30/1925 - Volkskundemuseum

Transcription

30/1925 - Volkskundemuseum
150.
Wiener Zeitschrift
für Volkskunde.
(V o rm a ls Zeitschrift für österreichische
V olkskunde)
H e ra u s g e g e b e n v om V e r e in für V o l k s k u n d e in W ien
mit U n te rstü tzu n g d e r E m e r g e n c y S o c ie ty for G e r m a n
a n d A ustrian a rt an d Science.
G eleitet von
Prof. Dr. M ichael Haberlandt.
XXX. J a h r g a n g 1925.
3.— 6., (Schluß-) Heft. (A usg egeben A n f a n g N o v e m b e r 1925.)
Mit 9 T e x ta b b ild u n g e n , 8 T afe ln und 1 Karte.
W ien 1925.
Im Selbstverlag des V ereines für V olkskunde.
B u c h d r u c k e r e i H e lio s , W ie n .
Die gesammelten Aufsätze dieses und des ersten Heftes des Jahr­
ganges 1926 erscheinen zugleich als Festschrift für M. Haberlandt.
Inhaltsangabe.
Seite
R. M e r i n g e r : Michael Haberlandt .
. . . , . . . . ", „ . . .
Vorwort . . . > • ■
' • • •
L. R a d e r tn a c h e r Der »Lehrer« des Herondas . . . . . . . i . . .
40
N. Z e g g a : Die Mün‘ze als Schmuck . . . . I ... • ...............
E. S c h n e e w e i s : Primitive "FiscHerhütteh am* Ochridasee . . . .
M. S c h m i d i : Beiträge zur Kenntnis der Trachten von SüdwestBulgarien
.
H. W o p f n e r : Ueber eine alte Form des alpinen Hausbaues
. . .
V. G e r a m b : Die geographische Verbreitung und Dichte der ostalpinen- RauchStUbèn:.L . , . .
. . . . V., . . .i .. . . . ..
.
.
E. O b e r h u m m e r : Volkskundliches aus Schweden . . . . . . .
J. L e i s c h i n g : Das Salzburger Volkskunde-Museum . .*.......... 126
E. F r i e ß : Zwei alte österreichische Gesellschaftsspiele
I
III
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130
Michael H ab erlan d t.
Im Frü hl in g 1881 w a n d e r t e n zwei Stu d en t e n im F es t g e w a n d
z u m Hotel de France auf der Ri ng st r aß e. Michael H ab e rl a nd t und
ich w a r e n es; wir gi ngen G e o r g Bühler zu b egr üße n. Der be­
r ü h m t e Indologe w a r nach Wi en berufen w o r d e n u nd u n te r seiner
F ü h r u n g sollten wir nun die bei Friedrich Müller bego nn en en
S a n s k r i t st u d i e n fortsetzen.
M. H a b er l an d t w u r d e einer der be st e n Schüler Bühlers.
Aber er blieb nicht bei der reinen Philologie stehen, s on de rn er
s tr ebt e inst inkt iv nach dem, w a s hinter d em Wo rt e steht, nach
d e r E r ke nn tni s der Ku ltur ver häl tni s se. Sein von g r o ß er Be ga bun g
u n t e r st ü t z t e s St reben w a r v on Erfolg begleitet. Im J a h r e 1885
er sc hi ene n seine »Indischen Lege nde n« , w or i nn en er Motive aus
der altindischen Dichtung, Sage u n d S p r u c h w e is he i t in g l änzender
d e ut sc he r Dar st ell ung wi eder gab. Das leider viel zu w en i g be­
k a n n t e Büchlein ist eine Perle de r d e u t s c h e n Di cht ung u n d wird
g e w i ß noch seine W ie d e r a u fe r s t e h u n g finden. Im J a h r e 1887
erschien Ha be rl an d t s Buch: »Der altindische Geist«. Aber seine
Studien er st re ck te n sich auch auf die a nd e re n i nd o g e r ma ni sc he n
Sprachen.
M. Ha be rl an dt h a t — wie nicht allzu viele Gelehrte — die
Gabe, zu sehen u nd zu hör en u n d d a s Gel ernt e in glücklichster
F a s s u n g wi ederzugeben. So e n t s t a n d eine Anzahl von Aufsätzen,
die er g e s a m m e l t u n t e r d em bezei chnenden Titel » Cu lt ur im
Alltag« 1900 h e ra us ga b . D aß nach s olc he r Vorbi l dung und Sch u lu ng
H a b e rl a n d t sich mit Erfolg der a llgemei nen E t hn o g r ap hi e z u ­
we n d e n k onnt e, b e we i st sein Buch »Die Völker Eu ro pa s u n d des
Ori ent s« 1920, dem 1923 eine v o l ks k un d li c h e Be tr ac ht un g Os ta sie ns
u n d n e ue rd i ng s eine V o l k s k un d e E u r o p a s (beides in G. B u s c h a n ’s
Vö l ke rku nd e) sich anschließt.
So viel w a r notwendig, u m Ha be r la n dt s wissenschaftliche
E r sc h ei n u ng n ur e i n i g e r m a ß en zu zeichnen.
W a s u n s bei dieser Ge le g e nh e it interessiert, ist ein Be­
sonder es.
II
Ende der Achtziger- u n d Anfang der Ne un z ig er j a hr e regte
sich in Wien de r Sinn für V o l ks ku nd e: Mä n ne r g an z ve rs chie de ner
Le be n ss t el lu n g tr at e n mit v ol ks ku nd li ch e n Arbeiten h er vo r u n d
die Anthr opol ogi sche Gesellschaft w a r für sie der erste S a m m e l ­
platz. Diese Mä n ne r wa r en v o n e i n an d er v ol l st än di g una bh ä n g i g.
Auf ihren eigenen W eg e n wa r en sie zur E r k e nn t n i s von der
Wi ch tig ke it u n d dem We rt e v ol ks ku nd li ch e r Studi en g e k o m m e n .
»Die Zeit w a r erfüllet.« Es w a r aber auch bis dahin gr ot es k:
Ueber die entferntesten pri mi tiven Kulturen k o n n t e m a n sich in
den Wi ener Museen unterrichten, n u r nicht ü b e r das, wie der
B a u e r bei uns w o h nt u nd lebt, d e n k t und fühlt. Volkslied, Vol ks­
sage, Märchen, Vol ks mus ik, da s alles w a r l ä ng st in G na d e n auf­
g e n o m m e n wor den, aber für die Realien, für die materielle Kultur
w a r kein Sinn u n d Ver ständni s vor ha nde n. We nn m a n für die
Not we nd igk ei t eines v ol ks k un d l ic h en M u s e u m s in Wien eintrat,
erhielt m a n zur Antwort, d a ß eine solche S a m m l u n g in die Provinz
gehöre, a be r ni cht in die Ha up ts ta dt!
So s p r ac he n Mä nn e r der Wissenschaft, die we ge n ihrer
L eis tungen mit Recht in h o h e m Ansehen standen.
Heut e ist das anders. Aber d a ß es a n d e rs ist, ist da s Ver­
di e ns t derer, die sich nicht a bs c hr e ck en ließen, weil sie die g r o ß e
B e d e u t u n g der V o lk s k u n d e für alle Kul tur wi s senschaf t e r k a n n t
hatten. M. Habe rl and t g e h ör t zu diesen Pionieren, er schuf die
Zeitschrift für österreichische Volkskunde, er schuf das Mu s e um
für diese. Die Zeitschrift h a t vieles Neue an den T a g g e br ac ht
u n d der Ve rge ss enhe it entri ssen, u n d da s M u s e u m ist einer der
s c h ön st e n Akti vpost en auf d er Liste u ns e r e s Kulturbesitzes.
H a be r la n dt s H au pt s t r e be n gilt s owohl im S a m m e l n wie in
de r bea rb ei t en den Fors ch er t ät i g k e i t der Vol ks kuns t, ln einem
formell und inhaltlich gleich vorzüglichen W e r ke ü b e r ö s t e r ­
reichische V o l k s k u n s t 1 9 1 0— 11 h a t er diese in verglei chender
B e t r a ch t un g d e m Ver s t än dn i ss e er schlossen u nd h a t in drei J a h r e s ­
b än de n (1914— 17) den W e r k e n der V o lk s k u n s t wei tere Fr eu n de
u nd Bearbeiter g e wonnen.
U n i v . - P r o f . Dr . R u d o l f M e r i n g e r
Graz.
V o r w o r t .
Dreißig Bände einer Zeitschrift u n d fünfzehn E r g ä n z u n g s ­
bände als G r u n d s t o c k sachli cher V o l ks k un de in Oesterreich auf­
g e b au t u n d bear beit et zu haben, m a g den Schriftleiter dieser
Zeitschrift, de m u n s e r G r u ß u nd D a n k gilt, w a hr h af t mit G e n u g ­
t u u n g erfüllen. In Kriegs- u n d N a chk ri eg sn ot ist da s An wachs en
des W er k e s l a n g s a m e r g e w o r d e n ; d a ß es n u n m e h r wi eder tr ieb­
kräftig in die Z u ku nf t strebt, bewei se die Festschrift, die Fr eunde
u n d Schüler ihm darbringen.
Die An re gu ng zu ihr ist im Kreise des Vereines von
V. Lebzelter a usg e ga n ge n .
Prof. O b e r h u m m e r u nd Professor
St r zy g ows k i haben die Mi t arbeiter v e r sa m me l t, deren Beiträge
in Bälde geei nt vorliegen werden, w e nn auch die Not der Zeit
v o r e rs t zum fortlaufenden A bd r uc k in der Zeitschrift- zwingt. Es
sind dies E. Frieß, Wien, V. Ge r am b, Graz, J. Leisching, Salzburg,
R. Meringer, Graz, Ë. O b e r h u m m e r , L. Ra de rma cher , R. Schömer,
M. Schmidl, Wien, E. Schneewei s, Belgrad, H. Wopfner, Innsbruck,
N. Zegga, Belgrad u n d der Schr ei ber dieser Zeilen.
Für munifizente Beihilfe zur Er mö g l ic h un g der D r uc kl eg un g
ist wie s tet s Prof. F. Boas und Prof. R. We tt st ei n für die
E m e rg e nc y Society for G e r m a n a n d Aust ri an a rt a nd science in
N ew- Yor k zu d an k en , ferner M. Schmidl, S. Wolf und N. Zegga.
Die Fi r me n Fr e yt a g & Berndt in Wien sowie St r ecker & Sc hr öd e r
in S tu t t g a r t hab e n nicht mi nd er du rc h Beistellung der H a u s t y p e n ­
ka rt e n für V. G e r a m b und A. H a b er l a nd t sich herv o r ge ta n, wie
die a l t b e w äh r te Druckerei Helios im d rei ßi gs t en J a h r b es on d e re s
E n t g e g e n k o m m e n in der E rs te llung des Druckes bewiesen hat.
A. H a b e r l a n d t
als Schriftleiter.
(üormals „Zeitschrift lir österreichische Uoikskunde“ .)
Heransgegeben vom Verein für Volkskunde in Wien
'VIII. Laudongasse 17
m it Unterstützung der Notgem einschaft der deutschen W issenschaft.
Geleitet von Prof. Dr. M. H aberlandt.
30. Jah rgan g 1925.
Heft 1/2.
An unsere p. t. M itglieder und L eser!
Zu Beginn dieses Jah res vollendete der Verein fü r Volkskunde
das dreißigste J a h r seines Bestandes. Neben der Begründung und
Ausgestaltung des Museums fü r Volkskunde war die Herausgabe
unserer Zeitschrift, von der 29 Jahrgän ge liebst 15 Ergänzungs­
bänden abgeschlossen vorliegen, seine fü r den Betrieb der öster­
reichischen Volkskunde grundlegende Leistung. Wir erhoffen fü r
ihre weitere Wirksamkeit treue G efolgschaft unserer bisherigen
Abnehmer und den Zutritt recht vieler neuer Freunde. Als führendes
Organ der Volkskunde in Österreich d a rf unsere Zeitschrift au f
die Unterstützung weitester Kreise der Öffentlichkeit vertrauensvoll
zählen- .
.
P ro f. Dr. M. H aberlandt
„Gesunkenes KuitjÉ’gut“ und Gemeinschaftsgut.
E ine kritische B ctrafnfung von Prof. Dr. M. H a b e r l a n d t .
In seinem Buche »Primitive G em einschaftskultur« (1922) u n d um ­
fassender in seinen »G rundzügen d er d eu tsch en V olkskunde« (1924) h at H ans
N a u m a n n bekanntlich d en V ersuch gem acht, darzulegen, wie alle G egen­
stän d e der V olkskunde en tw ed er »herabgesunkenes K ulturgut« o d er aber das
E rzeugnis prim itiver G em cinschaftskultur seien, und er sieht in dieser k o n se­
q uenten m ethodischen S cheidung die w ichtigste künftige A rbeitsrichtung und
das w ahre A rbeitsziel d er m odernen V olkskunde.
Diese A ufstellungen haben, wie ich sehe, in hohem G rade die A ufm erk­
sam keit der volkskundlichen A rbeiter erreg t und vielfach Zustim m ung g efunden,1)
*) Dr. Fritz B o e h m : Zeitschrift des V ereines für V olkskunde, Berlin,
Jahrg. 1923/24, 1. H eft, S. 65. — V. G e r a m b : Die V olkskunde als W issen­
schaft, Zeitschrift für D eutschkunde, 38. Jahrg., 5. Heft, S. 338 f. — V iertel­
jahrsschrift für G eschichte und L a n d esk u n d e V orarlbergs, VIII. Jahrg., 3—4 H eft
1924, S. 104 (Dr. A. H e 1 b o k). — Schw eizerisches Archiv für V olkskunde, 24,
H eft 3, S. 206 ( E d . H o f f m a n n - K r a y e r ) . — L iteratu rb latt für germ . und
rom . Philologie 1922 (Ed. H o f f m a n n - K r a y c r ) . — O, W einreich, Arch.
f. Reliuionsw.. XXTI. S. 321 ff.
au f der anderen Seite aber auch bereits m ehrfach W iderspruch erfahren
u nd berechtigte B edenken w achgerufen.1) U nd in der T a t en tsp rich t die
übrigens in ihrem K ern keinesw egs neue Problem stellung N aum anns nach
m einer Ü berzeugung in k ein er W eise der tatsächlichen Sachlage bezüglich
d er volkskundlichen G egenstände. Die F rag e nach d er H e rk u n ft und V er­
breitung des gesam ten volkskundlichen Stoffes innerhalb d er G esam theit einer
B evölkerungsm asse ist gewiß eine b elangreiche A ufgabe d er V olkskunde, sie
ist aber nicht ihre w ichtigste und schon g ar nicht etw a ihre einzige, wie N au­
m ann will. D ie E rfassung aller Ä u ßerungen u n d E rsch ein u n g en des V olks­
lebens in ihrer E rscheinungsgänze, in ihrer geographischen V erbreitung, ihrer
geschichtlichen T iefe und in ihren psychologischen W urzeln bleibt wohl nach
wie vor die H auptaufgabe und das eigentliche A rbeitsziel d er w issenschaft­
lichen V olkskunde, und die »neue« F o rd eru n g N aum anns kann im b esten
Falle nur als ein heuristischer W egw eiser bei d er geschichtlichen A nalyse des
volkskundlichen Stoffes gew ertet w erden.
V orw eg aber muß gesagt w erden, d aß die beid en Begriffe d er »primi­
tiven G em einschaftskultur« und des »gesunkenen K ulturgutes« in vieler H in ­
sicht anfechtbar und unhaltbar sind, zumal in ihrer A nw endung auf die V olks­
k unde der m itteleuropäischen B evölkerungen. E s ist eine ganz unzutreffende,
lebens- und volksfrem de A uffassung, in unserem L andvolk sozusagen eine
H erd e, ein »Rudel« g leichorientierter M enschen zu sehen, wo je d e r alles kann
und alle das G leiche leben, tun, fah len u n d d en k en . D em V olke fehlen auch
in jen en Schichten, m it d en en sich die V olkskunde vorzüglich befaßt, die
schaffenden, erfindenden u n d kulturell p ro d u k tiv en Individuen so w enig wie
den höheren Bildungsklassen. Die individualistische K ulturschöpfung ist auch
in je d e r »G em einschaftskultur« am W erk e, nur ist sie h ier fast gänzlich in
den Schleier der A nonym ität gehüllt. An d e r gem einsam en V olkskultur, in
w elcher übrigens ja auch das höhere K ulturgut ursprünglich seine W urzeln
h at und aus w elcher es durch individualistische L eistu n g en em porsteigt,
arbeiten alle im V olke je nach V erm ögen u n d Anlaß, je nach P ersönlichkeit
u nd Einfluß mit. D ie schöpferischen A kte u n d N euerungen im A rbeitsleben
des Volkes, die E rfinder u n d E n td ec k er im landw irtschaftlichen u n d H a n d ­
w erkerberuf, auch w er im m er n eu e F o rm en in Brauchtum , G eselligkeit, in
T anz oder Spiel erso n n en u n d aufgebracht h a t — sie bleiben fast im m er
anonym und tre te n aus der M asse der aufnehm enden un p ro d u ktiv en V olks­
genossen nirgends sichtbar hervor. N ur im G ebiete d er geistigen V olksgüter,
in d er V olkskunst, d er V olkspoesie tritt individualistisches W irk en erk en n b ar
hervor, u n d es ist da eine d er reizvollsten A ufgaben der V olkskunde, in je d e r
S phäre der V olkskultur au f das A uftreten solcher im V olke m it N am en b e ­
k an n ter schöpferischer Individuen zu achten. (Siehe m eine Ö sterr. V olkskunst,
T extb., S. 5, ferner J. Blau, B öhm erw äldler H ausindustrie und V olkskunst, I,
S. 243 ff.) Schon d er U m stand, daß so viele u n se rer produktiven K öpfe (man
J) E ugen F e h r l e : Badische V olkskunde, I. Teil, S. 72 ff. — D erselbe
in : Mein H eim atland, II, H eft 2, S. 44. — Dr. F ried rich L ü e r s : H efte fürbayrische V olkskunde, X, S. 49. — T h eo d o r S i e b s : M itteilungen d er
Schlesischen G esellschaft für V olkskunde, X X III, S. 120 f. — K. R e u s c h e l :
D eutsche V olkskunde, II, S. 6 ff. — K. S p i e ß : Mitt. d e r A nthrop. G esell­
schaft in W ien. LIV. Bd., S. 203.
3
d en k e zum Beispiel an P. R osegger, F r. D efregger, L enbach, Segantini u. v. a.)
aus dem Schosse des V olkes hervorgehen, sp rich t gegen die lebensfrem de
Auffassung einer niederen G em einschafts- u n d einer h öheren individualistischen
K ultur. Sind die L eben sfo rm en u n d -G ew ohnheiten des G roßstädters in Bezug
auf T racht, W ohnung, E ßsitten, L ek tü re , K unstgenuß d enn m inder uniform ,
als die entsp rech en d e L ebensführung d er eigentlichen V olkskreise?
Nicht m inder unrichtig erfaßt o d e r doch zum m indesten sehr revisions­
bedürftig ist der Begriff des »gesunkenen K ulturgutes«, den N aum ann zum
A ngelpunkt der volkskundlichen F o rsch u n g m achen m öchte. Die R ichtlinien
solcher m ethodischen S cheidung sind ja längst, wie T h eo d o r S iebs mit R echt
b em erk t hat, jedem volkskundlichen F o rsch e r geläufig, aber d en richtigen
V olkskundler beschäftigte und in teressierte in jed em Falle ü bernom m enen
K ulturgutes nicht nur die kulturgeschichtliche T atsach e, so ndern vor allem die
volksm äßige A rt und W eise d er Ü bernahm e. Ich habe bereits in m einer E in­
führung in die V olkskunde S eite 16 d arau f verw iesen, wie sehr wir es im
Auge zu behalten haben, daß auch alles »gesunkene K ulturgut« n icht etw a
einen unorganischen F rem dling in der bäuerlichen S p h äre darstellt, so n d ern
durchaus in ihrem S inne zurecht gem ach t und in die allgem eine H arm onie
dieser in sich geschlossenen W elt aufgenom m en ist. E ben desw egen ist auch
die Bezeichnung, als » s i n k e « K ulturgut, w enn es in die ländliche Sphäre
gelangt, als unzutreffend zurückzuw eisen. M eist h a n d elt es sich ja nicht um
aus d er S ta d t ins V olk verpflanztes Gut, sondern um in ländlichen K reisen zäher
bew ahrtes, a l l g e m e i n e s k u l t u r e l l e s A l t g u t , wie denn die bew ahrende
konservative u n tere V olkschicht vielfach G eisteszüge, L ebensform en, A rbeits­
m ethoden und V orstellungen so n st längst üb erw u n d en er Bildungs- und G e­
schichtsstufen anachronistisch u n ter sich am L eb en u n d in K raft erhalten hat.
Es ist eine lo h n en d e und dringend«! A ufgabe, das V erhältnis von S tadt- und
L andkultur in allen ihren E inzelheiten einm al system atisch darzustellen, w obei
sich ergeben wird, daß ihr G egensatz sich von n ich t gar langer Zeit h er­
schreibt und in vielen S tücken n ic h t besteht, w obei auch die E inw anderung
und der Zug vom L ande h e r in m anchen B elangen zutage kom m en würde.
U nglücklich gew ählt und begrifflich u n h altb ar ist das Schlagw ort »gesunkenes
K ulturgut« auch aus dem d o p p elten G runde, weil es das W esen d er b äu er­
lichen (volkstüm lichen) G esittu n g negiert, als w äre dieselbe nicht auch eine
Form der K ultur, und weil d er h e rab setzen d e Begriff des »H erabsinkens« in
eine m indere S phäre sich unw illkürlich dam it v erb in d et — und zwar völlig
zu U nrecht. D as aus einem K unstlied um geschaffene V olkslied ste h t oft höher
als dies, die V olkstracht ist m eist ein viel köstlicheres L ebenszeugnis, als das
städtische M odekleid, aus dem es sich das V olk vor Z eiten umgeschaffen hat.
Z usam m enfassend kann gesagt w erd en : E s ist selbstverständlich und j
geschieht ja allgem ein und seit län g ster Zeit, daß d er volkskundliche Stoff;
einer kulturgeschichtlichen A nalyse in Bezug a u f sein e historische H erkunft '
unterw orfen w erde; ab er die eigentliche A ufgabe d e r V olkskunde b e ste h t
nun darin, das spezifisch V olksm äßige alles V olksgutes, w oher es auch stam m en
mag, zu erfassen und daraus im gro ß en Z usam m enklang der volksm äßigen j
L ebensäußerungen ein A bbild der V olksseele zu gew innen.
j
4
Von der bairisch-österreichischen Mundart.
V on J o s e f
Schatz.
D ie folgenden D arlegungen bew egen sich auf dem selben G ebiete wie
d er V ortrag über tirolische M undart, den ich am 27. Juli 1923 beim H eim at­
schutztag in Innsbruck gehalten habe. Es sollen w ichtigere E rscheinungen und
K ennzeichen der M undart h ervorgehoben u n d durch die H eranziehung von
E igennam en anschaulich gem acht w erden.
Die L iteratu r ü b er die deutschen M undarten, also auch ü b er die des
bairischen Stam m es findet m an vollständig in dem Buche von F. Mentz,
Bibliographie der deutschen M undartenforschung (bis 1889), Leipzig 1892,
für 1890—1903 in d er Zeitschrift D eutsche M undarten, herausgegeben von
J. Nagl, W ien 1895 f., Band 1 u n d 2, H eft 1 (m ehr ist n icht erschienen),
für 1904 im Jahresbericht ü b er germ anische Philologie, Band 26 (der übrigens
für jedes Jahr N euerscheinungen verzeichnet), für 1905 - 1920 in d e r Zeitschrift
für d eutsche M undarten, Jahrgang 1910, 15, 16, 18, 20, 22.
F ü r die bairisch-österreichische M undart seien einige in B etracht k o m ­
m ende A rbeiten herausgehoben:
J. A. Schm eller, Die M undarten Bayerns. M ünchen 1821.
J. A. Schm eller, Bayerisches W örterb u ch , M ünchen 1827—37, 2. A uflage von
From m ann. München 1872—77.
H. G radl, Die M undarten W estböhm ens. M ünchen 1895 (aus d er Zeitschrift
Bayerns M undarten 1, 2. M ünchen 1892—95).
J.N . Schwäbl, Die altbayerische M undart (R ottal in N iederbayern). M ünchen 1903.
J. Nagl, G ram m atische Analyse des niederösterreichischen D ialekts (N eun­
kirchen). W ien 1886.
A. Pfalz, Die M undart des M archfeldes. W ien 1913 (aus den Sitzungsberichten
der W iener A kadem ie, 170, 6).
L. A. Biro, L au tlehre der heanzischen M undart von N eck eh m ark t (Burgen­
land). Leipzig 1911.
U nger-K hull, S teirischer W ortschatz. Graz 1903.
M. L exer, K ärntisches W örterbuch. Leipzig 1862.
P. Lessiak, D ie M undart von Pernegg in K ärn ten in den B eiträgen zur G e­
schichte der deutschen S prache und L iteratu r, Band 28. Plalle 1903.
P. L essiak, Die M undarten K ärntens. K lagenfurt 1911 (Carinthia).
P. L essiak, D ie kärntnischen Stationsnam en. Mit einer ausführlichen Einleitung
über die kärntnische O rtsnam enbildung. K lagenfurt 1922 (Carinthia).
H. T schinkel, G ram m atik d e r G ottscheer Mundart. H alle 1908.
J. Schatz, Die M undart von Im st (Tirol). S traß b u rg 1897.
J. Schatz, D ie tirolische M undart. In nsbruck 1903 (Zeitschrift des F e rd in a n ­
deum s 1903).
A. Egger, D ie Silltaler M undart. In nsbruck 1909 (Jahresbericht d er R ealschule).
J. Bacher, Die Sprachinsel L usern. In nsbruck 1905.
M undartliche P ro b en aus dem Phonogram m -A rchiv d er W ien e r A kadem ie
h at J. Seem üller in den W iener S itzungsberichten seit 1908 h erausgegeben,
im S onderabdruck als D eutsche M undarten, H eft 1—5. F o lg en d e O rte sind
vertreten : W estböhm en, E isendorf, H eft 1,4, L ichtenstein 5, 36, S chöntal 5, 28
■
— Südm äbren, W altrow itz 3 ,3 8 — O berösterreich, G rießkirchen 3,21, Pilgers-
ham 2, 13, St. G eorgen 2, 8 — N iederösterreich, A lhartsberg B, 22, Bock­
fließ 3, 17, D eutsch-W agram 4, 3, D obersberg B, 64, L o o sd o rf 1, 6 — Burgen­
land, O berschiitzen 3, 38, N eckenm arkt .5, 49 — K ärnten, Bierbaum 3, 12 —
Krain, G ottschee 2, 25 — T irol, Im st 3, 3 — M eran 3, 7, Sieben G em einden 5, 59.
