: Meurice, Davis (1994): 70-96, Delorme: 63-68, 117f, 147-153, Giancana: 244-247, Best: 8f, Summers (1993): 246f, Cran,
Holenstein: 53, Bartholomew: 59.
4.8. 1957 Lewis Rosenstiel
Louis B. Nichols wechselt vom FBI zu Lewis Solon Rosenstiel, Costello-Verbündeter aus dem
Alkoholgeschäft mit Beziehungen zu Meyer Lansky, Angelo Bruno und Hoover, der ab und zu in
Rosenstiels Flugzeug fliegt. Rosenstiel kaufte 25'000 Exemplare von Hoovers Buch "Masters of
Deceit" und verschenkte sie an Schulen, zahlt in den 60er Jahren mehr als $1 Mio. an die J. Edgar
Hoover Foundation, zu der auch namhafte Mafiosi beisteuern, und begleicht Hoovers Wetteinsätze
an Pferderennen. Als Gegenleistung hilft Hoover bei verhafteten Verbündeten. Rosenstiel entwickelt
sich zum wichtigsten Verbindungsmann zwischen Hoover und Lansky. Rosenstiel ist bisexuell und hat
ein Verhältnis mit Roy Cohn, dem ehemaligen Assistenten Joe McCarthys. Die beiden organisieren
seit 1948 Sexparties für Hoover, der sich als Frau verkleidet mit jungen Männern im Plaza Hotel oder
in Rosenstiels Haus, in dem Zimmer abgehört werden können, trifft.
Mithilfe von Nichols und Cohn schmiert Rosenstiel Lyndon Johnson und den Vorsitzenden der
Justizkommission Emanuel Celler und macht Druck auf den Kongress, der daraufhin die geplante
Steuer auf gelagerten Alkohol aufhebt. Vermutlich wäre er ohne diese Einsparung von $40-50 Mio.
Konkurs gegangen. Rosenstiel finanziert ebenfalls Alfred Kohlbergs American Jewish League Against
Communism.
Johnson ist ein gemeinsamer Freund von Edwin Weisl, dem Rechtsberater des Senate Space
Committee, und von General John B. Medaris, dem Chef des Army Space Programms. Medaris
arbeitet mit Wernher von Braun und gehört mit Roy Cohn und Mafiaboss Joe Bonanno zur Spitze der
Lionel Corporation, die 90% ihres Umsatzes mit Elektronik für Raumfahrt und Rüstung macht.
Medaris ist zudem Direktor einer Bodenspekulationsfirma von Bobby Baker und George Smathers.
Von Braun wird nach dem Sputnik-Schock zu einem Rocket-Star der Technokraten, wozu ein Film
gedreht wird, der seine Nazivergangenheit und das V2-Raketenprogramm auf sein Technikinteresse
reduziert. Bonanno ist während Jahren ein persönlicher Informant Hoovers und arbeitet eng mit
Louis Mortimer Bloomfield und der Bank of World Commerce zusammen. Die BWC gehört der Allied
Empire, den Gamblern Irving Devine, Clifford Jones, Edward Levinson, M.A. Riddle, B.E. Seigelbaum,
der Sav-Way Investment Company und dem Präsidenten John Pullman. Devine, Seigelbaum und
Pullman arbeiten mit dem Schweizer Sylvain Ferdmann, um Gelder für Meyer Lanksy zu waschen,
unter anderem bei der Schweizerischen Kreditanstalt (heute CS). Ferdmann gründet die Atlas Bank
auf den Bahamas für die SKAndalbank.
Quellen: Summers (1993): 247-259, Scott (1993): 211, Cran, Torbitt: 10-13, Hübner/ Sperling.
4.9. 1958 Präsidentschaftskampagnen
Seit zwei Jahren arbeitet Joe Kennedy daran, die Präsidentschaftskampagne von Jack vorzubereiten,
indem er alte Kontakte des Roosevelt -Wahlkampfs von 1932 reaktivierte und viele wichtige
Demokraten einzeln auf seine Seite brachte. John Kennedy wurde mit 73,6% der Stimmen als Senator
wiedergewählt, mithilfe von Mafia-Leuten, die andere Kandidaten einschleuste. Mit diesem Ergebnis
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ist JFK eindeutiger Präsidentschaftskandidat, und Frank Sinatra ist das wichtigste Bindeglied der
Mafia zur Unterstützung der Wiederwahl. Zahlreiche Journalisten werden von Joe angeheuert, um
Artikel und Bücher über die Kennedys zu schreiben. Kennedy selbst lässt Tausende von Exemplaren
des Buches "Profiles in Courage" von 1956 kaufen, um es auf der Bestsellerliste zu halten. Joe gibt
Millionen für Jack aus, dem ein schwieriger Kampf bevorsteht: er ist zu jung, katholisch, und die
Reputation des Vaters schadet ihm, obwohl Joe sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigt.
Bei seinen Privatbesuchen in Havanna bekommt Jack Schwierigkeiten, weil er, neben den
Bordellbesuchen, mit der Frau des italienischen Botschafters eine Affäre hat, weshalb der kubanische
Geheimdienst einschreitet. Er hat auch eine Affäre mit seiner Sekretärin Pamela Turnure, die in der
Wohnung oberhalb ihrer Vermieterin Florence M. Kater wohnt. Kater ist entsetzt über die
nächtlichen Besuche und beginnt, gegen den unmoralischen Senator zu kämpfen. Obwohl Pamela in
der Nähe eine neue Wohnung nimmt, fotografiert ihn Kater beim Verlassen des Hauses nachts um
drei und schickt das Foto mit Begleitschreiben an 50 prominente Verleger, Kolumnisten und Politiker
in Washington und New York. Auch das FBI bekommt ein Exemplar, worauf Hoover die Beziehung
überwachen lässt. Der ehemalige Staatsanwalt James McInerney versucht Kater zu überzeugen, dass
sie ihre Aktionen einstellen soll und droht, ihr Mann werde seine Stelle verlieren. Angeblich hätte sie
das getan, wenn die Familie bereit gewesen wäre, ihr ein Bild von Amedeo Modigliani zu kaufen. Als
die Nomination erfolgt, verstärkt Kater ihre Mission, und JFK ist sich kaum bewusst, mit wie viel
Glück er einem Skandal entkommt. JFK verlässt sich auf seine Fähigkeit, in der Öffentlichkeit ein
gutes Bild von sich abgeben zu können. Er betreibt eine Strategie des permanenten Wahlkampfes,
weshalb die ersten Worte von Tochter Caroline "Flugzeug", "Auf Wiedersehen" und die Namen der
wichtigsten Bundesstaaten der Vorwahlen sind.
Auch Richard Nixon will sich für die Präsidentschaftswahlen profilieren und unternimmt eine
Lateinamerikatour, die ihn fast das Leben kostet. In Uruguay wird er als Kriegstreiber, Imperialist und
Diktatorenfreund beschimpft, in Peru wird er mit Steinen beworfen, und in Venezuela kann die
Armee nur knapp verhindern, dass sein durch eine Blockade gestoppter Wagen umgeworfen und
angezündet wird. Der alarmierte Eisenhower schickt mit der Operation POOR RICHARD 1000
Marines, Fallschirmspringer, sechs Zerstörer, einen Kreuzer und ein Flugzeug nach Venezuela, die
dann aber nicht benötigt werden. CIA-Stationschef Jacob Esterline hatte dem Vizepräsidenten
dringend von diesem Besuch abgeraten. In den USA stellt sich Nixon als unerschrockener Kämpfer
gegen die lateinamerikanischen Kommunisten dar.
Quellen: Hersh: 107, Posener: 78f, Fox: 331, Davis (1984): 185f, Gregory/ Speriglio: 264, Best: 19, Summers (1993): 305, (2000):
166-171, Collier/ Horowitz: 283-293, Cran, Lewens/ Wall.
4.10. 1958 US-Interventionen
In über 40 Ländern stellen die US-Geheimdienste paramilitärische Streitkräfte auf, allerdings nicht
immer erfolgreich. Bis Mitte der 70er Jahre werden Waffen und Munition für $152 Mio. an Guerillas
abgegeben, die nie einen Schuss abgeben. Es gibt manchen Fehlschlag wie in Südjemen, wo die CIA
1974 die progressive Regierung mit dem Aufbau einer Rebellenarmee in Saudi Arabien bekämpfen
will.
In Indonesien organisiert die CIA auf Initiative von Frank Wisner und Nixon 1958 von Singapur aus die
paramilitärische Unterstützung für 42'000 Rebellen auf den Philippinen für den Aufstand in
Indonesien, da Achmed Sukarno den Kommunisten einen wachsenden Einfluss einräumt und sich
China annähert. Sein Kapitalfehler war jedoch die Gründung der blockfreien Bewegung an der
Bandung Konferenz 1955 zusammen mit Nehru aus Indien, Nasser aus Ägypten, Tito aus Jugoslawien
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und Nkrumah aus Ghana. Diese Bewegung bedroht den amerikanischen Hegemonieanspruch. Das
Material wird mit der Civil Air Transport nach Indonesien gebracht. Selbst schwere B-26 Bomber der
CAT mit Besatzung und Panzer werden den Rebellen für den Aufstand zur Verfügung gestellt.
Nachdem eine Kirche bombardiert und der CIA-Pilot verhaftet wird, stoppt Dulles den Einsatz der
CAT. Obwohl sofort Waffen im Wert von $1 Mio. und 18 Tonnen Reis Auslandhilfe als Entschädigung
nach Indonesien geschickt werden, bleibt der Pilot vier Jahre lang in Gefangenschaft. Der Aufstand
wird nach vier Monaten niedergeschlagen, und die Regierung gibt die Zahl der Opfer mit 3000 an.
Daraufhin soll Sukarno erpresst werden. Robert Maheu will die Schwäche des indonesischen
Präsidenten für Frauen ausnützen, wozu Johnny Roselli Marilyn Monroe engagiert. Im Januar und im
Juni 1959 kommt es zu Treffen, ebenso im April 1961, als Sukarno Los Angeles besucht. Marilyn
macht bei der Köderung Sukarnos freiwillig mit, weil ihr der Kontakt mit den Mächtigen der Welt
schmeichelt. Im September 1959 organisiert Frank Sinatra, der als Zeremonienmeister der Fox
fungierte, eine Einladung Marilyns zu einem Dinner mit Nikita Chruschtschow, mit derselben Absicht.
Aber MM beschreibt den sowjetischen Machthaber als fetten, hässlichen und knurrenden Mann mit
Warzen im Gesicht und ist froh, ihn nicht küssen zu müssen.
Um Sukarno weiter unter Druck setzen zu können, lässt die CIA den Pornofilm Happy Days mit einem
Schauspieler drehen, der ihm ähnlich sieht. Maheu ist Make-up- und Kameramann und Direktor des
Filmes, der Sukarno im Bett mit einer blonden KGB-Spionin zeigen soll. Erst im Oktober 1965 gelingt
der Putsch gegen Sukarno durch Hadji Mohamed Suharto, dem ein Massaker an einer halben Million
Kommunisten folgt.
Die CIA unterstützt in einigen asiatischen Ländern Oppositionsbewegungen wie die Khmer Serei in
Kambodscha gegen Norodom Sihanouk, den die CIA 1959 zu ermorden versucht. Hinter der
Entschlossenheit der USA, die "Unabhängigkeit" der Staaten in Indochina zu wahren, steht der
langfristige Plan, eine Eindämmungspolitik gegen das kommunistische China zu entfalten. In China
wie in der Sowjetunion bleiben Infiltrationsversuche praktisch immer erfolglos, so dass die CIA sich
auf Dissidenteninformationen verlassen muss.
Die CIA organisiert mit dem Programms ST/CIRCUS ab 1957 die Rebellion in Tibet, das 1949 von den
chinesischen Truppen besetzt und 1951 in den chinesischen Staatsverband eingegliedert wurde.
Obwohl China 1956 einen Ausschuss unter Vorsitz des Dalai Lama und seinem Stellvertreter
Pantschen Lama zur Vorbereitung einer autonomen Verwaltung einsetzte, unterstützt die CIA den
bewaffneten Widerstand des Khamba-Stammes. Während fünf Monaten werden die
Freiheitskämpfer auf der Insel Saipan im Westpazifik und in Camp Hale in den Rocky Mountains in
Guerillatechnik ausgebildet. Der Angriff der 3000 Kämpfer, unterstützt von Flugzeugen der Civil Air
Transport, wird niedergeschlagen, was im März 1959 zur Flucht des Dalai Lama und 70'000
Tibetanern führt. Die Flucht ist die Entscheidung des Dalai Lama, aber die CIA unterstützt sie per Funk
und organisiert das Visum von Nehru. Von 1957 bis 1960 werden 16'000 Krieger des KhampaStammes von der CIA ausgebildet, davon 2000 in den USA, die bis 1974 Vorstösse aus den
umliegenden Ländern nach Tibet hinein unternehmen, manchmal unterstützt von CIA-Söldnern und
Flugzeugen. 100'000 Tibeter und 40'000 Chinesen kommen durch diese Aktionen ums Leben. Da die
CIA für ST/CIRCUS jährlich nur $1,7 Mio. ausgibt, handelt es sich im Wesentlichen bloss um eine
Störaktion Chinas und nicht darum, die Unabhängigkeit Tibets zu erreichen. Ab 1960 baut die CIA
eine Tibeterarmee in Mustang auf, die bis 1969 unterstützt wird. Zur Absicherung dieser Aktionen
übernimmt die CIA ab 1962 auch die Ausbildung der indischen Grenzpolizei. Verteidigungsminister
Tom Gates arbeitet mit Dulles, der Tibet anfänglich mit Ungarn verwechselt, am Projekt mit. Der
Verbindungsagent der CIA zum Pentagon von 1950 bis 1971 ist Frank Hand, der eine zentrale Rolle
Seite [137]
spielt, weil der Zugang zum Pentagon eine der entscheidenden Machtfragen ist. Am 9.9.65 wird Tibet
zur autonomen Region Chinas erklärt, aber die Bemühungen der chinesischen Führung um Konsens
mit dem Dalai Lama wechseln seitdem mit Phasen brutaler Unterdrückung der Tibetaner bis hin zur
Zerstörung der Klöster. 1974 geben die letzten Widerstandskämpfer auf. Rund 1,2 Mio. Menschen
sind seit dem Einmarsch Chinas bis heute im Tibet wegen Gewalt oder Hunger gestorben.
Amerikanische und englische Marineinfanteristen landen am 15.7.58 im Libanon und in Jordanien,
begleitet von einer grossen US-Kriegsflotte vor Beirut. Gründe für die Landung sind der Putsch im Irak
vom 14.7., wobei der prowestliche Nuri as-Said ermordet wird, und der Bürgerkrieg im Libanon, der
die Herrschaft von Staatspräsident C. Chamoun gefährdet. Chamoun hatte mit Unterstützung der CIA
ein Jahr zuvor die Wahlen verschoben, um seine Macht zu sichern, wobei er die Opposition aus dem
Parlament ausschloss. Die von Chamoun erlassenen Gesetze, die die Dominaz der christlichen
Minderheit sichern sollen, führen am 12.5.58 zu einem bewaffneten Aufstand der Muslime in Beirut
und stürzen das Land in einen Bürgerkrieg. Chamoun appellierte an die USA, "das Land" zu schützen,
wogegen verschiedene Rebellenorganisationen ihren Widerstand aufnahmen und von Syrien
unterstützt werden. Die Marines besetzen den Libanon bis im Oktober, bis die Rebellion besiegt ist.
Die amerikanischen Truppen in Jordanien sollen den von Nasser geplanten Zusammenschluss
Ägyptens und Syriens zur Vereinigten Arabischen Republik verhindern.
Im Irak übernimmt General Abdul Karim Kassem in einem blutigen Putsch die Macht, was die USA
zuerst durch eine militärische Intervention verhindern wollen. Da die USA keine Verbündeten im
Land haben, müssen sie diesen Plan fallenlassen. Kassem schafft die Monarchie ab, nimmt die
diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion wieder auf, hebt das Verbot der Kommunistischen
Partei auf und unterdrückt prowestliche Parteien. 1959 verlässt der Irak den Bagdad-Pakt (CENTO),
das ungerechte Verteidigungsabkommen zur Sicherung des Öls zwischen der Türkei, dem Irak,
Grossbritannien, Persien, Pakistan und den USA aus dem Jahr 1955.
Die CIA versucht daraufhin, Kassem von aussen zu neutralisieren. Ein vergiftetes Taschentuch wird
ihm von der CIA-Station in New Dehli zugeschickt, ohne dass man erfährt, wer das Glück hat, das
Paket zu öffnen. Die CIA engagiert Killer, zu denen auch Saddam Hussein gehört, um Kassem auf
offener Strasse ermorden zu lassen. Das Team durchlöchert seinen Wagen, aber veletzt den General
dabei nur. Nach dem Misserfolg kann der ebenfalls verletzte Saddam nach Kairo (nach anderen
Quellen nach Syrien) ins Exil fliehen, wo er der Führer der Baath-Studentengruppe wird und
regelmässig mit der CIA in Kontakt ist. Nicht ohne Grund kursiert in der arabischen Welt das Gerücht,
Saddam sei ein CIA-Agent. Laut James Akins, der zwischen 1961 und 1965 politischer Berater in der
US-Botschaft in Bagdad ist, lassen die USA den Baathisten viel Geld und Waffen zukommen. Kassem
wird am 8.2.63 durch ein Überfallkommando in Bagdad exekutiert, nachdem er kurz zuvor die
Gründung einer nationalen Ölgesellschaft verkündet hat und ihm das US-State Departement mit
Sanktionen gedroht hat, falls er seine Pläne nicht ändere. Interessanterweise kommt die erste
Erklärung der neuen Regierung, dass sie an einer Verstaatlichung der Erdölindustrie nicht interessiert
sei, nicht aus Bagdad, sondern aus Washington.
Der neue Staatspräsident Abdul Salem Aref, der mithilfe der CIA die Macht übernimmt, verzichtet auf
die Ansprüche Iraks auf Kuweit. Nach dem Putsch setzt eine Welle der Verfolgung gegen
Kommunisten und Demokraten ein. Die CIA übergibt den Kommandos der Baath-Partei Listen mit
verdächtigen Kommunisten, worauf mindestens 800 Personen umgebracht werden. Saddam kehrt
sofort aus dem Exil zurück und leitet die Folterungen und Ermordungen. Die Gefangenen werden mit
Wasser vollgepumpt und mit Stromschlägen bearbeitet, und man bricht ihnen die Knochen. Zum
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gemeinsamen Feind gehören auch die Kurden, weshalb die USA der irakischen Armee kostenlos 5000
Bomben, davon 1000 Napalmbomben, liefern, um kurdische Dörfer niederzubrennen.
Innerhalb der Baath-Partei erlangt der fanatische Antikommunist Saddam Hussein, ein Bewunderer
von Adolf Hitler, eine dominierende Position. Eine Erhebung gegen den nun regierenden Bruder
Abdul Rahman Aref am 17.7.68 bringt den rechten Flügel der Baath-Partei von Sajid Hasan an die
Macht, der den Kurden 1970 eine gewisse Autonomie zugesteht. Saddam Hussein orientiert sich nun
an Josef Stalins Machtsystem, weshalb die CIA nun die Freiheitspartei von Mulla Mustafa al Barzani
mit Geld und Waffen unterstützt. Nachdem sich die Baath-Partei und die KP 1973 zur Nationalen
Fortschrittsfront zusammenschliessen und die ausländischen Ölgesellschaften zu verstaatlichen
beginnen, heizt die CIA den Kurdenkonflikt erneut an, um das irakische Regime zu schwächen. $16
Mio. werden ausgegeben, aber der Aufstand bricht zusammen und Hunderttausende müssen fliehen.
Quellen: Hersh: 434f, Horowitz: 176-179, 402, Schulz: 173, 331, Sarin/ Sonam, Gremliza (1978b), Paringaux: 22f, CIA-Info: 14f,
Brandt, Best: 31, Prouty (1973): 378f, (1975), Dean, Werning, Bourrier, Ali (2002), Jabar, Gresh (2003), Despratx/ Lando,
Schmidt, Perkins (2007).
4.11. 1959 Kubanische Revolution
Fidel Ruiz Castro übernimmt am Neujahrstag die Macht in Kuba, nachdem Batista panikartig und
unerwartet mit einem Flugzeug voller Koffern mit Geld in die Dominikanische Republik geflohen ist.
Castro studierte Recht in Havanna und galt immer als Rebell, der in zahlreiche Schiessereien
verwickelt war. 1950 trat er der radikalen, aber antikommunistischen Ortodoxo-Partei bei und
kandidierte 1952 für das Abgeordnetenhaus. Die guten Chancen der Partei wurden durch den
Militärputsch Batistas zunichte gemacht. Am 26.7.53 griff Castro mit 131 Männern die Moncada
Festung in Santiago de Cuba an und landete im Gefängnis. Nach seiner Freilassung 1955 setzte er sich
nach Mexico ab und baute mit Ernesto Guevara eine Guerillatruppe auf. Im November kehren die 38
Männer auf der Granma zurück, wobei die meisten verhaftet werden. Castro, sein Bruder Raul und
Che Guevara konnten sich in die Berge durchschlagen und eine neue Guerilla aufbauen. Dank einem
Interview in der New York Times wurde Castro international bekannt, und ab 1957 erhielt die
wachsende Armee grössere Waffenlieferungen.
In Miami lernte Frank Sturgis 1956 Fidel Castro und den ehemaligen kubanischen Präsidenten Carlos
Prio Socarras kennen, der Castro unterstützt, weil dieser ihm die erneute Präsidentschaft nach dem
Sturz Batistas verspricht. In Houston trafen sich Castro und Prio mit John DeMenil von der
Schlumberger-Waffenschmiede, ebenfalls um Waffen zu erhalten. 1956 wurde Sturgis zusammen mit
José Martinez Machados, Enio Leyva Fuentes, Manuel Carbowell Duque, Orlando Ventura Reyes,
Pedro Luis Diaz Lanz, Manuel Hernadez Turro, Gustavo Arcos Dercles, José Alberto Mendez, Isaldo E.
Rodriguez Lopez, Armando Franco Maynez, und Roberto Willarte beim Waffenschmuggel in Mexico
verhaftet, aber nach zwei Wochen bereits wieder freigelassen. Seine zweite Frau Juanita K. Terrell,
deren Familie mit den Prios befreundet ist, verliess er 1957 nach zehn Monaten Ehe, um in Kuba zu
kämpfen. Sturgis schmuggelte dann Waffen der INTERARMCO von Samuel Cummings, der 1954 in
Guatemala mit der CIA zusammenarbeitete, nach Santiago, brachte Männer und Material in Booten
und einer B-25 nach Kuba. Dort unterstützt er Castro zusammen mit Clark Wollan vom US-Konsulat,
dem US-Militärattaché Colonel Nichols und Major Robert Van Horn, den Brüdern José Joachim
"Sam", Louis und Sergio Sanjennes, Pedro Diaz Lanz, Roland Martinez, Luis Conte Aguero, Cresentio
Perez, Celia Sanchez, Robert DuBois, Richard Lauchli, Bernard Barker und E. Howard Hunt. Viele der
geschmuggelten Gewehre sind 6.5 Mannlicher-Carcano, dem Typ, mit dem Oswald angeblich
Kennedy erschiessen wird. Am 24.7.58 wird Sturgis wegen illegalem Besitz von grossen Mengen
Waffen und Kriegsmunition angeklagt, aber die Klage wird fallengelassen.
Seite [139]
Die CIA unterstützt sowohl Castro wie auch Batista. Sturgis kennt den Pressechef der US-Botschaft
Paul Bethel und US-Militärattaché Sam Kail, der Batistas Truppen trainiert. 1956 baute die CIA das
"Buro de Represion Actividades Communistas" (BRAC), die politische Polizeitruppe Batistas, mit auf.
Bethel hat Kontakt mit Oswalds Marinefreund Gerry Patrick Hemming und mit CIAUndercoveragenten David Atlee Phillips, der von 1955 bis 1957 in Kuba und dem Libanon stationiert
war. Bereits 1957 schlug der amerikanische Botschafter in Kuba dem Diktator vor, dass ein CIA-Agent
Castro umbringen solle. Stattdessen schickte Batista im Mai 1958 10'000 Soldaten in die Sierra, die
gegen die 300 Guerilleros kläglich versagten. Castro verlor 27 Männer und übergab dem Roten Kreuz
433 Gefangene.
Wegen der öffentlichen Unhaltbarkeit der Diktatur Batistas tritt offiziell ein Waffenembargo gegen
Kuba in Kraft, doch wird die amerikanische Militärmission nicht zurückgezogen, und auch die Briten
liefern Batista weiterhin Waffen. Ende 1958 kommt es zu einem Konflikt, als Castros Truppen einige
Marines der Guantanamo Bay, die sich im Urlaub befinden, gefangen nehmen. Die Soldaten kommen
gegen ein geheim bezahltes Lösegeld wieder frei, worauf der Kommandant der Marines, Admiral
Burke, Castros Truppen durch eine Racheaktion auslöschen will, was Aussenminister John Foster
Dulles verhindert.
Nicht nur die CIA, auch die Mafia unterstützt sowohl den Diktator wie die Rebellen unter Fidel Castro,
um für den Fall einer Revolution gewappnet zu sein. Lewis McWillie, der Leiter des Tropicana, Jack
Ruby, Frank Sturgis, Gerry Patrick Hemmming, E. Howard Hunt, James McCord, Norman "Ronghouse"
Rothman und Johnny Roselli schmuggeln Waffen über Mexiko nach Kuba, mit Schiffen und
Flugzeugen der CIA. Die beteiligten Piloten sind Donald Edward Browder, Clifton Bowers und David
Ferrie. James Walter McCord war nach dem Krieg FBI-Agent und wechselte 1951 zur Office of
Security-Abteilung der CIA. Er arbeitet an Gegenspionage-Operationen mit Angleton. Donald
Browder wird später bei Waffenschiebereien nach Haiti dabei sein, zusammen mit dem
DeMohrenschildt-Geschäftspartner Clemard Charles und I. Irving Davidson. Davidson, Jimmy Hoffa
und William Presser sind ebenfalls am Waffendeal mit Kuba beteiligt. Rothman wird später im
Zusammenhang mit einer Grossbetrügerei mit Sam Mannarino und Giuseppe Cotroni freigesprochen,
weil er politisch geschützt wird. Sam und Gabriel Mannarino von Pittsburg schmuggeln zusammen
mit Vitos Sohn Michael Genovese, Robert Ray McKeown, Harry Hall und Jack Ruby 1959 Jeeps nach
Kuba, um Trafficante aus dem Gefängnis zu holen. Weiter beteiligt am Waffentransport sind Joe
Marrs, der Besitzer der Marrs Aircraft, Efren Pichardo, der ehemalige Polizeichef von Haile, Leslie
Lewis und der ehemalige Dallas-Polizist James Woodard.
Finanziert werden die Waffen der International Armament Corporation mit den Drogen, die über
Kuba in die USA geschmuggelt werden, und von deren Gewinn die CIA 10% auf ihre Geheimfonds in
der Schweiz, Italien, Panama oder auf den Bahamas abzweigt. Neben Kuba wird das Heroin aus
Sizilien und Marseille auch über Mexiko und Montreal, wo Giuseppe Cotroni Mafiaboss ist,
verschoben. Eine Verbindungslinie zwischen der sizilianischen Mafia um Santo Sorge und
amerikanischen Mafia ist die Ölfirma Rimrock Tidelands, die als Cover für Zahlungen dient.
Eine Reihe von Batistas Generälen und auch der Armeechef General Cantillo verhandelten heimlich
mit Castro und ergeben sich mehr oder weniger kampflos. Da Castro ihnen aber nicht traut, gehören
sie zu den 600 Exekutierten der Revolution. Castro verkündet die Bildung einer neuen Regierung mit
Präsident Manuel Urrutia Lleo. Der Geist der kubanischen Revolution ist demokratisch und
antikommunistisch: Es gibt keine Kommunisten in der Regierung oder in wichtigen Ämtern, und die
Kommunisten erleiden bei den Gewerkschaftswahlen vom März 1959 schwere Verluste. Castro
verpflichtet sich auf die Verfassung von 1940, die Kuba eng an die USA bindet. Castro muss sich mit
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den katastrophalen Folgen jahrzehntelanger Korruption auseinandersetzen und formuliert neben der
Demokratisierung und Freiheitsgarantie sechs Schwerpunkte: Bodenreform, Wohnungsbau,
Steuerreform, Industrialisierung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Volksgesundheit und
Schulwesen.
Im April 1959 geht Castro in die USA und bittet um eine Anleihe, die ihm verwehrt wird. Seit einem
halben Jahrhundert kontrolliert die Chase Manhattan Bank die Kredite für Kuba, wobei
Bankpräsident David Rockefeller auch Präsident der Zuckerfirma Punta Allegre ist, der zweitgrössten
Produzentin von Kubas wichtigstem Exportgut. Zucker macht 66% des Nationaleinkommens und 80%
der Gesamtexporte aus. Castro zeigt sich nicht interessiert, als Nixon ihm eröffnet, dass er
Kommunisten in seiner Regierung habe, woraus Vizepräsident Nixon schliesst, dass "Castro entweder
unglaublich naiv gegenüber dem Kommunismus oder unter kommunistischer Kontrolle sei". Obwohl
Nixon am Fernsehen die Zusammenarbeit mit Castro verspricht, verschiebt er jegliche Hilfe. Privat
bezeichnet er Castro als "Dorn in unserer Seite". Um den bestehenden Kapitalverlust zu
kompensieren, verstaatlicht Castro einige Unternehmen. Die US-Regierung reagiert feindselig darauf,
weil sie die amerikanischen Wirtschaftsinteressen bedroht sieht: US-Firmen kontrollieren 90% der
kubanischen Versorgungsbetriebe, der Bergwerke und Viehfarmen, 100% der Ölraffinerien und 40%
der Zuckerindustrie.
Wütende Bürger stürmten während der Revolution die Casinos, als Castro in Havanna einzieht. 1958
arbeiteten 27'000 Angestellte in den Spielkasinos und 11'500 Prostituierte in den Bordellen, und eine
der ersten Aktionen Castros ist deren Schliessung. Castro lässt Santos Trafficante, obwohl Castro
auch von ihm finanziert wurde, und Jake Lansky verhaften, wogegen die US-Botschaft offiziell
protestiert. Nachdem Jake Lansky aus dem Gefängnis entlassen wird, flieht er mit seinem Bruder
Meyer Lansky nach Florida. Dafür öffnet Castro am 1.3.59 die Casinos wieder und ernennt Frank
Sturgis zum Glücksspielminister. Nach der Revolution wird Sturgis zum Chef des Geheimdienstes und
der Militärpolizei der kubanischen Luftwaffe ernannt, und Pedro Diaz Lanz wird Kommandant der
kubanischen Luftwaffe. Sturgis, dessen CIA-Kontakt über das Konsulat läuft, arbeitet bei der Kontrolle
der Kasinos, die er von Pastorita Munas übernimmt, mit Commandante Riccardo Lorie zusammen,
der ebenfalls ein CIA-Agent ist. Dabei lernt er Charles Tourine, Mike McLaney und Stretch Rubin
kennen, der für Norman Rothman arbeitet. Rothmans Partner ist General Clio Chivano, ein Schwager
von Batista. Castro will die Tätigkeiten der Casinos limitieren und genau kontrollieren, aber sie laufen
wegen dem Einbruch des Tourismus schlecht.
Die breite Anti-Batista-Bewegung bricht kurz nach der Revolution auseinander und Fraktionskämpfe
zwischen den prokommunistischen und den US-freundlichen Aktivisten entstehen. Bereits nach sechs
Wochen werden die Ermordungen von Fidel und Raul Castro und Che Guevara diskutiert, wobei
Sturgis mitten drin steckt. Im Namen von Meyer Lansky offeriert Charlie Tourine Sturgis $1 Mio. für
die Ermordung Castros, aber Sturgis zögert, weil die CIA das grüne Licht nicht gibt. Er diskutiert die
Ermordung mit Trafficante, Tourine und Roselli, wobei er plant, ein Kommandantentreffen in seiner
Air Force Basis zu organisieren und dabei Castro und seine Führungscrew in einem Kreuzfeuer
erschiessen zu lassen. Sturgis bricht ins Hauptquartier der Armee ein, um Dokumente zu
fotografieren und zu entwenden, die er Colonel Nichols weitergibt. Zudem bricht er bei der
chilenischen Botschaft in Havanna ein. Im Auftrag von Sam Kail von der US-Botschaft versucht er,
Armeechef Camillo Cienfuegos und Polizeichef Almejera auf seine Seite zu bringen. Im Februar und
März werden bereits zwei US-Bürger verhaftet, die einen Mordanschlag auf Castro vorbereitet
haben.
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Einer der aktivsten Castro-Gegner ist der frühere US-Botschafter William D. Pawley, der direkten
Zugang zu Eisenhower und Nixon besitzt, deren Wahlkämpfe er unterstützte. Der Rechtsrepublikaner
ist mit Hoover und Allen Dulles befreundet und war an der Desinformationskampagne beteiligt, die
den Putsch in Guatemala 1954 begleitete. Pawley machte ein Vermögen mit Grundstückshandel in
Florida und der Luftfahrt in Kuba und China, besass das Busnetz und die Gasfirma in Havanna und
unterstützte Batista und Trujillo. Nach Rücksprache mit J.C.King, dem CIA-Chef der westlichen
Hemisphäre, empfahl er Batista anfangs Dezember 1958, zugunsten einer militärischen
Interimsregierung zurückzutreten, was dieser aber ablehnte.
Am 10.3.59 beschliesst der Nationale Sicherheitsrat der USA, eine neue Regierung in Kuba
einzusetzen, und Eisenhower beauftragt die CIA, die Sabotage von Castros Politik und einen Umsturz
vorzubereiten. Produktionsdrosselungen und Kapitalflucht der Unternehmen verschärfen das soziale
Problem, weil Castro das Geld ausgeht.
Pawley, William Morgan und Gerry Hemming organisieren eine angeblich kubanische Invasion
Panamas während eines USA-Aufenthalts Castros, was ein Eingreifen der US-Armee erlaubt. Bei der
Planung sind Frank Sturgis, Margot Fonteyn, Roberto Arias, Pedro Diaz Lanz und Miro Cardona
beteiligt. Die Aktion beginnt am 18.4.59, aber die Invasionscrew wird in Panama und Sturgis und
Morgan werden in Kuba verhaftet. Castro distanziert sich zwar von diesem Angriff, verliert aber
massiv an Glaubwürdigkeit. Anfang Juni entlässt er 25 Air Force-Offiziere, zu denen Pedro Diaz Lanz
gehört. Lanz hat Streit mit Castro wegen dem Einfluss der Kommunisten in Kuba, und Castro
vermutet, dass Lanz hinter der Sabotage des Flugzeugs seines Bruders steckt. Pawley informierte
Nixon, dass ein Air Cubana Pilot bereit sei, einen Flugunfall des als Kommunisten angesehenen Raul
Castro zu inszenieren, wofür J.C.King und Tracy Barnes offenbar $10'000 bereitstellen.
Quellen: Hersh: 186, Weberman (6), (7), CIA-Info: 13, Best: 31-35, Groden/ Livingstone: 315f, Scott (1993): 188, 200, Horowitz:
183, Pease (1995), Bartholomew: 54-59, Scheim: 221, Sylwester: 4-7, Anson: 238-245, 293f, Torbitt: 22, Callahan: 112-114,
Schulz: 332, Hamelin/ Van Geirt, Ranelagh/ Treharne: 2, Summers (2000): 179-183, 192, Afterbach 6.
4.12. Mai 1959 Machtkämpfe auf Kuba
Sam Giancana, John Roselli und Jack Ruby reisen mehrmals nach Kuba, besuchen Santos Trafficante
im Gefängnis und versuchen ihn rauszuholen. Jack Ruby nimmt über Anthony Ayo Verbindung zum
Castro-Vertrauten Robert Ray McKeown auf und offeriert $15'000 für die Hilfe zur Freilassung von
drei Gefangenen Castros. Kurz darauf wird McKeown viel Geld angeboten, wenn er Castro umbringt.
Am 27.4. trifft sich Castro mit McKeown in Houston und bietet ihm einen Posten in der kubanischen
Regierung an. Am nächsten Tag eröffnet Ruby ein Geheimfach, das er während dem Sommer
mehrmals benutzt. Er trifft sich zwischen März und Oktober 1959 als Potential Criminal Informant
mindestens 8 Mal mit FBI-Agenten und nimmt Gespräche auf Band auf. Ruby hat Kontakt zu Lansky,
den er als Mr. Fox bezeichnet, und der ebenfalls in Kontakt mit dem FBI steht.
Im Mai kommt ein Deal mit Castro zustande, und Trafficante wird freigelassen. Offenbar steht ein
Raub von $8,5 Mio. bei einer kanadischen Bank und der Diebstahl eines ganzen Arsenals von Waffen
bei der Ohio National Guard in Zusammenhang mit diesem Deal. Rothman, der am 3.7.59 verhaftet
wird, charterte Flugzeuge für diesen Waffen- und Geldtransport. Im August wird David Ferrie wegen
vermutetem Waffenschmuggel unter 24-Stunden-Bewachung gestellt. Am 1.6.59 verhaftet die
kubanische Polizei Trafficante erneut aufgrund eines Auslieferungsgesuchs von Anslinger wegen
Heroinhandels. Senator George Smathers und Dino Cellini sind daran beteiligt, dass Trafficante am
18. August das Land zusammen mit Loran Eugene Hall und Henry Saavedra verlassen kann. Im
Gegenzug werden über Major William Morgan Jeeps nach Kuba geschmuggelt, woran Jack Ruby,
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Maurice Gatlin, Sam und Gabriel Mannarino, Charlie Tourine, Michael Genovese, Robert Ray
McKeown, Harry Hall, Delmonica White und Guy Banister beteiligt sind. Ruby und Martino
schmuggeln Casinogewinne in die USA.
Loran Eugene Hall wird die Söldnerarmee des kubanischen Senators Masferrer, der mit Rubys Freund
Eladio del Valle in die USA flüchtet, auf der Howard Hughes' Insel No Name Key trainieren. Rolando
Masferrer floh im Januar 1959 mit einer Yacht voll Geld nach Miami, worauf Kuba ein
Auslieferungsbegehren stellte, das Botschafter C. Douglas Dillon ablehnte. Castro heuerte daraufhin
Jack Youngblood an, um Masferrer zu kidnappen und nach Kuba zurückzubringen, was aber
fehlschlug. Einem Polizeioffizier in Miami wurden danach $200'000 für Masferrers Entführung
angeboten. Von Masferrers ‚Tigres' werden in Santiago de Cuba, wo Frank Sturgis das Kommando
innehat, 59 Männer exekutiert. Wahrscheinlich geht es Sturgis darum, seine Loyalität gegenüber
Castro zu beweisen. Im März 1959 wurden bereits vier von Masferrers Leuten, die Castro umbringen
wollen, in Havanna verhaftet. Masferrer plant im Herbst, gegen die kubanischen
Zuckerrohrplantagen Phosphor einzusetzen. ONI-Agent Gerry Patrick Hemming behauptet, dass
Oswald sich nach der Entlassung von den Marines 1959 dieser Truppe anschliessen wollte, was von
Masferrers Leuten in Los Angeles abgelehnt worden sei.
Nachdem auch der Internationale Währungsfonds einen Kredit abgelehnt hat, versucht Castro vor
dem Wirtschaftsrat der Organisation Amerikanischer Staaten am 2.5.59, die USA zu überzeugen, dass
sie Lateinamerika mit Krediten unterstützen sollen, um eine Demokratisierung zu ermöglichen. Die
USA weisen den Vorschlag Castros als "lächerlich" zurück, wobei JFK zwei Jahre später die Idee
Castros aufgreift und die "Allianz für den Fortschritt" ins Leben ruft. Im Juni attackiert Castro die
Kommunisten, die ihn wegen seiner proamerikanischen Einstellung kritisieren, verkündet eine
Agrarreform, die Grossgrundbesitzer und grosse Firmen hart trifft, enteignet amerikanischen Besitz
im Wert von $700 Mio. und verstaatlicht die Zuckerindustrie, das Rückgrat der Wirtschaft. Anfang
August versucht Castro nochmals, dringend benötigte Kredite von den USA zu erhalten, vollzieht aber
gleichzeitig einen Rutsch nach links, indem er die Volksmiliz und einen Geheimdienst aufbaut. Am
14.10.59 protestieren die USA gegen die Enteignungen und die Agrarreform, worauf Castro mit der
Einsetzung von Ernesto Che Guevara zum Präsidenten der Nationalbank reagiert. Erst jetzt beginnt
Castro die Liaison mit den Kommunisten. Hunderttausende Kubaner, darunter alle, die mit dem
Polizeistaat Batistas und der Mafia liiert waren, emigrieren in die USA, vorwiegend nach Miami, New
Orleans und Dallas.
Frank Sturgis organisiert ein Treffen mit William Morgan und dem Mafiaverbündeten Frank Nelson,
der Morgan $500'000 für eine Invasion auf die Dominikanische Republik offeriert. Offenbar werden
für $200'000 Waffen bei Amadeo Barletta gekauft. Der Mafiaboss von Cleveland Dominick Bartone
liefert eines der Flugzeuge für diese Invasion, die am 19. Juni unter der Führung des Batista-Generals
José Pedraza stattfindet. Erneut soll die Invasion Castro in die Schuhe geschoben werden, der so als
eine Gefahr für den Frieden in der Karibik erscheint. Bartone ist einer von vielen, der Castro bis zur
Revolution finanzierte, um ihn dann umso heftiger zu bekämpfen. Er schmuggelte mehrere
Flugzeugladungen an Waffen für Castro nach Kuba, auch mit Ruby, wozu er mit Hoffa ausarbeitete,
dass die Teamsters $300'000 für Flugzeugkäufe zur Verfügung stellten. Hemming nimmt bei den drei
Aktionen gegen die Dominikanische Republik, Haiti und Nicaragua (im Juli) teil, wobei es vor allem
darum geht, Waffen zu erobern und Castro als Aggressor zu diskreditieren. Statt die Anti-CastroRebellen in den Escambray-Bergen zu bekämpfen, beliefert sie der ehemalige Rebellenführer William
Morgan mit Waffen. Morgan steht hinter der Explosion des mit mehreren Tonnen Munition
beladenen Frachters Le Coubre vom 4.3.60 im Hafen von Havanna, die 75 Tote und über 300
Seite [143]
Verletzte fordert. Am 11.3.61 wird er von einem Militärgericht in Havanna zum Tode verurteilt und
am nächsten Tag hingerichtet.
Sturgis wird sein Doppelspiel zu heiss, und er setzt sich am 25.6.59 in seinem Flugzeug in die USA ab,
wobei er am 1.7. nochmals auf die Insel fliegt, um Riccardo Lorie, Pedro Diaz Lanz und Sergio Diaz
Bruil zu holen. Bereits am 4.7. organisiert er die International Anti-Communist Brigade. Im Oktober
1959 starten Sturgis und Pedro Diaz Lanz eine Reihe von Flügen nach Kuba, bei denen sie Granaten
abwarfen, die zwei Personen töten und 40 verwundeten. Über Nuevitas wirft Sturgis am 21.10.59
vier Bomben ab, die zu Störungen der diplomatischen Beziehungen der USA und Kuba führen. Das
Flugzeug wird am 30.10. in den USA beschlagnahmt.
Quellen: Horowitz: 183-191, Davis (1988): 91, (1994): 130, Weberman (1): 40-44, (7): 1, 36, (27): 36-43, Giancana: 487, Schulz:
318, Gregory/ Speriglio: 151, Pease (1995), Sylwester, Best, Callahan: 94-97, Groden/ Livingstone: 318, 413, Olgiatti, Ganser.
4.13. November 1959 Mordpläne gegen Castro
Nach Sturgis' Flucht verstaatlicht Castro im November das Netz der von Meyer Lansky kontrollierten
Spielkasinos, in denen er $8 Mio. Bargeld beschlagnahmen lässt. Lansky fordert über Dana Smith und
George Smathers die Beteiligung der CIA an der Ermordung Castros, weil ihm Nixon einen Gefallen
schuldet, da Norman Rothman den Vizepräsidenten im Zusammenhang mit unbezahlten
Spielschulden im Sans Souci deckte. Lansky und Trafficante kommunizieren auch über "C.H. Jim
Pulley", bei dem es sich um den Lobbyisten Myron "Mickey" Weiner aus New Jersey handelt, mit
Nixon. Weiner ist Mitglied der von der United Fruit gesponserten konservativen ‚Americans for
Constitutional Action' und taucht in Bobby Bakers Skandal in Zusammenhang mit suspekten
Geldzahlungen und "Partygirls" auf.
Russell D. Matthews, der bis am 2.1.61 in Kuba bleibt, ist Teil eines Mafia-Plots, um Castro
umzubringen. Carlos Marcello, Meyer Lansky und Santos Trafficante finanzieren die sich
organisierenden Exilkubaner in den USA. Lansky hilft Batista, $300 Mio. auf Schweizer
Nummernkonten in Sicherheit zu bringen. Diese Gelder werden später ins Spielgeschäft auf den
Bahamas, in Beirut und London investiert.
Die CIA entwickelte Pläne zur Sabotage von Castros Image: Eine Radiostation soll vor einem Interview
mit einer LSD-ähnlichen Droge ausgesprüht werden, seine Zigarren will man mit einer Droge, die
Gedächtnisstörungen auslöst, imprägnieren, oder auf seine Schuhe sollen Thallium-Salze aufgetragen
werden, deren Dämpfe den Ausfall von Barthaaren bewirkt. Letzteres ist eine Idee von James BondAutor Ian Flemming. Während der UNO-Tagung in New York soll eine präparierte Zigarre explodieren
und ihm den Kopf wegreissen. Am 11.12.59 empfiehlt CIA-Direktor Allen Dulles gegenüber Präsident
Eisenhower die Elimination Castros. Rorkes Freund William Pawley überzeugte Richard Nixon schon
lange zuvor von dieser Notwendigkeit. Über Edwards Stellvertreter James O'Connell wurde Kontakt
zum ehemaligen FBI-Agenten Robert Maheu aufgenommen, der als Privatdetektiv immer noch für
die CIA arbeitet. O'Connell arbeitete früher für Maheu, der 1956 in einen Vertragsmord mit Joe
"Bayonne" Zicarelli von New Jersey involviert war. Zusammen organisierten sie die Ermordung eines
Kritikers des Diktators der Dominikanischen Republik. Lektor Jesús de Galindez von der Columbia
Universität, der mit Rafael Leonidas Trujillo arbeitete, dokumentierte die Maheu-CIA-Mafia-TrujilloKooperation, verschwand aber dreizehn Tage nach seinen öffentlichen Statements.
Neben CIA und Mafia arbeitet die Robert A. Maheu Associates auch für Howard Hughes, die
Teamsters und das Senate Banking and Currency Committee, und Maheus Partner Bob King ist einer
der besten Freunde von Nixon und Rebozo. Hughes bietet über Maheu an, die Hughes Tool Company
Seite [144]
als Cover für CIA-Aktionen zu brauchen. Maheu nimmt Kontakt mit Johnny Roselli, dem Vertreter
Giancanas an der Westküste, auf. Die CIA beurteilt Roselli optimistischer als das FBI, das ihm die
Verwicklung in 13 Mordfälle vorwirft. Im Oktober treffen sich Johnny Roselli, Santos Trafficante, Sam
Giancana, Jim O'Connell und Robert Maheu erstmals zur Castro-Mordplanung im Hotel
Fontainebleau in Miami.
Frank Sturgis bringt Castros eifersüchtige Geliebte Marita Lorenz zur Einwilligung, dem
Commandante Gift in den Becher zu schütten. Marita kam 1944 fünfjährig in das Konzentrationslager
Bergen-Belsen, weil ihre Mutter Zwangsarbeitern zur Flucht verholfen hatte. Mit sieben wurde sie
angeblich vergewaltigt. Sie hatte Castro am 28.2.59 kennengelernt, sich in ihn verliebt und wurde
Mitglied der Bewegung des 26. Juli. Im April lernte sie Sturgis kennen, der in Castros Luftwaffe
diente, und begann für ihn Aufträge zu erledigen. Im gleichen Monat merkte sie, dass sie von Castro
schwanger war. Am 15.10. brachte Yanes Jesus Pelletier sie wegen der Frühgeburt von André
Vasquez ins Spital. Pelletier war ursprünglich Gefängnisbeamter, der den einsitzenden Castro vor
dem vergifteten Essen warnte, mit dem er im Auftrag Batistas hätte umgebracht werden sollen. Er
schloss sich dem Guerillakampf an, und Castro ernannte ihn zu seinem Adjudanten, der eine wichtige
Rolle in der Freilassung Trafficantes spielte. Als sie daraufhin nach New York zurückkehrte, lernte sie
über Sturgis den ehemaligen FBI-Agenten Alexander Rorke kennen. Da Lorenz sich mit ihrem Kind
von Castro im Stich gelassen fühlt, können die beiden sie überzeugen, ihn umzubringen. Marita
Lorenz bestätigt, dass Sturgis und Rorke von E. Howard Hunt finanziert werden, den sie als Eduardo
kennenlernt. Sie trifft sich im November mit dem FBI-Agenten Francis J. O'Brien und mit Johnny
Rosselli, der nach Absprache mit Sam Giancana mit Bob Maheu die Ermordung organisiert. Marita
erhält zwei Pillen, mit denen sie im Frühjahr 1960 nach Havanna zurückkehrt. Die Operation scheitert
an der Konsistenz der Giftpillen, die sich in der Crème auflösen, wo Lorenz sie versteckt hat, worauf
sie sie ins WC wirft und mit Castro Liebe macht.
Fidel Castro schliesst im Februar 1960 ein Handelsabkommen mit der UdSSR und droht der United
Fruit, dass er ihr Bodeneigentum im Wert von $58 Mio. verstaatliche, wenn die Firma die Anti-CastroRebellen in Guatemala und Honduras weiterhin mit Waffen, Flugzeugen und Booten versorge. Am
17.3.60 unterschreibt Eisenhower eine Empfehlung des National Security Council, die Anti-CastroRebellen zu vereinen, mit Waffen auszurüsten und zu trainieren. Im NSC sitzen neben Präsident
Eisenhower auch Vizepräsident Nixon, Christian Herter von David Rockefellers Council on Foreign
Relations und der Verteidigungsminister Thomas S. Gates, ein Direktor von Nelson Rockefellers
International Basic Economy Corporation. Aufgrund dieses Beschlusses weist Allen Dulles
Vizepräsident Charles Cabell an, die Operation PLUTO gegen AM/THUG zu starten. E. Howard Hunt,
der bereits im Januar 1959 die Ermordung von Castro plante, aber dessen Empfehlungen von der
Eisenhower-Regierung abgelehnt wurden, plant als Chief of Political Action, Castro vor oder während
einer Invasion zu ermorden. J. C. King, Richard Bissell, Tracy Barnes, General Lyman Lemnitzer,
William Pawley, Robert Cushman und David Atlee Phillips sind an der frühen Planung beteiligt. Nixon
drängt zur Aktion, weil er hofft, politisches Kapital aus Castros Sturz schlagen zu können.
Ein Jahr nach Castros Machtübernahme leben bereits über 100'000 Exilkubaner in den USA. Die
ehemaligen Soldaten, Polizisten und Wachleute schliessen sich zu paramilitärischen Anti-CastroZellen zusammen, werden von der CIA ausgerüstet und auf die Wiedereroberung Kubas trainiert. In
Dallas agieren vor allem die Junta Revolucionaria (JURE) von Amador Odio, das Directorio
Revolucionario Estudiantil (DRE) und Cuban Student Directorate (CSD) von Carlos Bringuier und
Homer S. Echevarria, der für die C. J. Simpson Oil Drilling Company arbeitet. Hunt gründet im April
1960 die Cuban Democratic Revolutionary Front (FRD), zu der Tony Varona als Präsident, Dr. José
Ignacio Rasco von der Christian Democratic Movement (MDC), die Prio-Vertreter Justo Carrillo und
Seite [145]
Aureliano Sanchez Arrango, und der "Golden Boy" der CIA, Manuel Artime, gehören. Artime kämpfte
als Führer der Movement of Revolutionary Recuperation (MRR) mit Castro gegen Batista und war
nach der Revolution der Verantwortliche für Agrarreformen, wobei er mit Che Guevara Streit bekam.
Am 20.10.59 trat er von seinem Posten zurück und klagte Castro an, den Kommunismus einführen zu
wollen, worauf Castro seinen Bruder Raul mit der Ermordung Artimes beauftragte. Artime versteckte
sich in der CIA-Station in Havanna und ging in den Untergrund. Anfang 1960 bringt Barker Artime
über Mexico in die USA, wo er sich der FRD anschliesst. Artime wird der Führer des militärischen
Arms der FRD, der Brigade 2506, die die Schweinebuchtinvasion mit 1443 Männern durchführt.
Artime führt auch die MRR in den USA weiter, zusammen mit Alexander Rorke, William Johnson und
Frank Sturgis.
Der in Kuba geborene amerikanisch-kubanische Doppelbürger Bernard L. Barker diente im
2.Weltkrieg beim U.S. Army Air Corps. 1948 trat er der Polizei in Havanna bei, um die CIA über die
antisubversiven Aktionen auf dem Laufenden zu halten. Er stieg ins Kader des kubanischen Büros zur
Kommunismusbekämpfung auf, das Batistas Geheimpolizei ist. Nach verschiedenen Tätigkeiten für
die kubanische Regierung arbeitete er ab 1956 für Castro. Im Januar 1960 floh er in die USA und
schliesst sich dem Aufbau der Exilkubanerarmee von Hunt an.
Dazu gehört die von Orlando Bosch gegründete Insurrectional Movement Of Revolutionary
Recuperation (MIRR). Bosch war der Chef von Castros Bewegung des 26. Juli in Las Villas auf Kuba,
wo Victor Panque der Chef der Abteilung für politische Aktionen und Sabotage war. Bosch wandte
sich nach der Revolution von Castro ab und ging mit seiner Guerillatruppe, die 1500 Mann umfasste
und von der CIA unterstützt wurde, in die Escambray-Berge. Im Juli 1960 verlässt Bosch Kuba und
engagiert sich bei den Exilkubanern, unter anderem mit der Organisation von Bombenangriffen auf
Kuba. Panque besetzte nach der Revolution wichtige Posten, unter anderem als Chef der Landpolizei.
Nach Streitigkeiten mit Castro wegen der politischen Entwicklung flieht Panque im September 1960,
nach einem zweistündigen Gespräch mit Raul Castro, in die USA. Panque organisiert am 21.3.62
einen Hungerstreik mit dem Motto "Hunger oder Krieg", um Kennedy zu zwingen, die Exilkubaner mit
Waffen auszurüsten.
Im April 1960 bewilligt der guatemaltekische Präsident Ydigoras Fuentes, eine Plantage von Roberto
Alejos, der mit dem CIA-Chef von Guatemala, Robert K. Davis, bekannt ist, als Operationsbasis für
eine Kubainvasion zu benutzen. Im Sommer führen US-Wissenschaftler auf Kuba eine
Meinungsbefragung durch, die zeigt, dass 86% der Bevölkerung Castro unterstützt. Opposition gibt es
nur in den höheren Einkommensschichten. Die CIA installiert deshalb im Namen der Gibraltar
Steamship Company auf Swan Island einen Propagandasender.
Castro wendet sich an die UdSSR, da er eine Invasion befürchtet und die wirtschaftliche Isolation
durch die USA spürbar wird. Schon wenige Wochen nach dem Abschluss eines Handelsvertrags, den
der stellvertretende sowjetische Premierminister Anastas Mikoyan im Februar 1960 mit Castro
unterzeichnete, verstärkt die Eisenhower-Regierung den Konfrontationskurs. Im Juni weigern sich die
amerikanischen Ölgesellschaften auf Kuba, sowjetisches Rohöl zu raffinieren, worauf Castro die
amerikanischen Ölanlagen verstaatlicht. Die USA verhängt eine Zuckereinfuhrsperre, weshalb die
Sowjetunion den Zucker aufkauft und erklärt, sie würde Raketen einsetzen, um eine amerikanische
Invasion auf Kuba zu verhindern. 700 russische "Techniker" und Waffen treffen im August in Santiago
ein.
Quellen: Ranelagh/ Treharne: 2, Weberman (1): 54, (6): 50-70, (7): 18f, 45, 84-91 (10): 40-49, Pease (1995), Bartholomew: 55,
Höfling: 256-258, Groden/ Livingstone: 348f, Olgiatti, Hamelin/ Van Geirt, Summers (2000): 184-194, 498, 503, Afterbach 6,
Huismann. Callahan: 76, Marrs: 149, Schulz: 176, Best: 34, Anson: 287f, Colhoun.
Seite [146]
4.14. Entwicklungspolitik
Augrund des Verlustes von Kuba wird die Beziehung zu den Entwicklungsländern überdacht und
beschlossen, dass Entwicklungsländer soweit unterstützt werden sollen, dass es nicht zu
kommunistischen Revolutionen kommt. Gleichzeitig wird mit der Entwiclungshilfe vermehrt eine
wirtschaftliche statt eine militärische Kontrolle angestrebt - verschuldete Staaten können lukrativer
beherrscht werden. Dazu wurde eine Reihe von Banken und Fonds gegründet, die - neben der
Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds - Gelder für Regionen oder Projekte zur
Verfügung stellen.
1.
2.
3.
4.
1959 Inter-American Development Bank
1960 International Development Association (der Weltbank)
1961 US Agency for International Development (USAID)
1966 Asian Development Bank
Zur Beurteilung der Investitionsbedingungen für Entwicklungsgelder braucht es Wirtschaftsfachleute
und Techniker, die die Notwendigkeit und Machbarkeit von Infrastrukturprojekten (Strassen,
Fabriken, Kraftwerke, Pipelines, Häfen, Flughäfen, Krankenhäuser, etc.) beurteilen können. Daher
werden überall Beratungsfirmen gegründet, die im Auftrag der Banken die Situation vor Ort
studieren und Empfehlungen abgeben. Aus diesen Beratern entsteht die spezialisierte Kategorie der
Economic Hit Men. EHM sind Geheimdienstagenten, die für eine Deckfirma arbeiten und Staatschefs
erpressen, damit diese die Interessen der US-Konzerne, der Grossbanken und der US-Regierung
bedienen. EHM arbeiten nie direkt für die Regierung in Washington und werden von dieser auch
nicht bezahlt, was sie auch von parlamentarischer Kontrolle entbindet. So arbeitet John Perkins, der
von der NSA rekrutiert und ausgebildet wurde, im Rahmen der Beratungsfirma Chas T. Main für
Infrastrukturprojekte etwa in Ecuador oder Indonesien, deren Regierung riesige Kredite aufnehmen
müssen, um diese Projekte zu realisieren. Die Planung und Umsetzung der Projekte erfolgt durch USFirmen, weshalb die gesamten Investitionen in die USA zurückfliessen. Damit die Regierungen
mitmachen, braucht Schmiergelder oder Erpressung. Grösster Kunde der Chas T. Main aus Boston ist
die Weltbank, die diese Entwicklungsprojekte finanziert. Ziel ist nicht, dass die Enzwicklungsländer
die Kredite möglichst schnell zurückzahlen, sondern dass sie möglichst lange Zinsen zahlen. Je grösser
die Kredite, desto weniger können die Staaten die Kredite zurückzahlen, desto besser können neue
Forderungen gestellt werden: Konzessionen für Bodenschätze, Bau von Militärbasen, Stimmen für
die UNO. Es geht also darum, die Entwicklungsländer in die Schuldenfalle zu treiben, um möglichst
viele Bodenschätze und die Arbeitskräfte der Menschen auszubeuten. Ziel ist das globale Imperium.
Weigert sich ein Staatschef, die Forderungen zu erfüllen, kommen die Profis von den
Geheimdiensten zum Einsatz, die Aufstände oder Putsche anzetteln oder Mordkommandos
abkommandieren. Wenn der Machthaber nicht gestürzt oder umgebracht werden kann, wird eine
militärische Invasion durchgeführt.
Die Verschuldung der Dritten Welt steigt bis 1990 auf $1,3 Bio. und bis 2004 auf $2,5 Bio, wofür über
$375 Mia. Zinsen pro Jahr bezahlt werden müssen. Dieses Geld fehlt den Menschen: Mehr als die
Hälfte der Weltbevölkerung lebt von weniger als $2 pro Tag, und 45'000 Kinder vehungern jeden Tag
oder sterben an simplen Krankheiten. Im Jahr 2000 fliessen 86% der Aufträge der $7,7 Mia.-Kredite
der US EXIM Bank an die Firmen Bechtel, Boing, Brown & Root, Enron, General Electric, Halliburton,
Raytheon, Schlumberger, Stone & Webster oder United Technologies zurückfliessen. Über 55% der
Projekte der Weltbank scheitern. Transnationale Konzerne übernehmen immer die Kontrolle über die
Rohstoffe, die Produktion und den Vetrieb von Gütern, zahlen immer weniger Steuern und
verzeichnen immer höhere Gewinne.
Seite [147]
Quellen: Perkins (2004, 2007)
4.15. Dezember 1959 Kennedys Wahlkampf
Joe Kennedy lässt über den Richter William J. Tuohy, der den Anwalt Robert J. McDonnell einschaltet,
ein Treffen mit Mafiaboss Sam Giancana vermitteln. McDonnell heiratet 1983 Giancanas Tochter
Antoinette. Die beiden treffen sich in Tuohys Gerichtsraum im Winter 1959. Laut Jean Humphreys
verspricht Kennedy Giancana, dass das FBI ihn in Ruhe lassen werde, wenn Jack zum Präsidenten
gewählt würde. Giancana wird vom FBI auf Schritt und Tritt verfolgt, vor allem seit er mit Phyllis
McGuire in die Schlagzeilen geriet. Dem FBI-Beamten Bill Roemer gelingt es, Giancana abzuhören
und so die Namen des nationalen Syndikats herauszufinden. Giancana äussert mehrmals, er hätte die
Kennedys in der Tasche. Hoover bezeichnet diesen ersten grossen Erfolg seiner Leute als "Quatsch"
und lässt die Untersuchung einstellen. Da das FBI die Wanzen ohne richterliche Bewilligung setzte,
kann man die Resultate sowieso nicht veröffentlichen.
Giancana und Kennedy treffen sie sich dreimal im Hotel Ambassador in Chicago, um die Details ihres
Vertrages zu klären. Bürgermeister Richard Daley und Jack sind bei einem der Treffen ebenfalls
anwesend, und auch Marilyn Monroe ist Gast im Ambassador. Murray Humphreys ist von der Zusage
Giancanas gar nicht begeistert, da die Mobster und Gewerkschaftsfunktionäre Joe Kennedy
misstrauen und über die Rolle der Kennedy-Brüder im Senatsausschuss McClellans verärgert sind. Er
muss sich aber fügen und organisiert die Unterstützung für Kennedys Wahl.
Der Diamantenhändler und Investor Charles W. Engelhard, der die politische Karriere des
demokratischen Gouverneurs von New Jersey, Robert B. Meyner, unterstützt, erfährt, dass JFK eine
Beziehung zu einer 19-jährigen Studentin des Radcliffe College hat. Da Meyner Ambitionen auf das
Präsidentenamt hegt, bieten die beiden einem Privatdetektiv $10'000 für belastende Fotos an, was
dieser aber ablehnt und JFK darüber informiert. Obwohl seine Gegner sogar den Namen seiner
Geliebten kennen, ist das kein Grund für JFK, die Beziehung zur Studentin abzubrechen, aber er rächt
sich später damit, Engelhard die Ernennung zum Botschafter zu verweigern.
John F. Kennedy gibt im Januar 1960 seine Präsidentschaftskandidatur bekannt. Eine Flut von
Artikeln und Bücher über und "von" Kennedy erscheint. Joe Kennedy kauft für den Wahlkampf ein
Flugzeug und gründet die Ken-Air Corporation. Robert Kennedy verlässt den McClellan-Ausschuss
und organisiert den Wahlkampf seines Bruders. 1960 reist JFK unermüdlich durchs Land, unterstützt
von der ganzen Familie und vollgepumpt mit Cortison und Amphetaminen. Fast während des ganzen
Wahlkampfs hat er ein Verhältnis mit Joan Hitchcock Lundberg, die ihn oft im Flugzeug aufpeppelt. Er
bezahlt ihren Lebensunterhalt, auch für ihre Kinder, und eine Abtreibung. Nicht nur Hoover, wie
Giancana über Guy Banister und Bob Maheu erfährt, sondern auch Giancana selbst lässt die
Kennedys auf Schritt und Tritt überwachen. Da die Kennedys reich sind, kann man sie nicht
bestechen, sondern braucht Belastungsmaterial, um sie zu erpressen.
Frank Sinatra sieht sich aufgrund seiner Beziehung zum Kennedy-Clan als neues Bindeglied zwischen
Kennedy und der Mafia. Sinatra vermittelte schon früher Frauen an Joe Kennedy und rückte Ende der
50er Jahren näher zu den Kennedys. Auch Sinatra vermittelte ein Treffen von Giancana und Kennedy
auf einem Golfplatz Ende 1959 und dient als Kanal für Wahlkampfgelder. Bei einem Besuch von Jack
in Sinatras Sands Casino in Las Vegas organisiert Sinatra ein Treffen mit Harold J. Gibbons, dem
Vizepräsidenten der Teamster, um diese zu beruhigen, dass Hoffa bei einer Wahl Kennedys in Ruhe
gelassen würde. Sinatra ist auch der Link zu Skinny D'Amato, der sich für Kennedy im
protestantischen West-Virginia stark macht und als Gegenleistung die Aufhebung der Deportation
Seite [148]
von Joey Adonis erwartet, was JFK verspricht. Jack liebt die Wochenenden im Haus von Sinatra in
Palm Springs.
Am 7.2. kommt er mit seinem Bruder Teddy zu einem weiteren Treffen mit Giancana ins Sands Hotel
nach Las Vegas, wo Sinatra, der sich während des ganzen Sommers mit der eben geschiedenen
Marilyn Monroe vergnügt, ihm Judith Campbell vorstellt. Peter Lawford ist Sinatras Zuhälter, und
Sinatra ist, neben Smathers, einer von Jacks wichtigsten Mädchenbeschaffern. Eine davon ist die
Schauspielerin Jane Mansfield, mit der Jack eine kurze Beziehung hat. Lawford, der Sinatra 1955
seinem Schwager vorgestellt hatte, wird von Jack Naar mit Frischfleisch versorgt. In der Suite des
Senators gehen die Showgirls ein und aus, wenn Sinatra und Lawford im Sands sind. Judith hatte
1952 mit 18 den Schauspieler William Campbell geheiratet, aber nach sechs Jahren kam es zur
Scheidung. Danach wurde sie häufig am Arm von Johnny Roselli gesehen. 1959 lernte sie Sinatra
kennen und hatte, bis er eine zweite Frau ins Bett einlud, eine kurze Beziehung mit ihm. Zuerst
versucht Teddy, sich an sie ranzumachen, aber Jack, immer in Konkurrenz zu seinen Brüdern, sticht
ihn am nächsten Tag aus. Teddy begnügt sich darauf mit einer Stewardess der Eastern Airline. JFK
ruft Judy fast täglich an, und am 7.3. schlafen sie das erste Mal miteinander im Plaza Hotel in New
York.
Drei Wochen später stellt ihr Sinatra Sam Giancana als Sam Flood vor, im Fontainebleau Hotel in
Miami. Laut FBI benutzt Giancana 19 Pseudonyme in seiner Karriere. Giancana macht ihr den Hof mit
teuren Geschenken und ist klar an ihr interessiert wegen ihrem Verhältnis zu Jack, den sie am 6.4.
das nächste Mal in Washington sieht. JFK gibt ihr beim nächsten Treffen einen Koffer mit $250'000 in
100er-Scheinen für Giancana mit. Mit dem Nachtzug fährt Campbell mit dem Geld nach Chicago,
überwacht von Martin E. Underwood, einem Mitarbeiter von Richard Daley, der während der
Kampagne für JFK arbeitet und von Kenny O'Donnell diesen Auftrag erhält. Underwood beobachtet,
wie Campbell dem wartenden Giancana den Koffer übergibt. Die nächsten Tage verbringt sie mit
Giancana, der ihr Chicago zeigt. Sie lehnt jedoch seine Avancen ab und lässt sich angeblich erst
eineinhalb Jahre später auf eine sexuelle Beziehung ein. Während des Wahlkampfes pendelt
Campbell hin und her und organisiert Treffen der beiden. Jack verspricht ihr, dass Jackie und er sich
trennen werden, falls er die Nomination nicht schaffe. Offenbar versucht JFK sie zu einem ménage à
trois zu gewinnen und will sie Kenny O'Donnell zur Verfügung stellen.
Am Treffen von Jack und Giancana am 12.4. im Fontainebleau Hotel in Miami Beach kommt die
Vereinbarung über die Finanzierung der Vorwahlen zustande. $150'000 von Giancana werden über
Sinatras und Giancanas Freund Paul Emilio "Skinny" D'Amato verteilt, wovon über $50'000 an die
Sheriffs von West Virginia gehen, die die politische Maschine kontrollieren. Für diese Vorwahl zahlen
die Kennedys, Bobby und Teddy oft persönlich, aber auch über Schwager R. Sargent Shriver und
dessen Freund James B. McCahey mindestens $2 Mio. Über den Erzbischof von Boston, Richard
Cardinal Cushing, wurden die protestantischen Kirchen und Priester, vor allem auch die schwarzen
Gemeinden, in West Virginia finanziert, um den verbreiteten Antikatholizismus zu neutralisieren. Die
korrupte Bostoner-Familie Cushing wurde wie die Coolidge dank dem Opiumhandel enorm reich. Von
der Kanzel wurde verkündet, es sei gut, einen Katholiken zu wählen, weil damit die Protestanten
religiöse Toleranz unter Beweis stellen würden. West Virginia ist wichtig, weil er Hubert Humphreys
in Wisconsin nur mit einer geringen Mehrheit besiegte. Im März fielen die Kennedys dort ein, wobei
JFK die religiöse Intoleranz anprangerte, die er bekämpfe, während seine Helfer Flugblätter mit
antikatholischen Hetzparolen verbreiteten.
Auf dem Parteikonvent der Demokratischen Partei im Juli 1960 wird John Kennedy mit 806 Stimmen
zum Präsidentschaftskandidaten gegen Johnson mit 409 Stimmen nominiert. Wie viel Joe Kennedy
Seite [149]
insgesamt für den Wahlkampf ausgibt, weiss man nicht, aber er meint einmal: "Was sind schon 100
Millionen, wenn es um Jacks Sieg geht?" In jedem Staat haben die Kennedys ihre bezahlten Vertreter,
so dass sich Ex-Präsident Harry Truman weigert, am Nominierungs-Parteitag teilzunehmen, weil so
viele Stimmen gekauft wurden, und erklärt: "Ich habe nichts gegen den Papst, ich habe etwas gegen
den Papa." Drei Dinge braucht es laut Joe Kennedy für den politischen Erfolg: "Geld, Geld, und
nochmals Geld." Nachdem Joe den Wahlkampf organisiert hat, geht er nach dem Parteitag für zwei
Monate nach Europa und verkriecht sich danach in Hyannis Port. Es gibt kein einziges Foto und
keinen gemeinsamen Auftritt von Vater und Sohn. Auch Eleanor Roosevelt reizt die Presse mit
Kommentaren über den Vater und mit ihrer vielzitierten Bemerkung über JFK als Inbegriff "der neuen
managerhaften Elite, die weder Prinzipien noch Charakter haben".
Eigentlich möchte Kennedy den Kalifornier Steward Symington als Running Mate, was dieser bereits
akzeptierte und worüber Zeitungen bereits berichteten. Aber Lyndon B. Johnson verpflichtet JFK mit
Hoovers Unterlagen über seine Frauengeschichten, ihn zum Vizepräsidentenkandidaten zu ernennen.
Johnson kurbelte seine Politkarriere an, als er ihn einst im Auswärtigen Ausschuss unterbrachte.
Zudem kann er mithilfe von Johnson die konservativen Demokraten im Süden auf seine Seite
bringen. Johnson kennt Hoover seit den 30er Jahren und ist sein Nachbar seit den 40er Jahren. JFK
sieht sich wegen dem belastenden Material über seine Frauengeschichten und die Vergangenheit
seines Vaters auch gezwungen, Hoover weiterhin als FBI-Chef zu behalten.
Hoover unterstützt Nixon, der Chruschtschow den "Schlächter von Budapest" nannte. Auf Initiative
von Howard Hughes flog Nixon im Juli mit dem neuesten und schnellsten TWA 707-Jet nach Moskau
an eine Wirtschaftsausstellung, wo es ihm gelang, den sowjetischen Premier mit einem Pepsi in der
Hand für Donald Kendall fotografieren zu lassen. Robert Geddes Morton, Chef der Pepsi-Fabrik in
Kuba, ist an den Invasions- und Mordplanungen gegen Castro beteiligt. Er wird verhaftet und erst
1963 nach diplomatischen Interventionen freigelassen.
JFK muss im Wahlkampf gegen Richard Nixon vor allem die Vorurteile der 74% nichtkatholischen
Bevölkerung überwinden, was ihm mithilfe des Fernsehens einigermassen gelingt. Fast die Hälfte der
Bevölkerung sieht sich die vier Debatten an, in denen John Kennedy gegen den unsicher wirkenden
Nixon, dessen Kampagne von Prescott Bush organisiert und von Robert Mosbacher, Gerald Ford und
James Baker mitfinanziert wird, brilliert. Vor der Debatte machte sich Kennedy fit, mit viel Schlaf und,
kurz davor, einer 15-Minuten-Session mit einer Prostituierten, während Nixon noch von seiner
Krankheit gezeichnet ist. Bebe Rebozo, der eine ganze Reihe von Senatoren, wozu auch Johnson und
Kennedy gehören, kultivierte, gibt sexuelles Dreckmaterial über Kennedy an Nixons Wahlkampfteam
weiter, darunter die Information über die frühere Heirat. "Kennedy war so sorglos", meint der
misogyne Nixon später, "genau wie Clinton." Nixons Freund William Rogers bittet Hoover um
Sexmaterial über Kennedy, worauf dieser Informationen über Durie Malcolm weitergibt.
Für die Demokraten sucht Dick Tuck bei den Republikanern nach Dreckmaterial über Nixon, und
Gerüchte über Pat Nixons frühere Heirat tauchen auf. Lloyd Cutler und Bill Baggs, der Herausgeber
der Miami News, finden Mädchen, die behaupten, an Bebe Rebozos Parties in Key Biscayne gewesen
zu sein, lassen die Story aber fallen, als klar wird, dass nicht nur Nixon, sondern ebenso Kennedy an
solchen Abenden dabei ist. Auch innerhalb der Parteien wird spioniert: John Ehrlichman arbeitet als
Chauffeur bei Nelson Rockefeller, um Informationen für Nixon zu sammeln.
Jack Kennedy ist sich immer bewusst, dass er ein Schauspieler in einem öffentlichen Drama ist, und
er weiss, was das Volk hören und sehen will. Er benutzt das Fernsehen, mit dem bereits 90% der
amerikanischen Haushalte ausgestattet sind, als effizientes Propagandamittel, so wie Roosevelt
Seite [150]
seinerzeit das Radio einsetzte. Seine Strategie besteht darin, allen alles zu versprechen: 220 sich
widersprechende Wahlversprechen werden gezählt. Einerseits behauptet er, ein Pragmatiker zu sein,
andererseits verspricht er, der Nation wieder eine moralische Orientierung zu geben: Das Weisse
Haus werde unter seiner Ägide "das Zentrum der moralischen Führung" Amerikas sein. Seine Moral
beschränkt sich, protestantisch, auf den Sieg. Der Erfolg entscheidet für ihn, was richtig und was
falsch ist. Dazu geht er bis zur Selbstverleugnung: Immer wieder auftretenden Gerüchten über seine
Addison-Krankheit tritt er mit einer glatten Lüge entgegen: "Kein Mensch, der die Addison-Krankheit
hat, sollte Präsident werden. Aber ich habe sie nicht." Seine manchmal gelbliche Haut wird mit einer
angeblichen Malaria vom Kriegseinsatz erklärt. Unter Anleitung von William Casey, dem späteren
CIA-Direktor unter Reagan, wird in den beiden Praxen von Kennedys Ärzten in New York
eingebrochen, um Beweismaterial für seine Addisonkrankheit zu suchen. Auch in Nixons
Wahlkampfbüro wird kurz vor den Wahlen eingebrochen, und Akten werden gestohlen. Kennedy
sichert sich mit der Unterstützung Martin Luther Kings die Stimmen der Schwarzen, von denen 78%
für Kennedy votieren.
Im Gegensatz zu Giancana hat Carlos Marcello sowohl den Demokraten um Johnson wie dem
Republikaner Nixon beträchtliche Summen bezahlt. Marcello traut den Kennedys nicht, obwohl sich
Joe Kennedy mit Carlos Marcello, den Campisi-Brüdern, Johnny Roselli, Stefano Magaddino von
Buffalo und Mobstern von Californien und Colorado im Felix Young's Restaurant trifft. Trotz Johnsons
Nomination als Vize-Präsident übergibt Marcello in Anwesenheit von Irving Davidson Jimmy Hoffa
$500'000 (heute ca. $3 Mio.) für Nixons Wahlkampfkasse; eine weitere halbe Million für Nixon
kommt von Mobstern aus New Jersey und Florida. Davidson ist seit 1959 der Lobbyist für Marcello
und Hoffa in Washington, und ohne die Unterstützung der Gewerkschaften kann eine Wahl nicht
gewonnen werden.
Sam Giancana hat allerdings mit Hoffa ebenfalls ein Abkommen geschlossen, und über Hoffa fliessen
auch einige Millionen in Kennedys Wahlkampfkassen, damit die Teamsters in Ruhe gelassen werden.
Auch über die Fischettis fliessen Gelder zu den Demokraten. Giancana unterstützt Nixon mit einer
halben Million, um für jede Eventualität gesichert zu sein. Aber mit Kennedy hätte Giancana einen
exklusiven Zugang zur Macht. Robert Kennedy wird informiert, dass Meyer Lansky und Santos
Trafficante Nixon finanzieren, und Edward Kennedy erhält sechs Wochen vor der Wahl Hinweise über
die $205'000 Nixon-Schmiergelder von Howard Hughes.