B eiträge zur K unde d e r bairisch-österreichischen M undarten, 1. H eft
von A. Pfalz, 2. H eft von W . S teinhäuser, W ien 1919, 1922.
Im März 192B w urde das 2. H e ft d es 1. Jahrganges d er Zeitschrift
T euthonista (Bonn und Leipzig, V erlag K u rt Schröder) als österreichisches
S onderheft h erausgeg eb en , es en th ält drei w ichtige A ufsätze:
H. W eigl, Die nied erö sterreich isch e ui-M undart.
A. H aasbauer, D ie ob erösterreichischen M undarten.
J. Mindl, D er K onjunktiv in der M undart des o b e re n L andls (der südw est­
liche Teil des H ausruckviertels in O berösterreich).
B airisch-österreichisch n e n n t m an die M undart im S üdosten des deutschen
S prachgebietes, sow eit sie m it dem germ anischen Stam m e d er Baiern. zu­
sam m engebracht wird. Die kurze Bezeichnung bairische M undart ginge ja fürs
Auge, sie u n terscheid et sich aber für die A ussprache, also fürs O hr nicht von
bayerisch, das doch mit seinem y die Zugehörigkeit zum S taate Bayern au s­
drückt In Bayern sind aber n u r O ber- u n d N iederbayern und die O berpfalz
altes bairisches S tam m gebiet; links vom L ech w ird schw äbisch und links der
beiläufigen Linie E ich städ t—N ü rn b erg —F ichtelgebirge wird ostfränkisch g e­
sprochen. D as größere G ebiet h at die bairische M undart aber außerhalb
Bayerns, sie lebt im Böhm erw ald u n d E gerland, in Ö sterreich (m it A usnahm e
V orarlbergs und des tirolischen S treifens A ußerfern, Tannheim , R eutte,
L eennoos) sam t dem B urgenland^ in dem zu Italien geschlagenen S üdtirol
sowie in Sprachinseln au f rom anischem u n d slow enischem Boden. Sechs
S taaten g eb ild e teilen sich seit 1918 in die bairische M undart, und da w äre es
wohl am Platze, w enn man für sie eiuen einheitlichen N am en h ätte; zw eck­
dienlich w äre die B ezeichnung baw arisch, zumal sie auch ein G egenstück zu
alem annisch ist. Beide A usdrücke sind d er M undart fremd u n d gelehrten
U rsprunges. B avaria als N am e des L an d es w urde aus dem latinisierten V olks­
nam en Bavarii entnom m en, d er au f Baija-varii b eru h t und die M änner (ger­
m anisch w arja = Mann) aus dem B oienlande bezeichnet, das ist Boiohaim,
aus dem Baihaim und im 8. Jah rh u n d ert Beheim, sp ä te r Böhmen w urde Die
M arkom annen hab en das von den keltischen Boien verlassene L an d besetzt
und sind dann nach dem n euen Sitz b e n a n n t w orden. Vergl. R. Much im
R eallexikon der germ anischen A ltertu m sk u n d e 1, 156. Die viel gebrauchten
A usdrücke B ajuw aren, und bajuw arisch sind sprachlich nicht einw andfrei, sie
w erden sich aber nicht leicht beseitigen lassen.
Die bairische M undart g eh ö rt zum H o ch d eu tsch en u n d h a t d en vollen
Anteil an der hochdeutschen L autverschiebung, die im allgem einen vor dem
8. Jah rh u n d ert eingetreten ist; als o b erd eu tsch e M undart hat sie gem einsam
m it dem A lem annischen die V erschiebung des g erm anisehen p- zu pf- durch­
geführt, 1. im A nlaut, 2. im Inlaut, w enn es im U rd eu tsch en ged eh n t war, -pp-,
3. nach m. Die schriftdeutschen Beispiele Pfad, Pfeil, Pfund, Gipfel, schöpfen,
stupfen, Napf, Kopf, schim pfen, stam pfen, däm pfen, D ampf, Sum pf h ab en
auch in der bairischen M undart überall p f; in jü n g ere r Entw icklung k o n n te
daraus b f w erden, zum Beispiel an d e r D onau anlautend bfiffi pfiffig, im A us­
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laut köbf Kopf, oder f nach m d o m f D am pf (aber dampfi). Mit dieser V er­
tretu n g des germ anischen p durch die Affrikata (V erschlußlaut u n d R eibe­
laut) p f h e b t sich das Bairische vom O stm itteldeutschen ab, das -pp- u n d -mp
nicht verschoben h a t (Appel, Sutnp = Apfel, S um pf). B airischem S chöpf
(Fam iliennam e), Schupfe, Tum p f (tiefe S telle im W asser) en tsp ric h t m ittel­
deutsch Schöppe, S chuppen, T um p (Tüm pel, altbairisch tumpfilo).
Die G renzlinie dieser w ichtigen V ertretu n g d es germ anischen p als p f
im B airischen,' als p im O stm itteldeutschen verläuft an d e r E g er zw ischen
E llbogen u n d K arlsbad, südlich zw ischen T epl u n d N etschetin.
In gleicher Art, wie das alte p zu pf, k o n n te durch die hochdeutsche
L autverschiebung k zur Affrikata lcch w erden. D iese ist ab e r n u r im S üden
des oberdeutschen S p rachgebietes vorhanden, im S üdstreifen des E lsaß,
Badens, Bayerns, in der Schweiz (hier m eist R eibelaut ch), V orarlberg, Tiro!,
K ärn ten , S teierm ark, im südlichen Salzburg und wohl auch im südlichsten
O berösterreich. S ta tt d er Affrikata kch stellt m an vielfach , auch das leichtere
G ebilde d er A spirata kh fest (V erschlußlaut k, H auchlaut h). W o k im A nlaut
vor V okalen steht, ist allgem ein k ch oder k h vorhanden, k h auch im n ö rd ­
lichen O berdeutsch und im M itteldeutschen (mit A usnahm e eines thüringischsächsischen G ebietes, das g- spricht, gind, gönig, gopf), K ind, K ern, Kalb,
Kopf, Kuh, in T irol zum Beispiel K chind, Kchopf. W en n das an lau ten d e k
vor K onsonanten steht, ist im südlichen O berdeutsch kch o d e r kh, im n ö rd ­
lichen O berdeutsch wie im M itteldeutschen reiner V erschlußlaut vorhanden,
für den m eistens g g esprochen wird, gle, gröpf, gneclit für K lee, Kropf,
K necht, südbairisch Kclilea, K chropf, K chnecht. D as b ietet die E rklärung dafür,
daß in N iederösterreich zum Beispiel geschrieben w ird K ro tte n d o rf (K röte in
d er M undart mit o) und G rottendorf, K roisbach (alt K reos = K rebs) und
G roisbach, für älteres C hlaw bendorf h eu te G laubendorf, für heutiges K rä u te r­
bach, K reisberg, K reuzenstein früher G reidersbach, G reulsberg, G reizen stein ,
o d er der Zunam e G ravogel für südbairisches K ravogel (zu krähen).
Im Inlaute ergab das nach V okalen steh en d e k den R eib elau t ch,
m achen, reich, das verstärk te -kk- ab er im südlichen O b erdeutsch kch o d er kh
w ie im A nlaut, im nördlichen O b erd eu tsch , bei uns im M ittel- u n d N ord­
bairisch den reinen V erschlußlaut k ( = gg), also w ekchn, hâkche, zukehn
gegenüber w eggn, hagge, zuggn, w ecken, H acke, zucken. E s g eh ö ren zum
Beispiel zusam m en wach u n d w ecken, vor d er hochdeutschen L autverschiebung
w ak und w akkjan, so verhalten sich Dach u n d deck en , b rech en und b rocken
(pflücken), L och und L ücke, m undartlich bächn u n d b ek Bäcker, bâch Bach
und die A bleitung -böck, d er sein A nw esen am Bache h at, G aisböck, d er am
G aißbache sitzt, vergleiche K altenböck, K ienböck, L au terb ö ck , S teinböck,
W iesböck und an d ere ; diese alte W o rtb ild u n g zu -buch w ar im M ittelbairischen
v erb reitet, vielen G egenden fehlt sie völlig. In T irol h e iß t m an die B ew ohner
von Jenbach, A lpach ( = Alb-bach) die ien p ö k h er, âlpökcher. E in L ehrgedicht
des 13. Jahrhundertes h a t einen W in sb ek e zum V erfasser, d er N ame stam m t
von einem O rt W insbach, b e d eu te t also W insbacher. Auch für altes n k gilt
im Südbairischen nkch o d er nkh, nördlich nk = ngg, denk en , sin k en , ge­
sunken, W inkel, Fink, Bank, T ru n k (fing, häng, trüng). A us dem U rdeutschen
hab en wir auch den L au t ~gg- ererbt, d er überall als rein er V erschlußlaut
vorliegt, also im Sitdbairischen egg È cke, bruggn Brücke, muggn M ücke; es
sind da scharf unterschieden w eggn B rotw ecken und w ekchen w ecken, ruggn
R ücken und rukch en rücken, im N o rdbairischen sind die alten -klc- und -ggeinheitlich durch -gg- vertreten. U nsere S chriftsprache h at im allgem einen
beide L au te als ck, einzelne F älle h a b e n gg, Egge, R oggen. N am en h aben
bei uns öfters die gg-Schreibung, zum Beispiel Egg, E ggen-berg, -bürg, -dorf,
-tal, E ggern, E gger, Brugg, Brüggen, B rugger, F ugger, G iggelberg, Gigging,
G uggenberg, Müggendorf, Luggau, in T irol R anggen, Zinggen, Plangger,
H aggen m it altem langen a ( = H aken), Saggen, L agger, T agger, R ogger,
L augges (entspricht dem N am en Lukas), E g g ert; vergleiche dazu Schreibungen
nach schriftsprachlicher A rt, L andeck, Bruck, M uckendorf, P lankensteiner,
E ckert. A ber niederösterreichisch A uggental, tirolisch A uckental h a t altes -kk-,
ukka K röte. N eben dem Fam iliennam en Flickschuh gibt es Fliegenschuh, das
g eh t auf die nordbairische A ussprache v on F lick-en-schuh (fiiggenschuh) zurück
und w urde ohne Ü berlegung mit F liegen- verdeutlicht.
Der ins H ochdeutsche gekom m ene schw ach gebildete L ippenlaut b ist
im A ltbairischen vom 8. bis ins 11. Jah rh u n d e rt hinein regelm äßig m it p g e ­
schrieben und er ist wirklich zu einem sta rk gebildeten V erschlußlaut ge­
w orden. Im A nlaut h at das S tidbairische n o c h jetz t p-, fürs Mittel- und N ord­
bairische wird b festgestellt. Es ist wichtig, daß im Bairischen im A nlaut n u r
ein einziger L ippenverschlußlaut vorkom m t, nicht p u n d b n eb en ein and er
wie in der S chriftsprache (Bein und Pein, B latt u n d p la tt); im In- u n d Aus­
laut ist im allgem einen seit dem 11. Jah rh u n d ert ein leichter L au t eingetreten,
-w- oder -b. Das aniautende p- b ew ahrt n och die S chreibung vieler N am en:
Pacher, P e e r (Bär), Penz, Pichler, Pircher, Pock, P ran tn cr, Prey (Bräu-er),
Passau, P ayerbach (von Baier), P eu erb ach .(vergl. M ichelbeuern aus -büren,
-burjom zu b ü ija W ohnhaus), P in sd o rf u n d Pinzgau (Binse), Piberbach, Pichl,
Polling, Poigen (vergl. P ersenbeug, alt biugo), Puch, Purgstall, Plaik, Pram b öck (und Bramböck, B rom beere), P rem stetten (zu Bremse), Prandegg,
P rantach. Im Inlaut k o n n te -p- durch einen angeglichenen G eräuschlaut ge­
halten w erden, L eopold (alt Liutpald), D iepoltsdorf-D ietpakl, R uprechtR u odprecht, G um pold-G undpald, H arp rech t-H artp rech t, L am p re ch t-L an tp rech t
dagegen E ngelbrecht, A lbrecht mit b, weil 1 v orausgeht. N eben W im passing
kom m t W indpassing vor, W ind u n d b o ß = Stoß, dagegen das m undartliche
w für b in K niew as (O berösterreich) o d e r in d er älteren Schreibung Khüewach
für K ühbach (N iederösterreichische W eistü m er 2, 795), D ieses w d eck t sich
m it dem alten inlautenden w, für das m anchm al b ersch ein t (wie in F arbe,
gärben, falb( gelb), S eeb en (alt sew nn bei den Seen), Seebenstein, Seeber,
L eb arn (alt lèw irnn bei den H ügeln), W eibern (alt wiwarun bei den W eihern),
Sinabel (Bergnam e, alt sinew el rund), H ilb er (zu hülw e Pfütze), K ran eb itten
(K ro n aw itten ,; alt witu Holz). A ltes b ist nach m in d e r Schriftsprache nicht
m ehr vorhanden, im Bairischen aber vielerorts als p erhalten, L am pl, Kamp],
K rum pental. Nach 1 steht p in steirisch Alpl, ab er in R axalpe, K oralpe liegt
die schriftdeutsche F o rm v o r; die bairisch e M undart h at alb, äibe, âlbm und
älm, dies, w enn ' di e w eiblichen H au p tw ö rter auf -n ausgehen (Kirchn, Stiegn,
im größten Teil Tirols, in K ärnten und S teierm ark ist das nicht d er Fall, so
daß also die viel gebrauchte F orm Alm n u r einem besch rän k ten G ebiet zu­
kom m t). Inlautendes -pp- ist erhalten (knapp, tap p en , schnappen, K rippe,
R ippe, K luppe), aus -tp- angeglichen in R appold, vergl. R u p p rech t, L am precht,
aus -tw- in w esltirolisch w ippe W itw e (w ipper W itwer), vereinzelt ist G ippel
(Berg bei Maria Zell, Giebel), vergl. rippeln u n d ribeln.
F ü r g h at das Bairische den leicht gebildeten V erschlußlaut, das N ordbairische h at für g nach V okalen zum T eil auch den R eibelaut ch, lächafr)
L ager, i lichad ich läge (ligete), w ech W eg.
Die im Inlaut aus germ anischem p, t, k en tsta n d e n e n R eibelaute, o pan
offen, etan essen, m akon m achen, sind so gesprochen w orden, daß die Silben­
grenze, die vor dem p, t, k w ar, innerhalb des R eibelautes zur G eltung kam ;
die Schreibung bringt diese D ruckgrenze ( ><) durch die V erd o p p elu n g ff, ss
zum A usdruck. D as stark e -ff-, -ss-, -ch- bew irkte im g rö ß te n Teile des
Bairischen, daß vorausgehende lange V okale u n d D iphthonge gekürzt w urden.
Man beachte die m undartliche A ussprache von schlafen, strafen, S trafe, S traße
(altes langes ä); H aufen, laufen, greifen, Seife, rufen, reiß en , außen, schießen,
rußig, heißen, g ro ße, größer, S prache, streichen, rauchen, fluchen, kriechen.
D am it d e c k t sich die F esth altu n g d e r K ürze vor m ehrfacher K onsonanz im
alten Inlaut, schöpfen, lüften, sitzen, m isten, w ecken, richten, Köpfe, R ippe,
K atze, Stricke, N ächte, en tsp rech en d d er K urzdiphthong in Schleipfe (schloapf-),
heizen, leisten, leuchten. D iese K urzdiphthonge sind im N ordbairischen schärfer
ausgeprägt als im Siidbairischen, das hier ursprüngliche V erhältnisse gew ahrt
hat. In O sttirol und K ärn ten ist ab er eine en tg eg en g esetzte E ntw icklung zu
b eo b ach ten , ff, ss, ch sind geschw ächt u n d d e r V okal davor g ed eh n t w orden.
(Fälle wie offen, schaffen, essen, w issen, m achen, sicher h aben langen
V okal und leichtes f, s w ie Ofen, H afen, lesen, W iesen, nahen, V ieher, für
ch ist h eingetreten.)
H ier sei eine zweite, fürs N ordbairische kennzeichnende E rscheinung
erw ähnt, die auch im M itteldeutschen u n d N ordostschw äbischen vorhanden
ist, die D ehnung kurzer V okale in W ö rtern , die schon im A lthochdeutschen
einsilbig w aren; sie tra t n ich t n ur ein in F ällen von d er A rt T al, T or, lahm,
Hof, G ras, G rab, Rad, Zug, so n d ern auch vor sta rk e r und m ehrfacher K on­
sonanz, Schaff, Biß, Fisch, D ach, L uft, Mist, N acht, Kopf, Satz, Strick, Dampf,
ganz, D ank, scharf, stark, kurz, H olz; die zweite G ruppe h a t im S üdbairischen
fast durchw egs die alte K ürze d es Vokals erhalten. In F lexionsform en und
Bildungen, die nach der stark en K onsonanz noch einen V okal hatten, ist die
K ürze geblieben, also k urzer V okal in d er Mehrzahl, Fische, D ächer, Köpfe,
d ann in lüften, m isten, bissig, hölzern u. s. w.
Die L aute t und d des A lthochdeutschen sind in d e r neuhochdeutschen
Schriftsprache m it bestim m ten A usnahm en erhalten, noch b esser in d e r süd­
bairischen M undart; aber im N ordbairischen sind sie einheitlich d u rch d v e r­
treten, da haben Tag, Teil, tun, tro ck en und D ach, d en k en , D urst, drei den
gleichen Anlaut, ebenso den gleichen In- u n d A uslaut: w eiter, w eit, halten,
W elt und Bruder, Leid, F eld . Die hier vorkom m enden t sind e n tw ed er E n t­
sprechungen alter tt, Bett, W ette, fretten, re tte n , dritte, M itte, H ütte, K lette,
S chm itte = Schm iede, vielleicht auch in d en V ertretu n gen von b reiten , leiten,
läuten, deuten, tö ten , b rü ten , dulden (duitn), o d er sie sind an eine bestim m te,
L autnachbarschaft gebunden (binden, schw inden, zünden, W unde, hantig,
grantig, E iter, L eiter, W inter, E ltern ötan, G arten, w arten, H irte, G urte), nur
vereinzelt steh t solch ein t für ein altes d (m ötn m elden, fintn finden).
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F ü r s ist im Bairischen sch ein g etreten im A nlaut vor K onsonanten,
Schlange, Schm erz, S chnur, schw arz, Stein, spielen (die neuhochdeutsche
Schreibung ist mit st, sp im R ückstand), inlautend vor p ist allgem ein sch,
H aspel, raspeln, K nospe; in lau ten d es st ist als st v ertrete n im g rö ß ten Teile
des B airischen, als seht im w estlichen Südbairisch (Mischt, luschtig). D er
F am iliennam e A spöck k ann als A sch-böck = A schbacher erk lärt w erden, Asch
E schenw ald, vergl. Aschau, A schach, für das in lau ten d e -schb- k o n n te m an sp
schreiben, weil m an schriftsprachliches sp, K nospe, H aspel, m it schp sprach.
D er O rtsnam e A spach ist ein Sam m elnam e asp-ach E spengehölz, vergl. Staudach,
d er Name A schbach kann für A spach stehen, es m üßte für jeden einzelnen
Fall u n tersucht w erden, ob ein Bach g em ein t ist. D er Ü bergang eines G enetiv-s
in sch liegt vor in N am en wie W iesenschw ang = U 'isineswang, H am schw ang,
E berschw ang, Iiörschw ang.
1 ist im Südbairischen erhalten, im N ordbairischen gilt, wie es scheint,
allgemein, daß 1 nur im W ort- u n d S ilbenanlaut vor V okalen als 1 steht, lab
Laub, ölend Eilend, hondla H ändler, fern er w enn es S ilbenträger ist, 1, gsindl Ge­
sindel, en g l E ngel, sichl Sichel, huln h u d eln ; dagegen h at es nach V okalen
eine g eänderte Bildung, w enn es zur selben Silbe gehört. Man findet zum
Beispiel in O ber- und N iederösterreich, daß dieses 1 nach u, o, â als i er­
scheint, nach altem ä als ti u n d m it ö, e, ö, i, ie, ü, tie zu ö, ö, ü verb u n d en
ist, vergl. guin G ulden, schui Schule, goid Gold, w aid W ald, häü häl, glatt
(häli, häle), göd G eld, k ö n K elle, h ö n H ö h le (lioi hohl), hilf Hilfe, kü Kiel,
hüsn H ülse, kti kühl (alt kiiele). Die V erän d eru n g en, w elche 1 in dieser
Stellung erleidet und an dem v o rau sg eh en d en V okal bew irkt, sind nicht
überall gleich; so wird auch d er V okal, d e r für silbisches -1 nach L ippenlauten
steht, verschieden bezeichnet, gipfü, gipfö, gipfl Gipfel, einige G ebiete haben
-1 auch nach G aum enlauten g eän d ert, kuchö für kuchl K üche, engö E n g el und
E nkel (im R ottale in N iederbayern). W idauer, W idm oser, W iem oser e n t­
halten m undartliches w üd wild, Eibl = Albl.
Mit r verhält es sich in en tsp re c h e n d e r W eise: Siidbairisch ist es er­
halten, im N ordbairischen n u r vor V okalen, dagegen ist es vokalisiert, w enn
es nach V okalen stand* u n d m it ihm zur selb en Silbe gehört, ia, ea, oa, ua,
vergl. die Beispiele K irche, Bier, für, fuhren, K erze, F erse, H örnlein, hören,
Bart, H aar, K orb, vor, D urst, F uhre, lee r (la), Bauer, F eu er, dagegen närrisch
(narisch), L ehrer. D er F am iliennam e S ch ad in g er = S chardinger, Schardinger.
Dem en tsp rech en d ist im M ittelbairischen auch die V erkleinerungssilbe -erl
als -al (pl, sl) v orhan d en ; im S iidbairischen g ib t es -erl m it gesprochenem l'
dann, w enn das verkleinernde -1 an S täm m e a u f -er tritt: Peterl, Schwester!,
Käferl, A ckerl, W asserl, F ed eri, F en ster], M esserl, Zuckerl. In d er zwischen
d er Schriftsprache und M undart ste h e n d e n U m gangssprache h ö rt m an im
N ordbairischen auch -erl m it r, B riiderl und m it dem von solchen W örtern
ausgegangenen -erl P epperl, H anneri, B uberl, M äderl, W eiberl, H underl,
K atzerl, V ögerl, Staberl, Stangerl, S teckerl. D as erh alten e r ist Z ungenspitzen-r
o d er Zäpfchen-r. L etzteres ist gebietsw eise n icht m ehr gerollt, es h at sich zum
Beispiel rn im Zillertale (Tirol) zu n entw ickelt, hin H irn, hoan H o rn , dies n ist
jung und h at d en vorausgehenden V okal nicht nasaliert. Man kann den O rts­
nam en H ygna in Tirol bei Rrixlegg versuchsw eise so erklären, daß man
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hina (so w ird gesprochen m it nicht genäseltem i) als aus h ü rn au e n tstan d en
faßt, h ü rn altes hurw in kotig, -au k an n im N ebenton zu -a w erden. Vergl.
H irn reit bei L eogang in Salzburg. In m anchen G ebirgsgegenden ist r v o r t
geändert, m an findet rscht, w irscht (wischt) W irt wie d urscht D urst, andersw o
(zum Beispiel im Zillertale) cht. w icht u n d dilcht, hier ist rs zu ch gew orden,
feache F erse, ucha = ursa Ursula, die T iro ler Fam iliennam en F erstl u n d F ech tl
k ö n n en als m undartliche E n tsp rech u n g en von F e rd l = F e rd in a n d erk lärt w erden.
F ü r d en alten Pinzgauer O rtsnam en F iech t = F ichtenw ald wird h eu te fälschlich
F ü rt geschrieben, vielleicht sind auch die O rtsn am en F lirt in O berösterreich
falsche W iedergaben v o n F iecht, Ficht, rl k an n zu dl w erden, E dlach = Erlach,
E rlengehölz; so w ird die E n tste h u n g der F o rm W einzettel klar, altes aus
rom anischem vinitor en tleh n tes winzuril W inzer w urde ü b er W einzürl zu
W einziedl, W einzettel.
D er L au t j ist im A nlaut erhalten, jung, Joch, Jahr, jäten . Im In lau t ist
altes j längst schon geschw unden, n u r nach r und 1 in k u rzer Silbe k o n n te
es als g erhalten bleiben, Scherge ist d er S charm ann, skarjo, F e rg e d er F ä h r­
m ann, farjo; h eu te Schörg, Schieg, Schiegl u n d Förg, F iegl (w enn Fiegl mit
dem Zwielaut ie gesp ro ch en wird, in Südtirol gibt es d en N am en Figl,
Vigl = Vigilius). Jörg ist aus jo rjo zu erklären, nicht u nm ittelbar aus Georgius.
Gilg, S. G ilgen setzen 'Ä g iliu s für Ägidius voraus, Jiilg u n d 11g k ö n n en au f
Julius b eru h en (juljus), Kilga = Kilian. Die N am en Tangl, schw äbisch D eugl,
d a rf m an als U m form ung von D aniel hinstellen, D anjel, die A bleitung von
A ntonius ist schw erer zu rechtfertigen.
E ine wichtige E igenheit d er bairischen M undart ist die g em ein sam e
W andlung des alten a u n d ä zu dem â-L aute, vergl. die A ussprache von N acht,
T ag und blasen, G raf; das b en ach b arte A lem annische und das Schw äbische
h at das kurze a erhalten, das lange ä als â. Man sp richt also im schw äbischen
W inkel N ordw esttirols m it hellem a Nacht, Bach, Glas, H and, im übrigen T irol
wie im G esam tbairischen den ä-L aut; in W ö rtern m it altem langem a in beid en
M undartgebieten â, blasen, Graf, schlafen, H aar, G abe. B airischem â in Gasse,
S traß e entspricht schw äbisch gass(e) und strâss(e), dies hat a (latein. stra ta via
der gepflasterte W eg).