Anfang August übergibt Judith Campbell Giancana einen zweiten Koffer voll Geld für den
Stimmenkauf und organisiert ein zweites Treffen in ihrer Wohnung in New York. Während dem
Gespräch wartet sie in ihrem Schlafzimmer. Unterdessen hat sie gelernt, am Telefon kodiert zu
sprechen, ohne Namen zu nennen. Einfluss auf Washington nimmt Giancana auch über seinen
Schwiegersohn Anthony Tisci, der administrativer Mitarbeiter des Kongressabgeordneten Roland
Libonati ist. Murray Humphreys, der "Schmiergeldverteiler" des Chicago Syndikates, koordiniert von
einer Suite im Hilton, wo er sich als Fishman registriert, vor dem Demokratischen Konvent im Juli und
vor der Wahl im Oktober die Kennedy-Unterstützung. Humphreys trifft dort die Gewerkschaftsführer
aus dem ganzen Land und verpflichtet sie, die nötigen Stimmen für JFK zu liefern.
Innerhalb der christlichen Rechten plant eine Gruppe aus Minutemen, Nazis und Exilkubanern um
William P. Gale, John Kennedy in Van Nuys, Californien, durch Edgar Eugene Bradley umbringen zu
lassen. Priester Gale, Führer der Christian Defense League, war im 2. Weltkrieg Trainer von
Guerillagruppen in den Philippinen unter General Charles Willoughby. Ende der 50er Jahre
rekrutierte Gale Veteranen und Söldner wie Robert K. Brown, der in der 80er Jahren das Magazin
Soldier of Fortune publiziert. In seinem Buch Silencers, Snipers, and Assassins beschreibt Brown, wie
Seite [151]
Mitchell WerBell Spezialgewehre und Dämpfer für die CIA entwickelt. Im Juni 1960 gründeten der
Waffenhändler Richard Lauchli, der auch Castro belieferte, und Robert DePugh die Minutemen. Die
rechtsextremen Paramilitärs sind bei Exilkubanern aktiv und bereiten sich auf den Partisanenkrieg
vor, den sie führen wollen, wenn die Sowjetunion die USA erobert.
Quellen: Meurice, Fox: 333, Hersh: 4, 110-135, 294-306, Wolfe: 326ff, Davis (1984): 187-192, 209f, Gregory/ Speriglio: 152f,
DiEugenio (1997): 4-9, Best: 19f, Brussell (1983): 9f, Obenhause, Summers (1993): 269-275, (2000), Collier/ Horowitz: 293-309,
Lewens/ Wall, Callahan: 141f, Olgiatti, Russel (2000), Posener: 81-87, Kangas: 4, Cran, Barrett, Peoples Century Nr.10,
Tarpley/ Chaitkin: 68, Scott (1993): 190, Marrs: 172, Giancana: 447-451, Dean: 37, Niederberger (2002e).
4.16. 1960 Lee Harvey Oswald
Lee Harvey Oswald trat 1956 17jährig in die Marine ein, nachdem er das Marine Corps Manual seines
Bruders auswendig gelernt hatte, um aufgenommen zu werden - ein Jahr vorher wurde er noch
abgelehnt wegen seines Alters. Da sein Vater Robert E. Lee Oswald noch vor seiner Geburt gestorben
war, kümmerten sich die Schwester von Marguerite Oswald, Lillian, und ihr Mann Charles Murret oft
um Lee, der schon früh gewalttätig war. "Dutz" Murret, ein ehemaliger Boxer, arbeitet als
Boxmanager und professioneller Buchmacher bei Sam Saia in der Marcello-Organisation.
Nach zwei Jahren in New York, wo Lee wegen seinem antisozialen Verhalten psychiatrisch abgeklärt
wurde, kehrte er mit seiner Mutter 1954 nach New Orleans zurück und besuchte dort zusammen mit
seinem Freund Edward Voebel Kurse der Civil Air Patrol bei David Ferrie. Bereits 1956 wurde Oswald
für Undercover-Aktionen von Ferrie benutzt, als er der Young People's Socialist League schreibt und
um Informationen bittet. Oswalds Mutter glaubt, dass Oswald sich für Gegenspionage-Zwecke mit
dem Kommunismus beschäftigt habe. Voebel erzählt dem FBI am 25.11.63 von der Beziehung von
Oswald und Ferrie. Am gleichen Tag ruft ihn Bill Slatter vom WDSU-TV an und informiert ihn über die
Homosexualität Ferries. Slatter ist ein Mitarbeiter von William Stuckey, der Oswald, Hemming,
Sturgis und Bringuier kennt. Voebel stirbt 1971 31jährig an einem plötzlichen Lungenversagen.
Stuckey wird am 21.9.81 erschossen, wobei das Spital eine andere Todesursache angibt als der
Autopsiebericht.
Beeinflusst von Ferrie und Murret beschloss Oswald, in die Marine einzutreten. Um dies zu
ermöglichen, wandte sich seine Mutter an den Politiker und Anwalt Clem Sehrt, der von der
Marcello-Organisation finanziert wird und Vorsitzender der demokratischen "Old Regulars" ist.
Oswald lernte bei den Marines Gerry Patrick Hemming kennen, der über seinen Onkel Art Simpson
Kontakte zur CIA, vor allem zu John McCone und seit 1954 zu James Angleton hat. Hemming war
1958 in Kuba gegen Batista aktiv, indem er Waffen für Castro schmuggelte und dessen Truppen
trainierte. Oswald äusserte den Wunsch, in Kuba im Untergrund zu arbeiten.
Nach dem Grundtraining als Marine in San Diego machte er eine Ausbildung als Radar Operator und
kam dann auf die Atsugi Air Base in Japan, von wo die geheimen U2-Aufklärungsflüge über Russland
starten. Atsugi ist die grösste CIA-Station im Fernen Osten, und viele Experimente der chemischen,
biologischen und psychologischen Kriegsführung werden hier durchgeführt. Der CIA-Agent James D.
Wilcott bestätigte, dass die CIA Oswald in Atsugi rekrutierte. Seine Informantennummer lautet
110669. Um seine CIA-bedingten Abwesenheiten von der Truppe in Atsugi zwecks Ausbildung
plausibel zu machen, organisierte Oswald verschiedene Unfälle und Vergehen. Seine Freizeit
verbrachte er mit japanischen Barmädchen, er schleuste sich angeblich in eine Zelle japanischer
Kommunisten ein und lernte Russisch. Für einige Monate an der U-2-Station Subic Bay auf den
Philippinen, nahm er auch der Operation STRONGBACK der 70. Flotte teil, die das CIA-Attentat auf
den indonesischen Präsidenten Achmed Sukarno unterstützen sollte. Nach einem Aufenthalt in PingTung auf Taiwan wurde Oswald im Dezember 1958 auf die El Toro Air Base in Californien verlegt, wo
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er sich als Kommunist zu erkennen gab. Unterdessen sprach er fliessend Russisch und las sowjetische
Zeitungen.
Am 2.1.59 waren Hemming und Oswald im kubanischen Konsulat in Los Angeles, wo es in
Zusammenhang mit dem Machtwechsel auf Kuba zu einer Schiesserei kam. Hemming, der in Kuba
mit William Alexander Morgan arbeitet, besuchte Oswald auch in El Toro. Morgan wurde für
bewaffneten Raub verurteilt, flüchtete aber nach Kuba, wo er als Kommandant einer Rebellentruppe
mit Eloy Gutierrez Menoyo zusammen kämpft, dessen Truppen 3000 Mann stark sind. Menoyos
Bruder kam am 13.3.58 bei einem Angriff auf Batistas Präsidentenpalast ums Leben. Am 2.9.59
wurde "Marxist Oswaldskovich" in Ehren von den Marines entlassen.
Oswald gab an, ans Albert Schweitzer College zu gehen, reiste aber im Auftrag Angletons über
London und Schweden nach Helsinki. James Jesus Angleton organisiert regelmässig
Spionageoperationen in der Sowjetunion. Obwohl die Wartefrist normalerweise mindestens eine
Woche dauert, bekam Oswald nach zwei Tagen ein Visum und traf am 16.10.59 in Moskau ein.
Diplomat Richard Snyder, der für die Überwachung von CIA-Aktionen zuständig ist, bearbeitet
Oswalds Dossier. Oswald bewarb sich um die russische Bürgerschaft, aber das KGB wollte ihn nach
einer Überprüfung wieder nach Helsinki abschieben, worauf er sich die Pulsadern aufschnitt. Selbst
im Spital drohte er nochmals damit, sich umzubringen, wenn er nicht in der UdSSR bleiben dürfe,
wonach er psychiatrisch untersucht wurde. Der KGB-Agent Yuri Nosenko, der am 20.1.64 überläuft,
behauptet, er habe den Fall Oswald in der Sowjetunion betreut und man habe Oswald als nicht sehr
intelligent und psychisch unstabil eingeschätzt und ihn in Ruhe gelassen.
Nachdem Oswald die amerikanische Staatsbürgerschaft aufgegeben und Radargeheimnisse verraten
hat, darf der "überzeugte Kommunist" als Staatenloser in der UdSSR bleiben und wird nach Minsk
verfrachtet, wo er in der Öffentlichkeit ein Playboyleben führt. In Minsk befindet sich eine
Trainingsschule für Spione und ein angegliedertes Fremdspracheninstitut. Tracy Barnes ist der
Empfänger von Oswalds Nachrichten aus Minsk. Obwohl offiziell immer in Minsk an der Arbeit, reist
Oswald in der ganzen Sowjetunion herum. Er bewirbt sich für ein Studium an der Patrice Lumumba
Universität in Moskau mit dem Auftrag der Infiltration, wurde aber abgewiesen.
Am 8.1.60 trifft sich Oswald offenbar mit dem Gegenspionage-Offizier Nikolai Georgeiyevich
Sharapov. Es sieht so aus, als würde Oswald den KGB mit Informationen über die U2-Flüge beliefern,
die er von seinem Dienst auf der Basis in Atsugi besitzt. Francis Gary Powers stürzt am 1.5.60 mit
einem U-2-Flugzeug in der Sowjetunion ab und wird gefangengenommen. Powers behauptet später,
Oswald habe die Informationen weitergegeben, die zu seinem Absturz führten. Aber die
Hintergründe sind komplexer: Eisenhower wollte seine Amtszeit als Friedensstifter abschliessen und
gab den Befehl, alle Kriegsaktionen, auch die Undercoveraktionen wie im Tibet, einzustellen, um mit
Chruschtschow am Gipfel in Paris Mitte Mai geplante Atomtest-Verträge zu ermöglichen. Gegen den
expliziten Befehl des Präsidenten ordnete CIA-Planungschef Richard Bissell den U2-Flug an, dessen
Absturz aufgrund von Sabotage erfolgte. Wie vorauszusehen ist Chruschtschow beleidigt und
blockiert den Vertrag.
Auch die mickrige Untersuchung des angeblichen Abschusses durch Angletons Abteilung deutet
darauf hin, dass er selbst Powers geopfert hat. Eisenhower rächt sich, indem er in seiner letzten
Rede, die am 17.1.61 am Fernsehen ausgestrahlt wird, eindrücklich vor dem Staat im Staat warnt:
"Wir müssen auf der Hut sein vor unberechtigten Einflüssen des militärisch-industriellen Komplexes,
ob diese gewollt oder ungewollt sind. Die Gefahr für ein katastrophales Anwachsen unbefugter
Macht besteht und wird weiter bestehen. Wir dürfen niemals zulassen, dass das Gewicht dieser
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Kombination unsere Freiheiten oder unseren demokratischen Prozess bedroht". Eisenhower, der den
militärisch-industriellen Komplex trotz seiner Kritik als absolut notwendig für die globale Dominanz
der USA erachtet, ist 100 Jahre zu spät mit seiner Warnung.
Die Offenlegung der U-2 ist kein Problem, denn die USA haben ab August 1960 den ersten
Spionagesatelliten (Corona) zur Verfügung, der die Flüge überflüssig machen sollte. Allerdings sieht
man auf den ersten Filmen primär Wolken über der Sowjetunion, weshalb die Air Force mit dem
MOL-Projekt (Manned Orbiting Laboratory) bemannte Spionageraumflüge plant, die 1964 starten.
Gleichzeitig entwickeln die CIA und die Luftwaffe eine neue Supermaschine für die Spionage, wobei
es zu einem Machtkampf zwischen Richard Bissell (CIA) und Curtis LeMay (Air Force) um die Hoheit
des Projekts kommt. Nach knapp zwei Jahren hebt die erste echte Stealth-Maschine A-12 Oxcart am
25.4.1962 auf dem geheimen Testgelände Groom Lake in der Wüste Nevadas zum Erstflug ab, was
aufgrund der Geheimhaltung zu einem Boom von UFO-Spekulationen führt. Bis 1965 wurden die
Vorgaben erreicht, wobei vier Prototypen abstürzten: die Höhe von 27'000 Meter, die Distanz von
6400 Kilometer und eine Dauergeschwindigkeit von Mach 3.35 (schneller als eine Gewehrkugel) wird
von keinem späteren Flugzeug mehr erreicht. Die Mascine aus Titan gebaut, das sinnigerweise aus
der Sowjetunion stammt. Gebaut werden drei Versionen: die einsitzige A-12 für die CIA, die YF-12 als
Abfangjäger der Luftwaffe und die SR-71 auf Aufklärer, der bis 1990 im Einsatz steht.
Als kalter Krieger kritisierte John F. Kennedy das Scheitern der Gipfelgespräche im Juni, was er
ausschliesslich auf die mangelnde Bereitschaft von Chruschtschow zurückführt. Dabei ist dieser an
einer friedlichen Koexistenz mit den USA interessiert und will die Sowjetunion demokratisieren.
Chruschtschow ist praktisch ein Analphabet, der die Schule mit 11 Jahren verliess, um als
Maschinenschlosser zu arbeiten. Als Gewerkschafter und loyaler Mitarbeiter Stalins machte er
Karriere, wobei er Massenrepressionen und Parteisäuberungen durchführte und für die in einer
tragischen Hungersnot mündende Zwangskollektivierung in der Ukraine mitverantwortlich war.
Während dem 2. Weltkrieg begann er sich von Stalins Politik zu distanzieren, ging aber trotzdem als
unbarmherzig gegen die Nationalisten der Ukraine vor. Nach dem Tod Stalins 1953 schaltete
Chruschtschow seinen Konkurrenten Geheimdienstchef Berija aus, legte die Vergangenheit unter
Stalin 1956 offen, brach mit dem Stalinismus und liess die Gefangenen frei. Nach einem
fehlgeschlagenen Putschversuch 1957 beschnitt er die Privilegien des Parteiapparates und sicherte
die Bewegungsfreiheit der Bürger. Chruschtschow reagiert ausgesprochen heftig und beleidigt, wenn
etwas nicht seinen Vorstellungen entspricht.
Powers und Oswald haben sich in Moskau auch getroffen. Oswald äussert in Briefen an seinen Bruder
seine Angst, dass er angeklagt und verurteilt werde, wenn er in die USA zurückkehre. Am 2.10.62
wird auch eine U-2 über China abgeschossen. Powers wird 1977 in einem kaum untersuchten
Helikopterabsturz wegen Treibstoffmangels getötet, kurz nachdem er in einem Radiointerview
gesagt hat, seine U-2 Maschine sei wegen Sabotage abgestürzt.
Während Oswald in Russland ist, versucht am 10.1.61 in New Orleans ein "Joseph Moore" zusammen
mit einem Kubaner 10 Ford-Lastwagen auf den Namen Oswald für eine Organisation namens
"Friends of Democratic Cuba", zu der Guy Banister gehört, zu kaufen. Hoover hatte schon am 3.6.60
in einem Memo an das Aussenministerium vor der Möglichkeit eines Doppelgängers gewarnt.
Oswalds Mutter ist sich sicher, dass ihr Sohn ein Geheimdienstagent ist und vermutet, dass er von
einem Doppelgänger missbraucht werde und vielleicht gekidnappt worden sei. Nach dem
Armeegeheimdienstoffizier Philip Corso existieren vor Kennedys Ermordung zwei Pässe und zwei
Geburtsurkunden auf Oswalds Namen, die von zwei verschiedenen Personen gebraucht werden.
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Auch das Passbüro schreibt am 31.3.61, dass ein Doppelgänger Oswalds Daten benutzte. Ende April
1960 untersucht FBI-Agent John W. Fain den Fall Oswald, und am 3.7.61 verfasst er einen weiteren
Bericht, in dem viele der geschilderten Informationen vom Marinegeheimdienstbüro in New Orleans
stammen.
Quellen: Marrs: 91-112, 130, 540, 546, Weberman (1): 1-40, (2): 1-33, (3), (4), (5), Summers (1993): 322ff, Russel (2000), Best:
65, CNPC: 2, Brussell (1983), Davis (1988): 403f, Anson:154-190, Callahan: 86, 101ff, Barrett, Dedial.
4.17. August 1960 Marilyn Monroe
Frank Sinatra gibt zur Eröffnung des Cal-Neva Lodge vom 13.8.60 am Lake Tahoe eine Show, zu der
die ganze "Misfits"-Truppe und Marilyn Monroe, Joe und Jack Kennedy, Sam Giancana und Johnny
Roselli eingeladen sind.
Marilyn Monroe wurde als Norma Jeane am 1.6.26 als uneheliches Kind geboren. Da ihre Mutter
Gladys Baker sich wegen ihrer psychischen Probleme nicht um sie kümmern konnte, wuchs sie
meistens bei Verwandten und Nachbarn auf. Als Vater wurde Gladys ehemaliger Mann Edward
Mortensen angegeben. Ihr leiblicher Vater, Stan Gifford, verhinderte jeden Kontakt zu seiner
Tochter. Ihre erste Kindheitserinnerung besteht darin, dass ihre Grossmutter Della Monroe Grainger
die Einjährige mit einem Kissen zu ersticken versuchte. Als sie acht war, wurde sie vom Untermieter
Murray Kinnell sexuell missbraucht, worauf sie stotterte und Albträume hatte. An Weihnachten 1934
wurde ihre Mutter in die psychiatrische Klinik eingeliefert und Norma in ein Waisenhaus gesteckt.
Während der nächsten acht Jahre schob man sie zwischen Waisenhäusern und Pflegefamilien hin
und her. Um dieser Heimatlosigkeit zu entkommen, heiratete sie mit sechzehn James Dougherty, der
sich kurz darauf zur Navy meldete.
Im Herbst 1944 wurde sie vom Fotografen David Conover, mit dem sie auch eine kurze Affäre hatte
und der für Ronald Reagan arbeitete, entdeckt, und begann mit Modeling. Nach der Scheidung im
Mai 1946 lernte sie John Kennedy kennen, der in diesem Sommer auch Affären mit Gene Tierney,
Peggy Cummins, Sonja Henie und Nancy Dickerson hatte. Howard Hughes fiel Marilyn auf einer
Titelseite auf, verbrachte eine Nacht mit ihr und wollte sie für RKO engagieren, aber die Fox war
schneller. Ihre Schauspielkarriere, nun als Marilyn Monroe, wurde gefördert von Johnny Roselli und
seinem Freund, dem Produzenten Joe Schenck, der bereits 70 war, als er Marilyn ins Bett bekam. Da
er fast impotent war, betrieben sie oralen Sex. Darryl F. Zanuck, der mit Schenck die Twentieth
Century Pictures gegründet hatte und später mit der Fox fusionierte, reagierte eifersüchtig auf das
Verhältnis und blockte Marilyns Karriere bis 1951, als ihn Spyros Skouras unter Druck setzte. Marilyn
verlor ihren Job bei Fox, weil sie von John Kennedy schwanger war und im November 1947 ein
Mädchen gebar. Nancy Maniscalco Greene wurde mithilfe von Vito Genovese von der sizilianischen
Familie Maniscalco in Brooklyn adoptiert. Marilyn besuchte sie manchmal in den späten 50er Jahren
als Mrs. Greene, ein Pseudonym, das sie auch braucht, um JFK inkognito zu treffen. Als
Entschädigung für Jacks falsche und gebrochene Versprechen zahlten die Kennedys eine Pension für
Marilyns Mutter und ihre Halbschwester. Trotzdem ging ihr Verhältnis in den 50er Jahren weiter. JFK
hängte 1954 ein Poster mit Marilyn in seinem Spitalzimmer verkehrt auf, so dass ihre gespreizten
Beine in die Luft ragten.
Nach der Geburt bekam sie einen Vertrag bei der Columbia, liess aber deren Chef Harry Cohn
abblitzen und wurde deshalb 1948 wieder entlassen. Um sich durchzubringen, trat sie in einem
Striplokal auf und hatte mit dem dortigen Orgelspieler Anton LaVey ein Verhältnis. Danach ging sie
ein Verhältnis mit dem 1 Meter 50 kleinen, 53jährigen Johnny Hyde ein, der seine Familie sitzen liess,
obwohl sie alle seine Heiratsangebote ablehnte. 1949 liess sich Marilyn von Dr. Michael Gurdin ihr
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Kinn abrunden und ihre Nase verschönern. 1951, als sie bereits ein Verhältnis mit Arthur Miller hatte,
wurde Marilyn berühmt. Nach einem Tag Ehe mit Robert Slatzer heiratete sie Joe DiMaggio, obwohl
sie sich von ihm missbraucht fühlte. Schon während der Hochzeitsreise in Japan drohte ihr der
Baseballstar mit der Scheidung, weil sie einer Einladung folgend vier Tage nach Korea ging, um die
US-Truppen zu unterhalten. Marilyns Sehnsucht nach Ruhm und ihr kindliches Bestreben, es allen
Recht zu machen, wurde von vielen Männern, der Mafia und der CIA ausgebeutet. Die CIA setzte sie
ein, um den indonesischen Präsidenten Sukarno zu ködern. Daneben hatte sie aber auch Affären mit
Henry Rosenfeld, Marlon Brando, Freddy Karger, John und Robert Kennedy. Bobby traf sie
regelmässig in einer Suite im Desert Inn in Las Vegas. Der eifersüchtige Joe DiMaggio engagierte kurz
vor der Scheidung die Privatdetektive Barney Ruditsky und Philip Irwin, um Marilyns Affären zu
überwachen. Am 5.11.54 traten DiMaggio und sein Freund Frank Sinatra die Türe des benachbarten
Appartements ein, weshalb Marilyn entkommen konnte und DiMaggio eine $200'000 Klage am Hals
hatte. Irwin, der dem Gericht die Wahrheit erzählte, wurde von Sinatras "Boys" grün und blau
geschlagen. Sinatra selbst schickte Ava Gardner Schnüffler auf den Hals, die seine Ex-Frau und Ex von
Howard Hughes jedoch nicht in den Armen eines anderen Mannes, sondern von Lana Turner fanden,
was Sinatras Ego massiv verletzte. Marilyn gründete 1954 zusammen mit ihrem ehemaligen
Liebhaber, dem Look-Fotografen Milton Greene, die Marilyn Monroe Productions.
Ab 1955 liess FBI-Chef Hoover, der einen Kalender mit Nacktbildern von Marilyn in seinem Keller
aufgehängt hatte, den linken Arthur Miller überwachen und gab Informationen über dessen
aussereheliche Beziehung mit Marilyn an den Kolumnisten Walter Winchell weiter. Nachdem Miller
1956 vor die HUAC zitiert wurde, intervenierte JFK beim Aussenministerium, damit Millers Pass nicht
eingezogen wurde. Am 1.7.56 heiratete Marilyn ihre Vaterfigur Miller, und das Paar ging für FilmDreharbeiten nach London, wo sie sich erneut mit JFK traf. Während Jackie eine Fehlgeburt erlitt,
war Jack deshalb nicht wie angegeben am Segeln, sondern unauffindbar. Nur mit einer Zahlung von
$1 Mio. konnte der Vater Jacks Ehe retteten. Auch Marilyns Ehe erlitt eine Krise, weil sie in Millers
Tagebuch von seinen Zweifeln über die Beziehung gelesen hatte. Trotzdem sehnte sie sich nach
einem Kind von ihm, wurde im Sommer 1957 schwanger, verlor es aber früh, worauf sie einen
Suizidversuch unternahm.
Ein Jahr später war sie erneut schwanger und hatte am 17.12.58 erneut eine Fehlgeburt, gefolgt von
einer Depression und einem erneuten Selbstmordversuch. Auf Initiative von Lee Strasberg begann
Marilyn bereits früher eine Psychotherapie bei Margaret Herz Hohenberg und dann bei Marianne Rie
Kris in New York. Auf Kris Vorschlag hin wurde Dr. Ralph Greenson im Januar 1960 Marilyns
Therapeut in Hollywood, als sie einen Nervenzusammenbruch hatte, nachdem JFK für die
Präsidentschaft kandidierte. JFK hatte ihr gesagt, dass er sie liebe und sie glaubte, dass sie heiraten
würden. Mit seiner Präsidentschaftskandidatur wurde klar, dass dies in der nächsten Zeit nicht der
Fall sein werde, und Marilyn hatte Angst, dass JFK sie fallen lassen könnte.
Greenson setzte durch, dass Marilyn nur noch einen Arzt konsultierte, Dr. Hyman Engelberg.
Engelberg war ein aktives Mitglied der Kommunistischen Partei von Los Angeles. Getreu der
leninistischen Formel "Beherrsche das Kino, und du beherrschst die Herzen und Gedanken des
Volkes" versuchte die Komintern, die Filmindustrie von Hollywood zu infiltrieren. Engelberg war
Propagandist am Arts, Sciences, and Professionals Council, das von Frederick Vanderbilt Field, einer
der aktivsten Komintern-Agenten, finanziert wurde. Dort engagierte sich auch John M. Murray, der
eine leitende Position in der Komintern hatte und ein Doppelleben mit verschiedenen Identitäten
führte. Murray war der Gründer des Psychoanalytischen Institutes von Boston und war oft in Mexiko,
wo die Komintern ihre Operationsbasis hat. In den 50er Jahren flohen Field und Murrays Bruder
Churchill nach Mexico City, wo sie vom FBI beschattet werden. Engelberg lernte Romeo
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Greenschpoon in den 30er Jahren im Cedars of Lebanon Hospital in Hollywood kennen. Noch
während seiner Schulzeit änderte dieser seinen Namen, und 1937 offiziell, zu Ralph R. Greenson. Er
war ebenfalls Mitglied der Kommunistischen Partei und leitendes Mitglied des ASPC. Über Mickey
Rudin, Anwalt von Sinatra und Marilyn und Schwager von Greenson, kam auch Sinatra zu Greenson.
Im Haus von Murray, dem er während dem Militärdienst unterstellt war, hat Greenson später seine
psychoanalytische Praxis.
Von seiner berühmten Klientin erfährt Greenson von der brisanten Beziehung zum
Präsidentschaftskandidaten, und er gibt die Informationen an die Komintern-Agenten weiter und
beginnt sie einzuspannen. JFK macht sich Sorgen, dass Marilyn über ihre Beziehung in der
Öffentlichkeit sprechen könnte, aber sie hält dicht. Trotz seinen Befürchtungen sehen sie sich auch in
diesem Sommer regelmässig. Es gibt Unterlagen, die zeigen, dass am 3.3.60 im Carlyle Hotel in New
York ein von Larry Cusack geschriebener Vertrag von JFK, RFK, Monroe, Joe Kennedys Assistentin
Janet DesRosiers und Monroes Anwalt Aaron Frosch unterzeichnet wird, in dem die Kennedys sich
verpflichten, über verschiedene Mitglieder $600'000 an Gladys Baker zu zahlen, und Marilyn im
Gegenzug über ihre Beziehung mit den Kennedys und die Verwicklungen der Kennedys mit Mafiaboss
Giancana und anderen Unterweltfiguren Stillschweigen garantiert. Marilyn ist mit Giancanas
Freundin Phyllis McGuire befreundet. Über Sinatra kennt Marilyn auch Mafiaboss Mickey Cohen, mit
dessen Mitarbeitern George Piscitelle und Sam Lo Cigno sie Affären hat. Im Januar 1960 begann
Marilyn eine Affäre mit Yves Montand, die bis zu seiner Rückreise Ende Juni dauerte. Am 26.8.
unternimmt Marilyn einen weiteren Suizidversuch und plant danach die Scheidung von Miller. Der
Tod ihres Schauspielkollegen Clark Gable und die Trennung von Miller lassen Marilyn im November in
eine neue Depression fallen.
Quellen: Posener: 79, Giancana: 485-488, Brown/ Barham: 113, 282, 394, Wolfe: 138ff, 163-175, 204-387, Obenhause, Summers
(1993): 295f, (2000): 88-99, 219, 232-236, 318ff, Davis (1988): 240, Gregory/ Speriglio: 43-194, DiEugenio (1997): 27, Best:
21f, Olgiatti, Carey/ Olgiatti, Brown/ Broeske: 202f, Brincker.
4.18. 1960 Aktionspläne gegen Kuba
Die kubanische Revolution hat eine Signalwirkung für die antikolonialen Befreiungsbewegungen. In
nur einem Jahr erlangen 17 Länder die Unabhängigkeit, und in 30 weiteren beginnt der
Befreiungskampf.
Die CIA arbeitet an Plänen, die Statschefs Castro, Trujillo und Lumumba zu beseitigen. Nach den
Erfolgen im Iran und in Guatemala führt Allen Dulles diese effiziente Strategie amerikanischer
Aussenpolitik weiter. Dazu probiert die CIA Tests zur Verhaltensprogrammierung mittels Hypnose
und Drogen an Kadetten des koreanischen Geheimdienstes KCIA aus. Allerdings überlegt sich die CIA
auch, ob es nicht einfacher wäre, professionelle Killer zu mieten. Koordinator der Mordprojekte ist
Sheffield Edwards, der als Security Officer bereits am Projekt ARTICHOKE beteiligt war und einer der
wenigen CIA-Agenten ist, der an sechs verschiedenen Mordkomplotten direkt beteiligt ist.
Die CIA-Agenten E. Howard Hunt und Frank Bender organisieren die OPERATION 40, die die
Elimination der einflussreichen Kommunisten auf Kuba im erwarteten Chaos nach der Ermordung
von Castro vorbereitet. Castro versichert Bender noch im Herbst 1960, er sei ein Nationalist und
Antikommunist. Hunt erhält eine Cover-Identität und $150'000 für die Operation, zieht im August
1960 nach Miami, wo er bei einer Deckfirma in der Elektronikbranche arbeitet und über Geraldine
Shamma eine Operationsbasis aufbaut. Geraldine Suarez Shamma arbeitet bei Castro für die USA.
Frank Sturgis, Sam Sanjennes und Felipe Gutierrez leiten die Erstellung der Todeslisten und die
Ausbildung einer Truppe von 20 Mann in Mordtechniken für die OPERATION 40, an der Edwin
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Wilson, Thomas Clines, Ted Shackley, Raul Villaverde, 'Chi Chi' Quintero, Luis Posada Carriles, Felix
Rodriguez, Barry Seal und Ricardo Chavez arbeiten. Bereits im Januar schlug Nixons Assistent
Brigadier-General Robert Cushman vor, Killertrupps nach Kuba zu schicken, an deren Planung sich
Manuel Artime, Nino Diaz, Ricardo Lorie, William Kent, Manuel Goudie, Bernard Reichhardt, Sanchez
Arrango und Michael Yebor beteiligen.
Der militärische Ast der Operation ist die Brigade unter Orncido Oliva, die von Offizieren der USArmee trainiert wird. Frank Sturgis trainiert Söldner von Manolo Rebozo und arbeitet auf Initiative
von Barker hin mit Bill Johnson an den Vorbereitungen zur Bombardierungen der Ölraffinerien bei
Havanna. Sturgis kann Trujillo und Fuentes dazu bringen, dass diese den Kubanern Territorien in der
Dominikanischen Republik und Guatemala als Invasionsbasis zur Verfügung stellen. Eisenhower
bewilligt $13 Mio. für die Trainingscamps der Exilkubaner, die eine Invasion der Insel vorbereiten.
Sturgis fliegt auch Einsätze, beispielsweise über Havanna, um mehrere Hunderttausend Flugblätter
abzuwerfen. Andere Flüge nach Kuba unternimmt er mit Conte Aguero. Zudem hat er vier
Speedboote, um Leute und Waffen für Sabotageaktionen nach Kuba zu bringen. Innerhalb der
Exilkubaner kommt es zu Streitigkeiten, worauf Lanz die Alliance of Liberation von der MRR von
Artime abspaltet. Sturgis, Lanz und Victor Panque rekrutieren James und Jerry Buchanan für das
IACB. Gegen Sturgis läuft 1960 in den USA ein Verfahren zur Aufhebung der Staatsbürgerschaft
wegen seiner Verletzungen der Neutralitätsgesetze. Senator George Smathers setzt sich erfolgreich
für Sturgis ein: seine Staatsbürgerschaft wird am 14.3.61 bestätigt. Smathers Bruder ist der Chef der
First National Bank in Miami Beach und ebenfalls in Kontakt mit Sturgis und Hunt. Luis Somoza, der
nach der Ermordung seines Vaters 1956 die Macht in Nicaragua übernahm, stellt den Kämpfern von
Sturgis, Rorke und Lanz eine Basis zur Verfügung.
Im September 1960 nimmt Kuba diplomatische Beziehungen mit China auf, worauf die Technical
Services Division der CIA David Lemar Christ mit einer falschen Identität ausstattet, um das Büro der
New China News Agency zu verwanzen. Zudem wird das Penthouse des sowjetischen Botschafters im
Hotel Rosita verwanzt. Aber die kubanische Gegenspionage verhaftet am 14.9.60 die drei
Topagenten David L. Christ, Thornton J. Anderson und Walter A. Szuminski sowie Mario Nordio,
Robert Neet und Marjorie Lennox. David Lemar Christ kam 1950 als erster Elektronikingenieur zur
CIA und baute die Technical Services Division und den Applied Physics Branch mit auf. Der
Abhörspezialist war 1956 in Japan, Taiwan und Südkorea, 1957 in Berlin, Uruguay, wo Hunt
Stationschef war, Argentinien, Chile und Panama und wurde Chef der Audio Operations Branch. 1958
arbeitete er in der Türkei, Pakistan, Griechenland, Deutschland und Belgien, 1959 in England und
Deutschland. 1960 ist er in Mexico, Marokko, Griechenland und Deutschland tätig, bis er in Kuba
verhaftet wird.
Im Gefängnis lernt er Gerry Patrick Hemming, der am 27.9.60 verhaftet wird, kennen. Laut Hemming
bestand Christs Mission in der Beschaffung des Codebuches und der Ausführung eines
Bombenanschlags auf die chinesische Nachrichtenagentur. Christ, Anderson und Szuminski werden
im Januar 1961 zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, worauf der CIA-Agent John Mertz auf Befehl von
Richard Helms mit Charles Siragusa Kontakt aufnimmt, der mithilfe von Trafficantes Leuten die drei
Agenten befreien soll. Siragusa versucht über den Anwalt Constantine Kangles, dem $100'000 bezahlt
werden, an Raul Castro heranzukommen, dem $1 Mio. hätten bezahlt werden können. Sidney
Gottlieb arbeitet an einem Plan, den kubanischen Richter zu hypnotisieren, um Christ
freizubekommen. Christs Frau Wilma versucht bei Treffen mit John Mertz, Allen Dulles, General
Carter und General Taylor, William Donavan und dann vermutlich auch mit Robert Kennedy alles,
damit ihr Mann aus dem Gefängnis geholt wird, womit sie eine Gefahr für die Geheimhaltung der
Operation ist. Schliesslich kommen die drei im Rahmen eines Gefangenenaustauschs und einer
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Medikamentenlieferung im Wert von $40 Mio. im April 1963 wieder frei, da die Kubaner davon
ausgehen, dass die drei Topagenten nur Handlanger der Operation waren.
Nach der Verhaftung der drei Topagenten geht die CIA in die Offensive. Auf Befehl von Dulles
entwickeln Richard M. Bissell, stellvertretender Planungsdirektor, und Sheffield Edwards, Direktor
der Sicherheitsabteilung, einen neuen Plan zur Beseitigung Castros. Bissell, ehemals
Wirtschaftsprofessor, arbeitete für Harriman und Dulles, war der Kopf der U-2 Aufklärungsflüge, die
1954 entworfen und von 1956 bis zum Absturz Powers am 1.5.60 über der Sowjetunion durchgeführt
wurden. Dulles Stellvertreter General Charles P. Cabell betreut die Attentatsplanung mit. Die am
Projekt beteiligten Agenten Paul Helliwell, E. Howard Hunt, William Pawley, Jack Hawkins, Jacob
Esterline, Tracy Barnes, Frank Bender, David Atlee Phillips und Frank Sturgis sind überzeugt, dass die
Mafia einen Attentäter auf der Insel auftreiben kann. Wenn der Plan auffliegt oder nicht funktioniert,
könnte die Regierung zudem die Verantwortung abschieben. Richard Cain, der für Giancana arbeitet,
rekrutiert hispanische Banditen, die den Job erledigen sollen.
Gleichzeitig mit Castros Ermordung soll eine CIA-gestützte Exilkubanerarmee am 31.10.60 die Insel
angreifen, wobei die Operation so geplant werden muss, dass eine US-Beteiligung dementierbar
bleibt. Grosse Summen aus CIA-Reserven werden den exilkubanischen Guerillas über E. Howard Hunt
und Bernard L. Barker zur Verfügung gestellt. Über Guy Banister und David Ferrie, die für Carlos
Marcello arbeiten, wird der Kontakt zu den Exilkubanern in Louisiana aufgenommen, die von
Marcello über Arcacha Smith finanziert werden. George Bushs Aufgabe ist die Rekrutierung von
Exilkubanern in Miami, wozu er einmal wöchentlich von Houston nach Miami reist und mit Felix
Rodriguez, einem ehemaligen Spitzenpolizisten unter Batista, zusammenarbeitet. Nachdem sich
George Bush 1958 von seinem Partner Hugh Liedtke trennte, bohrt seine Zapata Offshore auf den
Cay Sal Bank, die Hughes ein Jahr zuvor pachtete und der CIA als Basis für Kubaangriffe dienen. Seine
Firma fördert aber auch Öl in Kuwait, wo dank Schmiergeldern ein aussergewöhnlicher Vertrag (à la
Harken) geschlossen werden konnte, im Persischen Golf, Borneo und Trinidad. 1960 gründet Georg
Bush mit Jorge Diaz Serrano und Edwin Pauley von der Pan American Petroleum geheim die
mexikanische Ölförderfirma Perforaciones Marinas del Golfo (Permago). Auch mit Jack Crichton und
Charles Cabell steht Bush in Kontakt. Banister gründet eine eigene Organisation Citizens for a Free
Cuba. Hinter den meisten dieser Gruppen (Committee To Free Cuba, Free Cuba Committee, Crusade
to Free Cuba, Cuban Freedom Committee) steht direkt oder indirekt Howard Hunt. In Mexiko steht
Hunt ebenfalls in Kontakt mit Exilkubanern. Jack Ruby und Frank Sturgis sind für Waffen- und
Munitionslieferung zuständig. Trafficantes Leute Russell Bufalino, James Plumeri, George Levine und
Salvatore Granello arbeiten am Castro-Mordkomplott mit. Granello und Plumeri haben immer noch
Kontakte auf Kuba und versorgen die CIA mit Geheimdienstinformationen.
Richard Nixon drängt auf die Umsetzung der Pläne, um daraus politisches Kapital für den Wahlkampf
zu schlagen. John Kennedy wurde auf Anordnung Eisenhowers von Allen Dulles über die
Operationspläne informiert, worauf Nixon einen Wutanfall bekam. Nixon weiss, dass er angreifbar
ist, weil er sich an der ganzen Planung aktiv beteiligt. JFK weiss auch von Richard Bissell und John M.
Patterson, der als Gouverneur von Alabama der CIA die Alabama Air National Guard für das Training
der Exilkubanerpiloten in Nicaragua zur Verfügung stellt und der JFK persönlich mit Bargeld schmiert,
was in Kuba geplant ist. Kennedy nutzt den Zwang zur Geheimhaltung der Eisenhower-Regierung aus,
indem er Kuba zu einem Hauptthema des Wahlkampfes macht und eine viel aggressivere Politik
gegenüber Castro fordert. Nixon sitzt in der Falle, weil er als Vizepräsident die Politik des
internationalen Rechts vertreten muss und dafür von den Liberalen Beifall erhält. Aufgrund Kennedys
Kritik verhängt die Regierung ein umfassendes Handelsembargo gegen Kuba, worauf JFK sofort noch
strengere Sanktionen fordert.
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Sam Giancana verzögert das Projekt, weil er weiss, dass eine Beseitigung Castros die Position der
Republikaner stärken würde. Er ist plötzlich gegen einen Schützen, sondern will tödliche Pillen
einsetzen, mit der Begründung, dass es für einen Schützen kaum ein Entkommen gäbe. Die
Verschwörer finden einen Beamten, der Gift in Castros Getränk kippen würde: Juan Orta Cordova,
Generaldirektor des Büros des Premierministers und Privatsekretär von Castro. E. Howard Hunt und
James McCord bezahlen über Maheu eine Anzahlung von $10'000 von geplanten $150'000 an den
Castro-Mörder.
Im Herbst rebelliert ein Teil der Armee in Guatemala. Aus Angst, die CIA-Trainingslager könnten
bekannt werden, bombardieren Amerikaner und Exilkubaner mit B-26 Bombern die Aufständischen
am 13.11.60. Tatsächlich erscheinen Berichte in Nation, Washington Post, Wall Street Journal und US
News and World Report über die Trainingslager, weshalb Eisenhower die Aktion erneut verschiebt.
Quellen: Scott (1993): 179, Callahan: 86ff, 97 Hersh: 162, 169-184, 205, Davis (1988): 91-93, 364ff, Weberman (6): 50-70, (7):
18f, 45, (10): 40-49, Pease (1995), Bartholomew: 55, Summers (1989): 579ff, (2000): 188-199, 508, Sylwester: 8-10, Garrison:
76ff, Kangas, Potter, Russel (2000), Best: 35, 53f, Sam Smith: 2, Horowitz: 329-332, Groden/ Livingstone: 324, Anson: 298ff,
Ranelagh/ Treharne, Levin, Lewens/ Wall, Ganser, Tarpley/ Chaitkin: 94, 115f, 147, Karel (2003), Hopsicker.
4.19. November 1960 Kennedys 'Wahl
Frank Sinatra versucht, einen Bericht zu veröffentlichen, der Nixon als Patienten von Dr. Arnold
Hutschnecker enthüllt. Laut Joe Kennedy haben sie ein ganzes Dossier darüber, und zwei Tage vor
der Wahl ruft Jack Anderson der Associated Press beim Psychiater an, um sich nach dem
Geisteszustand des Vizepräsidenten zu erkundigen. Drew Pearson schreibt in seiner Kolumne über
therapeutische Sitzungen, was sofort dementiert wird. Hutschnecker, den Nixon seit 1951
konsultiert, meint später: "Nixon hatte kein ernstzunehmendes psychotisches Krankheitsbild, aber
eine gute Portion neurotischer Symptome." Zumindest gingen seine Symptome so weit, dass er die
demokratische Aktivistin Zita Remley auf der Wahlkampagne von 1952, den Reporter Ted Rogers und
einen weiteren Mann auf der Tour 1956 schlug. Besonders gegenüber Studenten und Journalisten
reagiert der spätere Präsident jähzornig. Seine Frau schlägt Nixon, der auch an Potenzproblemen
leidet, regelmässig. Nachdem sich der Arzt 1955 auf Psychotherapie spezialisierte, traf sich der
depressive Nixon nur noch privat mit ihm, und in der Öffentlichkeit machte er sich lustig über
Psychiatrie, um sich zu schützen. Trotzdem beschreibt ihn der Grossteil seines nächsten Umfeldes,
von Agnew über Haldeman bis Kissinger, als psychisch gestört.
Nachdem mehrere Staaten für Nixon gewählt haben, telefoniert John Kennedy in der Wahlnacht dem
Bürgermeister von Chicago, Richard Daley, der ihn am Telefon beruhigt. Daley verdankt Joe Kennedy
seine eigene Wahl zum Bürgermeister und sicherte ihm die Unterstützung zu. Kennedy gewinnt in
Texas, Michigan, New Jersey, Nevada, New Mexico, Missouri und Illinois nur ganz knapp. Illinois, das
ausschlaggebend für die Wahl ist, gewinnt er mit 8858 Stimmen Vorsprung, und zwar wegen seinem
"unerklärlich" hohen Sieg in Chicago: bei einer Rekordbeteiligung von 89% verzeichnet er einen
Vorsprung von 456'312 Stimmen. Für den Fall, dass JFK Illinois verlieren würde, steht Oscar Wyatt
mit $100'000 in Corpus Christi bereit. Nachdem die ersten knappen Resultate bekannt werden, lässt
sich der reiche Ölhändler und Bankier mitten in der Nacht das Geld besorgen und seinen Privatjet
tanken, um nach Jackson zu fliegen, wo er die Wahlmänner von Mississippi, Alabama und Georgia
bestechen will, was dann aber nicht nötig ist. Offizielles Resultat ist der Wahlsieg Kennedys mit 0.17%
Vorsprung gegenüber Nixon (34'227'096 gegen 34'108'546 Stimmen), das knappste Resultat in der
Geschichte der USA.
In seinem Stammland Texas kann Johnsons Wahlapparat 100'000 Stimmen für Nixon disqualifizieren.
Mit diesen Stimmen hätte Nixon eine Wahlmännerstimme Vorsprung gehabt. Nixons Prestige litt
Seite [160]
schwer, als dank Dick Tuck bei einer Wahlveranstaltung im Chinatown von San Francisco die
Schmiergeldzahlung über $205'000 von Howard Hughes zum Thema wurde. Nixon glaubte
fälschlicherweise, er könnte die Story mit fabrizierten Dokumenten von Robert Maheu als ein
zinsloses Darlehen für seinen Bruder Donald entschärfen. Allein in West-Viginia, wo es für Kennedy
am schwierigsten war, investierte Giancana eine halbe Million für Stimmenzahlungen, weil sonst nur
die katholischen Italiener, Iren und Polen für Kennedy votiert hätten. In den mafiadominierten
Gebieten wie in Chicago, wo Giancana mindestens sechs populationsstarke Wahlbezirke kontrolliert,
wurde die Wahl mit Mehrfachwahlen, Einschüchterung der Wähler, offener Gewalt und Betrug
gewonnen. 10'000 Stimmen für JFK in Illinois kommen aus dem Grab, da sich organisierte Wähler
unter den Namen von Toten registrieren liessen. Auch die Republikaner arbeiteten mit
Undercovermethoden und fälschen: In Texas wurden Wähler anonym angerufen und gefragt, ob sie
wollten, dass der Papst der Boss des Präsidenten sei.
Richard Sennett bezeichnet Wahlkorruption als soziale Inklusion, weil die Annahme des Umschlags
mit einigen Dollars durch den Wähler die Entschädigung für die Anerkennung der Macht der Mafia
symbolisiert. Die Klientelismus-Analyse von S. N. Eisenstadt berücksichtigt weitere Aspekte des
Machtverhältnisses der Begünstigungs- und Loyalitätsverhältnisse von Paten und ihrer Klientel.
Aufgrund des knappen Resultats haben Sam Giancana, Richard Daley und Frank Sinatra das Gefühl,
Kennedy habe nur dank ihnen gewonnen. Daleys langjähriger Freund und Anwalt Abraham Lincoln
Marovitz wird dafür 1963 zum District Court Judge ernannt. Sonst verspricht JFK zwar viel, aber statt
Belohnungen erhalten sie Robert Kennedy, der sich in der McClellan-Kommission als Mafiajäger
profilierte, als Justizminister. Joe Kennedy weiss, wie zentral die Kontrolle des Justizapparates für die
Machtsicherung ist. Die Söhne gehorchen, nachdem Clark Clifford vergeblich versuchte, Joe
beizubringen, dass Bobby diesen Posten gar nicht will. Die totale Kontrolle der Kennedys über
Exekutive und Judikative macht sie faktisch unangreifbar, wie sich in Bezug auf die gestohlene Wahl
zeigt.
In elf Staaten werden Klagen wegen Wahlfälschung erhoben. In Chicago werden zwei Grand Juries
gebildet, die schliesslich nur fünf unwichtige Mitarbeiter der Demokratischen Partei wegen
Stimmenkauf und Wahlfälschung anzeigen. 677 weitere Klagen werden vom zuständigen Richter, der
der demokratischen Partei angehört, abgeblockt. Mit Bobby als Justizminister kann auch Hoover
kontrolliert werden, da das FBI dem Justizministerium untersteht. Es spricht vieles dafür, dass Bobby
über die Wahlunterstützung der Mafia nur ansatzweise im Bild ist. Auch gibt es viele Anhaltspunkte
dafür, dass die Brüder geheime Aktionen ohne das Wissen des anderen durchführten.
Der Vater träumt von einer Kennedy-Dynastie, sieht Bobby 1968 als Nachfolger von Jack, und auch
Teddy soll in die Politik einsteigen. Nixon verzichtet auf Druck von Eisenhower auf eine von der
republikanischen Partei geforderte Wahlnachzählung in Chicago, die ebenfalls die Demokraten
durchgeführt hätten. Nixon ist am Boden zerstört und hasst die Kennedys aufs Blut. Öltycoon Clint
Murchison, der seinen Wahlkampf unterstützte, überlässt Nixon ein Landstück, das er mit Krediten
der Teamster-Pensionskassen kaufte.
Quellen: Obenhause, Hersh: 131-154, Davis (1984): 215-221, Oglesby: 5, Giancana: 287-290, Best: 84, Collier/ Horowitz: 309316, Summers (1993): 276-280, (2000): 210-225, Brown/ Broeske: 363, Sennett: 27, Gregory/ Speriglio: 222, Eisenstadt/
Roniger.
4.20. Dezember 1960 Ermordungen
Noch vor der Inauguration lässt John Kennedy über Judith Campbell Mafiaboss Sam Giancana einen
Umschlag zukommen, in dem es um die Elimination Castros geht. Bis Ende 1961 überbringt Campbell
Seite [161]
mindestens zehn Umschläge für Giancana und Roselli und organisiert zwei weitere Treffen. JFK
beauftragt den CIA-Direktor für heimliche und verdeckte Aktionen, Richard Bissell, mit dem Ausbau
der "Mordabteilung" mit dem Ziel, über eine jederzeit und überall einsetzbare Truppe verfügen zu
können. Damit führt JFK die Politik Eisenhowers nicht nur fort, sondern formalisiert sie sogar. Bissell
trifft JFK in den nächsten drei Monaten 13 Mal und ist sein Favorit als Nachfolger von Dulles.
E. Howard Hunt organisierte die Gründung des Cuban Revolutionary Council (CRC) im Miami, das die
Anti-Castro-Aktivitäten koordinieren und die ständigen Konflikte innerhalb der Exilkubaner lösen soll.
Dem Cuban Revolutionary Front werden $115'000 monatlich bezahlt. Zudem soll Tony Varona, mit
dem Hunt eng zusammenarbeitet, durch José Miro Cardona Ruben ersetzt werden. Castros
ehemaliger Premierminister Cardona kam im Oktober 1960 als politischer Flüchtling in die USA. Zu
seinem Stab gehörte "Reinol" Gonzales, der in Kuba mit Amador Odio verhaftet wird wegen des
Attentatsversuchs am 24.10.61 gegen Castro. Sergio Arcacha Smith, ehemaliger kubanischer
Diplomat unter Prio und Batista, wird Repräsentant des CRC in New Orleans, zu dem auch David
Ferrie gehört. Arcacha studierte mit Castro, wurde von J. Walter Thompson für den OSS rekrutiert,
floh im August 1960 in die USA, wo ihn Tony Varona zum Delegierten des Cuban Revolutionary Front
in New Orleans ernennt. Arcacha ist zudem ein Informant des FBI und des INS. Um Geld in die eigene
Tasche zu bekommen, organisiert Arcacha das Crusade to Free Cuba Committee (CFCC). Marcello
finanziert Arcacha mit $200'000 und bekommt von ihm die Zusicherung, dass eine neue Regierung
auf Kuba ihm Spiellizenzen und die kubanische Staatsbürgerschaft zugestehen würde.
Carlos Bringuier wird Arcachas Pressesekretär. Bringuier war Gerichtssekretär in Havanna und
Delegierter des Directorio Revolucionario Estudiantil (DRE), eine Anti-Batista Organisation an der
Universität von Havanna. Während der Revolution eroberten Mitglieder des DRE für Castro den
Präsidentenpalast. Da das DRE keine Regierungsämter erhält, beginnt die Organisation den
bewaffneten Kampf gegen Castro. Am 4.5.60 floh Bringuier nach Gutemala, und reist dann am 8.2.61
in die USA ein, wo er mit der Cuban Revolutionary Front kooperiert. Das DRE wird von der CIA bis
1966 mit Geld und Waffen versorgt. Eng verbunden mit Hunt ist auch Carlos Prio Socarras, ExPräsident Kubas unter Batista, der nach einer Invasion wieder Präsident werden soll. Prio wurde
zusammen mit Robert McKeown verhaftet wegen Waffenschmuggels mit Jack Ruby. Die Truppen der
Exilkubaner werden in der Nähe von Arcachas Haus auf einer abgelegenen Ranch am Nordufer des
Pontchartrainsees trainiert.
Castro behauptet am 2.1.60, Eisenhower plane, Kuba noch vor seinem Rücktritt anzugreifen, setzt
seine Truppen in Alarmbereitschaft und verlangt die Reduktion der Botschaftsangehörigen in
Havanna auf 11 Beamte, worauf Eisenhower die diplomatischen Beziehungen zu Kuba abbricht.
Kennedy bestätigt ebenfalls den von Eisenhower abgesegneten Plan zur Ermordung des
kongolesischen Ministerpräsidenten Patrice Lumumba. Der Kongo war bis 1908 Privatbesitz von
Leopold II, wobei von 1884 bis zur Übergabe an Belgien die Hälfte der 20 Mio.-Bevölkerung an den
Folgen von Gewaltexzessen, Zwangsarbeit, Hunger und Verschleppung starb. Nach der Erfindung des
Pneus von John Dunlop 1887 explodierte die Nachfrage nach Kautschuk und damit auch die Gewinne
aus dem Kongo. Keine Kolonialmacht hat ihre Domäne so brutal ausgebeutet wie die Belgier. Am
30.6.60 wurde Belgisch-Kongo, das sich noch immer in einem erbärmlichen Zustand befindet, als
Demokratische Republik Kongo unabhängig. Der Chef der Mouvement Nationale Congolais, Patrice
Lumumba, wurde zum Ministerpräsident, Joseph Kasawubu, der Führer der Alliance de Bakongo,
zum Staatsoberhaupt ernannt. Lumumba plante die Verstaatlichung der Bergbauindustrie, was das
ausländische Grosskapital in helle Aufregung versetzte. Eine Woche später begann die immer noch
von Weissen geleitete Armee gegen den schwarzen Ministerpräsidenten zu meutern, und die Provinz
Seite [162]
Katanga erklärte sich unabhängig. Die belgischen Grossunternehmen zahlten ihre Steuern den
Sezessionisten von Katanga und Kasai. Auf Initiative der Regierung beschloss das belgische Parlament
einen Geheimetat von €6,69 Mio. für Destabilisierungsaktionen: Waffenlieferungen und
Vorbereitung des Attentats an Lumumba. Belgien schickte Fallschirmtruppen zur Unterstützung
gegen den linken Premier, der zuerst vergeblich die USA um Hilfe bat. Lumumba forderte und erhielt
daraufhin von der UNO Unterstützung mit Blauhelm-Truppen und akzeptierte Militärhilfe der
Sowjetunion, um die abtrünnige Provinz Katanga unter Belgiens Marionette Moise Kapenda Tshombé
zu sichern, weshalb sich die USA bedroht fühlen. Aus Katanga kommt das Kupfer, aus dem Kongo ein
Grossteil des Kobalts und des Urans, das man für die Atomprogramme des Westens braucht. Zudem
sind Angehörige der US-Regierung am Diamantgeschäft beteiligt.
Von 1959 bis 1963 steigt die Zahl der CIA-Stationen in Afrika um 55%. Einer der CIA-Agenten im
Kongo ist der spätere CIA-Vizedirektor und Verteidigungsminister Frank Carlucci. Die CIA unterstützte
die kongolesischen Politiker Cyrille Adoula und Joseph Désiré Mobutu, den ehemaligen Privatsekretär
Lumumbas, indem sie eigene Söldner in den Kongo brachte und B-26 Bomber gegen die MNC und die
Abako einsetzte. Die CIA arbeitet mit dem belgischen Geheimdienst zusammen, um Lumumba zu
beseitigen. Von CIA-Agent Larry Devlin kam das technische Material, mit dem die belgische Abwehr
unter Louis Marlière Lumumba in seinem Büro abhörte. Devlin erhielt von der CIA-Zentrale $100'000
mit dem Auftrag, Lumumba zu stürzen. Er finanzierte Presseartikel, die Lumumba kritisierten, und
organisierte Protestkundgebungen. $5000 gingen an Mobutu, der damit Offiziere für den Putsch
besticht. Offenbar kam der Befehl für die Ermordung Lumumbas von Eisenhower selbst. Mit der
Operation BARRACUDA sollte Lumumba vergiftet werden. Der CIA-Wissenschaftler Sidney Gottlieb
organisierte einen Giftstoff in einer Zahnpasta, womit Michael Mulroney im November von Paris zum
Chef der Afrika-Abteilung Bronson Tweedy ging. In Léopoldville kümmerte sich der CIA-Agent
Hedgman um die Organisation vor Ort. Christian David (WI/ROGUE), ein staatenloser Bankräuber,
dem die CIA vor dem Einsatz angeblich eine Gesichtsoperation und ein Toupé verpasste, heuerte für
das Todeskommando Michael Mertz (QJ/WIN) an. Dieser ist ein Korse der Marseiller Mafia von
Antoine Guerini, der im Drogenhandel eng mit Santos Trafficante zusammenarbeitet.
Mobutu putschte im September 1960, worauf sich Lumumba in den "Schutz" der UNO-Truppen
begab. Die UNO-Truppen haben nicht die Absicht Lumumba zu schützen, sondern sie stellen sich auf
die Seite der Putschisten und neutralisieren die loyalen Truppen. Durch massiven Stimmenkauf und
Druck wurde die Mehrheit in der UNO für Lumumba gebrochen und der von der UNO mit $1 Mio.
finanzierte Mobutu anerkannt. Lumumba floh daraufhin aus seinem belagerten Haus des
Premierministers in Léopoldville und wollte nach Stanleyville, wo sich eine Gegenregierung gebildet
hat. Er wurde mithilfe von Michael Mulroney von Mobutus Truppen gefangengenommen, nach
Léopoldsville, Thysville und schliesslich Katanga gebracht und nach Folterungen am 17.1.61
zusammen mit Maurice Mpolo und Joseph Okito auf Befehl von belgischen Offizieren erschossen.
Polizeikommissär Gérard Soete zerstückelte die Leiche des Ministerpräsidenten und löste sie mitten
im Wald in einer Badewanne voll Schwefelsäure auf. Gleichzeitig wurde eine fiktive Covergeschichte,
wonach Lumumba von Dorfbewohnern massakriert worden sei, propagiert.
Nach dem Mord an Lumumba reist Che Guevara zwei Monate durch Afrika, um den Freiheitskampf
der Antikolonialisten zu fördern. Die USA unterstützen Mobutu mit verdeckten Militärkommandos
zur Niederschlagung der Guerilla, die sich nach dem Mord unter der Führung von Laurent Kabila in
Kongo-Brazzaville gebildet hat. Che versuchte diese Guerilla auszubilden und kämpfte 1965 einige
Wochen im Kongo. Insgesamt 500'000 kubanische Kämpfer, Ärzte und Techniker werden in den
afrikanischen Befreiungskriegen (etwa Guinea-Bissau, Angola, Südafrika) mitkämpfen. 1965 kann CIAAgent Devlin Mobutu mit entscheidenden Informationen vor einem Gegenputsch bewahren.
Seite [163]
UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld versucht, den Krieg der belgischen, französischen und
deutschen Söldner auf der Seite Tschombés gegen die UNO zu beenden. Nach seinem Amtsantritt
1953 säuberte Hammarskjöld die UNO vom Einfluss der FBI-Agenten, die im Hauptquartier ein- und
ausgingen. Er wollte 1954 auch den Sicherheitsrat der UNO wegen Guatemala einschalten, was die
USA verhindern konnten. Als er in die abtrünnige Provinz Katanga fliegt, um ein Friedensabkommen
auszuhandeln, wird er umgebracht. Sein Flugzeug wird am 17.9.61 durch eine Bombe im Fahrwerk
zum Absturz gebracht, mit Beteiligung der CIA und des britischen MI-5. Vermutlich wurde die
Explosion über Funk von einem dem Flugzeug folgenden Jäger der belgischen Söldner in Katanga
ausgelöst. Offiziell beginnt die Suche nach dem Flugzeug erst 10 Stunden später, aber als es gefunden
wird, weisen etliche Opfer Schussverletzungen auf. Soldaten waren kurz nach dem Absturz am Ort,
um sicherzustellen, dass alle tot sind.
Mobutu stürzt Tshombé im November 1965 und verwandelt 1971 das föderative Kongo in das
zentralistische Zaire, das er mit wohlwollender Billigung und üppiger Gewinnbeteiligung des Westens
bis 1997 gnadenlos ausbeutet. Mithilfe der CIA, des US-Aussenministeriums, der American Mineral
Fields und der Chevron, wofür die Firma Ölförderrechte erhält, erobert Laurant-Désiré Kabila 1997
die Macht, wirft die belgischen, südafrikanischen und französischen Unternehmen aus dem Land, um
die amerikanischen und englischen hereinzuholen, und führt die Politik der persönlichen
Bereicherung seines Vorgängers fort. 190'000 ruandische Flüchtlinge werden in einem Rachefeldzug
von Oktober 1996 bis Mai 1997 von Kabilas Truppen umgebracht. Den UNO-Truppen zur
Überwachung der Einhaltung des Lusaka-Friedensabkommens von 1998 verweigert Kabila die
Einreise. Gegen den Willen der USA verbündet sich Kabila mit dem militärisch starken Simbabwe, das
als Gegenleistung für die Soldaten Schürfrechte und Firmenbeteiligungen erhält. Bis zur ungeklärten
Ermordung Kabilas im Januar 2001 kommen im ersten afrikanischen Kontinentalkrieg unter
Beteiligung von Angola, Namibia, Simbabwe, Ruanda und Uganda um die Bodenschätze des Kongo
mindestens 1,7 Mio. Kongolesen ums Leben und über 2 Mio. Menschen im Kongo werden
entwurzelt. Sieben Staaten, sieben Rebellenarmeen und Söldner aus Belgien, Südafrika, Serbien und
Nordkorea kämpfen in wechselnden Bündnissen, von der Welt kaum wahrgenommen. Über Nacht
wird ein sogenannter Joseph Kabila, dessen Herkunft mysteriös ist, zum Nachfolger des abtrünnigen
Despoten bestimmt und von Simbabwe und Angola gestützt. Der Krieg läuft trotz
Waffenstillstandsabkommen weiter, mit Massakern, Kindersoldaten und fehlenden
Transportmöglichkeiten, weshalb die Bauern ihre Felder verlassen. Eine örtliche Mafia beherrscht
den Handel mit den Rohstoffen, die den Partnern in Brüssel, Paris, London und Washington geliefert
werden.
Quellen: Weberman (7): 43ff, (11): 18f, (12): 6, Best: 35, Ege (1984): 161-167, Hersh: 193ff, 307ff, Braeckman (2000), (2002),
CIA-Info: 4, 14, 16f, CNPC: 18, Davis (1988): 367, Ledeen: 52f, Ranelagh/ Treharne: 2, Obenhause, Minow, Faes: 11, Giefer
(2001), Grill: 8f, Smith: 7, Amara, Karel (2003), Devlin, El-Tahrim.
Seite [164]
5.
Teil (1961)
Dieser Teil der Chronik behandelt das erste Jahr der Präsidentschaft Kennedys: die
Aussenpolitik, die Geheimdienste, die Mafia und die Frauen.
Zentrale Themen und Personen:
Kennedys Kabinett und Robert Kennedys Kampf gegen das Organisierte Verbrechen , Medien und Frauen, Krieg in Vietnam
und Laos: Special Forces, Agent Orange, Putsch gegen Souvanna Phouma, Opium, Kuba, Invasionspläne, CastroMordversuche, Schweinebucht-Invasion, Marcellos Ausschaffung und Todesdrohungen, Ermordung von Rafael Trujillo,
Dominikanische Republik, Charles de Gaulle, Nikita Chruschtschow, Georgi N. Bolschakow, Berliner Mauer,, Sex and Drugs,
Judith Campbell, Mary Pinchot Meyer, Philipp Graham, Timothy Leary und Studentenbewegung, Marilyn Monroe, USGeheimdienste CIA, DIA, NSA, Sturz von Cheddi Jagan in Britisch-Guyana , Rassenprobleme, Kennedys Konfrontationspolitik.
5.1. Januar 1961 Kennedys Kabinett
In seiner Inaugurationsrede am 20.1.61 gibt sich John F. Kennedy als knallharter Kalter Krieger. Mit
keinem Wort erwähnt er die Innenpolitik, die ihn auch nicht interessiert, weil er sich in der
Aussenpolitik als Sieger profilieren will. Nach seiner Überzeugung gehen grosse Männer und grosse
Taten aus grossen Krisen hervor. Er versteht Geschichte als Bühne, auf der sich der Held inszenieren
und behaupten muss. Auch wenn seine Strategie scheitert wie bei der Schweinebucht-Invasion,
bleibt er bei der Politik der Herausforderung und der permanenten Krisengeneration. Die
entscheidenden Themen seines Lebens und seiner Politik sind Gefahr, Krise, Kampf und
Opferbereitschaft, und der Vergleich seiner New Frontier-Politik mit dem Wilden Westen, der bald
mit Indochina assoziiert wird, ist bezeichnend. Kennedy wird in der Presse als Pragmatiker
charakterisiert, bei dem der Drang zur Macht gekoppelt ist mit der Angst vor dem Versagen. Zudem
hat er die Tendenz, Probleme und wichtige Fragen auf sich persönlich zu beziehen und, als Kehrseite
der Medaille, seine persönlichen und institutionellen Einflussmöglichkeiten zu überschätzen.
Verglichen mit Eisenhower sind seine Interpretationen der sozialen und nationalen Konflikte viel
differenzierter, kommen aber aufgrund des permanenten Macht- und Wahlkampfes während seiner
Präsidentschaft nicht zum Tragen. Die Inszenierung der Macht betrifft auch das Weisse Haus, wo
Jackie mithilfe von engagierten Künstlern eine glänzende Repräsentationsstätte aufbaut. Abgesegnet
von Giancana organisiert Frank Sinatra in zwei Monaten harter Arbeit die pompöseste und mit über
$1 Mio. auch teuerste aller Galafeiern, die zur Inauguration stattfinden und zum Teil im Fernsehen
direkt übertragen werden.
Kennedy kümmerte sich erst sehr spät um seine Regierungsbildung, da der Wahlkampf weitgehend
vom Vater bezahlt wurde und er wenige Ämterversprechen eingehen musste. Er bittet Skull and
Bones-Mitglied Robert Lovett um eine Liste mit Vorschlägen für sein Kabinett, die Hardliner wie Dean
Rusk, Robert McNamara, Henry Cabot Lodge, McGeorge und William Bundy enthält. Die mangelnde
Wählerbasis versucht Kennedy zu lösen, indem er die Opposition in die Administration einbindet,
indem er viele Schlüsselposten im Kabinett mit jungen Republikanern besetzt: Finanzminister wird C.
Douglas Dillon, Verteidigungsminister Robert McNamara, Sonderberater für Nationale Sicherheit
Frederick McGeorge Bundy und stellvertretender Justizminister Nicholas Katzenbach. Allen W. Dulles
bleibt CIA-Direktor, obwohl ihm Kennedy nicht traut.
Aussenminister wird der Demokrat Dean Rusk, der als schwache Figur im Hintergrund bleibt und JFK
die Show auf der Weltbühne nicht streitig macht. Noch jünger sind die beiden gut 30jährigen
Redenschreiber Theodore Sorenson und Richard Goodwin, die mit Pressesekretär und
Frauenorganisator Pierre Salinger, John Kenneth Galbraith, Walt Whitman Rostow und Arthur M.
Schlesinger zum "Braintrust" gehören. Zur "irischen Mafia" gehören die persönlichen Berater
Seite [165]
Kenneth O'Donnell, Lawrence O'Brien und Dave Powers. Zu den "New Frontiers" gehören auch der
stellvertretende Justizminister Byron White, sein Assistent Burke Marshall und George W. Ball, der
Nachfolger von Unterstaatssekretär Chester Bowles. Kennedy findet die älteren Mitarbeiter wie
UNO-Botschafter Adlai Stevenson, Bowles und Vizepräsident Lyndon Johnson meist langweilig und
behandelt sie herablassend.
FBI-Direktor J. Edgar Hoover, den JFK übernehmen muss, weiss, dass die Wahl nicht nur in Illinois und
Texas gefälscht wurde, sondern auch in New Jersey und Missouri. Ein FBI-Bericht über den
Wahlbetrug von Chicago wird kurz nach dem Regierungswechsel dem Justizministerium
weitergeleitet, auf den Robert Kennedy natürlich nicht reagiert, da nur der Justizminister rechtliche
Schritte wegen den Wahlen veranlassen kann.
Die Wahl des Bruders zum Justizminister irritiert Mafiaboss Sam Giancana, der Frank Sinatra, Murray
Humphreys, John Roselli, Lewis McWillie und Richard Daley zur Abklärung schickt. Trotz der
Loyalitätsbezeugungen des Vaters und des Präsidenten erklärt Bobby den Kampf gegen das
Organisierte Verbrechen zur obersten Priorität. Robert Kennedy stellt eine Liste der 30 mächtigsten
Bosse zusammen und bereitet mit dem FBI, dem FBN, dem INS und dem IRS eine Attacke vor. Carlos
Marcello, Sam Giancana, Santos Trafficante, Frankie Carbo und Tony Corallo von der LuccheseFamilie, der Los Angeles-Boss Mickey Cohen, Mike Coppola von Detroit, Angelo Bruno von
Philadelphia, James Plumeri aus New York und Teamsterpräsident Jimmy Hoffa stehen auf der Liste.
Bobbys Kampf gegen das Organisierte Verbrechen hat neben der Publizität eine wichtige
parteipolitische Komponente: mafiainfiltrierte Parteimaschinen wie New Orleans und Texas, die
Lyndon B. Johnson favorisierten, sollen geschwächt werden. Die Aushebelung von Marcello und
Hoffa zielt darauf ab, Johnsons Position zu destabilisieren, da er als Vizepräsident für die Nachfolge
von John prädestiniert ist. Da neben Johnson auch Nixon von Marcello und Hoffa bezahlt wird, ist die
Eliminierung von Marcello und Hoffa für die Sicherung der Herrschaft der Kennedys zentral.
Hoover verbietet seinen Agenten, dem Justizministerium gegen die Mafia behilflich zu sein.
Allerdings kann auch Hoover nicht nichts tun: er lässt verschiedene Mafiosi auf Bobbys Befehl
beschatten. John Kennedy beginnt jedoch, Giancana vertrauliche FBI-Kopien über Judy Campbell
zuzustellen. Diese regelmässig überbrachten Dokumente zeigen Giancana, dass das FBI ihn ständig
überwacht. JFK lässt Giancana allerdings nur diejenigen Berichte Hoovers zukommen, in denen die
Mikrofonüberwachung nicht erwähnt wird. Die Kenntnisse des FBI sind so präzis, dass Giancana klar
wird, dass zumindest ein Informant sich in seiner Organisation befinden muss. Im Mai 1961 lässt
Giancana den Informanten William Jackson durch Fifi Buccieri umbringen. An einem Fleischerhaken
aufgegabelt wird er während 48 Stunden grausamst gefoltert, und der Horror wird zur Abschreckung
fotografiert. Die verstümmelte Leiche wird in einem Autokofferraum gefunden.
Harry Anslinger von der Drogenbehörde zeigt sich ein bisschen kooperativer als Hoover. Aber
wirkliche Unterstützung erhält Bobby nur von der Steuerbehörde, die aufgrund mangelnder
Einkommenssteuern relativ einfach Illegalität nachweisen kann, und vor der Einwohnerkontrolle. Im
Gegensatz zur bisherigen Praxis von FBI, FBN und IRS, die hochstehende "Informanten" laufen liessen
und dafür Kleinkriminelle verhafteten, will Bobby nun Basisinformanten nutzen, um an die grosse
Tiere wie Jimmy Hoffa heranzukommen. Das FBI muss 25 Agenten einsetzen, um Hoffa permanent zu
überwachen, die von einem zentralen Funkkommandoposten gesteuert werden. Bernhard Spindel,
über den Hoffa seine Untergebenen bei den Teamsters abhören liess, kann diesen FBI-Funkverkehr
abhören. Hoffa verlässt sich nicht auf die Zusicherungen des Wahlkampfes und die Abhörungen. Er
kann Senator Edward V. Long mit einer Anzahlung von $48'000 über Morris Shenker dazu bringen,
Robert Kennedy wegen Verletzung der Bürgerfreiheiten bei den Überwachungen unter die Lupe zu
Seite [166]
nehmen. Long wird 1963 Vorsitzender des Subcommittee on Administrative Practice and Procedure
und stellt Bernard Fensterwald als Hauptanwalt ein. Fensterwald promovierte an der Georgetown
University School of Advanced International Studies, einer CIA-Front, und arbeitet 1961 für Senator
Estes Kefauver, dessen Senate Antitrust and Monopoly Subcommittee Drogengeschäfte untersucht.
Kefauver feuert Fensterwald 1963, der dann zu Long wechselt, weil er einen von Kennedy
versprochenen Botschafterposten nicht bekommt.
Quellen: Posener: 91-116, Davis (1984): 225-243, Hersh: 153, Horowitz: 331, Weberman (25): 17-19, Olgiatti, Summers (1993):
230-240, 282-287, Gregory/ Speriglio: 221, Collier/ Horowitz: 316-325, Karel (1), Lewens/ Wall, Tarpley/ Chaitkin: 243.
5.2. Januar 1961 Medien und Frauen
Joe Kennedy lässt sich praktisch nie im Weissen Haus blicken. Aber die Kennedys haben eine
Standleitung gepachtet, die Joes Büro in New York direkt mit dem Oval Office, einem privaten
Nebenraum und dem Wohntrakt des Weissen Hauses verbindet. Der Vater bestimmt nicht nur die
Zusammensetzung des Kabinetts, sondern auch die Politik, wobei er sich insbesondere um die
Wirtschaftspolitik kümmert. Die Kennedys haben das Gefühl, sie könnten ihre eigenen Regeln
schaffen.
John Kennedy überschätzt sich und seine Macht masslos und blüht auf in seiner Rolle als Medienstar.
Die Medien erhalten grosse Aufmerksamkeit und berichten oft enthusiastisch vom idealen
Familienleben im Weissen Haus. Mithilfe der Kinder kann Jack seinen Ruf und seine Playboy-Allüren
kompensieren und sich als Vater, auch der Nation, präsentieren. Auch Jackie hat nichts gegen die
Verwertung ihrer Kinder für Publicity-Zwecke einzuwenden, solange sie die Kontrolle über das
veröffentlichte Material behält. Erzogen werden Caroline und John jr. fast ausschliesslich vom
Kindermädchen Maude Shaw, das nicht fotografiert werden darf. Das englische Kindermädchen muss
den Kindern selbst die Nachricht vom Tod ihres Vaters überbringen. Bewusst kultivieren die
Kennedys das Image eines lockeren Familienlebens, das, neben dem Reichtum, den amerikanischen
Traum von Familienglück darstellt. Zudem gibt er im Schnitt alle zwei Wochen als erster Präsident
vom Fernsehen übertragene Pressekonferenzen.
Allerdings stimmt das in der Öffentlichkeit verbreitete Bild des hartarbeitenden Präsidenten und
aufmerksamen Ehemanns und Familienvaters in keiner Weise mit dem überein, was im Weissen
Haus, wenn die First Lady nicht da ist, und auf den Reisen mit Frauen läuft. Während den
Inaugurationsfeierlichkeiten verführt Jack die Schauspielerin Angie Dickinson, mit der er seit kurzem
ein Verhältnis hat, das bis im Mai 1962 dauert, obwohl Dickinson tabletten- und alkoholsüchtig ist
und zeitweise in die Klinik muss. Als man sie fragt, wie es gewesen sei, mit dem Präsidenten der USA
Sex zu haben, erwidert sie trocken: "Es waren die aufregendsten sieben Minuten meines Lebens." Ein
Pilot von Lockheed verwanzt ein Flugzeug, das mit einem Bett ausgestattet ist und von JFK und
Dickinson benutzt wird, und versucht danach, vom Präsidenten eine grosse Summe zu erpressen. Das
FBI bricht in die Wohnung des Piloten ein, und das Tonband landet schliesslich bei Hoover.
Dave Powers Hauptbeschäftigung besteht darin, für den Präsidenten Prostituierte und HollywoodStarletts aufzutreiben, Treffen zu organisieren oder sie ins Weisse Haus zu bringen. Nachher muss er
ihnen eintrichtern, dass nichts an die Öffentlichkeit dringen darf. Obwohl ihm Prostituierte eigentlich
am liebsten sind, sieht Jack einige Frauen auch über längere Zeit. Zum Beispiel stellt er die beiden
Wahlkampfmitarbeiterinnen "Fiddle" und "Faddle" im Weissen Haus ein, um sich über Mittag im
Swimming Pool oder im Privatgemach mit ihnen zu vergnügen. Bobby und Teddy sind manchmal im
Swimming Pool dabei, wenn der Präsident sich mit Frauen, meistens zwei gleichzeitig, entspannt. Der
Secret Service hat kein Recht, die von Powers mitgebrachten Frauen zu überprüfen, was angesichts
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Kennedys konfliktreicher Aussen- und Innenpolitik ein gefährliches Spiel ist. Dafür gehört es zu den
Aufgaben der Agenten, JFK zu warnen, wenn seine Frau zurückkommt.
Jackie toleriert, was sie für ein normales männliches Verhalten hält, wie sie es bei ihrem Vater
erlebte, und verlangt lediglich Diskretion. Wenn er diese Forderung verletzt, entzieht sie sich und
zwingt ihn, indem sie sich mit anderen Männern in der Öffentlichkeit zeigt, sich an die Regel zu
halten. Als sie einmal einen Slip findet, sagt sie ihm, er solle sich darum kümmern, wem er gehöre.
Das sei nicht ihre Grösse. Jackie leidet aber zeitweise an so starken Depressionen, dass sie sich einer
Elektroschocktherapie unterzieht, eine Geheimnis, das selbst vor der Familie gehütet wird. Pamela
Turnure, die mit JFK ein Verhältnis während seiner Senatszeit hatte, wird Jackies Pressesekretärin.