Im 8. Jah rh u n d ert tra t im H o chdeutschen d e r U m laut ein, a und a w urden
durch ein i, j in d er folgenden Silbe zu e, ä; beim k urzen a h a t d er U m läut
zwei E ntsprechungen gegeben, die g ram m atisch g enau g eschieden sind, die
eine ist eng gebildetes e (ö-artig), die an d ere ä u n d in der sp ä te re n Zeit gleich
dem U m laut des ä. Die bairische M undart h a t den ö-artigen U m laut bew ahrt,
vergl. die A ussprache von Ä ste, G äste, Säcke, K älber, G läser, R äder, S täd te,
kräftig, b este, letzte, heben, red en , legen und die dem en tsp rech en d e S chreibung
in N am en, Schöpf, Otz, K ößler, S tö tten , S tö ttn er, H ö rm an n (H erm ann), W ö rn e r
(W ei ner), Schörgendorf, Förg, G inshöring, Schlögel, H öggen (H ecke), W iesb ö ck
(-bacher), Böck (Bäcker). F ü r die zweite E n tsp rechu n g des U m lautes von a
und für die von ä, also für das ä ist im Bairischen d er helle a-L au t vorhanden,
vergl. bairisch Asti, Sackl, Kalbl, Glas], R adi, Stadtl, Mehrzahl die Bach(e),
W eihnacht(en), Gams, K am pl, S chardinger, W ax en stein (w ax scharf) un d für
den U m laut des a Bram berg, B ram böck (bram ja B rom beerstrauch) o d er die
m undartlichen F orm en für spät, leer, zäh, nähen. In dem W o rte K ranew it
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(alt kranaw itn W acholder) wird m eistens U m laut-a gesprochen, es gibt aber
auch G ebiete, die hier den U m laut nicht haben, dem gem äß erscheint der
O rtsnam e K ronaw itten m it o vor n für nicht um gelautetes a und K ranew itten
mit U m laut-a (Fam iliennam en K ro n a w e tte r und K ranew itter). Das A lem annischSchw äbische h at die ä erhalten, Bächle, Gläsle, Städtle, im schw äbischen N ord­
w esttirol B iechelbächle, W ängle, N esselw ängle, L eerm oos (bairisch-tirolisch
Lärm es), den alem annisch-schw äbischen Fam iliennam en G eßler, H äm m erle,
Längle, D rexel entsp rich t bairisch G aßler, H am m erl(e', Langl, D raxel (alt
drähsil D rexler), A braham a S, C lara hieß schwäbisch. Ulrich Megerle, bairisch
ist Magerl(e). In gleicher A rt ist auch der frem de N ame A ndreas v ertreten,
schw äbisch F,ndres, E n tres, E n d er, bairisch A ndres, A ndre, A nder, o d er für
B arbara B ä rb e l— W arbel, für Blasius Bläsi — Blaas. Auch das frem de W ort
die K aser H irten h ü tte h a t im B airischen helles a, im Algäu di k äser; da im
P ustertal di kaso mit kurzem a g esp ro ch en wird, kann dieses W o rt n icht mit
cäseus K äse zusam m engehören. In alem annisch-schw äbisch Seg = Säge liegt
k ein U m laut vor, son d ern altes e, seg a; bairisch säg (S agstetter, Sagham m er)
steh t dazu im A blaut (alt sega u n d saga w ie helfen half). A rzberg, -bach hat
die m undartliche F orm arz Erz (alt aruzi), n eben d e r es erz m it dem engen
U m lautvokal gab; für dieses er- aus ari ko m m t in einem ausgedehnten G ebiete
des Bairischen ir vor, m ittelbairisch ia, vergl. irl (K ärnten), ial E rle, wirt, wiat
W örth (alt w erid Insel), schirg, schiag S cherge; der O rtsnam e W irth in O b er­
österreich k an n also gleich W ö rth sein, Irlach ist Erlach, Erlengehölz, der
Fam iliennam e Schiegl läßt sich als Scherge(l) deuten, ebenso Fiegl als Ferge(l),
w enn ie D iphthong ist. Auch Mirzl = Marie g eh ö rt hieher.
D er i-Um laut h a t auch die o-, u-V okale betroffen und zu ö, ii ge­
w andelt, alt dorfir w urde zu Dörfer, odi zu öde, zugil zu Zügel, niiisi zu miise
Mäuse. Im Bairischen w ird jetzt für ö d e r e-L au t gesprochen, d e r für den
U m laut des a (Bett, legen) und für viele alte e-L aute vorhanden ist: Rößl(ein),
gröber m it dem selben V okal, den K essel, heben (Um laut e) und essen, geben
(altes e) aufw eisen. Die E n tsp rech u n g für ö aus langem c> ist dieselbe wie die
für altes 5, also cd öde wie së S ee (stidbäirisch ead, sea), und das erk lärt die
Schreibung Böheim, B öhm en für altes Beheim. F ü r i.i wird i gesprochen, zigl
Zügel wie rigl Riegel, für ü, d ip hthongiert zu ati, steh t ai, mais Mäuse wie
wais W eise. Die bairischen S prachinseln südlich d er Alpen haben noch ge­
ru n d ete ö-, ti-Bildungen, im gesch lo ssen en M undartgebiet gibt es n ur noch
vereinzelte R este der alten A rt (zum Beispiel im Zillertal für ü = aü die
V ertretung durch âi, mâis Mäuse, k râits K reuz g egenüber wais W eise, gaits
Geiz). D er U m laut des u ist im Bairischen (und im A lem annischen) n icht überall
eingetreten, wo ihn die S ch riftsp rach e in m itteld eu tsch er A rt h at und wo man
ihn erw arten sollte, vergl. Ruggn (R ücken), ruckn (rücken), hupfn, Gulden
(m itteldeutsch gülden), wullen (wollen, alt wullin), Auke K röte (ükja, das Alt­
englische h at den U m laut, yce = üke), O rtsnam e R aubling alt R upilinga u. a.
Es sind n eb eneinander diirr u n d d ü rr d ü rr (erklärbar wie das N ebeneinander
von h a rt und h erti hart), G m ünd u n d G m unden (alt gam undi und Dativ Plural
gam undun). V erständlich sind also die L au tfo rm en Brugg, Innsbruck, Brugger,
Bruckner, Muggenau, M uckendorf (vergl. im N orden: Saarbrücken, O snabrück,
Brügge, schlesisch M ückendorf), L u ck en , L uckenberg, K uchelm oos, D urrach,
D urnw ald neb en D ürnberg, P e sc n d o rf (B ösendorf), E d, E der, E dcnw iesen
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(öde), E sterham m er, E stern b erg (Ö sterlehen, ö ster östlich mit U m laut wie
nö rd er nördlich, tirolisch neader, N eder, N ordseite, S chatten seite, der U m laut
in Ö sterreich ist durch -richi v eran laß t, alt östarrichi; vergl. ohne U m laut
O sterberg, O stern ach).
D as Bairische h a t früh d en W an d el d er alten i ü und u zu ai und au
durchgeführt, es h at ihn m it einem g ro ß e n T eil des hochdeutschen S p rach ­
gebietes gem einsam . D as angrenzende alem annische V orarlberg h a t noch die
alten L au te bew ahrt, zit, hüs, h üser Zeit, H aus, H äuser. D ie alten D iphthonge
ie, uo, Ue sind nach o b erd eu tsch er A rt erhalten (lieb, guot, giiete). Das N eu­
hochdeutsche schreib t für fast alle langen i das ie, an d er H an d u n se rer
M undart k ö n n en wir angeben, ob in einem W o rt d er D iphthong ie o d er der
V okal i vorliegt, zum Beispiel lieb, bieg en gegen Sieb, liegen. Die O berpfalz
und W estb öh m en h at für diese D iphthonge die u m g ek eh rten V ertretu n g en
ei (das ist e-i, nicht ai) und ou, leib lieb, geidig gütig, goud gut, es ist dies
das H auptkennzeichen für die nördliche bairische M undart. Bei uo, üe h at das
N euhochdeutsche die einfachen Zeichen u, ii, gut, gütig (alt guot, güetig); in
bairischen N am en ko m m t noch die alte Sclweibung vor, L ueg (alt luog W ild­
lager), dann der F am iliennam e L ueger, 'd e m m it d er B etonung des e sta tt
des u u n rech t getan wird, K uen, K u enring (beide auch m it dem alten I<h), Ruef,
R uepp, Ruetz, Ruedl, R ueland, H ueber, H ueter, Puelacher (alt buochloch B uchen­
w ald', Stuefer, Schueler, K hüebach u. a. D em M ißstande, daß u n sere F ra k tu r
die großen i und j n ich t un tersch eid et, v erd an k en wir die N am enform en
Jebing, Jeding, Jetzing, Jeging, Jesenw ang, d e ren Je- au f üe- zurückgeht, das
aus uo um gelautet ist, uobing, uoting, uotziiig, uoging, uosinw ang. Man schrieb
und dru ckte das m undartliche ie- als Je (Sebuiß, Seljmtj u. s. w.); so ist
auch das schriftdeutsche je, jetzt, jeder, jem and zustande gekom m en (alt ie-),
vergl. nie, niem and und das v era lte te itzt für jetz t. D er N am e H uem er hat
das m undartliche uem für eim (H eim -er).
D er alte D iphthong ai ist im g rö ß ten T eil des Bairischen zu oa ge­
w orden, die alte B ezeichnung ai, die seit dem 11. Ja h rh u n d ert vorkom m t, b e ­
w ahren noch N am en, Aich, Aichach, Aigen, A inet, Aist, Baier, H aid, Mair,
Gais, Plaike, R ain, W aidhofen, W aidring (W eidheri-) u. a. M echanisch ist in
tirolisch flairlach ai g esetzt w orden, das oa d es m undartlichen hoarlach g eht
aber auf or zurück (hor-lach kotige G egend), die Schreibung H orlach k om m t
in T irol auch vor. D as W ien e r a für ai ersch ein t zum Beispiel in Achau bei
L axenburg (alt Aichau).
D ie langen V okale 6, ö und sein U m laut ö sind im H ochdeutschen im
8. Jah rh u n d ert entstan d en , das Mittel- u n d N ordbairische h at sie im allgem einen
erhalten, ö ist m it e zusam m engefallen, für ö kom m t auch ou vor, in G ebieten
O berösterreichs eo (reod rot). Das S üdbairische h at ab e r für ë, ö den D iphthong
ea, seal Seele, klea Klee, te a tn tö ten , gneatig »genötig« eilig (w ienerisch
gnedich, m an liest »er hats gnädig«).
E ine alte Bildung ist es, w enn in N am en das E igenschaftsw ort U m laut
hat, L ängenfeld, L engberg, H öhenburg, H ech en b erg (hoch), R e tte n b a c h frot),
G ressenberg (groß), H ö hlenstein H ellen stein (hohl), T eufenbach, T eu fen tal (tie f);
zur Zeit als d er U m laut auftrat, w urde bei d e r O rtsbezeichnung die F o rm
langinfelde, hohin, rotin, grozin, holin, tinfin geb rau ch t u n d sie k o n n te dau ern d
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bleiben. T eufenbach h a t das E igenschaftsw ort tiei in d er altbairischen Form
tiuf. D as Schicksal des D iphthongs iu ist im Bairischen eigenartig, iu k o n n te
um gelautet w erden, liuti L e u te lait, riu ten reu ten rait-, fiuhtja F ich te faichte(n);
wenn in W ortbild un gen kein i, j folgte, so k o n n te auch kein U m laut w irken,
vergl. altes L iut-bald h e u te L uipold u n d L eopold, L iut-olt L oidold (Fam ilien­
nam e), es entspricht dem iu im S üdw esten und im äu ß ersten O sten ui, im
H aup tteil des Bairischen oi u n d in einem e n g eren G ebiete (O berösterreich) eo,
vergl. noch L oibersdo rf u n d L e o b e rsd o rf (alt liub lieb), P o in t B eunde u n d
der B ergnam e im Pitztal P uikogel (k für tk). W ie liecht zu leuchten, verhält
sich F iech t (Fichtenw ald) zu faichten (O rtsnam en F e ich t und F euchten, F am ilien­
nam e F eich ter, sie gehören n icht zum W o rte feucht), tief u n d T eu fen -; zum
Stam m e von reuten, alt riutjan, geh ö ren die W ö rte r alt re o d u n se r Ried,
dann riu t R oit, R oid (daß es ein i-Stam m riudi war, lä ß t tirolisch di ra it er­
kennen, der U m laut stam m t aus dem D ativ wie bei F äh rte, S tätte, Säule n eb en
F ahrt, S tadt, alt sul), ferner das riuti, giriuti u n ser R eit, G reit, K reit, endlich
eine A blautform der, das R aut alt rüt. E ig en artig ist, daß sich ein solcher
D iphthong auch aus dem Dativ Plural sew un bei d en S een entw ickeln konnte,
O rtsnam e S eeon und Soien, F am iliennam e Soier; auch k reb es K rebs k o n n te
zu kvois w erden, K roißbach.
D ie E rhaltung des alten u-V okals zeigen die O rtsnam en Sum m erau,
T ru ck en stetten (Som m er, trocken). D er N am e Elm au (auch Ellmau geschrieben)
bew ahrt eine alte Stam m form elrn U lm e; im P asseier in S üdtirol gibt es auch
ilm (Umer, Ilmach, vergl. B erg u n d G ebirge). U nser Birke pirche h at die alte
e-Form in perchach Birkenwald, h eu te P ercha. K erschbaum , ICersche = K irsche
bew ahrt den e-V okal (rom anisch ceras-us). U m g ek ehrt ist die bairische N eu­
bildung Scheff für Schiff im O rtsn am en Scheffau, Schöffau festgelegt.
, So kann man aus d er B eobachtung d er lautlichen V erhältnisse u nserer
Namen vielfach richtige E rk läru n g en gew innen, o d e r scheinbar klarliegende
als falsch erw eisen; d er F am iliennam e B eirer d a rf n icht m it Beier, Baier zu­
sam m engew orfen w erden, er ist gleich B eurer, d er aus B euren stam m t (Beuron,
Kauf-, M ichaelbeuern, alt bür-W ohnhaus), h at also den Zwielaut ei = eu = ii,
w ähren d Beier, Baier das ei = ai hat, m undartlich oa. D er B ergnam e D achstein
sieht klar aus, D ach wird in B ergnam en verw endet, D achberg, K irchdachspitze,
aber die m undartliche A ussprache ist, w orauf H e rr Dr. v. G eram b aufm erksam
macht, d o arstoan mit g enäseltem oar, u n d das w eist au f D o n n erstein , vergl.
D onnerberg, D onnerkogel, und die gleichartigen W etterstein , W etterspitze.
Die D ornau und D ornauberg im Zillertal scheinen selbstverständliche N am en
zu. sein; aber ihre A ussprache in d e r Z illertaler M undart verlangt die E r­
klärung als T arnau, also die v erborgene, v ersteck te Au (Stam m tarn- T a rn ­
kappe), vergl. tirolische A lpnam en wie v erborgenes K ar, verborgene Pleise
(G rashang), westlich vom Zillertal im N avistal gibt es ein H o ch k ar mit dem
N am en T arntal. E ine sprachliche U nform ist d er B ergnam e »das S tein am
Mandl« bei R ottenm an n , aus d er m u n d artlich en A ussprache s sto an a Mandl
ergibt sich leicht das stein ern e M ännlein = S teinm andl; das E igenschaftsw ort
alt steinin = steinern enth alten die N am en Steinaw eg, S teinabrunn, Steinabrückl,
Steinakirchen (nicht m ehr e rk en n b ar ist das E igenschaftsw ort in Baum kirchen,
alt poum inun kirichun), vergl. S tein erk irch en , S teinerzaun (das ist stoana-)
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o der altes rörin in RÖhrapoint, R öhraw iesen, R öhrenbach. t)as ~a in Steina,
R öhra zeigt eine hauptsächlich im M ittelbairischen w e itv e rb re ite te E rscheinung,
daß lange V okale und Zwielaute n eb e n to n ig zu a w urden, vergl. M ietraching
(M uotrich-), W im passing (W indböß-), P uelach = Buochloch, H ausham (-heim,
H ausham m er, Stelzham m er), T aglaching (Tagaleich-), W agram (-rain, vergl.
W agrain in Salzburg). D em kurzen a d er Silbe -ach en tsp rich t -a in Percha,
Pircha, Schacha (Schachen W ald), F ah ra = F orchach F öhrenw ald, Erla, Erlach und
Forchau, S c h a ch a u k ö n n e n unrichtige V erdeutlichungen sein. D er N am e Altaich
in B ayern ist altes Altacha, d er alte Bach. Zu o ist d er kurze V okal in der
Sam m elbildung auf -oht abgeschw ächt (unser -icht in D ickicht, R öhricht,
K ehricht), A ichet, Ascliet, A spet, P am et, P uchet, W eid e t, G staudet, G steinet,
G stocket, daneb en das Suffix -ach, Staudach, Steinach, Stoekach, W eidach,
vergl. Pirach Birkengehölz, Piirach, Pirka, Pirkach, Piret, Piiret. ln W esttiro l
gibt es L echtl = Lechtal, H ölltl H ölltal, KUhtl K ühtal u n d V inschge V inschgau
(m undartlich das gai Gau), Holzge Holzgau (weiblich, in dev H olzge =
holzige Au).
D er Schw und auslau ten d er V okale hat in der M undart sehr w eit um
sich gegriffen, vergl. Bruck, E ck, G rub, Ilaid , H interkirch, Schönw ies, dagegen
m it d er E n dung -en, -n Brüggen, L eiten , W iesen, N eukirchen u n d in d e r d e u t­
lichen Dativform N eunkirchen (Faistau und F aisten au , O berberg, O bernberg),
W indschnur und W indschnurn (zu schnurren). In T eilen d es Südbairischen
sind auslautende Flexionsvokale vielfach erhalten, Brugge, Egge, Mehrzahl die
T age und sogar in der Einzahl bei T age, im Bache.
Der D ativ der Mehrzahl k ann sich bei O rtsn am en halten, w enn e r so n st
schon längst die eigene F o rm aufgegeben hat, H äu sern , R iedern, -hausen,
-hofen, -felden. Bei d en F o rm en auf -ern k an n die m ännliche Bildung auf -er
die G rundlage bilden, W inklern, H ofern, Pichlern, bei den L e u te n nam ens
W inkler. H ofer, Pichler. D as -ern scheint m anchm al falsch g e d e u te t zu sein,
in F ischhorn, G aishorn, W alchhofn w ird -horn für -ern steh e n ; auch -arn gibt
es, H aslarn, L angenlebarn, W inklarn, Seebarn. Im nördlichen N iederösterreich
findet m an häufig O rtsn am en a u f-s, die in den m eisten G ebieten ganz fehlen,
sie sind deutliche G enitivbildungen im Sinne des B esitzverhältnisses: G opprechts,
H örm anns, G ebharts, Seifrieds, R einprechts, E ngelschalks u n d Irnfritz, D iepolz
(das ist Irnfrieds, D ietbolds), vergl. W ohlfahrtsbrunn ("das ist W olfharts-),
D iepoltsham , H einreichs m it d er alten E n tsp rech u n g ei für i in -rieh- u n d
H einrichsdorf, K ainratsd o rf (das ist K urnrats-). A n d erer A rt sind die -s, die
in O rtsn am en Tirols Vorkommen, a b e r die A bleitungen davon fehlen, Zams
Zam m er, K auns K auner, Igls Igler, T aufers T auferer u n d viele andere. H ier
liegt ein Ü berrest alte r rom anischer Sprache vor, m an vergleiche zur V erd eu t­
lichung lateinisch aquis beim W asser, aquae die G ew ässer, aquarius d er zum
W asser in Beziehung S tehende. Im tirolischen H ofn am en O bw egs liegt die
alte F ügung oba w eges oberhalb des W eges vor, d e r F am iliennam e O bexer,
O w exer stam m t d avo n ; en tsp rech en d h ab en wir etw a diesseits und jen se its
auch als H auptw ort. T irolische O rtsn am en wie E nebach, E m bach, E nem oos
und enhalb jen seits des W assers en th alten die alte F orm en e r = je n e r; ab ­
gelegene G ebirgstäler sind w iederholt als E n d d er W elt bezeichnet, es ist en
der W elt, also das abgelegene, v e rsteck te G ebiet.
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O rtsn am en bew ahren uns alte deutsche W ö rter, die d er Schriftsprache
fehlen, u n d auch solche, die d er M undart bereits verloren gegangen sind.
A bfalter, A bfaltersbach, A pfaltersbach, A pfaltern enth alten das alte apfoltra
A pfelbaum , W innebach w inne W eide (vergl. den alten A usdruck W unn und
W aid), Iio rlach , H airlach H oro K ot (m it dem nach dem M uster von H aslach,
E rlach erw eiterten -ach, vergl. Staudach), S acherang sah er eine G rasart u n d
w ang G rasland; H ilben, HUlwe Pfütze, Reise (in M archreise, G rubreise,
R eisenock) b e d e u te t steile G eröllhalden im G ebirge u n d g eh ö rt zum alten
Z eitw ort risen fallen, die S chreibung R eiße ist falsch, die N ieder = Joch, E in­
sattelung ko m m t in T irol im S tubai u n d an d er salzburgischen G renze vor,
die L en k e = Joch in den T au ern (verw andt m it G elenk), T ürchelw and
düvchel durchlöchert, d er K ä rn tn e r B ergnam e R o m ate B retter, auch R am ete
geschrieben, h at das E igenschaftsw ort ram ech t zu ram Schmutz, Sinwel,
Sinabel ist das alte E igenschaftsw ort siaew el rund, die Plaike ein Plang, an
dem sich die E rde losschält.
Es seien d ann einige W ö rter erw ähnt, die von d er vordeutschen A lpen­
bevölkerung stam m en und ein b esch rän k tes V erbreitu n g sg eb iet hab en , die
K aser H irtenhütte, althochdeutsch zi den chasarun in bairischen G lossen,
alem annisch ste h t dafür hus hirteo H irtenhaus, w esttirolisch die toaje, ge­
schrieben Taje, Sennh ü tte, vergl. die tirolischen O rtsn am en Kühtai, N iedertai,
L angeztai, in W esttiro l die Pleise, steiler G rashang im H ochgebirge JPleiskopf, stickle Pleis), im m ittleren Tirol und in S ü dbayern die Isse, W iese au f
einer Alpe, aus hinter Iss’, v o rd er Iss’ h a t m an R iß entnom m en, H interriß
V orderriß, R isser Kogel, vergl. die B ergnam en am A chensee die H ochiß und
H ochnissl = auf dem h o h en Issel, das K ees ist in den T au ern vom Zillertal
und D efreggen östlich die B ezeichnung für G letscher, w estlich d er F ern er, in
der Schweiz der Firn, in den nördlichen K alkalp en v o m K arw endel bis zum
D achstein das Eis. A lpen, T au ern o d e r Pal, Pala sind auch altüberkom m ene
W örter, d eren H erku n ft n icht klar ist.
Das genaue Studium d er M undart k a n n n ur in V erbindung mit der
deutschen Sprachgeschichte erfolgreich b etrieb en w e rd e n ; daß h ier E rgebnisse
zu erzielen sind, dürften diese A usführungen zeigen, die ja nur au f einzelne
E rscheinungen aus dem ü b erreichen F orsch u n g sg eb iete hingew iesen haben.
B eiträge zur K enntnis d er V olkssprache k ö n n en viele liefern, die Sam m lung
des m undartlichen W ortschatzes ist auch n u r durch die gem einsam e A rbeit
w eiter K reise zu bew erkstelligen. Die A kadem ien d er W issenschaften zu
M ünchen und zu W ien h aben die H erausgabe eines W örterbuches des
bairischen Stam m es in die W eg e geleitet u n d laden im m er w ieder zur Mit­
arbeit ein. D urch die B eantw ortung d e r au sgegebenen F rag eb o g en u n d durch
gelegentliche A ufzeichnungen k ö n n e n alle zum G elingen des g ro ß en W erk es
beitragen, bei den en die L ieb e zur H eim at auch die Pflicht in sich schließt,
für die H eim at zu arbeiten.
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Zwei alte Hochzeitsbräuche im Heim der Neu­
vermählten aus der Wechselgegend (Kirchau).
Von L e o p o l d T e u f e l s b a u c r , Kirchau.
’s H o a m f i “ n.
E inen bedeutungsvollen A bschnitt im L eb en des B auern b e d e u te t die
H ochzeit. Mit ihr wird d er n eu e H au sstan d gegründet. Das L eb en d e r beiden
E heleute erhält vor d er G em einde je tz t e rst W ert. Ein »Lédigs« wird nicht
als vollberechtigt gezählt. D arum wird die E heschließung auch h eu te n och im
W echsellande m it vielem herköm m lichen B rauch gefeiert, wie ihn E. H amza
in seinem A ufsatze »Eine B auernhochzeit im niederösterreichischen W ech sel­
gebiete« (Zeitschr. f, ö. Volksk., X V III. Jahrg., S. 1—20) so trefflich g e ­
schildert hat.
Nach d e r H ochzeitsfeierlichkeit b eg ib t sich am nächsten T age, das ist
gew öhnlich der Mittwoch, früh die B raut sam t Bräutigam in das künftige
W ohnhaus. D abei w ird heute n u r m ehr selten eine schöne S itte geübt, das
H o a m f H n (H eim führen). W enn das H ochzeitsm ahl sow ie die U nterhaltung
im H ochzeitshause g e en d et hat, b itte t d er »Brautführer«, die G esellschaft
möge noch beisam m en bleiben, man m üsse die Braut heim führen. D ie Braut
nim m t nun w einend von ihrem E lternhause sow ie von den G eschw istern
A bschied — die E ltern gehen gew öhnlich mit — w ird noch einm al m it W eih­
w asser b esp ren g t u n d m it g uten L eh ren entlassen. D ann geht ’s zum neuen
W ohnhause. D ieses ist verschlossen. V or d e r T ü re ste h t die alte Bäuerin,
des B räutigam s M utter, und b eg rü ß t die ju n g e Bäuerin sow ie die H ochzeits­
gäste. D ann übergibt sie d e r ju n g en Bäuerin die H ausschlüssel m it den
W o rten : »1 häw m ein H aus âgschpiad, du schpia da is deini a u f und trid in
G otts Nam ei11.« Die junge Bäuerin öffnet n u n die T ür, dann w en d et sie sich
zur alten M utter u n d h eiß t diese zuerst ein treten m it den W o rte n : »W ânns
a nim a Beiarin seids, so “ w ü1 i eng d o u schetzn u n d ern wia mei" Mu«da.
G cts nu" eini!« Nach der M utter tritt B äuerin und B auer ein. Die Bäuerin,
die von nun an nicht m eh r »Braut« g e n a n n t wird, h eiß t alle G äste w illkom m en.