Jack hat sein Verhalten ebenfalls von seinem Vater gelernt. Joe Kennedy vergnügt sich ohne jede
Scham mit anderen Frauen, selbst zuhause, wenn sich Rose um den Besuch kümmert. Insgesamt hat
JFK während seiner kurzen Präsidentschaft, abgesehen von den Prostituierten, Verhältnisse mit
mindestens 32 Frauen. Da Hoover auch das Privatleben der Politiker bespitzeln lässt, hat er genügend
Erpressungsmaterial in der Hand, um nicht von JFK entlassen werden zu können. Aber nicht nur
Hoover, auch die Mafia überwacht die sexuellen Abenteuer der Kennedys, um mit diesen
Informationen Druck auszuüben. Die Beeinflussung der Politik mittels sexueller Erpressung ist in
Washington normal. Immer wieder werden Kongressabgeordnete und Verwaltungsbeamte von
mafiafinanzierten Call Girls verführt und dabei mittels Wanzen festgenagelt.
Bobby Bakers Freund Fred Black unterhält dazu eine Hotelsuite im Sheraton-Carlton in Washington
und benutzt den Call Girl-Service von Heidi Rikan, der im Watergate-Skandal auftaucht und sich nur
ein paar Schritte vom Hauptsitz des Democratic National Committee befindet. Fred Black ist Lobbyist
der North American Aircraft, Freund von Johnny Roselli und Geschäftspartner von Clifford Jones,
Louis Weiner und Benny Seigelbaum bei der Waikiki Savings & Loan Association in Honolulu und der
Farmers and Merchants State Bank in Tulsa. Black erpresst 1966 Hoover mit der Drohung,
Hintergründe zum Kennedyattentat zu enthüllen, damit sein Prozess wegen Steuerhinterziehung
beim Supreme Court unterdrückt wird. 1961 gründen Bobby Baker und Fred Black die
Verkaufsmaschinenfirma Serv-U Corp., wobei die anderen Partner 16 Mal mehr für eine Aktie
bezahlen als die beiden. 1963 kauft die Serv-U mit Präsident Grant Stockdale Bakers bankrottes
Carousel Motel in Ocean City für $1 Mio. auf. McWillie, Baker und Jones sind in viele gemeinsame
Transaktionen verwickelt, zum Beispiel bei der Greatamerica-Holding mit Abe Fortas, der für Johnson
arbeitet und Bakers Anwalt ist.
JFK wird seit 1960 von Dr. Max Jacobson mit Drogen oder Aufputschmitteln versorgt, welche er sich
zum Teil alle sechs Stunden spritzt. Besonders in Krisensituationen greift JFK auf die Hilfe von "Dr.
Feelgood" zurück, der den Präsidenten auf verschiedenen wichtigen Reisen begleitet und im Logbuch
des Weissen Hauses als regelmässiger Besucher verzeichnet ist. Da der Secret Service nicht nur die
sexuellen Exzesse des Präsidenten kennt, sondern auch seinen Drogenkonsum, machen sich die
Agenten Sorgen über die nationale Sicherheit, da der Präsident über die Befehlsgewalt der
Atombomben verfügt. 1968 wird gegen Jacobson wegen Verdachts auf Missbrauch von
Amphetaminen eine Untersuchung eingeleitet und 1975 wird ihm die Praxiserlaubnis entzogen.
Kennedys Verhalten beeinflusst die Agenten und Mitarbeiter des Weissen Hauses, so dass Alkoholund Sexexzesse normal werden. JFK ist dabei so unbekümmert, dass es 1963 nur noch eine Frage der
Zeit ist, bis es zu einem Skandal kommt.
Zehn Tage nach der Inauguration berichtet das italienische Magazin Le Ore über Jacks Beziehung im
Jahre 1951 mit Alicia Darr, die den Interviewern erzählte, sie könnte jetzt First Lady sein. Angeblich
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seien die beiden verlobt gewesen und hätten geheiratet, wenn nicht sein Vater wegen ihrer
halbjüdischen Herkunft eingeschritten wäre. Eigentlich heisst sie Barbara Maria Kopszynska und war
eine hochbezahlte Prostituierte in Boston, als sie JFK 1951 kennenlernte. 1952 war sie in den New
Yorker Jelke-Sex-Skandal verwickelt, und 1953 leitete sie einen Call-Girl-Service in New York. 1957
änderte sie ihren Namen und heiratete den Schauspieler Edmund Purdom, mit dem sie nach Rom
zog. Nach der Scheidung 1959 hat sie Finanzprobleme und musste wegen ungedeckten Schecks kurz
ins Gefängnis. JFK wird im April 1960 von Bobby Baker informiert, Darr könnte über den Anwalt
Mickey Weiner versuchen, die Kennedys zu erpressen, da sie Johnsons Leuten versprochen habe, sie
würde für $150'000 ihre Story in einer Zeugenaussage bestätigen. Clark M. Clifford und James
McInerney kümmern sich um den explosiven Fall. Darr heiratet dann 1961 den Millionär Alfred
Corning Clark, wird aber im Sommer 1963 erneut zum Thema, als Hoover RFK warnt, Kennedys Name
könne in Zusammenhang mit einem Disziplinarprozess gegen Darrs Anwälte Simon Metrik und Jacob
W. Friedman auftauchen, wobei es Belege gebe, das Darr von JFK geschwängert worden sei. Purdom
habe sie deswegen geheiratet und Hoover erhält Informationen, die Kennedy-Familie habe Darr
$500'000 Schweigegeld bezahlt. Trotzdem hat JFK auch während seiner Präsidentschaft nochmals
eine Affäre mit ihr.
Am 22.11.61 wird Jack Worthington als uneheliches Kind einer Texanerin geboren, die JFK von
Johnson vorgestellt wurde. Worthington will 2008 einen DNA-Test durchführen, um sicher zu sein,
dass Kennedy sein Vater ist. Auch andere Affären werden erst viel später publik, wie diejenige mit
der 19jährigen Praktikantin Mimi Breadsley Alford, die 2011 über das einjährige Verhältnis ein Buch
schreibt.
Quellen: Davis (1988): 240, Torbitt: 13f, Summers (1993): 280f, 294f, Obenhause, Posener: 56, 119-129, Hersh: 111-120, 222246, Best: 15f, 19, Amara, Gregory/ Speriglio: 264.
5.3. Februar 1961 Vietnam und Laos
Walter W. Rostow und General Maxwell D. Taylor legen ihren wie immer tendenziösen Bericht zur
Lage in Vietnam vor. Seit 1958 schlagen die von Ngo Dinh Diem verfolgten Oppositionellen zurück,
und im Dezember 1960 gründeten Angehörige des alten Widerstandes gegen die japanische
Okkupation die Nationale Befreiungsfront, die vorwiegend aus Nichtkommunisten besteht, in
Südvietnam. Da sich die militärische Lage Diems aufgrund der Erfolge der NLF verschlechtert, raten
Rostow und Taylor, das Engagement in Südvietnam zu verstärken, was den Krieg eskalieren lässt.
Diem ist gegen Vizepräsident Johnsons Vorschlag, US-Truppen einzusetzen, weil dies den
Nationalisten Auftrieb geben würde. Deshalb werden US-Army Special Forces als "Militärberater"
nach Vietnam geschickt, und Kennedy weist die CIA am 11.5.61 an, heimliche Attacken gegen die
Infrastruktureinrichtungen Nordvietnams zu führen. Bereits 1961 kommt es zu Überfällen von
südvietnamesischen Truppen unter Leitung von US-Truppen auf nordvietnamesisches Gebiet.
Howard Burris, Assistent für nationale Sicherheitsangelegenheiten und Geheimdienstoffizier der Air
Force, steht am Ende eines Informationskanals, der mit der CIA und der NATO verknüpft ist und
beinhaltet, dass sein Freund Lyndon Johnson die richtigen Zahlen und Statistiken erfährt, während
der Präsident und der Verteidigungsminister über Vietnam falsch informiert werden. Burris war unter
anderem in Mexiko bei einer Spezialmission für die dortige Regierung tätig und vermutlich der
zuständige Offizier für Yuri Nosenko, der 1964 behauptet, Oswald hätte für die Russen gearbeitet, als
er in der Schweiz Botschaftsattaché war. Auch Rostow, Sekretär der Economic Commission for
Europe, und Allen Dulles, Europa-Verantwortlicher des OSS von 1942-45, lebten in der Schweiz.
Barbara Burris unterstützt die Cuban American National Foundation von José S. Sorzano und die
Brigade 2506 von Jorge L. Mas Canosa.
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Howard Burris ist mit George Brown, der seine Brown Foundation und Texas Eastern Transmission
für die CIA einsetzt, befreundet. Brown unterstützt Johnson und verkehrt mit Nelson Rockefeller,
George DeMohrenschildt und William Hobby. Auch die Hobby Foundation, die mit der Robert R.
Mullen Agency verknüpft ist, ist ein CIA-Kanal. Oveta Culp Hobby sitzt im Cuban Freedom Committee,
das von Dr. Alton Ochsner unterstützt wird.
Ochsner ist der Leiter des Latin America Reports, der vom CIA-Agenten William G. Gaudet
herausgegeben wird. Im CFC sitzt auch Peter O'Donnell, Präsident der Karl Hoblitzelle's Foundation
und Mitglied der rechtsextremen National Advisory Council of Young American's for Freedom. Zum
NAC-YAF gehört JBS-Mitglied und Naval Intelligence Offizier Robert Morris, der als Anwalt General
Edwin Walker und H. L. Hunt verteidigt. Das Young American's for Freedom wurde im September
1960 von William F. Buckley, Jr gegründet und zählt General Charles Willoughby zu seinen
Mitgliedern. Für Willoughby und seine rechtsextremen Verbündeten sind nicht die Marxisten der
eigentliche Feind, sondern die Liberalen.
Nachdem John Kennedy auf Empfehlung von Frederick McGeorge Bundy und Walt Rostow am 11.2.
das Operations Coordination Board des National Security Council abgeschafft hat, fehlt ein
geeignetes Instrument zur Krisenbewältigung. Rostow und Bundy sind eine der Triebfedern des
Rüstungswettlaufs und drängen auf ein militärisches Eingreifen sowohl in Kuba wie auch in Laos und
Vietnam. Rostow und Bundy sind nicht so loyal, wie JFK glaubt. McGeorge Bundy arbeitet seit
spätestens 1949 für die CIA, steht auf der Linie von Johnson, dessen Sicherheitsberater er bis 1966
bleibt, bevor er Chef der Ford Foundation (1966-79) und Sekretär des Council on Foreign Relations
wird. Sein Bruder William Bundy trat 1951 der CIA bei, arbeitet im Pentagon und im
Aussenministerium und gibt das "Foreign Affairs" des Council on Foreign Relations von 1972 bis 1984
heraus. Beide gehören wie schon ihr Vater Harvey Hollister Bundy, der für Henry L. Stimson und
Robert Lovett arbeitete, zur Geheimgesellschaft Skull and Bones.
Am 29. April bewilligt JFK die Entsendung von 400 Kämpfern der Special Forces nach Südvietnam. Die
Special Forces wurden als bewaffnete Kommandotruppen bereits 1952 für die Unterstützung von
Partisanenkriegen und den Sturz von den USA feindlich gesinnten Regierungen von Truman
gegründet. 1962 bestehen die Special Forces aus 9000 Soldaten, später aus 20'000, die in Einheiten
von 1500 Mann für genau vorgegebene Einsatzgebiete trainiert werden. Deshalb stammen viele der
Soldaten aus diesen Gebieten, wobei etwa ein Viertel aus dem Ostblock kommt, was ein Indiz für den
Aufbau von Partisanenbewegungen im Einflussgebiet der Sowjetunion ist. Ein Kommando besteht
aus 12 Mann, darunter Spezialisten für Sprengstoffe, Waffen, psychologische Kriegsführung, Funker
und Sanitäter, die Partisanengruppen von jeweils 1000 Mann ausbilden und führen sollen. In der
äusserst harten Ausbildung müssen die Special Forces lernen, in fremden Ländern ohne Hilfe zu
überleben, auf 124 Arten einen Menschen möglichst lautlos zu töten und zu foltern. Zuerst wurden
sie in Korea und ab 1960 vor allem in Vietnam eingesetzt, wo sie, bald auf 3000 Mann verstärkt,
unter den Bergvölkern 50'000 Kämpfer rekrutieren.
General Maxwell Taylor empfiehlt nach einem Besuch Vietnams im Oktober 1961 wie die anderen
Berater den offenen Krieg. JFK widersetzt sich der Truppenentsendung, aber er erhöht die Zahl der
"Militärberater" von 2000 auf 15'500 Mann, die mithilfe der angeworbenen Vietnamesen
Terroraktionen durchführen, um die Befreiungsbewegung zu zerschlagen. Im November 1961 segnet
Kennedy die Operationen TRAIL DUST und RANCH HAND ab, die den Einsatz von Herbiziden
erlauben, um die Wälder zu entlauben, die dem Vietcong als Deckung dienen. Von 1961 bis 1971
werden um die 90 Mio. Liter Chemikalien wie Agent Orange abgeworfen, wovon 80 Mio. das
hochgiftige Dioxin enthalten, das Fehlgeburten, Missbildungen und Krebs hervorruft.
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Zwei komplette Helikopter-Kompanien werden bis Ende 1961 nach Südvietnam geschickt. Bereits
1962 gibt es die ersten Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg an der Uni von Berkeley. Der
Krieg wird bis zum Eintreffen der Marines 1964 von der CIA geleitet, wozu William Colby, der 1973
zum CIA-Direktor ernannt wird, offiziell als stellvertretender Botschafter in Vietnam stationiert wird.
Colby studierte Jura in Princeton, war im 2. Weltkrieg Kommandant bei den Fallschirmtruppen in
Frankreich und Norwegen und begann seine Karriere als OSS-Agent im nazibesetzten Frankreich.
Nach drei Jahren Anwaltstätigkeit rekrutierte ihn die CIA und setzte ihn 1951 als politischen
Botschafter in Stockholm und 1953 in Rom ein, wo er mit Claire Booth Luce $7 Mio. in die
antikommunistischen Parteien investierte. Er arbeitete sich in der CIA zum Chef der Fernostabteilung
hinauf. Seine Hauptarbeit in Vietnam besteht im Aufbau von Polizeitruppen und paramilitärischen
Einheiten sowie deren Einsatzkoordination gegen die vietnamesische NLF. Colby organisiert die
Operation PHEONIX, wobei vietnamesische Zivilisten von Todesschwadronen umgebracht werden,
wenn eine Verbindung zum Vietcong vermutet wird. Den tausenden gefolterten und dann
umgebrachten Opfern wird zur Abschreckung ein Pik-As in den Mund geschoben. Diem wurde bisher
mit $2 Mia. unterstützt, wobei ein Grossteil der Gelder in der korrupten Verwaltung und auf den
ausländischen Konten der Diem-Familie versickerte.
In Laos kommt es 1961 zu einem von der CIA inszenierten rechtsgerichteten Putsch gegen die neutral
eingestellte Regierung von Souvanna Phouma, der Kommunisten an der Regierung beteiligte.
Phouma muss das Land verlassen, und der radikale Antikommunist Prinz Boun Oum wird neuer
Premier, worauf der Bürgerkrieg ausbricht. Die kommunistische Pathet Lao hatte bereits gegen die
Franzosen gekämpft und über die Hälfte des Staatsgebiets erobert. Nach der Niederlage in Vietnam
1954 musste sich Frankreich auch aus Laos und Kambodscha zurückziehen, worauf die Amerikaner
das Zepter zu übernehmen versuchten. An der Genfer Konferenz von 1954 wurden Laos und
Kambodscha als neutrale, souveräne konstitutionelle Monarchien anerkannt. Während das offizielle
Washington die neutrale Regierung in Laos unterstützt, finanziert die CIA die konservative Fraktion.
Zur Verstärkung der Antikommunisten bildet die CIA seit Ende der 50er Jahre die Hmong/Meo/Miao
zu paramilitärischen Kriegern aus und versorgt sie mit Waffen. Gegen den ausdrücklichen Willen des
US-Senats beginnt die CIA einen Geheimkrieg in Laos, an dem seit 1960 auch 400 amerikanische
Special Forces Truppen beteiligt sind. 1961 heuert CIA-Agent Bill Lair Oberst Vang Pao an, der bereits
für die Franzosen arbeitete. Dieser rekrutiert rund 9000 Männer der 400'000 Hmong-Minderheit zu
Kampfzwecken gegen die Vietnamesen und die Pathet Lao, da sie mit dem Territorium vertraut sind.
Ausgebildet werden die ‚little guys' von thailändischen Elitesoldaten, damit der Einfluss der CIA nicht
bekannt wird. Die CIA-Agenten steuern die Geheimarmee von der Udorn Air Force Basis aus, wo die
Bombenziele und die Strategien der psychologischen Kriegsführung festgelegt werden.
Angesichts der Aussichtslosigkeit auf einen Sieg der Rebellenarmee im Bürgerkrieg unterstützt JFK
die Verhandlungen der Genfer Laos-Konferenz. Zwischen Mai 1961 - Juli 1962 schreiben die
Amerikaner die Verfassung neu und anerkennen die Neutralität von Laos, und eine
Koalitionsregierung unter Souvanna Phouma wird eingesetzt. Trotzdem spielt Kennedy ein doppeltes
Spiel. Kaum sind die Unterschriften trocken, beginnt die CIA mit der Aufstellung einer neuen
Rebellenarmee aus 30'000 Hmong-Kämpfern und 17'000 Thai-Söldnern, weil die Nordvietnamesen
ihre 7000 Kämpfer nicht aus Laos abziehen. Während die Amerikaner bis 1965 $545 Mio. ausgeben,
wird die Pathet Lao von Nordvietnam, China und der Sowjetunion unterstützt. Der Konflikt spielt sich
vor allem in der Ebene der Tonkrüge ab, einem strategisch wichtigem Gebiet, wo Pathet Lao und die
Nordvietnamesen versuchen, die Hmong zu vertreiben.
Bereits die zurückkehrenden französischen Kolonialherren rekrutierten nach dem Zweiten Weltkrieg
unter den Hmong Söldnergruppen. 1954 wurden 40'000 Söldner von etwa 400 französischen
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Offizieren befehligt, und schon die Franzosen begannen, diese Truppen aus dem Verkauf des von den
Hmong angebauten Opiums zu finanzieren. Statt der französischen Luftwaffe fliegt nur Air America
das Opium aus. Die von der CIA betriebene Fluggesellschaft fliegt auch Kampfeinsätze gegen die
Befreiungsbewegung, was $20-30 Mio. jährlich kostet und je zur Hälfte über den Etat der
Flüchtlingshilfe und aus den Gewinnen des Drogenhandels bezahlt wird. Vang Paos Söldner zwingen
die Männer zum Waffendienst, weshalb die Reisfelder vernachlässigt werden, was den Umstieg auf
die Opiumproduktion erleichtert. Das Opium wird in die CIA-Station Long Tieng geflogen, wo Vang
Pao sein Hauptquartier hat und eine als Coca-Cola-Fabrik getarnte Heroinraffinerie betreibt.
Die USA unterstützen die Diktatoren Marshal Pibul Songgram, Sarit Thanrat, Praphas Cahrusathien
und Thanom Kittikachron in Thailand, wo sie riesige Luftwaffen-Stützpunkte in Udorn, Takli, Korat
und Ubon unterhalten. 1962 setzen die USA 5000 Marines ein, um die thailändische Regierung gegen
Angriffe der Pathet Lao zu schützen. Nach der Ermordung des linksgerichteten Aussenministers
Pholsena 1963 verschärft sich der Bürgerkrieg erneut, worauf die CIA weitere 20'000 Hmong
rekrutiert. Alles in allem kämpfen etwa 30'000 Hmong auf der Seite der USA. Sie erhalten
Unterstützung aus der Luft, was eine neue Art der Kriegsführung bedeutet, die fast ohne
Bodentruppen auskommt. Geflogen werden bis 400 Bombenangriffe pro Tag von der geheimen CIABasis in Long Cheng in der Provinz Xieng Khouang aus. Die Zielkoordinaten stammen in der Regel von
Vang Pao, dessen Söldner die Informationen mittels Elektroschocks aus den Gefangenen
herausholen. Die Bombardierungen bleiben während Jahren geheim und die Flüge als
Entwicklungshilfe getarnt. Bis 1965 bauen die Amerikaner 400 Landebahnen, um den Krieg zu führen.
Quellen: Bartholomew (1): 21ff (2): 1ff, Schulz: 175, 333, Best: 63, 65f, 85, Prouty (1973): 5-7, 400-416, Dehnhardt, Kangas: 3,
Brussell (1983): 7f, 22, CIA-Info: 10,14, Potter: 4, Bird (1998), Ledeen: 53, Hamilton-Paterson (1971): 148, Kappstein, Tarpley/
Chaitkin: 95, Von Dohnanyi (2001h), Eberle (2008), Stormer 2009.
5.4. März 1961 Kuba
Dank sowjetischen Beamten wird die Geheimrede von Nikita Chruschtschow vom 6.1.61 bekannt, in
der er die sowjetische Unterstützung von gerechten nationalen Befreiungskämpfen von den
Kolonialmächten unterstreicht. Die CIA-Nachrichtenorganisation International Communication
Agency verbreitet die Geheimrede mit 34 zusätzlichen erfundenen Abschnitten, in denen China und
Indien angegriffen werden. Auch die "Penkowski-Papers", die Enthüllungen der KGB-Spionage in
Europa sind CIA-Fälschungen. CIA, USIA und Aussenministerium bilden eine Koordinationsstelle, um
nicht selbst Opfer der regelmässigen Falschmeldungen und Desinformationskampagnen der CIA zu
werden. Obwohl der sowjetische Premier mit seiner Rede eine Absage an die atomare Bedrohung
verbindet, fühlt sich JFK bestätigt, den Kalten Krieg in der Dritten Welt fortzusetzen und dazu
berechtigt, radikale Methoden anzuwenden.
Das Programm zur Liquidierung von unliebsamen Politikern wird William K. Harvey unterstellt und
bekommt den Namen ZR/RIFLE. Harvey war zuerst FBI-Agent und kam nach dem Krieg zur CIA. 1951
entlarvte er Harold "Kim" Philby, wobei die Öffentlichkeit von Philby, der sich oft mit Angleton traf,
erst 1963 erfährt, als dieser sich in die Sowjetunion absetzt. Von Harvey stammte die Idee zum Bau
eines Tunnels nach Ostberlin, das der CIA den Zugriff auf ostdeutsche und russische Telefonlinien
ermöglichte. Ende der 50er Jahre wurde Harvey der Chef des D Branch of Foreign Intelligence, der
Elitetruppe für Kommunikation und Codeentschlüsselung. Harvey schaltet Bissells wissenschaftlichen
Assistenten Sidney Gottlieb in das Programm ein. Gottlieb spielte eine zentrale Rolle bei der
Entwicklung der CIA-Mordausrüstung, die Spritzen, Plastikhandschuhe, Schleiermasken und tödliches
Biomaterial umfasst. Im Januar 1961 diskutierte Harvey mit dem Stationschef von Luxemburg, dem
erfahrenen Arnold Silver, die Rekrutierung von Agenten, die töten können ohne zu schwatzen. Trotz
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Top Secret-Level verbreitet sich das Gerücht vom ZR/RIFLE-Projekt. Joe Bonanno, Mafiaboss von New
York City, offeriert Bissell, Castro zu töten.
Die Technical Service Division liefert über O'Connell sechs in kaltem Wasser lösliche Giftpillen, mit
denen Juan Orta Cordova seinen Chef umbringen soll. Kontakte laufen mit Dino und Eddie Cellini,
Meyer Lansky und Sam Giancana, dessen Covername bei der CIA-Aktion Sam Gold lautet. John Roselli
bekommt im Büro von Dick Bissell von Colonel J. C. King, Chef der CIA-Abteilung Westliche
Hemisphäre, $50'000 für den Mörder Castros.
John Kennedy stimmt im März dem Kuba-Invasionsplan zu, der eine selektive und falsche
Situationseinschätzung präsentiert. Im National Security Council sitzen Rockefellers Freunde
Aussenminister Dean Rusk, Finanzminister C. Douglas Dillon, CIA-Chef Allen Dulles, Kennedys
Sonderberater Frederick McGeorge Bundy und A. A. Berle, Jr. Allerdings ändert JFK die
Invasionslandung von einem Platz nahe der Stadt Trinidad zur Schweinebucht, um Zivilistenopfer
auszuschliessen.
E. Howard Hunt ist gegen diese Änderung, weil man in einem solchen Sumpfgebiet den Gegner nicht
lokalisieren kann. Hunt bekommt den Auftrag, eine neue Verfassung für Kuba zu schreiben, was er
als unsinnig ablehnt. Zudem wehrt er sich, dass auch "Linke" in die Nachcastro-Regierung
aufgenommen werden sollen, was er als Castroismus ohne Castro bezeichnet. JFK besteht in der
Einbindung von Manolo Ray in das Cuban Revolutionary Council, weswegen Hunt im April 1961
protestiert und zurücktreten will. Ray wurde aufgrund seiner Untergrundarbeit gegen Batista von
Castro im Februar 1959 zum Minister für öffentliche Arbeit ernannt. Im November 1959 verlor er
diese Position, blieb aber bis im April 1960 mit Castro verbunden. Im Mai 1960 gründete er die
Revolutionary Movement of the People, und im Oktober 1960 wurde er von der CIA als "political
action agent" rekrutiert. Am 10.11.60 kam er in die USA, wo er sich nach dem Willen des State
Departements dem CRC anschliessen sollte. Die anderen Exilkubanerorganisationen wollen mit dem
linken Ray nichts zu tun haben, trotz dem Druck aus dem Weissen Haus. Im April 1962 gründet Ray
deshalb seine eigene Gruppe, die Junta Revolucionario Cubana (JURE).
Schon am 18.1.61 wurden die Rebellenführer in Guatemala von CIA-Agenten zusammengetrommelt
und über die Führungsstrukturen nach der Invasion informiert. Die Exilkubaner werden in der
Umgebung von Miami, in Guatemala und in Panama von Leuten wie Richard Cain und David Ferrie
militärisch trainiert. Am 4.2.61 traf sich Rolando Masferrer mit JFK, um die Kuba-Politik nach dem
Putsch zu diskutieren. Masferrer landete am 3.10.60 mit Bobby Fuller, Tony Zarba, Paul Hughes und
24 weiteren Männern auf Kuba. Seit Dezember 1960 hat er eine weitere Truppe mit 23 Amerikanern
und 200 Kubanern, die in Florida trainierten, für einen Angriff beisammen. Im März werden sieben
Exilkubanerführer, darunter Masferrer und Estaban Ventura wegen Verletzung des
Neutralitätsgesetzes in den USA des Landes verwiesen. Aber am 10.4.61 wird Masferrers Ausweisung
aufgehoben, obwohl in Florida mehrere Anklagen gegen ihn laufen.
Im Februar 1961 wurden auch Frank Sturgis, Alex Rorke, Bob Rostallion, Dick Whatley und Ken
Proctor beim Waffenschmuggel nach Kuba verhaftet. Rorke, der am 7.3. als CIA-Kontakt bestätigt
wird, Sturgis und Frank Nelson organisieren einen Ablenkungsangriff zur Schweinebuchtinvasion.
Angus McNair geht mit einigen Männern zu Howard Anderson, einem CIA-Agenten in Havanna mit
Kontakten zur anticastristischen Gruppe von Humberto Sori Marin. Die Verschwörer werden von
einem Doppelagenten verraten und am 1.4. verhaftet. McNair, Anderson, Sori Marin und sechs
weitere Kubaner (Rafael Hanscom, Roger Gonzalez Corso, Manuel Lorenzo Puig Millan, Nemesio
Rodriguez Navarrete, Gaspar Dominguez Trueba und Eufemio J. Fernandez Ortega) werden am
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19.4.61 hingerichtet. Am 11.4. startet eine weitere Truppe unter Nino Diaz, die scheitert, weil diese
Kontakte bereits verhaftet sind. Sie werden am 18.4. von einem US-Navy-Schiff an der Grenze der
kubanischen Gewässer gerettet.
Der designierte Castro-Attentäter Juan Orta Cordova hat unterdessen aber seinen direkten Zugang zu
Castro verloren und bekommt kalte Füsse. Einige Tage vor der Schweinebucht-Invasion flieht er in die
Botschaft von Venezuela in Havanna, wo er de facto als politischer Gefangener bis im Oktober 1964
bleibt, als ihm Castro erlaubt, sich nach Mexico City abzusetzen. Giancana sucht nach dem Fehlschlag
mit Orta die Unterstützung von Santos Trafficante zur Ermordung Castros. Trafficante hält den Plan
für verrückt, hofft aber auf Gelder der CIA. Giancana und Trafficante versuchen über Dr. Manuel
Antonio de Varona y Loreda, dem Führer der Democratic Revolutionary Front (FRD) in Miami, einen
neuen Zugang zu Castro zu finden. Varona hatte als Ministerpräsident unter Prio mit Trafficante
zusammengearbeitet. John Roselli kontaktiert Varona, dem von Hunt über Edward Moss Geld
gegeben wird. Im März wird versucht, Castro in einem Restaurant zu vergiften. Insgesamt gibt es von
1960-65 mindestens 8 verschiedene Castro-Mordpläne und mindestens 26 Mordversuche, vom
Weitschussgewehr, Panzerabwehrgranaten, Bomben, tödlichem Bakterienpuder im Taucheranzug,
explodierenden Muscheln beim Tauchgang, Toilettenprodukten mit tödlicher Droge, einem
giftinjizierenden Kugelschreiber bis zu vergifteten Zigarren. Obwohl Mafia und CIA mit
Wissenschaftlern der Universität von Illinois zusammenarbeiten, überlebt Castro alle laut dem
kubanischen Geheimdienst gezählten 637 Mordkomplotte.
Der CIA gelingt es 1961, Castros Schwester Juanita zu rekrutieren. Bis 1964 übermittelt sie Geld und
Dokumente für Spione auf Kuba.
Der kubanische Geheimdienst hat, unterstützt vom KGB, bereits im Januar ein riesiges Waffendepot
der CIA entdeckt und auf eine Invasion geschlossen. Kubanische Piloten werden in der
Tschechoslowakei bereits auf MIG-Kampfflugzeugen trainiert, um eine Invasion abwenden zu
können. Die kubanische Polizei kontrolliert 100'000 verdächtige Personen, nimmt alle
Kontaktpersonen der CIA fest und bringt sie in Lagern unter. Radio Swan versucht durch Propaganda,
die Bevölkerung zur Rebellion gegen Castro aufzurufen.
Am 3.4.61 veröffentlicht das State Departement ein Weissbuch von Arthur Schlesinger, das energisch
gegen die Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder Stellung bezieht. Nur einen Tag darauf
segnet JFK den Invasionsplan der CIA ab. Drei Wochen zuvor, am 13.3.61, hatte er in einer Rede die
"Allianz für den Fortschritt" vorgestellt. Castro brachte diese Idee einer wirtschaftlichen Sicherung
der Demokratisierung vor, und Eisenhower plante bereits ein spezielles Hilfsprogramm für
Lateinamerika, das aber Kuba ausschloss. JFK versteht die Auslandhilfe in seiner Rede nicht mehr nur
zur Bekämpfung des Kommunismus, sondern als wirtschaftliche Unterstützung zur politischen
Stabilität der amerikanischen Entwicklungsländer. Einerseits grenzt sich Kennedy damit gegen die
Mythen aus dem McCarthy-Vermächtnis ab, andererseits greift er weiterhin auf diese Mythen zur
Legitimierung seiner Politik zurück.
Im Jahrzehnt zuvor unterstützten die USA insgesamt 90 Länder mit $50 Mia. 90% der Auslandhilfe
dienten der militärischen Finanzierung, $3,5 Mia. wurden in Form von Entwicklungshilfekredite und
lediglich 3% für Ausbildung, Gesundheit und Wohlfahrt ausgegeben. Während der nächsten zehn
Jahre werden $20 Mia. an Devisenkapital nach Lateinamerika fliessen, um mit sozialen Reformen
Revolutionen zuvorzukommen. Was JFK verkündet, ist eine "Revolution von oben", bei der die
herrschenden Klassen mittels Boden- und Steuerreformen ihre Privilegien ein Stück weit abgeben
müssten, wogegen sich diese zur Wehr setzen. Aber die USA weigern sich immer, Bewegungen oder
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Parteien zu unterstützen, wenn diese tatsächlich Reformen in Angriff nehmen, weil US-Investitionen
bedroht sein könnten. Dieses Dilemma von Sozialreformzielen und dem Schutz der Interessen des
Privatkapitals führt zu einer paradoxen Aussenpolitik und generiert politische Konflikte, wobei die
Wahrung der US-Interessen wichtiger ist als die Demokratisierung und soziale Wohlfahrt. So
beginnen 1962 US-Spezialeinheiten damit, in Kolumbien Antiguerilla-Einheiten und Spezialisten für
psychologische Kriegsführung aufzubauen, die, wie in Vietnam, die Zivilbevölkerung in die
paramilitärischen Aktivitäten einbinden. Daraus entsteht ein 35jähriger Staatsterror und schmutziger
Bürgerkrieg mit 200'000 Toten und 2 Mio. Flüchtlingen, in dem die Todesschwadronen (Alianza
Anticommunista Americana/Autodefensas Unidas de Colombia) die Weste der Armee sauber halten.
Diejenigen Regierungen, die das Programm der Allianz für den Fortschritt ernst nehmen und soziale
Reformen durchführen, werden von US-Wirtschaftskreisen und der CIA bekämpft. Dagegen erhalten
die Somozas, eine der reichsten Familien in Lateinamerika, in den ersten zwei Jahren der Allianz $18
Mio, womit Luis Somoza seine Diktatur festigen kann. Die aussenpolitisch bedeutungslosen Armeen,
die die eigenen Länder besetzt halten, garantieren in Lateinamerika zwar nicht politische, aber dafür
soziale und wirtschaftliche Stabilität der Ungerechtigkeit. Fast alle Staatsstreiche in Lateinamerika (El
Salvador 25.1.61, Dominikanische Republik 30.5.61, 16.1.62 und 25.9.63, Ecuador 11.61, 31.3.62 und
11.7.63, Argentinien 29.3.62 und 11.8.62, Peru 18.7.62, Brasilien 25.8.62, Guatemala 30.3.63,
Honduras 4.10.63) werden von JFK anerkannt.
Quellen: Powers: 120-122, Hersh: 185ff, 204, Schulz: 148, Collier/ Horowitz: 329-338, Gremliza (1978a), Bartholomew: 54,
Horowitz: 191-223, Kennedy: 279-298, Weberman (13): 40-42, (20): 16, Meiners/ Stegner, CIA-Info: 7f, 14, Best: 35f, Groden/
Livingstone: 426ff, Summers (2000): 194, Helfer: 10, Biermann, Ospina, Karel (2003).
5.5. April 1961 Die Schweinebucht-Invasion
Die Schweinebucht-Invasion unter dem Kommando von Richard Bissell und Tracy Barnes startet am
15.4, obwohl es Tony Varonas Gangsterfreunden in Kuba ebenfalls nicht gelungen ist, Castro
umzubringen.
Neun amerikanische B-26 Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg mit den aufgemalten kubanischen
Kennzeichen FAR, die von ehemaligen Piloten Batistas geflogen werden, starten von Nicaragua aus
und bombardieren Kubas Luftstützpunkten. Obwohl die Planung 16 Flugzeuge forderte, um die
Zerstörung der kubanischen Luftwaffe zu garantieren, bewilligte John Kennedy nur die Hälfte, um
einen Rückschluss mit den USA zu verhindern. Die Flughäfen von Camp Libertad, San Antonio de los
Baños und Antonio Maceo bei Santiago de Cuba werden attackiert, wobei 3 Jets, 2 Bomber und
einige kleinere Flugzeuge der kubanischen Streitkräfte intakt bleiben. Ein Bomber wird abgeschossen,
fünf kehren nach Nicaragua zurück, und drei fliegen nach Grand Cayman, Key West und Miami, wo
der Pilot Mario Zuniga eine von Hunt und Phillips vorbereitete Erklärung vorliest, sie seien Teil einer
Gruppe innerhalb der kubanischen Luftwaffe, die sich gegen Castro auflehne.
Sofort nach dem Angriff protestieren die Kubaner und Sowjets bei der UNO, aber UN-Botschafter
Adlai Stevenson dementiert aufgrund seiner Informationen von Tracy Barnes jede Beteiligung der
USA. Trotzdem kommen bereits die ersten Zweifel an der Coverstory auf, weil verschiedene
Informationen nicht zusammenpassen. Richard Bissell ist mit dem ersten Schlag zufrieden und
rechnet damit, dass beim zweiten Luftangriff, der parallel zur Bodeninvasion geplant ist, Castros
Luftwaffe zerstört sein wird. Aber Kennedy verweigert die Genehmigung zu einem zweiten Angriff,
damit nicht auf die Rolle der USA rückgeschlossen werden kann. Hunt verfasst mehrere
Pressemitteilungen, die von dem CRC verbreitet werden, um den Erfolg der Invasion zu suggerieren.
JFK steht vor einer schwierigen Entscheidung, da er bei einem Scheitern der Invasion die
Seite [175]
Verantwortung für die CIA-Aktion übernehmen muss, aber gleichzeitig die Invasion nicht militärisch
unterstützen kann. Zudem hat er nach langen Verhandlungen ein Gipfeltreffen mit Chruschtschow
für Anfang Juni in Europa geplant, das er nicht gefährden will. Schliesslich wird ein zweiter Angriff
vereinbart, um den Invasionstruppen Luftschutz zu gewähren, wobei jede halbe Stunde 2 B-26 von
Nicaragua aus starten. Sechs dieser elf Bomber werden aber abgeschossen, und Castros restliche
Flugzeuge versenken zwei Schiffe der Invasionstruppen, die am 17. April mit fünf ebenfalls
übermalten
US-Zerstörern,
fünf
Handelsschiffen
und
zwei
Landungsbooten
mit
Amphibienfahrzeugen auf die Schweinebucht zusteuern. Drei der Schiffe tragen die Namen Barbara,
Houston und Zapata, was Bushs Ehefrau, Heimatstadt und Ölfirma bezeichnet. George Bush stellt
seine Zapata Oil der CIA als Basis für Kuba-Angriffe zur Verfügung. Die Schweinebuchtoperation wird
von einigen CIA-Leuten als "Operation ZAPATA" beschrieben.
Am 19. April starten vier Piloten der Alabama Air National Guard, die die Exilkubaner in Nicaragua
trainierten, eigenmächtig mit zwei Bombern und beschädigen Castros Luftwaffe schwer, bevor sie
abgeschossen werden können. Nach anderen Angaben erlaubt Kennedy nachträglich die weitere
Luftunterstützung durch die fünf Bomber in Nicaragua, die aber nicht mehr richtig in Gang kommt.
Auch der Munitionsnachschub auf dem Schiff mit dem Zeichen des Roten Kreuzes wird versenkt,
nachdem sie in kubanisches Hoheitsgebiet eingedrungen sind und von der US-Navy nicht mehr
eskotiert werden können.
Die Invasoren landen im Lieblingsjagdgebiet Castros, wo dieser die landenden Truppen schnell
einkreisen kann. Die 1300 Exilkubaner haben gegen die 32'000-Mann-Armee von Castro (neben
seiner Miliz von 200'000 Mann) keine Chance und geben nach 72 Stunden auf. Es gibt 114 Tote und
1189 Gefangene, die Ende 1962 gegen Güter im Wert von $53 Mio. ausgetauscht werden, obwohl
Castro bereits nach einem Monat offerierte, die Gefangenen gegen 500 Bulldozer auszutauschen.
Der ahnungslose James Donovan, der den Tausch mit Castro verhandelt, bringt ihm einen vergifteten
Tauchanzug und einen Lungenautomaten mit Tuberkulosebazillen mit.
Kennedy ruft Richard Nixon an, der in engem Kontakt steht mit Allen Dulles, dem Southern Air
Transport-Besitzer Perkins McGuire und dem Zenith Technical-Besitzer Lindsay Hopkins, die beide
ihre Firmen der CIA zur Verfügung stellen. Nach seinem Besuch im Weissen Haus verpflichtet Nixon
die Republikaner, Kennedy wegen der Schweinebucht nicht zu kritisieren, wofür seine Rolle bei den
Kubaaktivitäten geheim bleibt. Der Chef der Kuba Task Force der CIA, Jacob Esterline, macht in erster
Linie Nixon für das Scheitern der Invasion verantwortlich.
JFK trifft sich unmittelbar nach dem Fiasko mit einem Exilkubanerführer im Weissen Haus. Die
Kennedys setzen alles daran, damit niemand herausfindet, dass sie die $62 Mio. teure Invasion
abgesegnet haben. JFK befindet sich in einer schwierigen Lage, da er Kuba "verloren" hat und von
rechtsstehenden Journalisten wie Charles Murphy im Fortune dafür persönlich verantwortlich
gemacht wird. Mit der Assistenz seines Vaters betreibt Kennedy Schadensbegrenzung: Er sagt zu
Bissell, dass er selbst zurücktreten müsste, wenn die USA ein parlamentarisches System hätte. Da sie
ein präsidiales System haben, müssen Bissell und Allen Dulles den Hut nehmen, obwohl Kennedy sich
"verantwortlich" für die Aktion erklärt, was ihm einen Popularitätszuwachs bringt. JFK vermutet, dass
Dulles hinter den Presseberichten steht, die die Verantwortung für das Fehlschlagen der Invasion
dem Präsidenten zuschreiben.
JFK fühlt sich von der CIA verraten und es wird ihm bewusst, dass er sie nicht kontrolliert, weshalb er
droht, er werde sie "in tausend Stücke zerschlagen". Um die Macht zu sichern, bildet er das
President's Foreign Intelligence Advisory Board. Jeder Präsident kämpft mit der Macht der CIA, die
Seite [176]
genau genommen nicht einmal der CIA-Direktor kontrolliert, weil die Institution viel zu gross
geworden und mit Konzernen, Banken, politischen Organisationen und militärischen
Kommandostellen alliiert ist. Zwei Männer lassen sich am 21.4. bei der Riggs National Bank auf den
Namen von Arthur Avignon, einem Scheinkonto der CIA, 8 Bankschecks von über $100'000
ausstellen, um die Beteiligten zu bezahlen. Die CIA rekrutiert den Anwalt Alex Carlson, der die
Entschädigung der Witwen und Familien der Brigadekämpfer regelt, und bringt die übriggebliebenen
Interventionskrieger nach Südvietnam. Dieses Fluggeschwader wird ab November 1961 die erste
Agent Orange-Flotte, die Vietnam vergiftet.
Der Taylor-Bericht über die Schweinebucht wird so geschrieben, wie Kennedy es will und erwähnt
beispielsweise nicht, dass der Generalstab dem Invasionsplan nicht zustimmte. Mit den National
Security Action Memoranden 55 und 57 im Juni versucht JFK seine Kontrolle über die CIA und das
Pentagon zu verstärken. Er setzt seinen Bruder als Supervisor der Anti-Castro-Aktivitäten ein, der
starken Druck auf die CIA ausübt, damit diese Castro endlich beseitigt. Die Kennedys fühlen sich von
Castro gedemütigt und wollen sich rächen. Bobbys Vorwürfe und Forderungen lösen innerhalb der
CIA zusätzliche Ressentiments gegen die Kennedys aus.
Am 4.5.61 versichert JFK in einem Gespräch mit Miro Cardona, dem Führer des Cuban Revolutionary
Council, die volle Unterstützung der USA für eine erneute Invasion, eine Zusicherung, die er am
10.4.62 wiederholt. Trotzdem fühlen sich viele Beteiligte der CIA, der Mafia und der Exilkubaner
wegen der Verweigerung der Air Force-Unterstützung von ihm verraten.
Nach der Schweinebucht arbeitet E. Howard Hunt als persönlicher Assistent von CIA-Direktor Allen
Dulles und schreibt unter dem Pseudonym Edward J. Hamilton das Buch "Give Us This Day", in dem
er den Präsidenten und Charles Cabell, der die Nachricht von Kennedys Weigerung für einen
weiteren Luftangriff weiterleitete, verantwortlich macht für das Desaster. Er ist so verbittert, dass er
seine Stellung in Gefahr bringt, indem er das Manuskript 1967 in Umlauf bringt. Offenbar kauft
William Buckley das Manuskript auf, um eine Veröffentlichung zu verhindern. Hunt und Dulles
arbeiten im Mai in der Green Commission, die die Schweinebucht untersuchen soll.
Dem spanischen Fremdenlegionär Jean "José" Luis Romero wird am 25.5.61 von einem "Mike"
$400'000 angeboten, wenn er Kennedy bei seinem Besuch bei Charles de Gaulle am 31.5. in Paris mit
einem Remington.280 mit Zielfernrot erschiesst. Romero kämpfte in Indochina und Algerien, wo er
von Xavier de la Bédoyère für den französischen Geheimdienst angeworben wurde. Das Attentat
sollte so aussehen, als stände die OAS hinter einem weiteren Attentatsversuch auf de Gaulle, wobei
dann "versehentlich" JFK erschossen wird. Romero wird skeptisch, dass er als Sündenbock
missbraucht und nach dem Attentat von seinen Führungsagenten selbst erschossen werden könnte.
Er setzt sich mit dem Vorschuss von $200'000 ab und versteckt sich zuerst 30 Monate lang vor der
CIA bei einer Bekannten in Paris, ging dann in den Kongo und tauchte schliesslich in Argentinien
unter. "Mike" ist E. Howard Hunt.
Quellen: Hersh: 209ff, 273-279, Olgiatti, Weberman (7): 53-56, Schulz: 174-176, Groden/ Livingstone: 313-315, 428-434,
DiEugenio (1997), Batholomew: 56, Sylwester: 11-14, Kangas, CIA-Info: 9f, 14, Gerlach, Best: 36f, Prouty (1973): 22-52, 103114, (1975): 7, Collier/ Horowitz: 338-344, Anson: 239-304, Obenhause, Holtkamp, Ranelagh/ Treharne, Ascherson, Karel (1),
Levin, Afterbach, Summers (2000): 222ff, 511, Hager, Fischer (2002), Biermann, Gorce (2003), Karel (2003).
5.6. April 1961 Marcellos Ausschaffung
Mafiaboss Carlos Marcello wird, als er am 4.4. zu seiner vierteljährlichen Meldung auf dem INS-Büro
erscheint, auf Anweisung von Robert Kennedy in Handschellen gelegt, zum Flughafen gefahren und
mit einem Grenzschutzflugzeug nach Guatemala abgeschoben, wo sich die Behörden auch nicht
Seite [177]
freundlicher verhalten. 1953 wollte der Immigration and Naturalization Service Marcello nach Italien
abschieben, das sich jedoch nach Zahlung von $25'000 an verschiedene hohe Beamte weigerte, ihn
aufzunehmen. 1956 sollte er trotzdem nach Italien abgeschoben werden, weshalb sich Marcello
einen geeigneten Platz suchte, falls es zu einer Abschiebung kommen sollte.
Carl I. Noll flog mehrmals nach Guatemala und organisierte für $100'000 eine guatemaltekische
Geburtsurkunde für Marcello. Aufgrund dieser Urkunde auf seinen wirklichen Namen Calogero
Minacore entschied RFK, Marcello nicht nach Taiwan, von wo bereits eine Einreiseerlaubnis vorliegt,
sondern nach Guatemala abzuschieben. Dabei weiss der Justizminister, dass er sich auf eine
gefälschte Urkunde stützt.
Marcello wird regelrecht gekidnappt, da er nicht einmal seinen Anwalt oder seine Frau über die
Abschiebung informieren und nichts mitnehmen darf. In Guatemala wird der Mafiachef von New
Orleans von Präsident Miguel Ydigoras Fuentes ausgehalten, bis die Presse sich darüber empört.
Nach einem Monat wird er nach El Salvador in ein Dschungeldorf verfrachtet, wo ihn Soldaten
während 5 Tagen befragen. Von dort wird er nach Honduras gebracht, wo er und sein Begleiter Mike
Maroun 30 Kilometer nach der Grenze aus dem Bus geworfen werden. Ohne Kleider und passende
Schuhe marschieren sie 28 Kilometer zum nächsten Dorf, wobei sich der gefürchtete Boss bei Stürzen
zwei Rippen bricht. Nach einer abenteuerlichen Reise kommen sie schliesslich in die honduranische
Hauptstadt. Marcello kehrt mit einem Düsenflugzeug der Luftwaffe der Dominikanischen Republik
am 28.5.61 in die USA zurück. Unterstützt von der verärgerten CIA fliegt David Ferrie den beleidigten
Boss zurück nach New Orleans, wo eine Steuerrechnung von $835'396 auf ihn wartet. Kurz darauf
klagen ihn die Behörden wegen illegaler Einreise in die USA und Fälschung der guatemaltekischen
Geburtsurkunde an.
David William Ferrie ist ein homosexueller Pilot, der in den 50er Jahren bei der Eastern Airlines
arbeitet und als Chef der Civil Air Patrol in New Orleans Lee Harvey Oswald 1955 kennenlernte. Die
paramilitärische Wehrsportgruppe trainiert auf einem weitläufigen Grundstück, das Mike McLaney
gehört, einem Leutnant von Meyer Lansky und Trafficante. Ferrie leidet an Alopezie, hat keine
Körperbehaarung und sieht wegen aufgeklebten Augenbrauen und Perücke bizarr aus. Er ist ein
Exzentriker mit pädophilen und aggressiven Zügen und versteht sich als Hypnosemeister, Psychologe,
Philosoph, Wissenschaftler und Bischof der Orthodox Old Catholic Church of North America. Nach
eigenen Aussagen beschränkt sich seine Sektenzugehörigkeit allerdings auf die Assistenztätigkeit für
Edward Suggs, der als ‚Jack Martin' für Guy Banister arbeitet, in einem Auftrag des Departement of
Health, Education, and Welfare, wobei es um die Untersuchung illegal verkaufter Ordinations- und
Kongregationszertifikate geht. Die CIA benutzt den Priester Thomas Edward Beckham von der Old
Catholic Church als Zahlungskanal an die Exilkubaner.
Neben den Zivilflügen schmuggelt Ferrie als Kontraktagent für die CIA und für Marcello Drogen und
Waffen. 1958 flog er Waffen für Castro und organisierte Geld für die Bewegung des 26. Juli, und 1959
für die Anti-Castro-Kräfte nach Kuba. Ab November 1960 arbeitet er für die Cuban Revolutionary
Front von Hunt und soll in der Nacht der Schweinebucht-Invasion auf der Insel gelandet sein.
Im August 1961 verliert Ferrie seinen Job bei Eastern Airlines, weil er mehrmals verhaftet wird wegen
Sexualdelikten mit den minderjährigen Alexander Landry und Albert Cheramie. Er baute sich eine
Gruppe von loyalen Jungs auf, zu denen George Woodcock, Andrew Blackman und Layton Martens
gehören. Banister, Arcacha und Marcello-Anwalt G. Wray Gill setzen sich vergebens für ihn ein,
wonach er vermehrt für die Exilkubaner und als Mitarbeiter von Gill tätig ist. Ferrie kennt Clay Shaw,
den Garrison in seinem Prozess wegen Verschwörung zum Kennedy-Attentat anklagen wird.
Seite [178]
Nach Marcellos Abschiebung werden Todesdrohungen gegen John und Robert Kennedy vom FBI
abgehört. Der Chef der zwar kleinen, nur etwa 50 Mitglieder zählenden, aber sehr reichen und
ältesten Familie, die seit 1888 durch nur drei Bosse geführt wurde, schwört Rache. Marcello hat
Beteiligungen in über 40 Geschäften, und seine Crevetten-Boote bringen Drogen von Zentralamerika,
abgesichert durch loyale Politiker und Anwälte. Er versucht aber auch, auf "diplomatischen" Wegen
vorzugehen.
Der von ihm geschmierte Senator Russell Long setzt sich im Justizministerium für Marcello ein und
fördert einen Beamten aus Louisiana, der im INS eine Schlüsselposition einnehmen soll. Die Mafia ist
enttäuscht, dass Hoover laufend an Einfluss verliert und seine Leute auf die Mafia ansetzen muss. Die
Beziehung von Bobby und Hoover, der sich gewöhnt ist, Vorschläge und keine Befehle zu empfangen,
ist ein permanenter Konflikt.
Im Herbst 1961 wird Marcello erneut vor den McClellan-Ausschuss zitiert, wobei er jeder Frage
ausser der nach seinem Namen und seinem Geburtsort mithilfe des 5. Zusatzartikels ausweicht. Am
30.10.61 wird Marcello wegen Fälschung einer guatemaltekischen Geburtsurkunde und des Meineids
angeklagt und eine fünfköpfige Berufungskommission der Einwanderungsbehörde bestätigt am
30.12.61 die Deportationsverfügung. Marcello bekommt Wutausbrüche, wenn er den Namen
Kennedy hört.
Präsident Kennedy trifft sich am 28.4.61 auf Vermittlung von Judith Campbell mit Sam Giancana im
Ambassador Hotel in Chicago. Giancana nennt Kennedy bei der Begrüssung Jack, danach wartet
Campbell auf der Toilette während des kurzen Gesprächs, in dem es vermutlich um das weitere
Vorgehen in Bezug auf Kuba und die Rolle seines Bruders wegen der Mafiaverfolgung geht.
Im Mai 1961 werden Giancana und Robert Maheu wegen einer illegalen Abhöraktion in Las Vegas
angeklagt. Giancana verdächtigte den Schauspieler Dan Rowan, ein Verhältnis mit seiner Geliebten
Phyllis McGuire zu haben. Der eifersüchtige Mafiaboss befand sich bei den Besprechungen zur
Castro-Ermordung im Miami, weshalb Maheu die Abhörung mit dem Segen der CIA organisierte, um
Giancanas Abreise zu verhindern. Maheus Privatdetektiv Arthur J. Balletti liess sich bei der
Installation der Wanzen erwischen und wurde verhaftet. Während Roselli über die Anklage sehr
besorgt ist, lacht Giancana offenbar so laut, dass er beinahe seine Zigarre verschluckt, weil er sich vor
einer Strafverfolgung sicher glaubt. Das FBI erfährt im April 1961 von Maheu, dass Giancana mit der
CIA zusammenarbeitet. Da die CIA behauptet, sie habe die Abhörung vorgenommen, macht Hoover
bei der Unterdrückung des Falles mit. Neben den Castro-Mordversuchen gibt es gemeinsame
Operationen der CIA mit der Mafia in Asien und im Mittleren Osten, gemeinsame
Schmuggelgeschäfte und, beispielsweise zusammen mit Carlo Gambino und dem Mafia-Banker
Michele Sindona, Geldwaschtransaktionen.
Am 7.5.62 kann Robert Kennedy mithilfe von Sheffield Edwards und Lawrence Houston die
Abhöraffäre von Sam Giancana und Bob Maheu wegen der Verwanzung von Dan Rowans
Hotelzimmer in Las Vegas unterdrücken.
Die beiden FBI-Agenten Bill Roemer und Ralph Hill verhaften Sam Giancana und seine Freundin
Phyllis McGuire im Juni 1961, um sie zu verhören. Roemer setzt eine Wanze und erforscht Giancanas
Paralleluniversum, was JFK zwingt, sich von Giancanas Welt zu distanzieren. Die Kennedys
verweigern die während den Primärwahlen versprochene Rückkehrbewilligung für den
ausgewiesenen Mafiaboss von Virginia, Joe Adonis. Skinny D'Amato erinnert Joe Kennedy an das
Versprechen, aber dieser antwortet, dass Jack zwar einverstanden sei, aber dass Bobby sich dagegen
stelle. Giancana fühlt sich verraten.
Seite [179]
Quellen: Davis (1988): 94-110, 134-137, 311, Weberman (11): 43-47, Todd, Sylwester: 14-17, Best: 41, Hersh: 273-292, Olgiatti,
Giancana: 476-485, Anson: 296, Meurice, Obenhause.
5.7. Mai 1961 Ermordung von Rafael Trujillo
General Rafael Trujillo, der 1930 durch einen Militärputsch an die Macht kam und eng mit der USMafia zusammenarbeitete, wird am 30.5.61 von CIA-unterstützten Dissidenten ermordet. Der brutale
und repressive Diktator der Dominikanischen Republik war während der 40er und 50er Jahre ein
Protégé der USA, wobei das Verhältnis immer ambivalent war.
Die USA besetzten die Inselrepublik von 1916 bis 1924, um die Interessen der Zucker-, Bananen- und
Aluminiumfirmen durchzusetzen. Nach einer steilen Karriere in der von den USA aufgebauten und
verhassten Nationalgarde wurde Trujillo 1925 Oberkommandierender dieser einzigen bewaffneten
Macht im Land. Nach einer Wahlfarce liess er sich 39jährig zum Präsidenten küren. Der 2. Weltkrieg
fegte die internationale Kritik am Haitianer-Massaker, bei dem es 20'000 Tote gab, hinweg, da sich
Trujillo schon früh gegen Hitler stellte und sogar viele jüdische Flüchtlinge zwecks Stabilisierung der
weissen Rasse aufnahm. Dank systematischer Klientelwirtschaft, Mord und Korruption kontrollierte
Trujillo Ende der 50er Jahre 80% der nationalen Produktion und beschäftigte 60% der Bevölkerung.
Mit einem Vermögen von $500 Mio. gehörte er zu den zehn reichsten Männern der Welt.
Gegen Ende der 50er Jahre beging der grössenwahnsinnige "Generalissimus" einige Fehler, weshalb
sich der Papst und die Regierungen von ihm zu distanzieren begannen. Vor allem der Mordversuch
an Venezuelas Präsident Romulo Betancourt, der aufgrund von Trujillos brutaler Repression
Sanktionen der OAS gefordert hatte, machte ihn untragbar. Im August 1960 brach Eisenhower die
diplomatischen Beziehungen ab, als sich eine Revolte gegen den Diktator abzeichnete. Die USA
befürchteten, dass das Land in die Hände von Sozialisten fallen könnte, wenn der Umsturz nicht von
Washington orchestriert würde. Die CIA plante deshalb Trujillos Ermordung monatelang mit dem
Segen der Eisenhower- und der Kennedy-Regierung. Eisenhower bewilligte im Dezember 1960
Waffen und elektronisch gezündete Bomben.
Marcellos Freund Irving Davidson vertrat zu diesem Zeitpunkt die Dominikanische Republik in
Washington und mobilisierte rechtsstehende Politiker gegen die Umsturzpläne. Die Mafia hat ein
grosses Interesse, den Sturz Trujillos zu verhindern, weil sie um ihre Investitionen fürchtet. Bobby
Baker setzte den Journalisten und russischen Prinzen Igor Cassini, der mit Joe Kennedy und Trujillo
befreundet ist, als Vermittler ein. Im Februar noch versuchte er, ein geheimes Treffen zu
organisieren, was JFK zuerst unterstützte. Nachdem jedoch die Presse davon Wind bekam,
distanzierte sich JFK von dieser Idee. Als diese Verbindung 1962 in der Times veröffentlicht wird, lässt
ihn Bobby wegen einer Unterlassung vor Gericht stellen. Schon Skinny d'Amato wurde auf diese
Weise neutralisiert, als dieser wegen seiner Rolle bei den Wahlen in West Virginia zu bluffen begann.
Jack Kennedy machte aber einen eigenen Versuch, indem er seinen Freund George Smathers zu
Trujillo schickte, um diesen zu einer freiwilligen Resignation aufzufordern. Trujillo legte zu Beginn
dieses Gesprächs eine geladene .45 gegen Smathers gerichtet auf den Tisch und wollte davon nichts
wissen, mit der Begründung, er habe den besten Geheimdienst der Welt. Nixons Freund Bebe
Rebozo begleitete den ehemaligen Botschafter William Pawley kurz vor dem Attentat auf einer
geheimen Mission zum dominikanischen Diktator.
Anfang April bewilligte JFK eine zweite Waffenladung an die Attentäter, die in Diplomatengepäck an
die US-Botschaft geliefert wurde. Allerdings wurden die Pläne nach dem Schweinebuchtfiasko
gestoppt und die Waffen den Verschwörern nicht ausgehändigt. Das Risiko eines Machtvakuums war
Seite [180]
der CIA nach den Vorfällen in der Karibik zu gross. Die Verschwörer, die davon ausgingen, dass der
geplante und abgesprochene Putsch durch Militärs nach dem Mord problemlos erfolgen würde,
führten die Aktion mit den anfänglich erhaltenen Gewehren aus. Nach dem Attentat kam es
allerdings wegen der mangelnden Kommunikationen zu keinem Putsch, sondern zu Machtkämpfen.
Das State Departement ordnet die CIA-Station an, alle Beweise einer Beteiligung zu zerstören. RFK
ärgert sich nach der Ermordung darüber, dass keine verlässlichen Informationen über die verworrene
Situation verfügar sind.
Quellen: Hersh: 196-199, Bartholomew: 55, CIA-Info: 14, Ostrowsky: 8f, Summers (2000): 496.
5.8. Juni 1961 Charles de Gaulle
Kennedy trifft Charles de Gaulle in Paris. Die erneute Auseinandersetzung de Gaulles mit den
Amerikanern begann 1958, als er das Präsidentenamt wieder übernahm und sich gegen die
Bedrohungsthese des Westens durch die UdSSR stellte. John Foster Dulles wollte
Mittelstreckenraketen mit taktischen Atomsprengköpfen in Europa stationieren und malte deshalb
die kommunistische Bedrohung an die Wand. De Gaulle verlangte die vollständige Kontrolle der
Atomwaffen auf französischem Territorium, was die USA natürlich ablehnten. De Gaulle verweigert
die Beteiligung am Embargo gegen Kuba und beginnt, Frankreich vom Einfluss der USA
herauszulösen.
Dank dem Comeback de Gaulles bekommt die korsische Mafia politische Rückendeckung. Marcel
Francisci, der seine Heroinhandelskarriere unter Spirito begonnen hatte, organisiert in Marseille die
"Barbouzes", die ebenfalls im Glücksspielgeschäft und Heroinhandel tätig wird. Für die nächsten
Jahre ergibt sich eine erbitterte Konkurrenz zu den mit der Sozialistischen Partei verbundenen Brüder
Guerini. Am 8.10.64 hebt die Drogenpolizei auf Initiative der Guerinis das Heroinlabor in Franciscis
Villa Clos Saint Antoine aus, wofür kurz darauf Anlagen des Club Méditerranée, die zum legalen
Imperium der Guerinis gehören, in Flammen aufgehen. Nach Anschlägen auf Franciscis Spielbanken
endet Antoine Guerini am 23.6.67 mit 11 Kugeln im Bauch, und sein Bruder Barthélemy wird zu 20
Jahren Gefängnis wegen Mordes verurteilt. An der Kirche von Calenzana auf Korsika steht der
Nachruf: "ANTOINE GUERINI / Ein unerschrockener Kämpfer für sein Vaterland / für Freiheit und
Gerechtigkeit / Beschützer der Schwachen / ein Wohltäter aller / ein Vorbild der Ehrenhaftigkeit".
De Gaulle reorganisierte seinen Geheimdienst Service Spéciaux 1946 zum Service de Documentation
Extérieure et de Contre-Espionnage um. In den 50er Jahren leistete sich der SDECE mehrere
skandalöse Affären, besonders im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitskampf in Algerien, das
1830 erobert worden war. Seit 1954 kämpften bis zu 500'000 französische Soldaten gegen die Front
de Libération Nationale und die Armée de Libération Nationale um die Erhaltung der
Erdölvorkommen in der Sahara. Die Errichtung von Konzentrationslagern, Folterung von Gefangenen
und blutiger Terror begleiteten die militärischen Operationen der Franzosen. Am 22.10.56 kaperten
SDECE-Agenten ein marokkanisches Flugzeug mit dem algerischen Nationalistenführer und vier
seiner engsten Mitarbeiter an Bord. Der in Bern stationierte Geheimdienstoberst Marcel Mercier
setzte die Terrororganisation "Main rouge" gegen algerische Freiheitskämpfer und deren
Waffenlieferanten und Sympathisanten ein. In Frankreichs letztem grossen Kolonialkrieg folterte
auch die Armee systematisch und brachte zwischen 700'000 und 1,2 Mio. AlgerierInnen um.
Nach seinem Comeback plante de Gaulle den Rückzug der Franzosen aus der Kolonie. Am 24.1.60
kam es in Algier zur Meuterei der Kräfte, die die Unabhängigkeit Algeriens verhindern wollen, wozu
General Raoul Salan 1961 die Organisation de l'Armée Secrète gründet. De Gaulles Geheimdienst
rekrutiert daraufhin die Männer von der korsischen Mafia, die als Gegenterroristen nach Algerien
Seite [181]
geschickt werden, um seine abgefallenen Generäle zu bekämpfen. Am 8.1.61 akzeptierten die
Franzosen in einem Referendum das Selbstbestimmungsrecht der Algerier. Die Generäle Challes,
Jouhaud, Salan und Zeller organisierten am 22.4.61 einen Staatsstreich in Algerien, der aber nach 4
Tagen aufgegeben werden musste. Die nationalistischen Algerienfranzosen und abgefallenen
Angehörigen der französischen Algerienarmee versuchen dann mit Terroraktionen und Attentaten,
die Entkolonialisierungspolitik zu bekämpfen. Am 8.9.61 findet ein Attentatsversuch auf de Gaulle bei
Pont-sur-Seine statt. Auch gegen Jean-Paul Sartre, der für die Unabhängigkeit der Kolonie schreibt,
verübt die OAS im Juli 1961 und Januar 1962 Bombenattentate in dessen Wohnung.
Präfekt Maurice Papon, ein Verantwortlicher des faschistischen Vichy-Regimes, befiehlt das
Massaker der Pariser Polizei am 17.10.61. 10'000 der demonstrierenden Algerier werden verhaftet
und gefoltert, 200 werden am nächsten Tag tot aus der Seine gefischt, ohne dass es zu einer
gerichtlichen Untersuchung kommt. Die Akten sind teilweise verschwunden, teilweise gesperrt.
Trotz des Terrors wird das Referendum in Algerien über die Unabhängigkeit am 1.7.62 angenommen
und von de Gaulle zwei Tage später anerkannt. Der französische Regierungschef entkommt einem
weiteren Mordversuch am 22.8.62 bei Petit-Clamart, wo unter dem Kommando von Bastien Thiery
über 100 Schüsse auf das kugelsichere Auto gefeuert werden.
Einer der angeworbenen Kämpfer der Korsenmafia durch die SDECE ist Michael Mertz, der am
22.11.63 in Dallas sein wird. Für die CIA arbeitet er unter dem Decknamen QJ/WIN. Mertz, Held der
Résistance im 2. Weltkrieg, arbeitete als Captain im französischen Geheimdienst in Deutschland, der
Türkei und Marokko. Im April 1961 infiltrierte er die OAS und arbeitet sich in die Chefetage hoch.
Dank ihm kann ein Bombenattentat auf de Gaulle verhindert werden. Mertz ist jedoch auch einer der
grössten Heroinschmuggler, zusammen mit dem Korsen Christian David, der vom französischen
Geheimdienst ebenfalls gegen die OAS eingesetzt wird und als WI/ROGUE für die CIA tätig ist.
David ist 1965 am Mord des marokkanischen Oppositionsführers Mehdi Ben Barka beteiligt, der den
von Frankreich gestützten General Oufkir, Innenminister von König Hassan II, in Bedrängnis bringt.
Ben Barka gründete 1959 die Nationale Union der Volkskräfte in Marokko, muss sich aber 1961 ins
Exil nach Paris absetzen. Als Präsident des Vorbereitungsausschusses der "Trikontinentale" arbeitet
er an der Strategie einer gemeinsamen 3.Welt-Politik der UdSSR, China und Kuba. Nach der
Verurteilung zum Tod in Marokko wird Ben Barka in Paris entführt und ermordet.
De Gaulle lässt die "French Connection" gewähren, da diese Leute gegen die OAS arbeiten. Einige
Mafiosi solidarisieren sich allerdings mit den rechtsextremen OAS-Generälen, woraus die World AntiCommunist League entsteht, die kommunistische Aufstände in der 3.Welt bekämpft. Der ehemalige
CIA-Pilot Maurice Brooks Gatlin, Finanzsekretär der WACL, zahlt $100'000, die vom
Banister/Marcello-Kreis kommen, einen weiteren gescheiterten Mordversuch. Der französische
General hält mit 31 misslungenen Attentatsversuchen den offiziellen Weltrekord.
1962 gründet de Gaulle die staatliche Elf, weil die seit 1924 bestehende, ebenfalls staatlich
kontrollierte Total zu unglaubwürdig erscheint, um die französischen Erdölinteressen nach der
Entkolonialisierung in Afrika durchzusetzen. Elf baut einen eigenen Sicherheits- und Geheimdienst
auf, in dem ehemalige Polizei- und Armeeoffiziere ihre Karriere fortsetzen können. Elf mischt mit in
der Politik von Nigeria, Angola, kontrolliert Kongo-Brazzaville und Kamerun und bringt Albert Bernard
Bongo an die Macht in Gabun, der Drehscheibe der Afrika-Schmieraktivitäten des Konzerns. 1992
leistet François Mitterand seinen Beitrag an die deutsche Wiedervereinigung und den CDUWahlerfolg, indem Elf die verlotterte Leuna-Raffinerie und das Minol-Tankstellennetz der DDR für
SFr. 4 Mia. aufkauft und über André Guelfi SFr. 70 Mio. Schmiergelder an die deutschen politischen
Seite [182]
Parteien zahlt, um SFr. 580 Mio. Subventionen zu erhalten. Zwei Jahre später versucht die
privatisierte Elf vergeblich, aus dem Verlustgeschäft auszusteigen, weil Bonn in Paris interveniert.
Quellen: Behr: 180f, Weberman (7): 56-61, Höfling: 266, Torbitt: 15, Bächtold (1999): 41, (2000): 11, Hartmann (1999): 7,
Brooks/ Hayling, Bitton, Walther: 50.
5.9. Juni 1961 Nikita Chruschtschow
John Kennedy trifft sich am 5.6. mit Nikita Chruschtschow in Wien. Während des Wahlkampfes
versprach JFK eine Erhöhung der Militärausgaben, die von $13 Mia. im Jahre 1950 bereits auf $47
Mia. angewachsen waren. Die CIA hatte einigen Journalisten einige "vertrauliche Dokumente"
zukommen lassen, worauf eine Medienkampagne um die Raketenlücke begann und Kennedy ein
Milliardenprogramm zum Bau neuer Interkontinentalraketen versprach. Da er als Präsident zu
anderen Informationen Zugang hat, weiss er jetzt, dass die angebliche amerikanische Raketenlücke
nicht stimmt: Die UdSSR besitzt nicht einmal einen Zwanzigstel der in der Öffentlichkeit verbreiteten
Anzahl Raketen, sondern lediglich ein Drittel des US-Potentials. Bei den schweren Bombern haben
die USA sogar eine Überlegenheit von 10:1. Trotz dem militärischen Vorsprung, trotz den $3 Mia.
Staatsschulden, trotz seinem Wissen um die Gefährlichkeit des Wettrüstens und um die
provokatorische Wirkung erhöhte JFK am 28.3.61 die Verteidigung im konventionellen, atomaren
und zivilen Sektor. Der erste bemannte Raumflug von Jurij Gagarin empfand JFK als Niederlage, was
am 12.4.61 zum Versprechen Kennedys führte, dass die USA noch in diesem Jahrzehnt auf dem Mond
landen würden, wozu $30 Mia. ausgegeben werden. "Wer den Weltraum kontrolliert, kontrolliert die
Welt", erklärt Lyndon B. Johnson. Wernher von Braun, der die Mondlandung garantiert und das
NASA-Programm leitet, und Kennedy bewundern sich gegenseitig.
Drei Wochen nach der Schweinebuchtinvasion traf sich Robert Kennedy auf Empfehlung des
Journalisten Frank Holeman über seinen Pressesekretär Edwin O. Guthman zum ersten Mal mit dem
sowjetischen Agenten Georgi N. Bolschakow. Während der nächsten 18 Monate treffen sich
Bolschakow und Bobby ungefähr alle zwei Wochen, und alle wichtigen Informationen zwischen JFK
und Chruschtschow laufen unter Umgehung von Diplomatie und Verwaltung über diesen Kanal. Dies
ist riskant und muss geheim bleiben, da der aussenpolitisch unerfahrene Präsident die RusslandExperten des Aussen- und Verteidigungsministeriums und der CIA ausschaltet und die Rolle des
Staatssekretärs selbst übernimmt. RFK liess Chruschtschow vor dem Wiener Gipfel Anfang Juni
ausrichten, die aggressive Sprache des Präsidenten habe nichts zu bedeuten, er solle auf dessen
Taten achten.
Trotzdem staucht der russische Premier den unvorbereiteten JFK in Wien zusammen und stellt ihm
wegen der Berlin-Frage ein Ultimatum: Die Vereinigten Staaten, England und Frankreich hätten sechs
Monate Zeit, mit Ostdeutschland einen Vertrag über den Status Berlins zu unterzeichnen. Die
Allierten weigerten sich bisher, die Teilung Deutschlands anzuerkennen. Ohne Vertrag, so
Chruschtschows Drohung, würde die Sowjetunion einen eigenen Vertrag mit der DDR abschliessen,
was einen Atomkrieg bedeuten könne. Chruschtschow gibt sich hart und zuckt bei der Erörterung
nach den Auswirkungen eines Atomkrieges nur die Schultern. JFK ist beleidigt, wütend und
verzweifelt, und die Kennedys erklären sich Chruschtschows Verhalten mit ihrem Versagen in der
Schweinebucht. JFK geht davon aus, dass Berlin nicht der richtige Ort für eine Konfrontation ist, und
will sich in Vietnam an Chruschtschow rächen.
Bereits am 21.6.61 zieht Chruschtschow die Uniform eines Generalleutnants der Roten Armee an und
gibt die Unterzeichnung eines separaten Friedensvertrags mit Ostdeutschland und am 8.7.61 die
Erhöhung der sowjetischen Militärausgaben bekannt. Gekränkt durch die Kritik seiner Kuba- und
Seite [183]
Laos-Politik, aufgeschreckt von Chruschtschows Schachzug und überzeugt, dieser wolle seine
Standhaftigkeit prüfen, von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle unter Druck gesetzt und von
Dean Acheson gewarnt, ein Nachgeben um einen Zollbreit Boden käme einer Aufgabe von ganz
Westeuropa gleich, entscheidet sich JFK gegen ernsthafte Verhandlungen und für eine
Demonstration der Stärke. JFK hält am 25.7.61 im Fernsehen eine Ansprache, in der er die Nation
über die Berlin-Krise informiert und eine Erhöhung der Militärausgaben um $3,25 Mia. fordert. Um
die Sowjets davon zu überzeugen, dass die USA wegen Berlin einen Krieg riskieren würden,
thematisiert er öfters den Ausbau des Zivilschutzes. Die Antwort Russlands besteht in der Isolation
Westberlins, indem die ostdeutsche Staatspolizei am 13. August einen Stacheldraht zieht und mit
dem Bau der Mauer beginnt. JFK unternimmt nichts, als die Berliner Mauer gebaut wird. Kennedys
Weisses Haus hat schon vorher begriffen, dass der Ostblock eine Lösung braucht, die die
Abwanderung der Elite verhindert, und hat den Russen verschiedentlich versichert, er respektiere ihr
Recht, ihren Sektor und die Grenzen zu kontrollieren.
Entgegen seiner Rede am 25.9.61 vor der UNO-Vollversammlung, in der er ein von den USA
unterstütztes Programm für eine allgemeine Abrüstung umreisst, plant JFK eine erneute
Intensivierung der Aufrüstung, obwohl das Atombombenpotential der USA bereits 15468
Sprengköpfe mit 30'000 Megatonnen beträgt, was 1,5 Mio. Hiroshima-Bomben entspricht. Dagegen
verfügen die UdSSR nur über 1060 Atombomben. Am 16.10. geben die Russen bekannt, dass sie nicht
auf eine Entscheidung der Berlin-Frage in diesem Jahr drängen würden. Trotzdem provoziert General
Lucius Clay eine Konfrontation am Checkpoint Charlie durch Nichtbeachtung der ostdeutschen
Grenzwachen. Obwohl sich JFK öffentlich auf die Seite der Truppen stellt, löst er den Konflikt mit
Chruschtschow über Bolschakow, worauf die Panzer wieder abgezogen werden. Während dem
Kalten Krieg fliegen die USA 25'000 Spionageeinsätze über der DDR.
Quellen: Horowitz: 339-341, Marrs: 303, Collier/ Horowitz: 344-351, Hersh: 248-263, 335-350, Hübner/ Sperling, Afterbau: 6, 7,
Amara, Ramonet (2003b).
5.10. August 1961 Sex and Drugs
John Kennedy sieht Judith Campbell nach wie vor regelmässig. Seit dem 4.11.60 weiss Campbell, dass
sie wegen ihrer Kontakte zu Giancana überwacht wird. Jacks Reaktion auf die FBI-Befragungen ist
immer, dass sie sich wegen dem FBI keine Sorgen machen solle, obwohl sie von den Agenten wie
eine Hure behandelt wird. Die sexuellen Beziehungen Campbells mit JFK und Giancana sind Hoover
bekannt. Am 8.8.61, nachdem JFK sie beim Mittagessen mit Dave Powers blossstellte, weil sie sich
über ihn aufgeregt hatte, als er eine andere Frau für ein ménage à trois ins Schlafzimmer brachte,
trifft JFK sich mit Sam Giancana in Washington. Das FBI setzt am selben Tag eine Wanze an Giancanas
Lieblingsort Armory Lounge im Forrest Park. Giancana gelingt es dafür, Richard Cain in die Special
Group on Organizes Crime von Sheriff Richard Ogilvie in Chicago einzuschleusen.
Jack hat auch ein Verhältnis mit Mary Pinchot Meyer, der Ex-Frau des CIA-Agenten Cord Meyer und
Schwägerin von Ben Bradlee. Cord Meyer ist der Assistent von Tom Bradens verdeckten Operationen
und mit Buckley und Angleton befreundet. Auch CIA-Agent Richard Ober ist befreundet mit Ben
Bradlee, der einen privilegierten Zugang zum Präsidenten hat und von diesem als Medienkanal
benutzt wird. Der Journalist bei Newsweek und spätere Herausgeber der Washington Post kooperiert
dank Phil Graham eng mit der CIA. Nach anderen Quellen hat die attraktive Kunstbegeisterte kein
sexuelles Verhältnis mit JFK, wird aber zunehmend zu einer der wichtigsten Beraterinnen und ist
damit die einzige Frau mit einer politischen Funktion in seinem Umfeld.
Seite [184]
Mary, die auch ein Verhältnis zu Timothy Leary hat, wird am 12.10.64 angeblich von einem
Sexualtäter ermordet. CIA-Gegenspionage-Chef James Angleton geht persönlich in Marys Haus, noch
bevor die Polizei auftaucht, und sucht zusammen mit Bradlee und Cord Meyer ihr Tagebuch. Darin
beschreibt sie, dass sie Jack zwei- bis dreimal pro Woche im Weissen Haus besucht, wenn Jackie nicht
dort ist. Mary träumt davon, dass er sich nach seiner Präsidentschaft scheiden lässt und mit ihr
zusammen wohnt. Einmal beschreibt sie, wie sie in ihrem Schlafzimmer Marihuana rauchen und
einen LSD-Trip probieren. Der Präsident verspricht ihr auch, Kokain zu besorgen: "Wir haben nächste
Woche eine Drogenkonferenz hier im Weissen Haus." Die Entourage sorgt sich darüber, dass JFK
unter dem Einfluss von LSD den "Knopf" drücken könnte. Die Beziehung dauert bis zu seiner
Ermordung. Danach plant sie, ein Buch über ihre Affäre zu schreiben. Offenbar wird ihr Tagebuch von
Angleton nach ihrem Tod verbrannt. Die verschiedenen Versionen der Beteiligten lassen darauf
schliessen, dass Mary von der CIA umgebracht wurde, weil sie Informationen, die vermutlich auch
seine Ermordung betreffen, an die Öffentlichkeit bringen will.
1962 wird Philipp Graham, dem Mary offenbar Insider-Informationen weitergegeben hat, zuerst in
die Klinik Chestnut Lodge verfrachtet, weil er sein Schweigen bricht. Viele Leute behaupten, Chestnut
Lodge sei eine Gehirnwäschestation. Graham war mit Katherine Graham Meyer, der Tochter von
Eugene Meyer verheiratet, welche die Washington Post und andere Medien-Imperien geerbt und
aufgekauft hatte. Die Washington Post, die Katherine Graham leitet, hat eine lange Beziehung zur
CIA. Katherine bestach mehrere Psychiater, damit die ihren Mann für geistesgestört erklären.
Während der Urlaube besucht der liberale Redaktor drei Mal seinen Anwalt Edward Bennett
Williams, der für die CIA und mit Maheu arbeitet, und ändert sein Testament. Im August 1963
erschiesst er sich angeblich selbst.
Nach Kennedys Ermordung sagt Mary zu Timothy Leary bezugnehmend auf Vietnam: "Die konnten
ihn nicht mehr kontrollieren. Er hat sich zu schnell verändert. Er hat zu viel erfahren." Mary
konsultiert Leary nach dessen eigenen Angaben wegen Drogenkonsums. Leary kam bei seinem
Besuch in Mexico 1960 nach dem Genuss von Pilzen in eine mythische Ekstase und widmete sich
dann nur noch den Halluzinogenen. Versuche führte der Psychologie-Professor an der Harvard
Universität vor allem mit seinen Studenten durch. 1963 wird er gefeuert und bestellt bei Sandoz 100
Gramm LSD und 25 Kilogramm Psilocybin, was einer Million LSD-Trips und 2,5 Millionen PsilocybinDosen entspricht, wobei er gleich eine Anzahlung von $10'000 beilegt. Finanziert wird der LSD-Papst
vom Millionär William Hitchcock. Die CIA infiltrierte Learys Gruppe und benutzt Leary vermutlich zur
Animation des Drogenkonsums. Aufgrund der verschwundenen Dokumente ist schwer zu sagen, wie
gross der Einfluss der CIA ist. Mit seiner Bewusstseinserweiterungsthese, seiner Propaganda der
religiösen Renaissance und seiner Parole "turn on, tune in, drop out" entpolitisiert Leary jedenfalls
die amerikanische Studentenbewegung nachhaltig.
Als Leary 1969 gegen Ronald Reagan für den Gouverneursposten in Kalifornien kandidiert, wird er
wegen Drogendelikten zu 60 Jahren Gefängnis verurteilt. Im September 1970 gelingt ihm die Flucht
in die Schweiz, von wo er unter dem Deckmantel der ‚Brotherhood of Eternal Love' einen
Drogenproduktions- und -verteilapparat aufbaut. 1973 wird er in Afghanistan, dessen Präsident
Mohammed Duad mit der CIA zusammenarbeitet, verhaftet, aber 1976 bereits wieder freigelassen.
Aufschlussreich ist auch seine Campus-Debattier-Tour in den 80er Jahren mit G. Gordon Liddy, der
für das FBI, die CIA, Nixon und mit E. Howard Hunt und James McCord arbeitet und im WatergateSkandal unangenehm berühmt wird.
An der Harvard Universität arbeitet auch der klinische Psychologe und Jung-Schüler Henry A. Murray
(1893-1988), der auch ein Diplom in Biologie besitzt. Während dem 2. Weltkrieg arbeitete er für den
Seite [185]
Geheimdienst OSS und verfasste 1943 ein Psychogramm von Adolf Hitler, das seinen Selbstmord im
Falle einer Niederlage voraussagte und ihn als Homosexuellen charakterisierte. Mindestens von
1959-62 führt im Auftrag der Geheimdienste Experimente durch, unter anderem mit dem späteren
‚Unabomer' (university and airline bomber) Theodore ‚Ted' Kaczynski. Der 1942 geborene
Mathematiker schickt angeblich von 1978 bis 1995 16 Briefbomben an Universitäten und Fluglinien,
die drei Menschen töten und 29 verletzen. 1995 schickt er ein Manifest an mehrere Zeitungen,
dessen Schreibstil angeblich von seinem Bruder erkannt wird, worauf er 1996 verhaftet und 1998 zu
lebenslänglich verurteilt wird.
Quellen: Posener: 124-136, Weber: 49, Gregory/ Speriglio: 264f, DiEugenio (1997): 10-14, Best: 19, 21, Mason: 2-5, Burleigh,
Karel (1), Groden/ Livingstone: 321, Amara.
5.11. August 1961 Marilyn Monroe
Nachdem Kennedy das Präsidentenamt übernommen und Marilyns Befürchtung, dass er sie
fallenlassen könnte, sich nicht bewahrheitete, war sie exaltiert wie ein Teenager, weil sie den
‚wichtigsten Mann der Welt' liebt. Die beiden tricksen den Secret Service und die Papparazzi aus, um
sich möglichst unerkannt zu treffen, indem sie sich beispielsweise als Sekretärin verkleidet oder in
einem als Notfall getarnten Flug nach Palm Springs oder Cabo San Lucas fliegt. Am Telefon des
Weissen Hauses meldet sie sich als Miss Greene. JFK und Marilyn treffen sich oft bei den Lawfords,
und Marilyn und Patricia Kennedy Lawford werden enge Freundinnen.
Jimmy Hoffa hatte schon 1959 Fred Otash, ein Privatdetektiv aus Hollywood, und Bernhard Spindel,
der auch für die CIA arbeitet, angeheuert, um Belastungsmaterial gegen die Kennedys zu sammeln.
Im Sommer 1961 wird von Bob Maheu eine neue Truppe zusammengestellt, zu der neben Spindel
und Otash auch John Danoff gehört. Vor allem das Haus von Peter Lawford wird ab November 1961
abgehört. Hoffa bewahrt die Tonbänder mit dem Belastungsmaterial in seinem Safe auf und will sie
einsetzen, falls ihm die Entmachtung wegen Bobby Kennedy droht. Auch auf Fotos sollen JFK und
Marilyn eindeutig beim Sexualakt in verschiedenen Praktiken und Orten zu erkennen sein.
Im Sommer 1961 steht aber für Marilyn ihre Beziehung zu Frank Sinatra im Vordergrund, mit dem sie
im August ein Wochenende auf seiner Yacht verbringt. Er schenkt ihr Diamant-Ohrenringe im Wert
von $35'000, weshalb Marilyn hofft, dass Sinatra sie heiraten würde. Ihr Psychiater Ralph Greenson
stellt sich gegen ihre Beziehung zu Sinatra, den er als destruktiv beurteilt.
Sinatra überzeugt sie auf Initiative von Jack hin, Pat Newcomb, eine gute Freundin von Bobby, als
Presseagentin anzustellen. Damit gewinnen die Kennedys die Kontrolle darüber, was Marilyn macht
und was an die Presse geht. Die Brüder wissen allerdings nicht, dass Marilyn alles Wichtige, was sie
von ihnen erfährt, in ihrem Tagebuch notiert, und dass ihr Therapeut Greenson sie als
Informationsquelle für die Komintern missbraucht.
Die Schauspielerin wird von beiden Seiten kontrolliert und ausgenützt. Greenson setzt bei Marilyn
durch, dass sie ihren Masseur Ralph Roberts entlässt und die Psychiatrieschwester Eunice Murray als
Haushälterin einstellt, womit Greenson eine starke Kontrolle über sie erhält. Eunice war die Frau von
John Murray, der in Mexico für die Komintern arbeitete. Entgegen aller psychoanalytischen Regeln
baut Greenson eine persönliche Beziehung zu Marilyn auf. Sie wird ein Bestandteil seiner Familie und
befreundet sich mit seiner Tochter und seinem Sohn.
Greenson schaltet sich in ihre Karriere ein, indem er sie überredet, im Film "Something's got to give"
zu spielen. Er wird faktisch ihr Filmagent und zieht im Hintergrund die Fäden mit der Fox, indem er
durchsetzt, dass Henry Weinstein den Produzenten David Brown ersetzt. Kurz danach wird auch
Seite [186]
Robert Goldstein durch Peter Levathes ersetzt, ernannt von Milton Gould, John Loeb und Samuel
Rosenman, die alle drei mit den Kennedys assoziiert sind. Greenson dominiert Marilyns Leben je
länger je mehr in allen Bereichen und stellt sich gegen viele ihrer Männerbeziehungen, wobei er
natürlich nichts gegen die Beziehungen zu den beiden Kennedys einzuwenden hat. Nachdem Sinatra
sie fallenliess und überraschend seine Verlobung mit Juliet Prowse bekanntgibt, konzentriert sie sich
vermehrt auf den Präsidenten und den Justizminister.
Quellen: Wolfe: 359-390, Summers (1993): 297f, Brown/ Barham: 285, Gregory/ Speriglio: 220-225, Best: 15, Carey/ Olgiatti,
Lewens/ Wall.
5.12. September 1961 US-Geheimdienste
Allen Dulles, Charles Cabell und Richard Bissell werden wegen dem Scheitern der
Schweinebuchtinvasion aus der CIA entlassen. Richard Helms und der neue CIA-Direktor John A.
McCone, ein reicher Geschäftsmann, ersetzen sie.
McCone arbeitete im Stahl- und Ölraffineriesektor und war Präsident der California Shipbuilding
Corporation, die 1944 angeklagt wurde, bei einer Investition von $600'000 Profite von $44 Mio. aus
Regierungsaufträgen herausgezogen zu haben. Die "Calship" gehört Henry J. Kaiser, einem Partner
von Howard Hughes. Nach dem Krieg hatte McCone Aktien im Wert von $1 Mio. bei der Standard Oil
of California Rockefellers und arbeitete unter anderem für das Verteidigungsministerium und die
Atomenergiekommission. Mit der Ernennung McCones, der sich an der Kampagne für Eisenhower
beteiligte, will Kennedy einen Aussenstehenden an die Spitze setzen und das rechte Spektrum
beruhigen. Charles Cabell, der Kennedy als Verräter bezeichnet, wechselt ins Pentagon, arbeitet bei
der CIA-Front Air America und mit Robert Maheu in dessen Detektivbüro, das für Hughes und die CIA
tätig ist.
Mit Howard Hughes verhängt sind auch E. Howard Hunt, G. Gordon Liddy, Richard Nixon, J. Edgar
Hoover und James Jesus Angleton. Robert Kennedy betreibt geheime Untersuchungen über die
Verbindung von Hughes und Nixon. 1959 wurden die ersten der bestellten Boing für die TWA
geliefert, und Hughes konnte das Problem der Finanzierung nicht länger aufschieben. Da die TWA
1956 $2,3 Mio., 1957 $1,5 Mio..und 1958 $1,7 Mio. Verluste schrieb, bekam er keine weiteren
Kredite, insbesondere weil er seine absolute Kontrolle nicht aufgeben wollte. Im März 1960
verhinderte er aus dem gleichen Grund einen Kredit über $265 Mio, den TWA-Präsident Charles
Thomas arrangierte. Um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, verkaufte er sechs seiner neuen
Boing 707 an die Pan Am.
Im folgenden Streit verklagt ihn die TWA-Spitze wegen Missmanagement über $483 Mio., und
Hughes wird verklagt, mit seinen Deals zwischen Hughes Aircraft und TWA das Antitrustgesetz
verletzt zu haben. Der drogensüchtige und abgemagerte Milliardär, der 56 Anwälte beschäftigt,
weigert sich, vor einem Gericht zu erscheinen, weshalb die TWA Frederick Furth und ein Team unter
dem ehemaligen FBI-Agenten Alfred E. Lecky auf seine Spurensuche schickt. Maheu und Chouinard
finden einen Schauspieler, der arbeitslos ist, weil er Hughes stark gleicht, mit dem die Detektive
verwirrt werden können. Robert Kennedy verunmöglicht den TWA-Verkauf für $546 Mio. wegen den
Anti-Trust-Klagen und entlarvt die bei der Bank of America als Sicherheit hinterlegten Landanleihen
im Wert von $73 Mio. als Fälschungen.
JFK verlangt in einer geheimen Weisung an die Vereinten Stabschefs, einen neuen Invasionsplan für
Kuba auszuarbeiten. Nach dem Fiasko der Schweinebucht bewilligt JFK am 4.11.61 das Programm
Seite [187]
TASK FORCE W. unter Leitung von General Edward Lansdale, ein stark erweitertes Programm gegen
Castro.
Verteidigungsminister Robert McNamara gründet aufgrund des Versagens der CIA in der
Schweinebucht den neuen militärischen Nachrichtendienst Defense Intelligence Agency, der die
militärischen Geheimdienste koordinieren soll. Trotz einem Stab von mindestens 14'000 CIAMitarbeitern gibt es immer wieder Pannen. Viele der Fehlinformationen der CIA sind aber bewusste
Täuschungen, um beispielsweise mit der Behauptung, die UdSSR besässe 175 Divisionen, die
Rüstungsausgaben zu legitimieren. Aber in Gehlens Organisation, der diese Zahl lieferte, wird der
ehemalige SS-Mann Heinz Felfe enttarnt, der der UdSSR über zehn Jahre lang Informationen
weitergab.
Neben den regulären Agenten verfügt die CIA 1961 über 605 Tarneinheiten in den Streitkräften oder
der Militärverwaltung. Allein die Air America, die den geheimen Krieg in Laos führt, setzt 8000 Mann
ein, die über die Agency for International Development finanziert werden. Daneben unterhält die CIA
die Fluggesellschaften Air Asia, Civil Air Transport, Intermountain Aviation und Southern Air
Transport. Dazu kommen private Tarnfirmen wie die Pacific Corporation oder Double-Check
Corporation, deren Hauptaufgabe die Durchführung geheimer Operationen ist.
Bei der National Security Agency arbeiten etwa 24'000 Agenten in der Zentrale in Fort Meade,
Maryland, und etwa 8000 Mann im Ausland. Die Luftwaffe (Air Force Intelligence und National
Reconnaissance Office) beschäftigt 56'000, das Heer (Army Intelligence) 35'000 und die Marine
(Office of Naval Intelligence) 15'000 Mann im Nachrichtendienst. Dazu kommt das Personal des
Bureau of Intelligence and Research des Aussenministeriums, der Nachrichtendienst der
Atomenergiebehörde und das Federal Bureau of Narcotics/Drug Enforcement Agency, die ebenfalls
politischen Nachrichtendienst betreibt und die United States Information Agency. Insgesamt kann
man von etwa 200'000 Personen in den Auslandgeheimdiensten der USA und etwa 750'000
Informanten ausgehen, wobei die Sowjetunion über ähnliche Personalbestände verfügt.
Die Zahl der FBI-Agenten liegt 1972 offiziell bei 8900 Agenten, nach anderen Quellen bei 20'000,
unbekannt ist die Anzahl der Informanten und Spitzel. Im Inland tätig ist auch der Secret Service des
Finanzministeriums, das Alcohol, Tobacco, and Firearms, das Defense Investigative Service und das
Defense Security Agency des Pentagons, das Defense Industrial Security Command, die
Geheimpolizei, die Law Enforcement Intelligence Unit oder die Special Services Staff. Kenner
schätzen die Zahl der US-Geheimdienstorganisationen auf 24.
Eine parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste findet faktisch nicht statt, auch nicht über die
Finanzen, da mindestens 80% der offiziellen Mittel im Rüstungs-, Entwicklungshilfe-, Flüchtlingshilfeund Forschungsetat versteckt sind, und Gewinne aus Tarnfirmen und ihren Beteiligungen, aus
Drogen- und Waffenhandel sowie aus Devisen- und Börsenspekulationen laufen über Geheimkonten.
Die meisten Waffenhändler und Waffenhandelsgesellschaften sind von Regierungen abhängig und
verfolgen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ziele. Beispielsweise wird die
International Armament Corporation, die als grösster "privater" Waffenhändler gilt, von den
Geheimdiensten betrieben. Sie liefert Waffen, wenn die Regierung es nicht offen kann oder will,
beispielsweise an die exilkubanischen Söldner oder die Portugiesen für ihre Kolonialkriege in Angola,
Mozambique oder Guinea-Bissau. Im Fall Katangas wurden die Waffen an Moise Kapenda Tshombé
zum Sturz Lumumbas über die Agency for International Development finanziert. Die Geheimdienste
streichen bei den Waffendeals Kommissionen ein.
Seite [188]
Ted Szulc schätzt die Aufwendungen der US-Geheimdienste Mitte der 70er Jahre auf $25 Mia. (NSA
$11 Mia, CIA $6 Mia, Aussenministerium $5 Mia, DIA $3 Mia, und FBI $2 Mia.). Diese Zahlen sind
vermutlich realistisch. Die Kosten der NSA ergeben sich aus der hoch entwickelten
Aufklärungstechnik (am 10.8.60 wird der erste Aufklärungssatellit Discover 13 gestartet, und bis 1978
werden insgesamt 1600 Satelliten auf eine Umlaufbahn geschossen) und dem hohen
Personalaufwand zur Dekodierung und Auswertung. Die von Truman 1952 gegründete NSA, lange
Zeit als "No Such Agency" kommentiert, unterhält Mitte der 60er Jahre 2000 Abhör- und
Messstationen um die Länder des Warschauer Paktes und in Asien, und in Europa fangen 50'000 USSoldaten den Funkverkehr und die Radarsignale ab. Das Aussenministerium unterhält
geheimdienstliche Abteilungen in den Botschaften und Konsulaten, in denen neben den 3300
Diplomaten offiziell 1100 Agenten arbeiten. Dazu kommen die Militärattachés des
Verteidigungsministeriums.
Nachrichtenauswertung wird im grossen Stil betrieben. Die CIA führt Akten über ungefähr 7 Mio.
Personen, fast alle davon im Ausland. 1968 wertet die CIA monatlich 200'000 Druckerzeugnisse aus,
und allein für die Auswertung sowjetischer wissenschaftlicher Literatur werden $100 Mio. jährlich
ausgegeben. Jede einzelne Radiomeldung auf der ganzen Welt wird aufgefangen und ausgewertet.
Viel Geld braucht die CIA auch zur Bezahlung ihrer Vertrauensleute wie den Dalai Lama, Syngman
Rhee, Tschiang Kai-schek, Mobutu, Diem, Forbes Burnham, Eduardo Frei, Willy Brandt, den
Präsidenten Nardone und den Geheimdienstchef Otero in Uruguay, den zweimaligen Präsidenten
José Figueres von Costa Rica, den die CIA 1953 zu stürzen versucht und 1958 stürzt, die
mexikanischen Präsidenten Adolfo Lopez Mateos, Gustavo Diaz Ordaz, Luis Echeverria Alvarez, den
kolumbischen Staatspräsidenten Alfonso Lopez Michelsen und Mitglieder der israelischen Regierung.
Kenias Präsident Kenyatta erhält $100'000 pro Jahr, Zyperns Präsident und Erzbischof Makarios und
Premier Bischof Muzorewa von Simbabwe-Rhodesien je $1 Mio., König Hussein von Jordanien sogar
$2 Mio. Millionenbeträge kassieren auch Diktatoren wie Nguyen Van Thieu und Lon Nol. Manche wie
der philippinische Präsident Magsaysay, Papadopoulos in Griechenland, Idi Amin in Uganda oder
Joaquin Balaguer in der Dominikanischen Republik kommen erst mithilfe der CIA an die Macht. Idi
Amins Armee wird von israelischen Geheimdienstleuten beraten. Für die Staatschefs von
Südvietnam, Südkorea, Indonesien nach Sukarno, Somalia, Nicaragua, Ecuador und den Kaiser von
Äthiopien baut die CIA Leibwachen auf, die die Staatschefs überwachen, beeinflussen oder notfalls
auch stürzen, wie José Velasco Ibarra von Ecuador im November 1961. Auch Parteien wie die
australischen bürgerlichen Parteien, die belgische Sozialdemokratische Partei, die SPD, die
Sozialistische Partei Portugals (während der Krise 1975 mit monatlich bis zu $20 Mio.) werden von
der CIA finanziert.
Quellen: Weberman (1): 28, Schulz: 71-74, 126-136, 150-165, 170, Höfling: 258-262, Freyermuth: 38f, Schröder, Groden/
Livingstone: 314f, CIA-Info: 2, 13f, Brandt, Millegan: 7f, Best: 51ff, Ranelagh/ Treharne: 1, Hamilton-Paterson (1971): 151,
Roth/ Isecke, Brown/ Broeske: 323-331, Glaser (1971a).
5.13. Oktober 1961 Sturz von Cheddi Jagan
Am 25.10.61 hält JFK ein Meeting mit dem Premierminister Cheddi Jagan von Britisch-Guyana,
dessen sozialistische People's Progressive Party einen Monat zuvor an die Macht gekommen ist.
Jagan bittet um Unterstützung für sein Land, dessen Unabhängigkeit von Grossbritannien bevorsteht.
Jagans Fehler besteht darin, dass er sich als überzeugter Sozialist für die staatliche
Wirtschaftsplanung ausspricht. JFK antwortet ihm, die USA hätten schon oft Länder mit geringen
persönlichen Freiheiten wie Jugoslawien unterstützt. Solange er die nationale Unabhängigkeit
bewahre, spiele es keine Rolle, ob er Sozialist, Kapitalist, Pragmatiker oder was auch immer sei.
Seite [189]
In der direkt anschliessenden Geheimsitzung ordnet Kennedy seinen Sturz an. Die CIA baut die
Opposition auf, finanziert Medienkampagnen und organisiert über die AIFLD Streiks und Unruhen
zwischen Schwarzen und Ostindern. Im Februar 1962 brennt die Innenstadt von Georgetown und es
gibt 100 Tote. Im Juli 1963 marschieren britische Truppen ein und Jagan wird entmachtet. Die 1964
gebildete Koalition unter Forbes Burnham regiert das 1966 die Unabhängigkeit erlangende Guyana
mit autoritären Methoden. 1997 wird die 77jährige Witwe und gebürtige US-Amerikanerin Janet
Jagan zur Präsidentin gewählt.
Quellen: Epstein: 23, Meurice, Pons, Hartmann (1993a): 24, Hersh: 265-276, Schulz: 157, 328, CIA-Info: 14, Pletschinger/
Bredenbrock.
5.14. Oktober 1961 Rassenprobleme
William Hugh Morris, "Imperial Wizard" und "Emperor" des Ku-Klux-Klan, verkündet an einer
Clanversammlung, dass die Rassenprobleme der Südstaaten nur durch die Ermordung von Martin
Luther King gelöst werden könnten. Seit der Anführung des Busboykotts in Montgomery 1955,
währendem King verhaftet, mit Morddrohungen eingedeckt und sein Haus mit einer Bombe in die
Luft gesprengt wurde, ist der Präsident der Southern Christian Leadership Conference der
unumstrittene Führer der Bewegung für die Gleichstellung der ‚Rassen'. Während einer Buchsignatur
attackierte eine Schwarze den Prediger mit einem Messer, und King überlebte nur durch Zufall.
John Kennedy weiss relativ wenig über das Rassenproblem, und ihn interessieren die Schwarzen nur
als Wähler. Deren Stimmen sicherte er sich im Wahlkampf mit Angriffen auf Eisenhowers
Rassenpolitik, obwohl gerade zwei Gesetzesänderungen im Kongress traktandiert waren. Da Kennedy
seit seinem Amtsantritt nichts in Gang setzte, starteten King und 12 weitere Freedom Riders im Mai
zu einer Reise von Washington nach New Orleans, um die Einschränkungen der öffentlichen
Einrichtungen für Schwarze publikumswirksam zu demonstrieren. Bis Ende Mai füllten die Riders 2
Busse, die auf ihrer Reise angegriffen wurden. Selbst wenn die schwarzen Aktivisten verprügelt
wurden, schauten FBI-Agenten und Polizisten oft nur zu. RFK entsandte deshalb mehrere Hundert
Soldaten, um sie zu schützen. Am 23. Mai wurden alle Schwarzen in Jackson, Mississippi, verhaftet,
weil sie Toiletten für Weisse benutzt hatten. Die Bürgerrechtsbewegung startete daraufhin weitere
ähnliche Aktionen, auf die JFK dann mit einem Gesetz reagierte, das die Segregation in öffentlichen
Transportmitteln aufhob.
Das erste Mal werden Schwarze für wichtige Regierungsstellen angestellt, was zu heftigen
Reaktionen von rassistischen Organisationen und weiteren Ausschreitungen führt. Carlos Marcello ist
ein begeisterter Anhänger des Ku-Klux-Klan und unterstützt grosszügig bürgerrechtsfeindliche
Organisationen.
Quellen: Davis (1988): 109f, Callahan: 138ff, Giefer.
5.15. Dezember 1961 Kennedys Konfrontationspolitik
Joe Kennedy erleidet am 18.12. einen Schlaganfall und verliert damit die Kontrolle über seine Söhne.
Joe hört, sieht und versteht zwar noch, kann aber wegen der Lähmung der rechten Seite weder
sprechen noch schreiben. Am 9.11. hörte das FBI Sam Giancana ab, als er sich beklagte, dass die
Mafia trotz der Wahlkampf-Unterstützung verfolgt werde. Hoover gab den Bericht an Bobby weiter,
der vermutlich erst jetzt über den Vertrag seines Vaters mit Giancana erfuhr. John Davis vermutet,
dass dieser Konflikt mit Bobby und der sich abzeichnende Machtkampf mit Giancana, der am 21.12.
mit ähnlichen Aussagen abgehört wird, zum Schlaganfall des Vaters führten.
Seite [190]
Der Kongressabgeordnete Bill Cramer plante ein Impeachmentverfahren gegen Vizepräsident Lyndon
B. Johnson wegen dessen Beziehung zu Billie Sol Estes, nachdem eine Wochenzeitung von Texas
behauptete, Johnson habe Estes $5 Mio. geliehen. Estes manipulierte die Unterstützungsprogramme
der Regierung für die Farmer, wobei er Millionen abzweigte. Der Untersuchungsbeamte des
Landwirtschaftsministeriums Henry Marshall, der sich besonders für die Freundschaft von Estes mit
Johnson interessierte, wurde am 3.6.61 eliminiert. Vermutlich hat Malcolm Wallace, der 1951 bereits
John Douglas Kiner umbrachte und bei LTV von David Harold Byrd arbeitet, Marshall ermordet.
CBS veröffentlichte, dass Johnson in einem Militärflugzeug zu einem Geheimtreffen mit Estes und
dessen Anwälten nach Dallas flog, worauf Hoover seine Erpressungsmittel gegen Cramer und die
Presse einsetzt und den aufkommenden Skandal verhindern kann. Die Johnson-Fraktion beschuldigt
die Kennedys, den Skandal angezettelt zu haben. Mindestens drei weitere Beteiligte in dieser Affäre
sterben eines eigentümlichen Todes. 1985 sagt Estes nach Straffreiheitszusicherung, dass Marshall
auf Befehl Johnsons ermordet wurde, um einen Skandal zu verhindern.
Richard Nixon plant sein Comeback und wird 1962 gegen Edmund Brown als Gouverneur Californiens
antreten, obwohl seine Frau mit Selbstmord drohte, sollte er wieder in die Politik einsteigen. Für die
Kennedys wärmen Dick Tuck und Tom Braden die Hughes-Schmiergelder wieder auf, wogegen H.R.
Haldeman, John Ehrlichman, Maurice Stans und Murray Chotiner eine Verleumdungskampagne
gegen Brown starten. Dieser gewinnt nach einem schmutzigen Wahlkampf mit Wanzen auf beiden
Seiten. Der depressive Nixon schlägt seiner Frau ein blaues Auge nach seiner Niederlage und kann sie
nur mit dem Versprechen, endgültig aus der Politik auszusteigen, von der Scheidung abhalten.
Braden wird während Nixons Präsidentschaft Jahr für Jahr von der Steuerbehörde überprüft und
befragt.
Quellen: Collier/ Horowitz: 357-365, Davis (1984): 339, Kessler (1997), Gregory/ Speriglio: 233ff, Cran, Summers (2000): 225232, 236f, Brown/ Broeske: 363, Theoharis/ Cox: 425-427, Marrs: 295, Anson: 321-325.
Seite [191]
6.
Teil (1962)
Dieser Teil der Chronik behandelt das zweite Jahr von Kennedys Präsidentschaft, mit dem
Schwerpunkt Kuba und der Ermordung von Marilyn Monroe.
Zentrale Themen und Personen:
Tod von Lucky Luciano, Carlo Gambino, Marilyn Monroe, Komintern, Judith Campbell, Schmiergelder, Frank Sinatra,
Invasionsspläne gegen Kuba, Destabiliserungsprogramme der CIA und der Exilkubaner, Jimmy Hoffa, Lee Harvey Oswalds
Rückkehr: George DeMohrenschildt und Undercovertätigkeit, Freedom Fighters gegen Kuba, Bobby Kennedys Bruch mit
Marilyn, Ermordung von Marilyn Monroe, Judith Campbell, Morddrohungen gegen die Kennedys, Kuba-Krise, Georgi
Bolschakow, Nikita Chruschtschow, Geheimabkommen, Ermordung von Enrico Mattei, Israel, Atombomben.
6.1. Januar 1962 Tod von Lucky Luciano
Lucky Luciano stirbt am 26.1. auf dem Flughafen von Neapel an einer Herzattacke, wahrscheinlich
aufgrund einer Dosis Strychnin. Er erwartete den Regisseur Michael Gosch, mit dem er einen Film
über sein Leben drehen wollte. Luciano ist zu einer lebenden Legende geworden und wollte daraus
Kapital schlagen, da seine Geldquellen versiegt waren. Er hatte seit 1947 um die $25'000 pro Monat
von seinen amerikanischen Freunden erhalten, bei denen er lange Zeit noch als Boss angesehen
wurde, obwohl er die USA nie mehr betrat. Kuriere brachten das Geld und Botschaften von Gambino
zu Luciano, der in allen wichtigen Streitpunkten immer noch das letzte Wort hatte.
Luciano verliebte sich in Neapel in die 26jährige ehemalige Tänzerin Igea Lissoni und versuchte
verschiedene legale Geschäfte wie eine Tomatenpaste- und Confettiproduktion aufzuziehen, die
fehlschlugen. Er unterstützte sogar wohltätige Aktionen des Priesters Francesco Scarpato, der eine
Klinik baute. Wegen des Misserfolgs verlegte er sich allerdings wieder auf den Heroinschmuggel über
neue Routen von Palermo nach New York. Trotz den notwendigen hohen Schmiergeldzahlungen
lohnte sich das Geschäft anfänglich. Nachdem Castro an die Macht kam, verlor Luciano einen
wesentlichen Teil seiner Einnahmen aus seinen Beteiligungen am Sans Souci und am Riviera, und die
monatlichen Geldbeträge verringerten sich, weshalb sich Luciano von Meyer Lansky hintergangen
fühlte.
Da sein Prozess ihn $2 Mio. gekostet und damit seine Ersparnisse weggefressen hatte, brauchte er
dringend eine andere Geldquelle, weshalb er schliesslich entschied, einen Film über sein Leben
drehen zu lassen. Gosch schrieb das Drehbuch, und Dean Martin sollte den Mafiaboss Luciano
spielen. Aber Thomas Eboli übermittelte ihm die Nachricht, dass Vito Genovese, Meyer Lansky, Joe
Bonanno, Tommy Lucchese und Carlo Gambino sich gegen sein Projekt ausgesprochen hätten, weil
sie keine Publizität wollten. Da dies seine Autorität in Frage stellte, entschloss sich Luciano zur
Gegenattacke: Er wollte die Kontrolle über den gesamten Heroinhandel von Europa nach den
Vereinigten Staaten übernehmen, um seine ehemaligen Verbündeten in die Knie zu zwingen. Luciano
verfügte immer noch über wichtige Kontakte zu Produzenten, Transporteuren, Verarbeitern und
Verkäufern und reaktivierte diese.
In Palermo gehörten Rosario Mancini, Antonio Sorci und Pietro Davi zu seinen Vertrauten, die seine
Geschäfte erledigten, obwohl Luciano sich über die sizilianische, in seinen Augen rückständige Mafia
nur abschätzig äusserte. Die Drogengeschäfte der neuen Familien von La Barbera und der Grecos
florierten jedenfalls prächtig. Luciano befahl die Isolierung des aufstrebenden Totò Greco, der einen
selbständigen Rauschgifthandel aufziehen wollte, und machte Angelo La Barbera zu seinem GangChef. Als La Barbera bald darauf Calcedonio di Pisa umbrachte, was einer Kriegserklärung gegen die
Grecos gleichkam, verschwand er kurz darauf.
Seite [192]
Unterdessen hatte die Kommission in New York bereits Lucianos Eliminierung beschlossen, und Pat
Eboli überbrachte ihm am 17.1.62 diese Nachricht, mit dem Hinweis, dass Carlo Gambino bereits
seinen Platz als Vorsitzender der Kommission übernommen habe. Eboli meinte, dass er vielleicht sein
Leben retten könnte, wenn er das unterzeichnete Original des Filmskripts der Kommission übergebe,
weshalb Luciano Martin Gosch sofort telefonierte und ihn mit dem Script nach Neapel bestellte. Die
Polizei verhaftete Luciano nach dem abgehörten Telefon, weil sie meinte, "Script" sei ein Codewort
für Heroin. Nach den Verhören entliess die Polizei Luciano, der bereits zwei Herzattacken hinter sich
hatte, am 25.1.62. Am nächsten Tag holt Lucinao Gosch in Begleitung von Eboli am Flughafen
Capodichino ab und stirbt unmittelbar nach der Einnahme von Pillen an einer Herzattacke. Es lässt
sich nicht eruieren, ob die Greco-Familie oder die Mafia von New York ihn ermordet hat oder sein
Herzinfarkt der Ermordung zuvorgekommen ist, da die Tablettenschachtel verschwand.
Auf dem Friedhof der St. Johns Kathedrale in New York, wo Luciano beigesetzt wird, findet sich
folgender Nachruf: "SALVATORE CARMELO LUCIANO / Er kämpfte für Ordnung und Gerechtigkeit /
für Demokratie und für die Unterdrückten / Er gab den Armen und tat nur Gutes / Er hat sich um die
USA verdient gemacht / ER WAR DIE LIEBE".
Nachdem Carlo Gambino die Führung der Anastasia-Familie nach Apalachin übernommen hatte,
blieb der Hafen unter der Kontrolle von Anthony Anastasio, der am 5.3.63 stirbt. Danach übernimmt
Anastasios Schwiegersohn, der 29jährige Anthony Scotto, die Kontrolle des Hafens und wird zum
Vizepräsidenten des Local 1814 der Teamsters mit seinen 16'000 Arbeitern gewählt. Gambino
ernennt "Young Tony" Scotto, der gute Kontakte zu John V. Lindsay, dem Bürgermeister von New
York, und zu Johnson hat, zu seinem Berater. Gambino baut sich in den 60er Jahren das reichste und
diversifizierteste Verbrecherkonglomerat auf, das neben den Docks den JFK-Flughafen, die
Abfallentsorgung, die Wallstreet-Börse, wichtige Bauprojekte in Manhattan, grosse Teile der
Bekleidungsindustrie und den Heroinschmuggel aus Sizilien kontrolliert. Der erste Boss auf dem
Flughafen ist der Schwiegervater seines Sohnes, Tommy Lucchese, dessen Leutnants Tony "Ducks"
Corallo und John Dioguardi den Umschlag, Transport und Diebstahl der Waren und das TeamsterLocal 295 der 1500 Cargoarbeiter überwachen. Gambino arbeitet mit Lucchese zusammen und
übernimmt dessen Anteile 1967, als dieser an den Folgen eines Hirntumors stirbt.
Neben dem Flug- und dem Schiffshafen verdient Gambino vor allem am Heroinschmuggel, der
seinem Leutnant Joseph "Joe Banty" Biondo unterstellt ist. 1948 unternahm Gambino eine Reise
nach Sizilien, wo er mit Luciano den Heroinschmuggel von Sizilien nach New York organisierte. Ein
weiterer Leutnant, Carmine "the Doctor" Lombardozzi, ist für die Aktienmanipulationen, WertpapierDiebstahl und Erpressung an der Wallstreet zuständig. Bonannos Anwalt William Power Maloney ist
oberster Rechtsberater der Securities and Exchange Commission, der Börsenaufsichtskommission.
70% des US-Kleiderverkaufs werden in Manhattan entworfen und produziert, wo Gambino ebenfalls
die Gewerkschaft und Firmen kontrolliert und erpresst. 1965 sichert sich Gambino die totale
Kontrolle über die städtische Abfallentsorgung und expandiert dieses Business auch ausserhalb New
Yorks. Neben Kreditgeschäften, Pornografie, Oben-Ohne-Bars oder Vertragsmord investiert Gambino
in Verkaufsautomaten, Möbelgeschäfte, Supermärkte, Transport- und Cateringfirmen und gründet
die Consultingfirma SGS Associates mit Henry Saltzstein und George Schiller. Gambinos
Firmenberatungshonorare beginnen bei $40'000. Mit seinen 24 Leutnants und etwa 100 Soldaten
leitet Gambino, der nie eine höhere Schule besucht hat, nicht Amerikaner ist und die englische
Sprache kaum beherrscht, eine Holding, für die etwa 4000 Personen arbeiten, wovon etwa 10%
Mafia-Mitglieder sind, und fast alle Geschäfte bar bezahlt werden. Dank seinen guten Beziehungen
zu Frank Costello wird Gambino vom FBI weitgehend in Ruhe gelassen.
Seite [193]
Joseph Profaci stirbt am 7.7.62 an Krebs und hinterlässt ein Vermögen von $200 Mio, das unter
seinen sechs Kindern aufgeteilt wird. Am 4.11.59 wurde Frankie "Shots" Abbatemarco, der König der
Number Rackets nach Dutch Schultz, erschossen. Er operierte auf dem Gebiet von Joseph Profaci und
war deshalb tributpflichtig, aber zahlungsunfähig, nachdem er einige grosse Verluste im Spielgeschäft
einstecken musste. Abbatemarcos Imperien übernahm Profaci selbst.
Profacis Nachfolger wird Joseph Magliocco, der sich mit Joseph Bonanno verbündet, um Tommy
Lucchese und Carlo Gambino auszuschalten. Sie werden jedoch von Joseph Colombo verraten. Durch
Vermittlung der Kommission kann ein Blutvergiessen verhindert werden, und Magliocco kommt mit
einer Busse von $40'000 davon. Joseph Colombo übernimmt das Erbe von Profaci.
Quellen: Raith: 91-93, Meurice, Davis (1994): 108-134, Behr: 184, Delorme: 99-124, Torbitt: 18.
6.2. März 1962 Liaisons dangereuses
Marilyn Monroe fliegt, mit einem Zwischenstop in Florida, wo sie Jack im Hotel Fountainbleu trifft,
nach Mexico City in die Ferien. Über ihre Haushälterin Eunice Murray knüpfte sie Kontakt mit dem
Schwager Churchill Murray, der einen kommunistischen Propagandasender in Mexico betreibt und in
Verbindung zur sowjetischen und kubanischen Botschaft steht. Sie trifft auch Frederick Vanderbilt
Field, der ebenfalls vor seiner Verhaftung wegen kommunistischer Aktivitäten ins Exil floh. Marilyn
beginnt eine Affäre mit dem mexikanischen Drehbuchautor José Bolaños, der im Kreis der
kommunistischen Exilamerikaner verkehrt. Bolaños, ein Spitzel mit Kontakt zu E. Howard Hunt, dem
Chef der CIA-Station in Mexico, ist beleidigt wegen der kurzen Dauer der Affäre mit Marilyn. Da Field
zudem vom FBI scharf überwacht wird, liegt bei FBI-Direktor J. Edgar Hoover am 6.3.62 ein brisantes
Dossier auf dem Tisch, in dem vermerkt ist, dass die Liebhaberin des Präsidenten mit Kommunisten
in Kontakt steht.
Seit Weihnachten 1961 intensivierte sich Jacks Beziehung zu Marilyn Monroe, und sie trägt die Affäre
je länger je offener nach aussen, telefoniert ins Weisse Haus und erzählt ihren Freunden davon.
Marilyn ist offensichtlich stolz auf ihre Kontakte zum Präsidenten und beginnt erneut zu hoffen, dass
er sich von Jackie scheiden lässt und sie heiratet. Vor allem Justizminister Bobby Kennedy diskutiert
mit Marilyn über Politik und erzählt ihr von streng geheimen Aktionen der US-Regierung. Marilyn
unternimmt spezielle Anstrengungen, um Bobby in Diskussionen über Politik zu beeindrucken, und
ihr Psychiater Ralph Greenson hilft ihr, interessante Gesprächsthemen vorzubereiten. Sein Sohn
Danny stellt ihr sogar eine Liste zusammen mit Fragen für den Justizminister über den
vietnamesischen Diktator Diem, das HUAC, die Bürgerrechte und andere politische Aktualitäten. An
der Party im Januar 1962 schrieb sich Marilyn sogar seine Antworten auf. Die Kennedys selbst
werden damit zu einem Sicherheitsrisiko.
J. Edgar Hoover und John Kennedy lunchen am 22.3.62 zusammen, zum zweiten Mal seit der
Inauguration, wobei der FBI-Chef den Präsidenten darüber informiert, dass er seine Beziehung zu
Judith Campbell kennt und dass das FBI auf die Kontakte von Marilyn Monroe mit Frederick
Vanderbilt Field gestossen ist. Hoover schickte Robert Kennedy am 27.2.62 ein Memorandum, dass
festhielt, dass Judith Campbell, die mit den Mafiosi Giancana und Roselli in Kontakt steht, bereits
siebzig Mal ins Weisse Haus telefoniert habe. Campbell wurde von FBI-Beamten wegen ihrer
Beziehungen zur Mafia befragt, was Jack einmal mehr verharmloste. Robert Kennedy informierte
seinen Bruder nicht über das Memorandum, sondern wandte sich an seinen Vertrauten und VizeJustizminister Joseph Dolan, der Jacks Sekretärin Evelyn Lincoln verbot, weiterhin die Anrufe von
Campbell anzunehmen. Hoover sagt dem Präsidenten natürlich nicht, dass er die Beziehung seit 1960
Seite [194]
überwachen lässt, dass er Campbells Funktion als Informationskanal für das Anti-Castro-Plot kennt
und von der Zusammenarbeit von Giancana und Roselli mit der CIA weiss.
Bobby versucht seinen Bruder nach dem Treffen zu überzeugen, seine Kontakte mit Marilyn, Judy
und Frank Sinatra abzubrechen. Seit 1944 wurde gegen Sinatra wegen seiner erkauften
Ausmusterung aus der Armee, wegen Verführung mittels Eheversprechen und der angeblichen
Unterstützung von kommunistischen Organisationen ermittelt. 1950 bot sich Sinatra über einen ‚J. P.
Moore' FBI-Vizedirektor Clyde Tolson als Spitzel bei den Kommunisten in Hollywood an, was Hoover
ablehnte. 1955 startete Hoover aufgrund von Kommunismusvorwürfen des Faschistenführers Gerald
Smith aus dem Jahre 1946 eine grossangelegte Untersuchung, die trotz 400 Seiten Akten nicht
beweisen konnte, dass Sinatra ein Kommunist sei. Obwohl Hoover ein Foto von Sinatra mit den drei
Fischetti-Brüdern aus dem Jahr 1946 besitzt und dessen Beziehung zu Willie Moretti kennt, waren
seine Verbindungen zur Mafia für das FBI kein Thema. Die Informationen über Sinatras Beziehungen
zur Mafia kommen aus dem Justizministerium.
JFK interessiert sich immer sehr dafür, was um Sinatra läuft, und fragt Judy Campbell regelmässig
über kursierende Gerüchte aus. Sinatra seinerseits platzte beinahe vor Stolz, wenn ihn der Präsident
anrief. Am 23.9.61 lud ihn JFK noch ins Weisse Haus ein, als Jackie abwesend war. Am nächsten Tag
war der Sänger auch Gast in Hyannis Port, was später dementiert werden muss. Kennedys Berater
erklärten Sinatra am 27.2.62 aufgrund der im 19-seitigen FBI-Dokument nachgewiesenen
Mafiakontakte zur Persona non grata, worauf JFK auf weitere Besuche bei Sinatra verzichtet.
Im Januar fragte Peter Lawford seinen Bandkollegen Sinatra noch, ob JFK bei ihm in Palm Springs
während seiner geplanten Kalifornien-Reise übernachten könne, worauf Sinatra mindestens
$500'000 ausgab, um auf seinem Gelände einen Heliport und zusätzliche Gebäude für den
Präsidenten und den Secret Service bauen zu lassen. Statt dessen besucht JFK nun Sinatras Nachbarn
und Erzfeind Bing Crosby, wo er die Nacht mit Marilyn verbringt, die als seine neue Sekretärin
verkleidet mit der Air Force One am 24.3.62 nach Palm Springs geflogen wird. Sinatra ist so wütend,
dass er mit einem Vorschlaghammer auf der Landebahn herumhackt. Sinatra verletzt besonders, dass
sein "Freund" ihm keine persönliche Entschuldigung übermittelt und sich einfach nicht mehr meldet.
Auch Sam Giancana ist wütend, weil er meint, es sei Sinatras Fehler, dass JFK sich von ihm distanziert.
Da Sinatra alle Zusammenhänge zwischen den Kennedys und der Mafia kennt, wird er als
Fallengelassener zu einer Gefahr. Giancana überlegt sich deshalb, ob er Sinatra umbringen lassen
soll.
John Kennedy ist wütend über Hoover, bricht aber seine Verhältnisse weder zu Marilyn Monroe noch
zu Judith Campbell deswegen ab. Am Tag nach Hoovers Treffen mit dem Präsidenten ist Marilyn im
Beverly Hills in Los Angeles bei den Kennedy-Brüdern. Im April ist sie an der Fundrising-Party bei Fifi
Fell in New York anwesend. Judith Campbell übernimmt 1962 sogar eine zweite Funktion für Jack.
Eine Gruppe von kalifornischen Geschäftsmännern um Richard Ellwood schmiert den Präsidenten,
um Rüstungsverträge zu erhalten. Die Beziehung von Jack und Judy, die das Geld und drei Umschläge
mit Vorschlägen überbringt, wird innerhalb der General Dynamics Corporation bekannt.
Marilyn Monroe singt in einem $6000 teuren Kleid, das sie so nackt wie möglich lässt, das "Happy
Birthday" auf der Galaparty vom 19.5.62 für JFK, obwohl sie mit der damit verbundenen Absenz ihren
Filmvertrag mit der Twentieth Century-Fox aufs Spiel setzt. Robert Kennedy befürchtete, dass der
Auftritt Marilyns zu Schwierigkeiten innerhalb der Partei und zu Gerüchten über eine Beziehung der
Schauspielerin mit dem Präsidenten führen könnte, und versuchte sie überzeugen, nicht an die Party
zu kommen. Aber Marilyn blieb hartnäckig, weil sie hofft, Jackie mit ihrem Auftritt auszustechen.
Seite [195]
Jackie verzichtet auf die Teilnahme am Fest, nachdem sie ihn vor die Wahl gestellt und er sich für
Marilyn entschieden hat.
JFK versprach Marilyn, bei allfälligen Problemen mit dem Studio behilflich zu sein. Bis am 8.6.
geschieht trotz ihrem nicht bewilligten Auftritt nichts. Ihr Psychiater Ralph Greenson versprach der
Fox, Marilyn würde die ganze Zeit zu den Dreharbeiten zu "Something's got to give" erscheinen, und
ging am 10.5. für vier Wochen in die Schweiz. Trotz ihrer Krankheit bleibt sie nach ihren Auftritt an
der Party und verbringt die Nacht mit Jack. Der Secret Service überprüft Fotografen und Journalisten
und stellt sicher, dass nichts in der Presse erscheint. In Hollywood ist es ein offenes Geheimnis, dass
Kennedy und Monroe ein Verhältnis haben, aber die Presse stellt einen Präsidenten nicht bloss.
Marilyn erzählt sogar intime Details von ihrer Beziehung, etwa dass sich JFK nie Zeit nimmt für das
Vorspiel und es immer nur ruckzuck oder, aufgrund seiner Rückenprobleme, gar nicht geht.
J. Edgar Hoover trifft John Kennedy am 24.5.62 erneut, um ihn vor den Folgen einer Veröffentlichung
seiner Affären zu warnen. Judith Campbells Verhältnis mit der Mafia muss von Hoover nochmals
aufgebracht worden sein, denn JFK ruft seine Liebhaberin an, um ihr zu sagen, dass sie ihre
Beziehung beenden müssen.
Marilyn Monroe lässt der Präsident ohne eine persönliche Erklärung fallen. Wahrscheinlich weiss
Hoover nicht nur, dass sie mit verschiedenen Personen über die Affäre und ihre Heiratsträume
spricht, sondern kennt auch ihre Verbindungen zur Komintern über Murray und Field. Peter Lawford
fasst zuerst den Job, Marilyn zu informieren, dass sie JFK nie mehr sehen dürfe. Am Samstag, den
26.5., ruft Lawford Marilyn von Hyannisport aus an und meint, sie sei für den Präsidenten nur eine
von vielen zum Bumsen gewesen. Marilyn fällt aus allen Wolken und versucht, Jack auf seiner
Privatlinie zu erreichen und merkt, dass die Linie gekappt wurde. Sie wird auch im Weissen Haus
nicht mehr mit dem Präsidenten verbunden. Während dem Wochenende hat Marilyn einen
Zusammenbruch und versucht verzweifelt, Frank Sinatra in Australien zu erreichen. Sinatra, zu dem
JFK vier Monate zuvor den Kontakt abgebrochen hat, empfiehlt ihr, sich von ihm zu distanzieren. Pat
Newcomb zieht faktisch bei Marilyn ein und kümmert sich darum, dass Marilyn nichts an die Presse
bringt, indem sie sie mit Sedativen abfüllt. Marilyn schreibt Jack mehrere Briefe, die alle
unbeantwortet bleiben. Ihre Instabilität stellt für die Kennedys eine Bedrohung dar, da sie die
katholischen Musterehen des Präsidenten und des Justizministers in der Öffentlichkeit diskreditieren
könnte. Bill Thompson besucht Monroe deswegen und schärft ihr ein, den Mund zu halten. Am
nächsten Wochenende versucht Marilyn noch immer, JFK zu erreichen, weil sie eine Erklärung von
ihm will. Am Sonntag, den 3.6., pumpt sie sich mit Tabletten voll. Fox-Produzent Henry Weinstein
erreicht Greenson, der am 6.6. in Los Angeles ankommt.
Greenson will, dass sie den Film fertigdreht und verspricht Gould und Feldman, dass er Marilyn dazu
bringen könne. Aber in New York hat Samuel Rosenman nach einer Serie von Telefongesprächen mit
Robert Kennedy bereits am 4.6. entschieden, sie zu entlassen und eine Schadensersatzforderung von
$1 Mio. wegen ihren Absenzen bei den Dreharbeiten einzuklagen. Rosenman, ein enger Freund von
Bobby und von Clark Clifford, steht hinter der Kampagne der Fox, die Marilyn zum Schweigen
zwingen und ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zerstören soll für den Fall, dass sie redet. Der
Fox-Werber Frank Neill organisiert die Kampagne, wobei Marilyns psychischer Zustand für die
Probleme mit Fox verantwortlich gemacht wird. Am 8.6. erfolgt die Kündigung des Studios. Noch am
selben Tag bietet Bobby ihr seine Hilfe an, um ihre Loyalität zu sichern.
Marilyn findet im Filmproduzenten Darryl F. Zanuck einen Verbündeten, der sich gegen das
Management der Fox wehrt. Zanuck plant, zusammen mit dem ehemaligen Fox-Präsidenten Spyros
Seite [196]
Skouras die Kontrolle über die Fox mittels Aktienkäufen zurückzuerobern, worauf er Marilyn wieder
einstellen würde. Auch Dean Martin stellt sich auf ihre Seite und will künden, falls Marilyn nicht
wieder eingestellt würde. Als Joe DiMaggio hört, dass Marilyn von der Fox entlassen wurde, gibt er
seinen lukrativen Job in London auf und fliegt nach Los Angeles in der Hoffnung, dass ihre Karriere
nun nicht mehr zwischen ihnen stehe. Enttäuscht über ihre Entschlossenheit, für ihre Karriere zu
kämpfen, kommt es zu einer Auseinandersetzung, bei der er sie schlägt, so dass Greenson am 14.
Juni mit ihr ins Spital zu Dr. Gurdin fahren muss.
Zwischen dem 20.6. und dem 14.7. führt Marilyn in den Medien eine Offensive gegen die Fox. Am
23.6. treffen sich Bobby Kennedy und Marilyn auf Vermittlung von Peter Lawford im Beverly Hilton
Hotel. Dabei spielt er den Ritter in der Not, indem er sich angeblich einsetzt, damit das Studio seine
Entscheidung rückgängig mache. RFK versucht mit seiner gespielten Hilfe, sie versöhnlich zu
stimmen, wobei sich die beiden offenbar verlieben. Am 24.6. besucht er Marilyn zu Hause, und am
nächsten Tag weist Rosenman den Produzenten Peter Levathes an, mit Marilyn den Vertrag für die
Beendung von "Something's Got to Give" auszuhandeln. Während dieser Verhandlung am 28.6. bei
Marilyn steht Pat Newcomb hinter der Tür und notiert sich den Verlauf der Verhandlung, bei denen
die Fox auf die Forderungen von Marilyn eingeht. Bobby und Marilyn verbringen dieses Wochenende
grösstenteils zusammen. Am 4.7. sehen sich Marilyn und Bobby erneut bei den Lawfords, und der
Konflikt scheint beigelegt. Da RFK wegen der Verfilmung seines Buches "The Enemy Within" oft im
Studio ist, können sich die beiden regelmässig treffen. Sie spazieren am Strand und diskutieren oft
über Politik, wobei er sie in die geheimen Pläne zur Ermordung Castros und die
Wasserstoffbombenversuche in der Wüste von Nevada einweiht.
Quellen: Wolfe: 392-412, Gregory/ Speriglio: 210ff, Hersh: 102, 248-350, Cran, Collier/ Horowitz: 367-372, Bartholomew (4): 18,
Summers (1993): 288-292, Obenhause, Lewens/ Wall, Brown/ Barham: 138-157, 249ff, Carey/ Olgiatti, Giancana: 488.
6.3. April 1962 Invasionspläne gegen Kuba
Im Februar vereinbarten Richard Helms und Hoover, ihre jeweiligen Geheimaktionen gegenseitig zu
decken. Helms übernahm nach der Schweinebucht Richard Bissells Job als stellvertretender
Planungsdirektor und führt die Mordpläne gegen Castro weiter. Tracy Barnes, Favorit des
geschassten Dulles, baut die supergeheime Domestic Operations Division auf, und E. Howard Hunt ist
für verdeckte Aktionen zuständig. Hunt leitet das CIA-Mafia-Mordteam Operation 40, zu dem Rafael
'Chi Chi' Quintero, Luis Posada Carriles, Felix Rodriguez und Frank Sturgis gehören.
Die Anstrengungen der CIA, angetrieben von Kennedys Rachewille, zur Lösung des Kubaproblems
sind beträchtlich: In Miami, das zum Zentrum des Programms JM/WAVE ausgebaut wird, arbeiten
350 CIA-Abteilungsleiter mit je 4-10 Hauptagenten, von denen jeder wiederum 10-30 Agenten
vorsteht, an der Operation MONGOOSE und bilden damit die weltweit grösste CIA-Station der Welt.
Sie ist untergebracht im abgelegenen südlichen Campus der Universität von Miami im Gebäude der
Scheinfirma Zenith Technical Enterprises von Lindsay Hopkins. Die CIA rekrutiert in den 60er Jahren
vor allem Exilkubaner, die auf allen Stufen der Hierarchie in Miami die Mehrheit bilden. Insgesamt
arbeiten in Südflorida etwa 100'000 Leute für die CIA, viele davon auf getarnten Booten, die nach
CIA-Schätzung "die drittgrösste Flotte der westlichen Hemisphäre bilden".
Das Konzept von MONGOOSE geht zurück auf den Journalisten Tad Szulc von der New York Times.
Szulc traf sich Anfang November mit den Kennedys und Richard Goodwin, dem Koordinator für
kubanische Angelegenheiten. Szulc sollte nach einer Ermordung Castros in einer Vertuschungsaktion
enthüllen, dass sich Kennedy gegen Castro-Mordpläne der CIA gestellt habe. Theodore Shackley, der
mit William Harvey in Berlin war, wo auch Henry Kissinger für die CIA arbeitete, leitet die Operation.
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William Harvey plant auch die Ermordung von Che Guevara und Castros Bruder Raul. Er trifft sich mit
John Roselli am 8.4.62 in New York, worauf zehn Tage später die technische Abteilung der CIA 4 neue
Giftpillen liefert. Frank Sturgis arbeitet mit Roselli und John Martino an der CIA-Station in Miami, wo
selbst CIA-Beamte der den Decknamen John Rawlston benutzenden Roselli für einen Agenten halten.
Im Rahmen des ZR/RIFLE-Programms werden Christian David (WI/ROGUE) und Michael Mertz
(QJ/WIN) von der CIA angeheuert. Lucien Conein, der spätere Chef der Auslandsabteilung des DEA,
ist Kontaktmann von QJ/WIN. David und Mertz waren an dem Plan zur Ermordung und an Anti-OASAktionen beteiligt und werden beide am Tag des Kennedy-Attentats in Dallas sein.
Robert Kennedy unternimmt, neben den CIA-Aktivitäten, zusätzliche Versuche, um die Ermordung
Castros zu erreichen. Der CIA-Agent Charles Ford wird während der nächsten 18 Monate bis zur
Ermordung Kennedys als persönlicher Agent des Justizministers abgeordnet und unter falscher
Identität unterwegs sein, um Mafiabosse für die Ermordung Castros zu mobilisieren. Bobby ist
überzeugt, dass die Mafia nach wie vor eine Basis in Kuba hat und einen Attentäter finden könnte.
Gleichzeitig will er die Mafiosi austricksen, weil Ford nicht als Vertreter der Kennedys auftritt. Die CIA
erhält keine Berichte dieser gefährlichen Parallelaktion.
Neben der Ermordung Castros beabsichtigt die CIA, mithilfe von Propaganda und militärischer und
ökonomischer Sabotage, ausgeführt von kleinen Guerillateams, Bedingungen für eine interne Revolte
zu schaffen. JFK hat die Verantwortung für diese Aktionen General Edward Geary Lansdale
unterstellt. Lansdale hatte in Asien verdeckte Operationen geleitet und versuchte, als Vertrauter von
Diem seine Vorstellungen durchzusetzen. Er hoffte, zum Botschafter in Südvietnam ernannt zu
werden. Da Dean Rusk mit seinem Rücktritt drohte, falls Lansdale diese Schlüsselrolle bekomme,
wurde Lansdale versetzt und zum Chef der Kuba-Aktionen ernannt, obwohl ihm jede Erfahrung in
Lateinamerika fehlt.
Lansdale plant eine Invasion Kubas im Oktober 1962. Im Pentagon untersteht die Invasionsplanung
Admiral Robert Dennison, der Hunderttausende von Soldaten und Matrosen in militärischen
Übungen in der Karibik darauf vorbereitet. Im August beteiligen sich mehr als 65'000 Soldaten an der
Operation SWIFT STRIKE II. Kurz darauf üben 7500 Marines eine Invasion auf einer Insel bei Puerto
Rico unter dem bezeichnenden Namen Operation ORTSAC. Die Pläne und Vorbereitungen von
Material und Truppen sind vom Generalsstab und daher auch vom Präsidenten abgesegnet.
Aufgrund der amerikanischen Aktivitäten beschliessen Nikita Chruschtschow und Fidel Castro die
Stationierung sowjetischer Raketen zur Verteidigung Kubas.
Zur Kontrollgruppe des Anti-Kubaprogramms, der Special Group for Counterinsurgency unter dem
Vorsitz von General Maxwell Taylor gehören Robert Kennedy, John McCone, McGeorge Bundy,
Aussenminister Rusk, Verteidigungsminister McNamara, General Lyman Lemnitzer und Roswell
Gilpatric vom Pentagon sowie Edward R. Murrow, Direktor der United States Information Agency.
Keiner der Verantwortlichen getraut sich den Kennedys zu sagen, dass die Operation MONGOOSE
erfolglos sein wird, da der CIA in Kuba jede Operationsbasis fehlt. Das einzige, was funktioniert, sind
die Sabotageaktionen: Zum Beispiel werden mithilfe von ferngesteuerten Modellflugzeugen
Bakterien ausgesetzt, die die Zuckerrohrplantagen zerstören, Brandstiftungen vernichten die Ernten
oder die Warenbörsen werden zum Schaden von Kuba manipuliert. Resultat der Sabotage und der
Propaganda ist, dass Castro im April 1962 ein Handelsabkommen in der Höhe von $750 Mio. mit der
Sowjetunion unterzeichnet. . Aber bis im September werden die elf CIA-Sabotageteams auf der Insel
mit einer Stärke bis zu 250 Mann, aufgerieben.
Seite [198]
Die Kosten der Operationen belaufen sich auf mindestens $100 Mio. pro Jahr. Ausgerüstet mit
Schnellbooten, Flugzeugen, darunter B-26 Bomber, und Waffen aus den CIA-Depots von Missouri
und Virginia werden die geschätzten 3000 exilkubanischen Piloten und Kämpfer in Florida, Louisiana,
Virginia, Georgia, North Carolina, Arizona, aber auch im Dschungel von Guatemala, in Nicaragua und
Costa Rica trainiert.
Die gewalttätigste Gruppe der Exilkubaner ist die Alpha 66, zu der David Atlee Phillips die Verbindung
ist. Phillips war bis 1960 in Havanna stationiert und ist danach CIA-Koordinator für die Propaganda
der Kubainvasion. Antonio Veciana Blanch, Reinaldo Gonzalez und Manuel Rodriguez, der Oswald
sehr ähnlich sieht, leiten die Alpha 66. Der Bankier Veciana wurde vermutlich auf Empfehlung von
Julio Lobo Mitte 1960 von David Phillips in Havanna angeheuert. Dabei ging es um einen Plan von
Mario Garcia Kohly und Joseph Merola zur Destabilisierung der kubanischen Währung und um die
Logistik für Castro-Killer. Der Exilkubaner Kohly ist befreundet mit Bebe Rebozo und Richard Nixon
und diskutiert die Finanzsabotage mit William Pawley, Robert Cushman und Allen Dulles. Der CIAAgent Robert D. Morrow, der mit Hemming zusammenarbeitet, und Kohly fälschen von 1960 bis
1963 in Baltimore kubanische Pesos und Bezugsscheine, die sie zur Destabilisierung der Wirtschaft
nach Kuba schleusen.
Nach einem fehlgeschlagenen Attentatsversuch, eine Panzergranate gegen Castros Präsidentenpalast
einzusetzen, floh Veciana im Oktober 1961 in die USA, wo er im Auftrag von Phillips Anfang 1962 die
Alpha 66 aufbaut. Dazu rekrutiert er den ehemaligen Kommandanten der Second National Front of
Escambray, Eloy Gutierrez Menoyo als Militärchef. Der Alpha 66-Delegierte René Valdes arbeitet mit
Lawrence John Howard von Hemmings INTERPEN zusammen. Unterstützt wird die paramilitärische
Alpha 66 von Time-Life-Herausgeber und Skull and Bones-Mitglied Henry Luce mit $250'000. Nach
der Kubakrise attackiert die Gruppe russische Ziele auf der Insel, was trotz Gegenbefehl Kennedys
vom mittleren Kader der U. S. Navy toleriert und von der U. S. Army sogar aktiv unterstützt wird. Am
17.3.63 greift die Alpha 66 von Antonio Veciana einen sowjetischen Posten auf Kuba und zwei
kubanische Frachter an.
Phillips beauftragt Veciana auch, andere Anti-Castro-Aktivitäten zu bespitzeln, wie die von Somoza
mitfinanzierte Cellula Fantasma-Aktion von Frank Sturgis, Julio Lobo, Pedro Diaz Lanz und Sergio
Rojas, bei welcher die beiden Piloten Robert Swanner und Robert Thompson beim Abwurf von
Flugblättern über Kuba ums Leben kommen. Sturgis organisierte im Oktober und Dezember 1961
Bombenabwürfe, Flugblattaktionen und Waffenschmuggel für den kubanischen Untergrund. Im März
1962 stellte er Präsident Kennedy im Fountainbleu Hotel in Miami Beach Ex-Präsident Carlos Prio
Socarras vor.
Aufgrund der fehlenden Basis auf Kuba kommt nach der gescheiterten Invasion der Exilkubaner
eigentlich nur eine Invasion der US-Armee in Betracht. General Lemnitzer unterbreitet Kennedy
einen vom Vereinigten Generalsstab akzeptierten Plan, einen verdeckt geführten Terrorkrieg gegen
das eigene Land zu starten und die Verantwortung dafür den Kubanern in die Schuhe zu schieben,
um die öffentliche Unterstützung für eine Invasion zu gewinnen. Die Operation NORTHWOODS sieht
Ermordungen auf offener Strasse vor, Bombenanschläge in Washington und Miami,
Flugzeugentführungen und das Versenken von Flüchtlingsbooten aus Kuba, was den Kubanern in die
Schuhe geschoben werden soll. Ausführlich geplant ist, eine amerikanische Chartermaschine mit
Studenten an Bord auf dem Flug in die Ferien nach Guatemala, Jamaika oder Venezuela durch eine
Drohne zu ersetzen, die von angeblich kubanischen MIG-Jets abgeschossen wird. Die Publikation von
Listen der Opfer in den Zeitungen würde eine brauchbare Welle der Empörung auslösen, prophezeit
der Plan, der aber von McNamara abgelehnt wird. Kennedy setzt Lemnitzer einen Monat später ab.
Seite [199]
Unterdessen leben eine Viertelmillion Kubaner in den USA. Bis Mitte der 70er Jahre erhält die
kubanische Exilgemeinde über $2 Mia. Direkthilfe aus Washington, was nicht verhindert, dass Miami,
wo zwei Drittel der 1,5 Mio. Kubaner sich bis Ende des Jahrhunderts niederlassen, zu einer der
ärmsten und gefährlichsten Städte der USA degeneriert. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt unter der
Armutsgrenze, die Kriminalitätsrate liegt zweieinhalb Mal über dem Landesdurchschnitt.
JM/WAVE muss 1965 aufgegeben werden, nachdem bekannt geworden ist, dass mit den
bereitgestellten Flugzeugen Drogen geschmuggelt werden. Nach der Auflösung des Programms
arbeiten die meisten Beteiligten im Drogenhandel und in der Terrorszene weiter.
Quellen: Hersh: 268-273, 278f, 286ff, 345-352, Ranelagh/ Treharne: 2, Herzka: 8, Potter: 2, Best: 37f, Collier/ Horowitz: 365f,
Abramovici/ Decornoy: 10, Callahan: 99f,128, Anson: 257-274, Amara, Weberman (7): 67-71, 83, 109, (12): 54-94, CNPC: 19ff,
Summers (2000): 186f, Tarpley/ Chaitkin: 95, Biermann, Karel (2003), Bülow (2003): 230, Hager, Avery.
6.4. Mai 1962 Get Hoffa
Der Teamster-Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa wird am 18.5.62 verhaftet, in Handschellen abgeführt
und wegen Bestechung angeklagt: Er erhielt über die Lastwagenfirma Test Fleet Company, die unter
dem Namen seiner Frau läuft, $ 1 Mio. an unrechtmässigen Zahlungen. Das "Get Hoffa Squad" unter
Walter Sheridan schafft es, 201 Anklagen und 126 Verurteilungen von Teamsters-Mitgliedern
durchzubringen. Hoffa versucht im Sommer einen Schützen auf RFK anzusetzen, der den
Justizminister für $25'000 erschiessen soll. Offenbar verbietet ihm Sam Giancana aber, ein Attentat
ausführen zu lassen, weil er befürchtet, dass eine unprofessionelle Aktion nur noch weitere
Schwierigkeiten verursacht.
Im September erzählt Hoffa dem Teamster-Boss von Baton Rouge und vermeintlichen MarcelloVertrauten Edward Partin von Plänen, den Justizminister oder den Präsidenten umlegen zu lassen,
entweder durch eine Brandbombe auf sein Haus oder durch einen Schützen mit Zielfernrohr, wenn
er mit offenem Dach fährt, irgendwo im Süden, wo man die Schuld den Segregationisten in die
Schuhe schieben könne. Partin hat selbst eine lange kriminelle Vergangenheit, willigt aber in die
Zusammenarbeit mit dem Justizministerium ein und wird Kronzeuge. Im ersten Jahr von Bobbys
Kampf wurden 121 Mobster angeklagt und 73 verurteilt. Bis Ende 1962 sind es 350 Anklagen und 138
Verurteilungen, und bis Ende 1963 615 Anklagen und 288 Verurteilungen.
Der Prozess gegen Hoffa und den United Auto Workers-Gewerkschaftsboss Johnny Dioguardi endet
ohne Verurteilung, aber am 9.5.63 erfolgen weitere Anklagen wegen Richter-Bestechung.
Quellen: Davis (1994): 97, (1988): 330-338, 408, Marrs: 171-173, Weberman (21): 37, Gregory/ Speriglio: 254, Best: 14, 41.
6.5. Juni 1962 Lee Harvey Oswalds Rückkehr
Harvey Oswald bat die US-Botschaft am 13.2.61 um Unterstützung, um in die USA zurückzukehren.
Während Oswald auf die Antwort Snyders wartete, lernte er über seinen Chef in der Radiofabrik,
Alexander Ziger, Mitte März die attraktive 19jährige Marina Nikolaevna Prusakova kennen und
heiratete sie am 30.4.61 in der Wohnung ihres Onkels Ilya Vasilyevich Prusakov, eines MWDOffiziers. Oswald wurde in Moskau von Priscilla Johnson, die für John Kennedy gearbeitet hatte,
interviewt. 1977 wird sie das Buch Lee und Maria schreiben, das die Theorie der Warren-Kommission
stützt, und ihr späterer Mann George McMillan schreibt 1968 ein Buch über die Ermordung Martin
Luther Kings, in dem er die FBI-Theorie unterstützt, wonach Ray ihn umgebracht habe.
Oswald schrieb sein Pseudotagebuch, das seine "Erkenntnisse" zusammenfasst und den Entschluss
zur Rückkehr begründen soll. Marina und Oswald beantragten die Ausreisepapiere und bekamen
Seite [200]
bereits nach vier bzw. fünfeinhalb Monaten die Ausreisevisa. Am 15.2.62 kam ihr Kind, June Lee
Oswald, zur Welt. Nachdem die US-Botschaft Oswald den Pass wieder ausgestellt, Marina von den
Einreisebestimmungen befreit und die Transportkosten vorgeschossen hatte, reisten die beiden am
2.6.62 über Berlin in den Westen. Sie erreichen die USA, wenn auch zum Teil auf unterschiedlichem
Weg, am 13.6.62.
Oswald scheint nur einer von 40 Überläufern eines Spionageprogramms Ende der 50er Jahre zu sein,
wobei der Fall Robert E. Webster fast identisch ist und später von Marina mit dem von Oswald
verwechselt wird. Webster arbeitete bei der CIA-liierten Rand Development Corporation, lief kurz vor
Oswalds Ankunft anlässlich einer Ausstellung in Moskau über, verliebte sich in eine Russin und hat
ein Kind mit ihr. Marina und Oswald hatten Kontakt mit ihm, während er in Leningrad war.
CIA, FBI, ONI und INS erhalten ein Telegramm über die Ankunft Oswalds, bei denen die ersten 42
Zeilen später aber gelöscht werden. Offiziell gab es bei der Ein- und Ausreise kein einziges Verhör. Bei
ihrer Ankunft im Hafen von Hoboken werden Oswald und Marina weder vom State Departement
noch vom INS erwartet, sondern von einem Vertreter der Traveler's Aid Society in New York, Spas T.
Raikin. Raikin ist Generalsekretär der American Friends of the Anti-Bolshevik Bloc of Nations Inc. mit
Beziehungen zum FBI, zur CIA und zum Militärgeheimdienst. Aus dieser rechtsextremen Vereinigung
entwickelt sich später die World Anti-Communist League.
Nach seiner Rückkehr besucht Oswald Pauline Virginia Bates, um sein Manuskript über seine
Erfahrungen in der Sowjetunion tippen zu lassen. Er behauptet ihr gegenüber, im Auftrag des
Aussenministeriums in die UdSSR gegangen zu sein und versteht sich als Antikommunisten. Er erzählt
ihr, Peter Gregory, der ihn in die Gemeinschaft der weissrussischen Exilanten einführt, habe ein
Interesse an der Veröffentlichung seines Manuskripts. 1965 wird Gregory von der CIA für den Joint
Press Reading Service eingestellt. Als nächstes versucht Oswald seine unehrenhafte Entlassung von
den Marines zu ändern, wobei er sich an Navy-Sekretär Fred Korth und Senator John Tower, der die
Immigration von Marina Oswald absegnete, wendet. Korth war 1948 auch Marguerite Oswalds
Scheidungsanwalt.
Am 26.6. wird Oswald von den FBI-Agenten John W. Fain, Thomas Carter und B. Tom Brown als
Informant rekrutiert. Am 9.10. eröffnet er das Postfach 2915 auf seinen Namen und die Adresse von
Gary Taylor, den Schwiegersohn seines Freundes George Sergius DeMohrenschildt, über den der
angeblich überzeugte Marxist im Kreis der antikommunistischen Weissrussen in Dallas aufgenommen
wird.
DeMohrenschildt stammt aus einer russischen Ölfamilie, die Ländereien in Polen besass und nach der
kommunistischen Machtergreifung dorthin floh. Die Familie hoffte, ihre Nobel Oil nach der NaziInvasion Russlands zurückzubekommen. DeMohrenschildt wurde polnischer Kavallerieoffizier und
kam im Mai 1938 als Nazispion in die USA. In Louisiana und San Francisco arbeitete er auch für den
französischen Geheimdienst des Vichy-Regimes. Mit dem Top-Abwehr-Agenten Baron Konstantine
Van Maydell produzierte er zwei profaschistische Filme, wofür sie 1941 von der Chase Manhattan
Bank mit Krediten unterstützt wurden. Schon 1941 bestätigte sich die Vermutung, dass
DeMohrenschildt ein Nazi-Spion sei. Hoover wird auch der Warren-Kommission gegenüber die NaziVerbindungen DeMohrenschildts, der aus seiner Bewunderung für Heinrich Himmler zeit seines
Lebens keinen Hehl macht, verschweigen. Van Maydell wurde im September 1942 wegen Spionage
zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, aber nach dem Krieg zusammen mit einigen seiner Agenten von
Reinhard Gehlen für das Russenimmigrationsprogramm der CIA rekrutiert. Auch DeMohrenschildts
Freund, Lawrence Wilson Joven, war eng mit den Nazis verhängt. DeMohrenschildt versuchte, das
Seite [201]
Office of Inter-American Affairs von Nelson Rockefeller, das die Vorherrschaft der deutschen Firmen
in Südamerika durch amerikanische ersetzen wollte, zu infiltrieren. 1942 bewarb er sich beim OSS,
wurde aber abgewiesen. Einer seiner Brüder, Dimitri, arbeitete jedoch von 1942 bis 1945 für das OSS,
wonach er ein Stipendium der Rockefeller-Stiftung erhielt und 1950 zum Direktor der Tolstoj-Stiftung
ernannt wurde.
Während des Krieges hielt DeMohrenschildt sich in Washington D.C. auf und lebte mit einem
britischen MI-6-Agenten und einem Navy-Offizier namens Hall zusammen. Am 11.7.48 heiratete er
Phyllis Washington, die bis 1951 für die CIA tätig war. DeMohrenschildt arbeitete bei der Pantipec Oil
von Buckley, bei Humble und Murchison, kennt die Schlumbergers und die Bushs, ist regelmässig in
Haiti und hat vielfältige Geheimdienst-, Mafia- und Geschäftskontakte. 1957 wurde DeMohrenschildt
Agent bei der International Cooperation Administration, einer Coverorganisation der CIA, und ging
nach Jugoslawien. Sowohl Allen Dulles wie auch seine Geliebte Mary Bancroft haben ein spezielles
Interesse für Jugoslawien. Bei seiner Rückkehr stand er in Kontakt mit J. Walton Moore von der CIA
Domestic Contacts Division in Dallas, mit dem er Oswald nach dessen Rückkehr "checkt".
Mit dem ehemaligen Präsidenten der Pantipec, Warren Smith, gründete DeMohrenschildt die CubanVenezuelan Oil Voting Trust, dessen Direktor Amadeo Barletta der Vertreter der General Motors in
Kuba und Geschäftspartner von Batista und Trujillo ist. Ein anderer Direktor der CVOVT ist José M.
Bosch Lamarque, Castros Kontakt zu Jules Dubois, Journalist und Army Intelligence-Veteran, der beim
Coup in Guatemala 1954 dabei war. Dubois Untergrundkontakt David Salvador gründete die
antikommunistische "Bewegung 30. November". Ein kubanisches Mitglied dieser Bewegung sagt
anlässlich eines Waffendeals am 21.11.63, die Geldgeber dieser Gruppe würden sich bald um JFK
kümmern. Einer der Führer der "30. November" ist Jesus Fernandez Hernandez, der die Residenz
Hernando's Hideaway in Miami der CIA-Deckfirma Keys Realty Company von Eugenio Rolando
Martinez vermietet. Martinez arbeitet mit Rolando Cubela, der Kontakte zu Trafficante hat, und
Sturgis gegen Castro. Bosch wandte sich 1959 gegen Castro und unterstützte dann das DRE, die Alpha
66 und die Bewegung 30. November. Ein weiterer Direktor der CVOVT ist José I. de la Camara, der
vorher bei der Augustin Batista Falla's Trust Company of Cuba arbeitete, die hinter dem Lake
Pontchartrain Trainingscamp von Loran Eugene Hall und Gerry Patrick Hemming steht. Hall ist ein
Offizier des Committee to Free Cuba, hinter dem wie bei den meisten Exilkubanerorganisationen E.