D ann zeichnet ihr die alte M utter m it S eg en sw o rten ein K reuz m it W eih­
w asser auf die Stix'iie und fü h rt die ju n g e B äuerin zum H erd, indem sie sagt:
»So», iazt b e d e a n deini Gèst.« Die H ochzeitsgäste setzen sich in d e r »H aus­
stube«. Die junge Bäuerin g eh t zum H erd, wo m ittlerw eile ein G eselchtes
gekocht w urde, und bew irtet n u n ihre G äste m it Most und G eselchtem
und Brot.
D ieser s c h ö n e B rauch birgt u ralte R echtssym bole in sich, die Ü b er­
reichung der Schlüssel als Ü bergabe d er H errsch aft ü b er das I-Iaus sow ie das
H inführen der Braut zum O fen als E rinnerung an den alten d eu tsch en
Brauch des dreim aligen U m schreitens des O fens.
’s W i a g n h o ° l z f i a n.
N ach dem Hoam frin w ird gew öhnlich noch ein an d erer Brauch g eübt,
der seinem ganzen W esen nach als F ru ch tb ark eitszau b er sich kundgibt,
näm lich das sogenannte »W iagnhoulzfi»n« (W iegenholzführen). In K irchau
w urde er in früherer Zeit u n d teilw eise noch h eu te folgenderm aßen g eh alten :
D er B rautführer m it ein p aar H ochzeitsgästen g eht hinaus in den W ald, um
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einen Baum für a W iagnhoriz zu suchen. G ewöhnlich w ird »a rechta Quea^gl«
(verw achsener Baum] ausgesucht und u n te r allen m öglichen Spässen umgeschnitten. D ann holt man vom H au s ein en »HnJ-wägn« (V orderteil des W agens),
d e r Baum wird aufgeladen, vier junge B urschen ziehen an, d er B rautführer
m it seinem Stock leitet, die älteren M änner schieben an, w ährend M ädchen
u n d F rau en sich an den Stam m an hängen und dië F a h rt zu h indern trachten.
D er B rautführer m it seinem Stock m uß des ö ftern abw ehren, »das d ’W eiwaleid nét H e r hä-m « (überm ächtig w erden). E ndlich ist m an beim H ause an ­
gekom m en. Die vier »Roß« tu n ganz erschöpft u n d w erden von den Mädchen
m it W asser bespritzt. Nach einer reichlichen S tärk u n g sägt man vom Baum
ein entsp rech en d es Stück h eru n ter. D och die F ra u e n h aben sich vorgesehen.
G ewöhnlich hat die junge F rau sich v erstec k t o d er m ail h at den E ingang zur
H ausstube verschlossen. D urchs F e n ste r o d er bei d e r geöffneten T ü r w ird
das W iegenholz herein g eb rach t u n d d er B raütführer eilt nun zur B raut »maßnchm en«, ob d er Baum g ro ß g enug ist. D ie ju n g e F ra u wird nach vielem
Suchen gefunden, sträu b en d h erbeigeführt u n d um die Mitte abgem essen,
worauf u n te r vielen Scherzen k o n sta tie rt wird, daß d e r Baum genügend sei
zu einer W iege »a füa Zwüling«.
W ie m ir eine ältere F rau erzählte, pflegte m an früher die M ädchen und
Jungen F rau en beim H ereinführen des W iegenholzes einzuspannen, doch
unterbleibt dies jetzt, »wäul di Buam go» so u vii1 zuagschlâsn hâ-m , drum gibt
si iazt koani m ehr her«. D eutlich ist h ier noch d er a l t e S i n n zu erkennen.
D ie L ebenskraft des jungen w achsenden Baumes soll sich d e r jungen F rau
m itteilen. D arum begnügt m an sich auch nicht, wie es naheliegend w äre, m it
einem bereits zugerichteten Stiick Holz, so n d ern su ch t einen grün en d en Baum.
Darum läßt m an diesen auch von ju n g en L eu ten ziehen. Mit diesem F ru ch t­
bark eit sp en d en d en H olze sucht m an n u n die B raut in B erührung zu bringen.
W as sonst durch einen Schlag m it d e r L e b e n sru te geschieht, wollte m an hier
vielleicht in g esteigerter W irkung erreichen, indem m an ursprünglich die Braut
wahrscheinlich auf das Holz d arauflegte. D arauf schein t mir das M essen zu
deuten, das w ohl früher m it d e r K örperlänge d er B raut au f dem H olze geschah.
Zu w iederholten Malen k o n n te ich b eobachten, wie ju n g e B urschen unver­
h eiratete M ädchen üb er das Holz d arü b er zu sto ß en versuchten, dam it sie
auf das H olz fielen und dieses so b erü h ren m ußten. H eu te h at sich die u r­
sprüngliche S itte geändert, da das V erstän d n is geschw unden. Man begnügt
sich, das Holz u n d die ju n g e F ra u abzum essen u n d so b eid e m ittelbar durch
V erm ittlung des M aßes in B erührung zu bringen. Als E rw ecken d e r F ru c h t­
b ark eit ist auch das B egießen m it W a sse r zu d euten, das »W asser« d er e r­
hitzten R osse nach der A nkunft. In Schäffern, je n se its des W echsels in S te ie r­
m ark, w erden die Burschen schon w äh ren d des Ziehens m it W asser begossen.
Mit dem W iegenholzfuhren ist d er M ittw och-V orm ittag vergangen. Man
setzt sich nun w ieder zu T isch u n d läß t sich schm ecken, w as die junge Bäuerin
auftischt, E rst m it dem Scheiden u n d Pfiat-G ott-N ehm en setzt das A lltags­
leben ein.
Wie mache ich mir Familiengeschichte und Stam m ­
baum ?
V on L e o p. T e u f e l s b a u e r .
»W ohl dem , d er seiner V äter gern gedenkt«, sagt G oethe, »der froh
von ihren T aten , ihrer G röße den H ö re r u n terh ält und, still sich freuend,
ans E nde dieser schönen K e tte sich geschlossen sieht«. S elten w ird eine
A rbeit so befriedigend und für alle angew andte Miihe reich entschädigend
sich zeigen wie die A b f a s s u n g e i n e r F a m i l i e n g e s c h i c h t e . W as
w issen wir heute von u nserer Fam ilie, von u n seren V orfahren ? M eist n u r ein
paar überlieferte Züge aus dem L eb en d er G roßeltern. W eiter zurück ver­
b laß t die E rinnerung, ja den m eisten wird n icht einm al der N am e ihrer U r­
gro ß eltern b ek a n n t sein. U nd doch steh en wir alle auf den S chultern u n serer
V orfahren. E in Teil ihrer L ebens- u n d G eisteskraft g eht auch durch unsere
A dern, wir schaffen m it dem g reifb aren o d e r geistigen E rbe, das sie uns
hinterlassen, wir tragen ihre M erkm ale und B esonderheiten an un serem L eibe
w eiter. In H aus, Iio f und G erät schauen uns die S puren ihrer T ätig k eit e n t­
gegen, ja so m anche segensreiche T a t und E inrichtung im G em eindeleben
h at sie einst zum U rheber gehabt. D arum h aben sich die M enschen aller Zeiten
mit ihren V orfahren v erb u n d en gefühlt, haben ihnen wie R öm er und C hinesen
göttlichen A h n e n k u l t u s gew idm et oder sich m it Stolz ihres G eschlechtes
u nd ihrer A bstam m ung gerühm t. W o h er b ist du und w er w aren deine E ltern ?
fragte schon A lkinoos den O dysseus, denn o hne N am en und A bkunft gibt es
w ohl keinen M enschen auf E rden. »A m elungen, W ölfungen, Merowinger,
K arolinger« nannten sich nach einem berühm ten A hnen g erm anische G e­
schlechter. D er B eduine setzt seinem N am en im m er den des V aters bei
O m ar ibn A bdallah — Omar, Sohn des Abdallah. Johannsen, M athiesen, Sohn
des Johann, des Mathias, w urden im N orden zu Fam iliennam en. Ja, d er Jude
liebt es, seine ganze A bstam m ung herzuzählen. »A braham zeugte den Isaak,
Isaak zeugte den Jak o b . ..« , so v erk ü n d et u n s Jahr für Jahr das Evangelium .
Im H asten u n d T reib e n des neuzeitlichan E rw erbslebens, das den
M enschen so oft von der heim atlichen Scholle reiß t, d ro h te uns auch d e r
F am iliengedanke und dam it d er Familiensinn verloren zu gehen. E ine m ächtige
Stütze und Pflege k an n er durch die gehaltvolle Pflege der Fam iliengeschichte
erhalten. D ie G rundlage d er Fam iliengeschichte wird das F a m i l i e n b u c h
bilden. N ur wenige. Fam ilien w erden sieh eines solchen rühm en können. Doch
es. läßt sich ja schaffen. Z unächst schreite ich an die A nlage m eines S t a m m ­
b a u m e s . W ird von d er eigenen P erso n ausgegangen und alle V orfahren
dazu gesucht, so en tsteh t die A hnentafel. H äufiger u n d gewiß in teressan ter
ab er wird die A ufstellung eines Stam m baum es sein, d er von irgendeinem V or­
fahren ausgeht und alle dessen N achkom m en verzeichnet, da, je w eiter zurück
wir in der A bstam m ung gehen, die Zahl d er V orfahren auch desto m ehr
w ächst, vergrößert sich dam it auch die Zahl der m öglichen Stam m bäum e.
G eht die Fam iliengeschichte von d e r eigenen P erson aus, so sind E ltern u n d
G roßeltern ja leicht b ek an n t. N un gilt es, den T rauungstag der E ltern zu
erheben, d e r sich auch leicht finden läßt. V on da an spalten sich die V o r­
fahren in die väterliche und m ütterliche Linie. G ew öhnlich wird die väterliche
L inie nun zuerst behandelt. Die G ebu rtsd aten des V aters sowie die T rainings­
19
d aten der G roßeltern führen zur K en n tn is d er U rgroßeltern. So läßt sich das
G eschlecht im m er w eiter zurück verfolgen. Schw ierig zu w erden b eg in n t die
F orschung erst, w enn die M atrikeneintragungen sich nur mit dem N otw endigsten
begnügen. Ist das G eschlecht aus d e r F rem d e zugezogen, d ann en th ält e n t­
w eder die Fam ilienüberlieferung o d er das T rauungsbuch, oft auch bei Besitz­
übernahm e das G rundbuch eine B edeutung. F e h lt jegliche N achricht, dann
beginnt die m ühevolle A rbeit des S uchens nach gleichen N am en, w obei vor
allem bei B auerngeschlechtern die N achbarschaft bevorzugt w erden m uß.
T rauzeugen und T aufpaten, die oft aus d e r V erw andtschaft gew ählt w urden,
k ö n n en einen Fingerzeig bieten. Sind m eh rere G eschlechter desselben N amens,
dann erfordert die A rbeit bei k n ap p en E intragungen b eso n d ere Sorgfalt. Man
ü berprüfe die T o d esd ate n sow ie auch die N am en d er T aufpaten, da ein
T aufpate gew öhnlich öfters genom m en w urde und gleiche T aufpaten daher
auch auf gleiche Fam ilien hinw eisen. Ist eine Pfarre u n ter K aiser Jo se f II.
errich tet w orden, dann finden sich die älteren M atriken in d e r M utterpfarre,
von der sie ab g etren n t w urde. Ü ber 1650 wird sich im D urchschnitt ein
G eschlecht m atrikengem äß nicht zurück verfolgen lassen. T rauungsbuch und
S terbebuch bringen wohl noch ältere V ertreter. W ill m an sein G eschlecht
noch w eiter zurück verfolgen, dann m uß d er W eg d er m ühsam en u n d so oft
ergebnislosen A r c h i v s a r b e i t b esch ilften w erden. Bei Bauern und H a n d ­
w erkerfam ilien wird m eist die M ühe, w enn nicht das G rundbuch o d e r H eirats­
u n d Ü bergabsbriefe im H errschafts- o d e r G em eindearchiv A uskunft geben,
um sonst sein. So w äre in fleißiger A rbeit ein Stam m baum geschaffen. Um
nun in diese M enge von to ten N am en und Zahlen L eb en und A nteilnahm e
d aran hineinzubringen, m uß in sorglicher K leinarbeit alles auf die eigene
Fam ilie Bezügliche zusam m engetragen w erden. F rag en u n d F orschen, Erzählen
des bereits B ekannten wird bei den F am ilienangehörigen, b eso n d ers bei älteren
F rau en vieles zutage bringen. An dem Schicksal d er eigenen Fam ilie ist ja
jed es interessiert, schon beim bloßen Zuhören von längst verklungenen Namen
w erden E rin n eru n g en w ach, die schon h albvergessen geschlum m ert haben
Die Fam ilienpapiere w eid en einer g ründlichen D urchsicht unterzogen, auch
in K ästen und T ruhen , au f den D achböden u n d in R um pelkam m ern, wo m an
das »alte Zeug« aufzubew ahren pflegt, N achschau gehalten, alte K alen d er und
G ebetbücher auf E intragungen d u rch stö b ert. W ie m annigfache F u n d e lassen
sich da m achen. S pan n en d h at dies A. Stifter in sein er Erzählung »Aus der
M appe m eines U rgroßvaters« geschildert. N un ziehe m an die G eschichte der
G em einde, d er Pfarrkirche h eran. W ie m an ch er V orfahre h at ein wichtiges
A m t bekleidet, sich durch from m en, tätig en Sinn ausgezeichnet. Ü b er die
Besitz- und dam it V erm ögensverhältnisse k lären die alten H errschaftsakten,
G rund-, G ew ähr-, Satzbücher, H eirats- u n d Ü b erg ab sak ten auf. M ancher F u n d
läßt sich auch in G erichts- und G em eindeprotokollen m achen. W e r sich noch
ein g eh en d er m it d er Q u e l l e n k u n d e für Fam iliengeschichte beschäftigen
will, wird gut tu n, die einschlägigen W e rk e von D evrient ü b er »Fam ilien­
forschung« (Sam m lung N atur und G eistesw elt, Leipzig) o d er »H eydenreich,
Fam iliengeschichtliche Q uellenkunde«, V erlag D eg en er in Leipzig zu lesen. Auch
O berlehrer Jo se f Blau h a t eine inhaltsreiche Schrift ü b er »Fam ilienforschung«
(B öhm erland-V erlag in Eger) ersch ein en lassen. A uskunft und Hilfe bei N ach­
forschungen b ieten die Zeitschriften »M itteilungen d er Z entralstelle für deutsche
20
P ersonen- und Fam iliengeschichte« (D egener 111 Leipzig) und »D eutsche Gaue«
(K aufbeuren).
Sind alle V orarbeiten vollendet, dann soll die F am iliengeschichte im
F a m i l i e n b u c h verew igt w erden, und zwar lasse m an sich die Mühe nicht
verdrießen, auch w irklich ein w ürdiges W erk zu schaffen, sow ohl d er A us­
stattu n g als dem Inhalt nach. Jü n g st h atte ich G elegenheit, ein Fam ilienbuch
zu sehen, das w irklich ein K leinod u n d Fam ilienschatz g e n an n t zu w erden
verdient. Jed es Blatt w ar h andgeschrieben, mit reich verzierten A nfangs­
buchstaben, ein W erk, das einem m ittelalterlichen S chreibkünstler alle E hre
gem acht hätte. Am A nfänge jed es A bschnittes w ar eine sinnvolle L eiste, die
abw echselnd die H eim at d er V orfahren, das Stam m haus im B auerndorf, das
W ohnhaus in der S tadt, versch ied en e A ufenthaltsorte, geschm ackvolle Zu­
sam m enstellungen, den Beruf an d eu te n d , zeigte. W er Zeit o d er G eschick nicht
hat, diese m ühevolle A rbeit zu vollbringen, dem sei für E in trag u n g en die
trefflich au sg estattete »Fam ilien-C hronik« von Pfarrer F ran z B lankm eister,
V erlag S trauch in Leipzig, b esten s em pfohlen. Niemals ab er versäum e man,
w enigstens L ichtbilder der V erw andten, des Stam m hauses, d e r B egräbnis­
stätten sow ie aller denkw ürdigen O rte darin anzubringen.
Als E rgänzung und F o rtfü h ru n g der Fam iliengeschichte lege m an eine
F a m i l i e n - C h r o n i k an, in d e r alle w ichtigeren F am ilienereignisse v e r­
zeichnet w erden, bis sie in O rdnung und Ü bersicht dem F am ilienbuch ein­
verleibt w erden k ö n n e n .
E ine Zierde d e r W ohnung u n d ein Stolz für jed e Fam ilie k ö n n te die
F a m i l i e n t a f e l w erden. In schöner, geschm ackvoller U m rahm ung, v ie l­
leicht geziert m it dem Bilde des Stam m hauses, k ö n n te eine Tafel m it dem
Fam ilienstam m baum sowie allen bedeutungsvollen T ag en d er Fam ilie an d er
W an d hängen. So h ä tte die Fam ilie n icht n u r ein S chm uckstück ganz eigener
A rt in ihrer W ohnung, so n d ern auch eine stete M ahnung, d er V orfahren
w ürdig zu bleiben un d würdig zu w erden d e r N achkom m en.
Literatur der Volkskunde.
D r. W o lfg an g S c h u ltz : Z e i t r e c h n u n g u n d W e l t O r d n u n g
i n i h r e n ü b e r e i n s t i m m e n d e n G r u n d z.ü g e n b e i d e n I n d e r n ,
I r a n i e r n, H e 11 e n e n, 11 a 1 i k e r n, G e r m a n e n, K e 1 1 e n, L i t a u e r n,
S l a w e n . M annus-B ibliothek Nr. 35. Leipzig 1924.
In dem vorliegenden Buch bringt d er V erfasser reichen Stoff bei, um
die B edeutung des M ondes als Z eitm esser m it den ihm eigenen R undzählen
für die g eordnete Z eitrechnung d e r arischen V ölker darzutun, wozu ja schon
O. S c h r a d e r (Sprachvergleichung und U rgeschichte) seinerzeit die G ru n d ­
festen legte. Die A usw irkung dieser Zeit- u n d H im m elsanschauung — W elt­
anschauung w äre wohl zu viel g esagt — w ird in G rundvorstellungen im M ythos
sow ie in künstlerischen F o rm elem en ten gefunden. Zw eifelsohne liegt hier eine
mühevolle, kom binatorische K raft w ie B esinnlichkeit in gleicher W eise
fo rdernde Induktionsarb eit vor, die den A nspruch erhebt, S ch ritt für S ch ritt
schw ierige Fragen um m ancherlei L ösungen b ereich ert zu h ab en ; grundsätzlich
k ann sich Ref. aber w eder mit d er m ethodischen Anlage des Stoffes, noch
‘21
mit allen A usdeutungen, wie sie Sch, durch w underlichste G estaltungen
des Mythos hindurch aneinanderfügt, als »der« L ösung des Problem s d er
Mythen- und K alenderforschung an freu n d en D er L eser sieht bei dieser im m er
w ieder zum G ängelband d e r R undzahlen ihn verh alten d en D arstellung doch
zu oft w e i t auseinan d erstreb en d e V orstellungen (drei D unkelnächte in Indien
als Usclrasen = Jahreszeiten, dann w ieder 3 B echer = 3 T rünke) unpsyehologisch
eng an einandergepreß t und m anchm al fühlt er bei den an g eb o ten en M etam or­
phosen (Schiffkarren [Carrus navalis] = A rgonautenschiff = Mond o d er H agenG unther-Siegfried als der B linde-L ahm e-N ackte des M ärchens, ihr H ase gleich
H inde = Brunhilde) einfach den Boden u n ter den F ü ß en schw inden. Zu­
gegeben, daß für die liildm etaniorphosen des Mythos als A riadnefaden eine
rein formale R eihenbildung nottut, kann d er L ebenshintergrund, d e r solch
gespenstig w echselnde S chattenbilder wirft, doch dabei nicht ganz e n tb eh rt
w erden, w ovon wohl nur bei der p athetischen P riesterdichtung Indiens mit
ihrer tiefen V erklam m erung im R itus schlechtw eg abzusehen war. Die E in ­
ordnung von M ärchenstoffen und dergleichen h ätte da ih re b e s o n d e r e n
G esichtspunkte erfordert. Die V orstellung von einem in sich geschlossenen
E igenleben des Mythos führt d en M ythenforscher d em g eg en ü b er offensichtlich
gegebenenfalls auch zu rein v e rk e h rter G rundeinstellung, so w enn d e r Satz
aufgestellt wird, der Mythos sei nichts an d eres als ein von M asken im Tanz
dargestcllter, gesungener K alender. Dev V olksforschev w ird w ohl nach wie
vor in den A usdrucksform en und -B ew egungen d er K ultbräuche das prim är
G estaltete sehen, das nun m it religiös erhitzter phantasievoller Einfühlung
u n te r E inbeziehung bildhafter B egriffskom plexe von »Berufenen« zum Mythos
um gedichtet w urde, d er übrigens im m er w ieder nur einen kleinen K reis Gleich­
g esinnter innerlich bew egt, den übrigen bleibt das — bezeichnenderw eise
schon seit d er altarischen Zeit — ein R ätsel. Im einzelnen ste u e rt das Buch
übrigens da und d o rt auf psychologische V ertiefung Jos, aber bald ist doch
w iederum G ew altsam keit fühlbar, am stä rk sten wohl bei den R unen, bis alles
klappt. Die erw ähnte, auch von L. v. S chröder wohl g efö rd erte Begriffs­
verkehrung scheint noch von U s e n c r h er nachzuleben, d er im wirklichen
E heritus ein Abbild d er m ythischen G ö ttereh e sah. D aß die Zahlenm ystik
m it dem H im m elsgeschehen (M ondphasen) zu verknüpfen sei, wird von
Schultz gewiß überzeugend dargetan, ab er ü b er das E igenleben d er R u n d ­
zahlen m it seinen assoziativen V erw irrungen und H äufungen ist wohl g leich­
falls noch ein übriges zu sagen.
E ntschieden zu w eit geht d er V erfasser in d er Beziehung aller S inn­
bilder, die aus dem A ltertum o d er d er N euen W e lt für H im m elskörper ü b er­
h au p t angezogen w erden k ö nnen, u r s p r ü n g l i c h au f den Mond. Man
m öchte s ta tt kritischer Erw ägungen doch lieber einen chronologisch einw and­
freien Beleg für diesen künstlerischen G estaltu n g strieb aus j e n e r Zeit sehen,
im übrigen w ird man den k ritischen A ussetzungen an den bisherigen
D eutungen gerne Raum g eb en ; h a t m an die aber eigentlich je ern st ge­
nom m en?
D am it in Z usam m enhang scheint die A nnahm e, d aß die A rier an der
A usbildung des S onnenjahres kein en gem einsam en in n eren A nteil hatten,
doch ziemlich w enig b eg rü n d et. W elchen A lters die gem einsam en, übrigens
im nichtarischen O rien t kaum bezeugten V olksüberlieferungen d er S onnw end-
22
brauche, R äderrollen, S o n n en sp rü n g e und dergleichen seien, v ersucht der
V erfasser nicht nur nicht darzutun, so n d ern er erw äh n t sie n icht einmal.
Noch verw underlicher ist es aber, daß er an den K ultbräuchen des W irtschafts­
jahres gänzlich achtlos vorbeigeht, wo doch d er »von M asken getanzte
K alender« unm ittelb ar n ur in d i e s e n verw urzelt sein könnte.
Auch das Zersägen des M onatsbaum es u n d dergleichen, w ie von K. Spieß
herausgearbeitet, läß t sich ja n ur als sinnvolle A usw ertung einfältigeren
jahreszeitlichen Brauches verstehen. E rw ähnt sei dazu auch, daß (nach
N. L i t h b e r g) in N ordeuropa und bis Sibirien hin die w esentlichsten Ja h re s­
einschnitte ursprünglich anscheinend nach dem H aarw echsel d er Jagdtiere
(auch des E ichhörnchens) bestim m t w urden u n d d anach auch ihre N am en e r­
hielten.
M ethodisch m acht sich d e r V erfasser insg esam t zum F orschungsprinzip
noch im m er den an d er W iege d er indogerm anischen Sprachw issenschaft selb st­
verständlichen, bei O. Schräder als dem V ollender ih rer K lassizität im m erhin
noch begreiflichen, seither aber län g st überholten G ed an k en zu eigen, als
bildeten die historischen V ölker m it indogerm anischen S prachen eine kulturschöpferische W esen sein h eit und b ö te das n o rd eu ro p äisch e bronzezeitliche
A ltertum oder die W eisheit der indischen V ed en U rw issen au f dem Iso lier­
schem el des Ariertum s. Es geht w ohl n ich t an, die verhältnism äßig späte,
priesterlich verdichtete A nschauung d e r V eden schlechthin als schon 1500 Jahre
früher b esteh en d anzusehen, um den A riern des C hattireiches d en V orrang ihrer
M ondm ythologie vor den sum erisch-babylonischen A nschauungen des O rients
zuzubilligeii und m it rech t vager C hronologisierung ein gleiches für die ältesten
D aten über die ägyptischen R undzahlen u n d den M ondkalender anzudeuten.