Howard Hunt steht.
Wegen Castro verlor DeMohrenschildt seine Ölbohrniederlassung der CVOVT auf Kuba, die er unter
Batista aufgebaut hatte. Er war als CIA-Agent während der Schweinebucht-Operation im
Operationszentrum in Guatemala tätig. Einige Tage nach dem Schweinebuchtangriff ging er nach
Panama, wo er im Auftrag der CIA-Deckorganisation Agency for International Development wegen
Interventionsmöglichkeiten spionierte. Auch seine zweite Frau Jeanne hat vielfältige Kontakte zu
Geschäfts- und Regierungsstellen.
1960 ging DeMohrenschildt nach Mexico und hatte Kontakt mit Richmond C. Harper, der mit Marion
Hagler, Murray Kessler, Cesar Diosdado und Alder Barry Seal Waffen und Heroin schmuggelt. Harper
arbeitet für Carlo Gambino und Herman K. Beebe, dem Geldwäscher und Frontmann von Carlos
Marcello, und ist mit Myles Ambrose befreundet, der 1972 von Nixon zum Chef des Drug
Enforcement Office, Vorläufer der Drug Enforcement Administration, ernannt wird. Diosdado ist ein
Zollbeamter, der an der JM/WAVE-Operation der CIA seit deren Beginn im Januar 1961 beteiligt ist
und deren Geldtransaktionen über Rockefellers Chase Manhattan Bank laufen. Harpers Bruder Tito
Harper ist Direktor der Frontier State Bank of Eagle Pass.
Seite [202]
DeMohrenschildt hat auch Beziehungen zu anderen einflussreichen Geschäftsleuten in Houston und
Dallas, die mehrheitlich Johnson unterstützen, und ist Sam Giancanas Kontaktmann zu den
texanischen Ölbaronen Clint Murchison, H. Lamar Hunt, John Mecom und John De Menil. Er verhilft
Giancana zu einträglichen Ölgeschäften. DeMohrenschildt kennt auch Schah Mohammed Reza
Pahlewi, die Mutter von Jacqueline Kennedy, Janet Lee Bouvier Auchincloss, und William Russell
Grace, der enge Beziehungen zur United Fruit und zum Exilkubanerführer Anthony Navarro hat. Sein
Sohn J. Peter Grace, der dem Nazikriegsverbrecher Otto Ambros half, in die USA zu kommen, ist einer
der Direktoren der CIA-Oganisation "American Institute for Free Labor Development".
Nachdem DeMohrenschildt mit seinem Freund J. Walton Moore Lee Harvey Oswald überprüft hat,
nimmt er ihn unter seine Fittiche und baut ihn als Undercoveragenten gegen die Young Socialist
Alliance und die Socialist Workers' Party auf. Im August abonniert er den kommunistischen "The
Worker" und tritt in Kontakt mit der russischen Botschaft. Vom 17.7. bis 8.10. arbeitet Oswald bei
Leslie Welding, wobei gewisse Unterschriften seiner Lohnquittungen gefälscht werden. Ab dem 12.
Oktober arbeitet Oswald bei der Fotodruckerei Jaggars, Chiles & Stovall in Fort Worth, die sich auf
den Druck von Geheimdokumenten für die Armee und die CIA spezialisiert hatte. Während Oswalds
Anstellung wird eine Serie von Karten der Sowjetunion, China und Kuba für die Army Security Agency
gedruckt. DeMohrenschildts Kontakte mit dem Geheimdienstchef des Generalstabs sind für Anfang
1963 belegt. Oswald druckt bei Jaggars, Chiles & Stovall falsche Identifikationspapiere auf seinen
Namen und auf "A. J. Hidell" und Gratisposter für den trotzkistischen "The Militant".
Oswald kennt mindestens 30 Personen der antikommunistischen Weissrussen, darunter Paul
Raigorodsky, George Bouhe, Max Clark und Lydia Berdyanskaya. Raigorodsky, der "Godfather" der
Russischen Exilantengruppe, ist mit William F. Buckley und J. Edgar Hoover befreundet und Direktor
der Tolstoy Foundation, die von der US-Regierung $400'000 erhält. Bouhe arbeitet für MacNaughton
und ist der Organisator der exilrussischen Gruppe, über deren Mitglieder er Akten führt. Max Edward
Clark, einer der ersten, der nach dem Kennedymord vom FBI interviewt wird, war Sicherheitschef der
General Dynamics, deren Präsident Frank Pace in Kennedys "President's Foreign Intelligence Advisory
Board" sitzt. Beide spielen in der TFX-Erpressung eine entscheidende Rolle. Der Hauptaktionär der
Waffenschmiede Henry Crown hat Beziehungen zu Jake Arvey und Jack Ruby und, über seinen
Partner bei den Hilton Hotels, zu Anastasia, Lansky und Trafficante. Berdyanskayas Partner Vasiliy
Gavrilovich "Pavel" Kostenko war ein russischer Spion in Brüssel und ihr zweiter Ehemann Pavel
Dymitruk kennt den FBI-Agenten Hosty. S.A. James P. Hosty startet seine "Untersuchung" über
Oswald, vermeidet aber den Kontakt mit ihm, weil er vermutlich von Dymitruk, Berdyanskaya und
DeMohrenschildt informiert wurde, dass Oswald ein Undercoveragent ist.
Quellen: Weberman (3): 30ff, (8): 1-45, (10): 3, Marrs: 113-134, 199-202, 278-289, Groden/ Livingstone: 299-305, Scott (1993):
78-80, Bartholomew: 54, 58f, Tarpley/ Chaitkin: 117-129, CNPC: 2, Callahan: 107f, Brussell (1983): 5, 10f, 18, Anson: 176-180.
6.6. Juni 1962 Freedom Fighters
Frank Sturgis und Alexander Rorke gründen die Freedom Fighters, weil die Anti-Castro Brigade
ineffektiv ist. Edith Kermit Roosevelt unterstützt die Freedom Fighters mit $75'000. Rorke trat als
17jähriger der Armee bei und diente als Militärgeheimdienstspezialist im 2.Weltkrieg. 1952 heiratete
er Jacqueline Billingsley, deren Vater der ehemalige Alkoholschmuggler Sherman Billingsley ist, dem
der Stork Club gehört, wo sich die Mobster treffen und Hoover ein Stammgast ist.
Rorke arbeitet eng mit Diego Panque, Luis Diaz Lanz, Sergio Rojas, William Johnson und Julio Lobo
zusammen und wird von Laureano Batista Falla unterstützt. Lobo ist im Juli 1964 zusammen mit
Reeder Teofilo Babun Franco, Oscar Fernandez Viego, Eliseo Gomez Fernandez, Eduardo Garcia,
Seite [203]
Byron Cameron und José "Pepin" Bosch an einem Plan zur Beseitigung von Fidel Castro, Raul Castro
und Che Guevara beteiligt, offenbar mithilfe der Mafia. Rorke ist auch mit Dominick Bartone von der
Mafia in Cleveland befreundet. Frank Sturgis und die INTERPEN-Mitglieder Edmund Kolby und
Lawrence "Larry" Howard finden sich im Adressbuch von Lee Harvey Oswald.
Gerald Patrick Hemming ging nach seinem Dienst bei den Marines im Februar 1959 nach Kuba, um
der kubanischen Armee beizutreten. Dort stand er in Kontakt mit William Morgan und lernte
Sandinisten kennen, die eine Invasion von Kuba aus starten wollen, um Somoza zu stürzen. Hemming
verliess Kuba im August 1960, nachdem er im Juli wegen diesen Aktivitäten verhaftet worden war,
und ging nach Mexico, wo er ebenfalls Kontakt mit dem sandinistischen Untergrund hatte und Sylvia
Duran kennenlernte. Im Oktober tauchte er in Los Angeles auf, wo er Kontakt mit der Domestic
Operations Division der CIA aufnahm.
Im März 1961 zog er nach Miami und gründete INTERPEN, eine Vereinigung von
antikommunistischen US-Legionären, die mit Rolando Masferrer, Triple A, 20 de Mayo, II Frente
Escambray, Bewegung 30. November und der Revolutionary Junta of National Liberation von
Aureliano Sanchez Arrango zusammenarbeitet. An Operationen von Arrango nehmen Angestellte der
Hughes Tool Company teil. INTERPEN wird von ehemaligen Casinobesitzern in Kuba, Clint Murchison,
C. Osmet Moody, Nelson Bunker Hunt, Rubys Freund Gordon McLendon und der CIA gesponsert und
ihre Mitglieder sind oft ehemalige Angehörige der kubanischen Rebellenarmee Castros. Dazu
gehören Howard K. Davis, Lawrence John Howard, William Seymour, Edmund Kolby, Loran Hall,
Edward Collins, Roy Hargraves, Robert K. Brown, Lawrence LaBorde, Joe Cavendish Garman und
Richard Whatley. Hemming ist ein Freund von Senator George Smathers, der von Trujillo und Somoza
geschmiert wird. Zusammen mit Eloy Gutierrez Menoyo plant er, ein paramilitärisches Trainingscamp
ausserhalb der USA aufzubauen, wozu aber das Geld fehlt.
Hemming hat im Sommer in Fort Meyers Beach und in New Orleans Kontakt mit Oswald. Ab
September ist er in Miami im No Name Key Camp, wo seine Gruppe am 4.12.62 verhaftet wird. Drei
Tage danach ist Oswald im Camp und möchte Hemmings Gruppe, vermutlich als Spitzel, beitreten.
Die Küstenwache führt eine Untersuchung durch gegen Hemming, Ronald Ponce De Leon, William
Johnson Dempsey, William Houston Seymour, Edmund Kolby, James A. Lewis, Eleno Oviedo Alvares,
Roy Hargraves, Edwin A. Collins, Steve Justin Wilson, Lawrence Howard, James Cavendish Garman
und Remidio Arce.
Hemmings Kaderleute trainieren im Camp von Covington beim Lake Pontchartrain in Louisiana, wo
David Ferrie mit Eladio Del Valle, dem Mitarbeiter von Rolando Masferrer, zusammenarbeitet. Del
Valle ist durch Schmuggel mit seiner Importadora Valle sehr reich geworden. Obwohl er ins
Parlament gewählt worden war, floh er am 25.12.59 vor Castro und eröffnete in Miami einen
Lebensmittelladen als Front für Waffen und Sabotageausrüstungen für die Kämpfer. Zudem gründete
er seine eigene Anti-Castro-Sabotage-Gruppe und arbeitet eng mit der Cuban Nationalist Movement
in New Jersey zusammen. Ferrie und Del Valle fliegen mehrmals nach Kuba.
Nicht nur gegen Kuba werden Pläne geschmiedet: Kennedy unterstützt am 8. August den Einsatz
Hunderter ‚Nationalchinesen aus Taiwan' als Agenten in China stand bei einem Besuch von CIA-Chef
John McCone im Weissen Haus auf der Tagesordnung. Einen Tag später geht es den Sturz von
Diktator Francois Duvalier In Haiti, weil eine Revolution wie in Kuba passieren könnte. Kennedy billigt
die ‚Operation Duvalier'. Am 15.8.62 wird im Weissen Haus beschlossen, den Ministerpräsidenten
von Britisch-Guyana, Cheddi Berret Jagan, mit CIA-Hilfe zu stürzen, weil seine Politik als zu links gilt,
wofür $2 Mio. bewilligt werden. In derselben Sitzung geht es, ehe man sich wieder der
Seite [204]
bevorstehenden Militäraktion gegen Kuba widmet, um eine neue CIA-Doktrin, die in einem Dutzend
Staaten in Asien und Südamerika verdeckte Operationen der USA vorsehen.
Quellen: Bartholomew: 52, 55, Weberman (4): 2, 14, (7): 11, 72-109, (10): 74-76, (11): 46ff, (16): 86-98, (21): 5, Russell: 3,
Groden/ Livingstone: 349.
6.7. Juli 1962 Bobbys Bruch mit Marilyn
Datiert vom 13.7.62 liegt ein Report des Informanten José Bolaños auf dem Tisch von FBI-Direktor
Hoover, der bestätigt, dass Robert Kennedy Geheiminformationen an Marilyn Monroe weitergab und
sie mit Frederick Vanderbilt Field befreundet ist. Field kam am 10.7. nach New York und wohnt nun
für mehrere Wochen in Marilyns Wohnung an der 444 East Fifty-Seven Street.
Nun ist es Jack Kennedy, der seinen Bruder beschwört, die Beziehung zu beenden, was dieser auf
dieselbe Art tut. Am 17.7. versucht die tief verletzte Marilyn mehrmals erfolglos, Bobby auf seiner
privaten Nummer und im Justizministerium zu erreichen. Monroe erzählt verschiedenen Leuten, dass
er ihre Telefonanrufe nicht mehr beantworte. Als sie versucht habe, bei ihm zu Hause in Virginia
anzurufen, sei der 1960 zum "Familienvater des Jahres" Gewählte ausser sich vor Wut gewesen. Auch
Marilyn ist wütend über seinen Abgang, vor allem, nachdem sie bei den Lawfords gehört hat, er habe
sie als idiotische Blondine und eine von Jacks Huren bezeichnet. Marilyn ist keineswegs das blonde
Dummchen, die sie im Film in der Regel spielt. Sie ist ein Bücherwurm und liest mit Vorliebe Autoren
wie Becket, Dostojewski, Flaubert, Freud, Hemingway oder Joyce und schreibt selbst Gedichte.
Zudem belegt sie Kurse zur Literatur und amerikanischen Geschichte an der University of California.
In diesem Sommer kündigt sie ein neues Projekt an: sie möchte Shakespears Heldinnen spielen: Julia,
Ophelia und Lady Macbeth.
Marilyn ist schwanger von einem der Kennedybrüder, vermutlich vom Präsidenten, und lässt am
Wochenende vom 19.-22. Juli im Cedars of Lebanon-Spital abtreiben. Wahrscheinlich war die
Schwangerschaft ein weiterer Grund für den Streit der beiden, da Marilyn hoffte, dass der
siebenfache Vater sich deswegen scheiden und sie heiraten würde. Marilyn hat seit langem den
Wunsch nach einem Kind, um endlich geliebt zu werden. Sie hat 4 Fehlgeburten erlitten und
mindestens 7 Abtreibungen hinter sich. Sie fühlt sich im Stich gelassen und benutzt. Sie sei von einem
Mann an den anderen weitergereicht worden, meint sie und droht, die Öffentlichkeit zu informieren.
Zwischen dem 22. und 27.7. gehen beim Wahlkampf-Hauptquartier von Teddy Kennedy anonyme
Warnungen über eine Veröffentlichung der Beziehung von Bobby und Marilyn ein. Die Journalistin
Hedda Hopper erhält ebenfalls Informationen über das Verhältnis. Ein Angestellter von Fred Otash
ruft Bobby an und informiert ihn über die Bänder, die in Marilyns Haus aufgenommen wurden.
RFK verlässt sich auf Peter und Pat Lawford, die Marilyn von ihm fernhalten sollen, aber Marilyn
besteht auf einer persönlichen Erklärung. Da Bobby ihr von den Castro-Mordversuchen, dem
Hintergrund der Schweinebucht und der bevorstehenden Kubainvasion, der Wasserstoffbombe und
seinem Kampf gegen Hoffa und die Mafia erzählt hat, wird sie für die CIA eine Gefahr, weiss sie doch
zu viel, vor allem über die Kollaboration mit der Mafia. Die Kennedys, die CIA und die Mafia müssen
verhindern, dass Marilyn ausplaudert. Der Counter-Intelligence Chef der CIA, James Jesus Angleton,
der Marilyns Haus im Juni und Juli abhören lässt, macht sich Sorgen wegen des Tagebuchs. Marilyn
vermutet zu Recht, dass ihr Telefon abgehört wird und wendet sich ironischerweise an Fred Otash.
Sie will ihre eigenen Gespräche aufnehmen lassen, vermutlich um Beweismittel für ihre Affäre mit
RFK zu erhalten. Sie weiss nicht, dass Otash im Auftrag von Bernard Spindel bereits ihr Telefon und
ihr Haus verwanzt hat. Spindel arbeitet im Auftrag von Angleton, dessen Name auf einem Dokument
figuriert. Die CIA stellt im Inland oft Privatdetektive für illegale Aktionen an.
Seite [205]
Ralph Greenson und Hyman Engelberg verlieren mit dem Rückzug der Kennedys ebenfalls ihren
Zugang und versuchen, Marilyn mit Beruhigungsmitteln ruhigzustellen, da sie von einer
Veröffentlichung ebenso betroffen wären und damit rechnen müssen, dass sie wegen Spionage
verurteilt würden.
Das Filmstudio Fox will den ausgehandelten Vertrag unterzeichnen, aber Marilyns Anwalt Mickey
Rudin beginnt eine Verzögerungstaktik, da Marilyn den 25.7. abwarten will, wenn Darryl F. Zanuck
die Kontrolle über die Fox zu übernehmen plant. Dies gelingt Zanuck, womit die Kennedys ihr
Druckmittel verlieren. Damit hätte sie nichts mehr zu verlieren, wenn sie auspackt. Deshalb wird ihre
Ermordung ins Auge gefasst. Die CIA bittet Sam Giancana, sie nötigenfalls zu eliminieren.
Peter Lawford organisiert die Teilnahme von Marilyn Monroe an einer Show von Frank Sinatra im
Cal-Neva Lodge am 29.7.62, damit sie Robert Kennedy nicht belästigt. Bobby ist in Los Angeles, wo er
eine Rede über die Bürgerrechte hält. Sinatra lädt sie angeblich ein, um ihren neuen Vertrag mit der
Fox zu feiern und lässt sie mit seinem Privatflugzeug an den Tahoesee fliegen. Um sie zur Teilnahme
zu überreden, wurde ihr gesagt, Bobby komme vielleicht ebenfalls. Lawford und Sinatra sprechen
stundenlang mit Marilyn hinter verschlossenen Türen und wollen sie überzeugen, dass sie nicht an
die Presse gelangen soll. Aber Marilyn fühlt sich ausgetrickst und droht mit einer Pressekonferenz,
wenn sie von RFK hängengelassen werde. Zwischendurch ruft sie ihren Ex-Mann Joe DiMaggio an und
sagt ihm, er solle sie retten. Der Baseballspieler erhält aber auf Anordnung von Sinatra kein Zimmer
oder Zugang, und eine telefonische Verbindung wird ihm ebenfalls verweigert.
Mit dem zweiten Flug von Sinatras Privatjet kommt Sam Giancana ins Cal-Neva. Marilyn, Giancana,
die Lawfords und Sinatra essen zusammen, wobei Marilyn schweigend am Tisch sitzt und sich
betrinkt. Marilyn weint sich bei Giancana aus, wobei dieser ihr droht, den Mund zu halten. Dann
bumst er sie, um sich zu beweisen, dass auch er haben kann, was die Kennedys haben. Um sie
erpressen zu können, lässt Giancana Marilyn fotografieren. Laut dem Fotografen Billy Woodfield, der
die Bilder entwickelt, wird die beinahe bewusstlose Marilyn sexuell missbraucht. Marilyn konsumiert
danach alle vom Arzt Lee Siegel verschriebenen Nembutal, weshalb sie völlig weggetreten ist.
Sinatra befürchtet, Marilyn könnte das Wochenende nicht überleben und will sie weghaben, um
einen Skandal zu vermeiden. Er lässt sie Sonntagnacht überstürzt in Begleitung von Lawford in
seinem Flugzeug nach Los Angeles zurückbringen. Lawford stoppt kurz vor seinem Haus bei einer
Telefonkabine und benachrichtigt JFK über die Vorfälle.
Gegenüber Ralph Roberts meint Marilyn, das Wochenende sei ein Albtraum gewesen, und
gegenüber Paula Strasberg, dass sie Angst habe vor der Mafia. Am Morgen des 30.7. ruft Marilyn
Bobby an, der trotz seines anfänglichen Widerstands den Anruf entgegennimmt, und sie sprechen 8
Minuten miteinander. Danach nennt Marilyn ihn einen Schweinehund, will ihn aber weiterhin zu
einer persönlichen Stellungnahme zwingen. Er weigert sich jedoch, sie zu treffen.
Quellen: Wolfe: 434-443, Brown/ Barham: 279ff, Davis (1988): 241, Gregory/ Speriglio: 267-273, Carey/ Olgiatti.
6.8. August 1962 Die Ermordung von Marilyn Monroe
Marilyn Monroe ist in der kommenden Woche mit ihren Projekten beschäftigt und versucht Bobbys
Coiffeur, Mickey Song, über die Kennedys auszufragen. Sie sucht nach Informationen über und
Verbündeten gegen die Kennedys. Marilyn ist am 2.8. am Abend bei Lawford und bleibt trotz dem
Einschüchterungsversuch Giancanas bei ihrer Drohung, dass sie am Montag eine Pressekonferenz
Seite [206]
einberufen und alles erzählen werde, sollte sich Robert Kennedy am Wochenende nicht mit ihr
treffen.
Aufgrund dieser Drohung plant Bobby über Lawford ein Treffen mit Marilyn im La Scala am 3.8., was
die CIA dem Mafiaboss Giancana mitteilt. Dieser gibt den Kontrakt an Felix Anthony Alderisio
(‚Milwaukee Phil') und Johnny Roselli, die Gianola Leonard und James Tortorella sowie die Killer
Frank "the German" Schweihs und Anthony "die Ameise" Spilotro nach Kalifornien schicken. Alderisio
wurde bereits 36 Mal verhaftet, allerdings nie wegen Mord verurteilt, obwohl mindestens 14 Morde
auf sein Konto gehen sollen. Ende der 60er Jahre steigt Alderisio für ein Jahr zum Boss von Chicago
auf, bis er wegen Betreiben eines Call-Girl-Rings verurteilt wird. Vor seinem Haftantritt im
Bundesgefängnis macht er neben Spilotro den im Pornogeschäft aktiven Patrick "Patsy" Ricciardo zu
seinem Stellvertreter. Geplant ist, die Ermordung Marilyns so durchzuführen, dass RFK darin
verwickelt ist und deshalb zurücktreten muss.
Unterdessen bekommt die Schauspielerin, nachdem die Direktion der Fox gewechselt hat, dank Peter
Levathes einen neuen Vertrag, der ihr den Status eines Superstars garantiert.
Die Kolumnistin Dorothy Kilgallen veröffentlicht am 3.8.62 das Abenteuer von Marilyn "mit einem
hohen Politiker." Ihr Geliebter Ron Pataki, ein Freund von Robert Slatzer, und der Presseattaché der
Fox, Frank Neill, der sich in der Propagandakampagne gegen Marilyn ins Zeug gelegt hatte, brachten
sie auf die Affäre mit RFK. Das FBI hört Kilgallens Telefon ab und erfährt, dass ihr Innendekorateur
und Freund Howard Rothberg sie auch über die weitergegebenen Staatsgeheimnisse, das Tagebuch
und die Drohung ins Bild setzte.
Marilyn versucht mehrmals, Bobby Kennedy in Hyannisport und im St. Francis Hotel in San Franciso
zu erreichen. Diese Telefonnummern werden am 5.8. auf einem Zettel im Bett von Marilyn gefunden.
Sie ist an diesem Tag sowohl bei Engelberg, der ihr Nembutal verschreibt und von denen sie drei
nimmt, wie auch bei Greenson. Die Polizei fälscht nach ihrer Ermordung das Rezept und verdoppelt
die verordnete Dosis auf 50 Tabletten. RFK verbringt das Wochenende mit seiner Familie bei John
Bates, der mit seiner Behauptung, wonach Bobby die Gastfamilie nicht verlassen habe, das Alibi für
den Justizminister liefert.
Am Abend des 3.8. nehmen Pat Newcomb und Peter Lawford Marilyn ins La Scala, wo sie Bobby
trifft, wobei die beiden streiten. Marilyn muss klar geworden sein, dass der Justizminister hinter den
Aktionen der Fox steckte und fühlt sich tief verletzt. RFK scheint sie im Gegenzug über die CIAErkenntnisse ihrer Kominten-Verbindungen zu informieren. In der Nacht und am kommenden
Morgen ruft eine unbekannte Frau mehrmals bei Marilyn an, beschimpft, bedroht und warnt sie, RFK
in Ruhe zu lassen.
Marilyn Monroe ruft am nächsten Morgen um 6 Uhr ihre Freundin Jeanne Carmen an und erzählt ihr
von den nächtlichen Anrufen und möchte, dass sie herüberkommt, da sie ihr Dinge erzählen möchte,
die sie am Telefon nicht erzählen kann. RFK muss ihr gesagt haben, dass Ralph Greenson sie für
politische Zwecke missbraucht hat und Eunice Murray sein Wachhund sei. Marilyn beschloss bereits
einige Tage vorher, auszumisten und hat bereits Paula Strasberg nach Hause geschickt. Jetzt will sie
auch Pat Newcomb und Murray entlassen und die Therapie abbrechen. Eunice Murray hatte die
Nacht bei sich zuhause verbracht und kommt um 8 Uhr bei Marilyn an. Gegen Mittag steht Pat
Newcomb auf, wonach sie mit Marilyn erneut Streit hat wegen ihrer Loyalität gegenüber den
Kennedys. Obwohl Marilyn, als sie in ihr Zimmer geht, sie wegschickt, bleibt Newcomb. Marilyn
entlässt auch Murray und sagt ihr, sie solle ihre Sachen packen und gehen. Murray telefoniert
Greenson, der aber keine Zeit hat, um zu kommen.
Seite [207]
Um 11 Uhr landet Robert Kennedy im Helikopter bei den Fox Studios, wo Peter Lawford in einer
Limousine auf ihn wartet. RFK hat sich im Beverly Hilton Hotel eingecheckt. Zwischen 15 und 16 Uhr
kommen die beiden bei Marilyn an. Lawford schickt Murray und ihren Schwiegersohn Norman
Jefferies, der als Handwerker an Marilyns Haus arbeitet, einkaufen, um keine Zeugen zu haben.
Bobby und Marilyn streiten erneut: Sie wirft ihm seine nicht gehaltenen Versprechen vor. Bobby will
ihr rotes Tagebuch haben und sucht es. Bernard Spindel und Fred Otash hören das Treffen und die
weiteren Ereignisse dieser Nacht ab und nehmen diese auf Band auf.
Marilyn fühlt sich, nachdem die beiden gegangen sind, in Gefahr und telefoniert Sidney Guilaroff. Sie
ist ausser sich, weint, und sagt ihm, Bobby hätte sie bedroht, angeschrien und herumgeschubst. Als
Murray und Jefferies zurückkommen, ist Marilyn hysterisch, weshalb Murray Greenson bestellt, der
zwischen 16.30 Uhr und 17 Uhr ankommt und ihr eine Beruhigungsspritze gibt. Während der
Behandlung teilt ihm Marilyn mit, dass sie die Therapie beenden wolle. Als Ralph Roberts um 18.30
Uhr anruft, antwortet Greenson am Telefon und sagt, Marilyn sei nicht zuhause. Greenson weist die
entlassene Haushälterin an, über Nacht zu bleiben. Nach der Sitzung, die bis 19 Uhr dauert, geht Pat
Newcomb weg. Marilyn versucht mehrmals vergebens, Jack im Weissen Haus und in Hyannisport zu
erreichen. Bobby telefoniert Marilyn und versucht, mit ihr "vernünftig" zu reden - erfolglos: Sie hängt
den Hörer auf.
Um 21 Uhr erscheint Pat Newcomb bei den Lawfords, wo sich andere Gäste befinden, und sagt,
Marilyn komme nicht, sie fühle sich nicht wohl. Marilyn hat aber bereits um 19.40 Uhr bei Lawford
angerufen und wütend gesagt, sie habe versucht, Jack zu erreichen. Nachdem Joe DiMaggio sie
anrief, wobei er sie als normal empfand, telefoniert sie von 20 bis 20.30 Uhr erneut mit Guilaroff, der
sie auch als beruhigt erlebt. Sie sagt ihm, sie wisse viele gefährliche Geheimnisse über die Kennedys.
Dann ruft sie um 21 Uhr das dritte Mal an diesem Tag Jeanne Carmen an, um sie vergeblich
herüberzubitten. Danach ruft ihr Liebhaber Henry Rosenfeld an.
Eventuell ist Bobby Kennedy am Abend erneut bei Marilyn. Jedenfalls droht er ihr am Abend, er gäbe
mehr als eine Möglichkeit, sie zum Schweigen zu bringen, wenn sie ihn bedrohe. Kurz nach 21.30 Uhr
telefoniert José Bolaños, dem sie "etwas Schockierendes" erzählt. Während dem Gespräch geht
Marilyn an die Tür und kommt nicht mehr ans Telefon zurück. Wahrscheinlich lässt Marilyn ihren
ehemaligen Liebhaber Johnny Roselli mit seinen Männern selbst ins Haus. Anthony Spilotro und
Frank Schweihs bringen Monroe mit einem speziell präparierten Zäpfchen Nembutal um. Das
Präparat stammt vom selben Chemiker, der an den Mordversuchen Castros mitarbeitet, und die
Dosis ist so stark, dass sie 15 Leute umbringen würde. Als die Wirkung eintritt und Marilyn langsam
bewusstlos wird, suchen die Mörder das Tagebuch und brechen ihren Aktenschrank auf. Giancana
hofft, dass die Polizei herausfindet, dass RFK kurz vor der Ermordung bei ihr war, was das Ende seiner
Politikerkarriere wäre.
Anfang Dezember 1962 wird Schweihs Freundin Eugenia Pappas umgebracht, weil er sie eingeweiht
hat und sie ihr Wissen nicht für sich behalten kann. 1986 verrät der reuige Frank Cullotta seine
ehemaligen Kollegen Schweihs und Spilotro. Spilotro wird kurz drauf zusammen mit seinem Bruder
Michael ermordet. Schweihs wird 1990 wegen Erpressung zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt.
Murray und Jefferies entdecken Marilyn nackt und bewusstlos im Gästehaus, wo sie auch den
aufgebrochenen Aktenschrank bemerken. Marilyn teilte Robert Slatzer im April mit, dass Papiere aus
ihrem Schrank verschwänden, worauf sie das Schloss wechseln und ein Fenstergitter anbringen liess.
Murray ruft eine Ambulanz und telefoniert Greenson, der sie beauftragt, auch Engelberg zu
informieren. Greenson seinerseits telefoniert Mickey Rudin, der wiederum Arthur Jacobs, Marilyns
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Public-Relation-Manager der Fox, benachrichtigt. Rudin fährt sofort hinüber. Peter Lawford erhält
angeblich gegen 22.30 Uhr den alarmierenden Anruf, aber kaum von Marilyn, wie er behauptet.
Wahrscheinlicher ist, dass ein anonymer Anruf erfolgt, um ihn und Bobby nochmals an den Tatort zu
bringen. Daraufhin telefoniert er in Panik Joe Naar, der mit seiner Frau bis kurz nach 22 Uhr bei
Lawford zu Besuch war, damit diese bei Marilyn vorbeischauen. Lawford ruft kurz darauf zurück und
sagt ihm, er müsse nicht zu Marilyn gehen, da er mit Marilyns Arzt gesprochen habe. Lawford rast
mit Pat Newcomb in seinem Mercedes zu Marilyns Haus. Lawford und Newcomb kommen als erste
kurz vor der Ambulanz an. Newcomb wird hysterisch und schreit Murray an: "Mörder! Mörder! Seid
ihr jetzt zufrieden, wo sie tot ist?"
Die Schaefer-Ambulanz trifft um 22.40 Uhr ein. James Hall und sein Begleiter Murray Liebowitz
versuchen, Marilyn am Boden im Gästehaus wiederzubeleben. Der Besitzer Walter Schaefer
bestreitet nachher, dass eines seiner Fahrzeuge an den Fifth Helena Drive gerufen worden sei.
Schaefer besitzt gleichzeitig einen Air Ambulance Service und führt als medizinische Notfälle getarnte
geheime Flüge nach Idaho, Cal-Neva, Palm Springs und Cabo San Lucas für den Präsidenten und den
Justizminister aus, auch in Begleitung von Marilyn und anderen Frauen. Später erzählt Schaefer eine
andere Geschichte, wonach Marilyn im Krankenhaus gestorben und dann wieder zurückgeschafft
worden sei. Der Wiederbelebungsversuch der Sanitäter funktioniert, und sie wollen Marilyn ins
Krankenhaus fahren, als Ralph Greenson kommt und eine andere Methode anordnet. Obwohl sie mit
den Massnahmen des Psychiaters nicht einverstanden sind, dürfen sie als Sanitäter einem Arzt nicht
widersprechen. Als sich ihr Zustand daraufhin verschlechtert, versucht Greenson, ihr Adrenalin direkt
ins Herz zu spritzen, aber die Spritze trifft eine Rippe und Marilyn stirbt. Newcomb beginnt zu
schreien: "Sie ist tot!". Lawford versucht sie zu beruhigen. Als Hall seinen Report schreibt, kommt
Polizist Marvin Iannone, spricht kurz mit Lawford, geht dann ins Hauptgebäude und unterschreibt
Halls Rapport.
Bereits um 22.45 Uhr wird Arthur Jacobs von Pat Newcomb vom Tod Marilyns informiert. Jacobs
benachrichtigt die Fox, deren Sicherheitsagenten alle das Studio betreffenden Papiere mitnehmen.
Ein Teil dieser Papiere wird später verbrannt. Mehrere Polizeiautos, Krankenwagen und
Feuerwehrwagen erscheinen, und ein Polizeihelikopter, vermutlich mit Bobby an Bord, landet in der
Nähe. Der verantwortliche LAPD-Polizist Captain James Hamilton und Polizeichef William Parker sind
mit RFK eng befreundet, und zwei der Detektive gehören zu Bobbys Sicherheitsstab. Agenten in Zivil
arrangieren das Selbstmord-Szenario, und die Leiche wird ins Schlafzimmer gebracht, nachdem
Engelberg gegen Mitternacht eintrifft.
Kurz vor Mitternacht stoppt Polizist Lynn Franklin einen Mercedes, der mit übersetzter
Geschwindigkeit fährt. Peter Lawford sitzt am Steuer und fährt Bobby, neben dem Greenson sitzt,
zum Beverly Hilton Hotel. RFK schliesst mit Greenson einen Deal, um sich gegenseitig zu decken, und
beauftragt Lawford, seine Spuren zu eliminieren. Bei Lawford landet um 2 Uhr ein Helikopter, der
RFK an den Flughafen fliegt. Danach fährt Lawford, unterdessen betrunken, zu Fred Otash, der ihm
helfen und zu Marilyns Haus gehen soll, um belastendes Material wegzuschaffen, was Otash ablehnt.
Lawford geht daraufhin allein durch die Hintertür in Marilyns Haus, um zusammen mit Frank Neill,
Arthur Jacobs und Eunice Murray Spuren zu beseitigen. Ein Teil dieser Dokumente landet später bei
RFK, der Rest wird verbrannt. Zusätzliche Medikamente werden hingestellt, aber Marilyns
Treuhänderin Inez Melson, die um 5 Uhr ankommt, wirft diese in die Toilette und zerstört so die
"Beweise", so dass am Morgen nur noch 10 Chloralhydrat-Tabletten gefunden werden.
Hyman Engelberg telefoniert um 4.25 Uhr der Polizei und behauptet, es handle sich um einen
unfreiwilligen Selbstmord wegen Medikamentenmissbrauchs. Als Sergeant Jack Clemmons um 4.35
Seite [209]
Uhr eintrifft, ist Murray am Waschen der Betttücher. Engelberg und Greenson verhalten sich
eigenartig und ihre Geschichte erscheint dem Polizisten unglaubwürdig, weil beispielsweise ein Glas
zur Einnahme der Tabletten nicht zu finden ist. Polizeileutnant Grover Armstrong und Sergeant
Robert Byron kommen um 5.30 Uhr und befragen die Anwesenden Engelberg, Murray, Jefferies,
Rudin und Newcomb, die daran ist, die Schubladen und das Schlafzimmer zu durchsuchen.
Murray, Engelberg und Greenson verschieben später ihre Story um dreieinhalb Stunden. Captain
James Hamilton von der Geheimpolizei ist mit einigen Agenten am Morgen wieder im Haus, nachdem
er am frühen Morgen bei der General Telephone die Liste der Telefonaufzeichnungen der letzten
Tage vor Marilyns Tod konfiszierte, die William Parker als Versicherung für seine versprochene
Nachfolge von Hoover als FBI-Direktor behält. Neben 4 FBI-Agenten und 3 Agenten der Fox arbeitet
auch ein Techniker der General Telephone, der bereits die Linie unterbricht, im Haus. Ein FBI-Agent
verbrennt einen Stapel von Marilyns Notizen und Tonbänder, vermutlich mit Aufnahmen für die
Sitzungen mit Greenson, im Cheminee.
Peter Lawford telefoniert um 6.05 Uhr während 20 Minuten mit John Kennedy im Oval Office und
fliegt anschliessend nach Hyannisport. Am Sonntagmorgen, als die ersten Meldungen über Monroes
Tod erscheinen, befindet sich Bobby mit seiner Familie bei der Messe in Gilroy. Polizeichef William
Parker unterstellt die Untersuchung seinem Sicherheitsdienst, womit alle Fakten geheim bleiben,
bezeichnenderweise wegen nationalen Sicherheitsgründen. Der Sicherheitsdienst darf zudem nur
untersuchen, warum, und nicht wie der "Selbstmord" passierte.
Die Leiche wird zuerst in ein falsches Leichenschauhaus gebracht, um eine Autopsie des zuständigen
Gerichtsmediziners zu umgehen. Dr. Theodore Curphey kontrolliert die Autopsie, die er an Dr.
Thomas Noguchi delegiert, schreibt Teile des Berichts neu und lässt Beweismaterial verschwinden.
Marilyns Magen enthält bloss 20ml einer braunen nichtgiftigen Substanz, und es werden keine
Nadeleinstiche gefunden. Trotzdem ist die Nembutal- und Chloralhydrat-Konzentration in ihrem Blut
und in der Leber sehr hoch. Zudem ist der Grimmdarm dunkelviolett gefärbt, während der
querliegende Dickdarm leer ist, was auf die Vergiftung durch einen Einlauf hindeutet. Da auch
Raymond Abernethy vom toxikologischen Institut der Medizinischen Fakultät der UCLA
Gewebeproben und Autopsieberichte verschwinden lässt, bleibt die offizielle Untersuchung der
Polizei äusserst lückenhaft. Im offiziellen Dokument werden nur zwei blaue Flecken ohne Erklärung
erwähnt, obwohl mehrere Quetschstellen gefunden werden. Arthur Jacobs ist, nach Absprache mit
Parker, Lawford und dem Fox-Pressesprecher Rupert Allan, der Architekt der offiziellen Version des
unfreiwilligen Suizids, die am Sonntagnachmittag genau festgelegt wird. Da Monroe trank, viele
Medikamente und Drogen konsumierte, und da die Fox die Entlassung in ihrer Kampagne bereits mit
"Depressivität und Selbstmordgefahr" begründete, wird die Suizidthese schnell akzeptiert.
Der Assistent des Gerichtsmediziners, Lionel Grandison, schickt am 6.8. einen Fahrer zu Marilyns
Haus, um Adressen von Angehörigen zu suchen. Dieser kommt mit dem roten Tagebuch und einem
Adressbuch, welche Murray ihm gab, zurück. Das Tagebuch verschwindet am nächsten Tag aus
Grandisons Safe, vermutlich durch Curphey. Dieser setzt eine Untersuchungskommission der UCLA
ein, womit keine Aussagen unter Eid möglich sind. Greenson ist ein Mitglied dieser Fakultät und der
einzige befragte Zeuge dieser Untersuchung. Da er seine Meinung ändert und gegenüber seinem
Freund John Miner, Staatsanwalt und Professor für Gerichtsmedizin, nach dessen
Geheimhaltungszusicherung sagt, er glaube nicht an einen Selbstmord, verschwindet das
Memorandum seiner Aussagen. Polizeichef Parker bringt die Monroe-Akte am 12.12.62 persönlich zu
RFK nach Washington, worauf auch sie verschwindet. Von der 723seitigen Akte bleiben im offiziellen
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Bericht nur noch 54 Seiten übrig. Allerdings hat Thad Brown, der Chef der Detektive von Los Angeles,
eine 700seitige Kopie der Akte
J. Edgar Hoover unterstützt die Vertuschungsaktion. 14 Tage nach der Ermordung nimmt das FBI
Telefongespräche von Mobstern auf, die über die Publikation der Affäre von Bobby und Marilyn
diskutieren. Sie werden kurz darauf wegen Erpressung verhaftet und verurteilt. Eunice Murray, Pat
Newcomb und Ralph Greenson gehen für längere Zeit ins Ausland. James Hamilton wird 1963 zum
Sicherheitschef der National Football League befördert, nachdem sein Assistent Marvin Iannone
zuvor von Hamilton zum Leutnant der Geheimdienstabteilung befördert wurde. Pat Newcomb wird
Verbindungsagentin der USIA von Hollywood, ebenfalls auf Initiative von Robert Kennedy. Arthur
Jacobs, der Chef von Pat Newcomb, wird einige Wochen nach dem Mord zum Produzenten der
Grossprojekte der Fox befördert. Die CIA unterdrückt Veröffentlichungen von Journalisten wie
Dorothy Kilgallen. CIA-Agent Mike Rothmiller bestätigt 38 Jahre später, dass er ein CIA-Protokoll
eingesehen habe von einem Gespräch zwischen dem Präsidenten und Marilyn über ein
Geheimprojekt (die Invasion Kubas) und Akten, aus denen die Involviertheit des Geheimdienstes in
die Ermordung hervorgehe.
Der rechtsextreme ehemalige FBI-Agent Frank Capell veröffentlicht 1964 als erster in seinem Buch
"The Strange Death of Marilyn Monroe" die Mordthese, beschreibt ihre Beziehung mit Bobby und
seine Präsenz bei Marilyn am 4.8.62. Hoover verteilt 25 Exemplare dieses Buches an FBI-Agenten,
während der Justizminister Capells Telefon abhören lässt. 1985 will Sam Cordova, der Vorsitzende
der Grossen Jury von Los Angeles, eine neue Untersuchung einleiten, worauf er entlassen, in seinem
Büro eingebrochen und seine Monroe-Akte gestohlen wird.
Quellen: Giancana: 44f, 446-493, Wolfe: 444-464, Brown/ Barham: 287ff, 300ff, Gregory/ Speriglio: 314-343, DiEugenio (1997):
24f, Carey/ Olgiatti, Theoharis/ Cox: 413, Spoto, Davis (1988): 243, Summers (1993): 299ff, Durieux, Verges/ Hamelin,
Younger,
6.9. August 1962 Campbell und Bestechungen
In Judith Campbells Wohnung in Los Angeles brechen am 7.8.62 zwei Männer ein, während der FBIAgent William Carter zuschaut. Nach drei Tagen hat das FBI, ohne die Polizei zu benachrichtigen,
herausgefunden, dass das Fluchtauto der Einbrecher vom ehemaligen FBI-Agenten I. B. Hale, dem
Sicherheitschef der General Dynamics Corporation, gemietet wurde. Die Einbrecher waren seine
Zwillingssöhne Bobby und Billy, die versuchen, Beweismaterial für die Beziehung von Campbell und
Jack Kennedy zu finden, um den Präsidenten erpressen zu können.
Es geht um die Zusprechung des bis anhin grössten Staatsauftrags für Flugzeugbeschaffung über $6,5
Mia. Ginge der Vertrag an den Konkurrenten Boing, müsste General Dynamics schliessen, da der
Konzern in den letzten zwei Jahren $400 Mio. Verlust machte. Drei Monate später erhält General
Dynamics den Auftrag für die Produktion des Tactical Fighter Experimental-Jets, obwohl dieses
Flugzeug seinem Konkurrenten von Boeing weit unterlegen ist. Kennedy limitiert seine öffentliche
Rolle angesichts der aufkommenden Kritik, indem er sich hinter die "Entscheidung" von
Verteidigungsminister Robert McNamara stellt und damit von der Affäre distanziert.
Allerdings kann der Skandal nicht vollständig unterdrückt werden: Der Navy-Sekretär Fred Korth
muss im Oktober 1963 zurücktreten, weil die Bestechungszahlung für den Milliarden-Auftrag über
die Continental National Bank of Fort Worth, dessen Präsident er zuvor war, getätigt wurde. Da Korth
für Lyndon B. Johnson gearbeitet hat, kommt der TFX-Fall im Zusammenhang mit dem Bobby BakerSkandal wieder auf. Johnson kassierte $100'000, um den Auftrag abzusichern. Die Air Force kauft
knapp 600 von 2400 geplanten, in F-111S umbenannten Jets, obwohl der Stückpreis von 1962
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geschätzten $2,8 Mio. bis 1970 auf über $22 Mio. steigt. Die Navy löst den Vertrag zum Kauf von
1700 Flugzeugen 1968 auf, nachdem sieben unbrauchbare Prototypen geliefert wurden.
Campbells Beziehung zu Jack geht in die Brüche, wobei Campbell beim letzten Treffen schwanger
wird und abtreiben muss. Sie wendet sich auf Initiative von JFK um Hilfe an Sam Giancana, der ihr
anbietet, sie zu heiraten, weil er meint, sie würde es verdienen. Damit beginnt eine Liebesaffäre.
Nach anderen Angaben haben die beiden bereits seit Herbst 1961 eine Affäre. Offenbar interveniert
Giancana später einmal bei Jerry Lee Lewis, mit dem Judy arbeitet und von dem sie sich sexuell
belästigt fühlt.
Bobbys CIA-Agent Charles Ford ersetzt danach Campbell als Geheimkanal der Kennedys zur Mafia.
Campbell wird selbst nach Kennedys Ermordung weiterhin vom FBI überwacht und lebt in ständiger
Angst.
Quellen: Obenhause, Hersh: 317-325, Scott (1993): 220, Best: 23, 80.
6.10. September 1962 Morddrohungen gegen die Kennedys
Privatdetektiv Edward Becker lernt Carlos Marcello über Carlo Roppolo, der einen Öl-Deal
abschliessen will, kennen. Auf seine Schwierigkeiten mit den Kennedys angesprochen, reagiert
Marcello heftig: "Livarsi na pietri di la scarpa" (Nehmt den Stein aus meinem Schuh) und äussert ihm
gegenüber, er wolle JFK töten lassen und einen Spinner vorschieben, der die Schuld auf sich nehme.
Weshalb er den Präsidenten und nicht den Justizminister umbringen wolle, erläutert er mit einem
sizilianischen Sprichwort: "Wenn du einen Hund töten willst, hack ihm nicht den Schwanz ab,
sondern den Kopf." Becker, der den Eindruck hat, dass Marcello seine Mordpläne bereits mit
anderen Leuten abgesprochen hat, wird am 20.11.62 vom FBI im Ermittlungsfall Billie Sol Estes
interviewt. Er erwähnt dabei sein Treffen mit Marcello, aber da der Agent daran nicht interessiert ist,
erzählt Becker nichts von den Morddrohungen.
Becker gibt 1965 diese Information an Ed Reid weiter, der ein Buch darüber schreibt. Vor der
Veröffentlichung verlangt das FBI, die Passage, dass das FBI bereits vor dem Attentat vom Treffen
Beckers mit Marcello gewusst habe, zu streichen. Becker wird 1967 von Hoover in den Dreck
gezogen, wozu Sidney Korshak die Informationen liefert. Korshak ist als Nachfolger von Willie Bioff
einer der wichtigsten Links zwischen legaler Geschäftswelt und Organisiertem Verbrechen. Der
Anwalt von Chicago arbeitet für Hoffa, Giancana, Roselli, Gus Alex und Murrey Humphreys und ist
mit Ronald Reagan befreundet.
Laut Gesetz muss das FBI Drohungen gegenüber Staatsbeamten dem Secret Service melden, was J.
Edgar Hoover bei missliebigen Politikern wie Kennedy unterlässt. Bereits am 17.7.62 nahm das FBI
ein Gespräch auf zwischen Angelo Bruno, Boss von Philadelphia, und Russell Bufalino, Capo in
Pittston, in dem sie über Marcellos Schwierigkeiten mit RFK sprachen
Floridaboss Santos Trafficante gibt dem Exilkubanerführer José Aleman jr. im Hotel Scott Bryant in
Miami zu verstehen, dass der Präsident noch vor den Wahlen 1964 getötet werde. Trafficante
organisiert für Aleman einen Millionenkredit von den Teamsters, um dessen Kampftruppen zu
finanzieren. Da Aleman gleichzeitig ein FBI-Informant ist, gibt er diese Morddrohung weiter.
Castro liess das 50'000 Ahren-Grundstück Alemans konfiszieren, obwohl er in den späten 50er Jahren
Waffen für Castro schmuggelte. Als Aleman im Dezember 1960 in die USA floh, hatte er eine Liste mit
Kriegsmaterial dabei, das Castro angeblich von den Russen gekauft haben soll. 1960 sagte Aleman in
einem Prozess gegen Sammy Mannarino und Norman Rothman aus, mit denen er Waffen
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schmuggelte und die beide für Trafficante arbeiten. Andererseits scheint Aleman an der Rekrutierung
seines Freundes Rolando Cubela durch die CIA zur Ermordung Castros beteiligt gewesen zu sein.
Aleman ist mit dem Watergate-Einbrecher Eugenio Martinez befreundet, der im Auftrag der CIA
insgesamt 354 geheime Missionen nach Kuba unternimmt.
Alemans Vater hatte als Erziehungsminister unter dem kubanischen Präsidenten Ramon Grau 60
Millionen Pesos abgezwackt und in Miami angelegt, was Aleman erbte. Über Grau wurde der
Hotelangestellte Santos de la Caridad Perez angeheuert, der Castro vergiften sollte.
Die rassistischen Blätter The Thunderbolt von Alabama und The Winrod Letter von Arkansas druckten
im Mai und Juni 1962 Berichte über die geheimgehaltene Heirat von John Kennedy mit Durie
Malcolm. 1957 wurde das Familiengeheimnis von Louis L. Blauvelt in seinem FamilienstammbaumBuch gelüftet, und 1961 begann das Buch bei den politischen Gegnern der Kennedys zu zirkulieren.
Hoover liess im Herbst 1961 Informationen über die Heirat mit Durie Malcolm verbreiten und
brachte dieses Thema am 22.11.61 mit Bobby Kennedy auf. Jack wandte sich deshalb erneut an Clark
Clifford, der erreichte, dass Durie Malcolm aussagen würde, sie sei nie mit JFK verheiratet gewesen.
Nachdem im September 1962 die Geschichte im auflagenstarken Parade-Magazin kommt, können
die Kennedys Ben Bradlee dazu bringen, im Newsweek einen Artikel zu veröffentlichen, der die
"Gerüchte" zum Schweigen bringt.
Quellen: Davis (1988): 111-117, 211-218, Griffith (1996): 3, Weberman (6): 75, Best: 41, Summers (1993): 326ff, 292ff, Anson:
304, Moldea: 2-5, Hersh: 337f.
6.11. Oktober 1962 Die Kuba-Krise
Obwohl John Kennedy seit dem 10. August vom Geheimdienst immer wieder Berichte und
Warnungen über sowjetische Rüstungsaktivitäten auf Kuba erhält, glaubt er Georgi Bolschakow, dass
Chruschtschow nur Defensivwaffen nach Kuba bringen lasse. Am 6.10. läuft der Schlachtplan für die
Kuba-Invasion an, der die Einkreisung Kubas mit 24-36 Zerstörern sowie Flugzeugträgereinheiten,
Luftangriffe mit 450-500 Flugzeugen sowie den Einsatz von Fallschirmjägern und Landungseinheiten
der Marine mit zunächst 30'000 und später 180'000 Soldaten vorsieht, indem alle an einer Invasion
beteiligten Streitkräfte in verstärkte Bereitschaft versetzt. Als Deckmantel dient das am 15.10. später
anlaufende Manöver PHIBRIGLEX-62 mit 40 Kriegsschiffen, 20'000 Matrosen und 4000 Marines. Am
24.9. hatte JFK die Genehmigung erteilt, 150'000 Reservisten einzuberufen. General Curtis Le May,
der Nordvietnam "ins Steinzeitalter zurückbomben" will, lässt Nachschub nach Florida fliegen, und
das taktische Luftkommando soll bis am 20.10. kampfbereit sein. Kurz vor den Kongresswahlen sollte
die Befreiung Kubas erfolgen. Aber am 15.10. liegen Beweise für die atomaren Mittelstreckenraketen
auf Kuba vor, womit die Invasion in Frage gestellt wird. Daher gründet Kennedy ad hoc das Executive
Committee des National Security Council, um mögliche Kritiker zu isolieren. Einen Tag zuvor
kritisierte Eisenhower, JFK würde keine entschlossene Aussenpolitik verfolgen. Wütend, dass ihn
Chruschtschow täuscht, nimmt JFK das Risiko eines Atomkriegs in Kauf, um sich zu rächen und seine
Entschlossenheit zu beweisen. JFK hat sich seit längerem auf eine Machtprobe mit Russland in Berlin
eingestellt und hält die Gelegenheit für ein Kräftemessen mit Chruschtschow für günstig.
Normalerweise würde, wie Adlai Stevenson dies vorschlägt, dem sowjetischen Botschafter unter vier
Augen ein ultimativer Vorschlag unterbreitet, bevor die Öffentlichkeit informiert und das Prestige der
USA aufs Spiel gesetzt wird. An der ersten Sitzung der Ex-Comm wird Stevensons Vorschlag
verworfen und man diskutiert bezeichnenderweise darüber, wie man Castro loswerden könnte und
ob man, sobald die Welt über die Raketenstationierung informiert ist, einen Luftangriff oder eine
Blockade starten soll. Der rechte Flügel will eine Invasion Kubas, die Mehrheit der Ex-Comm einen
Luftangriff. Eine Entscheidung wird aber nicht getroffen.
Seite [213]
JFK rechnet damit, dass der sowjetische Aussenminister Andrei Gromyko bei seinem schon früher
geplanten Besuch am 18.10. nichts über die Raketen sagen würde, und stellt ihm damit eine Falle.
Prompt versichert Gromyko erneut, Russland unterstütze Kuba nur mit Verteidigungswaffen. Damit
kann JFK die Russen der bewussten Irreführung anklagen, was er in seiner Fernsehansprache tut. JFK
erlaubt einem New York Times-Reporter, wörtlich aus dem Protokoll zu zitieren, um seine
Anschuldigungen zu untermauern. Dabei haben die Russen sich eigentlich keine besondere Mühe
gegeben, die Stationierung der Raketen zu verheimlichen, da es ihnen um die Verhinderung der
geplanten Invasion Kubas geht. Nachdem Generalstabschef Taylor und Luftwaffenchef Sweeney am
nächsten Tag dem Präsidenten erklärten, mit Luftangriffen könnten höchstens 90% der sowjetischen
Raketenstellungen zerstört werden und dafür seien mehrere hundert Bombereinsätze nötig, schien
ihm diese Option zum jetzigen Zeitpunkt zu gefährlich für die USA. Er beschliesst beschliesst eine
Blockade, was eine Kriegshandlung ohne völkerrechtliche Grundlage ist. JFK verletzt damit die
diplomatische Gepflogenheit, dem Gegner eine Rückzugsmöglichkeit zu lassen und betreibt eine
personengebundene Machtpolitik.
Am 22.10.62 tritt der Präsident über das Fernsehen an die Öffentlichkeit und gibt die Blockade Kubas
bekannt, beruft den Sicherheitsrat der UNO ein und droht mit weiteren Massnahmen, wenn die
Raketen nicht zurückgezogen würden. Der UN-Generalsekretär Sinth U Thant, ein Buddhist aus
Burma, bezeichnet die Rede als die schlimmste, die er je hörte, und die Blockade als technischer
Kriegsbeginn zwischen den USA und der UdSSR. Nikita Chruschtschow protestiert in Telegrammen an
Kennedy gegen die US-Blockade und stellt klar, dass die sowjetischen Raketen nur der Verteidigung
gegen einen Angriff der USA dienten und sofort überflüssig würden, wenn die USA auf ihre
Angriffspläne verzichteten und ihrerseits die auf die Sowjetunion gerichteten US-Raketen aus der
Türkei abzögen.
Trotzdem werden die Invasionsvorbereitungen intensiviert, und JFK ordnet DEFCON 2an, die höchste
Alarmbereitschaft im Nichtkriegsfall, was die Mobilisierung von über 100'000 Infanteristen und
40'000 Marines sowie die Bereitstellung von 579 Jagdflugzeugen, 1436 Bombern und 172
Interkontinentalraketen bedeutet. Dabei wissen die Ex-Comm-Mitglieder nicht, dass sich bereits
mindestens 134 Atomsprengköpfe und 42'000 sowjetische Soldaten auf Kuba befinden. Die
ursprünglichen Schätzungen der kubanischen Informanten über die russischen Truppen sind zwar
präzis, werden aber innerhalb der CIA für unrealistisch hoch eingeschätzt und halbiert. Die
sowjetischen Schiffe, die weiteres Material nach Kuba transportieren, behalten ihren Kurs bei.
Während die Welt den Atem anhält, lässt Nikita Chruschtschow die Schiffe, die die US-Blockade
erreichen, stoppen und befiehlt, die Aufklärungsflugzeuge über Kuba nicht unter Beschuss zu
nehmen. Da Bolschakow nach Moskau zurückberufen wird, wendet sich Robert Kennedy an den
neuen Botschafter Anatoly Dobrynin. Am Abend des 24.10. verweigert Chruschtschow die
Rückzugsforderungen der USA und verkündet die Einsatzfähigkeit der Raketen auf Kuba.
In der UdSSR finden kein Alarm und keine militärischen Bewegungen statt, nur die russischen
Soldaten auf Kuba arbeiten rund um die Uhr, um die Raketen einsatzfähig zu machen. Das angebliche
militärische Gleichgewicht wird durch die Raketen auf Kuba nicht verändert: Die USA besitzen 3000
Atomsprengköpfe und 300 Basen, während die UdSSR etwa 250 Köpfe, inklusive denjenigen auf
Kuba, und zwischen 24 und 44 Basen haben. 1959 liess Eisenhower Jupiter-Mittelstreckenraketen in
der Türkei stationieren, die seit dem Antritt der Kennedy-Regierung operationsfähig sind; einer der
Gründe für Chruschtschows Entschluss für die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba.
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Obwohl bereits 24 Raketen einsatzbereit sind und atomare Kurzstreckenraketen bereit stehen,
offeriert Chruschtschow am 27.10. den Rückzug, wenn die USA ebenfalls ihre Raketen aus der Türkei
zurückziehen. Die USA lehnen diesen Vorschlag ab, weil JFK sich öffentlich auf den Standpunkt
gestellt hat, dass mit Russland nicht verhandelt wird. Am gleichen Nachmittag verschärft sich die
Kubakrise jedoch, als die Sowjets einen U-2-Aufklärer über Kuba abschiessen. Luftwaffengeneral
Curtis LeMay erklärt unter Hinweis auf die nukleare Überlegenheit der USA: "Lasst uns Kuba
vollständig zerstören - wir sollten es heute noch auslöschen." Zudem lässt ein hoher US-General ohne
Autorisation Kennedys eine unbestückte Rakete abfeuern, um den Konflikt zu eskalieren. Robert
Kennedy und Botschafter Dobrynin schliessen in letzter Minute ein Geheimabkommen, das den
heimlichen Abzug der Nato-Jupiter-Raketen aus der Türkei vorsieht, was Chruschtschow akzeptiert.
Vordergründig gewinnt Kennedy, wobei er seine politische Glaubwürdigkeit aber durch den
geheimen Vertrag in die Hände der sowjetischen Führer legt. Dabei gelingt es den Kennedys, die
vorangehenden Aggressionen und Invasionspläne gegen Kuba geheimzuhalten. Nicht einmal die
Berater der Ex-Comm wissen etwas von MONGOOSE und TASK FORCE W. Die Welt erfährt erst 25
Jahre später vom Geheimabkommen, über das nicht einmal Vize-Präsident Johnson informiert
wurde. Verteidigungsminister McNamara gibt die Order zum Rückzug der 15 Jupiterraketen aus der
Türkei nur einen Tag nach der Rückzugs-Ankündigung Chruschtschows, wobei jeder Zusammenhang
abgestritten wird.
JFK lässt UN-Botschafter Adlai Stevenson, der zu Beginn des Konflikts einen Handel mit den Russen
vorgeschlagen hatte, nämlich die Raketen aus der Türkei abzuziehen, wenn die Russen die Raketen
auf Kuba wieder demontierten, in einem Artikel von Charles Bartlett und Stewart Alsop
diskreditieren. Stevenson wird vorgeworfen, er habe ein München gewollt, obwohl er sich im UNSicherheitsrat sehr eingesetzt hatte. Aber Stevenson war Kennedy mit seinem Vorschlag zu wenig
loyal. Auch John McCone, der JFK wegen Aufklärungsflügen in den Ohren lag, muss öffentliche Kritik
einstecken, weil die CIA nicht früher gemerkt habe, dass die Russen Raketen auf Kuba montieren.
Trotz dem öffentlichen Versprechen Kennedys, die Souveränität Kubas zu respektieren, gehen die
Invasionsvorbereitungen weiter. Schon am 29. 10., nachdem der Abbau der Raketenstellungen
bereits begonnen hat, informiert das Hauptquartier der atlantischen Streitkräfte (CINCLAND) den
Generalstab, dass die Invasionsplanung modifiziert worden sei und nun auch den Einsatz taktischer
Atomwaffen vorsehe. Hohe Militärs fordern, mit den Angriffen gegen Kuba zu beginnen. Am 5.11.
meint Kennedy, die Invasionspläne für Kuba seien "zu dünn", weshalb drei weitere Divisionen der
Reservisten mobilisiert werden sollten, was zwei Tage später geschah. Am 8.11. sprengt ein CIASabotageteam eine kubanische Fabrik in die Luft. Am folgenden Tag verlässt das letzte sowjetische
Schiff mit abgebauten Raketen Kuba. Allerdings bleiben von den USA nicht entdeckte taktische
sowjetische Atomwaffen auf Kuba, weil Chruschtschow den USA nicht traut. 5 Tage später führen die
USA ein grosses Landemanöver in North-Carolina durch, als Probe für eine Invasion Kubas. Die USSchiffsblockade wird erst am 20.11. aufgehoben, und im Dezember ziehen die Russen die
Atomwaffen heimlich ab.
Kennedy ändert den Auftrag der CIA, Castro los zu werden, nicht. Am 25.8.62 war es der DRE beinahe
gelungen, Castro bei dem Beschuss des Sierra Maestre Hotel in Havanna, wo er sich einen ChaplinFilm ansah, zu ermorden. CIA-Planungsdirektor Richard Helms gratuliert den Führern dieser Attacke.
DRE und Alpha 66 planen weitere gemeinsame Angriffe auf Kuba, wozu José Leon Basulto Dynamit
nach Lake Pontchartrain schmuggelt. Basulto taucht als Sprecher der Exilkubaner und im ContraSkandal wieder auf. Da es William Harvey nicht gelungen ist, Castro umzubringen, wird er von den
Kennedys abgesetzt, wobei Helms ihn "rettet", indem er ihn als Stationschef nach Rom versetzt. Sam
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Giancana und John Roselli verlieren mit der Versetzung Harveys ihre Rolle im Mordplot. Nachfolger
als Cuban Operations Chief wird Desmond FitzGerald. Im Zweiten Weltkrieg trat der Major der OSS
bei und arbeitete als Operationsoffizier in Südostasien. 1951 kam er in die CIA und wurde schnell
zum Chef der Far East Operations Division befördert. Unter FitzGeralds Aufsicht beginnt die CIA,
autonom operierende Exilkubaner-Gruppen mit Waffen, Geld und Geheimdienstinformationen zu
versorgen. Da die CIA keine Kontrolle über deren Aktivitäten hat, kann die Regierung behaupten, sie
hätte nichts mit dem Sabotagekrieg in Kuba zu tun. Am 17.3.63 greift die Alpha 66 von Antonio
Veciana einen sowjetischen Posten auf Kuba und zwei kubanische Frachter an. An der letzten Sitzung
der Ex-Comm am 29.3.63 wird darüber diskutiert, ob man Angriffe der Exilkubaner dulden soll. Da die
Mitglieder der Kommission die Attacken stoppen oder zumindest einschränken wollen, um die
Beziehung zur Sowjetunion nicht unnötig zu belasten, löst JFK die Kommission auf. Am 31.3.
sprengen Masferrers Truppen unter der Leitung von Oscar del Valle Garci ein sowjetisches Schiff in
die Luft. Bei dieser Aktion ist als einziger Amerikaner Jerry Buchanan dabei, der Protégé von Frank
Sturgis, Orlando Bosch und Manuel Gil. Sein Bruder James Buchanan propagiert später die falsche
Oswald-Story von Sturgis.
Kennedy bringt die CIA in eine absurde Situation, da das sich nun definitiv zum Sozialismus
bekennende Regime ohne militärische Invasion nicht beseitigt werden kann. Eines der
Hauptprobleme für die CIA ist, dass sich Robert Kennedy immer wieder direkt einmischt und dabei
andere Befehle erteilt als die CIA. So trifft er sich zum Beispiel regelmässig mit Manuel Artime, dem
Gründer der Brigade 2506, deren Mitglieder nach der Freilassung erneut Guerilla-Attacken gegen
Kuba durchführen. Kurz vor Weihnachten 1962 zahlt Bobby privat organisierte $53 Mio. Lösegeld in
Form von Medikamenten und Landwirtschaftsmaschinen für die Rückkehr der Brigade 2506. JFK
verspricht diesen Überlebenden der Schweinebuchtinvasion die Befreiung der Insel, mit der Flagge in
der Hand: "Ich verspreche euch, dass diese Flagge in einem freien Havanna dieser Brigade
zurückgegeben wird." Der Hass gegen JFK ist allerdings so gross, dass diese Worte nicht ernst
genommen werden. Im Januar 1963 treffen sich die Kennedys mit Artime, der die USA um sechs
Divisionen zum Angriff gegen Kuba bittet, was die beiden abschlagen. Die angebliche Kühnheit und
Standfestigkeit des Präsidenten lässt dessen Popularitätsrate in die Höhe schnellen, und die
Demokraten schneiden bei den Zwischenwahlen vom November erstaunlich gut ab. Zu den
Gewinnern gehört auch Teddy Kennedy, der einen Senatssitz in Massachusetts gewinnt, obwohl
Hoover dafür sorgte, dass in der Presse veröffentlicht wurde, dass Teddy von der Harvard
suspendiert wurde, weil einer seiner Freunde sein Spanisch-Examen schrieb.
Nach seinem "Triumph" in der Raketenkrise wird Kennedy zunehmend arrogant seinen westlichen
Bündnispartnern gegenüber, und ein berauschendes Gefühl von Machtsicherheit beherrscht das
Weisse Haus. JFK glaubt, Kuba habe eine Berlin-Krise unwahrscheinlich gemacht. Mit OPLAN 316/63
wird die nächste Operation zur Elimination Castros und der Invasion Kubas geplant. Kennedy will die
Machtausdehnung und plant, die NATO-Partner mittels Überlassung von US-Atomwaffen näher mit
den USA zu verschweissen und träumt von einer militärischen und wirtschaftlichen und langfristig
auch politischen Einheit unter amerikanischer Führung. Charles de Gaulle wehrt sich gegen die
Einbindung von Europa in die US-Politik, indem er am 14.1.63 das Veto gegen Grossbritanniens
Beitritt zum gemeinsamen Markt mit den USA einlegt und bekräftigt, Frankreich baue seine eigene,
unabhängige Atomstreitmacht auf. Obwohl de Gaulle weder aus der NATO austreten noch mit
Russland separate Vereinbarungen treffen will, sieht JFK das westliche Bündnis bereits in Gefahr.
Seit seinem Antritt hat er das Militärbudget um 20% erhöht und den Rüstungsvorsprung der USA
beträchtlich vergrössert. Trotzdem kommt Verteidigungsminister McNamara zum Schluss, dass das
atomare Wettrüsten eine Politik des Nicht-gewinnen-könnens ist. Der westliche Block ist auch an
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konventionellen Waffen und Truppenstärke überlegen, da die Sowjetunion ihre Armee nach dem 2.
Weltkrieg in mehreren Phasen reduziert hat. Die NATO verfügt über 5 Mio. Soldaten, der Warschauer
Pakt über 4,5 Mio. Nachdem die USA ihre atmosphärischen Atomversuche wiederaufgenommen
hatten, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Roswell Gilpatric im Mai 1962, die USA
wollten ihre augenblickliche Schlagkraft in den nächsten 3 Jahren verdoppeln. JFK bleibt von der
Möglichkeit eines begrenzten Kriegs überzeugt und hat detaillierte und umfangreiche
Vorbereitungen unternommen, um einen solchen Krieg beginnen zu können. Dabei weiss er, dass es
keine sowjetische Aggressionsgefahr gibt, da die Russen einen grossen Teil ihrer Landstreitkräfte
entlassen haben. Ziel der Anstrengungen ist es, die UdSSR erpressen zu können.
Seit Ende der 50er Jahre baut die US Navy das Sound Surveillance Systems, ein elektronisches
Netzwerk von Unterwasserabhöranlagen im Atlantik und Pazifik auf, um sowjetische U-Boote zu
überwachen. Da dem SOSUS grosse Wichtigkeit beigemessen wird, kann der grösste Teil der
Weltmeere nach einigen Jahren akustisch überwacht werden. Mit dem Ende des Kalten Kriegs wird
das SOSUS durch Überwachungssatelliten ersetzt.
Quellen: Hersh: 3, 341-382, Horowitz: 339-371, Griffith (1996), Weberman (10): 49, 52, (12): 8, Collier/ Horowitz: 372-378,
Bartholomew: 53, Best: 20, 38, Powers: 233f, Obenhause, Ascherson, Karel (1), Summers (2000): 166, Afterbach, Amara,
Biermann, Ganser, Engberg: 2, Hamilton-Paterson (2000): 44.
6.12. Oktober 1962 Ermordung von Enrico Mattei
Auf Druck von Exxon verhinderte John Kennedy im Oktober 1961 den Pipeline-Bau von der UdSSR
nach Italien. ENI-Chef Enrico Mattei hatte mit der Sowjetunion einen Importvertrag ausgehandelt,
der die von dem Kartell bisher künstlich hochgehaltenen Preise in Europa umgeworfen hätte. Er
sprengte das Gewinngefüge der sieben Schwestern, indem er Ägypten und dem Iran eine
Gewinnaufteilung von 75:25 statt der üblichen 50:50 anbot. Zudem offerierte der ehemalige Partisan
dem Iran eine Beteiligungskonzession, ohne dass das Land selbst Risikokapital beisteuern müsste.
Um sich abzusichern, machte Mattei mit Stimmenkauf seinen Freund Giovanni Gronchi zum
Staatspräsidenten und stampfte die Tageszeitung Il Giorni aus dem Boden. Obwohl Exxon günstiges
Öl aus Libyen und die geheime finanzielle Unterstützung seiner Partei, der Democrazia Cristiana,
anbietet, und Mattei diesen Plänen nicht abgeneigt scheint, wird das Flugzeug des unbequemen
Eindringlings am 27.10.62 mittels einer Bombe zum Absturz gebracht, kurz bevor Kennedy und
Mattei eine Vereinbarung hätten unterschreiben sollen.
Der ultimative Grund für die Ermordung liegt in den Plänen Matteis, die sich zur Demokratie
bekennenden Kommunisten in die Regierung einzubinden und Italien aus der NATO herauszulösen.
Das Attentat wird von drei Paten im Auftrag der amerikanischen Mafia und der US-Ölkonzerne in
Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten ausgeführt. Mattei verfügt zu seinem Schutz über zwei
identische und permanent bewachte Flugzeuge, wobei beide Flugzeuge am Todestag innerhalb einer
Stunde in Sizilien vollgetankt werden. Der Sprengstoff wird hinter dem Armaturenbrett platziert und
an den Ausklappmechanismus des Fahrwerks angekoppelt. Die Geheimdienste intervenieren nach
dem Absturz sofort, zwingen Augenzeugen zur Änderung ihrer Aussagen und zerstören alle wichtigen
Beweismittel. Verteidigungsminister Giulio Andreotti setzt eine Untersuchungskommission ein, die
weitere Beweismittel manipuliert und den Absturz zum Unfall erklärt. Das zweite Flugzeug wird
einige Monate später in die USA verkauft. ENI-Nachfolger Eugenio Cefis arrangiert sich mit der NATO
und den Ölkonzernen.
Der Journalist Mauro De Mauro von der linken Tageszeitung L'Ora untersucht den Fall später und
wird am 16.9.70 entführt. Die Unterlagen seiner Recherchen verschwinden bei einem Einbruch in
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sein Büro, und er wird umgebracht. 1975 untersucht der Filmemacher Pier Paolo Pasolini die Fälle
Mattei und De Mauro, um sie in einer geplanten Novelle ‚Petrolio' zu veröffentlichen. Er behauptet
im Manuskript, dass der neue ENI-Chef Cefis und Gründer der P2-Loge in das Attentat involviert
gewesen sei, worauf er am 2.11.75 umgebracht wird. Der 17jährige Giuseppe ‚Pino' Pelosi muss die
Verantwortung für den Mord übernehmen, der als Beziehungsmord unter Homosexuellen
interpretiert wird. Pelosi wiederruft sein Geständnis 30 Jahre später. Der italienische Geheimdienst
verhindert daraufhin eine erfolgreiche Neuuntersuchung des Falles.
Quellen: Epstein: 23, Meurice, Pons, Schulz: 157, 328, CIA-Info: 14, Pletschinger/ Bredenbrock.
6.13. Dezember 1962 Unterstützung Israels
Kennedy durchbricht das Waffenembargo, das Truman 1948 gegen Israel verhängte. Drei Monate vor
dem Rückzug der Briten aus Palästina begann der Bürgerkrieg zwischen den Juden und den
Palästinensern, wobei David Ben Gurion seinen Mitarbeiter Moshe Sharett hilfesuchend nach
Washington schickt. Truman unterstützte einen israelischen Staat, aber Aussenminister George
Marshall, der überzeugt war, dass die Gründung Israels zu einem jahrelangen Krieg führen würde,
wehrte sich vehement dagegen. Trotzdem anerkannten die USA als erste den Staat Israel, der am
14.5.48, einen Tag nach dem Abzug der britischen Mandatsmacht, von David Ben Gurion ausgerufen
worden war.
Den von Ägypten, Jordanien, Syrien und Libanon am 15.5.48 begonnenen Krieg benutzte Israel für
eine ethnische Säuberung. Bereits am 10.3.48 hatten 11 zionistische Führer beschlossen, die
demographischen Verhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern. Die Elitetruppe der Haganah, die
Palmach-Miliz, zog daraufhin brandschatzend durch die begehrten Gebiete und zwang die Bewohner
mit vorgehaltener Waffe zur Flucht, und an einigen wenigen Orten wie in Deir Yassim kam es zu
Massakern, die in den arabischen Medien dann oft übertrieben dargestellt wurden. Diese Meldungen
führten zur Flucht vieler Palästinenser. Neun Monate später waren über eine Million Palästinenser
vertrieben, 531 palästinensische Dörfer zerstört und 11 Stadtquartiere ‚gesäubert'. 900 Araber und
300 Israeli starben. Die Armeen der arabischen Verbündeten sind dermassen schlecht organisiert,
dass der Angriff nach drei Wochen versandete. In Ägypten führte die Niederlage zum Staatstreich
vom 23.7.52 durch die Militärs unter Anwar al-Sadat, bei dem König Farouk abgesetzt wurde.
Insbesondere die Eroberung Haiffas war entscheidend für das Überleben Israels.
Nachdem sich Ben Gurion in einen Kibbuz zurückzog, versuchte der bisherige Aussenminister
Sharrett einen Verständigungskurs mit den Palästinensern. Aber die von Ben Gurion eingesetzten
Hardliner um Moshe Dayan sabotierten die Verständigungspolitik, indem etwa Ariel Scharon das Dorf
Qibya in Schutt und Asche legte. Dass Israel ein eigentlicher Terrorstaat ist, liegt auch daran, dass fast
alle führenden Politiker Mörder und Terroristen waren. So versuchte etwa Menachem Begin, der
spätere Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger von 1978, den deutschen Bundeskanzler
Konrad Adenauer mit einer Briefbombe ermorden zu lassen, um eine Einigung über deutsche
Entschädigungen an die Holocaust-Opfer zu verhindern. Am 27.3.52 wurden zwei Jungen auf dem
Münchner Bahnhof gebeten, ein an Adenauer adressiertes Paket auf der Post in Schwabing
abzugeben. Ein Sprengmeister der Polizei starb bei der Explosion, die unter anderem von Elieser
Sudit, Mitglied der ehemaligen "Irgun Zwai Leumi" ("Etzel"), organisiert wurde. Begin war
Kommandant dieser jüdischen Terrororganisation, die gegen die Briten kämpfte und 1948 offiziell
aufgelöst wurde. Zudem trafen zwei Briefbomben in Wassenaar bei Den Haag ein, wo Deutschland
und Israel über einen Vertrag verhandelten.
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Am 27.12.62 teilt Kennedy der erfreuten Aussenministerin Golda Meir mit, die USA hätten mit Israel
eine besondere Beziehung, so dass die USA im Falle einer Invasion eingreifen würden. Kennedy übt
jedoch keinen Druck aus wegen Inspektionen in der Atomanlage von Dimona. 1958 hatte ein U-2Spionageflug die Anlage entdeckt, die mit französischer Unterstützung gebaut worden war. Im selben
Jahr kam der Nationale Sicherheitsrat zum ‚Schluss', dass der wachsende arabische Nationalismus
nur mit der Unterstützung Israels eingedämmt werden könne. Nach einem gescheiterten
Annäherungsversuch Kennedys an den ägyptischen Präsidenten Nasser, der sich in der Kubakrise auf
die Seite Kubas stellte, soll Israel nun zum amerikanischen Brückenkopf im Nahen Osten ausgebaut
werden. Johnson wird die politische, militärische und wirtschaftliche Hilfe an Israel nach dem
Sechstagekrieg 1967 weiter ausbauen. Auch für ihn sind die israelischen Atombomben kein Problem.