H ier gilt es, den vorindogerm anischen K ulturform en des M ittelm eeres in stren g er
C hronologisierung vergleichend gerech t zu w erden, b ev o r die V orstellungen
d er sogenannten »Einzelvölker« Italiker, H ellenen, K elten u. s. w. ü b erh au p t
richtig beurteilt w erden können. L iegen doch bei den am stärk sten v o r­
indogerm anischen Schichten angeglichenen G ruppen, etw a den S p artan ern ,
auffällig viele B eziehungen des K ults zum M onde zutage, wie dies schon
J. J. B a c h o f e n ausgew ertet hat. D as gleiche gilt von d e r kretischen K ultur.
Sogar noch für »Lussi«, die spätère volkstüm liche L ich tg estalt des
»Einzelvolkes der N ordgerm anen«, die Schultz bei B esprechung d er M utternacht
des N ordens überh au p t n icht heranzieht, sind die m ittelländisch-ägyptischen
G rundzüge übrigens von E. H am m arste d t längst h erau sg earb eitet w o rd e n .1)
A uch kann Ref. der R ückverlegung der D reiheit v o n S chicksalsfrauen in das
urgerm anische, beziehungsw eise arische A ltertum nicht folgen. Mag auch d er
M uttergedanke schon im altarischen M ythos vielleicht Platz gefunden haben,
so ist doch der D r e i m f i t t e r k u l t in se in en D enkm älern auffällig auf das
keltisch-röm ische E influßgebiet beschränkt, das seinerseits w ieder, wie aus der
ganz gleichen V erbreitung d es K üm m ernisglaubens, d er W eib erfeste u. s. w.
hervorgeht, ein für w eiberrechtliche E rscheinungen u n d . D eutungen über­
h aupt und w ahrscheinlich schon von ä lte rer Zeit h e r v o rb ereiteter günstiger
Boden ist. E s w irft übrigens kein günstiges L icht auf die G enauigkeit d er
sprachlichen Belege, daß zu diesen Schicksalsfrauen, wie Ref. zu berichtigen
J) M eddelainten fr an N ordiska M useet 1898, S. 1 ff. F atab u ren 1906,
S. 193 ff.
23
ersucht wurde; R. Much als G ew ährsm ann bezüglich des N am ens »Marge«
zitiert erscheint, als d eckte sich seine A uffassung von der H erkunft des
N am ens m it der von Sch. v ertreten en A nsicht von d er E ntsprechung dieser
Schicksalsschw estern zu d en griechischen Moiren. T atsächlich h at Much hier
für das W o rt »Marge« nie an d eres als A bleitung, beziehungsw eise E indeutschung
des Nam ens »Marie« angenom m en, w as naturgem äß die christliche K ulturw elt
schon voraussetzt. F ü r die G esam teinstellung ist dem Verf. das wichtige,
1920 erschienene Buch von M. P. Nilsson »Prim itive T im ereckoning« (Skrifter
utgivna av hum anistiska v eten sk ap ssam fu n d et i L und I, Leipzig, O. H ärrassowitz 1920) entgangen, das sich m it dem W irtschaftsjahr u. s. w. ganz anders
auseinandersetzt als diese A rbeit. Man k an n S ch.’s A rbeit som it höchstens
als M ondkalender w erten, indes scheint dem Ref. eine solche Isolierung aus
dem chronologisch bu n t gem ischten S toff h erau s g ar n icht möglich, es w erde
denn dieser zugleich schon säuberlich u n d m ehr textkritisch als deutungsw eise
in seinen Schichten g e o rd n e t.1) D aß hier allerdings die bisherige M ärchen- und
M ythenforschung gründlich zu sichten ist, h ätte dem Verf. festzustellen
w eniger verschlagen, als auf das »Altere d er »Motive« a m S t o f f im einzelnen
durch D eutung zu sündigen. D ie schw ere, weil zu m assiv verspreizte D arstellung
w ird in ein er künftigen Auflage wohl auch durchsichtiger g estaltet w erden
m üssen. Es wird sich d ann auch das richtige Maß dafür einstellen, was an
Z eitordnung (F este in V ollm ondnächten, M ond u n d weibliche Regel) m ensch­
licher B esinnung recht allgem ein sich offenbarte u n d was an g eo rd n eter
M ondrechnung und w underlichem W achstum sglauben aus den K ulturregionen
V orderasiens seinen W eg w eithin gefunden hat. Ein W o rt zum Schluß zum
S prachgeiste des Buches. W en n V olksetym ologien überzeugt, ab er nicht im m er
lautlich richtig, wie sich Ref. b eleh ren ließ, »ausgebessert« w erden, alte
Schreibw eise sozusagen »restauriert« w ird, F rem d g u t fast wie das Französische
in Fritz R euters P latt eing ed eu tsch t wird (Olum pia sta tt Olympia, W eijus
sta tt V enus), so läßt sich dem wohl kaum anm erk en , daß die jün g sten Sprachreiniger am trefflichen Opitz u. s. w. v ersp ü rt h ätten , daß n u r dichterische
W ortschöpfung und G estaltung die S p rach e jung h ält und zukunftsstark m acht
und daß m an W ortbild er so w enig um färben soll, wie die H aare, w enn sie
grau gew orden sind.
A. H a b e r l a n d t.
D e u t s c h e V o l k s k u n s t 1: N i e d e r S a c h s e n . V on Dr. W . P e ß 1e r.
Mit 158 Bildern. D elphin-V erlag, M ünchen.
In der W ürdigung und erforschenden D arstellung seiner V olkskunst
w ar D eutschland bis auf die letzte Zeit, tro tz d er an erk en n en sw erten Be­
m ühungen von M ännern, w ie Schw indrazheim , Mielke, O. Lauffer, Mühlke,
Seyffert u. a., ziemlich stark im R ü ck stan d geblieben. Die sta rk e H eim at- und
V olkstum sbew egung, die gegenw ärtig durch alle deutschen L an d e geht, ist
nun in h ö ch st erfreulichem E ifer b em ü h t, die A ufm erksam keit w eiter V olks­
kreise auf den freilich schon sehr zusam m engeschm olzenen und täglich m ehr
hinscliw indenden volkskünstlerischen Besitz des d eu tsch en Volkes in seinen
v erschiedenen L andschaften zu len k en . Auf Initiative E dw in R e d s l o b s
sch reitet d er D elphin-V erlag in M ünchen zu einer fesselnden u n d reizvollen
Ü bersicht ü b er d en d eutschen V olkskunstbesitz, von w elcher b isher 3 Bände
') Vergl. auch F. R. S chroeder, G erm anentum u n d H ellenism us. H eidel­
berg 1924.
24
aus verschiedenen deutschen V olksgebieten vorliegen — aus N iedersacbsen,
dem R heinland und M. Brandenburg. Eröffnet wird die Reihe durch die schöne
und gehaltvolle V eröffentlichung Dr. W ilhelm P e ß l e r s ü b er die deutsche
V olkskunst in N iedersachsen. D ieses alte K ernland deutschen V olksw esens h at
auf verschiedenen L ebensgebieten, im H aus und sein er E inrichtung, im
K leider- und Schm uckw esen, in der T öpferei, in der kirchlichen u n d sepulcralen V olkskunst viel E igenartiges geschaffen, das d er V erfasser im T extteil
mit großem S achverständnis u n d der notw endigen geschichtlichen V ertiefung
des Stoffes erläutert. B esonders b e ach ten sw ert, ist das von P eß ler m ehrfach
b esp ro ch en e V erhältnis zwischen d e r ländlich-bäuerlichen und d er städ tisch ­
h andw erklichen V olkskunstübung, das zur U ntersuchung des Begriffes »ge­
sunkenes Kulturgut« m ancherlei erw ünschte U n terlag en bietet. S eh r in teressan t
sind neben vielem an d eren die in A bbildung 64 vorgeführten »B annkörbe«
(»Im m enw ächter«) aus d er N ienburger G egend, w elche ich mit u n seren
m ährisch-böhm ischen figural verzierten B ienenstöcken in Z usam m enhang
bringen m öchte.
P r o f . D r . M. H a b e r l a n d t .
Hildegard Z o d e r : K i n d e r l i e d u n d K i n d e r s p i e l a u s W i e n
u n d N i e d e r Ö s t e r r e i c h . W ien 1924. Ö sterreichischer Schulbücherverlag.
Die V erfasserin will mit dieser hübschen kleinen Sam m lung von K inderliedeni, -Sprüchen, R ätsel- u n d Scherzfragen, A uszählreim en u. a. m. — im
ganzen sind es 271 N um m ern — die sie aus eigener' E rinnerung u n d aus
B eobachtung der Spiele ihrer K inder sow ie d er Jugend des IJc h te n ta ls und
a n d e rer volkskundlich ergiebiger G egenden W iens u n d d e r Provinz zusam m en­
gestellt hat, vor allem A nregung zur E rw eiterung und V ervollständigung des
M aterials durch E ltern, L e h rer und K inder b ieten ; d enn für diese ist das
Büchlein in e rster L inie geschrieben. D och nicht nur ihnen w ird es F re u d e
b ereiten, auch der F o rsc h er k ann darin m itu u ter w ertvolles M aterial zur E r ­
gänzung ähnlicher A rbeiten aus an d eren G egenden sow ie zur A ufdeckung
g rö ß erer Z usam m enhänge zwischen d en einzelnen d eutschen L andschaften
finden.
G erade in unseren T agen, wo man — wohl infolge d e r g rößeren Be­
schäftigung m it dem K inde und d e r gesteigerten F ü rso rg etätigk eit für die
Jugend — diesem G ebiet, das so reich an volkstüm lichen Ü berlieferungen und
altem S prach- und K ulturgut ist, m ehr A ufm erksam keit als b isher zuw endet,
w ird dieses Büchlein, das m it L iebe zur S ache geschrieben ist u n d überdies
einen w ertvollen Baustein zu einer V olkskunde W iens bringt, einer freu n d ­
lichen A ufnahm e gew iß sein.
D r . A. P e r - k m a n n .
B a d i s c h e V o l k s k u n d e : V on Dr. E ugen F e h r l e , P rofessor an der
U niversität H eidelberg. Mit 72 A bbildungen au f T afeln und im T ex t. E rste r
Teil. V erlag Q uelle u n d Meyer, Leipzig, 1924. 199 Seiten.
I.
S p r a c h e u n d A r t d e s V o l k e s . D ie B evölkerung B adens ist
nicht einheitlich. R este der seit d er jü n g eren S teinzeit auf badischem Boden
ansäßigen alpinen R asse finden sich zum Teil ganz rein erhalten in W olfach
und O berkirch. Im Süden tre te n vereinzelt M erkmale der d inarischen R asse
auf. 260 n. Chr. gelang es den A lem annen das G ebiet rechts des R heines,
das sie ein st den K elten en trissen und d an n an die R öm er verloren hatten,
26
w ieder zu gew innen. Sie w ürden 496 von d en F ran k en aus dem N eckar- und
M aingebieten nach S üden g ed rän g t; darau f geht die heutige B evölkerungs­
einteilung zurück, der N orden, im V olksm und U n terlan d gen an n t, ist von
F ran k en , der Süden, das O berland, von A lem annen besetzt. D er U nterschied
beider M undarten wird an zahlreichen B eispielen dargetan. E benso d er
W esensunterschied zwischen den ern sten , oft unbew eglichen, schw er zu
g ew innenden A lem annen u n d den leicht bew eglichen, städtisch beeinflußten,
fröhlichen und etw as p rahlerischen F ran k en .
II, E m p f i n d u n g s - u n d D e n k a r t d e s V o l k e s . E ine fast starre
G ebundenheit an gew isse G esetze des V o istellen s d e r jed o ch alle E intönigkeit
fernbleibt, ist b ed in g t d u rch ein stark es G em einsam keitsgefühl. D ieses V olks­
d enken zeigt sich b eso n d ers deutlich in den R undzahlen 3, 9, 7, die sich m it
auffallender G leichm äßigkeit in M ärchen, Sage, L ied u n d G lauben w iederholen.
Im V olkslied zeigt sich diese G esetzm äßigkeit des V olksdenkens im ganzen
darin, d aß zunächt von ein er B eobachtung ausgegangen wird, an die sich
gefühlsm äßig E m pfindungen und E inzelbilder ohne logischen Zusam m enhang
anreihen. D iese A rt des D en k en s b ringt einerseits die vV anderstrophen-V erse,
-M elodien, andererseits das Z ersingen d er L ied er, w eiters die zahlreichen
Stim m ungsbilder und S tim m ungsergüsse u n d die w eitgehenden G leichsetzungen
m it sich. W ie das Märchen, das L ied durch W iederholung bis ins kleinste
ein E rlebnis m öglichst eindringlich zu g estalten sucht, so auch die bildende
Volkskunst, die ihre A nregungen oft aus d er h ohen K u n st holt. D eshalb sind
ihre W erk e nicht im m er »gesunkenes K ulturgut« — ein A usdruck von H ans
N aum ann geprägt, der in Einzelfällen fraglos am Platze ist — es han d elt sich
dabei eher um ein Ü bernehm en d e r städ tisch en K ultur durch die L an d ­
b evölkerung, die sie nach W ollen und Können um form t. Mit scharfer
B eobachtungsgabe w erden die B esonderheiten d er N achbardörfer h erau s­
gefunden und m it trefflichem Witz g ek en n zeich n et in den zahlreichen O rts­
neckereien.
III. D a s B a u e r n h a u s . D ie heutige H ausform in Baden ist das
o berdeutsche Zweifeuerhaus, H erd u n d O fen steh en an einer W and, letzterer
wird m it der im alem annischen w eitv erb reiteten K unst, einer S tein b an k mit
W andlehne vom H erd aus erw ärm t. D as H aus ist auf dem ganzen G ebiet
dreiteilig, in der M itte die E rn und K üche, rechts und links W ohnräum e,
Stallungen und Scheune. Im Süden ist d e r E inbau landesüblich, im N orden
die G ehöftanlage, im O denw ald beides (G ehöft in den Tälern). Bezeichnend
sind die R undbogentiiren im stein ern e n E rdgeschoß, sie lassen sich au f G rund
von F u n d en — häuschenartigen G rabaufsätzen — im G ebiet d e r Mediom atriker (V ogesen) seit C hristi G eb u rt nachw eisen und gehen w ahrscheinlich
auf röm ischen Einfluß zurück. Man w ird für abgelegene B auernhäuser eher
eine fortlaufende E ntw icklung von d e r R öm erzeit h er annehm en als rom anische
Beeinflussung sp äterer Jah rh u n d erte. N eben Einzelhöfen, die außer im Schwarzund O denw alde selten sind, findet m an D örfer dem Bach oder d er S traß e
entlang angelegt, od er H aufendörfer. Das H ausaufrichten wird feierlich
begangen, B auopfer sind n u r aus R e sten u n d aus d er Sage b ek an n t. D er
fertige Bau wird durch Inschriften, N eidköpfe und H eiligenbilder geschützt.
Beim gem einsam en F lachsbrechen, beim Spinnen in d er gem ütlichen S tube
ist A rbeit und F re u d e verbunden.
26
IV. D e r B a u e r n g a r t e n . D er alte germ anische G arten enthielt m it
die w ichtigsten Nutzpflanzen. In je d e r n euen kulturgeschichtlichen E poche
w urde d er deutsche G arten b ereich ert, zunächst durch G ew ächse aus den
M ittelm eerländern, von den R öm ern zugleich m it d er an tik en K ultur eingeführt, sp äter m eist durch gelehrte M önche, vereinzelt durch H um anisten.
Diese F rem dlinge w u rd en m it dem anhaftenden H eil- und Z auberglauben
b ald dem V olke v e rtra u t und im V olkslied besungen. D aneben finden sich
d er altdeutsche A pfelbaum , H ülsenfrüchte, Flachs, H olunder, Schlüsselblum e
und and ere einheim ische Pflanzen. D urch die K reuzzüge bek am d er H e rrn ­
garten m anchen Zuwachs aus dem O rient, d er dem Bürger- und B auerngarten
w eitergegeben w urde. Durch die T ü rk en kam en zum Beispiel T ulpe, H yazinthe,
R oß k astan ie und F lied e r zunächst an F ürsten h ö fe, d ann in die S tad t und
aufs L and. Seit 1517 bezog m an frem de M arktw aren von den Portugiesen,
sie b rach ten zum Beispiel B alsam inen und G eranien. Die EntdeckungA m erikas b rachte Mais, Kartoffel, T abak, S onnenblum e und K apuzinerkresse.
V or allem verän d ert das A ussehen d e r B auerngärten die E inführung der
prächtigen D ahlie (G eorgine) aus A m erika E n d e des 18. Jahrhunderts.
V. V o l k s t r a c h t . T rach ten g ib t es fast nur m ehr im O berland, im
U nterland vereinzelt in w enigen D örfern des bayrisch beeinflußten »Gäues«.
Die B ackenhaube m it dein silber- (Baar) o d er g o ldgestickten (Schwarzwald)
Boden w ird von Schw aben und A lem annen getragen, verw an d t ist das O den­
w älder B andkäppli. M annigfacher ist die G estalt d e r Schleifenhaube. Im
Som m er w urden S tro h h ü te getragen, in G utach die schönen B ollenhüte m it
roten (M ädchen) oder schw arzen (Frauen) W ollrosen verziert. Zur F esttrac h t
der Jungfrau gehört das Schapel. M ieder und H alstücher zeigen große
M annigfaltigkeit. Im N orden trag en die M änner dreieckige H üte. In d e r Baar
h at sich das Schnurkäpple m it einer dicken T ro d d el erhalten. G elbe H irsch­
lederne K niehosen w erden nur m ehr vereinzelt im hinteren Kinzigtal getragen.
A uf die V erbreitung d er T rach t des O chsenfurter G aues w ird n äh er ein­
gegangen. D er in dieser Ü b ersich t an g ed eu tete reiche u n d für die W issen ­
schaft neue Stoff, b eso n d ers d an k en sw ert ist die liebevolle und gründliche
B ehandlung des B auerngarten, ist in schöner fließender Sprache, in w arm em
herzlichen T one, mit großer Bildhaftigkeit und L e b end ig k eit d argestellt. Im m er
w ieder w erden E ntw icklungslinien, Z usam m enhänge m it d e r gesam ten
deutschen K ultur aufgew iesen, so d aß das in w issenschaftlicher u n d
darstellerischer H insicht vorbildliche Buch nicht nur eine ausgezeichnete E in ­
führung ins badische V olksleben b ietet, so n d ern auch von allgem ein v olks­
kundlicher und kulturgeschichtlicher B edeutung ist,
Dr. L i 1 y W e i s e r .
D . ü. van d e r V e n : N e e r l a n d s
V o l k s l e v e n . Zalt Bommel. 1920.
X + 368 S.
D er F olioband b ietet in G estalt eines P rachtw erkes für w eitere K reise
H ollands eine um fassende V o lk sk u n d e des L andes. Zweck des Buches w ar
die P ropaganda für den g roßartig g eplanten A usbau des niederländischen
F reilichtm useum s (openluchtm useum , w örtlich Freilichtm useum ) au f dem W aterberg bei A rnhem als M ittelpunkt für gem einsam e volkskundliche Forschung..
A uf die B eschreibung der bis zum E rsch ein en des Buches fertiggestellten
27
Baulichkeiten folgt eine lebendige S childerung des w ohlgelungenen V olks­
u n d T rachtenfestes, das im S ep te m b er 1019 im Raum d er w eiten M useum s­
anlagen in der D auer von ein er W oche abgehalten u n d durch einen bild er­
reichen Umzug durch die S traßen A rnhem s g ek rö n t w urde. In nicht w eniger
als 318 sachlich und künstlerisch einw andfreien A bbildungen nach zum Teil
von freiwiliigen H elfern b eigestellten p h o tographischen A ufnahm en entrollt
sich vor dem B etrach ter in frischer, blutw arm er U nm ittelbarkeit die b unte
E igenart unverfälschten holländischen V olkslebens. D as W erk will A nleitung
und E rm un terung zur allgem einen M itarbeit an d er volkskundlichen E rforschung
des L an d es sein, indem es die M annigfaltigkeit und den h ohen W ert des
heim atlichen Besitztum s an geistiger, seelischer und m aterieller V olkskultur
vor A ugen führt. M ittelpunkt dieser S tudien, ab e r auch Pflegestätte nationaler
Lieder, T änze, Spiele u n d selbst B räuche soll die M useum sanlage au f dem
W asserberge w erden, a u f dessen G elände von 5 zu 5 Jahren jen es große
nationale F e s t seine E rn eu eru n g finden soll. Im folgenden seien einige aus
den A bbildungen hervo rg eh o b en u n d eigene B em erkungen darangeknüpft.
A bbildung 2 zeigt das stu b en lo se altsächsische H allenhaus, das u n ter
seinem w eiten S atteldach in d er g ro ß en D iele Plerd, W ohnraum u n d T en n e
in w enig w ohnlicher W eise v erein ig t; A bbildung 35 einen der selten g e­
w ordenen freistehenden, tu rm artig en S peicher, w elche gleich dem sk an d i­
navischen sto lp e h u s l) au f S tändern errich tet sind u n d in K riegszeiten als
Zufluchts- und V erteid ig u n g so rt dienten. A uf d e r R ep ro d u k tio n eines K upfer­
stiches aus dem E n d e des 18. Ja h rh u n d ertes (Abb. 112) fällt uns die D rei­
königskerze (mit drei gleich hohen A rm en) auf, die nicht n ur am schw edischen
Ju la b e n d 3), so n d ern auch am W eih n a ch tsab en d d er Südslaw en b re n n t.3) Sie
dürfte als ursprünglicher, w e itv erb reiteter L ichterbaum aufzufassen s e in 4), als
W eltenbaum , der zur W eihnachtszeit sichtbar w ird.6) D er D reisproß erscheint
hier in G estalt eines W achslichtes, gleich dem Januskopf, d e r auch ein Bild
des M onates ist, am Jahresbeginn. U rsprünglich ein M onatsbaum , b ed eu te t er
am Jahresbeginn den Jah resb au m .6)
Die A bbildungen 120 bis 125 zeigen Palm paasch-Form en. D er n ied er­
ländische Palm , als erstes F rühlingsgrün das G eschenk der T oten-(V egetations-)
G eister (die »Engel« bringen ihn), ist ein m it Buchsbaum laub um kleideter
Stab o der Gabelzweig. E r w eist eine reiche u n d m annigfaltige A usschm ückung
auf, die un ser Palm zum grö ß eren T eil bereits verloren hat. V on b ed eu tu n g s­
voller Sym bolik sind die T eiggebilde, die er trä g t: teils brezelartige, teils
vogelgestaltige. L etztere sind G estalten des B aum geistes. E in st w aren es
lebende V ögel (H ähne), u n d sie w aren schon dam als an den Zweig gebunden,
um ihre Z ugehörigkeit zum Baume darzutun. Man tö tete sie als V egetations’) Vergl. W ien e r Zeitschrift für V olkskunde. 28. Jahrg., S. 74.
2) H. F . Feilberg, Jul (A llesjaelestiden, H ed en sk , K risten Julefest), I, 184.
3) E. Schneew eis, Die W eihn ach tsb räu ch e d er S erb o k ro aten (E rgänzungs­
band X V zur W iener Z eitschrift für V olkskunde, W ien 1925), S. 67.
4) K. S pieß in der W ien e r Z eitschrift für V olkskunde, 28. Jahrg , S. 41, 50,
deutet den in der V olkskunst und im V olksbrauch geläufigen dreisprossigen
Baum als Sinnbild des M onates m it d en drei L ichtw ochen aus dev altarischen
Zeit der M ondverehrung.
s) Vergl. a. a. O., S. 55.
°) Vergl. a. a. O., S. 67.
däm onen, um erneutem , vollkräftigem W achstum R aum zu schaffen.1) Man v e r­
gleiche das H ahnschlagen in sein en verschiedenen F o rm en , insb eso n d ere das
in A sturien am F aschingsonntag übliche, w obei d er H ahn gehetzt, lebend,
m it dem K o p f nach abw ärts, an einen Baum g ebunden und zuletzt g eköpft
w ird.2) E benso wird au f dem »Kallem oibaum « zu Pfingsten au f dem Eiland
Schierm onnikoog« durch drei T ag e ein leb en d er H ahn (in einem Korb) auf­
gehängt.3) D en R osm arin- oder Buchsbaum zw eig m it T eigvögeln d arau f finden
wir auch im W eihnach tsk u ch en d er K ro aten ste c k e n d .4) Die b u n te n B änder
und Papierfähnchen sollen den im Zweige w o hnenden B aum geist kleiden, die
F ächerchen dürften einen W indzauber darstellen. D as durch drei Apfel ge­
steckte P alm paaschstäbchen von M edem blik (Abb. 122 a) ist gleich dem
K lausenbaum ein M onats-(Jahres-, W eiten-)Baum . A bbildung 124 c, m it den
zwei Q uerstäben, d eren ob erer kürzer als der u n te re ist, bek räftig t die D eutung
des P alm paasch als künstlich aufgebauten B aum es (Pyramide).
An D arstellungen von V olksbräuchen, teils nach alten Bildern, teils
nach der V orführung am V olksfeste, seien angeführt: D as M aibaum setzen, die
Pfingstbraut, ein S p in n ab en d in alter Zeit, das St. M artinfeuer, d er Paaschos
(O sterochse), die S ternsinger, d er Umzug des heiligen M artin u n d d er des
Sinterklaas, des g rö ß ten niederländischen V olksheiligen, ü b er den Josef
Schrijnen als den Nachfolger W odans geh an d elt h a t.B)
D er erste Teil des T ex tes, ü b er das Museum, ist zum g ro ß en T eil der
niederländischen H ausforschung gew idm et, die im w esentlichen durch Gallée
m it seinem W erk e H e t nederlandsche B oerenhuis re p rä se n tie rt wird. Nach
V an der V en h at seine T heorie von d e r E n tsteh u n g des friesischen B auern­
hauses neuerdings in H ollan d heftige Angriffe erfahren. Es will m ir scheinen,
als ob vorderhand au f keinem a n d eren G ebiete d er V olkskunde eine e n t­
schiedene S tellungnahm e für die eine o d er an d ere R ichtung w eniger ratsam
wäre, als auf dem d er H ausforschung, wo die E ntleh n u n g ein e weit größere
Rolle spielt als etw a im Brauchtum,, ganz b eso n d ers aber in dem von so
vielen Seiten kulturell beeinflußten u n d von m annigfaltigen S täm m en b e­
w ohnten kleinen H olland. D en H au p tteil des Buches b ild et die in breitem
P lauderton m it w iederholten volkskundlichen Seitenblicken geb rach te aus­
führliche Schilderung des F estzu g es; die eingestreuten folkloristischen E r­
klärungen dürften doch wohl etw as zu allgem ein gehalten sein.
Van d er Ven h a t sich a/s volkskundlicher S am m ler und p o p u lä re r
Schriftsteller sowie als großzügiger A nreger u n d O rganisator um die n ie d e r­
ländische V olkskunde große V erdien ste erw orben. U n ter anderem h a t er auch
die Frühlings- und Som m erbräuche seines L an d es in zwei F ilm w erken mit
G eschick festgehalten.
D r. E d u a r d W e i n k o p f.
4) J. G. Frazer, T he G olden Bough.
2) D e L lano, Del F o lk lo re A sturiano, S. 219.
3) Siehe d arü b e r V. d. V en in »Ons E igen Tijdschrift«, Maiheft 1924,
S. 202 f. und 205, m it 3 A bbildungen.
,4) Schneew eis, a. a. O., S. 53.
5J »De Heil. Nikolaas in het F olklore«, R oerm o n d 1898. F eh lt, wohl
durch ein V ersehen, in der L iteratu ran g ab e im T ext.
29
Jahresbericht
des Vereines und M useum s für Volkskunde 1924.
D er vorjährige Jah resb erich t schloß m it d er Mitteilung an die zuständigen
Stellen sowie die gesam te Ö ffentlichkeit, daß d er nahezu unerträgliche w irt­
schaftliche N otstand, u n ter dem das Museum für V olkskunde leidet und der
seine einfache E xistenz und gesunde W eiterentw icklung geradezu in F rag e
stellt, nicht m ehr viel länger an d au ern dürfe, solle es nicht zu einer völligen
Krisis im B etrieb dieses h erv o rrag en d en heim atkundlichen Instituts kom m en.
E s d arf gesagt w erden, d aß d ieser Appell zu u n serer G enugtuung nicht
ganz ungehört geblieben ist. Sowohl d er Bund, d er die P ersonallasten und
die B eheizungskosten des In stitu ts b estre itet, wie ■die S tad t W ien und die
H andelskam m er haben über fo rtg esetzte eindringliche V orstellungen der V ereins­
und M useum sleitung unserem In stitu t im B erichtsjahre erhöhte F ürso rg e zuteil
w erden lassen. A uf dem W ege einer b e re its d u rchgeführten S atzungsänderung,
gem äß w elcher die Bildung eines eig en en M u s e u m s a u s s c h u s s e s un ter
en tsp rech en d er T eilnahm e des B undes sow ie d er G em eindeverw altung W ien
vorgesehen ist, d arf die V ereinsleitung hoffen, daß die O bsorge für die E r­
haltung des M useums, die bisher als drü ck en d e und verantw ortungsvolle Bürde
vom V erein ausschließlich getragen w orden ist, nunm ehr in gleichem Maße
auch von den genann ten F a k to re n a u f sich genom m en w erden wird. Zu dieser
b eruh ig en d en W endu n g gesellt sich d e r erfreuliche U m stand, daß die W iener
Kam m er für H andel, G ew erbe u n d In d u strie ü b er A nregung des H errn
K am m errates H erm ann K a n d l sich in d an k en sw e rte ste r W eise veranlaßt
gefunden hat, durch G ew ährung ein er S ubvention von je IC 10,000,000 für
die Jahre 1924 bis 1926 die finanzielle L age des M useums w esentlich zu e r ­
leichtern. Die V ereinsleitung darf sich von dem fördernden Zusam m enw irken
des Bundes, der Stadtverw altung u n d d er H andels- u n d G ew erbekam m er
künftighin jen e B efreiung von unerträglichem N otstand u n d verhängnisvoller
Behinderung jed er W eiterentw icklung erhoffen, für welche es im B erichtsjahr
tatsächlich bereits die höchste Zeit gew orden war.
Mit dem E in tritt des H errn P räsid en ten des S tadtschulrates N ationalrat
O tto G 1 ö c k e 1 in das Präsidium , d es H errn K am m errates H erm an n K a n d l
als V ertreter der H andelskam m er u n d d es H errn Dr. G eorg K o t e k als V er­
tre te r des D eutschen V olksgesangvereines in den A usschuß d a rf die V ereins­
leitung m it F re u d e die H offnung a u f eine bedeutungsvolle F ö rd eru n g ihrer
A ufgaben verbinden. Mit innigstem L eidw esen erin n ern wir uns dagegen des
schm erzlichen V erlustes, den wir im Mai des B erichtsjahres d u rch d e n frühen
H eim gang des A usschußrates K onrad M a u t n e r , dieses bew ährten F reu n d es
und M itarbeiters,, erfahren haben.
Dem D irektor des M useum s und G en eralsek retär des V ereines P rofessor
Dr. A rthur H a b e r l a n d t , der als einziger w issenschaftlicher B eam ter das
In stitu t zu leiten h at und die vielseitige, ihm auferlegte A rbeitslast m it Auf­
opferung trägt, steh t der im R uhestand befindliche Prof. Dr. Michael H a b e r ­
l a n d t m it A ufw endung seiner ganzen M uße und K raft helfend zur Seite.
Als freiwillige H elfer betätigten sich in den letzten M onaten des Jah res 1924
30
auch die H erren H ofrat S t i e f l e r u n d R udolf G a l l o i s in d a n k en sw erte r
W eise bei versch ied en en M useum sarbeiten
D ank d er U nterstützung durch die H andelskam m er w ar es im B erichts­
jahre auch möglich, die als R estau rato r, P h o to g rap h und so n st in jed e r
m usealen A rbeit bew äh rte K raft des H e rrn R o b ert M u ö n j a k ganzw öchentlich
fiir die M useum sagenden zu verw enden. Im gleichen erreichte das M useum
durch die E instellung einer tüchtigen B ibliothekskraft in d er P erson von
Dr. A delgart P e r k m a n n die A usfüllung e in er längst schm erzlichst em ­
pfundenen V erw altungslücke. Zu unserem L eidw esen m ußten die E n tlohnungen
für das gesam te M useum spersonal im Jahre 1924 noch derart niedrig g ehalten
w erden, daß eine A ufbesserung dieser b eschäm enden A nsätze n u n m eh r ganz
unausw eichlich erscheint. W ir erw arten eine solche au f das bestim m teste für
das Jah r 1925 von der m aßgebenden Stelle.
A ußer der Bestellung des bundesstaatlich en M useum sdirektors h a t das
M inisterium für U nterrich t für die P erso n alk o sten , die B eheizung d er A rbeits­
räum e, das T elep h o n u n d die K anzleiauslagen den U n terstü tzu n g sb etrag von
K 42,530.200 gew ährt. D ie V ereinsleitung fühlt sich angenehm verpflichtet,
für diese Zuw endung dem Ministerium für U n terrich t geziem end zu dan k en .
B esonders d an k b a r verzeichnen wir ferner die Zuw endung von 7 Mil­
lionen K ronen seitens des V e r e i n e s d e r M u s e u m s f r e u n d e , der
K ranzablösungsspende von K 2,250.000 nach unserem v e rsto rb en en A usschuß­
rate K onrad M a u t n e r , für die wir dessen H e rrn Bruder S te p h a n M a u t n e r
herzlichen D ank schulden, den B eitrag von 2 M illionen durch den V e r e i n
d e r B a n k e n u n d B a n k i e r s sow ie die W idm ung von K 500.000 durch
H errn V izepräsidenten R o b ert H a m m e r .
A uf G rund m ehrfacher d rin g en d er V orsprachen u n d V o rstellungen beim
H errn B ürgerm eister d er S ta d t W ien K arl S e i t z u n d dem geschäftsführenden
H errn S tad trat H ugo B r e i t n e r , bei w elchen H err P räsid en t O tto G l ö c k e l
d er V ereinsleitung seine u n schätzbare U n terstützung lieh, h a t die S tad tv er­
w altung im H erb st 1924 nicht n ur die d rin g en d sten baulichen E rn eu eru n g en
am M useum sgebäude zur D urchführung gebracht, so ndern auch durch G e­
w ährung einer S ubvention von 20 M illionen die E rsta ttu n g des M ietzinses
und der sonstigen städtischen G ebühren erm öglicht. D ie V ereinsleitung spricht
htefür auch öffentlich den w ärm sten D ank aus.
D ie V e r m e h r u n g d e r S a m m 1 u n g e n hielt sich b eg reiflich er­
w eise in d en besch eid en sten G renzen; vom S tadterw eiterungsfonds w urden
rund 66 N um m ern überlassen, die geschenkw eisen Zuw endungen (von L eh rer
O tto Mifka, Dr. E. G oldstern, J. C zech-Czechenherz, E. W in k ler, J. Iskra,
Dr. E. Fricss, F. M uJnjak) b e tru g e n 38 N um m ern, an gekauft w urden 22 O bjekte.
Neu zur A ufstellung gelangten die zahlreichen, m it U n terstü tzu n g des
V e r e i n e s d e r M u s e u m s f r e u n d e erw o rb en en p rächtigen V olks­
ku n sto b jek te aus d en österreichischen A lpenländern, w orunter b esonders
6 prächtige Öfen des 17. und 18. Ja h rh u n d erte s sow ie eine g otische T äfelung
aus Südtirol hervorzuheben sind. F ü r die A ufstellung d erselb en h a t d er g e­
n an n te V erein den nam haften B etrag von 7 Millionen gew ährt, w ofür die
M useum sleitung den w ärm sten D ank ab sta tte t. F ü r die bezüglich m eh rerer
Sam m lungsabteilungen (E isenobjekte, H olzgeräte, T extilien, T rach ten stü ck e)
31
äußerst notw endigen R estau rieru n g sarb eiten , die von der sachkundigen H and
R o b ert Mußnjaks höchst befriedigend durchgeführt w urden, w urde der Betrag
von K 3,627.200 verausgabt. D er R estau rierab teilu n g des K unsthistorischen
S taatsm useum s sind w ir für die sachkundige B ehandlung zahlreicher Beleuch­
tungsgeräte d er vorm aligen Sam m lung B enesch seh r zu D ank verpflichtet.
V erm ehrte F ürsorge w urde im B erichtsjahre u n se rer Bibliothek zugew endet;
die V erm ehrung betru g 169 neue N um m ern mit 181 B änden, 8 neue F a c h ­
zeitschriften, 494 Photographien, 23 A nsichtskarten und 154 sonstige A b­
bildungen. An D iapositiven zur U n terstü tzu n g d er V ortrag stätig k eit w urden
66 Stück neu angefertigt.
F ü r die L ehrk räfte d er Volks- u n d B ürgerschulen w urde ü b er W unsch
und im E invernehm en des S tad tsch u lrates im F rühjahr 1924 ein seh r gut b e.
su ch tet achtw öchiger V ortragskurs zur Einführung in die V olkskunde abge­
h alten ; desgleichen im H erb st au f A nregung d e r K am m er für H andel und
G ew erbe ein M useum skurs zur p ro d u k tiv en A usw ertung d er M useum ssam m ­
lungen, für w elche sich 160 T eiln eh m er gem eld et h atten . B eide K urse ge­
langen in diesem Jah re zur W iederholung. D ie K urse w erden von H ofrat
Prof. Dr. Michael und Prof. A rthur H a b e rla n d t in G em einschaft abgehalten.
F ü r die H örer d er U niversität fanden durch die gleichen V o rtragenden V or­
lesungen und Ü bungen volkskundlichen Inhalts statt.
M useum sassistent
Vlakovic aus Belgrad, Dr. M. O ren d aus K lausenburg sowie Dr. V uja w urden
je durch m ehrere W ochen in den M useum sbetrieb eingeführt.
D er B e s u c h d e s M u s e u m s blieb zufolge des U m standes, daß
w ährend der zw eim onatlichen baulichen A daptierung im M useum sgebäude der
E inlaß für die Schulen u n d den allgem einen Besuch g esp errt w erd en m ußte,
h in ter dem vorjährigen zurück. Im m erhin verzeichneten wir 206 Schulklassen
mit 6753 Schülern sowie ru n d 2500 sonstige P ersonen, d aru n ter zirka 20U Aus­
länder, im Besuchsbuche. F ü r zahlreiche Schulklassen, V ereine, A rbeiter­
v erbände und gew erbliche Schulen u n d V ereine w urden F ü h ru n g en durch
die Sam m lungen veranstaltet.
V on u n serer W iener Zeitschrift für V olkskunde ist d er 29. Jahrgang
m it zahlreichen w ertvollen B eiträgen v o n Dr. L. F ranz, Dr. E. G oldstern,
Prof: Dr. V ölker, D irek to r Loehr, Prof. Dr. R. Much, Dr. R Schöm er, L. ITöfer
u. a. ersch ien en ; für die Beigabe v o n A bbildungen h ab en F ra u Dr. E. G old­
stern und H err G roßgrundbesitzer S an d o r W olf nam hafte B eträge gewidmet,
wofür ihnen herzlichst g ed an k t sei. A ußerdem w urde als XV. E rgäuzungsb an d die w ichtige und inhaltvoile M onographie ü b er »Die W eihnachtsbräuche
d er S erbokroaten« von Prof. Dr. E. S c h n e e w e i s veröffentlicht. D er aus­
gew iesene Saldo von IC 16,653.709 ist durch die D ru ck k o sten für diese V er­
öffentlichung im B etrag von 26 Millionen K ronen belastet, d er allerdings
durch den Absatz voraussichtlich zum g rö ß eren Teil g ed eck t w erden w ird
u nd von der D ruckerei R eiß er bis 30. Juni 1925 g estu n d et wurde. W ie.im
V orjahre sp en d ete iibei freundliche B efürw ortung durch H errn H ofrat Professor
Dr. R. W e t t s t e i n die E m ergency Society for G erm an and A ustrian A rt
and Science durch H e rrn Prof. Dr. F ran z B o a s in New-Y ork zur U n ter­
stützung u n se re r V eröffentlichungen den B etrag von 75 Dollar, w ofür wir
aufrichtigsten D ank sagen.
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H e r i u i s g e b e r , E i g e n t i h n e r u n d V e r l e g e r : V e r e i n F ür V o l k s k u n d e i n W i e n , V T I I. L a u d o n g a s s e 1 7 . —
V e r a n tw o r tlic h e r R e d a k te u r : P r o f . D r . M ic h a e l H a b e r l a n d t . ' — B u c h d r u c k e r e i H e lio s , W ie n I K .
30. Jahrgang 1925 .
Heft 3—6.
Der »Lehrer« d es Herondas.
Von L. R a d e r m a c h e r , Wien.
Vom Schulbetrieb der Ant ike ist u n s durch Pa p y r us f un d e
mancherlei u n d auch Ergötzliches b e k a n n t g e wor de n. Da gibt es
z um Beispiel die lateinische U eb er s e tz ung einer griechischen
Babriusfabel,1) die in naiver M i ß h an d l un g des Latein wohl das
Ae uße rst e leistet, das je von einem Abc-Schützen erdacht wo rd en
ist, begi nnend mit dem Satz: l up pu s a u t e m a ud it us anucel lam
vere dictum p u t a t u s mansi t, w a s hei ßen soll: »Als es der Wolf
gehört hatte, blieb er, weil er glaubte, die alte Fr au rede wahr.«
Das beste u n d wertvollste St üc k dieser Art ist d er dritte Mi mi amb
des He r on d a s mit der Ueberschrift cio-y/ny.Koc »der Lehrer«.
Her on d a s ist ein a l exa nd r i ni s ch er Dichter, der in seinen lebendig
geführten Dialogszenen, Nachbil dungen des alten Mimus, eine
scharfe B e o ba ch t un g des täglichen Lebens mit ironischem Humor
verbindet. Die U n g e sc hmi nkt he it , mit der er sich über alles
Menschliche äußert, m a g nicht nach j e d e r m a n n s G e sc h m a c k sein,
u nd n i e m a n d wi r d b e ha u p t e n wollen, d a ß solche Poesie — denn
die Da rst el lu ng bedient sich der H i nk ja mb e n —■ auf einer hohen
Stufe stehe, aber für den Ku lt ur his tor ike r h a t sie doch einen
s t ar ke n Reiz. Hier, wo da s Leben der schlichten Leute geschildert
werden soll, dürfen wir auch er war ten, Dingen zu begegnen, die
d em Vo lk s ku nd l er wichtig und bel ehr end sein können, u nd wenn
ich nun v om »Lehrer« de s H e r o n d a s e t wa s ausführlicher spreche,
so geschieht dies hauptsächlich, u m ein p a a r Stellen zu behandeln,
die in ihrer Absicht noch nicht g en üg en d g e w ür d ig t zu sein
scheinen.
Daß sich Eltern ü be r die Faul hei t u n d Nichtsnutzigkeit ihrer
Söhne beim Lehrer b es chwer en, ist ein Vorgang, der in der Ge ­
schichte der Menschhei t sich wa hr s chei nl ich so lange wiederholen
wird, als es ü b e r h a u p t Schulen gibt. Für die Antike ist der Brauch
durch eine A e u ß e r un g des Dio C h r y s o s t o m u s als be st e he nd e r ­
wi esen. 2) Es ist nicht o h n e w e i t e r s ' verständlich, w a r u m in solchen
>) S. Rhein. Mus., LVII, 142 f.
2) Or. XLVI, 14: waäsp tmv 7tatSfcov tmv arar.TOTSfjWV olV.ot %po?
t o ö c S '. o a r s r . d k o o g
x a a j ' p p o ö o i v oi ypomjyovTsc, onttoci y . a l v j . i m v S r ^ u o v
a\uj.[,xi<\s,r!xn, iz''or systvou; (die Römer) airaf^D-stat.
34
Fällen die Mütt er v o r ge s cho be n zu we rd en pflegen; a ber auch
die Erf ahr ung von heut e lehrt, d a ß Väter sich z ur ü c k zu h a l te n
pflegen, vielleicht weil sie die Ei nb uß e an A ut o r it ät befürchten,
die sich ergeben m u ß, we nn sie gestehen, selber mi t ihren S p r ö ß lingen nicht fertig zu werden. Doch w a r der Vat er des Sohnes,
u m den es sich bei H er ond as handelt, nach den Angaben der
Gattin alt, blind u n d t aub u n d so mi t schon infolgedessen h i n ­
r ei chend entschuldigt.
Ich gebe zun äc hs t in e t wa s freierer For m die An sp r ac he
wieder, mit der die Mutt er sich an den Le hr er wendet, u m de ss e n
Zorn gegen den u ng e ra t en e n S p r o ß kräftig zu entf lammen. Es
ist ein Register aller mögli chen Missetaten.
»So w a h r Dir,
L a m p ri s k os , « h eb t sie an, »die lieben Musen (die Sc hi r m he r ri nn e n
des p äd ago gi sc he n Betriebs) einen a n g e n e h m e n G e n u ß von
Deinem Leben ge wä hr le is te n mögen, bitte ich Dich, di esem
Bur sc he n hier die g e b ü hr e nd e T r a ch t Prügel zu yerabreichèn, bis
seine üble Seele' noch ge r ade auf s einen Lippen ein Halteplätzchen
findet. Mir Ar me n d emol ie rt er das Haus mit sei ner Spielwut. An
den Würfeln h a t er nicht sein Genügen, L a mp r is k o s, s on d e rn
m a c ht sich schon an s ch l imme re Dinge. Wo der Herr Lehrer
w o h n t u n d ma n am d r ei ßi gs ten da s Schulgeld, s a u e r genug, zu
zahlen hat, v e r m a g er nicht so schnell anzugeben, m a g ’s mich
a uch T r än e n kosten, wie wei l and Na nna kos . Aber den Spielplatz,
w o Zu hä lt er u n d Diebe angesi edel t sind, den wei ß er g e n a u auch
einem ä nd er n zu zeigen. Die Schreibtafel, die ich ihm jeden
M o n a t m ü h s a m neu ü b er wachâe, liegt v er l a ss e n vor dem B e t t­
pfosten an der Wand, l ä ng s t bevor er sie, mit einem Blick wie
auf ein Ge spe ns t, nicht s owohl beschrieben, nein, g an z u n d g a r
v e r k r a t z t hat. Aber die Marmeln, die er im S a c k trägt, gl änzen
v o m G ebr auc h är ger als u n s e re Oelflasche, die wir doch in t ä g ­
licher V e r w e n d u n g haben. Noch nicht auf den ersten Buc hs ta be n
im Al phabet wei ß er sich zu besinnen, es sei denn, d a ß m a n ihm
fünfmal das A ins Ohr schreit. Als v or ge st er n der Vater ihm
, Ma ro n ‘ vorbuchstabi ert e, h a t dieser Edle d a r a u s einen ,Si mon'
g e ma ch t. So d a ß ich mich eine Närrin schalt, die ich ihn in die
Schule schicke, in der Hoffnung, eine St üt ze für d a s Alter zu g e­
winnen, s ta t t ihn zum Eselt r ei ber 1) ausbilden zu lassen.«
Die Mutt er redet wie eine F r au a u s d e m Volke, die ihr
Herz a uss chütt et. Der kräftige T on wi r d auch im Folgenden bei­
behalten. Wir erfahren, d a ß der Sohn nicht i ms t a n de ist, auch
n u r ü be r den Anfang h i n w e g z u k o m m e n , w e nn ma n ihn auffordert,
ein Gedicht aufzusagen. Stellt ma n ihn z ur Rede, so me ide t er
t a g e l a n g das Haus u n d ver tr ei bt sich die Zeit bei der G r o ß ­
m u t t e r oder s u c h t eine Zuflucht auf d em Ha usd ac h; dor t sitzt
') Noch jetzt auf dem Balkan, mindestens in Albanien, nach mir
zugekommener Mitteilung ein Beruf der Minderbegabten.
35
er rittlings wie ein Affe nach u n t e n s c h a u en d u n d verdi rbt die
Ziegel. Die Worte, die eine A n m e r k u n g verdienen, lauten:
T| toö téyso? mcèpö's zâ ay.sXsa xs’ivaQ
Kaö'Yjö'’ 07,coc « e 7,aXXirp y,o.xm xujtuov.
W a s hier von de r K l e t t e r k un s t des Knaben a u s g e s a g t wird,
gilt im m o d e rn e n Gr ie che nl and von den Kall ikant zaren, den g e ­
fürchteten Pl agegeister n: syooot 5s rfjv 86vajj.iv v5 avappc /ß y x a i [j,è
[j,syä\rjv sozcvrjatav si? tou? xo'v/ooq y,ai vâ rtspuraxCmiv st? x'ir ovéyc/.c;
(Politis, Par adosei s , II, 1303).
N achher erhalten wir v on der Mut te r auch noch die Ver­
sicherung, alles, w a s sie über ihren Sp rö ß l in g vorbringe, sei u n ­
bedingt wahr:
7,âX7jiHv\ ItiOXS [J.TjS’ oSövto 7,lV7pai.
Da h a t Bücheier das ooövta y.ivetv als eine sprichwörtliche
Re de n sa r t ver st a n d e n, u nd z w a r soll sie bildlicher Nat ur sein,
v e r w a n d t dem qoovt«, Dt)yslv, d e m »Wet zen des Zahns«, doch ist
einmal ztvstv u n d il-rfp iv d em Sinne nach k a u m in nä he re Beziehung
zu bringen, a nder nt ei ls d a s Wetzen des Z a h n s Vorbereitung
eines zor ni gen Vor ge he ns; w a s soll d a n n die Ver ne in un g jj.vjos ?
Gewöhnlich v e r st e ht m a n o 86vta xtvstv v o m » R e d e n « : »es ist so
wahr, d a ß m a n ’s nicht a u sz u s p r e c h e n braucht «. Folgerichtig ha t
Cr us ius d a n n vorgeschlagen, ooovra in oSövra? zu ä nder n; denn
beim S pr ec he n b r a uc h t m a n den Mund mit allen seinen Zähnen.
Aber die Erkennt ni s, d a ß die Z u n g e zum Spr echen u n d die Zä h ne
zum Beißen oder Kauen d a sind, w a r doch den Alten nicht weni ger
v e r t r a u t als sie es u n s ist, und so ist ganz unglaublich, d a ß
die d un kl e R e d e w e nd u ng e t w a s m i t der Spr ache zu tun hat.
Daß die Z un g e als W e r k z e u g der Rede gilt, ließe sich auch mit
u nzähl igen Belegen ge ra de a u s dem Gri echi schen d a rt un ; man
k a n n beha u p t en , d a ß k a u m ein a n d e r es Volk, a bg ese he n vielleicht
von den nah v e r w an d te n Römern, diese Vorstellung so se lb st ­
verst ändli ch g eh e gt hat, u n d noch heut e b ezeugt der Ausdr uck
Glosse, den wir ü b e r n o m m e n h a be n, wie der Begriff auch ins
Me tonymis che g e w e n d e t w or d en ist. Griechisch ist z ude m die
P h r a s e yXmzxav y.ivslv, die G r o e n e b o o m im H e r o n d a s - K o m m e n t a r
mit me h re r en Beispielen belegt; g e r a de der U ms t an d, d a ß sie als
formelhafte Redeweise v o r k o m m t , m u ß u n s war nen, zu denken,
d a ß sich der Begriff »Zunge« darin einfach dur ch »Zahn« ersetzen
läßt. Es ist ge wiß inter essant, d a ß de r holländische He ra usge be r
ein h ei mi sc he s Vers’chen n a ch we is e n kann, in dem »’k b eweeg
geen t a n d« soviel wie »ich rede nicht« zu b edeut en scheint, doch
sieht m a n sofort, d a ß dort »t and« u m des Reimes willen ge suc ht
ist. Wir k en n e n noch einen Vers des Hipponax, der auch dem
Her on d a s als N a c h ah m er des Aelteren sicher b e k a n n t w a r (71 Diehl):
—
(svtöc)
—
-------
Ol
OS
|J,SD
oSoVTSC
èv z jjio i ifv&doioi JtävTsc (ly.) %r/,vÂazai. ■
Kein Zweifel, iy.y.ivsiv 6oovcv, we nn richtig hergesteilt, be de ut e t
soviel wie »einen Zahn a usschl agen«. Auch s o ns t finden wir èxx'vsiv
in V e rb i nd u n g e n, wo es den Sinn von » au ss to ße n« , » a us tr ei be n«
hat. T r o t zd e m ist zu beachten, d a ß die Hipponax- Ueber l ief er ung
zsy.ivsxtat bietet u nd d a ß der Vers von den alten G r a m m a t i k e r n
ge r ad e u m di eses x r zt vé ar a-willen a ng e f ü hr t 'wird. An zwei Stellen
ha be n m o d e r n e Kritiker einen Einschub g emacht, u m den von
ihnen g e wü n s c h te n t rochäi schen T e t r a m e t e r zu gewinnen. Dies
Verfahren ist nicht einwandfrei. Man k önn te sich eine mildere
B e h a n d l u n g denken, die de r Ueberlieferung eher g e recht wird.
Bergk h a t denn auch in seiner Be ha n dl u n g des Verses (Frg. 62)
w en i g s t e n s xv/xvsxtox behalt en. Aus solchen Ei nwä nd e n m ö c ht e ich
jedoch nicht den Schluß gezogen wissen, d a ß ich mich d u r c h a u s
für v.s7.tvécctott einsetze. Denn we nn sx-xsvxvi - j . v j x bei H ippona x da s
Rechte war, so wär e auch d a r a u s n ot we nd ig zu folgern, d a ß
y.tvs'v oS ovra' soviel bedeut en kann, wie » e i n e n Z a h n
zum
Wackeln
b r i n g e n « . Z u m mi nd es te n k a n n d e mn a c h der
Her on da s- Ve rs f ol g e nd e rma ß en über s et zt wer den:
»Es ist so wahr, d a ß es auch nicht einen Za hn ins W a ck el n bringt.«
Wie läßt sich das v e r s t e h e n ? Ich meine, es ist v ol lk o mm e n
verständlich, we nn wir, e n t sp r ec he nd s o n s t b e k a n n t e m Aberglauben,
in dem Wackeln des Z a h n e s eine S t r a f e f ü r e i n e L ü g e
s e h e n . So w a r es auch altgriechische!- Glaube, daß, w er lügt,
ein Bläschen auf der Z unge b e k o m m t . 1) Lügens tr af en mancher lei
Art ha t sich der Volksglaube a usg ed a c ht ; in Grei fswal d w a r nt e
m a n die Kinder v or dem Betreten der Ry kbr ücke; denn wer g e ­
logen hatte, sollte durchbrechen. Es ist ziemlich s e l b s t v e r s t ä n d ­
lich, d a ß ma n die Lügner, vor allem von kör per li chem Un ge ma ch
betroffen denkt, d a r u m s a g t m a n a m Rhein, d a ß m a n v om Lügen
we iß e Flecken auf den Fi nger nägeln b e k o m m t (Wutt ke, 309). ln
diesen Z u s a m m e n h a n g darf man, de nke ich, die W a h r h e i t s v e r ­
sic he ru ng der Mut ter bei H er on da s stellen u nd d e m g e m ä ß den
g anzen Vers als solche u nd wohl auch als eine Art von s pr ic h­
wör tl ic he r Redeweise betrachten.