Im Jahr 2000 verfügt Israel über 200 Atom- und 35 Wasserstoffbomben mit entsprechenden
Trägersystemen von Kurz- und Langstreckenraketen.
Quellen: Elon, Pappe, Merle.
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7.
Teil (1963 bis November 1963)
Dieser Teil der Chronik behandelt die Konfrontationspolitik der Kennedys, die
Entstehung einer Gegenallianz und die Vorbereitungen zur Ermordung des Präsidenten.
Zentrale Themen und Personen:
Allianz gegen Kennedy: Ölindustrie, Stahlkonzerne, I. Irving Davidson, Attentatsplan, Bahamas und Kuba: Meyer Lansky,
Richard Nixon, Exilkubaner, Lee Harvey Oswald, Gerry Hemming und Guy Banister: Spurenfabrikation, Vorbereitungen in
Dallas, Plot gegen Duvalier in Haiti von George DeMohrenschildt und Clemard Joseph Charles, Die Mafia in Bedrängnis,
Kennedys Konfrontationskurs: Finanzpolitik, Gleichstellung der Schwarzen, Martin Luther King, Kennedys Aussenpolitik,
Atomtestverbot, Aufrüstung, Berlin, Profumo-Skandal, Lateinamerika: Putsch gegen Carlos Arosemena Monroy von
Ecuador, Kuba, 'Trotzkist' Oswald Attentatsplanung in Dallas, Doppelgänger, Mafiaenthüllungen, Putschgeschichten: Juan
Bosch in der Dominikanischen Republik, Fidel Castro auf Kuba und Ramon Villeda Morales in Honduras, Ruby und Oswald,
Jackie Kennedy und Aristoteles Onassis, Bobby-Baker-Skandal, Lyndon Johnson, Robert Kennedy und Ellen Rometsch, Sturz
von Ngo Dinh Diem in Vietnam, Navy SEALS, Rückzugspläne.
7.1. Januar 1963 Allianz gegen Kennedy
John Kennedy schlägt zusammen mit seinem Budgetentwurf eine Steuerreform vor, die eine
Steuererleichterung für die unteren Einkommensschichten, eine Revision der Kapitalsteuer und die
Eliminierung von Steuerprivilegien der Ölindustrie und der Lücken im Steuergesetz vorsieht.
Nachdem der ‚Kennedy Act' vom 16.10.62 die Unterscheidung zwischen importierten und im Ausland
reinvestierten Gewinnen aufhob, fiel die Kapitalrendite der Auslandsinvestitionen der Ölkonzerne
bereits von 30% auf 15%. Bisher konnten die amerikanischen Ölfirmen aufgrund der speziellen
Ölförderrechte bis zu 27,5% ihrer Gewinne von den Steuern abziehen. Der Vorschlag ist eine
Konfrontation mit dem Big Business, allen voran den Ölbaronen, die geschätzte $300 Mio. mehr
Steuern zahlen müssten. Bedford Wynne spendet der Demokratischen Partei im Januar 1963
$500'000, offenbar um den Skandal seines Freundes Bobby Baker zu unterdrücken, worauf
Murchisons Sohn John in einem Gespräch mit JFK die Fortführung der privilegierten Ölförderrechte
gewährt werden. Wynne investierte in Geschäfte mit Bobby Baker, I. Irving Davidson, Allen Dorfman
und Thomas Webb und versucht zusammen mit Clint Murchison und Gordon McLendon zu
verhindern, dass Jimmy Hoffa ins Gefängnis muss.Die texanischen Ölmagnaten, deren
Steuerprivilegien bedroht sind, unterstützen die Anti-Kennedy-Koalition aktiv. Sie verfügen über die
von ihnen kontrollierten Medien, ihre Lobbyisten und den Zahlungen über einen enormen Einfluss
auf Politik und Justiz. Nelson Bunker und H. Lamar Hunt beispielsweise unterstützen die John Birch
Society und die Minutemen, finanzieren das Facts Forum (später Life Line), eine Radiosendung, die
täglich über 409 Stationen gesendet wird, bezahlten Joseph McCarthy, Roy Cohn, den Sprecher des
Repräsentantenhauses Sam Rayburn und Lyndon B. Johnson, haben enge Verbindungen zu Militärs
(General George C. Kenney, General Albert Wedemeyer, Admiral James Van Fleet, General Edwin A.
Walker) und zum FBI. J. Edgar Hoover ist ein Pokerfreund von Hunt, der eine direkte Telefonleitung
zu Hoover hat. 1955 orderte der FBI-Chef den Agenten Paul Rothermel zum Schutz Hunts ab. Der
frühere FBI-Agent Booth Mooney ist Hunts Verbindungsmann zu Präsident Johnson und schreibt
etwa die Hälfte von Hunts rechtsextremen Radiosendungen Lifeline. Hunt iniziierte und finanziert
einen eigenen Geheimdienst, den Foreign Intelligence Digest. Beteiligt daran sind unter anderem
General Willoughby, Frank Capell, Billy James Hargis, José Ignacio Rasco, Austin J. App, Raymond de
Jaegher und Philip J. Corso. Der FID steht in Kontakt zur Gehlen-Organisation, die trotz ihrer
technischen Nationalisierung als BND ein unabhängiges Netzwerk bleibt. Nach dem Zweiten
Weltkrieg gewannen solche Netzwerke zunehmend an Bedeutung und waren in fast alle Skandale
verwickelt. Die H.L.H. Productions Inc. diente zur Finanzierung verdeckter Operationen, auch
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zusammen mit der Mafia. Hunt steht in Verbindung mit Frank Erickson, Ray Ryan, Frank Costello,
Carlos Marcello und Joe Civello.
Bereits im Mai 1962 benutzte Kennedy sein Amt, um die grossen Stahlkonzerne dazu zu bringen, ihre
angekündeten Preissteigerungen rückgängig zu machen, indem das Verteidigungsministerium Stahl
bei einer kleinen Firma bestellte, die die Preise nicht erhöht hatte. In einem Interview bezichtigte JFK
die Firmenleiter der unverantwortbaren Gewinnsucht, was in der Geschäftswelt heftige Reaktionen
auslöste. Die hauptbetroffene United States Steel Corporation produziert nicht nur 25% des Stahls
der USA, sondern auch Zement, Fertighäuser, Waffen und (Atom-)Rüstungsanlagen und betreibt
Minen, Eisenbahnen, Hafenanlagen und Handelsschiffe. Die 18 Direktoren sind mit Managements
von 85 weiteren Gesellschaften (davon 20 Banken und Finanzinstitute, 10
Versicherungsgesellschaften und 54 Industrie- und Handelskonzerne) verbunden. Die Kennedys
versuchen, die widerspenstigen Firmen mit Antitrustklagen einzuschüchtern. Das Justizministerium
gewinnt 1963 45 von 46 Prozessen gegen grosse Konzerne, aber viele Manager und Firmeninhaber
stellen sich nun gegen die Kennedys.
Kennedys Steuerreform bedroht auch den steuerfreien Status der Schifffahrt: Reeder unter
ausländischer Flagge wie Aristoteles Onassis oder die Liberian Services müssten bei der auf den
25.11.63 geplanten Änderung des National Labor Relations Board-Status Millionen bezahlen. Die
gesamte Schifffahrt von Liberia wird von der Liberian Services, Inc. (LSI) kontrolliert, einer CIA-Front.
Die US-Kontrolle über das afrikanische Land sicherte Roosevelts und Trumans Aussenminister Edward
R. Stetteninus. Vor dem 2. Weltkrieg, als die USA in Liberia Stützpunkte für Wasserflugzeuge
aufbauten, war Stetteninus Präsident der U.S.Steel. Sein Vater, der für J.P. Morgan arbeitete, war im
1. Weltkrieg der Chef des Federal Lend-Lease-Programms. Edward R. Stetteninus schuf die grösste
Handelsbank der Welt, die International Bank of Washington. Nach dem Krieg setzte er sich für die
Gründung der Vereinten Nationen ein und war der erste amerikanische UN-Botschafter. Er kaufte
dem liberischen Diktator faktisch alle Rechte ab: die Rechte für die Kautschuk- und Minenindustrie,
für die Schifffahrt und selbst für die Flagge.
I. Irving Davidson verkörpert mit seinen Beziehungen die Gegenallianz zu den Kennedys. Bis 1963
entwickelt sich diese Gegnerschaft zu einem Krieg zwischen der Kennedy- und der Johnson-Fraktion,
der an verschiedenen Fronten geführt wird. Wichtig ist zu verstehen, wie einzelne Exponenten der
Ölmultis, der Waffenindustrie, der Hochfinanz, der Militärs, der Mafia, der Polizei, der Exilkubaner
und der verschiedenen Geheimdienste zusammen funktionieren. Unter der institutionellen und
pseudodemokratischen Oberfläche liegen langbestehende Beziehungen und konvergierende
Interessen der Beteiligten, deren Rekonstruktion zentral für das Verständnis der Ereignisse ist. Um
Situationen und historische Prozesse nachvollziehen zu können, muss man den fiktiven Charakter von
Institutionen, Organisationen und Staaten durchschauen und diese aus der handlungstheoretischen
Perspektive der Akteure interpretieren. Die Ontologisierung sozialer Konstruktionen erlaubt zwar
eine Vereinfachung der Komplexität historischer Ereignisse, führt aber zugleich zu einer
Ideologisierung dieser kollektiven Orientierungsinhalte.
Quellen: Groden/ Livingstone: 306ff, 416, Hersh: 345-352, Engberg: 2, Hamilton-Paterson (2000): 44, Horowitz: 339-341, Marrs:
275f, Scott (1993): 226f, 305, Tarpley/ Chaitkin: 136, 177ff, Pepper, Dankbaar.
7.2. Februar 1963 Attentatsplan
Chicago-Boss Sam Giancana gerät innerhalb der Mafia unter Druck, da er Kennedy an die Macht
hievte. Santos Trafficante und Jimmy Hoffa wollen den Justizminister Robert Kennedy umbringen
lassen, aber Carlos Marcello besteht auf der Eliminierung des Präsidenten. Am 31.10.62 wurde der
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Deportationsbefehl gegen Marcello bestätigt und Marcello drängt auf Taten. Giancana muss
eingestehen, dass er sich bei den Kennedys verschätzt hat, und Marcello setzt sich mit seiner
Forderung durch. Frank Ragano, Anwalt von Trafficante und Hoffa und Freund Marcellos, bestätigt
später, dass die Attentatsplanung im Februar 1963 bereits am Laufen ist. Die
Attentatsvorbereitungen dauern mehrere Monate, da zunächst einmal Pläne für Mordanschläge in
Miami, Los Angeles, Chicago und Dallas ausgearbeitet werden.
FBI-Direktor Hoover verstärkt, nachdem RFK ihn wegen Untätigkeit gerügt hat, die Überwachung
Marcellos. Zuständig dafür ist FBI-Agent Regis Kennedy, der während Jahren berichtete, Marcello sei
ein einfacher Tomatenhändler, wofür er von Marcello bezahlt wird. Trotz der Anweisung zur
erhöhten Anstrengung schafft es das lokale FBI nicht, in New Orleans und Dallas weiterzukommen.
Dabei hat Marcellos Imperium einen geschätzten Wert von $1,6 Mia. Die New Orleans Crime
Commission schätzt, dass 1963 Gewinne von $500 Mio. aus dem Spielgeschäft, $100 Mio. von Bars
und Saloons, $8 Mio. durch Einbrüche und Hold-ups, $6 Mio. aus der Prostitution und $400 Mio. aus
Geldwasch-Investitionen im Transportwesen, in Finanzgeschäften und Liegenschaften
herausspringen.
Quellen: Callahan: 138-140, Davis (1988): 120-125.
7.3. April 1963 Von Kuba auf die Bahamas und zurück
Nach dem definitiven Ende der Casinos auf Kuba trommelte Meyer Lansky 1962 Charles Tourine,
Michael Coppola, Dino Cellini, Max Courtney und Frank Ritter im Fontainebleau Hotel in Miami
zusammen, um die Spielgeschäfte auf die Bahamas zu verlegen. Dazu schmierte Lansky den Chef des
Entwicklungsbüros, Sir Stafford Sands, mit ungefähr $2 Mio.
Dan "Dusty" Peters fliegt zwei Mal wöchentlich von den Bahamas nach Miami und bringt je um die
$300'000 der beiden Casinos auf das Festland. Lanskys Verbündete Wallace Groves und Lou Chesler
sind mit der Resort International von James Crosby auf Paradise Island assoziiert, dessen Bruder
Peter Crosby ein Betrüger mit Kontakten zu Mafia-Aktienschwindler Louis Mastriana und John
Lombardozzi ist. Bebe Rebozo konsultiert beim Handel mit gestohlenen Aktien Peter Crosby,
Mastriana und Donald Nixon. Der erste Casinodirektor auf Paradise ist Eddie Cellini, der schon in
Kuba in zwei Casinos für Lansky arbeitete.
Crosby arbeitete an Werbeaktionen für Richard Nixons Präsidentschaftskampagne 1960 mit, Chesler
befand sich im Wahlkampftross. Crosby und der Cellini-Mann Sy Alter, der Politiker und Richter
schmierte, um einer Verurteilung wegen Verletzung des Alkoholgesetzes zu entgehen, finanzieren
Nixon 1968. Nixon und Rebozo waren an den Verhandlungen zur Erteilung der Casinolizenz auf
Paradise Island beteiligt, über das Gelder für Nixons Kampagne und Tasche gewaschen werden. Den
beiden gehört, zusammen mit George Smathers, die Brücke zur Insel, die nach dem heutigen Wert $5
Mio. abwirft, wobei die Gewinne bei der Zürcher Cosmos Bank, die Niederlassungen in New York und
auf den Bahamas hat, deponiert werden. Auch die UBS-Tochter Cantrade führt ein Konto von Nixon,
der öffentlich behauptet, nie mit ausländischen Banken zu tun gehabt zu haben, aber in den 80er
Jahren jedes Jahr nach Zürich reist.
Auch andere Leute aus diesem Umfeld wie Richard Pistell, der den Kauf von Paradise Island durch
Robert Vesco Anfang der 70er Jahre organisiert, tragen zur Wahl Nixons zum Präsidenten bei. Um
sein Comeback vorzubereiten, wird Nixon ein Job bei einer Anwaltsfirma (Nixon, Mudge, Rose,
Guthrie and Alexander) organisiert, die sich auf Steuerhinterziehung und Vermögensverwaltung
spezialisierte. Zu den Kunden zählen Don Kendall, Bob Abplanalp, Stavros Niarchos, Arnholdt Smith
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und Ngo Dinh Diem. Für $135'000 kauft sich Nixon eine Wohnung in New York neben Nelson
Rockefeller. 1972 entdeckt IRS-Informant Norman Caspar auf der Kundenliste der Castle Bank auf
den Bahamas, dass Nixon seit den 50er Jahren ein Konto bei der CIA-/Mafia-Geldwaschanlage auf
seinen eigenen Namen führt. Als IRS-Agent Richard Jaffe die Liste anfordert, fehlt der Name des
Präsidenten, und da IRS-Kommissar Donald Alexander, dessen Name selbst auf einem Index der
Castle erscheint, von Nixon ernannt wurde, stoppt er die Untersuchung. Vor einem Ausschuss
vermutet Caspar plötzlich, jemand, der zu viele Martinis getrunken habe, könnte Nixons Namen auf
diese Liste gesetzt haben.
Jerry Buchanan schliesst sich der Aktion von Zacarias Acosta, dem Leiter der Exilkubanergruppe "Los
Pinos Nuevos", an, die mit dem Boot Violynn III einen sowjetischen Frachter angreifen wollen.
Richard Lauchli lieferte der Gruppe Los Pinos Nuevos das nötige Dynamit dazu. Alex Rorke, William
Johnson, George Smathers und Frank Sturgis waren an der Planung dieses Attentats, das parallel zu
einem Bombenangriff mit einem Beechcraft-Flugzeug stattfinden soll, mitbeteiligt. Auf den Bahamas
wird das mit Waffen vollbeladene Boot von den Briten gestoppt, die es mit den sechzehn Personen
am 1.4. in Nassau der United States Coast Guard übergeben.
Am 26.4. erzählt Alexander Rorke dem Miami Harald, er sei tags zuvor nach Kuba geflogen, um die
Nico Lopez Ölraffinerie, die vorher Shell und Esso gehörte, in Havanna zu bombardieren. Laureano
Batista von der Christian Democratic Movement, Geoffrey Francis Sullivan und Steve Justin Wilson
hätten die selbstgemachten Napalm- und Penilitebomben, nachdem sie sie mit ihren Zigarren
angezündet hätten, aus dem Fenster der zweimotorigen Maschine geworfen. Havanna bestätigt den
Angriff, der scheiterte, weil die Bomben nicht explodierten. Der Angriff zeigt jedoch, dass die USBehörden die Exilkubaner nicht kontrollieren und wie leicht die kubanische Flugabwehr zu umgehen
ist. Trotz dieser Provokation, die in der gesamten Presse verbreitet wird, und der Kritik Kubas
unterbindet das Justizministerium eine Untersuchung des Angriffs.
Am 17.4. gibt Miro Cardona, der Chef des Cuban Revolutionary Council, eine Pressekonferenz, auf
der er seinen Rücktritt bekannt gibt. In einer Serie von Treffen mit dem Justizminister forderte er
vergeblich $50 Millionen für eine erneute Invasion Kubas. Der Protest-Rücktritt Cardonas führt zu
einer Spaltung der Exilkubaner und zu Flügelkämpfen. Weil dieser Schritt an die Öffentlichkeit eine
Blamage für Kennedy, der immer jeglichen Zusammenhang seiner Regierung mit den Aktivitäten der
Exilkubaner bestritt, und eine Form von Erpressung ist, streicht die Kennedy-Regierung die
Unterstützung des CRC.
Paulino Sierra trifft sich am 15.5.63 in Miami mit Exilkubanerführer aller politischen Richtungen, um
die Koordination der einzelnen Gruppen und eine gemeinsame militärische Invasion zu organisieren.
Pedro Diaz Lanz, Carlos Rodriguez Quesada und Felipe Vidal Santiago sind zu diesem Treffen
eingeladen. Vidal kennt CIA-Offizier William Bishop, der Vorkenntnisse über das Kennedy-Attentat
besitzt. Carlos Rodriguez Quesada ist der Leiter der "Bewegung 30.November", von der sich im Mai
1962 die "Revolutionäre Bewegung 30.November" abspaltete. Quesadas Gruppe kooperiert 1963 mit
der "Junta Del Gobierno de Cuba en Exilio" von Sierra, beispielsweise bei der Entführung von
kubanischen Fischerbooten im Februar, an der Roy Hargraves beteiligt war.
Sierra behauptet, er vertrete eine Gruppe reicher Geschäftsleute aus Chicago, zu denen William Trull
gehöre, die zusammen mit der United Fruit und der Standard Oil $30 Mio. aufwerfen würden für die
Beseitigung Castros, egal ob dies mit oder ohne Unterstützung der Regierung geschehe. Bis im Juli
gelingt es ihm, eine mächtige Koalition auf die Beine zu stellen, die Carlos Prio Socarras als
Präsidenten und Sierra selbst als Aussenminister einer neuen kubanischen Regierung vorsieht. Im
Seite [223]
August wendet sich Sierrra an Richard Lauchli und die Hemming-Mitarbeiter Steve Justin Wilson,
Denis Linns Harber und Joe Garman, um Waffen zu beschaffen. Im Sepember verkündet Prio seine
Kollaboration mit Sierras Allianz, womit der von den Kennedys favorisierte Manuel Artime isoliert
wird. Bereits im Oktober beginnen Probleme bei Waffenkäufen, mit den Behörden und bei der Frage
der Kooperation mit linken Exilkubanern das Funktionieren dieser Koalition zu bedrohen.
Loran Hall und Gerry Hemming sind im Mai in Dallas, um Geld für Waffen und Trainingscamps der
Exilkubaner aufzutreiben. Hemming ist im Juni in einen Waffendiebstahl verwickelt, wobei der
beraubte Waffenhändler Mike Marino die Waffen zurückerhält und dafür von der US-Zollbehörde
verhaftet wird.
Quellen: Weberman (7): 22-25, (10): 26-28, 66-69, (11): 29, Best: 38, Collier/ Horowitz: 379f, Russell: 5, Summers (2000): 240245, 252-259, 510ff.
7.4. April 1963 Lee Harvey Oswald
An einer Party im Februar stellte George DeMohrenschildt seinen Freund Lee Harvey Oswald dem
Faschisten Volkmar Schmidt vor, wonach dieser unbedingt wollte, dass Oswald auch Michael Paine
kennenlernt. Schmidt führte mit Wilhelm Kuetumeyer Versuche an Psychiatriepatienten durch, war
am Plot "20. Juli" dabei und arbeitet nach seiner Flucht in die USA bei der Ölfirma Magnolia.
DeMohrenschildt schenkte Oswald Hitlers "Mein Kampf", das dieser angeblich während seiner
Marinezeit bereits gelesen hatte. An der Party waren noch andere Magnolia-Mitarbeiter mit
Kontakten zur CIA anwesend. Oswald machte Bekanntschaft mit Everett Glover, dem Sohn des
Direktors von Radio Free Europe, und mit dem Admiral der Naval Intelligence H. E. Bruton.
Am 12. März bestellte Oswald als A. J. Hidell bei Klein's Sporting Goods Company in Chicago das
Mannlicher-Carcano Gewehr und wurde daraufhin damit und dem 38-Smith & Wesson Revolver von
George Rose and Company auf Schiessplätzen gesehen. Gerry Hemming besass ebenfalls zwei
Mannlicher-Carcano Gewehre, die er 1962 einem Saul Sagué gab, von dem Hugh C. McDonald
behauptet, er sei einer der Mörder Kennedys. Ein Mario Tauler Sague war im Sommer 1960
zusammen mit Armando Cubria Ramos an einem CIA-Attentatsversuch gegen Castro beteiligt. CIAAgent Robert D. Morrow, der mit Gerry Hemming und Mario Kohly zusammenarbeitet, behauptet, er
hätte David Ferrie vor dem Kennedy-Attentat zwei Mannlicher Gewehre verkauft.
Marina Oswald schrieb der russischen Botschaft am 27.2.63, dass sie in die Sowjetunion
zurückkehren möchte, ohne ihren Mann. Oswald schlägt seine Frau, weil sie mit anderen Männern
schläft. Sie zieht am 24.4.63 mit dem Kind zu Michaels Frau Ruth Paine, die eine aktive
"Betreuungsaufgabe" übernimmt. Ruth Paines Vater, William Avery Hyde, ist ein Geschäftspartner
von DeMohrenschildt und an Kommunisteninfiltrationen beteiligt. Er arbeitet hauptsächlich für eine
Versicherungsgesellschaft und die CIA dominierte Agency for International Development. Ruth Paine
ist eine Quäkerin und beim Friends World Committee beteiligt, das Austauschstudenten, von denen
etwa 25% CIA-Agenten sind, in die UdSSR schickt. Ihre Schwester Sylvia Ludlow Hyde Hoke arbeitet
seit 1954 für die CIA und später ebenfalls für die AID. Sie ist befreundet mit Talbot Bielefeldt, Chef
der UdSSR-Dokumentationsabteilung der CIA. Ruths Schwager John Lindsey Hoke war in
Zusammenhang mit der International Cooperation Administration, der Vorläuferorganisation der
AID, bei der er später ebenfalls arbeitet, im Geheimdienstbereich für die US-Botschaft in Panama
tätig.
Ruths Ehemann, Michael Ralph Paine, von dem sie getrennt lebt, aber in häufigem Kontakt steht,
arbeitet in der Carswell Air Force Base in Fort Worth in der Bewaffnungs- und Elektronikabteilung,
Seite [224]
die Unterhaltsarbeiten für B-52-Atombomber ausführen. Paines Militärgeheimdienstname lautet auf
Charles Melvin Coffey. Seine Familie hat Beziehungen zur United Fruit, zu Rockefeller und zur
Gibraltar Steamship, die der CIA Schiffe für die Schweinebuchtoperation offerierte. Paine ist ein
Cousin des United Fruit-Direktors Alexander Cochrane Forbes und des United Fruit-Präsidenten
Thomas Dudley Cabot.
Vater George Lyman Paine heiratete nach seiner Scheidung die Trotzkistin Frances Drake, wodurch er
enge Kontakte zu dieser Szene bekommt und vermutlich als CIA-Informant arbeitet. George Paine
war mit der Liebhaberin von Allen Dulles, Mary Bancroft, befreundet. Ruth Forbes war zuvor mit
Arthur Young, der mit Dulles in Korrespondenz steht, verheiratet. Young war einer der Mitbegründer
der Bell Helicopter, wo der Nazi Walter R. Dornberger Vizepräsident ist. Dornberger war für die
Einsätze der V2-Raketen auf London verantwortlich und hätte wegen Massenmord in Nürnberg
hängen sollen. 1950 wurde er entgegen den Protesten und Warnungen der Engländer von der Joint
Intelligence Objectives Agency in die USA gebracht. Michael Paine arbeitete ebenfalls sieben Jahre
für Bell Aircraft.
George DeMohrenschildt zügelt nach einer Überprüfung der Domestic Operations Division der CIA im
April und Mai nach Haiti. Die CIA schickt Oswald nach New Orleans, wo er Guy Banister unterstellt
sein wird. Am 6.4.63 gibt Oswald seine Stelle in Dallas auf und zieht zu Lilian und Charles Murret.
Offiziell verliert er seine Stelle bei Jaggars, Chiles & Stovall am 5.4.63, weil er russische Zeitungen las.
Obwohl er laut Warren-Bericht erst Ende April nach New Orleans kommt, wurde er dort schon im
März im Gefängnis von einem Beamten der Einwanderungsbehörde interviewt. Marina Oswald
kommt mit dem Kind ebenfalls nach New Orleans, als er am 9.5. eine Wohnung mietet.
Charles Murret arbeitet als Buchmacher im Glücksspielgeschäft der Marcellos unter Sam Saia.
Oswalds Mutter Marguerite war jahrelang mit Sam Termine, dem Chauffeur und Leibwächter
Marcellos, mit Raoul Sere und mit Clem Sehrt, Anwalt und Geschäftsfreund von Marcello,
befreundet. Oswald arbeitete auch als Laufbursche und Kassierer für seinen Onkel.
FBI-Informant Gene Sumner beobachtet während eines Essens im Town & Country-Restaurant, wie
Marcello-Mitarbeiter und Restaurantmanager Joseph Poretto Oswald ein Bündel Geldscheine
zusteckt. Eugene DeLaparra, Angehöriger des Marine Corps und ebenfalls FBI-Informant, der halbtags
in der "Tregles Bar" vom Lounnor Restaurant arbeitet, hört eine Unterhaltung zwischen Marcellos
Geschäftsfreund Bernard Tregle, Norman Le Blanc und David Ferrie, in der es um das Gewehr für die
Ermordung Kennedys geht.
Um 21 Uhr des 10.4.63 schiesst Gerry Hemming mit "Oswalds" Mannlicher-Carcano auf General
Edwin Walker, der an seinem Schreibtisch arbeitet. Hemming schiesst absichtlich daneben und
Walker bleibt unverletzt. Zur Vorbereitung des vermeintlichen Attentats fotografierte Lee Harvey
Oswald Walkers Haus, und dessen Adresse und Telefonnummer stehen in Oswalds Adressbuch. Mit
diesem vermeintlichen Mordversuch eines konservativen Exponenten wird die Legende von Oswalds
Gewalttätigkeit aufgebaut. Zudem macht Hemming, für dessen INTERPEN Walker Geld auftreibt, den
rechtsextremen General zu einem Märtyrer. DeMohrenschildt ‚bestätigt' nach dem Kennedymord,
dass Oswald ihm das Gewehr gezeigt habe, mit dem er auf Walker geschossen habe, und auch Michel
und Ruth Paine tragen mit ihren Zeugenaussagen, Oswald habe Walker mit Hitler verglichen und ihn
deshalb beseitigen wollen, zur "Beweisführung" des kommunistischen Gewalttäters bei.
Walker befehligte in Deutschland die 24. Division der U.S.Army und benutzte seine Stellung, um
seinen Soldaten faschistische Propagandaliteratur zu verteilen. Angewiesen, dies sofort zu stoppen,
quittierte er seinen Dienst und kam 1961 in die USA zurück, um politisch tätig zu werden. Walker
Seite [225]
wurde einer der Sprecher der ultrarechten John-Birch Society, kandidierte 1962 für das Amt des
Gouverneurs von Texas gegen John Connally und begab sich im Februar 1962 zusammen mit dem
rechtsextremen Prediger Billy James Hargis auf eine nationale Propagandatournee. Nach der
Schweinebuchtmisere stellte die CIA Walker ein, um die Exilkubaner wieder zu bewaffnen und zu
trainieren. Walker wurde am 1.10.62 verhaftet, weil er einen Aufstand an der Mississippi-Universität
angeführt hatte, um die Immatrikulation des Afroamerikaners James Meredith zu verhindern.
Kennedy schickte 3000 Soldaten zur Niederschlagung des Aufstandes, und Walker wurde auf
Initiative von Robert Kennedy von Psychiatern untersucht, als paranoid diagnostiziert und in eine
geschlossene Abteilung verfrachtet. Robert Morris und Dr. Stubblefield vom Parkland Hospital gelang
es schliesslich, Walker wieder frei zu bekommen.
Walkers rechte Hand Robert Allan Surrey ist befreundet mit FBI-Agent James P. Hosty, der Oswald im
Herbst beschattet/betreut. Surrey liefert zusätzliche Informationen über das angebliche Attentat
Oswalds auf den General und produziert die "Kennedy - Wanted for Treason"-Flugblätter, die entlang
der Parade am 22.11.63 von Mitgliedern der JBS verteilt werden. Der Bruder von Walkers Fahrer,
Larrie Schmidt, schreibt mit Bernard Weissman das schwarzumrandete "Todes"-Inserat, das am
22.11.63 in der Dallas Morning News erscheint.
Walker kennt Jack Ruby und ist mit Warren Reynolds befreundet, der den Mörder Tippits verfolgt.
Augenzeuge Reynolds ist zuerst unfähig, Oswald als den Mörder zu identifizieren, kann es aber,
nachdem ihm in den Kopf geschossen wird, was er überlebt, und nachdem er sich mit Walker
getroffen hat. Am 23.11.63 ruft Walker den Herausgeber Gerhard Frey der faschistischen Deutsche
National Zeitung an und beschuldigt Oswald, er habe auf ihn geschossen. Frey ist Mitglied der
Neonazi-Organisationen Witiko Liga, deren Präsident Walter Becher 1950 in den USA ein Büro
eröffnete, über das Kontakte zu Joe McCarthy, Charles Willoughby, Edwin Walker, Robert Morris,
Douglas MacArthur und FBI-Agent Dan Smooth laufen. Marina Oswald bestätigt Walkers Geschichte
und beschuldigt ihren Mann im Januar 1964 auch, dass er auch Richard Nixon habe umbringen
wollen. Sie habe es verhindert, da sie die Badezimmertüre abgeschlossen und ihn drei Stunden
eingesperrt habe. Weder die Warren-Kommission noch das FBI können mit dieser Geschichte etwas
anfangen. Die Geschichte, die vermutlich von Isaac Don Levine kommt, zielt ebenfalls darauf ab,
Oswald als Killer von Politikern des rechten Lagers zu profilieren. Nixon hätte laut Maurice Carlson,
dem Präsidenten der Reliance Life and Accident Insurance Company, Ende April angeblich am
Southeast Dallas Chamber of Commerce sein sollen. Don Levine ist an der CIA-Aktion zur
Expatriierung der Töchter von Alexander Ziger, Oswalds Boss in der Radiofabrik in Minsk, nach
Argentinien beteiligt.
Oswald arbeitet vom 9.5. bis 19.7.63 in der Nähe von Banisters Büro im Kaffee-en-gros-Geschäft
William B. Reilly Company als Kellerwart. William Reilly finanziert das Crusade to Free Cuba
Committee von Arcacha und das Information Council of the Americas von Alton Ochsner und Edward
Scannel Butler. Gleichzeitig mit Oswald beginnt dort auch der ehemalige FBI-Agent William I.
Monaghan, der vorher bei Standard Fruit gearbeitet hat und Mitglied des INCA ist. Das INCA spielt
eine wichtige Rolle bei der Verleumdung Oswalds als "kommunistischem Propagandisten". Carlos
Bringuier, ebenfalls ein Mitglied der INCA, propagiert die "Kommunistenzugehörigkeit" Oswalds über
das Directorio Revolucionario Estudiantil. Butler veröffentlicht zu Beginn der Garrison-Untersuchung
die "kommunistischen" Vernetzungen Oswalds. Monaghan verlässt die Firma ebenfalls, als Oswald
gefeuert wird.
Daneben ist Oswald für William Guy Banister aktiv. Oswald ist laut Banisters Sekretärin und
Liebhaberin Delphine Points Roberts ein Undercoveragent Banisters. Roberts ist wie ihre Ehemänner
Seite [226]
in rechtsextremen Kreisen aktiv. Oswald arbeitet einerseits als Kommunist getarnter
Spitzel/Provokateur für die CIA unter Banister, wofür er $200 pro Monat erhält, und andererseits als
FBI-Informant. Seine FBI-Informantennummer lautet S-172 oder S-179. FBI-Agent Warren DeBrueys,
der Sergio Arcacha Smith kennt, geht davon aus, dass Oswald ein Undercoveragent für das Cuban
Revolutionary Council ist. Im Juli 1963 versucht sich Oswald in ein Trainingslager der Exilkubaner in
Lacombe nördlich von New Orleans einzuschmuggeln. Das Trainingslager befindet sich auf einem
Grundstück von Mike McLaney, einem ehemaligen Casinobesitzer aus Havanna mit Verbindungen zu
Santos Trafficante und Meyer Lansky.
Sieben FBI-Beamte sind in den eineinhalb Jahren bis zu seinem Tod in Kontakt mit Oswald. William
Torbitt schliesst daraus, dass Hoover über die FBI-Division Five und die Defense Industrial Security
Command hinter der Manipulation Oswalds stecke. Oswald erledigt aber nicht nur Aufträge des FBI,
sondern auch der bundesstaatlichen Social Security, des Secret Service und der Alcohol, Tobacco, and
Firearms-Einheit der U.S.Treasury, weshalb er bei einem Privatdetektivbüro angestellt ist und nicht
beim FBI. Im Auftrag der AFT bestellte Oswald als "A. J. Hidell" am 27.1.63 den Smith & WessonRevolver bei George Rose and Company, mit der Hemming geschäftet. Bis heute haben sich die
Behörden geweigert, Oswalds Steuerunterlagen zu veröffentlichen, die die genauen
Auftragsverhältnisse klarstellen würden.
Banister war Polizist und arbeitete ab 1934 bei der Untersuchungsabteilung des Justizministeriums.
Als SAC des FBI in Chicago war er an der legendären Schiesserei beteiligt, in der Amerikas Staatsfeind
Nummer Eins, John Dillinger, getötet wurde. Einer seiner Mitarbeiter war Robert Maheu, der das FBI
in den 50er Jahren verliess. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Banister auch für das ONI, zu
dem er über Anwalt und ONI-Reserveoffizier Guy Johnson weiterhin Kontakt hat. Aufgrund des
lausigen Handlings eines Mordfalles in Minnesota wurde Banister vom FBI gefeuert, worauf er nach
Louisiana zurückkehrte, für Gatlin arbeitete und zu trinken begann.
Maurice Gatlin war Chefankläger beim Steueramt von Louisiana und arbeitete für Huey Long an
Verleumdungskampagnen gegen Kritiker des Senators. Gatlin stand in Kontakt mit den
Kommandanten der Militärakademie Guatemalas, Roberto Barrios Pena und Carlos Castillo Armas,
und belieferte die CIA 1954 mit Informationen für den Putsch gegen Arbenz. Zudem war er ein
Lobbyist des dominikanischen Diktators Trujillo. Gatlin stellte Spitzel ein, um
Kommunistenorganisationen zu infiltrieren und gründete 1954 das Anti-Communist Committee of
the Americas, Caribbean Division, das zur Inter-American Confederation for the Defense of the
Continent gehört. Vizepräsident dieser Organisation wird der ehemalige Polizei- und
Militärgeheimdienstchef Batistas, Salvador Diaz Verson, der ebenfalls Präsident der Anti-Communist
League of Cuba ist. Guy Banister, der das Naziblatt Thunderbolt abonniert und den Führer der
Nazipartei George Lincoln Rockwell kennt, gehört ebenfalls dieser Organisation an. Rockwells Name
steht auch in Oswalds Adressbuch. Ein anderer Verbündeter von Banister ist der korrupte
Bürgermeister von New Orleans DeLesseps Story Morrison, der zusammen mit dem WarrenKommissionsmitglied Hale Boggs eine Anwaltskanzlei führte. Nach vier Amtszeiten wurde er im Juli
1963 zum Botschafter der Organization of the American States ernannt. Er trat 1962 wegen
Korruptionsvorwürfen zurück und wird Gouverneur von Louisiana.
Banister war Untersuchungsbeamter im Louisiana's Committee on Un-American Activities und wurde
stellvertretender Polizeichef, aber 1957 entlassen, weil er einen Kellner mit der Pistole schlug.
Daraufhin gründete Banister sein eigenes Privatdetektivbüro, trat der John Birch Society und der
ultrarechten, paramilitärischen Untergrundorganisation der Minutemen bei. Zudem gibt er den
rassistischen Louisiana Intelligence Digest heraus. 1960 wollte ihn Bürgermeister Richard Daley als
Seite [227]
Polizeichef nach Chicago berufen, was verhindert wurde, weil die CIA im August begann, Banisters
Detektivbüro als Cover für verdeckte Operationen zu benutzen. Für oder mit Banister arbeiten
Joseph Oster, Grady Durham, John Sullivan, Edward Stuart Suggs (=Jack Martin), Major Stewart,
David Ferrie, George Singleton, Alvin Cobb, Joseph Newbrough und Thomas Edward Beckham. Über
FBI-Agent Regis Kennedy, der oft in Banisters Büro auftaucht, laufen Kontakte zu Marcello.
Spätestens ab Ende 1962 steht Banister auf der Gehaltsliste von Carlos Marcello.
Am 6.1.61 gründete Banister die Friends of Democratic Cuba, die die Cuban Revolutionary Front von
Sergio Arcacha Smith unterstützen soll. Dabei arbeitet Banister mit E. Howard Hunt und Frank Sturgis
zusammen. Banisters Büro ist die Operationsbasis für die CIA-Operation MUNGO, bei der Exilkubaner
in Trainingslagern für die Eroberung Kubas vorbereitet werden. Neben seinem Detektivbüro an der
531 Lafayette Street/544 Camp Street befand sich bis 1962 das CRC von Arcacha, wo oft Waffen und
Sprengstoff für die Arcachas Kampftruppen gelagert wurden. Arcacha musste New Orleans 1962
wegen seinen Betrügereien verlassen und ging nach Dallas. Diese Adresse ist die Drehscheibe der
exilkubanischen Aktivitäten und befindet sich in unmittelbarer Nähe der lokalen FBI- und CIA-Büros.
Auch für die Schweinebuchtinvasion lagerte Banister Waffen in seinem Büro. Banisters Waffendepot
in Houma, Louisiana, gehört der Schlumberger Corporation, die auch rechtsextreme Terroristen in
Algerien beliefert. Aus diesem Waffendepot organisieren Banister, Ferrie, Andrew Blackman, Sergio
Arcacha Smith, Gordon Novel und Layton Martens einen Scheindiebstahl, wonach sie behaupten, das
Justizministerium und damit Robert Kennedy stehe hinter dem Diebstahl. Laut Novels Frau ist
Gordon einer der Doppelgänger Oswalds, der wie Seymour belastende Spuren legt.
Zusammen mit William Wayne Dalzell gründete Banister Ende 1961 das Radio Free Cuba. Banister
wurde Ende der 50er Jahre der Kopf der Anti-Communism League of the Caribbean in New Orleans.
Die ACLC wurde ursprünglich von der CIA aufgebaut mit dem Ziel, Arbenz in Guatemala zu stürzen
und gehört zur World Anti-Communist League. Bei einer Reise nach Europa trifft sich Banister auch
mit französischen Terroristen. Über die Permindex von Clay Shaw spendet die ACLC der Organisation
de l'Armée Secrète $200'000 für die Ermordung Charles de Gaulles. Als Folge des missglückten
Attentats wird die schweizerische Niederlassung der Permindex geschlossen und das mit der
Permindex verhängte Centro Mondiale Comerciale muss seinen Sitz von Rom nach Johannesburg
verlegen. De Gaulle ist überzeugt, dass auch NATO-Kreise hinter den Attentatsversuchen stecken, da
General Maurice Challe Kontakte zum Pentagon und zur DIA hat.
An den angeblich kommunismusgefährdeten Tulane- und Louisiana State-Universitäten baute
Banister ein Netz von Informanten auf, deren Berichte von Jerry Milton Brooks regelmässig ins FBIBüro von New Orleans gebracht werden, wo man sie ins Archiv integriert. An der Tulane-Universität
ist auch H. Warner Kloepfer, der mit seiner Frau Ruth in Oswalds Adressbuch steht. Oswald soll an
einer Party an der Tulane-Universität bei Robert Hoffman gewesen sein. Banister ist zusammen mit
seinen Mitarbeitern auch an COINTELPRO-Aktionen des FBI beteiligt.
Guy Banister baut Oswald gezielt als Sündenbock auf und plant mit David Ferrie Oswalds Aktivitäten,
die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregen sollen: Oswald gibt sich bei seinen Aufträgen als
fanatischen Kommunisten, Waffennarr und Einzelgänger aus. Er bewirbt sich am 26.5.63 bei Direktor
Ted Lee am Hauptsitz des Fair Play for Cuba Committee in New York, um eine Zweigstelle in New
Orleans zu gründen, deren einziges Mitglied er selbst bleibt. Ab dem 28.5.63 führt Oswald eine
intensive Korrespondenz mit Lee, der offenbar ebenfalls Mitglied der Progressive Labor Movement
ist und von der CIA und dem FBI intensiv überwacht wird. Die CIA-Operation gegen das FPCC
unterstehen James McCord und David Atlee Phillips, der eng mit E. Howard Hunt zusammenarbeitet
und laut James Files Oswalds Kontrollagent ist. Auf Wunsch der CIA bricht das FBI unter Leitung von
Seite [228]
SAC John Malone im April und im Oktober 1963 im Hauptquartier des FPCC und im Mai ins Büro des
PLM ein, wobei auch Oswalds Korrespondenz fotografiert wird. Nachdem Hoover am 7.12.63 die
Morduntersuchung bereits abschliessen will, veröffentlicht die Presse 6 Briefkopien Oswalds, die Ted
Lee nach dem Attentat dem FBI übergab. In der New Yorker Ausgabe des Journal-American schreibt
Guy Richards, ein Freund von John Malone, das Attentat könnte eine vom FPCC gesteuerte
Verschwörung sein. Lee wird vom Senatsausschuss von Julien Sourwine, der von Trujillo, Somoza und
Pawley unterstützt wird, und Senator James Eastland, der zusammen mit Pawley 1963 eine
Kubainvasion plant, in Hearings in die Mangel genommen. Der CIA-Verbündete William Pawley ist
mit der Botschafterin Claire Booth Luce befreundet, die seine Kubaaktionen unterstützt, an einer
auch Oswald 1962 einmal mit Justin McCarthy beteiligt war.
Oswald druckt "Hands Off Cuba"-Pamphlete und Mitgliedskarten des "N.O.F.P.C.C." Unter den
Namen Osborne und Hidell verteilt Oswald Mitte Juni Flugblätter mit politischer Agitation für Castro.
Banister bekommt einen Wutanfall, als er entdeckt, dass Oswald die Adresse 544 Camp Street als Sitz
des FPCC auf die Flugblätter gedruckt hat. Einige der Zeugen, die Oswald in New Orleans beobachten,
beschreiben ihn als sauber und gepflegt, andere als fluchenden und dreckigen Säufer, was bedeutet,
dass ein Doppelgänger auftritt. Banister stellt andere junge Männer wie die beiden Ex-Marines Allen
und Daniel Campbell ein, die Pro-Kuba-Studentengruppen infiltrieren.
Als Oswald bei Reilly gefeuert wird, freut er sich, weil er erwartet, bald bei der NASA im neu
eröffneten Space Center in Michoud bei New Orleans zu arbeiten. Tatsächlich wechseln 5 seiner
Arbeitskollegen der Kaffeefirma kurz danach zur NASA. Einer davon ist Dante Marachini, der am
selben Tag wie Oswald dort zu arbeiten begann und ein Freund von Davis Ferrie ist. Zur selben Zeit
beginnen 2 weitere Freunde Ferries bei der NASA zu arbeiten: James Lewallen und, unter seinem
Militärpseudonym Charles Melvin Coffey, Michael Paine.
Quellen: Bartholomew: 54, 57f, Weberman (8): 44f, 62, (9), (10): 2, 18-20, (11): 1-55, (12): 17ff, (14): 31, Groden/ Livingstone:
299f, 308f, 437f, Tarpley/ Chaitkin: 117-129, Brussell (1983): 16-22, Marrs: 225-230, 260, 342, Bartholomew: 55, Callahan: 36,
66 ,89,108ff, Scott (1993): 95, 261, (1994): 2f, Rose: 2f, Anson: 121-126, 191-217, 249ff, Davis (1988): 122-137, 404, 415,
Sylwester: 17-19, Summers (1993): 322-325, (1989): 576, Torbitt: 15-17, 23, 29f, Dankbaar.
7.5. April 1963 Vorbereitungen in Dallas
Vizepräsident Lyndon B. Johnson trifft kurz vor Mittag des 23.4.63 in Dallas ein und hat 2
Arbeitsessen, 2 Privatkonferenzen in den beiden Zeitungsbüros und hält eine Rede an einem
Wissenschaftsmeeting. Während der Konferenz bei der Dallas Times Herald kündigt er an, Kennedy
könnte in der nächsten Zeit einen Tagesbesuch in Texas machen. Johnson vergleicht Kennedy mit
einem Piloten und meint, man solle ihn nicht jetzt abschiessen, sondern auf seinen Besuch warten,
was wie eine Botschaft tönt.
Offenbar steht die Einladung Kennedys zum Al Thomas Appreciation Dinner für den 21.11.63 von
Jack Valenti in Houston bereits fest. An diesem Dinner wird Rubys Freund und Waffenhandelspartner
Jack Halfen, der den Vizepräsidenten im Auftrag Marcellos schmiert, teilnehmen. Am 24.4. bestätigt
das Weisse Haus die Reise des Präsidenten im November nach Texas. JFK will im Rahmen der
Kampagne für die Wiederwahl San Antonio, Houston, Fort Worth, Dallas und Austin besuchen. Die
Demokratische Partei in Texas ist zwischen dem konservativen Flügel um Lyndon Johnson und John
Connally und den Liberalen um Ralph Yarborough zerstritten, seit die Partei Johnsons Sitz an den
Republikaner John Tower verloren hat. JFK muss versuchen, die konservativen Texaner auf seine
Seite zu bringen, da er Johnson durch George Smathers ersetzen will. Johnson muss darüber auf dem
Laufenden sein, weil Bobby Bakers Sekretärin Carola Tyler mit Smathers Sekretärin Mary Jo
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Kopechne zusammenwohnt. Tyler kommt in einem ungeklärten Flugzeugunfall, Kopechne in einem
inszenierten Autounfall mit Teddy Kennedy am 18.9.69 ums Leben.
Der Rechtsextreme Cecil Bernard Smith, der die Kampagnen von Johnson trotz seinen beschränkten
finanziellen Mitteln unterstützt, verkauft George Gordon Wing den Rambler, der am 22.11.63 als
Fluchtauto dient. R. L. Lewis, der Händler von C. B. Smith Motors, der den Verkauf tätigt, stirbt am
11.1.64 an einer Herzattacke. Smith arbeitete zwei Jahre in Mexiko und fördert die LateinamerikaAbteilung an der Universität Austin, Texas. Das Institute of Latin American Studies ist eine der
Akademien, die von der CIA für verdeckte Operationen gebraucht werden. Smith hat vermutlich
Spanischkurse besucht, die William F. Buckley Sr. dort erteilte. Rektor der Universität ist Johnsons
Freund Harry Huntt Ransom, Offizier bei der Air Force Intelligence im 2.Weltkrieg und danach Berater
der Air Force. Smith, Wing und David Harold Byrd, der Hausbesitzer des TSBD, von wo Oswald
Kennedy erschossen haben soll, hatten im Militär mit Waffengeschäften zu tun. Auch George Wing
arbeitete in Mexiko, am City College, und wurde danach vom CIA finanzierten Institute of
International Education unterstützt. Während den 29 Jahren Unterrichtsstätigkeit an der UT fehlt
Wing nur zweimal: wegen Krankheit 1991 kurz vor seinem Tod und im zweiten Jahr seiner Anstellung
als Assistenzprofessor, im Herbstsemester 1963, ohne Erklärung.
Walt Withman Rostow, der mit Allen Dulles, McGeorge Bundy, Richard Bissell und Charles P. Cabell
zusammenarbeitet, gründete das Institute of Latin American Studies auf Empfehlung von George
DeMohrenschildt. Neben dem Kennedy-Berater ist auch John W. F. Dulles an dieser Uni tätig.
Rostow, wie Edward G. Lansdale ein OSS-Veteran, mit dem er 1961 eng zusammenarbeitete, ist
vermutlich die Schnittstelle, von der die CIA und die Exilkubaner von Kennedys Geheimplan, mit Kuba
die Beziehungen zu normalisieren, erfahren. Rostow gehört zum inneren Kreis der KennedyAdministration und wird nach dem Attentat Johnsons Sicherheitsberater. Für Johnson ist Rostow der
wichtigste Mann seines Kabinetts, und von Rostows Bruder kommt die Idee zur Bildung der WarrenKommission, die den Kennedy-Mord ‚untersuchen' soll.
Quellen: Bartholomew (1): 7ff, (4), Groden/ Livingstone: 321.
7.6. Mai 1963 Plot gegen Duvalier
George DeMohrenschildt arbeitet an einem von der CIA gutgeheissenen Plot zum Sturz des
haitianischen Diktators François Duvalier. Bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt 1957 setzte "Papa
Doc" die Verfassung ausser Kraft, baute ein diktatorisches Regime auf, liess in Militär und Regierung
Säuberungsaktionen durchführen und ordnete Massenhinrichtungen und Ausgangssperren an. Zur
Seite stand Duvalier dabei seine Privatarmee, die gefürchtete Tonton Macoute, eine berüchtigte
Polizei- und Spitzelorganisation, die gegen 60'000 Menschen ermorden wird. 1958 liess er ein
Stadtviertel von Port-au-Prince in Brand stecken, um die Leute zur Gründung einer neuen Siedlung zu
zwingen.
Die französische Kolonie Saint-Domingue wurde als erstes Drittweltland 1804 als Haiti unabhängig,
nachdem die drangsalierten aufständischen Sklaven unter Toussaint Louverture und Jean-Jacques
Dessalines die Spanier, Engländer und Franzosen besiegten, wobei letztere allein 50'000 Mann
verloren. Haiti war auch das erste Land, das die Sklaverei abschaffte (während das Königreich SaudiArabien erst 1963 Sklaven verbietet). Die USA befürchteten, dass der Funke der Rebellion auf die
eigenen Sklaven überspringen könnte und initiierten mit der Verhängung des Wirtschaftsembargos
1806 die Isolierung und Sabotage der ersten Schwarzen-Republik.
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Nachdem die USA 1898 Kuba und Puerto Rico, 1903 Panama, 1905 die Dominikanische Republik und
1909 Nicaragua unter ihre Kontrolle gebracht hatten, okkupierten sie 1915 Haiti aus strategischen
Gründen. Die Nationalversammlung wurde aufgelöst, und der spätere Präsident Franklin D.
Roosevelt brüstete sich: "Ich schrieb Haitis Verfassung selbst, und wenn ich das sage, meine ich, dass
es eine ziemlich gute Verfassung ist." Die Marine organisierte ein Plebiszit, an dem 5% der
Bevölkerung teilnahmen, womit die Verfassung mit 99% Zustimmung angenommen wurde. Als die
Marines 1934 abzogen, war die Dominanz der die Interessen der US-Konzerne sichernden
Oberschicht garantiert.
Die "Perle der Antillen" verkam in der Folge zum Armenhaus der westlichen Hemisphäre. Am 8.4.61
löste Duvalier das Parlament auf. Im April 1963 plante Clement Barbot, der kurz zuvor aus dem
Gefängnis entlassene politische Gegner von Duvalier, dessen Kinder zu entführen, um seinen
Rücktritt zu erzwingen. Die Entführung schlug fehl, sechs Verdächtige der Verschwörung wurden
sofort exekutiert und eine breit angelegte Suche nach Barbot begann. Die Amerikaner wollen
Duvalier nun loswerden, aber ohne dass die Kommunisten die Macht übernehmen.
In Washington treffen sich DeMohrenschildt und sein Geschäftspartner Clemard Joseph Charles mit
dem CIA-Beamten Joseph F. Dryer und einem Vizedirektor der Army Intelligence, um einen
Waffenschmuggel nach Haiti zu organisieren. Charles, eigentlich ein Freund von Duvalier, gilt als
möglicher politischer Führer eines demokratischen Haitis. Er soll für den Machtwechsel über die
Agency for International Development $1 Mio. bekommen. DeMohrenschildt versucht, ein Treffen
mit Charles und Vizepräsident Johnson zu organisieren. Über Dorothe Matlack vom Generalstab des
militärischen Geheimdienstes laufen die Kontakte zur Navy. Matlack trifft sich am 7.5.63 mit
DeMohrenschildt und Charles, der will, dass die U.S. Marines Haiti erobern und Duvalier stürzen. 8
US-Schiffe mit 2000 Marines befinden sich im Mai unmittelbar ausserhalb der haitianischen
Gewässer. Über Jacqueline Lancelot laufen Kontakte zu Phillipe De Beaujolais, dem Chef des
französischen Geheimdienstes der Botschaft in Washington. I. Irving Davidson, der Charles kennt und
Lobbyist von Duvalier ist, befindet sich im Mai 1963 ebenfalls in Haiti. DeMohrenschildt zieht am 2.6.
nach Haiti, wo der Machtwechsel jedoch fehlschlägt.
Kurz nach dem Kennedy-Attentat werden $200'000 oder $250'000 auf ein Konto von
DeMohrenschildt in Port-au-Prince einbezahlt. Ende 1964 fliegt der ehemalige Testpilot von Lockeed,
Donald Edward Browder, mit einem gecharteten B-25 Bomber nach Haiti, was von Charles bezahlt
wird. Browder wird später wegen Sicherheitsverletzungen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Nachdem das FBI Duvalier informiert, dass DeMohrenschildt ein "polnischer Kommunist und Mitglied
einer internationalen Bande" sei, bekommt dieser zunehmend Schwierigkeiten, muss im November
1966 die Insel verlassen und kommt mit seiner Frau nach Dallas zurück.
Charles wird kurz zuvor eine grosse Summe ausbezahlt. 1967 wird er verhaftet wegen seiner Rolle in
dem Anti-Duvalier-Plot, kommt aber gegen ein Lösegeld von $250'000 wieder frei. 1970 landet er
erneut im Gefängnis wegen der Finanzierung der fehlgeschlagenen Militärrevolte, wobei der wegen
Drogenhandels später verurteilte französische Agent André Labay eine führende Rolle spielte.
Charles hat auch Kontakt mit anderen Drogenhändlern mit Geheimdienstkontakten wie Mitchell
WerBell III von der Nugan Hand Bank, Mario Renda und Herman K. Beebe. 1988 führt Charles ein
Geschäft mit Frank Sturgis und bewirbt sich nach dem Sturz von Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier
1986 als Kandidat an den Präsidentschaftswahlen in Haiti. Er wird aber drei Tage vor den Wahlen, die
in einem Blutbad enden, vom obersten Gericht in Haiti disqualifiziert.
Quellen: Marrs: 79, 284, Weberman (8): 45-56, (10): 71ff, Groden/ Livingstone: 299-304, Schmid (2000a), Bertolami: 7ff.
Seite [231]
7.7. Juni 1963 Die Mafia in Bedrängnis
Teamster-Boss Jimmy Hoffa wird in Chicago wegen Betrugs mit Pensionskassenkrediten in der Höhe
von $20 Mio. angeklagt. Nur ein Monat zuvor erfolgte eine Anklage gegen ihn wegen RichterBestechung. Hoffa versucht daraufhin, Justizminister Robert Kennedy zu erpressen, indem er am
Telefon von seinen Kenntnissen und Beweismitteln von dessen Beziehung mit Marilyn erzählt. Da er
weiss, dass das Telefon abgehört wird, rechnet er mit Bobbys Angst vor der Publikation dieser
Informationen. Hoffa wird am 20.1.64 zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt, die er im März 1967 antritt.
Nachdem Genoveses Unterboss Tony Provenzano noch im Februar bei einem Local 560 Meeting eine
Lohnerhöhung von $50'000 für seine Verdienste bei der Eliminierung von Gewerkschaftsreformern
zugesprochen bekam, wird er wegen Firmenerpressung zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Carlos Marcellos Antrag auf Revision des Deportationsfalles wurde am 27.5.63 vom Obersten
Bundesgericht abgelehnt, was bedeutet, dass ihm keine Rechtsmittel mehr offenstehen. Es bleibt
ihm nur noch die Möglichkeit, die Anklagen wegen Konspiration und Meineids aufgrund der
Fälschung der guatemaltekischen Geburtsurkunde abzuwehren. Da der Prozess auf November
anberaumt ist, hat er nur noch wenig Zeit, um sein $1,6 Mia.-Imperium, seine Stellung und seinen
Ruf zu retten.
Nachdem Robert Kennedy von J. Edgar Hoover eine effektivere Überwachung von Sam Giancana
verlangte, führte dieser die "Manndeckung" ein. FBI-Agenten folgen dem Mafiaboss offen und immer
überall hin. Dies bringt natürlich keine neuen Erkenntnisse, sondern provoziert Giancana so weit,
dass er zum Gegenangriff übergeht. Er klagt am 28.6. auf Rat des Advokaten Tony Tisci gegen das
Justizministerium wegen fortwährender Belästigung und Einschränkung der Privatsphäre.
Eigentlich wäre dies die beste Gelegenheit, Giancana ins Kreuzverhör zu nehmen, da er im
Zeugenstand unter Eid aussagen müsste, aber aus Angst vor Enthüllungen verhindert Bobby ein
Kreuzverhör. Da der Justizminister das Gericht für nicht zuständig in FBI-Angelegenheiten erklärt,
muss die Beschattung gelockert werden.
Frank Sinatra und Giancana verbrachten im Mai ihre Ferien zusammen auf Hawaii, und Giancana
besucht im Juli das Cal-Neva, das Sinatra offiziell, aber Giancana wirklich besitzt. Im Oktober verliert
Sinatra seine Casino-Lizenz, verkauft seine $380'000 Aktien am Sands und wird dafür Direktor des
sich in Mafiabesitz befindlichen Berkshire Racetrack in Massachussetts.
Quellen: Davis (1988): 129, 330-338, 408, (1994): 97, 110f, Marrs: 171-173, Weberman (21): 37, (27): 43, Gregory/ Speriglio:
254, Best: 13f, 22, 41, Collier/ Horowitz: 382-385, Giancana: 500-502.
7.8. Juni 1963 Kennedys Konfrontationskur
John Kennedy begibt sich auf Konfrontationskurs mit dem Federal Reserve Board, indem er unter
anderem die Ausgabe von fast $4,3 Mia. ‚United States Notes' durch das Finanzamt anstatt durch die
im FED zusammengeschlossenen Banken beschliesst. Zusätzlich ersetzt er die Silber- durch die
Golddeckung von Ein- und Zweidollarnoten, um die Währung zu stärken. Durch die Ausgabe des
Konkurrenzgeldes verspricht sich JFK eine Reduktion der Staatsschulden und eine Schwächung des
Finanzmonopols des FED. Der Präsident des Rechnungshofes James J. Saxon hat sich schon seit
längerem für breitere Investitionen und die Stärkung der anderen Banken ausgesprochen. Da das FED
das Geld selber druckt und der Regierung gegen Zinsen leiht, handelt es sich um eine weltweit
einmalige Form von Korruption, wie Louis McFadden, Vorsitzender des House Committee on Banking
and Currency, meint: "The Federal Reserve is one of the most corrupt institutions the world has ever
Seite [232]
seen. There is not a man within the sound of my voice who does not know that this nation is run by
international bankers."
Das Federal Reserve System wurde 1913 als privates Unternehmen, an dem der Staat keine Aktien
halten darf, gegründet. Die ursprünglichen Aktienbesitzer der Federal Reserve Banken waren die
Rockefellers und Rothschilds, JP Morgan, Lazard Freres, Schoellkopf, Kuhn-Loeb, die Warburgs,
Lehman Brothers und Goldman Sachs. Kein Senator oder Abgeordneter im Abgeordnetenhaus darf
Mitglied des Federal Reserve-Gremiums oder ein Offizier oder Direktor der Federal Reserve Bank
sein. Nach dem 1. Weltkrieg mussten die Europäer zur Begleichung der Kriegsschulden ihr Gold
abliefern, das zur Deckung des Dollars verwendet wurde. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der
Golddevisen-Standard eingerichtet, der es den anderen Zentralbanken erlaubt, Dollars gegen Gold zu
einem festen Satz umzutauschen. Deshalb sicherten sich die anderen Länder ihre Währung mit
Dollars, die sie in den Kellern lagern. Die Amerikaner konnten sich daher in der eigenen Währung
verschulden, ohne dass dies Folgen gehabt hätte. 1961 befinden sich mehr Dollar in Umlauf, als
durch Gold gedeckt ist, und die Inflation stieg weltweit an. Bereits in diesem Herbst bildeten die USA
(Beteiligung: 50%) mit den Zentralbanken von Deutschland (11%), Grossbritannien, Frankreich, Italien
(je 9,3%), Belgien, Holland und der Schweiz (je 3,7%) einen Goldpool, um den Verfall des Dollars
mittels Goldpreismanipulationen zu retten. Als die Verluste des Pools bis 1968 $4 Mia. erreichen,
wird seine Tätigkeit faktisch eingestellt. Drei Jahre später sind die Währungsgoldbestände der USA
soweit abgewirtschaftet, dass der Bankrott droht.
Ein Mitglied der Wall Street-Gruppe um das FED, John "Jock" Whitney, gibt als erster die Coverstory
von Oswald am 22.11.63 heraus. Der ehemalige Botschafter in England ist verwandt und befreundet
mit den Familien Bush, Harriman, Vanderbilt und Payson, wobei letztere eng mit der Atom- und
Rüstungsindustrie verknüpft sind. Sofort nach dem Tod Kennedys werden diese neuen "United States
Notes" zurückgezogen, und Johnson kehrt zur Tradition der Zinsenzahlung zurück, obwohl die Order
formell in Kraft bleibt.
Am 19.6.63 präsentiert Kennedy den Bürgerrechtsentwurf: Jedem Bürger, unabhängig von seiner
Hautfarbe, soll das Wahlrecht und der Zugriff auf alle öffentlichen Institutionen garantiert werden.
Schon im Oktober 1962 verärgerte JFK den Süden, als er Bundestruppen an die Universität von
Mississippi schickte, um die Immatrikulation von Schwarzen gegen den Willen des Gouverneurs
George C. Wallace durchzusetzen. Im Januar 1963 gab James Meredith sein Studium an der Uni
Oxford in Mississippi wegen ständiger Anfeindungen wieder auf. Trotzdem stellte sich Kennedy nie
eindeutig hinter die Schwarzen.
Im April und Mai 1963 kam es zu erneuten blutigen Unruhen, vor allem in Alabama, wo die Farbigen
mit Boykottmassnahmen für ihre Rechte demonstrierten. Am 13.5.63 schickte JFK Luftlandetruppen
nach Birmingham, nachdem im Motel A. G. Gaston, wo sich die Schwarzenführer einquartiert hatten,
eine Bombe explodierte. Bei den friedlichen Demonstrationen liess der Polizeikommissär Teophilis
Eugene Connor 2500 Farbige inhaftieren und mit scharfen Hunden, Wasserwerfern, elektrischen
Schlagstöcken und Gummiknüppeln gegen die Demonstranten vorgehen, obwohl der Bürgermeister
Albert Boutwell mit der Bürgerrechtsbewegung eine Vereinbarung ausgearbeitet hatte. Nachdem am
12.6.63 der Schwarzenführer Medgar Evers in Jackson, Mississippi, ermordet wurde, entschloss sich
JFK, nun doch etwas zu tun. Eine Woche später legt er dem Kongress eine Serie von
Gesetzesentwürfen vor, die eine Gleichstellung der Farbigen im öffentlichen Leben erzwingen sollen.
Die Segregisten der von Robert Welch finanzierten John Birch Society und des Ku-Klux-Klan schwören
Rache für den Verrat an der weissen Rasse.
Seite [233]
Am 27.8.63 findet der Marsch nach Washington gegen die Rassendiskriminierung und für die
Durchsetzung des Bürgerrechtsprogramms von JFK statt, an dem 200'000 Menschen teilnehmen.
Kennedy empfängt eine Delegation der Marschteilnehmer und warnt Martin Luther King persönlich
im Weissen Haus, dass er vom FBI überwacht werde und als Kommunistensympathisanten
diskriminiert werden solle. JFK empfiehlt King, die Beziehung zu seinem Berater Stanley Levinson
abzubrechen, der bis 1955 für die American Communist Party Gelder organisierte. Hoover lässt den
Prediger im Rahmen der COINTELPRO-Aktivitäten seit Oktober 1962 unter dem FBI-Code ZORRO
überwachen, obwohl ihm der Justizminister keine Bewilligung erteilte.
Quellen: Marrs: 275, DiEugenio (1997): 1, Kolloch: 149f, Tarpley/ Chaitkin: 54,135, Oglesby: 8, Best: 15, Obenhause, King: 7-17,
Collier/ Horowitz: 380ff, Theoharis/ Cox: 444, Schulz: 87, 113, Summers (1993), Giefer, Pepper, Dankbaar.
7.9. Juni 1963 Kennedys Aussenpolitik
John Kennedy hält am 10.6.63 eine Rede, die viele Historiker als die beste seiner Präsidentschaft
bezeichnen. Darin stellt er den Kalten Krieg in Frage, behandelt die Sowjetunion als ebenbürtige
Supermacht und votiert für den Weltfrieden. Eine Konsequenz dieser Rede ist auch die Einrichtung
einer Hotline am 20.6. zwischen dem Kreml und dem Weissen Haus, um eine zweite Raketenkrise zu
verhindern. Aber Kennedys eigentliches Ziel ist die Zustimmung von Nikita Chruschtschow zum
Vertrag, der zwei Monate später unterzeichnet wird und Atomtests in der Atmosphäre verbietet. Die
Amerikaner sind im Sommer 1963 aufgeschreckt vom Strontium 90, das bei Atomwaffenversuchen
freigesetzt und in hohen Konzentrationen in Kuhmilch und menschlichen Knochen nachgewiesen
wurde. JFK rechnet damit, dass der Rüstungsvorteil der USA mit dem Vertrag erhalten bleibt, da
Chruschtschow nicht weiss, dass die amerikanischen Wissenschaftler nun in der Lage sind,
Atomversuche auch unterirdisch durchzuführen. Zudem soll damit die weitere Verbreitung der
Atombombe verhindert werden. Die UdSSR zündete 1949, England 1952 und Frankreich 1960 ihre
erste Atombombe, und die USA befürchten, dass vor allem China in den Besitz der Atombombe
gelangen könnte. Acht Tage nach Unterzeichnung des Vertrages am 13.8.63 kündigt Robert
McNamara einen neuen Schritt im Rüstungswettlauf an, indem er die Zahl der
Interkontinentalraketen von 500 auf 1700 anheben und auch die der U-Boot-Raketen verdreifachen
will.
Nikita Chruschtschows Position innerhalb des Kremls wird damit nach der Kubakrise zum zweiten Mal
geschwächt. 1964 trennt er den Parteiapparat in einen Industrie- und einen Landwirtschaftsbereich,
kürzt das Rüstungsbudget und spricht von demokratischen Reformen. Trotz seiner Popularität im
Volk hängt sein Leben an einem seidenen Faden, weil Leonid Breschnew seinen Sturz vorbereitet. Im
Oktober 1964 muss er von allen Regierungs- und Parteiämtern zurücktreten. Selbst nach dem Sturz
empfindet ihn die Partei als Gefahr, lässt ihn weit ausserhalb Moskaus unter Hausarrest stellen und
permanent überwachen. Seine Memoiren erscheinen einige Monate vor seinem Tod im Westen und
werden in der Sowjetunion verboten.
Das Pentagon gibt zu, dass die Sowjetunion nur 60 und nicht 175 Divisionen hat und dass eine
russische Division nur halb so gross ist wie eine NATO-Division. Ohne diese bis anhin von Reinhard
Gehlen verbreiteten Zahlen hätte sich die Wiederbewaffnung Deutschlands, das seine Armee von
1000 Soldaten 1956 auf 300'000 1963 aufrüstete, was die Teilung Deutschlands und Europas
zementiert, nicht durchsetzen lassen. Trotzdem sind die Westmächte mit Ausnahme Frankreichs
nicht bereit, die deutschen Ostgrenzen anzuerkennen. Charles de Gaulle stellt sich immer wieder
gegen die Einbindungsstrategie der USA, und Frankreich tritt am 7.3.66 aus der NATO aus, um nicht
zum Handlanger der USA zu verkommen. Die Mitgliedsstaaten der NATO geben 1963 $71 Mia. für
das Militär aus, während der Sowjetblock auf nur $37 Mia. kommt. Ein militärischer Angriff der
Seite [234]
Sowjetunion auf Westeuropa wird von den US-Regierungen nie als eine reale Möglichkeit betrachtet,
aber die rote Gefahr dient als Legitimation für die repressive Innenpolitik und hegemonistische
Aussenpolitik. Wo Revolutionen passieren, werden sie sofort der UdSSR in die Schuhe geschoben,
auch wenn sie wie im Falle von Jugoslawien, China oder Kuba unabhängig von Russland entstanden.
JFK trifft auf seiner Europareise am 23.6.63 in Bonn ein und besucht dann das erste Mal die Berliner
Mauer. Seine Rede am 26.6. ist ein Triumph: eine Million Zuschauer sind von seinem Bekenntnis "Ich
bin ein Berliner" begeistert, obwohl seine Rede die Kalte-Krieg-Rhetorik wieder aufgreift und in
diametralem Gegensatz zur Friedensrede zwei Wochen zuvor steht.
Nach einem Besuch in Irland trifft sich Kennedy am 29.6. mit dem um sein politisches Überleben
kämpfenden Harold Macmillan in dessen Landhaus in Surrey, um der Aufmerksamkeit der Presse
möglichst zu entgehen. Englands Regierung von Harold Macmillan wird erschüttert durch den
Sexskandal um John Profumo. Der britische Kriegsminister hat ein Verhältnis mit der Prostituierten
Christine Keeler, die ebenfalls eine Affäre mit dem sowjetischen Flottenattaché Yevgeny Ivanow hat,
der für den sowjetischen Geheimdienst arbeitet. Zum Call-Girl-Ring von Christine Keeler und Stephen
Ward gehören auch die chinesische Schönheit Suzy Chang und die wasserstoffblonde Tschechin
Mariella Novotny, die nicht nur in London, sondern auch in New York arbeiten, wo sie John Kennedy
vor und nach der Wahl 1960 mehrmals bedienten. Nach Aussagen von Novotny spielten die beiden
Ärztin und Krankenschwester, und der angehende Präsident war ihr Patient. JFK verschlingt daher
jedes geschriebene Wort über den Profumo-Skandal, wobei ihn der amerikanische Botschafter in
Grossbritannien, David Bruce, direkt auf dem Laufenden hält. Besonders dramatisch ist, dass
Novotny mit dem KGB zusammen arbeitet und dass die Presse informiert ist.
Auf Initiative von RFK beauftragt J. Edgar Hoover seinen Attaché in London, Charles Bates, den
Skandal genau zu verfolgen, besonders im Hinblick auf eine Verwicklung von amerikanischen
Beamten. Denselben Auftrag erteilt John McCone der CIA-Station in London. Deren Vizedirektor
Cleveland Cram kann einen Monat lang alle Unterlagen des MI-5 über den Fall einsehen, ohne
Nennenswertes zu finden. Offenbar benutzte der MI-5, der sowohl mit Hoover wie auch mit
Angleton in direktem Kontakt steht, Wards Sexring, um den russischen Agenten Ivanow, der über
Christine Keeler Informationen von Profumo erhalten wollte, zu erpressen.
Am gleichen Tag des Treffens von Kennedy und Macmillan schreiben die Journalisten James D. Horan
und Dom Frasca im Journal-American über eine Verbindung von einem hohen amerikanischen
Regierungsbeamten mit dem Keeler/Ward-Sexring. Der rechtsextreme Editor des Journals, Guy
Richards, der über exzellente Geheimdienstbeziehungen verfügt, versucht einen Skandal auszulösen,
um den Präsidenten nach dessen Entspannungsrede zu stürzen. Richards wird zusammen mit
Michael Eddowes, der mit Christine Keeler befreundet ist, nach dem Attentat propagieren, dass der
KGB JFK umgebracht habe.
Am 30.6. vergnügt sich Kennedy in einer von Dean Rusk organisierten Villa der Rockefeller-Stiftung
am Comersee mit Marella Agnelli, der Frau des italienischen FIAT-Tycons, der seinerseits mit Jackie
eine Affäre hatte. Während JFK am nächsten Tag eine Audienz bei Giovanni Battista Montini, dem
neuen Papst Paul VI. hat und italienische Spitzenpolitiker trifft, zitiert Robert Kennedy die beiden
Journalisten des Artikels ins Justizministerium, um sie im Beisein von Courtney Evans, dem Chef der
Special Investigative Division des FBI, auszufragen. Die beiden wissen, dass der "hohe Beamte" der
Präsident ist, verraten als Quelle aber nur den Journalisten Peter Earle von News of the World,
welche mit Novotny einen Vertrag für ihre Story abgeschlossen hat. Die Journalisten versichern, dass
sie weitere Quellen hätten. Wichtige Informationen kamen offenbar von Roy Cohn, der einen
Seite [235]
Amerikaner im Profumoskandal verteidigt, und gelangten über Hoover zu Richard Berlin, dem Chef
des Hearst-Konglomerats.
FBI-Chef Hoover kann seit langem auf die Mithilfe der Hearst-Zeitungen zurückgreifen, um die
Kommunistenangst im Land zu fördern. Über James McInerney droht Justizminister Robert Kennedy
dem New York Journal-American von Randolph Hearst mit einer Anti-Trust-Klage und kann damit
verhindern, dass eine zweite Auflage gedruckt oder die Story weiterverfolgt wird. Hearsts Empire
umfasst um die 25 Zeitungen, 8 Magazine sowie einen Newsservice. Hearst hat Beziehungen zur
Mafia, die ähnlich der CIA viele bezahlte Journalisten in den Medien haben. Gleichzeitig kehren die
Kennedys das Spiel Hoovers um und weisen Kenneth O'Donnell an, ein Schmutz-Dossier über Hoover
zu eröffnen, um etwas gegen ihn in der Hand zu haben.
Ein weiteres gefährliches Abenteuer hat John Kennedy mit der Ostdeutschen Ellen Rometsch. Sie war
Mitglied einer kommunistischen Jugendgruppe und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
bis sie mit ihrer Familie 1955 nach Westdeutschland floh. Mit ihrem zweiten Ehemann, als Offizier
der Luftwaffe an die Deutsche Botschaft abgeordnet, kam sie 1961 nach Washington, wo sie sich als
Partygirl und Prostituierte beliebt machte. Die 27jährige wurde Anfang 1963 eine von Bobby Bakers
Bekanntschaften, und Bill Thompson vermittelte sie an JFK. Rometsch ist mindestens zehn Mal bei
Jack und erzählt Baker von den Nacktparties im Swimming Pool des Weissen Hauses, an denen oft
Politiker und in der Regel doppelt soviele Mädchen wie Männer teilnehmen.
Am 3.7. informiert J. Edgar Hoover RFK, dass er einen Bericht erhalten habe, aus dem hervorgehe,
dass der Präsident mit Ellen Rometsch, die früher für Walter Ulbricht gearbeitet habe und eine
Spionin sein könnte, ungesetzliche Beziehungen habe. Die Gegenspionageabteilung des FBI eröffnet
daraufhin eine Untersuchung. Auf offizielles Ersuchen des Aussenministeriums hin wird Ellen
Rometsch am 21.8. in einem Air Force Transporter deportiert. Begleitet wird sie von Bobbys Freund
LaVern Duffy, der seit einigen Monaten ebenfalls eine Affäre mit Rometsch hat. Rolf Rometsch
verlässt die USA einige Tage später; ihre Ehe wird im September wegen ihren Beziehungen zu
anderen Männern geschieden. Über La Vern Duffy zahlen die Kennedys Schweigegeld.
Quellen: Obenhause, Hersh: 382-400, Summers (1993): 305-313, Collier/ Horowitz: 385f, Scott (1993): 112, 229f, 305f, Fox:
110ff, Afterbach 6, Amara, Bartholomew: 52, (4): 18f.
7.10. Juli 1963 Lateinamerika
Präsident Carlos Arosemena Monroy von Ecuador gibt am 10.7. ein Bankett zu Ehren der Vertreter
des Grace-Konzerns. In angetrunkenem Zustand erklärt er: "Die Völker Ecuadors und der USA haben
herzliche Beziehungen, doch die bestehen nur zwischen den Völkern. Die Regierung der USA beutet
Lateinamerika aus, und sie beutet Ecuador aus." Der Präsident ist noch nicht nüchtern, als die Armee
schon die Macht übernommen hat, die sie für die nächsten drei Jahre behält, bis ein landesweiter
Aufstand im März 1966 die Junta zum Rücktritt zwingt.
Kuba ist allein schon durch seine Präsenz als nicht US-dominierter Staat in Amerika eine Bedrohung
des herrschenden Machtgefüges, da die Hoffnungen der amerikanischen Völker auf Unabhängigkeit
dadurch genährt werden. Am 19.6. billigte JFK formell die geheime CIA-Unterstützung der
"autonomen Gruppen", die zwar bewaffnet und finanziert, aber deren Sabotage- und PropagandaAktionen von der CIA nicht kontrolliert werden. Auch die Armee unterstützt die Exilkubanergruppen.