We ite r k l a g t die Mutter, d a ß de r J u n g e sich d a s G e w a n d 2)
v ol lk om me n zerschlissen, habe, weil er sich im Wald h er u mz u tr e ib en
4) S i t z u n g s b e r . der W i e n e r Ak., 202, 1, S. 4, A n m . 3.
2) rfjV [A.y.iv im T e x t ;
der S i n n
kann
n u r »Kleid« se in, wie. h e u t e
w o h l a l l g e m e i n z u g e g e b e n w ir d , ßv.y.oc in de r B e d e u t u n g » s c h l ic h t e s G e ­
wand«
ist
u ralt
(s. a u c h
m einen K om m entar
zu A risto p h a n es F röschen,
S. 199); ein F e m i n i n u m d a z u is t s o n s t n i c h t b e k a n n t . A b e r a ll g e m e in v e r ­
b r e i t e t s t e h e n n e b e n d e n N e u t r a a u f - o c F e m i n i n a a u f -rj: ßXv.ßo? ßXaßy,
vo.KOC 'io.Tii), vsty.oc vsly.Tj, vly.oc vly.Tj,
F e m i n i n u m a ls N a m e ( M b v j).
Trâffvj.
Bei
ij.iao?
blieb d a s
Die A n a l o g ie f o r d e rt an de r I i e r o n d a s - S t e l l e
d e m n a c h rfjv ßay.Tjv, d a s ich h e r z u s t e l l e n v o r s c h l a g e ; fd y .iv i s t i t a z i s t i s c h e
V e r s c h r e i b u n g , v ielleich t u n t e r d e m E in f l u ß von [A y iv .
37
liebt, u n d wie ihm das freie Leben teuer ist, so ist er auch auf
die schulfreien Tage ganz u nd g a r ve rs e ss e n; »er k a n n nicht einschlafen, d e n k t er an den Tag, wo ihr die Pa i gn i a begeht«:
m<; sßoöij.v.c i ' cqj.stvov c lv .â o a ; t ’ oios
T(öv aiTpoSvfsioy, y.oo85 Sjrvoc viv atps?t«i
voäöviLor/jjj.O': TtaiyA-qv o.y.'ripz.
Der siebente u n d z wa nz ig s te T a g des Mo na te s wa r en dem
Apoll heilig u n d sicherlich nach d e m Z u s a m m e n h a n g , in dem sie
bei H e ro n da s erscheinen, auch Ferientage; für den s iebent en gibt
es ein Zeugnis Lucians. Nun ist aber die Herondas-Stelle wichtig,
weil sie in b es on de rs ein d r u c ks v o ll e r Weise lehrt, d a ß die J u g e n d
solche T a ge im Altertum mit Spiel u n d Scherz festlich beging,
j a a us der W e n d u n g
r.y.tyvrr^ ajirf/Ts ist m a n versucht, zu
schließen, d a ß die Schule s e l bs t bei diesen B e ge hu ng e n beteiligt
war. Quintilian b e z eu g t uns gelegentlich das T h e m a eines Schul­
festes: an den »dies festae licentiae« (was dem griechischen
Tcav;'Ä7) oder naioiai entspri cht) w u r d e n in der Rhet orenschul e
» Pr o z e ß v e r h a n d l u n g en « in k o m i s c h e r Verdr ehung, wie m a n a n ­
n e h m e n muß, aufgeführt.1) Derartige V e r a n s ta l t u n ge n erklären
dann, wie die Fer ientage g e ra de zu xc/.ioiy.l g e n a n n t werden k o n n t e n . 2)
Mit den Ferien der h eut igen Schule sind sie nicht einfach gleich­
zustellen. So v e r st e h t m a n auch, w a r u m der J u n g e vor dem
freien T a g nicht schlafen kann.
Ueber seinem Ha upt e zi eht sich nun da s Ge wi tt er z u s a m m e n .
Nicht einmal den Wunsch, ihn ordentlich durchzuprügel n, k a nn die
Mutter zu Ende sprechen, einen Wun sc h, den sie mit einer Art von
»Vergeltsgott« für den Lehrer einleitet. Da es sich u m eine gr oß e
E xe kut ion handelt, w er de n Hilfstruppen a u s dem Ha us e h e r a n ­
gezogen, u nd es m a g w e n i g st e n s a n g e m e r k t werden, d a ß die
Dreizahl dieser Gehilfen einem Br au c he entspricht, den zu b e o b ­
achten die a nti ke Komödie öfters Gel egenhei t bietet.3) Die Rede,
in der die Drei zur Beteiligung ei ngeladen werden, ist be sonde rs
lebhaft u n d scheint in eine dr a st i s c h e W e n d u n g auszuklirigen, die
wir k ei n es we g s sicher verst ehen. So m a g sie hier noch den
Versuch einer D e ut ung finden:
EovKtj? z.oö [s.oi;
v.ob Kov.xaXoc; y,oö <JHXXo?; o?) 'rayéto? toötov
h [ jv x 27; top.o!), vfj ’Axéosco OcXr/valy
S siio v r;;; alvso) tafr/ot, K örcaX ', o: Ttrny'y~z;c.
»Wo s t e c kt E u t h i a s ?
Wo K o k k a l o s ; - w o Ph il l o s ? S pu te t Euch, den Buben auf die
Schul ter zu heben, u m (ihn ?) d e m Mond des Akeseos zu zeigen.
Nette Sachen sind es, mein Söhnchen, die Du aufführst.«
*) I n s t i t u t i o o r a to r i a , VI, 3 , 1 6 . F ü r die G r i e c h e n M e n a n d e r , R h e to r e s gr.
(ed. S p e n g e l), 111, S. 398, 6.
2) Die v o n G r o e n e b o o m im K o m m e n t a r z u V e rs 53 u n d 55 a n g e ­
f ü h r t e n Z e u g n i s s e b r a u c h e ich h i e r n i c h t z u w i e d e r h o l e n .
s) Vergl. m e i n e A n m e r k u n g z u A r i s t o p h a n e s F r ö s c h e n S. 230.
38
Leider sind die Mittel dürftig, die uns z ur Ve rf ügung stehen,
u m den Mond des Akeseos zu erklären. Schon Bücheier ha t alles
Wesentl iche beigebracht. Ein alter Samml er , Zenobi os (I, 41), berichtet
von einem Sp ri ch wor t sic tyjv ’Azsocdoo cnxTjvTjv, »bis z um Monde des
Akesai os«; m a n soll es g eb r a u ch t hab en von Leuten, die eine Ha nd lu ng
o d e r ein Geschäft auf spä te re Zeit verschieben, also von Säumigen.
»Akesaios nämlich w a r S t e u e r m a n n des Neleus. Er pflegte zu
sagen, er wolle lieber warten, bis de r Mond voll g e wor de n, u m
die F a h r t bei Licht zu machen.« Photi os (II, p. 212 Nb.), Suidas,
Apostolides geben dassel be in k ür z e r e m Auszug, u n d dies ist, wie
schon Cr us iu s b e m e r kt hat, alles, w a s zur Verfügung steht. S ä m t ­
liche Versuche, da mi t die Stelle zu erklären, sollen hier nicht
bes p r oc he n wer den; es ist g an z Abenteuerliches darunt er. Ich
will nur von dem sprechen, w as eine A u se i na n d e r s e t z u n g v e r ­
dient. Cr usi us selbst v e r s te h t das Zeigen als eine Art v on Parade,
wie es T h e s e u s nach Pl ut ar ch mi t d e m m a r a t h on i sc h en Stier
machte, den er im T r i u m p h durch die St ra ße n von Athen führte.
Zeigt m a n den Knaben dem Mond, so soll es in dem Si nne g e ­
schehen, als ob eine Art von M o n s t r u m v or ge führ t werde. Aber
w e r e mpf i nde t bei dem angestellten Vergleich nicht deutlich, d a ß
das, w a s der siegreiche T h e s e u s get an haben soll, e t w a s sehr
Natürliches war, das wesentlich w eg en des Sieges über ein solches
U n g e t üm geschah, wie es der eingefangene Stier w a r ? Da zeigt
m a n sich eben allen. Und d a mi t soll e rk lä r t sein, d a ß m a n den
zu best rafenden Knaben dem Monde, u n d z wa r a u s g e m a c h t dem
Monde des Akes eos z ei gt ? G r o e n eb o om schreibt: Le mai tr e impat ient é d e m a n d e a u x élèves, qui ne se h â t e nt p a s suf fi samment
â son avi s avec les préparatifs du chât iment, s ’ils o nt ' parfois
l’intention d’e xhi ber le ga mi n â la pleine lune d ’Akésès, wo ra uf
noch die Z e ug ni ss e über den G eb r au c h von osbwojxi u n d da s
Sp ri ch w o r t sl? rr(v ’Axsaatoo asXvjVYjv folgen, ln dieser E r k lä r un g
liegt, w e n n auch nicht b e s t i m m t g e n u g a us ge dr üc kt , doch ein
Versuch, Spr ic hwor t u n d He r on d as in einen Z u s a m m e n h a n g zu
bringen. »Hebt den Buben auf die Schulter«, s a g t der Lehrer,
» s p ut et Euch, ihn dem Mond des Akeseos zu zeigen«, d a m i t der
sieht (so k ö n n t e man hinzudenken), d a ß es in u n s e r em Fall keinen
Aufschub gibt. Der Einwand, de r gegen diese Auffassung e rhoben
w er de n muß, ist jedoch, d a ß dem Lehrer, der sich s o n s t des
nat ürl i chst en Au s dr u ck e s bedient, d a mi t eine R e d e w e n d u n g z u ­
geschoben wird, die m i n d e s t e n s g es u c h t u nd d unke l ist. W ä re
sie es nicht, w ü r d e es nicht solche Plage machen, den Witz im
a ng e ge be ne n Sinne zu verstehen. Die Schwierigkei t ist eben, d a ß
das S pr ic hwor t vom Mond des Akes eos den Sa ums el ig e n gilt,
w ä h r e n d bei He ronda s eilig g e h an d e l t werden soll; die G e d a n k e n ­
arbeit, die nötig ist, u m die Unk l ar he it zu lösen u nd einen Z u ­
s a m m e n h a n g herzustellen, durfte nicht dem L e se r z u g e mu t et
werden. Man m ö c h te lieber meinen, d a ß in dem Au s dr u ck »zeigt
ihn d em Mond des Akeseos« eine v ol ks tü ml i c he R e d e ns a rt steckt,
39
etwas, das dem Leserkreis, an den sich He ronda s wendete, als
geflügeltes Wort, we nn wir so sa ge n wollen, ohne weiteres Grübel n
verst ändl ich war.
Klar ist, da ß die Handl ung, die mit dem Knaben v o r g e ­
n o m m e n wird, das ü be r die Schult er Ziehen, ge ra de denj enigen
Körperteil in hellste Be l eu ch t un g rückt, der von den Prügeln u n ­
mi ttel bar betroffen we r de n soll. Nicht mi nde r ge wi ß ist den An­
gaben der P a r o e m i o g r a p h e n zu e n tn e hme n, d a ß der Mo n d des
Akeseos der Vollmond, das h e i ßt j ene P h a s e hieß, in der allein
e i n e V e r f i n s t e r u n g eintr et en kann. Mondfinsternis wi r d im
Volksglauben auf Angriff v on D äm o ne n zurückgeführt, u nd u n t er
den apot ro pä is c he n Bräuchen, die m a n a nwe nde t, u m den D ä mo n
zu ve rscheuchen, spielt die E n t b l ö ß u n g der pa rt e s p ud e nd â e eine
Rolle.1) Auf dieser G r un d l a g e me in e ich also einen Z u s a m m e n ­
h a n g zwi schen dem, w as m it dem Knaben geschieht, u nd dem
Mond des Akeseos zu e rke nne n, halte auch Bildung u n d Vor ­
han de ns ei n einer sprichwör tl ichen Rede, »sich dem Mo n d des
Akeseos zeigen«, für möglich, als e u phe mi st i s che U ms c h r e ib un g
für »sich in s c h a ml o se r We ise entblößen«. Ziemlich g ew iß scheint
mir, d a ß die Erzählung, Ak e se os sei ein S t e u e r m a n n des Neleus
gewesen,, der seine Fa hr t en ger n auf die lange Bank schob, d a ß
diese E r z äh l un g n ur eine v on den zahlreichen ätiologischen E r ­
findungen ist, die in der a nt iken Ueberlieferung u mg eh en . Akeseos
heißt der »Heiler«; dem Namen w o h n t wohl eine tiefere mythis che
B e de ut un g inne, d a doch her oischen We se n solch ein Name öfters
gegeben wurde. Die G ru p p e J a s o n , Ja so s, J a s o m a g es für die
Gri echen beweisen. Vielleicht ist Ak e se os der, der den k r a n k e n
Mond heilt; die s t r a hl ende Scheibe des Vol lmondes ist sein Ver­
dienst u nd hei ßt d a r u m nach ihm, weil er sie gegen alle Anfälle
beschützt. Zufällig k e nn e n wir noch ein wei t eres griechisches Spr ich­
wort: »Aczsaiac tov rcpwztèiy lâia.xo«, »der Heiler ha t den Hintern
kuriert«. Ist es allzu p h a n t a s t i s c h a n zu n e h m e n , d a ß die runde
Mondscheibe selber in k o mi s c h e r Derbhei t als Trporzwc bezeichnet
w u r d e ? Die Ans chauung, die in der Mondf inster nis eine E r k r a n k u n g
des Ge s ti r ns erblickt, ist w e n i g s t e n s im h e u ti ge n Vol ksglauben
weit ver br eit et u nd nicht n ur bei den s o g e n a n n t e n Pri mit i ven zu
finden.2)
Der wei tere Verlauf de r an d e m Knaben vollzogenen E x e ­
kution b r a uc h t uns hier nicht m e h r zu interessieren. Er ist von
einer lebhaften We ch se lr ed e z wi sc he n d em Le hr er u n d dem Delin­
q u e nt en begleitet, der en Einzelheiten m e h r allgemein menschl ich
sind, als für den V ol ks ku n dl er im b es on de re n lehrreich er­
scheinen.
’) Vergl. 0 . J a h n , B e ric h te d e r s ä c h s . G e s e l l s c h a f t de r W i s s e n s c h a f t e n ,
1855, S. 68. S a r n t e r , G e b u r t , H o c h z e i t, T o d , S. '117, A n m . 5.
2) S. L a s c h i r u A c h e l i s ’ A r c h i v für R e l i g i o n s w i s s e n s c h a f t , III (1900),
S. 140 ( f r a n z ö s i s c h ) , S. 103, 104, 106 ff., 110 f., 118.
40
Die Münze als Schmuck.
V on Nicola Z e g g a , Belg rad.
Die Ba lk a nl änd er sind v e r h ä l t n i s m ä ß i g s ehr reich an alten
Münzen aus d em klassi schen Altertum u n d dem Mittelalter. Der
U m s t a n d , d a ß wi r viele dieser Münzen gelocht vorfinden, oft mit
zwei u n d drei Bo hr un g e n versehen, spricht deutlich dafür, da ß
dieselben zu S c h m u c kz w ec k en v e r w e n d e t wur den. Die Bohr ungen
dienten z u m Aufreihen der Münzen, sei es an einer S ch nu r oder
Draht, Tuch oder Leder, u n d w ur d en so aufgereiht als Kopf-,
Hals- oder B r u s t s c h mu c k getragen. Neben diesen auf pr imi t ivste
Art zu S c h m u c k z w e c k e n bearbeiteten Münzen finden wir auch
solche m i t a n g e s ch mi e de t e n Oesen u nd auch ei ngefaßte Münzen,
wobei die Einfassung die zum Aufhängen b e s t i mmt e Oese trägt.
Diese letzteren, die n ur von f a chkundige n Metallarbeitern h e r ­
gestellt wer den konnten, zeigen oft, b eso n de r s an den Einfassungen,
den jeweiligen En t wi c kl un g sg r a d der damal igen Gold- u nd Silber­
s c hmi e d e k u n s t u nd geben u n s wertvolle E r k e n n u n g s m e r k m a l e zur
B e s t i m m u n g des U r sp r u n g e s u n d der Zugehör igkeit des S c h m u c k e s
selbst. Als Beispiel sei hier de r im J a h r e 1797 in Szilagy-Sömljö
g e m a c ht e Fu nd angeführt. Derselbe stellt einen B r u s t s c h m u c k von
24 Medaillons dar. Alle Medaillons sind ei ngefaßt u nd mit Oesen
z u m Aufhängen versehen. Durch langes T r ag e n sind s ämt li che
Medaillons an einer Seite vo ll st än di g abgewetzt. I mme rhi n ließ
sich an der Art der Ausf ühr ung dieses S c h m u c k e s mit Sicherheit
feststellen, d a ß es ein St üc k t a ta ri sc he r G o ld s c h m i e d e k u n s t sei
u n d einem gotischen Heerführer a n g e h ö r t habe.
Im k las sis chen Al tertum bis zur ersten Zeit des r ömi sc he n
Kaiserreiches scheint der M ü n z e n s c h m u c k noch nicht gebräuchlich
ge we se n zu sein. Die ersten aufgefundenen S ch mu c kg e ge ns tä nde ,
bei denen die Münze in den Vo r de r gr u nd tritt, datieren a u s dem
2. J a h r h u n d e r t n. Chr. So finden wir in der letzten Zeit der
r ömi sc he n Herrschaft Münzen in allen mögli chen Arten zu S c h m u c k ­
zwecken verarbeitet. Wi r se he n sie st a tt der » G e m m e « a m Ringe
(Marshall, Ca ta logue of the fingerings in the British Museum,
Nr. 259 — 270). Als Ha l s sc h mu c k: Eine Halskette, ein s ch ön es
E x e mp l a r an ti ke n H a ls s ch mu ck e s , die sich im Ku n st hi st or is c h e n
Mu se u m in Wien in d er ehemali gen Ba c ho f e n- Sa mm l un g , be­
findet (Voetter, Katalog der S a m m l u n g Bachofen von Echt, Taf. 46).
Auch im Belgrader N at io na l- Mus eu m befindet sich ein Teil eines
in Gold ge ar bei teten M ü nz e ns c hm uc k e s , der in der U m g e b u n g
von S me de re vo gefunden wurde. Die Münze zeigt die Köpfe von
Kaiser Honor ius u n d Val ent inianus III. (nach Dr. B. Saria)..
Wie allgemein der M ü n z e n s c h m u c k ver br ei t et war, zeigt der
Ums t a n d, d a ß wir viele Münzen mi t einseitiger Pr äg u n g, also
g an z ausschließlich für den S c h m u c k g e b r a u c h hergestellt, v o r ­
finden. So k e nn e n wir zum Beispiel ganze G r up p en von Go ld ­
mün ze n Kaiser Konstanti ns u n d seiner Söhne, bei welchen n ur
41
eine Seite die P r ä g u n g zeigt (R. Münst erberg, Nu mi sma ti sc he
Zeitschrift, LXi, 1923), dann die s o g e n a nn t e n Z ie rbr akteat en,
welche von den G e r ma n e n ausschließlich zu S c h m u c k z we c ke n
hergest ell t wu r d e n; dieselben w a r e n N a c h a h m u n g e n von r ömi schen
Münzen, auch nur auf einer Seite geprägt, meist a us Gold, seltener
Silber oder Bronze her gest el lt (Forrer, Reallexikon, S. 111).
Im 5. u nd 6. J a h r h u n d e r t finden wir B ra kt ea te n als H al s­
s c h m u c k in Skan d i na vi en, Ha nnove r, England, zum Teil in Belgien
u n d Mitteldeutschland.
In Engl and verlieren die B r ak t ea te n da s Aussehen von
Münzen, da die ge pr ä gt e Seite nur Tierbilder zeigt, welche im
8. J a h r h u n d e r t von o r n a m e n t a l e n Linien u n d Ar ab esk en v e r d rä n gt
wurden.
Die B a l k a n v ö l k e r zeigten seit alters her eine be sonde re Vor­
liebe für den M ü n z e ns c hm u ck u nd es ist die Münze noch h e ut zu ta g e
der in den breiten V ol k s m a s s e n verbrei tet st e und beliebteste
Schmuck. Vor he rr sc he nd sind es Silber-, d a n n Gold- u nd selten
Kupfermünzen, letztere oft versilbert.
Reich mi t Münzen g e s c h m ü c k t sehen wir Fr aue nh a u b e n,
Halsbänder, Kinnbänder, B r u s ts c hm u c k, d a n n Gürtel und O b e r­
g e w ä n d e r (als Beispiel eines de k or a ti v g e sc h m ü c k t e n O be r ge wa nd es
sei der bis v or 50 J a h r e n g e t r a g e n e s o g e n an n t e Zubun in der
S u ma d i j a angeführt).
Pr of essor Milan Resetar schrei bt in seinem W e r k e »Die
N u m i s m a t i k de r Republik Dub ro vn ik « (Ragusa), I. Teil, S. 318:
»In den Ge genden, wo u n s e r Volk lebte, w ur de seit jeher
die Münze zu F r a u e n s c h m u c k ve rwe nde t. So t ruge n die Mädchen
s eh r oft ihre ga nz e Mitgift an b a r e m Gelde in Form von Kopf-,
Hals- u n d B r us t s c h m u c k an sich. Die B e nü t z u n g der Münzen zu
Sc h mu c k z w e c k e n w a r niemals verboten, wiewohl da du r c h ein
s chöner Teil des g e pr ä gt e n Gel des dem Umlauf entzogen wurde.
Durch d a s T r ag e n und Lochen de r Münzen verl oren dieselben
nicht bl oß ihr ur sp r ü n g li c he s Aussehen, so nd e rn b ed e u t en d an
Wert, so d a ß -sie nicht m e h r als vollwertig in Umlauf gesetzt
we rde n kon nte n. Wie n un da s Geld der Republik D ub ro vn i k
(Ragusa) a m ganzen Balkan s t a r k zirkulierte, u n d ganz b es on d e rs
in den b en a ch b ar t en Ländern, der He rz e gowi na u n d Bosnien, wur de
es sehr ger n zu S c hm uc k zw e ck en ve rwendet, un d ist dies wohl
der Gr und, w ar um von den noch erhalt enen Münzen der Republik
Dubr ovni k sich ein so hoher P r o z e nt sa t z gelochter vorfindet.«
Auch Professor Dr. L. Kostov h a t eine Abhandlung, betitelt:
»Parite k at o nakite« (Geld als Sc hm u c k) in der ethn o g r a ph i sc he n
Zeitschrift »Izvestja«, IV. Heft, 1923, Sofia, veröffentlicht. Kostov
begi nnt mi t der Be s c hr ei bun g eines Sch mu c ke s, der aus Muscheln
h er gest ell t ist u nd noch bei den Na turvöl kern, so in Bengalen,
Su da n u. s. w. anzutreffen ist, der aber auch in Mazedonien noch
he ut e von den Frauen an den s o g e n a n n t e n Sokaj (Fr auenhauben)
g e t ra ge n wird. Dann bespr icht Kostov an Ha nd einer p h o t o ­
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g ra ph i sc he n Aufnahme einen alten S c h m u c k aus aufger ei ht em alt­
bul gari schen Geld, der zuversichtlich a us der Zeit h er s ta mme , da
dieses Geld im Umlauf war . Wei ter beschr eibt Kostov einen
Bra ut sc hmuc k, H a a r s ch mu c k; Kinn- u nd H al sb än de r sind alle a u s
Münzen ve rsc hi e de ner Länder hergestellt.
Von den alten serbi schen F r au e n h a ub e n, wel che d u r c h we g s
mit kleinen Si lbe rmünz en g e sc h m ü c k t sind u n d ihre eigenen
Namen hatten, wä r en zu e r wä hn e n : T a r p o s in der u nt er en Drinagegend, Smiljevac in der â uma d ij a , Trvelj im M o r a va ta l e u. s. w.,
die B r a u t h a u b e (Mladina Kapa) in der Maöva (Serbien) u nd die
B r au t h a u b e (Kapa s ’nanizorri in S r e c k a (Pr izr ener Kreise).
All diese Hauben wa r en s e h r d e ko r at iv u n d reich mit Münzen
g es c hm üc kt , aber ihres b ed e u t en de n Gewi cht es w eg en (oft 4 bis
5 kg) z um T r ag e n sehr unpr akt isch, so d a ß sie oft Anlaß zu E r ­
k r a n k u n g e n ihrer T r äg e ri n ne n gaben. Z u m S c h m ü c k e n einer solchen
Haube wa r en me hr e re h u n d e rt kleiner Sil be rmünz en nötig, bei
einigen s o ga r über 1000 Stück. Man k a n n sich also ein Bild
machen, welche Menge kleiner Silbermünzen auf diese Weise durch
Lochen e n tw e r te t wurde, d a r u n t e r ein b e de u te n de r Teil a nti ke r
Münzen. Diese Hauben, die v on Ge ne ra ti on auf G en er at io n v e r ­
er bt wurden, finden sich heut e nur sehr selten. Mit dem kulturellen
Fort schrit t h a b en auch diese Hauben eine p r akti sc he re A b än d e r un g
erlitten. Sie sind kleiner, leichter u n d z um Teil auch in der Form
a b g e ä n d e r t oder auch ganz u n d ga r verloren gegangen.
Abb. 1 zeigt da s Bild einer Br a ut a u s dem Sr ec ka er Bezirk
(Kreis Prizren). Die Haube ist helmartig, ganz ü b e r s ä t m i t Silber­
m ünzen. Diese Haube (Preves sa n a k it om) als auch der B r u st ­
s c h m u c k (Gjerdan) u n d der Gürtel (Koan-pojas) sind mei st mit
t ü r k i s c h e m Silbergeld g e sc hmü ck t, zwi schen welchem sich auch
einige altserbische, österreichische u n d R a g u s a n e r Münzen b e ­
fanden. Das Ethn o gr ap h i sc he M u s e u m zu Belgrad b e s a ß ein k o m ­
plettes Ko st üm einer Br au t a us Srecka, welches aber leider der
Krieg g rö ßt e nt e i ls ver ni cht et ha t u nd sind uns n ur einige p h o t o ­
g r ap h is c he Auf nahmen dessel ben geblieben. (Abb-, 2, links.)