Alexander Haig, der im Büro von Armeesekretär Cyrus Vance arbeitet, Santos Trafficante kennt,
Nixons Sicherheitsberater und Reagans Aussenminister sein wird, arbeitet zusammen mit CIA-Agent
Joe Califano an der Organisation von Hit-Teams. Haig behauptet später, Castro stecke hinter der
Seite [236]
Kennedy-Ermordung. John Martino ist im Juni mit einem Hit-Team auf Kuba, zusammen mit Loran
Eugene Hall, Eddie Bayo, Rolando Martinez, Rip Robertson und dem Journalisten Richard N. Billings
von Life, der eine Fotostory der Aktion veröffentlichen will. Billings arbeitet für Henry Luce, der die
Alpha 66 unterstützt, ist verwandt mit C.D. Jackson und mit Allen Dulles befreundet, und hat
ebenfalls eine Liebesaffäre mit Mary Bancroft. Martino arbeitet für Santos Trafficante und kennt laut
Hall auch Sam Giancana und John Roselli.
Frank Sturgis, der als Hauptverdächtigter beim Mord eines Casinoleiters von Virginia vom FBI
untersucht wird, arbeitete unter Supervision von Bernard Barker im Mai und Juni 1963 mit Pedro und
Marcos Diaz Lanz zusammen an einem Luftangriff gegen Kuba, der auf den 31.7. geplant ist. Das Ziel
von OPERATION CRYPT, woran Joe Garman, Jerry Buchanan, Gerry Hemming und Howard K. Davis
mitarbeiten, besteht darin, ein Kuba-Abkommen von Kennedy mit Chruschtschow zu verhindern,
indem zwei angebliche russische Überläufer mit Kenntnissen über russische Raketenstandpunkte auf
Kuba in die USA gebracht werden. Bayo alias Eduardo Perez Gonzalez soll gleichzeitig mit zwei seiner
Männer bei der Operation RED CROSS Castro ermorden. William Pawleys Yacht Flying Tiger soll die
Russen vor der Küste Kubas aufpicken, aber die Beteiligten verschwinden. Bayos Team wird
verhaftet, weil Informationen über ein bevorstehendes Attentat von Rolando Masferrer über Anwalt
Carlos Garcia Bongo nach Kuba gelangen. Von Masferrer scheint auch die Idee gekommen zu sein,
Oswald als alleinigen Schützen aufzubauen. Und von seinen Tigres und von Mitgliedern der Alpha 66,
der Bewegung 30.November und von Ferries Lake Pontchartrain-Gruppe werden Kennedy-Attentäter
rekrutiert. Masferrer, der die Führung der exilkubanischen Gruppierungen beansprucht, schiebt Geld
von Carlos Marcello zur Alpha 66.
Am 15.6.63 wurden Sam Benton und Victor Espinosa bei den Vorbereitungen zu einem
Bombenanschlag der Shell-Raffinerie mit einem Flugzeug verhaftet. Victor Hernandez und Mike
McLaney sind ebenfalls involviert. Anfang Juli versucht Benton, den Richard Lauchli mit 2500 Pfund
Dynamit belieferte, eine B-24 für die Aktion zu organisieren.
Am 20.6.63 verkündete das Cuban Revolutionary Council eine Invasion Kubas durch die Movimiento
Insurecional de Recuperacion, die Rescate und die Movimiento Democrata Cristiana. Da sich die
Invasion als reiner Bluff herausstellt, tritt Dr. Antonio Maceo, der Nachfolger von Miro Cardona als
Präsident des Cuban Revolutionary Council, zurück. Auch diese Aktion soll die sich anbahnende
Entspannung zwischen Kuba und den USA verhindern.
Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza ist am 21.7. in Miami und trifft sich mit Führern von neun
exilkubanischen Widerstandsgruppen, die er für eine neue Kubainvasion koordinieren will und denen
er seine Unterstützung verspricht. JFK traf sich vor seiner Europareise mit Somoza und zeigte sich
interessiert an den Plänen zum Sturz Castros, wollte aber Manuel Artime als militärischer Leiter der
Kubaaktivitäten. Das Pentagon und die CIA befürworten Somozas Ideen, aber das Aussenministerium
verwirft sie. Nach seiner Europareise will JFK Somoza nicht mehr treffen.
Der Präsident plant, die CIA nach den Wahlen von 1964 mittels Umstrukturierungen zu entmachten.
Er ändert auch seine Meinung in Bezug auf die von der CIA bisher unterstützten autonomen
Gruppen, die er einen Monat zuvor noch formell billigte. Artime reagiert auf das Ende der
Unterstützung mit einer scharfen Kritik der Kubapolitik der Kennedys am 16.7. und mit der Gründung
der Bay of Pigs Brigade Veterans Association. Deren Kämpfer sollen in Louisiana und Nicaragua,
wobei Robert K. Brown die Schnittstelle zu Somoza bildet, trainiert werden.
Das Hauptquartier von Artime wird daraufhin verwanzt und das Trainings Camp der Exilkubaner am
Lake Pontchartrain bei New Orleans, das Rudolph Richard Davis, David Ferrie und Victor Panque
Seite [237]
mitleiten, vom FBI am 31.7. ausgehoben. Davis kennt Kenneth O'Donnell näher. Panque gehört zur
International Anti-Communist Brigade und zur Movimiento Democratia Cristiana. Das FBI verhaftet
auf William McLaneys Grundstück Sam Benton, John Koch Gene, Earl J. Wassem Jr, Ralph Folkerts,
Victor Espinosa, Carlos Eduardo Hernandez Sanchez, Acelo Pedroso Amores, Miguel Alvarez Jimenez,
Antonio Soto Vasquez, Victor Panque und Richard Lauchli. Zudem wird ein ansehliches Waffenarsenal
beschlagnahmt, das von Gerry Hemming und Frank Sturgis aufgebaut wurde, die dort als Trainer
arbeiten. Victor Espinosa Hernandez, ein Freund von Rolando Cubela und Eugenio Rolando Martinez,
transportierte das Kriegsmaterial von Richard Lauchli zum Camp, das dann eingezogen wird. Das
Camp wurde mitfinanziert vom Militärchef der Movimiento Democratia Cristiana, Laureano Batista
Falla, von Carlos Prio und von Somoza.
John Martino, Manuel Varona, William Pawley, Gerry Hemming, Frank Sturgis, Carlos Prio und Rip
Robertson ziehen das Projekt nach der FBI-Aushebung weiter, obwohl die CIA auf Befehl Kennedys
ihre Unterstützung dann einschränkt. Im August 1963 diskutiert Stanley Drennen, ein Mitglied der
rechtsextremen National States Rights Party, mit Hemmings Freunden Robert K. Brown und Steve
Justin Wilson über die Beseitigung Kennedys. In Betracht gezogen wird die Ermordung der gesamten
Regierung Kennedys und aller Kongressabgeordneten, die zur "Americans for Democratic Action"
gehören. Diese Organisation besteht vorwiegend aus dem liberalen Flügel der Demokratischen Partei
und veröffentlicht jedes Jahr eine Übersicht über das parlamentarische Verhalten aller
Kongressmitglieder.
Quellen: Hersh: 381-386, Bartholomew: 52, (4), Scott (1993): 90, 112, 305f, Weberman (10): 28-39, 52, (11): 2f, 29-31, (12): 25,
56-69, (15): 15-18, (18): 4, (21): 63, Griffith (1996), (1998), Schulz: 168, 211-214, Pease (1997), Barrett, Karel (1), CIA-Info: 14,
Groden/ Livingstone: 410.
7.11. August 1963 ‚Trotzkist' Oswald
Jack Ruby und Lee Harvey Oswald waren am 22.6.63 in einem Motel in der Nähe von New Orleans
und telefonierten mehrmals nach Mexico City, von wo viele Falschinformationen zum JFK-Mord
herkommen. Während Ruby im März noch 10 Ferngespräche führte, werden es im September 35, im
Oktober 70 und im November fast 100 sein. Dabei telefoniert er mit Harold Tannenbaum, Michael
Shore, Russell Matthews, Irwin Weiner, Joe "The Wop" Cataldo, Lewis J. McWillie, James Henry
Dolan, Barney Baker, Murray "Dusty" Miller, Frankie Goldstein und Paul Roland Jones, die alle zur
Mafia gehören oder mit Mobstern kooperieren.
Seit Ende der 20er Jahre besteht ein geschützter Drogenhandel in die USA, der dem mexikanischen
Innenminister, der in der Regel der Kandidat für die Präsidentschaft ist, untersteht. In den 40er
Jahren wird innerhalb dieses Ministeriums die Direccion Federal de Seguridad gegründet, eine
Verbindung von Geheimdienst und Privatarmee von Drogenhändlern. Gleichzeitig ist die DFS die
Kontaktstelle für CIA-Agenten mit der mexikanischen Regierung.
Über die DFS und David Phillips werden Spuren aufgebaut, die Oswald in Verbindung mit Russlands
KGB-Chef in Mexico, Valery Kostikow, und zu den Trotzkisten bringen. Armeeveteran und "Trotzkist"
Harry L. Power von San Antonio ist ein Bekannter von Oswald. Am 23.11.63 wird in seinem
Hotelzimmer in Indiana ein Mauser 7.65-Gewehr gefunden. Ein Bekannter von Power ist der
"Trotzkist" John Robert Glenn, Geheimdienstagent der Air Force, der eine verblüffend ähnliche
Karriere wie Oswald hat. Oswald hält auf dem "Hinterhoffoto" die trotzkistische Zeitung The Militant
in der Hand und hat Pamphlete der Trotskite Pioneer Press bestellt.
Michaels Vater George Lyman Paine ist eine leitende Figur der eigentlich nicht mehr existenten
Trotsky-Bewegung. Vaughn Marlowe des Fair Play for Cuba Committee von Los Angeles, der von
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"Leopoldo" und "Angel" als Schütze für das Kennedy-Attentat im Juni in Los Angeles hätte rekrutiert
werden sollen, ist angeblich ebenfalls Trotzkist. Die zwei Schattenfiguren haben mit Oswald Kontakt
und geben sich ihm gegenüber als Pro-Castro-Agenten aus. Walt Rostows Mitarbeiter am CENIS,
Harold R. Isaac, gilt als Trotzkist. Angeblich soll Jack Ruby von Lorenzo Borenstein, einem engen
Verwandten von Trotsky, Bilder abgekauft haben. Eventuell hängt dies mit Rubys Bruder Sam
zusammen, der während dem 2. Weltkrieg bei der Army Intelligence arbeitet.
Die CIA benutzt Mexico als Basis für regionale Operationen in Zentralamerika und wird seit 1956 vom
Ex-FBI-Agenten Winston MacKinley Scott geleitet. Scott setzt am 22.11.63 die Geschichte in die Welt,
dass ein mutmasslicher Castro-Agent namens Fabian Escalante am Morgen von Havanna kommend
in Mexico City gelandet und nach Dallas weitergeflogen sei.
David Ferrie und Guy Banister erweitern die Taktik, um Lee Harvey Oswald als Castro-Agenten
darzustellen. Am 5.8. meldet sich Oswald bei Carlos Bringuier und bietet an, er würde als MarineVeteran mit Guerillaerfahrung die Brigade 2506 trainieren. CIA-Informant Bringuier macht das Spiel
mit, das eventuell von John Martino organisiert wurde. Am 10.8. wird Oswald, als er Pro-KubaFlugblätter verteilt, "wiedererkannt", worauf es zu einer Auseinandersetzung mit Bringuier auf
offener Strasse kommt. Die Polizei greift in den Streit von Oswald und Bringuier ein und verhaftet sie,
wobei ein Zettel mit russischen Namen und Telefonnummern bei Oswald gefunden wird. Diese zeigt
der Polizei eine von V. T. Lee signierte FPCC-Karte. Oswald schrieb über diese Auseinandersetzung
bereits, bevor sie stattfindet, in seinem Brief vom 1.8.63 an Lee. Interessant am Konflikt mit Bringuier
ist auch, dass Oswald Bringuiers Verbindung zur "Cosa Nostra" erwähnt, obschon dieser Begriff erst
nach der spektakulären Zeugenaussage Valachis vom 25.9.63 gebräuchlich wird. Die Aussagen
Oswalds gegenüber Geheimpolizist Francis Martello passen nicht zu denen bei FBI-Agenten John
Lester Quigley. Oswald verlangt selbst eine FBI-Einvernahme und behauptet, seine Sektion des "Fair
Play for Cuba Commitee" habe 35 Mitglieder, treffe sich geheim und ein Hidell, der seine (zweite)
FPCC-Karte unterschrieb, gebe ihm telefonische Anweisungen. Oswald baut damit eine Legende auf,
die das FPCC mit dem Namen Hidell koppelt. Indem Oswald den schwarzen Kommunistenführer Ben
Davis sowie weitere Unbeteiligte der Region als Mitglieder seines FPCC angibt und sich selbst mit der
Socialist Worker's Party und der Communist Party in Verbindung bringt, unterstreicht er seine
"Gefährlichkeit" und erleichtert Hoover die Diffamierung der drei Organisationen. Dass er sich
gleichzeitig als Sündenbock aufbaut, ist Oswald nicht bewusst.
Martellos Bericht geht an die 112. Armeegeheimdienststelle weiter, während der von Quigley an das
Marinegeheimdienstbüro in Algiers, Louisiana, weitergeleitet wird. Dabei handelt es sich vermutlich
um eine von Hoovers Techniken, mit kompromittierenden Daten umzugehen, indem diese in
Militärgeheimdienstarchive ausgelagert werden. Hoover gibt auch Informationen an den früheren
Chef des Armeegeheimdienstes, Generalmajor Van Deman, weiter, der ein privates Archiv über
125'000 subversive Personen und Organisationen verwaltet.
Obwohl Oswalds aggressivster Akt darin bestand, Bringuier aufzufordern: "Okay, Carlos, wenn du
mich schlagen willst, schlag mich", bezahlt nur Oswald eine Busse. Emile Bruneau, enger Freund von
Nofio Pecora und Joseph Poretto, bezahlt seine Kaution. Bringuier sorgt dafür, dass Kameras des
WDSU-TV die zweite Auseinandersetzung nach dem Gerichtshearing aufnehmen.
Am 16.8.63 verteilt Oswald zusammen mit Charles Hall Steele erneut Flugblätter. Auf Initiative von
Bringuier besucht der Journalist William Stuckey Oswald am 17.8.63, der ihm erzählt, er sei nur der
Sekretär des FPCC in New Orleans, der Präsident sei A.Hidell. Stuckey, der auch Kontakt zu Gerry
Hemming und Frank Sturgis hat, weiss bei der zweiten Radiodebatte, dass Oswald ein
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Russlanddefektor ist. Oswald äussert in dieser Sendung seine Gegnerschaft zu Kennedy. Am 21.8.
diskutieren Oswald und Bringuier ihre Differenzen mit dem Rechtsextremen Ed Butler vom INCA in
einer ersten Sendung des lokalen WDSU-Radios. Mit seinem Auftreten "verrät" sich Oswald als
Marxist und Lügner.
Oswald organisiert weitere Strassenaktionen, die von Fernsehstationen übertragen werden.
Verantwortlich für die FBI-Überwachung Oswalds ist Warren DeBrueys, der als Botschaftsattaché in
Brasilien, Mexico und Argentinien für die CIA arbeitete. Am 27.7.63 hält Oswald auf Initiative seines
Cousins Eugene Murret am Jesuit House of Studies in Mobile, Alabama, eine Rede, in der er die
Befürchtungen und Anschauungen der Minutemen vertritt, zu einer Zeit, als er ein Einreisevisum für
Marina und, gesondert davon auch für sich, in die UdSSR beantragt.
Neben Bringuier hat Oswald Kontakt mit anderen CRC-Mitgliedern: Arnesto Rodriguez, FBI-Informant
Orestes Pena, Ronny Caire und Manuel Gil. Eine Diskussion findet auch mit Frank Bartes, dessen
Name in Oswalds Adressbuch verzeichnet ist und der mit Bringuier zusammenarbeitet, statt. 1965 ist
Bartes als Söldner bei der CIA-gesponserten kongolesischen Luftwaffe beteiligt. Piloten mit B-26Bombern und T-28 aus der Schweinebucht fliegen unter dem Deckmantel der Fluggesellschaft
Caramar Angriffe gegen die ehemaligen Lumumba-Rebellen im Kongo. Joseph Mobutu, Cyril Adoula,
und später Moise Tshombé in Katanga werden von der CIA auch finanziell unterstützt. 1968
benachrichtigt Bartes das FBI, sein Leben sei wegen der Garrison-Untersuchung in Gefahr.
Senator Estes Kefauver wird am 10.8.63 vergiftet. Er beabsichtigte, vor dem Senat über
Machenschaften der Mafia und der CIA zu berichten. Er stirbt tags darauf im Bethesda Naval
Hospital, als die Ärzte eine Herzoperation vorbereiten.
Quellen: Davis (1988): 122-132, 404ff, Bartholomew (2), (4), Scott (1993): 258f, (1994): 3ff, CNPC: 2, Weberman (6): 70, (11): 2026, (12): 1-56, (15): 17, (27): 49-59, Schulz: 90, Höfling, CIA-Info: 14, Torbitt: 22, Anson: 249ff, Callahan: 76f.
7.12. September 1963 Attentatsplanung
Am 26.9. kommt die definitive Bestätigung, dass John Kennedy am 22. November in Dallas sein wird.
Texas ist in der Hand von Carlo Marcello, was von den anderen wichtigen Mafiafamilien respektiert
wird. Sein Schmiergeldverteiler ist John Halfen, der Politiker wie den Kongressabgeordneten Albert
Thomas aus Houston, Richter wie Tom Clark vom Obersten Gerichtshof und die Polizei bezahlt. Es
wird geschätzt, dass beispielsweise von den $15,6 Mio. Gewinn, den die Pferdewetten pro Jahr
abwerfen, 40% an Marcello, 25% an Polizisten und Politiker und 35% an Halfen und seine Mitarbeiter
gehen.
Dallas eignet sich als Attentatsort vorzüglich, weil die Stadt seit zehn Jahren ein inoffizieller Satellit
der Marcello-Organisation ist. Joseph Civello und die Brüder Joe und Sam Campisi, denen der
Mafiatreffpunkt Egyptian Lounge gehört, leiten die Geschäfte in Dallas. Joe Campisi gilt als
zweithöchster Gangster der Stadt und potenzieller Nachfolger von Civello. Bürgermeister Earl Cabell,
Bruder des von Kennedy geschassten CIA-Vizedirektors, ist für die Verwaltung und Sicherheit
zuständig. Das Dallas Police Departement ist eines der korruptesten der USA, seit sich die Mafia Ende
der 40er Jahre in der Stadt eingenistet hat. Sergant Patrick T. Dean ist öfters Gast bei Joe Civello, der
die Leitung der Mafia von Dallas 1956 übernahm. Rubys Freund Dean stellte den im Drogenhandel
tätigen Civello als Polizeiinformanten in Drogenangelegenheiten an. Die Stadtpolizei rekrutiert ihre
Beamten hauptsächlich von erzkonservativen Gruppen wie dem Ku-Klux-Klan oder der John Birch
Society. Oft arbeiten CIA und lokale Polizei zusammen, indem die CIA Wanzen, Einbrüche,
Sprengstoffaktionen oder Trainingsprogramme für die Polizei organisiert und die Agenten als
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Gegenleistung die Badges der Polizei für untersagte Inlandoperationen benützen können. Einige
Polizisten arbeiten an den Attentatsvorbereitungen gegen den Präsidenten mit. Jack Ruby hat
legendäre Kontakte zur Polizei von Dallas und kennt 100 Polizeioffiziere mit Namen. Er ist der
Verbindungsmann der Unterwelt zur Oberwelt, und die Schmiergelder für die Polizisten laufen fast
ausschliesslich über ihn. Ruby organisiert den Beamten Frauen, beschäftigt Polizisten in seinem
Nachtclub und ist während Jahren ebenfalls Informant der Drogenabteilung der Polizei. 150 bis 200
Polizisten frequentieren Rubys Nachtklub, unter ihnen auch Captain Will Fritz, ohne dass sie ihre
Getränke bezahlen müssen.
Ursprünglich gehörte Ruby zu Al Capones Syndikat in Chicago, wurde dann 1947 von Tony Accardo
nach Dallas geschickt, um die Stadt unter Kontrolle zu bringen. Da dies nicht gelang, konnte er nicht
mehr nach Chicago zurück und wurde Mitarbeiter Joe Civellos, der mit Frank LaMonte Rauschgift aus
Sizilien importierte. Als Stripteaselokalbesitzer, Buchmacher, Rauschgift- und Waffenhändler,
Spielautomatenbetreiber und Zuhälter hat Ruby Kontakte zu mindestens drei der sieben MarcelloBrüder. Von Pete Marcello übernimmt Ruby häufig Stripperinnen, von denen er verlangt, dass sie mit
ihm ins Bett gehen. 1963 versuchen Ruby und der Mafiaboss von Los Angeles Mickey Cohen, mit
Candy Barr, einer von Rubys Lieblingsstripperinnen, eine prominente Person in eine sexuelle Falle zu
ziehen. Barr heiratet Cohen später. Im Zusammenhang mit Waffen- und Drogenschmuggel und der
Schweinebuchtinvasion arbeitete Ruby mit den CIA-Agenten Robert Perrin und L. Robert Castorr.
Perrin, der Ehemann von Rubys Stripperin Nancy, wird am 28.8.63 vergiftet.
Seit 1959 ist er als Potential Criminal Informant des FBI registriert, wobei neun Kontakte von FBI und
Ruby nachgewiesen sind. Im Herbst 1963 hat Ruby Ärger mit dem Steueramt, dem er gegen $60'000
schuldet. David Ferrie, wie Ruby an Oswalds Undercoveraktionen beteiligt, ist Stammgast in Rubys
Carousel Club.
Die Planung des Kennedy-Attentats läuft über verschiedene Kanäle. Eine Schlüsselrolle nimmt Sam
Giancanas Lieutnant Johnny Roselli ein, über den Kontakte zu Marcello, Trafficante, zur CIA und, über
Red und Allen Dorfman, zu den Teamsters laufen. Jack Ruby, Lenny Patrick, Dave Yaras, Paul Jones
und Lewis McWillie gehören zu dieser Linie. Eine weitere Schlüsselrolle spielt Robert Aimé Maheu,
der den Kontakt zu den Geheimdiensten (FBI, CIA), Politik (Roosevelt, Nixon), Mafia (Giancana,
Roselli, Banister, Cain, Cellini, Meyer, Zicarelli) und der Wirtschaft (Hughes, Ölfirmen, Rebozo) bildet.
Nach Maheu "beauftragt" ihn Hughes "JFK zu entfernen", weil er über dessen Rassenpolitik
aufgebracht ist und "Neger als verbreitende Träger von Bakterien" betrachtet. Charles Cabell, der
ehemalige stellvertretende CIA-Direktor und Schnittstelle zur Politik in Dallas, arbeitet jetzt in
Maheus Detektivbüro. E. Howard Hunt, Richard Cain und Frank Sturgis bilden die Schnittstellen von
CIA und den Exilkubanern. David Atlee Phillips, Michael Paine, Guy Banister, Gerry Hemming und
David Ferrie betreuen Oswald. Über Michael Paine laufen Kontakte zu den militärischen
Geheimdiensten.
Richard Nixon und Lyndon Johnson sind über die Attentatsvorbereitungen auf dem Laufenden. Das
Geld für das Attentat, alle Beteiligten sollen mindestens $50'000 bekommen, kommt von den
reaktionären texanischen Ölbaronen, vor allem von H. L. Hunt, die Johnson oder Nixon als
Präsidenten wollen.
ONI-Agent Richard Case Nagell schreibt Hoover, dass Lee Harvey Oswald, den er persönlich kennt,
JFK am 23.9.63 umbringen wolle. Ein Attentatsort könnte Ashland in Wisconsin sein, wo Kennedy am
24.9. eine Rede hält. Angeblich warnt Nagell Oswald, dass er von den Kubanern "Leopoldo" und
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"Angel" als Sündenbock aufgebaut werde. Nagell meldet dem CIA-Verantwortlichen Desmond
FitzGerald, dass die Operation mit Oswald ausser Kontrolle geraten sei.
In Bay Cliff trifft Oswald Robert Ray McKeown, der mit Jack Ruby und Carlos Prio Socarras, dem
ehemaligen kubanischen Präsidenten und Unterstützer der Exilkubaneraktivitäten, in Waffendeals
verwickelt war. Am 12.9.63 trifft Oswald in Dallas den CIA-Agenten "Maurice Bishop" alias David
Atlee Phillips, der Chef der Abteilung für verdeckte Aktionen in Mexiko. Eine Woche nach dem
Treffen mit Phillips beantragt Oswald am 17.9. ein Visum für Mexico.
Fidel Castro meinte am 7.9. in einem Interview mit AP-Korrespondent Daniel Harker zu
Geheimdienstberichten, wonach die CIA ihn zu ermorden plane: "Wir sind bereit zu kämpfen und es
ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Die Führer der Vereinigten Staaten sollten bedenken, dass
ihre eigene Sicherheit in Gefahr ist, wenn sie terroristische Pläne, kubanische Führer zu beseitigen,
unterstützen." Laut dem kubanischen Geheimdienst ist dieses Zitat nicht korrekt, Castro habe
gewarnt ohne zu drohen. Mit dieser Darstellung unterstützt Harker die geplante Strategie, Oswald als
Befehlsempfänger Castros darzustellen. Castro sagt kurz vor dem Attentat auch, dass Kennedy in den
letzten Monaten gelernt habe, viele Dinge zu verstehen. Am 18.9. versucht CIA-Agent Pierre Owen
Diez de Ure 30 Kilo Plastiksprengstoff unter der Rednertribüne Castros zu platzieren.
Am 24.9. trifft sich Oswald mit Gerry Hemming. Die beiden fliegen am nächsten Tag in einem
privaten Flugzeug nach Austin, wo Oswald versucht, seine unehrenhafte Entlassung von den Marines
zu verbessern. Am 25.9. fliegt Oswald nach Dallas zurück und besucht mit "Leopoldo" und "Angel"
Sylvia und Annie Odio. "Leopoldo" ist Robert Willis, der für Gerry Hemming und mit Johnny Roselli
arbeitet. Der kubanische Geheimdienst vermutet, dass es sich bei "Angel" um den DRE-Aktivisten
Isidro Borja handelt, der ebenfalls für Hemming arbeitet und mit der Alpha 66 Gruppe verbunden ist.
Sylvia Odio wird verdächtigt, eine Castro-Agentin zu sein, weil sie zum linken Flügel der JURE gehört.
Laut Odio ist bekannt, dass Oswald ein Doppelagent ist, der versucht, Kubanergruppen in Dallas im
Auftrag des FBI zu infiltrieren, weshalb man ihm nicht trauen könne.
Das Alcohol, Tobacco, and Firearms-Büro führt gegen die Alpha 66 von Dallas eine Untersuchung
wegen Waffenhandels durch, wobei ATF-Agent Frank Ellsworth mit FBI-Agent James Hosty in Kontakt
steht. Offenbar setzt Hosty Oswald für diese Untersuchung als Informant bei der Exilkubanergruppe
ein. Ellsworth und Hosty befinden sich beim Kennedy-Attentat am 22.11.63 zusammen mit den
Armeegeheimdienstagenten Edward Coyle und James W. Powell in der Nähe von Oswald.
Die FBI-Agenten James Hosty und Bardwell Odum befragen Sylvia Odio und John Martino, von dem
ihr Vater Waffen kaufen wollte. Amador Odio sass 1961 zusammen mit John Martino im Gefängnis in
Kuba, weil er versuchte, Reinaldo Gonzalez zu verstecken. Gonzalez versuchte nach einem Plan des
Alpha 66-Gründers Antonio Veciana, Castro zu ermorden. Veciana berichtet ebenfalls von einem
Treffen seines Kontaktagenten "Maurice Bishop" mit Oswald Anfang September 1963, das Vecianas
Sekretärin Delores Cao bestätigt. Phillips offeriert Vecianas Cousin Guillermo Ruiz, der für den
kubanischen Geheimdienst in Mexico City arbeitet, Geld, damit dieser aussagt, er hätte mit Oswald in
Kontakt gestanden.
Unmittelbar nach dem Kennedy-Attentat kommt die Meldung in die Presse, Oswald habe mit einem
Paar in Mexico Kontakt gehabt und handle im Auftrag von Castro. Das FBI versucht mithilfe von Loran
Eugene Hall zu beweisen, dass dieses Treffen mit Odio nicht am 25.9. stattgefunden haben kann, da
Oswald offiziell in Mexiko ist. Das FBI muss dann diese Version aber zurückziehen, wonach Hosty
behauptet, dass Silvia Odio Oswald mit Seymour verwechselt habe, da die beiden sich offensichtlich
gleichen. William Houston Seymour gibt sich als Leon Oswald aus und legt Spuren in New Orleans,
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Florida, Austin, Alice, Fort Worth und Dallas. Der Warren-Bericht kommt zum Schluss, dass nicht
Oswald, sondern Loran Hall, William Seymour und Lawrence John Howard die Besucher bei Odio
gewesen sein müssen.
Hall trifft sich am 18.9.63 in Los Angeles mit Frank Sturgis, Celio Castro, Gerry Hemming und Richard
Hathcock, dem er ein Gewehr ausgeliehen hat und nun zurückbekommt. Es ist dasselbe Gewehr, das
am 23.11.63 im Fernsehen als Mordwaffe gezeigt wird. Hall fährt am 28.9.63 mit Lawrence John
Howard und Celio Castro und einem Anhänger voll Waffen nach Dallas, wo sie sich im Lawnview
Motel einquartieren. Hall nimmt Kontakt auf mit dem Rüstungslobbyisten Robert Morris und dem
Ölgeologen Lester Logue, der George DeMohrenschildt kennt. Ab dem 12.10. ist Hall mit Seymour im
YMCA von Dallas einquartiert, wo auch Ruby und Oswald aufkreuzen. Vermutlich baut ihn Hemming
als zweiten Sündenbock auf, da dieser am 19.10. wegen Drogenbesitz zwar verhaftet, der Anhänger
mit den Waffen aber nicht entdeckt wird. Hall ist am 22.11. in Dallas, angeblich um sich mit Lester
Logue zu treffen, wobei ihm Hemming ein Gewehr mit Teleskop mitgibt. Hemming behauptet
gegenüber der Polizei in Miami, Hall habe dieses Gewehr gestohlen. Von Sam Giancana erhält Hall
$20'000.
Laut der Warren-Kommission ist Oswald am 25.9. auf dem Weg nach Mexico, obwohl er in Austin
und Dallas auftaucht. Oswald bekam am 25.6. innerhalb von 24 Stunden einen neuen Pass,
vermutlich dank CIA-Agent Robert D. Johnson, obwohl er angab, er wolle vielleicht wieder in die
Sowjetunion reisen und die Behörden bereits zweimal eine Sperre hätten verhängen müssen. Am
26.7., als Oswald in New Orleans war, besuchte jemand das Atomic Energy Museum in Oak Ridge,
Tennessee, und schrieb ins Besucherbuch: "Lee H. Oswald, USSR, Dallas Road, Dallas, Texas". Die
Doppelgängertheorie wird von Marita Lorenz bestätigt. Oswald taucht mehrmals an zwei Orten
gleichzeitig auf, wobei die Aussagen widersprüchlich und die Beweise dürftig sind.
Vom 25.9. bis zum 3.10. reist Larry Crafard, der für Jack Ruby arbeitet und sich als "Oswald"
ausgegeben haben könnte, nach Mexico City. CIA-Informant William George Gaudet fährt ebenfalls
nach Mexico. Er kennt E. Howard Hunt, Jack Ruby, Lee Oswald und Guy Banister. Während Jahren
editiert er den Latin-American Report, der von der United Fruit, der CIA, der Chase Manhattan Bank,
von Alton Ochsner und verschiedenen Diktatoren von Zentralamerika finanziert wird. Gaudet wurde
1942 ins Office of Inter-American Affairs des Aussenministeriums berufen, wo er für Nelson
Rockefeller arbeitete. Von Gaudet kommt 1964 die Behauptung, dass Ruby bei Lorenzo Borenstein
Gemälde gekauft habe.
CIA-Agent John Howard Bowen steht in Kontakt zu Gaudet. Bowen führt seit 1934 eine als
Missionsstation getarnte Scharfschützenschule in Mexiko, die Mordaufträge wie denjenigen gegen
Distriktrichter Floyd ausführt. Aus Versehen wurde am 8.9.52 dessen Sohn Jake ermordet. Das
Mordteam wurde von Maurice Brooks Gatlin, Guy Banister und dem Miami-Büro von Double Check
Corporation finanziert. "Missionar" Bowen gründete 1942 das faschistische Campfire Council, das in
Verbindung zum American Council of Christian Churches steht. Er kennt H.L.Hunt, Gatlin und Shaw,
arbeitete bei Jaggers, Chiles & Stoval mit Oswald und John Grosse, der ebenfalls als "Oswald" mit
Gaudet nach Mexiko gereist sein könnte. Bowen hat Kontakte zur Division Five des FBI, das mit dem
ACCC zusammenarbeitet, und zu Clay Shaws Centro Mondiale Commerciale.
Bowen, Oswald und einer der verhafteten Tramps benutzen das Pseudonym "Albert Alexander
Osborne", und Oswald hat bei seiner Verhaftung ein Bibliotheksausweis von Bowen in seiner
Brieftasche. Ein weiterer Doppelgänger könnte auch Fred Lee Crismon sein, der offenbar John Bowen
gleicht. Crismon, bei Boing und Lockheed tätig, ist Bischof der Universal Life Church, was Garrison als
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Cover für seine Geheimdienstarbeit einschätzt. Tatsächlich hat er wie Bowen zu tun mit dem
American Council of Christian Churches und Reverend Thomas Beckham, über den Zahlungen an die
Schweinebuchtpartisanen liefen.
Am 27.9. schreibt sich "Harvey Oswald Lee" im Hotel Commercio in Mexico City ein, wobei die
Beschreibungen eher auf E. Howard Hunt zutreffen und die Spuren dort sich verlieren. Hunt ist im
August und September an der CIA-Station in Mexico. Als Tad Szulc Hunts Funktion in Mexico 1973
untersucht, wird bei ihm eingebrochen und seine Papiere werden gefilzt. David Phillips, der an der
CIA-Station Mexico unter Winston Scott arbeitet, befindet sich im September und Oktober in
Washington.
"Oswald" ruft zuerst der sowjetischen Botschaft an, um ein Visum für Russland, und damit ein
Transitvisum für Kuba zu bekommen. Er besucht zuerst die kubanische, dann die russische Botschaft
und hat eine gefälschte Mitgliedskarte der amerikanischen Kommunistischen Partei, einen
Direktorausweis des FPCC (beide verschwinden danach) und die Arbeitskarte aus der Sowjetunion
dabei. Dabei hat "Oswald" angeblich Kontakt mit dem Geheimdienstchef Waleri Wladimirowitsch
Kostikow (Mitglied des 13. Departements des KGB, das sein Ausbildungslager in Minsk hat) und den
Angestellten der kubanischen Botschaft Silvia Tirado de Duran, Luisa Calderon und Eusebio Azcue.
Obwohl "Oswald" seine Kubaliebe dick aufträgt, wird sein Visum abgelehnt, worauf er einen
Wutanfall vorspielt. Dabei werden faktisch alle Visumsgesuche von Amerikanern nach Kuba
abgelehnt, weil Castro weiss, dass er ermordet werden soll.
Der Plan sieht vor, Oswald vor dem Kennedymord nach Kuba zu schicken, so dass es so aussieht, als
hätte er seine Befehle von Castro empfangen. Gegenüber der kubanischen Botschaft behauptet
"Oswald" dann, er hätte bereits ein Visum für die Sowjetunion. Es spricht einiges dafür, dass Sylvia
Duran erpresst wird, um ein Visum für "Oswald" auszustellen, mit dem sie an einer Party erscheint
und offenbar eine sexuelle Beziehung hat. Laut Hemming arbeitet Duran für die CIA und kennt ihn,
Castro und Guevara persönlich. "Oswald" steht über Duran und Teresa Proenza in Kontakt zum
Castro-freundlichen Revolutionary Bloc an der Autonomen Universität in Mexico City. Die von der CIA
überwachte Organisation von Oscar Contreras hat Kontakte zum kubanischen Geheimdienst CIS.
Möglich ist auch, dass "Oswald" den Russen Informationen über eine Anti-Castro-Aktion von Guy
Banister in New Orleans anbietet, um ein Visum zu bekommen. Von 8 Telefongesprächen, die die CIA
abhört, werden Abschriften gemacht und sieben Wochen vor dem Kennedymord an das
Hauptquartier und Kopien an das FBI geschickt, das sie jedoch der Warren-Kommission offiziell nicht
übergibt. Die Originale werden vermutlich nach dem Attentat vernichtet. Hoover teilt Johnson am
23.11.63 mit, es handle sich bei den aufgenommenen Gesprächen nicht um Oswalds Stimme. Einige
der Mitglieder des Mordausschusses des Repräsentantenhauses müssen die Abschriften gelesen
haben, da sie daraus schliessen, dass es sich nicht um Oswald gehandelt haben könne, weil dieser
fliessend Russisch sprach.
Für die Rückfahrt von Mexico reservieren "O.H.Lee" und Angel Perez Delgado Bussitze, die sie aber
nicht benützen. Perez ist der ehemalige Koordinator der Bewegung des 26. Juli in Washington und
verfügt über gute Kontakte zur kubanischen Botschaft in Washington, womit eine weitere Spur zu
kubanischen und russischen Geheimdienstkreisen gelegt wird. Auch der am 9.11.63 "abgefangene"
Brief an die Sowjetbotschaft enthüllt eine "kommunistische Intrige". Ein Monat zuvor ging ein
Telegramm an John McCone, das die Präsenz Oswalds in der sowjetischen Botschaft beweisen soll.
Gegenspionagedirektor James Angleton fliegt aufgrund des Telegramms nach Mexico City und
übernimmt das am 12.9.60 eröffnete 300 Seiten starke Oswald-Dossier mit CIA-File-Nummer 201.
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89% aller 201-Files betreffen Personen, die von der CIA angestellt sind und werden eröffnet, wenn
eine Person als Quelle brauchbar ist. Fidel Castro hat ebenfalls ein 201-File, das aus einem
Personalienabschnitt und einem sensitiven Teil mit verschlüsselten Informationen über Operationen
besteht. Oswalds 201-File ist ein "restricted file", bei denen der Zugang zum sensitiven Teil erschwert
ist, und militärischen Ursprungs, da es sich im Marine Corps Headquarters befindet.
Die CIA hätte unmittelbar auf die Nachricht von der Defektion Oswalds in die UdSSR ein Dossier
anlegen sollen, vor allem weil Oswald mit der Preisgabe von militärischen Informationen über
Radartechnik gedroht hatte. Oswalds Akte wurde nur angelegt, weil am 6.9.60 die beiden
homosexuellen Mathematiker William Martin und Bernon Mitchell, die für die NSA gearbeitet
hatten, nach Russland überliefen, was zur Entlassung des Personaldirektors und 26 weiterer Beamte
der NSA führte. Das Weisse Haus wollte daraufhin über weitere Überläufer dokumentiert werden. In
Oswalds CIA-File wurde der Mittelname zu Lee Henry Oswald geändert. Die Akte und sein Handling
machen nur einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Angleton für Oswalds Mission gar kein Papier
hinterlassen wollte. Die CIA übergibt der Warren-Kommission zwar dieses generelle Informationen
enthaltende 201-File, ohne allerdings anzudeuten, dass zusätzlich ein Operational File sowie zwei HT
Lingual-Files existieren.
Frank Sturgis, Alex Rorke und Geoffrey Sullivan inszenieren eine Täuschungsaktion. Sie gehören zu
den Exilkubanern, die trotz der Schliessung der paramilitärischen Trainingslager in Florida und
Louisiana und dem zumindest teilweisen Rückzug der CIA die Kuba-Aktionen weiterziehen. Ein FBISpitzel verrät Orlando Bosch, der vom Ölmulti Hunt finanziert wird und mit Sturgis, Rorke sowie den
Minutemen eigene Angriffe gegen Kuba plant. Sturgis, Rorke und Geoffrey Sullivan werden Anfang
September ins Hauptquartier der Zollbehörde zitiert, wo man ihnen mit Konsequenzen droht, falls sie
weiterhin Aktionen gegen Kuba fliegen.
Rorke und Sullivan kommen angeblich bei einem Flugzeugabsturz am 25.9.63 um. Sturgis organisierte
diesen Flug, der durch mehrere Starts und Flugplanänderungen Aufsehen erregte. Da Sullivan kurze
Zeit später in Belize wiedererkannt wird und Rorke offenbar mit einem Mörderteam nach Dallas
fährt, ist der Flug, der in Fort Lauderdale um 8.00 Uhr startet und fünf Stunden später 30 Meilen
entfernt bei Hollywood, Florida, ins Meer stürzt, ein Trick, um Beteiligte am Kennedy-Attentat
verschwinden zu lassen.
Interessanterweise spricht Lyndon Johnson, der in dieser Nacht nach Austin kommt, dreimal an
diesem Tag mit dem Verantwortlichen der betroffenen Fluggesellschaft Beech Travelair, Darrell
Schneider. Oswald ist am 25.9. ebenfalls in Austin, und wird am nächsten Tag nach Houston geflogen,
wo er sich mit Horace Twiford treffen will, einem Mitglied der Socialist Labor Party.
Eine Suchaktion von Ellis Rubin startet am 2.10., und eine weitere mit Gerry Hemming, Roy
Hargraves, C.F. Bush, Howard K. Davis, Ivan Kay, Steve Justin Wilson, Ralph Hernandez Nordase,
Charles Collier und Allan Kennedy am 2.11.63. Es gibt auch die Theorie, dass die CIA Rorke
verschwinden lässt, weil er dem Castro-Agenten Enrique Molina Rivera vertraute, der mit der
Ermordung von Hemming und Trafficante drohte. Laut Hemming wollten Rorke und Sullivan mit
Molina Rivera auf dem Absturzflug nach St.Julien in Kuba fliegen, um einen Angriff auszuführen.
Im August stürzte Louis Berlanti mit seinem Flugzeug und angeblich über der Hälfte der $53 Mio. ab,
die von den Erben des ermordeten dominikanischen Diktators Rafael Trujillo mithilfe von Anwalt
Richard Nixon eingefordert werden. Berlanti finanzierte Mario Garcia Kohlys Pesosfälschungsaktion,
und Nixon setzt sich für Kohly in dessen Prozess wegen Geldfälschung ein.
Seite [245]
Quellen: Marrs: 189ff, 403ff, Davis (1988): 140-157, 404f, Weberman (3): 10-30, (11): 5f, (13): 1-42, (14): 1-48, (15): 1-15, (21):
3, 6, (27): 44, Summers (1993): 328f, (2000): 261f, Giancana: 333-341, Groden/ Livingstone: 180f, 312 ,351ff, Best: 55,
Bartholomew: 47, 57, (2): 25, (4): 13, Griffith (1996a), (1998): 1-4, Oglesby: 66f, Scott (1993): 39-44, 256, Torbitt: 24ff, 29, 34,
CNPC: 19, Russell: 4f, Callahan: 74-77.
7.13. September 1963 Mafiaenthüllungen
Joseph Michael Valachi packt in den im Fernsehen übertragenen Hearings aus, wobei unter anderem
die Insularität der Mafia von Louisiana zum Ausdruck kommt. 1960 wurde Valachi wegen
Heroinhandels verurteilt. Sein ebenfalls inhaftierter Boss Vito Genovese hörte Gerüchte, sein
Leutnant kooperiere mit den Behörden, worauf er ihm im Gefängnis den Todeskuss gab und
$100'000 auf seinen Kopf aussetzte. 1962 erschlug Valachi einen anderen Gefängnisinsassen, den er
vermeintlich für seinen Killer hielt, mit einer Metallröhre. Nach drei erfolglosen Mordversuchen
beschloss Valachi tatsächlich auszupacken. Obwohl ihn eigentlich das FBN geschnappt hatte, nahm
ihn der Justizminister in Beschlag und versprach ihm ohne Absprache mit dem FBN-Chef Anslinger
Straffreiheit.
Valachi ist das erste Mafiamitglied, das sein Schweigen bricht und über die Struktur des Organisierten
Verbrechens berichtet. Valachi zeichnet ein verzerrtes Bild der "Cosa Nostra", die er als eine auf
Italiener beschränkte Organisation beschreibt, die über die nationale Kommission eine Einheit bildet
und in der alles zentral gesteuert wird. Aufgrund dieses ethischen Vorurteils können die
Verbindungen von Oswald und Ruby von der Warren-Kommission nur sehr oberflächlich untersucht
werden.
Trotz der Sensation seiner Auftritte wird kein Mafiosi verurteilt, obwohl 289 Mitglieder der 5
Familien in New York unter die Lupe genommen werden und seine Aussagen im Gegensatz zu
Wanzen und Telefonabhörungen im Gericht eingesetzt werden können. Trotzdem realisiert die breite
Öffentlichkeit die Bedeutung des Organisierten Verbrechens, auch wenn das Phänomen nicht als
systemimmanente Komponente der amerikanischen Gesellschaft erkannt wird.
In Sizilien bricht das erste Mal eine Frau das Gesetz des Schweigens: Serapina Battaglia, genannt die
schwarze Witwe, die die Mörder ihres Mannes und ihres Sohnes anklagt.
Quellen: Meurice, Delorme: 35-41, Davis (1988): 138f, Best: 23, Pons, Anson: 305.
7.14. September 1963 Putschgeschichten
Der im Februar gewählte Staatspräsident der Dominikanischen Republik Juan Bosch wird am 25.9.63
durch einen von der CIA orchestrierten Militärputsch abgesetzt. Er wollte die von der Allianz für den
Fortschritt vorgeschlagenen Sozialreformen umsetzen und erhielt dafür anfangs von den USA
beträchtliche Geldmittel. Bosch nahm das, was man die bürgerlichen Freiheiten nennt ernst:
Kommunisten durften nicht verfolgt werden, ausser wenn sie gegen das Gesetz verstiessen. Deshalb
wurde er der Kommunistensympathie verdächtigt. Nach dem Putsch der Generäle bricht John
Kennedy die diplomatischen Beziehungen ab, stellt die Wirtschafts- und Militärhilfe ein und beordert
US-Bürger nach Hause.
Neunzehn Monate später bricht ein Aufstand aus, als dissidente Offiziere in der dominikanischen
Armee mit der Unterstützung bewaffneter Volksmassen den abgesetzten Bosch wieder an die Macht
bringen wollen. Lyndon Johnson entscheidet sich für eine vorbehaltlose Unterstützung des neuen
Regimes und schickt im April 1965 23'000 Marineinfanteristen, um die Revolution zu verhindern.
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Botschafter Syedou Diallo von Guinea wendet sich am 17.9.63 an den Botschafter William Attwood
und übermittelt ihm Fidel Castros Wunsch nach normalen Beziehungen zu den USA, um nicht so stark
auf die UdSSR angewiesen zu sein. John Kennedy autorisiert Attwood zu Gesprächen mit dem
kubanischen UN-Botschafter Carlos Lechuga, wobei er eine Öffnung gegenüber Kuba und eine
Normalisierung der Beziehung in Aussicht stellt. Diese führen zu Plänen, dass Attwood nach Havanna
reist, um mit Castro direkte Verhandlungen aufzunehmen, was aber Johnson nach dem KennedyMord fallenlässt.
Zudem setzt Kennedy den französischen Journalisten Jean Daniel von L'Express als inoffiziellen
Kontakt mit Castro ein. Am 24.10. trifft sich JFK mit Daniel und bittet ihn, Castro seine guten
Intentionen mitzuteilen, was Castro ernst nimmt. Die Geheimdienstkreise erfahren, vermutlich über
Walt Withman Rostow, von den Aktivitäten zur Entspannung der Beziehung zwischen den USA und
Kuba und geben diese Infos weiter, die für die Exilkubaner und die Hardliner der CIA, der Militärs und
der Politik Verrat bedeutet. Daniel befindet sich am 22.11.63 bei Castro, als die Nachricht des
Attentats durchkommt. Castro befürchtet zu Recht, dass ihm die Ermordung in die Schuhe geschoben
werden soll.
Innerhalb der letzten 4 Monate wurden 13 Sabotageakte gegen Kuba durch autonome
Exilkubanergruppen ausgeführt. Castros Soldaten verhaften am 29.10. vier CIA-Agenten, die mit
einem 30-Meter Schiff namens Rex unter nicaraguanischer Flagge nach Kuba kamen. Einer der
Agenten, Montero Carranzana, hatte schon einmal 12 Saboteure an der Nordküste Kubas abgesetzt,
und das Schiff diente schon öfters als CIA-Cover. Die Rex wird von J. A. Belcher, Ölhändler aus Miami,
an die Collins Radio Company in Dallas vermietet. Arthur Andrew Collins ist befreundet mit David
Harold Byrd, dem Hausbesitzer des TSBD, und mit ONI-Admiral Henry C. Bruton, der
DeMohrenschildt und Oswald kennt. John Rockefeller Jr. hilft Byrd, Anlagen von Collins für die
"Admiral Byrd's Polar Expeditions" zu kaufen. Im März 1963 erhielt die Collins Radio einen $2 Mio.Vertrag von der USIA, um neun Kurzwellentransmitter zu bauen, die die CIA in Südostasien einsetzen
will. Da JFK zwei Wochen später das Budget der USIA kürzt, entwickelt sich dieses Geschäft zu einem
Skandal, da der stellvertretende Sekretär der Navy, Ken BeLieu, mit falschen Zahlen operiert hat und
der Deal mit Collins und der CIA nicht sauber ist. Die USIA verbreitet offizielle Propaganda mithilfe
von 140 Zeitschriften mit einer Auflage von 30 Mio. Exemplaren. 1978 entsteht daraus die
International Communication Agency, die in 111 Ländern vertreten ist, 12'000 Personen beschäftigt
und über einen Etat von $413 Mio. verfügt.
Der CIA gelingt die einzige Anheuerung von einem Mann innerhalb der Castro-Vertrauten: Rolando
Cubela Secades. Cubela tötete 1956 den Chef von Batistas Militärgeheimdienst Blanco Rico, kämpfte
mit Castro in den Escambray-Bergen und besetzte den Präsidentenpalast 1959, bevor Castro in
Havanna eintraf. Der Minister ohne Portfolio wandte sich gegen die Präsenz der Russen und
kontaktierte 1961 die CIA und wollte überlaufen. Die CIA konnte ihn überzeugen, als
Informationsquelle mit dem Codenamen AM/LASH im Amt zu bleiben.
Cubela offeriert seinem Kontaktagenten anlässlich eines Treffens in Sao Paulo am 7.9.63, Castro
umzubringen, wenn ihn die US-Regierung unterstütze. Am gleichen Tag warnt Castro die USA davor,
ihn ermorden zu wollen. Trotz der Möglichkeit, dass es sich bei diesem Angebot um eine Falle
handelt, trifft sich Desmond FitzGerald am 29.10. mit Cubela in Paris. Dieser fordert ein persönliches
Treffen mit Robert Kennedy, ein Gewehr mit Tele sowie Gift. FitzGerald sichert ihm die
Unterstützung der Kennedys für die Castro-Eliminierung und einer neuen Regierung zu. In die Rede
Kennedys vom 18.11. baut die CIA eine harsche Kritik gegen Castro ein, um diese Unterstützung zu
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belegen. Am 22.11. erhält Cubela in Paris einen Kugelschreiber mit einer hypodermischen Nadel von
einem Undercoveragenten der CIA, aber die Aktion wird wegen dem JFK-Attentat abgeblasen.
Im September 1965 wird ein weiterer Versuch unternommen, Cubela gegen Castro anzusetzen. Er
wird jedoch von der kubanischen Gegenspionage 1966 entlarvt und sitzt dann 13 Jahre im Gefängnis.
Colonel Oswaldo Lopez Arellano putscht am 2.10.63 gegen Präsident Ramon Villeda Morales in
Honduras, dem zu grosse Duldsamkeit gegenüber den Kommunisten vorgeworfen wird. Villeda hatte
im Geist der Allianz für den Fortschritt moderate soziale Reformen anvisiert, wobei die Agrarreform
auf Druck der United Fruit bereits abgeschwächt werden musste.
Anastasio Somoza, United Fruit, Standard Fruit & Steamship, die William B. Reilly Company, die CIA
und Ed Butlers Information Council of the Americas unterstützen und finanzieren den Staatsstreich,
der mit einem Angriff auf den Präsidentenpalast durch US-trainierte Luftwaffenpiloten beginnt. John
Kennedy hatte Villedas Bitte um Entsendung von Truppen zur Abwendung eines Putsches kurzerhand
abgeschlagen, den anzuerkennen sich er dann aber weigert. Erst Johnsons Unterstaatssekretär
Thomas Mann, der an der Planung des Coups mitarbeitete, anerkennt im Dezember 1963 den neuen
Präsidenten, der sofort alle Reformen aussetzt.
Lopez beherrscht Honduras während elf Jahren, in denen die brüchige Wirtschaft weiter geschwächt
wird. 1974 deckt man die Zahlung von Bestechungsgeldern in Höhe von $1,25 Mio. an Lopez durch
United Brands, der Nachfolgegesellschaft von United Fruit, auf. Nach dieser ersten Tranche senkte
Honduras, das 25% der Chiquita-Bananen liefert, die Exportsteuer um die Hälfte. Zur zweiten Tranche
dieses Deals, für den Wirtschaftsminister Abraham Bennanton ursprünglich $5 Mio. für Lopez
verlangt hatte, findet daraufhin nicht mehr statt, weil die Streitkräfte 1975 Colonel Juan Alberto
Melgar Castro zur Machtübernahme verhelfen.
Quellen: Horowitz: 219-223, CIA-Info: 14, Ostrowsky: 8f, Scott (1993): 91ff, 196, 221ff, Marrs: 143f, Russell: 4, Hamelin/ Van
Geirt, Vogeler: 22, Anson: 235f, Powers: 245, Hersh: 440, 447-449, Best: 38f, CNPC: 5f, Ranelagh/ Treharne: 2, Bartholomew:
54, (3): 7, Schulz: 318, Tarpley/ Chaitkin: 117-129.
7.15. Oktober 1963 Ruby und Oswald
Lee Harvey Oswald trifft Jack Ruby am 4.10.63 in seinem Club, worüber Anwalt Carroll Jarnagin die
Behörden informiert. Das FBI-Interview über das Oswald-Ruby-Meeting nach dem Kennedy-Attentat,
das auf seine Initiative hin zustande kommt, wird im Warren-Report nicht erwähnt. Der Bericht
negiert, dass sich die beiden gekannt haben, obwohl mehrere Treffen bekannt sind. Oswald
übernachtet mehrmals im YMCA in Dallas, dessen Einrichtungen auch von Ruby, Hall, Seymour und
Howard benutzt werden.
Oswald mietet ab dem 7.10. als O. H. Lee ein kleines Zimmer bei Earlene Roberts, worauf das FBI und
der militärische Geheimdienst ihre Dossiers nach Dallas weiterleiten. Roberts ist die Schwester von
Rubys Bekannter Bertha Cheek. Marina Oswald zog am 23.9.63 mit ihrem Baby wieder zu Ruth und
Michael Paine nach Irving. Ruth Paine unternahm bereits 1957 Nachforschungen über Oswald, sechs
Jahre bevor sie sich laut Warren-Bericht überhaupt getroffen haben. Offiziell bekommt Oswald
seinen Job im Texas School Book Depository ab dem 16.10. dank Ruth Paines Nachbarin Linnie Mae
Randle, deren Bruder Wesley Frazier dort arbeitet. Im TSBD steht der Finanzmanager Joe R. Molina
unter Verdacht, Kommunist zu sein, weil er dem "subversiven" American G. I. Forum angehört.
Aufgrund der Aufträge und Jobwechsel ist es naheliegend, dass Oswald Industriesicherheitsarbeit
leistet, was die Überprüfung der Angestellten auf mögliche Kommunistensympathie beinhaltet.
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Oswald meldet sich beim stellvertretenden Bezirksanwalt Edward Gillen und fragt ihn, was er über
die Legalität des Imports und Verkaufs der neuen Wunderdrogen Mescalin und LSD wisse. Er habe
Aldous Huxley's Buch The Doors of Perception studiert und glaube, dass die neuen Drogen eine
soziale Revolution auslösen könnten. Auch dies scheint ein Check zu sein, da 1963 erst wenige
Personen ausserhalb der CIA etwas über LSD wissen. Offenbar beauftragt Oswald seine Frau, in der
Apotheke, in der sie arbeitet, Drogen zu entwenden. Die CIA testete LSD und andere psychoaktive
Drogen auch in der Station Atsugi, wo Oswald stationiert war. Versuchskaninchen waren Marines, die
keinen Dienst hatten, und denen die CIA die präparierten Drinks und die Prostituierten bezahlten.
Auch das ONI holt verurteilte Mörder aus den Gefängnissen und konditioniert sie im eigenen
Neuropsychiatrischen Zentrum in San Diego als politische Mörder, die laut dem Psychologen und
ONI-Offizier Thomas Narut in verdeckten Positionen in die US-Botschaften geschickt werden. Gillen
weist Oswald, der im Besitz einer nicht im Handel erhältlichen Minox-Kamera ist, als harmlosen
Spinner weg.
John Roselli und Jack Ruby treffen sich zwei Mal in Miami, und Ruby konsultiert viele hochgestellte
Persönlichkeiten der Mafia: Russell D. Matthews, Frank Caracci, Peter Marcello, Michael Shore (ein
Freund von Mickey Cohen), Irwin S. Weiner (ein Mitarbeiter Giancanas, den die Washington Postals
eine der wichtigsten Personen der Mafia im mittleren Westen bezeichnet), Lenny Patrick, Nofio
Pecora, Barney Baker, Murrey W. "Dusty" Miller (der für Hoffa arbeitet und 1970 der Organisator von
George Bushs erfolgloser Senatskampagne ist), Alexander Gruber (der für Cohen und Hoffa arbeitet),
Joe Campisi, Paul Roland Jones und Oscar Mauzy (Führer der liberalen Demokraten in Dallas und
Partner von Nat Wells, der die Teamsters im Gericht vertritt).
Der mutmassliche britische Agent "John" Wilson, der sich 1959 mit Trafficante in derselben Zelle
befindet, einen Ausweis der chilenischen Geheimpolizei und einen UNO-Presseausweis besitzt, trifft
sich am 29.10.63 mit Ruby wegen einer Anleihe.
In den 6 Monaten vor dem Kennedy-Attentat werden 400 Todesdrohungen registriert, wovon drei so
gravierend sind, dass das Sicherheitskonzept verstärkt werden müsste. Beispielsweise hört das FBI in
Buffalo am 31.10. eindeutige Morddrohungen von Mafialeuten gegen den Präsidenten ab, die
Hoover weder an das Justizministerium noch an den Secret Service weiterleitet. Am 4.11. schreibt
Byron Selton, Mitglied des Democratic National Committee von Texas, an Bobby Kennedy und
empfiehlt aufgrund der Attentatsgefahr, die Reise nach Texas oder wenigstens den Dallas-Besuch
abzusagen.
Quellen: Marrs: 409, Scott (1993): 246, 291, Callahan: 99f, 110f, Weberman (11): 3, Weber: 57-60, Bollinger, Davis (1988): 166ff,
207, Best: 42, Oglesby: 5, 9, Griffith (1996): 3.
7.16. Oktober 1963 Jackie Kennedy und Aristoteles Onassis
Jackie Kennedy ist auf Kreuzfahrt mit Aristoteles Onassis auf der Jacht Christina. Nach dem Tod ihres
neugeborenen Sohns Patrick am 7.8.63 ist sie zu Ari geflüchtet. Schon ein Jahr zuvor stellte sie die
Männlichkeit des Präsidenten in der Öffentlichkeit in Frage, als sie sich mit Gianni Agnelli auf dessen
Jacht vergnügte. Aufgrund der Pressemitteilungen schickte JFK ihr verärgert ein Telegramm: "Etwas
mehr Caroline und weniger Agnelli."
Bereits Jackies Schwester Lee Radziwell hatte ein Verhältnis mit Onassis, das Bobby Kennedy zu
verhindern versuchte. Um einen Skandal zu vermeiden, zahlte man dem Vatikan $50'000 für die
Scheidung Lees. Diesmal telefoniert der Präsident seiner Frau, damit sie zurückkommt, da die
Zeitungsberichte seiner Popularität schaden. Wegen ihrer Schuldgefühle kann JFK sie dazu bringen,
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ihn auf den Wahlkampftourneen, die sie hasst, zu begleiten. Der Tod des Neugeborenen lässt die
gegenseitigen Sticheleien etwas in den Hintergrund treten. Jack besteht wegen der negativen
Publizität darauf, dass Onassis erst nach den Wahlen zu einem Gegenbesuch eingeladen werden
dürfe. Nach dem Kennedy-Attentat befindet sich Onassis bis zum Begräbnis des ermordeten
Präsidenten im Weissen Haus.
Quellen: Posener: 7f, 117, 129ff, 154f, Morgenthaler, Best: 20.
7.17. Oktober 1963 Bobby-Baker-Skandal
Bobby Baker geriet seit September in die Schlagzeilen wegen Vermittlungen von Staatsaufträgen
gegen Schmiergeldzahlungen mit Clint Murchison, Isaac Irving Davidson, den Teamsters und dem Las
Vegas-Milieu. In einem Fall verschaffte er bereits Aufträge an eine Verkaufsmaschinenfirma, die noch
gar nicht existierte, weshalb Baker am 7.10.63 von seinem Amt als Sekretär der Demokraten im Senat
zurücktreten muss.
Baker kam 1943 als Vierzehnjähriger nach Washington, begann als Kongresshilfe und machte im
Fahrwasser seines Mentors Lyndon Johnson Karriere, für den er sich vor allem bei
Kampagnenfinanzierungen profilierte. Wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung wird Baker
vom Justizministerium und vom Senate Rules Committee untersucht, und die republikanische
Minderheit im Senat versucht, den Fall zu einem Thema für die Präsidentenwahl von 1964 zu
machen. Da auch Johnson und andere Senatoren der Korruption verdächtigt werden, eröffnet das
Rules Committee eine umfassende Untersuchung. Robert Kennedy spannt heimlich mit Anwalt
Burkett Van Kirk und den Republikanern gegen Johnson zusammen, damit er ihm als
Präsidentschaftskandidat 1968 nicht im Weg stehen wird. Johnson vermutet zu Recht, dass die
Kennedys den Skandal ins Rollen gebracht haben, um ihn zu stürzen. JFK will Johnson nun ersetzen
durch Gouverneur Terry Sanford von North Carolina, obwohl Ethel Kennedy will, dass ihr Mann
Vizepräsident wird.
Über "Whispering Willie", Senator John Williams, gibt Bobby Informationen über Baker und Johnson
an das Rules Committee weiter, wonach Korruptionsvorwürfe gegen Johnson laut werden. Johnson
befürchtet, dass von den vielen Geschäften seines ehemaligen Sekretärs mit der Mafia von Louisiana,
Chicago, Las Vegas und in der Karibik, oder von den Schmiergeldzahlungen über Jack Halfen, der ein
Prozent von Carlos Marcellos Umsatz an Johnson abliefert, etwas aufgedeckt werden könnte.
Johnson setzt sich als Gegenleistung während seiner ganzen Karriere gegen Gesetze zur Verfolgung
der Mafia ein. J. Edgar Hoover übt auf das Justizministerium Druck aus, um die Prozesse gegen seine
Freunde Bobby Baker und Clifford Jones zu verzögern und zu erschweren. Jones wird erst fünf Jahre
nach der Anklage vor Gericht gestellt. Schliesslich sitzt Baker, in 9 Punkten schuldig gesprochen, 18
Monate in einem Gefängnis.
Da auch Bakers Privatleben in die Schlagzeilen geriet, stösst das Senate Rules Committee schnell auf
den Fall Ellen Rometsch. Vom Republikaner John Williams gelangen Informationen zu Clark
Mollenhoff, der diese am 26.10. im "Des Moines Register" in Iowa veröffentlicht. Ohne JFK beim
Namen zu nennen beschreibt Mollenhoff die Ereignisse und die Beziehungen von Rometsch und zieht
eine Parallele zum Profumo-Skandal. Zwei Tage später trifft sich Bobby Kennedy mit Courtney Evans
und Hoover und erreicht, dass sich Hoover mit den beiden Fraktionsführern im Senat, Mike
Mansfield und Everett Dirksen, trifft und diese mit Dreckmaterial aus seinem Geheimarchiv unter
Druck setzt, womit er eine Senatsuntersuchung und die Rückkehr von Rometsch für ein Hearing
verhindern kann. Dafür erhält Hoover vom Justizminister die Erlaubnis, Martin Luther Kings Telefon
abhören zu lassen. Aber nicht nur das Telefon, sondern die Hotelzimmer und selbst die Altäre
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werden verwanzt, und King wird auf Schritt und Tritt beschattet. Hoover beginnt, King als Lügner,
Sexpathologen, Trinker und Kommunisten öffentlich zu diffamieren. Nach Kennedys Ermordung
treffen sich Beamte der Bundespolizei und diskutierten darüber, wie man "King als Schwarzenführer
neutralisieren könne".
Einige Tage später ist Hoover bei John Kennedy zum Lunch eingeladen. Hoovers Agenten haben
erfahren, dass Rometsch in die USA zurückkehren wolle, um den Untersuchungsanwalt der
Senatskommission, LaVern Duffy, zu heiraten. JFK versucht dies zu verhindern, indem er von
Freunden wie Grant Stockdale Geld sammeln lässt, um Rometsch mehr Schweigegeld zu bezahlen.
Stockdale, der JFK unterstützt und für George Smathers und Bobby Baker arbeitet, findet sich nach
dem Attentat zwischen den Fronten und wird aus dem 14. Stockwerk eines Gebäudes in Miami
gestossen.
Im Zusammenhang mit den Baker-Enthüllungen kommen auch Einzelheiten mit der TFX-Korruption
wieder auf, und Fred Korth, der für Johnson gearbeitet hat, muss von seinem Job als Sekretär der
Navy zurücktreten, da über seine Bank Schmiergelder der General Dynamics geflossen sind. John
McClellan leitet eine parallele Senatsuntersuchung zur TFX-Bestechung, wobei RFK dafür sorgt, dass
McClellan Informationen über die Schmiergelder und Erpressungsversuche der General Dynamics
unterdrückt und sich auf die $100'000 Schmiergelder für Johnson über Bobby Baker beschränkt.
Diese Untersuchung wird von Johnson nach der Ermordung Kennedys natürlich sofort abgeblockt,
nachdem an der Sitzung vom 20.11. noch beschlossen wird, dass in der folgenden Woche Fred Korth
befragt werden soll. Korth, der bei Bell mit Michael Paine und Walter Dornberger
zusammenarbeitete und über den auch Zahlungen an die Spurenleger Oswalds in Dallas laufen, wird
nie aussagen müssen.
Quellen: Summers (1993): 312f, Hersh: 388, 400-411, Davis (1988): 273, Scott (1993): 220, Torbitt: 11, 14, 28, 33, Obenhause.
7.18. November 1963 Putsch gegen Ngo Dinh Diem
Der südvietnamesische Präsident Ngo Dinh Diem wird am 1.11. gestürzt. Diem floh 1950 in ein
katholisches Seminar bei New York, nachdem er von Ho Chi Minh in Abwesenheit zum Tod verurteilt
wurde. Dort lernte der überzeugte Katholik, dessen Bruder Ngo Dinh Thuc Bischof der Römischen
Kirche ist, unter anderem auch Joseph Kennedy und seinen Sohn kennen. Kennedy unterstützte die
American Friends of Vietnam, und der Senator war 1956 der Hauptsprecher dieser Lobbygruppe.
Auch als Präsident unterstützte John Kennedy den Diktator, den Johnson trotz dessen Krieg gegen die
eigene Bevölkerung als Winston Churchill von Südostasien bezeichnet.
Vietnam spaltete die Kennedy-Bürokratie wie kein anderes Thema. Auch Charles de Gaulle warnte
JFK bereits 1961 vor der Aussichtslosigkeit eines Engagements in Vietnam. Nachdem JFK 1962 in Laos
nach dem gescheiterten CIA-Putschversuch eine vernünftige Lösung akzeptierte, trieben ihn seine
Gegner mit dem Vorwurf, das Land an die Kommunisten verloren zu haben, in die Enge. Deshalb
reagierte JFK auf die Schwächung der Diem-Regierung mit einem erhöhten militärischen Engagement
und muss Vietnam bis zur Wahl von 1964 halten, obwohl bis Ende 1961 bereits 76'000 Menschen
durch Vergeltungsaktionen der südvietnamesischen Polizei- und Streitkräfte umkamen und über
550'000 deportiert, verhaftet oder in Konzentrationslagern interniert wurden.
Aufgrund der massiven Kritik des Diem-Regimes entschied sich JFK zum Einsatz der Green Berets und
zum Aufbau einer Geheimarmee, um den schmutzigen Krieg unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu
führen. Die Navy SEALs (Navy Sea Air Land) sind hochausgerüstete und streng ausgebildete
Einsatztruppen, die überall in der Welt eingesetzt werden und vor allem auf Unterwassersabotage
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und Blitzoperationen spezialisiert sind. Bereits 1962 flog die US-Luftwaffe 50'000 Einsätze, bei denen
sie ganze Gebiete mit Bordwaffenfeuer und Napalmbomben belegten.
Um der National Liberation Front die Basis zu entziehen, werden chemische Kampfstoffe zur
Vernichtung von Ernten und Vieh eingesetzt, so dass die bäuerliche Bevölkerung vom Hungertod
bedroht ist. Diems Bruder Ngo Dinh Nhu versuchte, das von den Briten in Malaysia erfolgreich
angewandte Programm der "strategischen Dörfer" einzuführen, was aber misslang. 10 Mio. Bauern
wurden bis Ende 1962 in 6600 geschützte Dörfer umgesiedelt, ausserhalb derer jedermann
erschossen werden konnte. Die buddhistische Landbevölkerung weigerte sich weitgehend, in die
Minikonzentrationslager zu ziehen, weil es für sie wichtig ist, bei den Gräbern ihrer Toten zu wohnen.
Diem setzte deshalb auf Verhaftung, Folter und Ermordung der Opposition, zu der abgesehen von
den 10-15% Katholiken potentiell alle gehören.
Diems Regime, das auch wegen der grassierenden Korruption international geächtet wurde, geriet im
Mai 1963 in die Schlagzeilen, als Soldaten in Hue 9 der buddhistischen Mönche, die für religiöse
Freiheit demonstrierten, erschossen. Diems Weigerung, sich für dieses Massaker zu entschuldigen
und auf die Forderungen der Mönche einzugehen, führte zu Aufständen und der Selbstverbrennung
von Thich Quang Duc, einem alten buddhistischen Priester, was die amerikanische Bevölkerung
aufrüttelte und das Image der USA untergrub. Auch die verachtenden Äusserungen von Madame
Nhu, die von einem buddhistischen Barbecue spricht und für weitere Selbstverbrennungen gratis
Streichhölzer und Benzin anbietet, schockieren die Weltöffentlichkeit.
Der neue US-Botschafter Henry Cabot Lodge forderte Diem öffentlich wiederholt auf, seinen Bruder
und politischen Berater Nhu zu entlassen und den Polizeiapparat aufzulösen, was die beiden aber als
Einmischung in ihre Souveränität kritisierten. Die Kennedy-Administration fixierte sich auf die Idee,
Nhu sei allein für die Gräueltaten verantwortlich und könne die Situation mit seinem Rücktritt
entschärfen. Da Nhu den ganzen Sommer immer wieder zu einer Limitierung der Rolle der
Amerikaner in Südvietnam aufgerufen hatte, stempelten ihn die Amerikaner zum dunklen
Drahtzieher hinter Diem und machten ihn zum Sündenbock. JFK hätte aus eigener Erfahrung wissen
müssen, dass Diem seinen Bruder nicht entlässt. Harriman-Klon Lodge fordert deshalb die
Elimination Diems.
Gleichzeitig zahlte die CIA $25'000 (nach anderen Angaben $250'000) pro Monat an Nhus
Spezialsicherungstruppen, die am 21. August in Armeeuniformen Mönche und Nonnen aus den 2000
Tempeln schleiften, verprügelten, wobei 30 starben und 400 in Gefängnissen landeten. Darauf
bewilligte JFK einen Militärputsch, der bis Ende Monat hätte stattfinden sollen.
In den Monaten vor seiner Ermordung hat Diem mit Nordvietnam Geheimgespräche zur Beilegung
des Konflikts aufgenommen. Nordvietnam war bereit zu einer Koalitionsregierung mit Diem und zu
einer langsamen wirtschaftlichen Annäherung mit einem neutralen Süden. Deshalb suchte Diem nach
einem Weg, wie er die Amerikaner zu einem Abzug bringen könnte. 1963 befinden sich 16'500 "USBerater" im Land, wovon die meisten im Geheimdienst und in der Administration arbeiten, und
bereits sind 78 "Berater" im Kampf gefallen, weil sie Einsätze in südvietnamesischen Flugzeugen und
Helikoptern fliegen und Infanterieeinsätze leiten.
Am 11.9. schickte die National Liberation Front, die Allianz von Kommunisten und
Nichtkommunisten, einen Friedensplan-Vorschlag an die UNO, was zu einer Verurteilung des DiemRegimes führte. Charles de Gaulles darauffolgende Unterstützung für eine Neutralisation des Südens
und eine mögliche Wiedervereinigung Vietnams wurde in den USA mit Empörung aufgenommen.
Seite [252]
Über den französischen Botschafter Roger Lalouette liefen auch bereits die Friedensgespräche
zwischen Süd- und Nordvietnam.
Obwohl dies die ideale Voraussetzung für den Rückzug aus der aussichtslosen Lage in Vietnam wäre,
ist die Idee eines neutralen Zusammenschlusses von Nord- und Südvietnam für die Amerikaner
gleichbedeutend mit einem kommunistischen Vietnam, und JFK befürchtet, eine Einigung könnte ihn
die Wahlen von 1964 kosten. Ende September fragte JFK den ehemaligen CIA-Agenten Edward G.
Lansdale, ob er nach Saigon ginge, um zu versuchen, Diem von seinem Bruder zu trennen, wozu
Lansdale einwilligte. Da Lansdale aber nicht mitmachen wollte, falls JFK entscheide, man solle seinen
Freund Diem loswerden, wurde der Staatsstreich ohne ihn und ohne Wissen des Vizepräsidenten
organisiert. Einen Monat später, nach der Ermordung Diems, verlässt Lansdale das Pentagon.
Aufgrund der Lagebeurteilung von Robert McNamara und General Maxwell Taylor vom 2.10.63
leitete JFK am 11.10. mit dem National Security Action Memorandum 263, wonach 1000 Soldaten bis
Ende 1963 nach Hause gebracht werden, den Rückzug der US-Truppen bis Ende 1965 aus Vietnam
ein. Die paramilitärischen Aktivitäten der CIA wurden dem Verteidigungsministerium überantwortet.
JFK weiss, dass er Vietnam auf lange Sicht nicht halten kann, aber bis nach den Wahlen halten muss,
weshalb dieser Beschluss, obschon militärisch unbedeutend, richtungsweisend war.
Das Pentagon, das die CIA militärisch durch Spezialabteilungen unterstützt, und die
Rüstungsindustrie verstehen Kennedys Absichten. Die Armee startet daraufhin eine breitangelegte
Undercoveroperation namens Operation CAMELOT, um Kennedys Rückzugsplänen zuvorzukommen.
1964 iniziiert das Special Operation Research Office der Armee das bis anhin grösste
sozialwissenschaftliche Projekt CAMELOT, wonach während vier Jahren Daten, Modelle und Theorien
über soziale Veränderungen und interne Konflikte in den Entwicklungsländern sowie
Massnahmenpläne gegen Revolutionen und Bürgerkriege zusammengetragen werden sollten.
Aufgrund der Kritik der Latin American Faculty of Social Science und der chilenischen Presse wegen
des antidemokratischen Charakters des verdeckten Spionageprojekts muss Johnson im August 1965,
nach der Okkupation der Dominikanischen Republik, das Projekt zurückziehen.
Einige hohe Offiziere versuchten, JFK mittels falscher Informationen zum verstärkten Einsatz in
Vietnam zu bewegen. Lansdale ist ein entschiedener Gegner des Rückzugs aus Vietnam und wird
einer der entscheidenden Plotter des Vietnam-Engagements. Lansdale sagt seinem Untergebenen L.
Fletcher Prouty, er werde am 22.11. in Dallas sein, und schickt Prouty, der den Rückzug befürwortet,
11 Tage vor dem Attentat für zwei Wochen auf eine sinnlose Mission an den Südpol. Einzelne Figuren
des militärischen Geheimdienstes sind an der Verschwörungskoalition, die aus Kräften inner- und
ausserhalb der Regierung besteht, wegen dem sich abzeichnenden Rückzug aus Vietnam mitbeteiligt.
Bezeichnenderweise warnte Präsident Eisenhower, selbst General, JFK bei der Amtsübergabe vor der
Bedrohung durch den unkontrollierten militärisch-industriellen Komplex.
Viele vietnamesische Militärs besuchten im Oktober die amerikanische Botschaft, wo Lodge General
Duong Van Minh und seinen Stab mit Waffen und Geld unterstützte. JFK schickte als letzten
Rettungsversuch seinen engen Freund Torbert Macdonald, der an seinen Poolparties teilnimmt und
in Geheimnisse eingeweiht ist, von denen Bobby nichts weiss, zu Diem, um ihn zu warnen, er solle
seinen Bruder fallenlassen und in der US-Botschaft Zuflucht suchen, was Diem aber ignoriert.
Am 1.11. erfolgt der von der CIA mitorganisierte Putsch: Lucien Conein und Arthur Herman Bremer
unterstützen General Duong, der die treibende Kraft bei der Vernichtung von Diems Opposition war.
Als sich Diem und Nhu nach stundenlangen Kämpfen ergeben, werden sie am 2.11. umgebracht. Am
7.11. erkennt JFK formell die neue Zivilregierung von Nguyen Ngoc Tho, Vizepräsident unter Diem,
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an, die sofort erklärt, dass eine Wiedervereinigung mit dem Norden nicht in Frage kommt.
Vizemarschall Nguyen Cao Ky, der 1961 und 1962 CIA-Kommandos nach Nordvietnam und Opium
von Laos nach Saigon geflogen hatte, wird zum Chef der vietnamesischen Luftwaffe ernannt. Er gerät
wegen seiner Bewunderung für Adolf Hitler und seinem westlichen Lebensstil schnell in Verruf. Die
nächsten zwei Jahre erfolgen eine Kette von Staatsstreichen und Putschversuchen und eine
Verschärfung des Bürgerkriegs, so dass Johnson sagt, er wolle "keine solche Scheiss-Coups mehr".
Rebellionen der nach Autonomie strebenden Bergvölker und der Buddhisten werden
niedergeschlagen. Als die Saigoner Armee die Herrschaft über das Land verliert, greifen die USA
massiv ein und beginnen am 7.2.65 mit der Bombardierung Nordvietnams.
Das Engagement der USA in Vietnam beruht wesentlich auf dem Eindämmungskonzept gegenüber
China, das den USA im Koreakrieg eine Niederlage bereitete. John Kennedy beschäftigt sich seit
einiger Zeit vermehrt mit China, weil er Angst hat, die Chinesen könnten die Atombombe bauen.
Seine Angst vor den "Gelben" begründet er mit der angeblichen Bereitschaft der chinesischen
Führung, Hunderte von Millionen von Menschen zu opfern, um dem Kommunismus zum
internationalen Durchbruch zu verhelfen. JFK beruft ein Meeting mit Fernostexperten ein und will
den chinesischen Reaktor Lanchow in der Nähe des Testgeländes Lop Nor bombardieren lassen, um
eine chinesische Atombombe zu verhindern. William Averell Harriman fasste bereits im Juli den
Auftrag herauszufinden, wie die Sowjets reagieren würden, wenn die USA chinesische Atommeiler
bombardierten. Chruschtschows ärgerliche Antwort soll gewesen sein, dass er keinen Postschalter
betreibe. Angleton ist überzeugt, der ehemalige US-Botschafter Harriman in Moskau sei ein
Sowjetspion, der JFK in der falschen Weise beeinflusse. Die Frage, wie die Atomanlagen der Chinesen
zerstört werden sollen, ist bei der Ermordung Kennedys noch ungeklärt. Der erste chinesische
Atombombentest findet am 16.10.64 statt.
Am 8.11.63 erklärt Kennedy beim seinem Antrag zum Auslandhilfegesetz, dass damit 3,5 Mio.
alliierte Soldaten in anderen Ländern zur Abschreckung der Kommunisten unterhalten werden. In
den meisten Ländern wie in der Türkei ist es jedoch offensichtlich, dass die 400'000 türkischen NATOTruppen den Zweck haben, eine innere Revolution zu verhindern. Die USA selbst haben 1 Mio.
Soldaten auf über 200 Stützpunkten und auf etwa tausend weiteren Militäranlagen in anderen
Kontinenten einsatzbereit stationiert. Zudem verkündet JFK, dass die Zahl der Kampftruppen zur
Niederschlagung von Aufständen während den drei Jahren seiner Regierungszeit um 600% erhöht
worden sei. Das Anti-Rebellen-Programm kostet $500 Mio. (plus $1 Mia. in Vietnam) pro Jahr und
untersteht der Leitung der Special Group for Counterinsurgency. Die militärische Seite des
Programms umfasst die Sonderausbildung von Soldaten zur Niederschlagung bewaffneter Aufstände,
wobei die ‚School of the Americas' auch paramilitärische Verbände in Folter, Entführungen und
Spionage bei Gewerkschaften, Schulen und Universitäten trainiert. Die Terrorisierung der
Bevölkerungen in Lateinamerika durch die Paramilitärs wird in den USA geplant. Die zivile Seite wird
von der Agency for International Development geleitet und umfasst die Ausbildung von Polizisten
und die Produktion von Propagandamaterial. Zudem gibt es verschiedene geheime Operationen und
Kurse, die von der CIA, dem Pentagon oder dem State Departement organisiert werden.
Quellen: Prouty (1973): 33, 58-60, 138, 174f, Hersh: 3, 412-437, 440ff, Horowitz: 142-150, 406-409, Holtkamp: 12f, Collier/
Horowitz: 386-390, Obenhause, Griffith (1996): 5, Gregory/ Speriglio: 227, CIA-Info: 14f, Best: 63-68, Groden/ Livingstone:
466-473, Dehnhardt, Spiegel TV, Karel (1), Levin, Summers (2000): 516f, Amann: 27-32, Fuchs.
Seite [254]
8.
Teil (November 1963 - Juni 1964)
Dieser Teil der Chronik behandelt die Ermordung von John F. Kennedy und die
Ermittlungen der Warren-Kommission. Für das vollständige Verständnis der Gründe und
Hintergründe der beteiligten Personen müssen die Teile 4 - 7 beachtet werden.
Zentrale Themen und Personen:
Prozess gegen Carlos Marcello, David Ferrie, Oswalds Spuren, Gerald Patrick Hemming, E. Howard Hunt, Jack Ruby,
Mordplots, Richard Nixon in Dallas, Warnungen, Kenneth O'Donnell, Secret Service, Vorbereitungen, Wagenkolonne,
Schüsse, Zeugen, Verhaftungen und verschwundene Beweismittel, Tippit-Mord, Roscoe White, Verhaftung von Lee Harvey
Oswald, Lyndon B. Johnson, Beweismittel, Cover stories: Kommunistenverschwörung oder Einzeltäter?, Ermordung
Oswalds, CIA und FBI-Aufklärung, Warren-Kommission: John Jay McCloy, Allen Dulles, Gerald Ford, Richard B. Russell, Hale
Boggs, John Sherman Cooper, Kommissionsarbeit, Marina Oswald und die Leiche, Zeugen und suspekte Tote, Der WarrenBericht, Tote Zeugen.
8.1. November 1963: Prozess gegen Carlos Marcello
Vom 1. bis 22.11.63 findet der Prozess der Vereinigten Staaten gegen Carlos Marcello statt, der von
seinen Anwälten Jack Wasserman, G. Wray Gill und Mike Maroun verteidigt wird. Dem
Justizministerium unter Robert Kennedy ist es gelungen, Carl Noll, der die gefälschte Geburtsurkunde
für Marcello beschaffte, auf ihre Seite zu bringen. Marcello und David Ferrie besprachen die
Verteidigungsstrategie mehrmals im "Town & Country-Motel". Vom 11.-18.10. und 30.10.-1.11.63
reiste Ferrie nach Guatemala, um mit den damals Beteiligten, Anwalt Antonio Valladores und
Ministerpräsident Eduardo Rodriguez-Genis, einen neuen Deal zu vereinbaren.
Über George Alamilla und Joe Matassa wird der Geschworene Rudolph Heitler bestochen, dem
$25'000-100'000 versprochen werden, wenn er für nicht schuldig votiere und die anderen
Geschworenen beeinflusse. Der Starzeuge Noll wird von einem Geschäftsfreund Marcellos aus
Mississippi terrorisiert und es kommt zu einem Mordversuch, weshalb Noll während des Prozesses
gewisse Gedächtnislücken aufweist, was ihn vor dem Tod bewahrt. Zudem können Zeugen
angeworben werden, die Noll diffamieren. Die Wochenenden vom 9./10. und vom 16./17.11.63
verbringt Ferrie mit Marcello auf dessen Churchill Farms, wobei es um die Inszenierung von Lee
Harvey Oswald als Sündenbock des Kennedy-Attentats und den Prozess geht. Am 22.11. um 15.15
Uhr, keine drei Stunden nach der Ermordung Kennedys, werden Carlo und Joseph Marcello vom
Gericht in allen Punkten freigesprochen.
Quellen: Davis (1988): 160-165, 170-176, 181-184, Schulz: 310.
8.2. November 1963: Oswalds Spuren
"Oswald" erregt am 1.11. in einem Waffengeschäft bei Fort Worth Aufsehen. In zwei
Waffengeschäften in Irving soll "Oswald" ebenfalls auftauchen, wegen der Reparatur und Montage
eines Zielfernrohrs. Allerdings passen die Personen und die Rechnung nicht mit Oswald und "seinem"
Gewehr überein. Oswald wird auf einem Schiessplatz, und auch bei anderen Gelegenheiten beim
Schiesstraining gesehen. Gerald Patrick Hemming fährt Oswald mehrmals zum Sportsdrome Rifle
Range, da Hemming sicher ist, dass Oswalds Präsenz dort wahrgenommen wird. Hemming behauptet
später, dass nicht er mit Oswald dort gewesen sei, sondern sein Doppelgänger John Orr. Der Zeuge
Malcolm Price, der sicher ist, dass er Oswald dort sah, stirbt 1976 48jährig an einem Herzinfarkt.
Seite [255]
"Lee Oswald" testet am 2.11. einen Wagen, weil er angeblich bald zu Geld komme, wie er dem
Verkäufer erzählt. Der richtige Oswald kann noch nicht Auto fahren; er hat erst eine Fahrlektion mit
Ruth Paine absolviert. Einer der Verkäufer der Downtown Lincoln Mercury Company datiert die
Probefahrt bei seiner Zeugenaussage zunächst auf den 9.11.63. Albert Bogard, der ebenfalls in der
Autofirma von William Faller arbeitet und als Zeuge aussagt, der Testfahrer sei nicht Oswald
gewesen, wird am 11.1.64 von einer Gruppe Männer spitalreif geschlagen. Am 14.2.66 wird der
41jährige erstickt in seiner Autogarage gefunden.
"Oswald" fällt zudem auf Postbüros auf, weil er kleine Summen Geld verschickt und erhält, wobei er
sich eigenartig verhält. Oswald startet eine weitere Undercoveraktion gegen die American Civil
Liberties Union, eine Organisation liberaler Anwälte, der er beizutreten versucht. Oswald fragt in
einem Brief vom 8.11. an "Mr. Hunt" nach seiner "Position" und verlangt ein Treffen, bevor weitere
Schritte unternommen werden könnten. Das FBI behauptet später, dass es sich um Nelson Hunt
handelt, wobei es viel wahrscheinlicher ist, dass sein CIA-Case-Officer E. Howard Hunt gemeint ist.
Hunt möchte den Journalisten James Quentin Reynold, der für die CIA im Reader's Digest schreibt, als
Ghostwriter für die Domestic Operations Division einstellen, was aber abgelehnt wird. Am gleichen
Tag schreibt Oswald angeblich einen Brief an die sowjetische Botschaft über seinen Aufenthalt in
Mexico City, den Ruth Paine kopiert. Ebenfalls am 8.11. besucht Oswald das FBI-Büro, um sich bei
Agent James Hosty angeblich zu beklagen, weil dieser seiner Frau mit Deportation gedroht hat. Es
könnte aber ebensogut sein, dass Oswald das FBI vor einem Kennedy-Attentat warnt.
Am 9.11. stellt "Oswald" ein Visumgesuch an die UdSSR-Botschaft, das von einem FBI-Spitzel
abgefangen wird. Ein Beamter des Aussenministeriums überprüft daraufhin Oswalds militärisches
Dossier. Jack Ruby und Oswald werden zusammen in einem Nachtclub gesehen. Rubys Geliebte
Esther Ann Mash und viele andere bestätigen die Bekanntschaft von Ruby und Oswald. Ruby ist
dieses Wochenende in Las Vegas im Stardust Hotel. Oswalds Mutter Marguerite Oswald wird nach
Rubys Rückkehr von dessen Freund Amon Carter entlassen.
Auf dem Privatflugplatz Red Bird Airport südlich von Dallas wollen zwei Männer, von denen einer
stark Oswald gleicht, und eine Frau für den 22.11. ein Flugzeug chartern, um nach Mexico zu fliegen.
"Oswald" sorgt im Dobbs House in Dallas für Aufsehen wegen seines Essens, wobei sich Polizist
Jefferson Davis Tippit ebenfalls im Restaurant befindet.
Quellen: Marrs: 93, 404, 409-411, Davis (1988): 155-157, 547, Anson: 182-190, Weberman (16): 10-79, Griffith (1996a),
Callahan: 98f.
8.3. November 1963: Mordplots
Abraham Bolden, der von Kennedy persönlich eingesetzte erste Schwarze beim Secret Service, erhält
einen Bericht vom FBI, wonach der Präsident am 2.11.63 in Chicago von vier kubanischen Schützen
ermordet werden solle. Diese Nachricht wird von Hoover geheim gehalten und geht nicht nach
Dallas. Geleitet wird der Attentatsversuch von Daniel Groth, ein von FBI und CIA ausgebildeter
Gegenspionage-Agent, der unter anderem gegen das Fair Play for Cuba Committee arbeitete und
eine Polizeiabteilung in Chicago leitet.
Obwohl JFK die Reise absagt, werden die "Verdächtigen" Fred Hampton, Mark Clark und Thomas
Arthur Vallee an diesem Tag verhaftet. Hampton und Clark sind die beiden Führer der 1966
gegründeten Black Panther in Chicago, die 1969 in einer COINTELPRO-Aktion des FBI und der Polizei
im Schlaf erschossen werden. Den beiden hätte das Attentat in die Schuhe geschoben werden sollen.
Ex-Marine Vallee, Mitglied der John Birch Society, hat für den 2.11. freigenommen und ist mit einem
Seite [256]
M-1 Gewehr, einer Pistole und 3000 Schuss Munition nach Chicago gefahren. Der vorgesehene
Schütze wird trotz seiner Waffen am Abend des 2.11. wieder freigelassen. Man wird Vallee später
auch als einen der Tramps verdächtigen, obwohl er am 22.11. in Chicago ist.
Drei Wochen nach dem Attentat merkt Abraham Bolden, dass die Information über das geplante
Attentat in Chicago nicht an die Warren-Kommission weitergegeben wurde und reist deshalb nach
Washington. Bolden untersteht angeblich der Polizeiabteilung von Daniel Groth, der aber nie eine
Polizeiauszeichnung erhielt. Bolden wird später mit gefälschten Beweisen für Jahre ins Gefängnis
gebracht, weil er Lee Rankin erzählt, dass der Secret Service von Chicago am Mord beteiligt gewesen
sei.
In einem Gespräch mit dem FBI-Informanten William August Somersett sagt Joseph Adams Milteer
am 9.11., John Kennedy werde am 18.11. in Miami von einem Bürogebäude aus mit einem
zerlegbaren Weitschussgewehr erschossen, worauf man einen Sündenbock festnehmen werde.
Milteer ist ein reicher Rechtsextremer, der der National States Rights Party, dem Ku-Klux-Klan, der
American Constitution Party und dem White Citizens'Council of Atlanta angehört. Bereits im April
1963 nahm Milteer an einer Versammlung des Congress of Freedom, der viele hochstehende Militärs
als heimliche Mitglieder zählt, in New Orleans teil. An diesem wurde behauptet, dass die Regierung
gestürzt würde, was beweist, dass rechtsextreme Kreise zumindest genaue Kenntnisse des
bevorstehenden Attentats haben.
Milteer berichtet ebenfalls von detaillierten Plänen zur Beseitigung von Martin Luther King. Milteer
wird verdächtigt, dass er im September am Bombenanschlag des Südstaaten-Rassisten Thomas
Blanton gegen die Schwarzen-Kirche in Birmingham, Alabama, beteiligt war, der zum Tod von 4
Mädchen führte. Da J. Edgar Hoover belastende Dokumente unter Verschluss hält, wird Blanton erst
40 Jahre später verurteilt.
Captain Charles Sapp vom Miami Police Intelligence Bureau alarmiert das FBI und den Secret Service,
der den Helikopter statt die Strasse für den 18.11. in Miami empfiehlt, aber es geht keine Warnung
nach Dallas. Milteer befindet sich am 22.11. auf der Dealey Plaza in Dallas, nachdem er am Morgen
noch Somersett angerufen und ihm gesagt hat, dass Kennedy Miami nie mehr sehen würde. Beim
nächsten Treffen meint Milteer, man müsse sich um Oswald keine Sorgen machen, da er von nichts
wisse. Die Rechte habe es so organisiert, dass die Kommunisten die Sache ausbaden müssten.
Milteer stirbt im Februar 1974 an den Verbrennungen aufgrund einer Heizungsexplosion in einem
Ferienhäuschen.
Als Gebäude für das Festessen mit dem Präsidenten in Dallas wird aus Sicherheits- und Platzgründen
nach der Empfehlung des Secret Service und von Jerry Bruno vom Weissen Haus am 13.11. das
Women's Building in Fair Park festgelegt, was drei Tage später publiziert wird. Vizepräsident Lyndon
Johnson und sein Freund John Connally sind allerdings für das modernere Trade Mart, was den Weg
über die Dealey Plaza bedingt, und machen Druck für die Durchsetzung der Änderung. Am 18.11. gibt
Kenneth O'Donnell vom Weissen Haus nach, wobei die Strassenroute logischerweise über die Main
Street, die nicht am Texas School Book Depository vorbeiführt, geplant wird. Die Dallas Morning
News veröffentlichte bereits früher die am 22.11. tatsächlich gefahrene Route. Mitbeteiligt an der
Routenänderung sind Robert B. Cullum, der Organisator dieser Veranstaltung, sowie Secret ServiceAgent Winston G. Lawson und George Lumpkin, der stellvertretende Polizeichef und Agent des
Reservearmeegeheimdienstes. Organisiert wird die Parade Kennedys von der Sol Bloom Agency, die
George DeMohrenschildt mindestens 40 Mal besuchte.
Seite [257]
Der Secret Service von Dallas rekrutiert 30 Mann des Fort Worth Chamber of Commerce Sports
Committee, dessen Leiter ein ehemaliger Geheimdienstoffizier der Air Force ist, und lehnt das FBIAngebot für weitere Personalunterstützung ab, obwohl einen Monat zuvor UNO-Botschafter Adlai
Stevenson attackiert wurde. Auch die texanischen Militärgeheimdiensteinheiten, normalerweise zu
solchen Anlässen aufgeboten, werden trotz Protesten des Befehlshabers Colonel Maximilian Reich
angewiesen, zu Hause zu bleiben. Mehrere hohe Polizeiverantwortliche von Dallas wie Sheriff Bill
Decker und Leutnant Jack Revill und der Stadtpräsident Earle Cabell arbeiten an den
Attentatsvorbereitungen mit.
Mafia-Leutnant Johnny Roselli rekrutiert professionelle Eliteschützen: von Carlos Marcello kommen
Charles Harrelson und Jack Lawrence, von Trafficante kommen ein ehemaliger Sittenpolizist von
Havanna (ev. David Sanches Morales) und ein korrupter US-Zollbeamter, und Sam Giancana schickt
die Schweinebuchtveteranen Richard Cain, Chuckie Nicoletti und Felix Anthony "Milwaukee Phil"
Alderisio. Die CIA steuert Frank Sturgis, Roscoe White und Jefferson Davis Tippit bei.
Am 14.11.63 findet eine Zusammenkunft von Jack Ruby, J. D. Tippit und Bernard Weissman, die alle
der ultrakonservativen John Birch Society angehören, im Carousel Club statt. Ruby macht das
Adolphis-Hotel, das sich gegenüber seines Carousel-Clubs befindet, zum Zentrum der
Attentatsplanung und erhält $7000 Vorschuss. Am 16.11. ist Ruby bei Preston Fineberg im Tropicana
in Las Vegas.
Lee Harvey Oswald befindet sich am 16.11. bei Orlando Bosch in Miami, wo Gerry Hemming, Frank
Sturgis, Pedro Diaz Lanz und die Brüder Novo die Ermordungspläne für Miami und Dallas diskutieren.
Offenbar kommt es zu einem Streit wegen der Präsenz von Marita Lorenz. Da Lorenz nach ihrem
fehlgeschlagenen Attentat von Castro-Agenten bedroht wurde, floh sie nach Deutschland zu ihrem
Vater, einem ehemaligen Nazi-Spion. Nach ihrer Rückkehr nach Miami schloss sie sich Frank Sturgis
an und erfuhr dadurch, was in der Internationalen Anti-Kommunisten Brigade und der OPERATION
40 lief, wobei sie Pedro Lanz, Gerry Hemming, Orlando Bosch und E. Howard Hunt, der die Truppe als
Eduardo leitet, kennenlernte.
Im Sommer 1961 machte sie über Ruben Pratts Bekanntschaft mit Präsident Marcos Jimenez Perez
von Venezuela, der mit Carlos Marcello und einem Vertrauten Meyer Lanskys in Kontakt steht. Pratts
verlangte von Lorenz eine Kommission von dem Geld, das Perez ihr für ihre sexuellen Leistungen
zahlte, worüber sie sich beim FBI beklagte. Der Militärdiktator, Vater ihrer Tochter Monica,
vermachte ihr nach seinem Tod $5 Mio, was die CIA aber einsackte. Lorenz lernte im Training Camp
in Everglades im Oktober 1962 Oswald kennen.
Hemming, Sturgis, Bosch und Rorke fahren am 21.11.63 mit Lorenz von Hernando's Hideaway in
einem Stationswagen nach Dallas und transportieren Waffen und Munition. Sie treffen sich mit Jack
Ruby im Hotel Adolphus, wo auch die Novo Brüder, Orlando Bosch, Gerry Hemming und Pedro Diaz
Lanz sind. Ruby verlangt von Sturgis, dass Lorenz weggeschickt wird, worauf er sie zum Flughafen
fährt. Sie fliegt nach New York, wo sie von einem FBI-Agenten interviewt wird, worüber allerdings
kein FBI-Rapport existiert.
Nachdem Lorenz das Hotel verlassen hat, checkt sich E. Howard Hunt ein und übergibt Sturgis einen
Briefumschlag voller Geld. Laut Aussagen von Jim Hicks ist das Adolphus Hotel in Dallas, in dem Harry
Ransom Stammgast ist, das Kommunikationszentrum für Attentatsvorbereitung. Joe Peterson und
Ruby werden während des ganzen Wochenendes in der Nähe Oswalds sein. Nachdem Marita
Einzelheiten über Oswald erzählt, werden mindestens zwei Attentatsversuche auf sie unternommen.
Seite [258]
Hemmings Anwalt, Charles Ashman, der Fidel Castros Flugzeug zum Schuldenausgleich
beschlagnahmen liess, als dieser 1960 zu einem Treffen der Vereinten Nationen nach New York flog,
stellt im November 1963 eine Serie von falschen Schecks aus. Im September 1964, als die WarrenKommission von dieser Sache erfährt, wird er in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert, da er
behauptet, der Koordinator der Anti-Castro-Kräfte zu sein. 1966 wird er aus der Klinik entlassen,
worauf sich der Gouverneur von Florida bei ihm entschuldigt.
Oswald ist in Kontakt mit Pedro Valeriano Gonzalez, Präsident des Cuban Liberation Committee in
Abilene, der weiss, dass JFK am 18.11. in Miami umgebracht werden soll. Gonzalez arbeitet mit
Manuel Antonio de Varona, Ministerpräsident unter Prio und Koordinator des CRC. Varona brachte
Santos Trafficante und dessen Topmann "Macho" Gener in das CIA-Mafia-Plot ein und ist der CIAdesignierte Frontmann einer Postcastro-Regierung. Varona traf sich mit Meyer Lansky, um die
Finanzierung der Frente zu sichern, was über die Cellini-Brüder passierte. Lanskys Investitionen sind
mit denen von Ex-Präsident Prio verknüpft, dessen Interessen Varona ebenfalls vertritt.
Gerry Hemming fliegt Oswald und einige Mitglieder der Alpha 66 am 17.11. nach Sulpher, Oklahoma,
zu Manuel Occarberro. Detektiv E. R. Buddy Walther bringt Oswald ebenfalls in Zusammenhang mit
der Alpha 66, mit der David Phillips eng vernetzt ist. Walther wird 1969 während des Dienstes in
Dallas erschossen.
Am 17.11. hat Jack Ruby 6-8 "Freunde aus Chicago" in seinem Club, die sich aggressiv benehmen und
mit einer Waffe den Angestellten Walter Weston bedrohen. Nach der Schliessung des Clubs haben
sie eine Geheimbesprechung, an der Sam Giancana, Johnny Roselli, Lee Harvey Oswald, ein FBI-Mann
und der verurteilte Mörder Myron Thomas Billet alias Paul Buccilli teilnehmen. Ein ähnliches Treffen
muss im Frühsommer schon stattgefunden haben.
Zwei Exilkubaner planen, die Air Force One mit Bazookas am 17.11. in West Palm Beach, Florida, zum
Absturz zu bringen.
Die CIA baut in John Kennedys Rede in Miami am 18.11. über die Erfolge der "Allianz für den
Fortschritt" eine Passage mit einer harten Kritik Castros ein, um Rolando Cubela (Codenamen:
AM/LASH) zur Ermordung Castros zu ermutigen, obwohl die diplomatischen Schritte zu einer
Entspannung über Attwood und Daniel weiterlaufen. Das Attentat, das am Flughafen oder auf der
Strasse geplant war, funktioniert offenbar nicht, weil JFK den Helikopter benutzt.
Laut Gerry Hemming sollte das Attentat unter der Leitung des militärischen Geheimdienstes am
Flughafen von Miami ausgeführt werden, wozu er sich mit Nick Navarro, Tony Fontana, Bernardo de
Torres und Secret Service-Agent Ernesto Aragon traf. Der kubanische Baseballspieler Bernardo G. de
Torres Alvarez kam 1955 in die USA und schloss sich der Brigade 2506 an. Während eines
vorbereiteten Schusswechsels mit Doppelagenten Castros hätte JFK in Miami von den SantanaBrüdern erschossen werden sollen. Emilio Santana behauptet später, er sei der Schütze am 22.11. im
Dal-Tex gewesen. Er arbeitet für Clay Shaw und die CIA, kennt Jack Ruby, Gordon Novel und William
Seymour gut und verbringt die Nächte vom 21. und 22.11. mit Rubys Stripperin Tammie True.
Laut William Torbitt ist William Seymour der Schütze im sechsten Stock des TSBD, der danach im
Nash-Rambler weggefahren wird und dann Polizist Jefferson Davis Tippit umbringt. Ein Manuel
Gonzales schiesse vom Grashügel und die beiden würden am nächsten Tag von einem Detektiv Joe
Cody nach Houston zu Robert Ray McKeown geflogen, von wo sie David Ferrie nach Mexico ausfliege.
Den Mann mit Regenschirm identifiziert er als Ferenc Nagy. Allerdings fehlen Zeugenaussagen und
logische Zusammenhänge zur Stützung dieser Behauptungen.
Seite [259]
Eugene Hale Brading, seit 4 Jahren wieder aus dem Gefängnis entlassen, reist als Jim Braden "wegen
Ölgeschäften" nach Dallas. Brading, der Kontakte zu Magnolia Oil hat, und Morgan H. Brown treffen
sich mit H. Lamar Hunt am 21.11. in dessen Büros, wo auch Ruby aufkreuzt. Brading ist ein Freund
des Drogendealers Harold Meltzer und vermutlich ein Kurier von Meyer Lansky. Jedenfalls wird er in
den 70er Jahren angeklagt wegen Geldwäscherei in Amsterdam und Zürich.
David Ferrie und Brading benutzen im Pere Marquette Building in New Orleans Büros auf derselben
Etage. Gegenüber des Pere Marquette befinden sich die Büros von Hunt Food und von Bushs Zapata
Off-Shore, die 5 Tochterfirmen hat und 41% der Amata Gas besitzt. In derselben Nacht geht Ruby ins
mafiafinanzierte Cabana Motel, wo Brading, Morgan Brown, Victor Pereira und Rubys Freund
Lawrence Meyers absteigen. Bruder Edward Meyers ist Präsident der Queens Beverage Company
und ist am selben nichtregistrierten Kongress der Pepsi-Cola wie Nixon. Lawrence Meyers befindet
sich in Begleitung von Jean Aase West, die Kontakt mit David Ferrie hat. Victor Pereira ist mit Ilya
Mamantov und Ruby befreundet, weshalb Ruby auch die Paines kennen könnte.
Ruby trifft sich am 21.11. mit Sam Campisi und Ralph Paul in Joe Campisis Egyptian Lounge. Ruby
besucht seinen Freund William Alexander, Bezirksanwalt von Dallas, und in Begleitung von Connie
Trammel den Ölmagnaten H. Lamar Hunt. Rubys Angestellter Andrew Armstrong Jr. hat zuvor bei
Hunt gearbeitet. Hunts Geheimdienstorganisation FID propagiert nach dem Attentat die
Kommunistenverschwörungstheorie, und er wird später Michael Eddowes Buch "Khrushhchev Killed
Kennedy" finanzieren, indem er behauptet, Oswald sei in Russland durch einen KGB-Agenten ersetzt
worden.
Jack Rubys Freund Barney Baker wird kurz vor dem Attentat freigelassen. Der 185 Kilo schwere
ehemalige Boxer arbeitete im Hafen New Yorks und bei den Glücksspielen der Mafia, bevor er als
Bodyguard bei Jimmy Hoffa begann.
Quellen: Groden/ Livingstone: 157-159, 279, 318f, 414, 474-477, Scott (1993): 49-52, 143, 308, Anson: 57, 329ff, Marrs: 18, 228,
265, 407ff, 546, Oglesby: 49, Griffith (1996): 3, (1998): 2, Dupuis: 74f, Joesten (1966), Ranelagh/ Treharne: 2, Weberman (16):
80-93, (18): 4, (19): 5, (27): 59-62, Best: 38, Brussell (1983): 11, Davis (1988): 177f, 192, 470f, 516, 545, Callahan: 23ff, 75,
124ff, Public Papers (1964): 872, Torbitt: 27, 30ff, Mühlemann: 16, Huismann, Bartholomew (1): 29, (2): 21, (3): 5, Olgiatti,
Tarpley/ Chaitkin: 114f, Dankbaar.
8.4. 20.11.63: Richard Nixon in Dallas
Richard Nixon sagt einem Reporter gegenüber, er sei als Rechtsberater von Pepsi-Cola Company an
einer Tagung vom 20.-22.11. in Dallas, obwohl offiziell keine solche Tagung stattfindet. Offenbar geht
es um einen Landkauf mit der Great Southwest Corporation, und Nixon gibt an, er wolle mehrere
Republikanerführer von Dallas sehen: Ölhändler und Reserve-Armeegeheimdienstagent Jack Alston
Crichton und Ilya Mamantov, die beide mit den Exilrussen zu tun haben, sowie den
Versicherungsdirektor Maurice Carlson, der für Bedford Wynne arbeitet. Nixon sowie die Pepsi-ColaErbin und Schauspielerin Joan Crawford bemerken gegenüber Reportern, sie bräuchten keinen Secret
Service, im Gegensatz zu dem vom Volk verhassten Kennedy. Zudem druckt die Dallas Morning News
am 22.11. die Aussage Nixons, Kennedy werde Johnson fallenlassen, da er ihn nicht mehr für die
Wiederwahl brauche, und er hoffe, Dallas würde Kennedy einen netten Empfang bereiten. Nixon
bleibt bis zweieinhalb Stunden vor dem Mord in Dallas. Bei Befragungen durch das FBI drei Monate
später kann sich Nixon allerdings nicht mehr genau erinnern und liefert im Verlaufe der Zeit drei
verschiedene Versionen seines Aufenthaltes.
Interessant ist auch eine Einladung Nixons von Carlson, dem Vorsitzenden der Republikanischen
Partei von Dallas, im April 1963, an die sich plötzlich niemand mehr erinnern kann, obwohl Lee
Seite [260]
Harvey Oswald an diesem Datum laut Aussagen von Marina Nixon habe umbringen wollen und dies
angeblich nur verhindert wurde, weil Marina ihren Mann im Badezimmer eingeschlossen habe.
Crichton vermittelt Marina nach der Ermordung Oswalds den Rechtsextremisten Ilya Mamantov als
Übersetzer.
Nixon ist ein langjähriger Freund des Pepsi-Cola-Präsidenten Don Kendall und öffnet während seiner
Präsidentschaft den lukrativen Sowjetmarkt für Pepsi dank Insiderinformationen aus dem Weissen
Haus konkurrenzlos. Im Gegenzug gründet Kendall 1973 das "Save the Presidency Committee", um
der Wirkung von Watergate entgegenzutreten. Kendall verfügt über beste Beziehungen zu Jack
Crichton, Toddie Lee Wynne (Ölbusiness), Joseph Walker (Air America), Robert H. Stewart III (GSW,
First National Bank), Robert Bernard Anderson (World Banking Corporation) oder zur General
Dynamics. Cartha DeLoach, die rechte Hand von Johnsons Freund Hoover, wechselt später ebenfalls
zu Pepsi. Stewart, der mit James Ling zusammenarbeitet, schmiert Johnson ebenfalls über Bobby
Baker und unterstützt 1977 George Bush.
Richard Nixon und J. Edgar Hoover sind beide an einem Treffen im Haus von Clint Murchison, wo
auch Paul Raigorodsky anwesend ist. Murchison besitzt nicht nur Ölfirmen, sondern auch Hotels, den
Henry Holt and Company-Verlag und die Pferderennbahn Del Mar, wo Hoover wettet. Murchison ist
vermutlich der einzige, der Hoover manipulieren und kontrollieren kann. Murchisons enger Draht zur
Geheimdienstwelt läuft über seinen Washington-Lobbyisten I. Irving Davidson, den er in den 50er
Jahren engagiert hat. Davidsons Kontakte reichen von Hoover über Carlos Marcello, die CIA und das
NSC, die Dominikanische Republik, Kuba, Israel und Haiti bis zu Somoza, wobei er ein Freund von
Jimmy Hoffa und registrierter Lobbyist der Teamster-Gewerkschaft ist. Ein Teil des immensen
Vermögens von Murchison stammt von Krediten der mafiadominierten Pensionskassen der
Teamsters. Korrupte Teamsterbüros spielen eine Schlüsselrolle im Heroin- und später Kokain-Import
in die USA. Davidson nutzt die Teamster-Pensionskassen auch für sich selbst, wofür er später wegen
Veruntreuung verurteilt wird.
Murchison ist zudem befreundet mit dem ehemaligen Marinegeheimdienst-Offizier Gordon
McLendon, der eine Kette von Radiostationen besitzt und zusammen mit Murchison zum
Miteigentümer der Dallas Cowboys wird. Rubys Freund McLendon kennt David Phillips, den
Spurenleger in Mexiko. Eine Verbindung zur Mafia besteht zudem in der Boys Inc. von Murchison,
Connally und Hoover, die zur Steuerhinterziehung der Pferderennbahn dient. Nixons Präsenz in
Dallas und bei Murchison ist ein Indiz für die langfristige Planung der Verschwörer und die AttentatsUnterstützung seiner politischen Clique.
Quellen: Scott (1993): 73, 143, 218, 290, Summers (1993): 329, (2000): 262f, 513, Marrs: 269-272, Groden/ Livingstone: 237,
279, 318f, 419, Weberman (16): 96, Bartholomew: (1): 29, (2): 21, (3): 5, Davis (1988): 177f, 192, 373, 516, 545, Torbitt: 26,
Griffith (1996): 3, (1998): 2, Olgiatti.
8.5. 20.11.1963: Attentatswarnungen
Neben den Aussagen des FBI-Informanten Joseph Adams Milteer gibt es weitere Hinweise auf das
Attentat:
Die heroinsüchtige Prostituierte Rose Cheramie, die behauptet, für Ruby gearbeitet zu haben, erzählt
dem Polizisten Francis Fruge und den Ärzten im State Hospital in Jackson am 20.11.63 von den
Mordplänen in der Unterwelt von New Orleans. Sie reiste mit zwei italienisch aussehenden Männern
von Florida nach Dallas im Zusammenhang mit einem Heroindeal. Cheramie, mit richtigem Namen
Melba Christine Marcades wird im September 1965 überfahren. Die Spur dieses Mordes führt zu
Marcello-Günstling und Freund von David Ferrie Sergio Arcacha Smith und einem "Osanto".
Seite [261]
Jorge Soto Martinez, ein Freund von Mike McLaney, erzählt Lillian Springler von der bevorstehenden
Ermordung Kennedys durch Oswald.
Vom FBI-Hauptsitz kommt am 17.11.63 ein mit "dringend" markierter und vom Direktor
unterschriebener Telex zum FBI-Büro von Dallas, der vor einem möglichen Kennedy-Attentat am
22.11. warnt und verlangt, dass alle Informanten kontaktiert werden sollen. Nach dem Attentat
ordnet Hoover an, dass alle Reports in diesem Zusammenhang nochmals durchgesehen und alle
Originale, die das FBI belasten könnten, zerstört werden. Die Fernschreibermeldung fehlt nachher im
Archiv.
Zwei Polizisten beobachten am 21.11.63 mehrere Männer, die mit Gewehren auf die Dealey Plaza
zielen. Jack Ruby ist der Fahrer des grünen Ford Pick-ups, der bei der Bahnunterführung auf diese
Männer wartet.
Homer Echevarria erzählt einem Secret Service-Informanten am Tag vor dem Kennedy-Attentat, dass
Tom Moseley, der ihm Maschinengewehre verkauft, und er über die Attentatsvorbereitungen auf
dem Laufenden seien. Paulino Sierra informierte ihn über das bevorstehende Attentat. Moseley hat
Kontakte zur ‚Bewegung des 30.November', zu der Echevarria gehört, und schmuggelte Waffen für
Carlos Prio Soccarras. FBI-Agent Robert A. Baker, der Moseley kennt, trifft sich am 26.11. mit
Echevarria, der mit Carlos Bringuier befreundet ist, und weist ihn an, den Mund zu halten. Auch FBIAgent Walter C. Rogers, der den Chef des militärischen Arms des DRE in Miami, Juan Francisco
Blanco-Fernandez, kennt, spielt eine Rolle in der Vertuschung der Attentats-Vorkenntnisse der
Exilkubaner.
Quellen: Groden/Livingstone: 279, 318f, Scott (1993): 143, Bartholomew (1): 29, (2): 21, (3): 5, Davis (1988): 177f, 192, 516, 545,
Griffith (1996): 3, (1998): 2, Olgiatti, Weberman (16): 88ff, (18): 4, 19): 5, (27): 62, Anson: 329ff, Marrs: 18, 401, 546, Tarpley/
Chaitkin: 114f, Mühlemann: 16, Huismann.
8.6. 21.11.63: Kenneth O'Donnell und Secret Service
Robert Kennedy hat Beweise dafür, dass Kenneth O'Donnell, dem JFK neben seinem Bruder am
meisten traut, und andere Helfer Geld von der Kampagnenkasse 1964 abzwacken. Die
Anschuldigungen kamen von Bobbys Freund Paul Corbin, der an der Kampagne von 1960 beteiligt
war und dann für das DNC abgeordnet wurde. Corbin teilte seine Erkenntnisse dem Journalisten und
Johns Freund Charles Bartlett mit, damit dieser den Präsidenten warne. O'Donnell verbirgt seinen
neuen Reichtum nicht und ist beim Secret Service aufgefallen wegen abschätzigen Bemerkungen
über den Präsidenten. Der Secret Service-Agent, der diese Bemerkungen weitergegeben hat, wurde
sofort aus dem Weissen Haus entfernt. Deshalb könnte es auch sein, dass O'Donnell das Geld im
Auftrag von John Kennedy selbst abzweigt, um beispielsweise Ellen Rometsch zu finanzieren. Da Jack
nicht reagiert, geht Corbin am 21.11. mit neuen Beweisen, dass O'Donnell seine Funktion
missbraucht, zu Bobby. Der Justizminister will noch im Beisein von Corbin seinen Bruder anrufen, der
allerdings bereits nach Texas abgereist ist.
17 Secret Service-Agenten des Weissen Hauses und Mafia-Angehörige festen gemeinsam zuerst im
Press Club und später im "Cellar" von Pat Kirkwood in Fort Worth bis um 3.00 Uhr, einer sogar bis
5.00 Uhr früh, wobei die meisten sich mit purem Everclear betrinken. Die Agenten sind am nächsten
Tag für die Bewachung Kennedys zuständig. Von Johnsons Bewachungsteam ist in dieser Nacht kein
einziger Secret Service-Agent dabei. Kennedys Agenten werden von Rubys Tänzerinnen unterhalten.
Eine der beteiligten Stripperinnen dieser Nacht, Karen Carlin, wird 1966 erschossen. Rubys
Angestellte Janet Conforto, William Crowe und Kathy Kay bestätigen, dass Ruby und Oswald sich
kennen.
Seite [262]
Obwohl der Club keine Alkohollizenz hat, schenkt Kirkwood, ein Bekannter Jack Rubys, regelmässig
gratis Alkohol an Rechtsanwälte, Politiker, Polizisten und Stripperinnen aus.
Quellen: Weberman 10): 55ff, Griffith (1998): 2, 5f, Best: 42, Hersh: 442-446, Groden/ Livingstone: 15,150, Davis (1988): 544.
8.7. 22.11.63: Vorbereitungen
Die Dallas Morning News veröffentlicht ein ganzseitiges, schwarz umrandentes Inserat mit einem
hämischen Angriff auf den Präsidenten. Finanziert wird die Seite von Joseph Grinnan, einem Mitglied
der John Birch Society. Es ist nicht zufällig, dass das Inserat mit dem jüdischen Namen Weissman
unterzeichnet ist, einem Mitglied von ‚Conservatism, U.S.A.' Jack Ruby und Bernard Weissman sollen
sich am 14.11. getroffen haben. Zum Zeitpunkt des Attentats sitzt Ruby angeblich in einem Büro der
Dallas Mornings News und ärgert sich über dieses Inserat. Nach dem Mord an Oswald sagt er zu
Journalisten: "Ich wollte zeigen, dass auch ein Jude Mut hat." Tatsächlich ist er aber während der
Schiesserei auf der Dealey Plaza und geht erst später zur Redaktion.
Ruby wird aber schon um 11.30 Uhr in einem Lastwagen bei der Unterführung von Julia Ann Mercer
erkannt. Kurz danach telefoniert Ruby mit Thomas J. McKenna in Galvestone. Die andere
Stadtzeitung, die Dallas Times Harald druckt eine detaillierte Karte des Routenverlaufs und verletzt
damit die Sicherheitsbestimmungen des Secret Service. Entlang der ganzen Paradenstrecke verteilen
John Birch-Aktivisten wie Robert Surrey, ein Freund von James Hosty und der Gehilfe von General
Edwin Walker, "Kennedy Wanted for Treason"-Handouts.
Am Morgen trifft sich Robert Kennedy mit 40 Mitgliedern seiner Antimafia-Gruppe, mit denen er in
den letzten zweieinhalb Jahren regelmässig zusammenarbeitete. Hauptschwerpunkte der Diskussion
sind die Ermittlungen gegen Carlos Marcello und Santos Trafficante. Das letzte diskutierte Thema vor
dem Mittagessen betrifft Sam Giancana und die Korruption in Chicago.
Um 10.30 Uhr versammelt Sheriff Bill Decker Detektive in Zivil, die an der Main Street Position
beziehen, aber keinen Einfluss auf die Sicherheit der Autokolonne nehmen. Der bekanntermassen
korrupte Decker positioniert den Scharfschützen Harry Weatherford auf dem Dach des Dallas County
Criminal Courts Building, in dem sich das Gefängnis und die Sheriff-Büros befinden. Ein junger
Forscher fragt Weatherford später, ob er auf Kennedy geschossen habe. Seine Antwort: "Du kleiner
Hurensohn, ich töte viele Leute."
Lee Harvey Oswald hat am Morgen sein Mannlicher-Carcano-Gewehr mit zur Arbeit genommen, um
es Gerry Hemming zu verkaufen. Hemming schoss am vorangehenden Wochenende mit diesem
Gewehr und bot ihm den doppelten Preis seines Werts an. Das gefundene Gewehr lässt sich einfach
mit Oswald in Verbindung bringen.
Roy Truly stellte Oswald als "Building Manager" ein, wobei das Personal des Texas School Book
Depository dem "Assistant Manager" William Shelly unterstellt ist. Vermutlich sind Truly und Oswald
direkt vom Hausbesitzer Davis Harold Byrd und nicht vom Schulbuchverlag angestellt. Der Ölhändler
Byrd hat eine enge Beziehung zu Vizepräsident Lyndon Johnson und Gouverneur John Connally, der
zugleich einer der Direktoren des Ölkonzerns von Syd Richardson ist. Byrd kennt Clubmitglied
DeMohrenschildt vom Dallas Petroleum Club und somit vermutlich auch David Atlee Phillips und
George Bush. Als Mitbegründer der Civil Air Patrol kennt er David Ferrie, der dort die Kadetten, zu
denen Oswald gehörte, unterrichtet.
Byrd geht im November und Dezember nach Zentralafrika auf die Jagd. Seine Flugzeugfirma
fusioniert im November 1963 mit der seines Freundes James Ling zu Ling-Temco-Vought, deren
Seite [263]
Direktor Byrd wird. Als er von seiner Reise im Januar zurückkommt, ist sein Freund Johnson Präsident
und seine Firma erhält einen grossen Regierungsauftrag, der im Budget 1965 geplant, aber vom
Kongress noch gar nicht bewilligt ist, um Kriegsflugzeuge zu bauen. Das Team, das im TSBD
stationiert ist, hat die Schlüssel zum Gebäude und organisierte während der Nacht die Schiessplätze,
Fluchtwege und die falschen Beweisstücke.
Das erste von vier Autos kommt um 12.10 Uhr auf den seit 10 Uhr abgesperrten Parkplatz hinter dem
Grashügel gefahren. Es handelt sich um einen blau-weissen 59er Oldsmobile-Stationswagen mit einer
anderen Staatennummer und Abziehbildern von Barry Goldwater. Nach einigen Umdrehungen fährt
der Wagen wieder den einzigen Weg hinaus. Ein Lieferwagen von "Joe's Pawn Shop", der nahe beim
TSBD parkiert ist, fährt zehn Minuten später in das Gebiet. Ein schwarzer 57er Ford mit einem Schild
aus Texas kommt ebenfalls auf das Parkgelände, wobei der Fahrer während dem Fahren in ein
Mikrofon oder ein Funkgerät zu sprechen scheint. Nach drei oder vier Minuten verlässt der Wagen
die Zone wieder. Kurz darauf kreuzt ein weiteres Auto auf dem Parkgelände auf: ein weisser,
schmutziger Chevrolet Impala mit ähnlichem Nummernschild wie das erste Auto, das ebenfalls ein
Weisser fuhr. In der Nähe des Zauns halten sich zwei Männer auf, ein etwa 45jähriger
Übergewichtiger und ein 25jähriger, die im Abstand von 3-5 Meter voneinander stehen. Am Ostende
des Parkplatzes stehen zwei Uniformierte.
FBI-Agent James Hosty befindet sich bis 45 Minuten vor dem Attentat in Begleitung des
Militärgeheimdienstoffiziers Edward Coyle und des ATF-Agenten Frank Ellsworth. Ein zweiter
Militäragent beim TSBD ist James Powell, und Polizeileutnant Jack Revill befindet sich in Begleitung
eines dritten Militäragenten dort. In der Nähe des Standortes von AI-Agent James Powell und der Tür
des TSBD bricht Jerry B. Belknap in Armeekleidung bei einem epileptischen Anfall zusammen. Polizist
D. V. Harkness ruft über Funk eine Ambulanz herbei und lässt den Verkehr für die Ambulanz stoppen.
Der angeblich Verletzte wird ins Parkland-Spital gefahren, wo aber keine Aufnahme verzeichnet wird,
weil der Patient verschwindet. Das Manöver macht das Ambulanzfahrzeug unverfügbar. Im
Eckfenster und im angrenzenden Fenster des 5.Stocks des TSBD-Gebäudes richten sich laut
Augenzeugen unterdessen ein Schütze und sein Helfer ein.
Ab 12.26 Uhr ist der Polizeifunk während acht Minuten durch ein offenes Mikrofon blockiert,
wodurch jede Verständigung verunmöglicht ist. Verantwortlich ist wahrscheinlich der
Motorradfahrer H. D. Freeman, der sich aus unerklärlichen Gründen beim TSBD von der Eskorte
trennt und um sich schiessend zum Parkplatz hinter dem Grashügel fährt, um die Fluchtwege zu
sichern. Das Telefonsystem in Washington bricht um 12.32 Uhr für eine Stunde zusammen, und zwei
Minuten später funktioniert auch das Autotelefon des Pressewagens nicht mehr.
Kurz vor den Schüssen wird der 22jährige Soldat Gordon Arnold, der auf dem Grashügel filmen will,
von einem Secret Service-Agenten weggeschickt. Gleich darauf fallen die Schüssen hinter dem
Holzzaun. Arnold wirft sich auf den Boden, und wird danach von einem schreienden Polizisten mit
Gewehr bedroht. Ein zweiter Polizist reisst den Film aus seiner Kamera. Arnold rennt danach zu
seinem Auto und verlässt das Gelände ohne Schwierigkeiten. Zwei Tage später wird Arnold für
mehrere Jahre nach Fort Wainwright in Alaska versetzt.
Quellen: Davis (1988): 179, 182, 412f, Brussell (1983): 13ff, Bartholomew (2): 8, (3): 1, Groden/ Livingstone: 19f, 153, 187f, 248,
321, Scott (1993): 161, Callahan: 121, Griffith (1996b), (2000): 1, Marrs: 18-21, 42, 75-78, 320, Anson: 21f.
Seite [264]
8.8. Wagenkolonne
Durch die Kurve von 120 Grad reduzieren die Limousinen die Geschwindigkeit auf 16
Stundenkilometer. Voraus fährt ein Pilotwagen mit dem stellvertretenden Polizeichef George
Lumpkin, dem lokalen Militärgeheimdienstagenten George Whitmayer und zwei Detektiven der
Mordabteilung, um allfällige Schwierigkeiten zu entdecken.
Im ersten Auto fährt Polizeichef Jesse Curry, begleitet von Winston G. Lawson vom Secret Service,
Sheriff "Bill" Decker und SAC Forrest V. Sorrels. Der Fahrer der Präsidentenlimousine ist Bill Greer,
neben ihm sitzt Roy Kellermann, beide vom Secret Service. Dahinter sitzen Gouverneur Connally und
seine Frau, vor Jackie und Jack. Jackie begleitet ihren Ehemann das erste Mal auf eine politische Reise
seit dem Wahlkampf 1960. Kennedy trägt wegen einer Muskelzerrung, die er sich während eines
Seitensprungs mit einer Bekannten vom Hugh Sidey zwei Monate zuvor im Swimming Pool zuzog,
eine zweite Rückenstütze. Damit bietet er in seiner stabilisierten aufrechten Position eine ideale
Zielscheibe. Auf Anordnung O'Donnells liess man die Kuppel des Lincoln weg.
Eigentlich wollte Polizeichef Curry nach dem Präsidentenauto ein Wagen mit Captain Will Fritz und
Detektiven von Dallas folgen lassen, aber nach dem Veto von Winston Lawson wird darauf verzichtet.
Lawson reduzierte auch die von Curry angeforderten 8 Motorradfahrer auf 4 und ordnete zudem an,
dass sie hinter dem Wagen statt seitlich davon fahren sollen. Lawson ist der Secret ServiceVerantwortliche des Weissen Hauses für die Route und gleichzeitig Armee-Reserve-Offizier.
Militärdienstagenten arbeiten während den 60er und frühen 70er Jahren oft mit dem Secret Service
zusammen, vor allem in Bezug auf Dokumente und technische Assistenz, wie beispielsweise bei den
Beeinflussungen der Nationalkonvente in Chicago 1968 und in Miami 1972.
Nach einem Auto mit Secret Service-Agenten kommt der Wagen von Vizepräsident Johnson, dessen
Frau und dem ehemaligen Senator von Texas, Ralph Yarborough. Dieser Wagen wird von Hurchel
Jacks gefahren und von Rufus W. Youngblood begleitet. Während der Schiesserei hält Secret ServiceAgent Youngblood dem Vizepräsidenten ein Walkie-Talkie hin, und beide hören in geduckter Position
zu. Während Nixons Präsidentschaft verlässt Youngblood den Dienst wütend, weil seine Kollegen sich
einspannen lassen, Edward Kennedy, George McGovern und selbst dessen Bruder Donald Nixon
auszuspionieren.
Danach folgt der Wagen mit Johnsons Secret Service-Agenten, drei Autos für Pressefotografen und
zwei Pressebusse, fünf Autos mit Lokalpolitikern und ein Bus mit Angestellten des Weissen Hauses.
Eigentlich hätte ein Wagen mit Fotografen hinter dem Secret Service-Wagen der
Präsidentenlimousine fahren sollen; dieser wurde aber aus ungeklärten Gründen nach hinten
verschoben. Trotz dieser ungünstigen Position filmt der offizielle Fotograf Kennedys, Thomas Atkins,
das Attentat. Sein Film und seine detaillierten Kenntnisse werden allerdings nie von einer
Untersuchungskommission aufgenommen.
Andere filmende Zuschauer auf dem Platz sind Robert Hughes, Charles L. Bronson, Abraham
Zapruder, Maria Muchmore, Orville Nix, Elsie Dorman, Dave Weigman und Beverly Oliver. Regis
Kennedy ist einer der FBI-Agenten, der Olivers Film konfisziert, den sie nicht wiedererhält. Die
19jährige Oliver ist eine Freundin und Tänzerin von Jack Ruby und kennt viele seiner Angestellten.
Ruby stellte ihr einmal "Lee Oswald von der CIA" vor und Oliver behauptet, dass Ruby, Oswald und
Ferrie eng zusammenarbeiten. Ferrie managte Rubys Carousel Club während einiger Zeit. Oliver
heiratet später George McGann, eine Unterweltfigur von Dallas, der mit Russell Matthews und Ruby
befreundet ist. Oliver erinnert sich später auch, dass Raul Pereira, der Mitorganisator des Attentats
auf Martin Luther King, eine Einkaufstüte mit viel Geld an Ruby übergab.
Seite [265]
Fotografierende Zuschauer sind Norman Similas, Hugh W. Betzner, Phillip Willis, Jim Towner, James
Altgens, Mary Moorman, Jean Hill und Tom Dillard. Auch der Armeegeheimdienst-Agent James
Powell fotografiert.
Quellen: Marrs: 9f, 250, Hersh: 439, Groden/ Livingstone: 151-157, 292, Davis (1988): 174, 412f, 541, Scott (1993): 273-280,
Griffith (1996): 1, Anson: 22-29, 129-153, Summers (2000): 247, Pepper: 134.
8.9. Die Schüsse
Um 12.30 Uhr erfolgen innerhalb von 7,6 Sekunden drei Schussserien von wahrscheinlich vier Orten
aus, koordiniert per Funk. Jim Hicks koordiniert die Schützen per Funk, und ein zweiter Mann wird
mit einem Funkgerät in der Hand fotografiert. Mindestens zwei Schützen müssen von hinten und
mindestens einer von vorne geschossen haben. Jeder Schütze hat einen Hintermann, der als Timer
operiert und das Gewehr und die Hülsen verschwinden lässt.
Während der ersten Salve wird John Kennedy an der Kehle und im Rücken getroffen. Die zweite Salve
trifft John Connally an Arm und Brust und das Auto. Erst die dritte Salve bringt den tödlichen
Kopfschuss des Präsidenten und die Verletzung Connallys am Oberschenkel. JFK wird von 3-4
Schüssen getroffen: Ein dritter Schuss trifft JFK vermutlich am Hinterkopf, der vierte und tödliche
Schuss kommt gleichzeitig von vorne und zerstört die rechte Kopfseite. Gouverneur Connally wird
von 3 Schüssen getroffen: eine Kugel dringt in den Brustkasten und in die Lunge ein, eine weitere
verletzt ihn am Handgelenk und eine am Oberschenkel.
Zudem gibt es mindestens fünf Fehlschüsse: Der 27jährige Autoverkäufer James Thomas Tague steht
in der Nähe der Unterführung und wird durch Steinsplitter von einer einschlagenden Kugel im
Randstein der Elm Street im Gesicht verletzt. Mindestens eine weitere Kugel trifft das Auto, eine geht
ins Gras hinter der Elm Street und ein Verkehrsschild wird ebenfalls getroffen. Der tödliche Schuss
kommt vom nördlichen Grashügel, geschossen wird auch aus dem 5. Stock des TSBD, und vom Dach
des Dallas County Records Building. Mögliche weitere Orte für die Schützen bilden das Dach oder ein
Fenster des 1. Stocks des Dal-Tex-Building, die dreifache Überführung und eine Dole auf dem
südlichen Hügel. Im Dal-Tex-Gebäude befindet sich das Polizeidepartement von Dallas. Im County
Criminal Courts Building, auf dem Weatherford stationiert ist, befindet sich das County Jail und die
Büros des Sheriffs.
Unmittelbar nach dem ersten Schuss leuchten die Bremslichter des Lincoln auf, so dass die schwere
Limousine beinahe zum Stillstand kommt und der nachfolgende Wagen fast auffährt. William Greer
schaut während mehreren Sekunden nach hinten in Kennedys Richtung, und erst nach dem tödlichen
Schuss schaut er wieder nach vorne und gibt Gas. Jackie versucht, davonfliegende Hirnteile
aufzufangen und erwischt auch einen Schädelteil. Die beiden Motorradfahrer links hinter dem
Limousine, Bobby W. Hargis und B. J. Martin, werden mit Blut und Hirnteilen bespritzt. Der einzige
Secret Service Agent, der im nachfolgenden Wagen normal reagiert, ist Clint Hill. Er war nicht für den
Dienst vorgesehen, sondern kam erst auf Jackies Wunsch nach Dallas, weshalb er in der Nacht nicht
am Feiern war. Er verlässt nach den ersten Schüssen das nachfolgende Auto und springt auf die
Limousine auf. Agent John D. Ready springt ebenfalls aus dem Auto, aber sein Kollege Emory Roberts
ruft ihn zurück.
Louis Steven Witt befindet sich mit einem offenen, schwarzen Schirm am Strassenrand, trotz des
schönen und warmen Wetters. Witt lässt ihn geöffnet und bewegt ihn auf und ab, bis der tödliche
Schuss fällt. Danach trifft er sich mit einem dunkelhäutigen Kollegen, der auf der anderen
Seite [266]
Strassenseite mit der Faust Zeichen gab. Die beiden sitzen kurz an den Strassenrand und sprechen in
ein Walkie-talkie, wobei sie fotografiert werden, bevor sie sich vom Tatort entfernen.
Der Schütze auf dem Grashügel ist Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig., der 1994 im Gefängnis
gesteht, dass er den tödlichen Schuss auf Kennedy abgegeben habe. Files wurde 1942 als Sohn von
Lesly Sutton und Vera Files geboren und benutzt deshalb bis 1963 den Namen James E. Sutton. Mit
16 begann er seinen ersten Mord, um die Ermordung seiner Schwester zu rächen. 1959 ging Files zur
82nd Airborne der Armee und wurde am 10.7.59 nach Laos geschickt, wo er als Geheimdienstagent
an der Operation WHITE STAR teilnahm. Da er zwei der eigenen Männer tötete, wurde er nach 14
Monaten Dienst entlassen und von David Atlee Phillips für die CIA rekrutiert. Anfang der 60er Jahre
arbeitet Files als Fahrer und Bodyguard für Giancanas ‚hitman' Charles Nicoletti und für das CIAProjekt JM/WAVE in Miami. Zusammen mit Antonio Veciana, Gerry Patrick Hemming und Frank
Sturgis trainierte er auf "No Name Key" Exilkubaner für die Schweinebucht-Invasion. Andere
Aktionen laufen mit Michael Townley, Frank Terpil, Ed Wilson und Orlando Bosch.
Johnny Roselli flog am Morgen des 22.11. mit einer von Robert "Tosh" Plumlee geflogenen CIAMaschine der Military Air Transport Service von Washington nach Dallas. Jimmy Files fuhr ihn dann
nach Ft. Worth zu einem Treffen mit Jack Ruby, der ihm eine Routenkarte der Präsidentenparade und
Secret Service-Identitätskarten übergab. Offenbar wollte die CIA das Kennedy-Attentat oder
zumindest die Beteiligung Rosellis abblasen, aber laut Files zieht Chuck Nicoletti den Plan durch und
setzt ihn an die Stelle Rosellis. Files versteckt sein Gewehr angeblich in einem Aktenkoffer, ist alleine
hinter dem Zaun und hat eine absichernde Funktion: er soll Kennedy erschiessen, falls die anderen
Schüsse ihn noch nicht tödlich getroffen haben. Aber eigentlich soll Kennedy von hinten erschossen
werden, damit die Indizien zu Oswalds Aufenthalt im TSBD passen. Der Augenzeuge Malcolm
Summers identifiziert Files als den Mann, den er auf dem Grashügel gesehen hat.
Laut Files stirbt Kennedy an den beiden fast simultanen Kopfschüssen von Nicoletti und ihm, wobei
Nicoletti Kennedy von hinten aus dem zweiten Stock des Dal-Tex-Gebäudes getroffen habe, weshalb
dessen Kopf sich kurz nach vorne bewegt. Sekundenbruchteile danach trifft Files, der auf Kennedys
Auge zielt, die rechte vordere Schläfe, worauf der Kopf nach hinten schnellt. Files schiesst mit einer
Remington XP-100 Fireball, die er von David Atlee Phillips bekommen hat. Phillips stellte Files auch
Oswald vor und arrangierte ein Treffen der beiden im Motel in Mesquite vor dem Attentat.
Nach dem Schuss drückt Files die gebrauchte .222 Patronenhülse mit seinem Zahnabdruck in den
Boden. 1987 findet John Rademacher die Patrone am Tatort, die der Anthropologe Gary Hughes mit
neuester Technologie auf das Jahr 1963 datiert. Nach den Schüssen geht er angeblich mit dem
Gewehr im Aktenkoffer zum Dal-Tex-Parkplatz und fährt mit Nicoletti und Roselli weg. Files erhält
$30'000 in bar für seinen Einsatz, an dem laut Files Frank Sturgis, Aldo Vera Seraphine, Richard Cain,
Phil Alderisio, Orlando Bosch, Pedro Diaz und James Braden dabei sind. Braden verschafft Nicoletti
und Rosselli den Zugang ins Dal-Tex-Building.
Laut Granata, der für Nicoletti arbeitet, sind neben Roselli auch John Michael "Marshall" Caifano und
Jimmy Sutton (=James Files) am 22.11. in Dallas. Vermutlich sagt Files aus, er sei alleine hinter dem
Zaun gewesen, um seinen Kollegen Caifano nicht in die Geschichte hineinzuziehen ("Fat" Leonard
Caifano war bis zu seiner Ermordung 1951 einer der engsten Unterbosse von Giancana). Der
gehörlose Ed Hoffman beobachtet den Schützen hinter dem Zaun, der das Gewehr nach dem Schuss
einem Mann in Bahnarbeiterkleidung gibt, der er auseinander nimmt, in einem Aktenkoffer verstaut
und damit Richtung Bahngelände verschwindet.
Seite [267]
Laut William Blanton Acker befindet sich Gerry Hemmings Mitarbeiter Roy Hargraves ebenfalls auf
dem Grashügel. Hargraves hat mehrere Gewehre mit Teleskop, Handgranaten und Dynamit in
seinem Zimmer und ist im Besitz von Secret Service-Ausweispapieren. Die falschen Ausweise des
Secret Service stammen von Sydney Gottlieb von der CIA. Hargraves hält Kennedy persönlich für den
Tod einiger Freunde bei der Schweinebuchtoperation verantwortlich.
Nach der Ermordung von Chuck Nicoletti am 29.3.77 wird Files gekidnappt und in einem Lagerhaus
gefoltert, damit er ein von Nicoletti kurz zuvor erhaltenes Pack mit Informationen über das JFKAttentat (ein Tagebuch, eine Strassenkarte der Dealey Plaza und verschiedene Secret ServiceIdentitätskarten) herausgibt. Nachdem Files knapp überlebt, zerstört er die Unterlagen über das JFKAttentat, abgesehen von Nicolettis Tagebuch mit seinen Mordtaten.
Die CIA, für die Files von 1961 bis 1979 arbeitet, zerstört alle seine Geburts-, Schul- und
Dienstdokumente. 1979 wird Files wegen Autodiebstahl verurteilt und 1988 wieder frei gelassen.
Danach werden von der Domestic Operations Division der CIA mehrere Attentatsversuche gegen
Files unternommen, weil er geheimes Material kopierte oder zu viel wusste über die Bush-ClintonDrogenoperationen in Mena, weshalb er als Gefahr für die Nationale Sicherheit betrachtet wird.
1989 wird sein Auto von Detektiven durchlöchert, danach wird er auf dem Motorrad angefahren, und
am 7.5.91 schiessen die Polizisten David Ostertag und Gary Bitler auf Files und seinen Partner David
Morley. Da Morley zurückschiesst und Ostertag verletzt, werden sie wegen versuchtem Mord an zwei
Polizisten in Illinois zu je 15 Jahren Haft verurteilt.
Joe West, der die Untersuchung über Files leitete, wird nach einer erfolgreichen Herzoperation mit
falschen Medikamenten umgebracht. Wests Ermordung veranlassen Files zu seinem Geständnis.
Danach laufen verschiedene Desinformations- und Verleumdungskampagnen, um Files zu
diskreditieren. Das Video von Robert G. Vernon mit Files Geständnis vom 22.3.94 wird
verschiedentlich verändert, und Files Anwalt Julius Echeles, der für die Mafia arbeitet, setzt Gerüchte
und Falschinformationen in Umlauf. Nach einer Intervention der CIA wird 1995 eine geplante
Ausstrahlung der NBC von Files Geständnis verhindert.
Robert "Tosh" Plumlee ist seit 1954 im Militärgeheimdienst der 4. Armee in Fort Bliss, Texas. 1962
und 1963 ist er Teil der ‚Covert Action Group' der CIA als Undercoverpilot der TASK FORCE W.
Section- C-7, die von der JM/WAVE-Station in Miami aus gegen Kuba operiert. Am 21.11.63 flogen
Emanuel Rojas und Plumlee Johnny Roselli mit Kubanern und anderen Mafiosi nach Houston, von wo
sie am nächsten Morgen nach Garland bei Dallas aufbrachen und dann zum Redbird Airport
weiterflogen. Die detaillierten Instruktionen für die Gruppe gaben die CIA-Leute Robert Benete und
Rex Beardsley. Plumlee und sein Freund Sergio verfolgen die Ermordung Kennedys und werden dann
von der Südseite der Unterführung an den Flughafen zurückgefahren, wo sie um 2 Uhr starten. Am
25.11. findet ein post-mission debriefing statt, an dem Beardsley, Benete und Tracy Barnes
anwesend sind und Sergio kritisiert wird, weil er Plumlee als Zuschauer mitgenommen hat. Ein
Report des Treffens geht an die JM/WAVE-Zentrale in Miami.
In Reagan's Krieg gegen die Drogen gehört Plumlee zur 'America-Mexico Special Operations Group'
und sorgt für den Nachschub der Contras. Als Kontraktagent der Operation 40 arbeitet er unter
anderem mit Tracy Barnes, Bill Harvey, Frank Bender und John Martino.
Der Schütze am vermuteten Platz von Oswald im TSBD ist laut Giancana Richard Cain. 5 Zeugen
beobachten den Schützen mit einem hellen Leibchen, während Oswald ein braunes T-Shirt trägt.
Angeblich befindet sich der ebenfalls bewaffnete Felix Anthony Alderisio alias Milwaukee Phil im
Texas School Book Depository als Hintermann.
Seite [268]
Laut Hemming sind auch E. Howard Hunt und David Lemar Christ im TSBD. Nach seiner Freilassung
am 23.4.63 wurde Christ in das Office of Research and Development des Science and Technology
Directorate der CIA transferiert, aber unter falscher Identität. Hunt und Christ unterbrechen den
Strom im Gebäude, wodurch der Lift im sechsten Stock blockiert wird und sie vom fünften Stock
durch den Liftschacht und durch einen verdeckten Hinterausgang zu den Geleisen fliehen können.
Christian David (WI/ROGUE) behauptet 1988, er habe von Guerini, dem Boss der Marseiller Mafia,
den Kennedy-Kontrakt bekommen. Die Schützen seien von der Union Corse angeheuert worden:
Lucien Sarti habe in einer Polizeiuniform hinter dem Zaun des Grashügels geschossen. Sauveur
Pironti und Roger Bocognani hätten von einem nahegelegenen Gebäude, vermutlich vom Dach des
Dallas County Records Building, geschossen. Oswald habe keine Rolle gepielt. Die drei Schützen seien
von Chicago-Mobstern von der mexikanisch-texanischen Grenze nach Dallas gefahren worden,
hätten nach den Attentat zuerst eine Woche an einem sicheren Platz gewartet, bevor sie ausser
Landes geflogen wurden. David wird 1972 in Brasilien verhaftet und nach seiner Auslieferung wegen
Heroinschmuggels zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, aber 1975 nach Frankreich abgeschoben.
Mitbeteiligt von der Korsenmafia könnte auch Michael Victor Mertz (QJ/WIN) sein. Er ist als Jean
Soutre in die USA eingereist und wird nach der Identifikation am 24.11. durch den Immigration and
Naturalization Service nach Mexiko abgeschoben. Am 23.11. fliegen laut FBI "John, Irma und Sara
Mertz" von Houston nach Mexico City. Das FBI untersucht den Fall Soutre nicht, da er in Beziehung
zur CIA steht. Der echte Soutre befindet sich in Europa und behauptet, von Mertz benutzt worden zu
sein. Über den Texaner Thomas Eli Davis III hat Mertz auch Kontakt mit Jack Ruby. Davis und Ruby
waren beide am Waffenschmuggel nach Kuba beteiligt. Zur Zeit der Kennedy-Ermordung ist Davis in
Nordafrika, um Waffengeschäfte für die OAS zu tätigen, wobei er auch den Namen Oswald benutzt.
Davis wohnt in Beaumont zwischen Houston und Dallas, wo Rubys Freund Robert Ray McKeown
Ende August 1963 vermutlich Oswald traf. Im Zusammenhang mit dem Kennedy-Attentat wird Davis
in Marokko verhaftet und dank den Anstrengungen von Mertz freigelassen.
Quellen: Marrs: 30, 80, 202-209, 245, 306f, Groden/ Livingstone: 146c, Griffith (1996): 3, (1998): 3, (2000): 1ff, Anson: 26f, 32f,
Hamelin/ Van Geirt, Weberman (10): 3, 49ff, 64-66, Gerlach: 2, Callahan: 59ff, 130, Davis (1988): 193, 541, Giancana: 339,
Dankbaar.
8.10. Zeugen
In den zwei Minuten nach dem letzten Schuss werden im 5. Stock die Kartonschachteln umgebaut.
Polizist Marrion Baker trifft Lee Harvey Oswald eineinhalb Minuten nach der Schiesserei im 2. Stock
des Schulbuchdepots beim Coca-Cola-Trinken an und entlässt ihn nach einem kurzen Verhör in
Anwesenheit des Depotleiters Roy Truly. Während seiner gesamten Arbeitszeit war Oswald immer im
ersten und zweiten Stock tätig. Laut Warren-Report verlässt Oswald das Gebäude eine Minute später
durch den Haupteingang und fährt mit Bus und Taxi nach Hause. Richard Carr sieht aber zwei
Männer, von denen einer als Oswald identifiziert wird, durch einen Hinterausgang aus dem TSBD
rennen, wo ein Nash-Rambler Stationswagen auf sie wartet, der auf der Houston Street nordwärts
davonbraust. Carr sieht auch den untersetzten Mann, den er im Fenster des 5. Stocks des TSBD vor
der Schiesserei gesehen hat, auf der Commerce Street ostwärts davoneilen, immer wieder
zurückblickend. Carr wird später von FBI-Agenten befragt, die seine Aussagen aber ignorieren, da er
den Mann im Fenster nicht als Oswald identifizierte. Die Agenten empfehlen ihm und seiner Frau,
den Mund zu halten. Nachdem Carr und seine Frau verhaftet werden und ihre Wohnung von 12
Beamten wegen "Diebesgut" durchsucht wird, erhalten sie am Tag nach ihrer Freilassung einen
anonymen Telefonanruf, der sie auffordert, Texas zu verlassen. Obwohl sie nach Montana ziehen,
entdeckt Carr eines Tages Dynamit in seinem Wagen, und einmal wird auf ihn geschossen. Nach
Seite [269]
seiner Aussage im Garrison-Prozess wird er von zwei Männern mit Messern von hinten angegriffen.
Obwohl am Rücken und linken Arm schwer verwundet, gelingt es ihm, einen der Angreifer zu
erschiessen. Es kommt zu keinem Gerichtsprozess deswegen. Der Zeuge James R. Worrell, der Carrs
Aussage bestätigte, kommt am 9.11.66 bei einem Motorradunfall 23jährig ums Leben.
Deputy Sheriff Roger Dean Craig rennt zum Parkplatz hinter dem Zaun, wo eine 30jährige Frau mit
ihrem Wagen davonfahren will, die er verhaftet und dem Kollegen C. L. Lewis übergibt. Dieser
"verliert" die Frau und ihr Auto. Die Polizei gibt, vermutlich wegen dem gesperrten Funksystem, die
blockierten Strassenkreuzungen wieder frei und der Verkehr rollt um 12.40 Uhr wieder über die
Dealey Plaza. Nachdem Craig andere Personen befragt hat, bemerkt er einen weissen Mann, der vom
Hügel Richtung TSBD rennt und in einen hellgrünen Rambler Stationswagen, der von einem
Dunkelhäutigen gefahren wird, einsteigt. Wegen dem Verkehr schafft es Craig nicht, den Wagen zu
stoppen. Craig erzählt dem "Secret Service"-Agenten, den er 1967 als Edgar Eugene Bradley
identifiziert, seine Beobachtungen über die flüchtenden Personen in dem Rambler. Craig sieht den
Ramblerfahrer nachher in Haft bei der Polizei von Dallas. Dieser wird angeblich wegen
Übersetzungsproblemen, aber eigentlich auf Druck von Bernard Barker ohne Aufnahme von Daten
entlassen. Barker ist ebenfalls als "Secret Service"-Agent auf der Dealey Plaza. Helen Forrest
unterstützt Craigs Aussage, und auch Marvin Robinson beobachtete den Rambler. Craig identifiziert
den weissen Mann in Captain Will Fritz Büro als Oswald, der sagt, der Rambler gehöre Ruth Paine, die
man nicht hineinziehen solle. Ruth oder Michael Paine besitzen jedoch nie einen Rambler, wie
Oswald meint. Zumindest scheinen die Paines aber einen solchen Wagen öfters auszuleihen. Da Craig
bei seiner Aussage bleibt, wird er am 4.7.67 von Sheriff Decker entlassen. Will Fritz bestreitet später,
dass Craig am Interview präsent war, obwohl es Fotos gibt, die seine Präsenz belegen. Craig
behauptet später, dass die Warren-Kommission seine Aussagen verändert und dass man versucht
habe, ihn umzubringen. Am 15.5.75 wird er 39jährig erschossen aufgefunden, was als Suizid verbucht
wird. Einen Monat zuvor bestätigt Seymour Weitzman Craigs Zeugenaussage, der "Secret Service"Agent beim Grashügel und im Polizeiquartier sei Bernard Barker gewesen.
Die Warren-Kommission glaubt dem Taxi-Fahrer William Whaley, der ohne Beweise behauptet, er
habe Oswald in seinem Taxi nach Hause gefahren. Whaley stirbt 1965 in einem Autounfall. Die
Geschichte, dass Oswald den Bus, der im Stau stecken bleibt, und dann deshalb ein Taxi nimmt, lenkt
von der Verschwörung ab. Der Rambler, der nach dem Attentat in Mexico auftaucht, wird 1989 mit
einem Touristen-Sticker von 1964 wieder gefunden. Ein gleicher Wagen wurde auch in Miami
beobachtet, und zwar bei einem Stützpunkt "Hernandos Hideaway" der CIA, wo Ermordungspläne
diskutiert wurden. Offenbar handelt es sich um denselben Wagen von George Gordon Wing, den sich
Gerald Patrick Hemming angeblich von Howard K. Davis ausleiht, um mit Richard Whatley und Robert
Willis nach Kalifornien zu fahren, von wo die beiden über Mexiko weiter nach Guatemala ausreisen
wollen. Aufgrund von Waffenbesitz werden die beiden jedoch an der Grenze verhaftet.
Frank Sturgis soll über William Johnson versucht haben, den Piloten und Schmuggler James
Wollweber zu engagieren, um jemanden aus Dallas nach den Bahamas auszufliegen. Gerry Patrick
Hemming behauptet 1978, dass er sich nach dem Attentat mit James Jesus Angleton getroffen habe
und dass Sturgis vom Records Building aus geschossen haben. Am 23.11.63 interviewt FBI-Agent
Robert James Dwyer seinen Informanten Sturgis, ohne dann einen formellen Bericht zu klassifizieren.
Dwyer und Bernard Fensterwald kennen Hemming. Von Fensterwald und Richard Sprague kommt
das Alibi, dass Sturgis und E. Howard Hunt am 22.11. an einem Treffen der Gruppe OPERATION 40
mit Richard Helms, Enrique Williams und Lyman Kirkpatrick in Washington sein sollen. 1978
dementiert die CIA diese Aussage, weil sie die Kooperation von Hunt und Sturgis vor 1971 belegen
würde, was die beiden geleugnet haben. Fensterwald bezahlt Sturgis in Zusammenhang mit
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Watergate $100'000. Unmittelbar nach dem Attentat starten James Buchanan, Frank Sturgis und
John Martino eine Kampagne, die Fidel Castro die Ermordung Kennedys in die Schuhe schiebt.
Polizist Tom Tilson, der frei genommen hat und von Jefferson Davis Tippit ersetzt wird, will seine
Tochter von der Präsidentenparade abholen und hört im Auto von dem Attentat. Beim Triple
Underpass angekommen, beobachtet er einen Mann, der von den Geleisen herunterkommt und in
ein schwarzes Auto steigt, wobei er etwas auf den Hintersitz wirft. Da ihm das verdächtig vorkommt,
verfolgt er den Wagen, bis er die Wagennummer entziffern kann, wobei er den Fahrer als Jack Ruby
erkennt. Obwohl er diese Information sofort weitergibt, werden sie ignoriert.
Während dem Kreuzfeuer befand sich Ruby vor dem TSBD, eine Sonnenbrille tragend. Zur Redaktion
der Dallas Morning News, wo Ruby sich laut der Warren-Kommission aufhält, sind es keine fünf
Minuten zu Fuss. Redaktor Tony Zoppi macht der Polizei gegenüber allerdings widersprüchliche
Aussagen zu Rubys Alibi. Vermutlich benutzt Ruby Zoppis Büro als Zentrale nach Las Vegas, wo er
eine Woche zuvor bei Lewis McWillie und John Roselli war.
Ruby taucht um 13.30 Uhr, als der Tod von JFK öffentlich bekanntgegeben wird, im Parkland Hospital
auf, wo er von Seth Kantor, Roy Stamps und Wilma Tice erkannt wird. Tice wird im Juli 1964 am
Telefon bedroht, sie solle ihren Mund halten, und am nächsten Tag versucht jemand, bei ihr
einzubrechen.
FBI-Agent Warren DeBrueys will sich unmittelbar nach dem Attentat gewaltsam Zugang in den
Operationsraum verschaffen.
Um 13.00 Uhr stellen die 12 behandelnden Ärzte den Tod des Präsidenten fest und führen die erste
Autopsie durch. Nach seiner Beschreibung des Journalisten Roy Stamps fehlte der H