Abb. 3. Eine St ädt eri n a u s Prizren mit G ol dm ü n z e n s c h m u c k :
Duk at en und Venet ianer G ol dm ün z e n eingefaßt. Auch tü rk is c h e
G o ld mü n ze n sind da s t a r k vert reten.
Abb. 5 stellt eine j u n g e Fr au ( Rumäni n) aus der Krajna
( U m g e b u n g von Negotin) dar, welche ihre Haube ebenfalls reich
mit Si lbermünzen d eko ri er t hat.
Bei ei ngehender Be tr ac ht un g dieser F r au e nh a ub e n , Halsj,
Brust-, Kinn- u n d G ü r t e lb ä nd e r fand ich förmliche n u mi s m a t i s c h e
S a m m l un g e n, u nd ich glaube, d a ß es von Interesse sein dürfte,
an dieser Stelle e t wa s Näher es über den U r s p r un g dieser Münzen
zu berichten. (Vergl. Abb. 2, rechts, u nd Abb. 4.)
Z u m Sc hmü c ke n der Hauben w u r d e n n u r kleine Silber­
m ü n z e n verwendet , für die s o g e n a n n t e n G je rda ns (Hals- u nd
B r us ts ch mu ck) g r öß er e Münzen. F ü r die er st er en fand ich am
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häufigsten kleine t ür ki sc he Si lber münzen, die silbernen Aspra u nd
versilberte Metaliks, für G je r da n s tür kis ch e J a k l u k s u n d Medschidije;
von österreichischen Münzen: Silbergroschen von Leopold, Ferdinand,
Maria Theresia, Josef II., Franz I. u n d a us neuerer Zeit die Sechserin
(10 Kreuzer) von Franz Josef I. An Gj er da ns : Z wanziger u n d
Taler der gleichen flerrscher. Mit b e s on de r er Vorliebe w u r d e der
Kreuztaler Mari a The re sia s get ragen.
Von polnischen u n d u n g ar i sc h en He rr s c he rn fand ich am
häufigsten g rö ße re u nd kleinere G ro s c h e ns t üc ke , die s og en an n t e n
Se ch sg r ös ch er und Dreigröscher von S i g i sm u n d I. un d III., seltener
v on Bathor y u n d anderen. Die r u ss is ch e Münze ist sc hwa ch v e r ­
treten; so fand ich bloß den Rubel der Elisabeth, Nikolaus II.,
Al ex an de r II. u n d den P e t e r s bu r ge r Rubel.
Von alten ser bischen Münzen w a r e n anzutreffen: Dinars der
Könige Milutin, Dragutin, Vladislav, König u n d Zar Duschan,
Urosch, W u k a s c h i n {und Knez Lazar, d a n n von den Despoten
S t e p h a n u nd Ge or g Br ankovi ts ch; Münzen a nd e re r al tserbischer
He rr sc he r sind s eh r selten anzutreffen. •
In n eu e re r Zeit wu r de n s e h r viel die Dinars, Zwei- u nd
Fün fd in ar s t üc ke von König Milan u n d König Al exander Obrenovitsch
u n d König Peter verwendet.
Von altbul gar i schen Münzen fand ich solche von J o a n
Al e xa nde r St razimi r u n d Michael. S t a r k ve rt r e te n sind auch die
S il be rmün ze n der Republiken Venedig u n d Du br ovn ik (Ragusa)
gewesen.
Von den r ömi sc he n Mü nzen fand ich Denare aus der Kon­
s u l a t u n d Kaiserzeit, mit wel chen die Bä uer innen ihre Hauben
vervol lständi gt en, w e n n ihnen d a s e in g e s am me l te kleine z i r k u ­
l ierende Silbergeld nicht ausrei chte. Besonder s häufig trifft ma n
solche Hauben in' den Ge ge nde n, wo einstens g r o ße r ömische
Ansiedl ungen waren. Bei uns im Kreise Po za re va c in der Krajna
u n d in der T i m o k e r u n d Nischer Gegend.
Am me ist en sind v er tr et e n ne bs t verschi edenen Konsularm ü n z e n Münzen
von:
Ve spasianus, Titus, Nerva, T ra ja nus ,
A l e xa nd er Severus, F au s ti na senior, C o mm o d u s , An toni nus Pius.
Die Münzen s p ä t e r e r Her rscher w u r d e n nicht gebraucht, da ihr
Silber s t a r k legiert war.
Antik griechische Münzen s ind n ur selten anzutreffen. Einmal
weil sie zu m a s s i v und ungleich sind, d a n n aber hielt es schwer,
eine g e n ü g e nd e Menge gl eichgeformter kleiner Münzen einzu.s a mm el n , u m sie s y m m e t r i s c h auf einer Haube aufreihen zu
k önnen. An den G j e r d a n s findet m a n wohl hie u n d d a ein St ück
einer T e t r a d r a c h m e von Ale xa nde r oder Phi li ppus von Mazedonien.
Reichere Bäuer innen t r uge n u n d t r ag e n je t zt noch G j e rd a ns
mi t Gol dmü n z e n, wobei häufig die Z e k i n e nd uk a te n , hier g e n a n n t
» Ruschpi a« u n d »Schljivak«, d e r Republik Venedig Vorkommen.
Sel tener s ind Kremni tzer u n d belgische Dukaten.
In neuer Zeit trifft ma n am häufigsten den Österreichischen
Duk a te n (Dukat cesarski) an. Selten k o m m t wohl in der Reihe
der Du k a te n u n d Zeki nen einmal eine r ömi sche oder b yz ant ini s c he
Go ld mü n ze vor.
Sehr beliebt sind die Fü n f du ka te ns t üc ke , die als G je r da n s
auch he ut e in der Vojvodina, Syrmien, Sl avonie n u n d Bosnien
v on den Bäuerinnen g e t r a g e n werden.
Von ver silberten Kupfermünzen fand ich n u r die Fünf- und
Z e h n p a r a m ü n z e n von den Für st en Michael u nd Milan, abge se he n
von einigen r ömi schen.
Die Silberschmiede von J a nj ev o (Kreis Kosovo), die als a b ­
gefeimte Kaufleute b e r ü h m t waren, d u r ch k re u zt en den g a nz e n
Balkan, ihre beliebten Er zeugnisse darbietend, als: Gürt el schnal len
(Pafte), Ringe, Kettchen, Kreuzlein u n d a nde re Kleinigkeiten (alles
a us Blei und Messing oder versilbertem u n d sc hwa ch ve rg ol de te m
Mes si ng hergestellt). Sie t a us c h t e n ihre Erzeugnisse gern für
römische, byzant ini sche u n d griechische a nt ike Münzen.
So
s a m m e l t e n sie eine Menge k o s t b a r e r alter Münzen von den u n ­
k u n d i ge n Bäuerinnen u nd v e rkauf ten d a nn diese p r ei s w ü r di g in
Wien, Budapest, Serbien, Ru mä ni en u nd Bulgarien den dorti gen
Numi sma ti ke rn .
Ge wi ss e nl os e Händler ver kauf ten den nai ven Bäuerinnen
auch wert lose und falsche Münzen. So trifft m a n in m a n c he m
F r a u e n s c h m u c k : Nürnber ger Rechenpfennige, S p ie lma rke n, Bier­
m a r k e n u. s. w.
Nicht bl oß die Form u n d das Aeußere d er Münze ist es,
w a s sie zum beliebtesten S c h m u c k di e se r Völker ma cht e. Von
b e de u te n d g r ö ß e r e m Einfluß ist der Glaube der breiten Volks­
m a s s e n an die Münze als solche.1) .In der Münze sieht der schlichte
Mann e twa s Reelles, dessen Wer t von einem g a nz e n Staate, einem
g an z en Volke v e rb ü r gt wird. Und dieser Glaube, der den B a lk a n­
v öl ker n vom frühesten Mittelalter eigen war, hielt durch alle
J a h r h u n d e r t e fest u nd be her rs cht noch h e ut z u ta g e die g r oße n
Volksschichten un v e r mi nd e rt .
E r l ä u t e r u n g der A b b i l d u n g e n :
„ A b b . 1: B r a u t a u s S r e c k a , Kr e i s P r i z r e n , H a l b f i g u r m i t Kop f - , H a i s - u n d B r u s t s c h m u c k .
( N a c h S. T r o j a t i o v i c , Cv i j i c — F e s t s c h r i f t . )
A b b . 2, l i n k s : B r a u t a u s S r e c k a , Kr e i s P r i z r e n , g a n z e F i g u r ; r e c h t s : B r a u t a u s d e r U m ­
g e b u n g vo n P e c ( i pe k) ; T a l er u n d Z w a n z i g e r a n Kopf - u n d B r u s t s c h m u c k .
A b b . 3: B ü r g e r s f r a u a u s P r i z r e n m i t G o l d m ü n z e n s c h m u c k ( D u k a t e n , v e n e z i a n i s c h e u n d
türkische Goldmünzen)
A b b . 4: M ä d c h e n a u s B u k o v i c a , D a l m a t i e n , m i t r e i c h e m B r u s t s c h m u c k a u s S i l b e r ­
m ü nz en , Kronen, Di na re u nd Ta ler (»gjendar« g e na nn t) .
A b b . 5: B ä u e r i n a u s d e r K r a j n a , S e r b i e n ( P h o t o g r a p h i e n i m E t h n o g r a p h i s c h e n M u s e u m
in Be l gr a d) .
b ln e i n e m Dorfe i m B a n a t s a g t e m i r ei ne B ä u e r i n, si e m ö c h t e so
g e r n e i hr e T o c h t e r in Bel gr ad v e r h e i r a t e n , sie i st b r a v, h ä u s l i c h , s c h ö n ,
g e s u n d u n d t r ä g t a uf der B r u s t V i e r h u n d e r t ; m i t d e m w o l l t e sie s a g e n ,
d a ß i hre T o c h t e r eine Mi t gi f t b e s i t z t v o n 400 k a i s e r l i ch e n D u k a t e n .
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Prim itive F isc h e rh ü tte n am O chridasee.
Von E. S c h n e e w e i s , Bel gr ad.
Als G a s t des Bel gr ader Historikervereines , der im April 1925
eine St udienrei se durch Mazedonien u n t e rn a hm , hatte ich Gelegen­
heit, eine Reihe von v ol kskundli che n Be obachtungen -zu machen.
Viele altertümliche Züge weist die Fischerei in dem abges chl os s enen
Gebiet des Ochridasees auf, von de s se n s ch ma ck ha ft en Fischen
schon die ser bi schen Volksepen berichten: Reitet doch Kraljevic
Mar ko von seiner Burg Prilep dahin, um seinen Gä st e n einen
be sonde rs gut en Fisch vorset zen zu können. — Der See ist unge me in reich an Aalen u nd Forellen, die b e so n d e rs in dem St ädt chen
S tr ug a am Abfluß des Sees in den Crni Drim auf einfache u nd
mü he lo se Weise in g r oße n Mengen (wä hr en d uns er es Aufenthaltes
täglich e t w a 2000 Oka- gefangen werden.
Um zu den Fi sc he rhütt en zu gelangen, gehen wir vom See
a u s 1 km weit an dem West uf er des Drims abwärt s, bis wir zu
einem ü b e r den Fluß f ührenden St eg k o mm en , von dem a us s ü d ­
w ä r t s ( s tr oma uf wä rts ) e tw a 20 m lange parallele Stege zu je einer
Hütte führen. J e d e r Steg (most) r uht wie die Hütten auf Pfählen
(kolje) u n d tr ägt einen Schilfbelag (sevar). Die Hütte (koliba) selbst
ist aus Fl echt wer k und Schilf hergestellt und m i ßt e twa 3 — 4 m
im Quadrat . (Abb. 1.) Sie dient nicht als Wo hn raum, s o nd er n ausschließlich dem Fischfang.
Der F u ßb o de n be l a g weist eine 1 ' 5 m 2 gr oße Ausß
n e h m u n g (den kotec) auf, 'durch den da s W as s er
hindurchfließt. Durch ein geschi ckt eingerichtetes
Sy st em von Schilfwänden (lesy) u n d Reusen werden
,
die Fische, welche allabendlich a u s dem See s t r o m ­
a b w ä r t s ziehen, in den kotec ge ­
lenkt, de ss e n Z u g a n g sich allmählich
so verengt, d a ß sich die g ro ß e n
Fische h in d ur c h z w ä n g e n
mü s se n
u n d wohl hinein können, aber nicht
m e h r zurück.
Der Fischer liegt
b e q u e m auf einem Lager ne be n dem
kotec, langt ab u nd zu mit dem
crpac (kleines Netz an einem Stiel)
un d der rilica (Stiel mit s e g me n t förmigern Querhol z
am
unt eren
Ende zum Aufstöbern der Fische
aus den Ecken) ins W a s s e r u nd
A b b . 1. F i s c h e r h ü t t e i m G r u n d r i ß .
«) K o t e c , è) F i s c h e r h ü t t e , o) S c h l a f s t ä t t e ,
wirft die gef angenen Fische in den
d) Ti i r , é) S t e g .
d an e be n s t e h e n d e n Behälter. Diese
primitive u n d m üh el os e Methode e rmögli cht den Fischfang bei
jeder Wi tt e ru n g sowie bei j eder T a g e s - und Nachtzeit u n d ma c ht
einen sehr a lt er tüml ic he n Eindruck, ln ähnlicher Weise möge n die
B e wo hn er der Pfahlbauhiitten an dem ma zedoni schen See Pr as ias
,
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gefischt haben, von denen Herodot, V, 16 (deutsch von J. F. Degen,
Wien 1794, III. Bd., S. 13), berichtet:
» . . . M i t t e n in dem See sind auf e inges chlagenen Pfählen
Dielen a ne i n a nd e r befestigt, wohi n v om Fe s tl a n d a u s n ur eine
einzige s c hma l e Brücke f ü h r t . . . Auf diesen Dielen n un h a t jeder
eine Hütte zur Wo hnung, worin eine Falltür hinab in den See
führt. Weil sie nun befürchten, ihre Kinder mö ch t e n hinab ins
W a s s e r fallen, so binden sie dieselben an den Beinen mit einem
Strick an. Ihre Pferde u nd Lastt i ere füttern sie mit Fischen, die
sie so im Ueberfluß haben, da ß man, we nn ma n durch die Falltür
an einem Seil einen Korb hinab in den See läßt, bald dar auf
densel ben voll zweierlei Fische heraufzieht, w o v o n sie die einen
P a p r a k e n , die a nd er en Tilonen (jrâirpav.â? -cs y,a\ vXma.c) ne nne n . . . «
Beiträge zur Kenntnis der Trachten
von Südwest-Bulgarien.
Von M a r i a n n e
S c h m i d i , Wien.
Die vorliegende Arbeit bildet d a s erste Ergebnis einer S tu d i en ­
reise nach Bulgarien, die ich infolge freundlicher p r i va te r Z u ­
w e n d u n g in den S e pt e m b e r - u nd O k t o b e r wo c he n des J a h r e s 1924
u n t e r n e h m e n k o nn t e . 1) Ich hat te dabei von v or nhe re in eine U n t e r ­
s u c h u n g der farbenreichen T r ac h t en der Bauer ns chaf t v on Sofisko,
der s o g e n a n n t e n S c h o p e n, ins Auge gefaßt. Tr ot z der Nähe
der G r o ß s t a d t stellt sie einen von der w e s t e u r o p ä i s c h e n Kultur
noch v e rh ä l t n i s m ä ß i g u n be r üh r t e n Teil der bulgar is chen B e vö l ke r un g
dar, der sich seine Ei gentümlichkeiten bis z u m heutigen T a g e
b e w a h r t hat.
Der Na me Schop ist nun kei ne swe gs ein Ausdr uck, der
allein den Be woh ne rn der Sofioter Ebene z u k o m m t . Das W o r t
besi t zt nämlich im a ll gemei nen einen ver ächtlichen Beigeschmack,
ähnlich wie der in We st bu lg a ri en u n d auch s o n s t v o r k o m m e n d e
Name T o r 1 a k, mi t dem z um Beispiel die Sofioter ihre Nach» barn in Caribrod u n d Pirot v er s po t te n u n d diese u m g e k e h r t die
Leute bei der bul gar ischen H a u p ts ta d t. 2) Man hält die T r ä g er
’) E s i st m i r ei ne a n g e n e h m e Pf l i cht , bei d i e s e m A n l a s s e m e i n e m
G ö n n e r f ür di e g ü t i g e U n t e r s t ü t z u n g m e i n e r B e s t r e b u n g e n a uf d a s h e r zl i c h s t e
z u d a n k e n , ich w u r d e a u ß e r d e m vo n d e n B e h ö r d e n w i e p r i v a t a u f d a s
l i e b e n s w ü r d i g s t e gef örder t , i n s b e s o n d e r e b i n ich He r r n D i r e k t o r K o s t o v
f ür die m i r b e r e i t w i l l i g s t g e w ä h r t e U e b e r l a s s u n g de s M a t e r i a l s der ö f f e n t ­
l ic h e n S a m m l u n g e n v e r p f l i c h t e t . F e r n e r m ö c h t e ich n i c h t ve r f e h l en , m e i n e n
F r e u n d e n , He r r n A r c h i t e k t T s c h a r d a f o n o f f , He r r n M a j o r T o d o r o f f , He r r n
R e c h t s a n w a l t K o n s t a n t i n o f f , Herrn H a u p t m a n n P o p o f f , w i e al l en ü b r i g e n
f ür alle m i r e r w i e s e n e n D i e n s t e u n d I n f o r m a t i o n e n m e i n e n D a n k a u s z u ­
s p r e c h e n . Si e h a b e n mi r , i n d e m sie s i c h m i r al s D o l m e t s c h e r z u r V e r f ü g u n g
s t e l l t e n, m e i n e Ar b e i t e n e i g e n t l i ch e r s t e r mö g l i c h t . J a , ich h a b e e i n e G a s t ­
f r e u n d s c h a f t g e n o s s e n , di e m i c h n i ch t a n d e r s al s m i t d e n i n n i g s t e n G e f ü h l e n
a n d i e s e s f r e u n d l i c h e L a n d z u r ü c k d e n k e n läßt.
2) C. J i r e c e k , D a s F ü r s t e n t u m Bu l ga r i e n , W i e n 1891, S. 57.
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dieses Na me n s für geistig mi nd e rwe rt ig , so d a ß sich selbst nie­
m a n d ger ne zu denselben zählen läßt, aber u m so lieber die B e ­
v ö l k e r un g eines a nder en Landestei l es zu ihnen rechnet .1) Allerdings
weist seine g an z b es t im m t e Ver br eit ung da ra u f hin, in ihm eine
S t a m m e s b e z e i c h n u n g zu s u ch e n . 2) So sind es vor allem neben
den Bauern u m Sofia, die der hochgelegenen Becken von Breznik
u n d Radomir, die diesen Na me n tragen. Dieses Gebiet wird auch
direkt als S c ho p sk o oder S ch o pl uk bezeichnet. In der Ge ge nd
von Küstendil (im Kraischte), Kratovo, Pal anka, Kuma n o v o v er s teht
ma n u n te r dem Au s d r u c k a u ß e r d e m noch die G ebi r gs be w oh n e r
der nä ch s te n U mg e b u n g . 3) Kar anov führ t s og a r die Namen der
einzelnen Sc hopendörfer in den v er schi edenen Bezirken im G e g e n ­
satz zu den übrigen an.4) Die Bul garen des Os te ns zählen zu
ihnen ebenfalls die Leute von Vidin, Vraca u n d Trn, obwohl diese
selbst d a v o n nichts wis se n wol len r>) Allerdings geben auch die
Bauern von Sofia, Breznik u n d Radomir ihre Zuge hö ri gk ei t zu
d em Scho pe nv ol ke n ur widerwillig zu.
Ebenso strittig wie die Fr age der Verbrei tung des Na me ns
ist die nach einer engeren ethnologischen, re sp e kt i ve a n t h r o ­
pologischen Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t seiner Träger. W a s den s p r a c h ­
lichen G e si c h t s p u n k t anbel angt , l ehnt Jiricek einen eigenen
S c ho pe nd ia le kt ab. Der Name haftet nach ihm bloß an T r a c h t
u n d Gebirge.0) Jedenfalls v er b in d e t heut e der Bulgare, da s w ur de
mir überall versichert, mi t der Vor stel lung des Schopen auch die
Vorstellung eines ganz b e s t im mt e n K o st ümt yp us . Ueber ihre Ab­
s t a m m u n g liegen die v e rs ch ie d e ns t en Hyp ot h e se n vor. J i r e öe k 7)
u n d D o b r us ki 8) bringen die Schopen mit d em t ur an i s c he n Element
der Pet sc he ne ge n in Z u s a m m e n h a n g , die nach dem Bericht des
griechischen Schriftstellers Kedri nos u m die Mitte des 11. J a h r h M. K o n s u l o w a ,
Da s Sof ia bec ken u n d sei ne A ns i edl un ge n.
E r l a n g e n 1914, S. 60.
2) I. i v a n o v ( Bu l ga r i t v M a k e d o n i j a , Sof i a 1917, 2. Aufl.) hä l t
dag ege n den A u s d r u c k S ch op n u r für einen S p i t z n a m e n .
3) C. J i r e c e k , a. a. 0 . , S. 56.
4) O p i s a n i j e n a k r a t o v s k a t a k a z a . Pe r i od . Spi s. XI u n d XII. S. 127.
6) In N o r d w e s t - B u l g a r i e n s e l b s t k o m m t '(I- T r i f o n o v : P o p r o i zc h o d a
n a i me t o Sc h o p . Spi s. n a belg. a k a d . n a n a u k i t XXII, kl. ist. filol. i filos.
o b s c h t . 12) ü b r i g e n s n u r d e r N a m e T o r l a u vor. A l l e r d i ng s e r w ä h n t Mi l et i t s ch
( Alte b u l g a r i s c h e B e v ö l k e r u n g v o n N o r d w e s t - B u l g a r i e n ) z w i s c h e n Nikol pol
u n d P l e v n a bei d e m Dor f e M e s c h k a ei ne G r e n z e z w i s c h e n C h e r cv i t e u n d
Schopen.
6) J i r e c e k , a. a O., S. 56. Die M u n d a r t v o n Sof i a g e h ö r t , e b e n s o
w i e die v o n Br e z n i k , Vr a c a , Vi di n, z u d e n w e s t b u l g a r i s c h e n D i al e k t e n ,
w ä h r e n d die v o n Kr a i s cht e , Kr a t o v o etc. si ch d e m M a k e d o n i s c h e n n ä h e r t .
Di e Me h r z a h l der K r a i s c h t e l e u t e s t a m m t ü b r i g e n s n a c h S a c h a r i e v a u s
M a k e d o n i e n s e l b s t . Ob d a m i t di e v e r s c h i e d e n t l i c h g e ä u ß e r t e V e r m u t u n g
v o n e i n e m V o r k o m m e n v o n S c h o p e n a u c h in d i es e n G e b i e t e n ( w i e z u m
Beispiel i m ö s t l i c h e n M a k e d o n i e n bei Petric, T r i f o n o v , a. a. 0 . ) z u ­
s a m m e n h ä n g t , w a g e ich n i c h t zu e n t s c h e i d e n .
'') J i r e c e k , a. a. O., S. 377.
s) Ne k o l k o h i s t . - a r c h e o l . b e l e s c h k i . S b o r n i k z a n a r o d n i u m o t v . III, S. 43.
48
h un d e r te s im Becken von Sofia, Nisch u nd Ovcepole angesi edelt
w u r d e n . 1) Noch einen Schritt weiter g eh t der serbi sche Ge og r ap h
Cvijic. Nach ihm bildet die Be vö lke ru n g v on Sofisko ein Gemi sch
von Slovenen, Petschenegen, Ku ma n en u nd Wlachen.*)
Es k ann natürlich hier nicht meine Aufgabe sein, auf alle
diese Verhäl tnisse im einzelnen einzugehen. Ich habe sie nur
deshalb er wähnt, weil die Frage der A b s t a m m u n g ge r ade mit der
Frage der T r a ch t in V e rb i nd u n g ge b r ac ht wor den ist.3) Ich wer de
an den betreffenden Stellen noch einmal auf sie z u r ü c k k o m m e n .
Im übrigen k a n n wohl eine m e h r oder weni ger k o s tümge sc hi c htl i c he
Studie, wie ich sie mir zur Aufgabe machte, derartige P r ob le me
nur we nig fördern. Dazu fehlen auch alle Vorarbeiten, ist doch
die Genes is der meisten T r a c h t e n s t ü c k e des Ba lk a ns so g u t wie
u nb e ka n nt . H ab e rl a nd t 4) und No p cs a 6) haben z w a r , in dieser Hi n­
sicht einiges vorgearbeitet, aber auch ihre U nt e rs u c h u n g e n reichen
für eine wirkliche E rkennt ni s noch nicht aus. Ich we rd e mich
d ah er in folgendem begnügen, die einzelnen Kostüme, wie ich sie
in Sofisko Polje. G r a c h o v o “) u nd an den Be st än d e n des M u s e u ms
s t ud i er en konnte, nach ihrer r ä uml ic he n u n d zeitlichen Verbr ei tung
darzulegen, u m nur zum Schluß einige Hinweise auf weitere
Z u s a m m e n h ä n g e zu geben.
Die Schopen gehen heut e noch im al l gemei nen d ur ch we gs
in der Nationaltracht, wenn auch m o d e r n e Klei dungsst ücke schon
ab u nd zu bei ihnen Ei ngang gefunden haben. Das gilt zum
Beispiel für die Schuhe und die Strümpfe bei den Frauen, die in
den letzten J a h r e n fast gänzlich die Sa nd a le n v er d r ä ng e n und oft
zu der übrigen Kleidung in einem s on d e rb a re n G eg e n s a t z stehen.
Weniger b es tä ndig als das Kostüm der Weiber scheint, wie ja
auch a nd e rs wo , das der Mä nn e r zu sein, i ns be sonde re ist die
wei ße Tu c hh o s e im V er sc hwi nd en begriffen.
Da die Stoffe zum g rö ß te n Teil im Ha use hergestellt und
fertige Kleidungsst ücke noch so g u t wie nicht g ekauf t werden,
spielt der finanzielle F a k t or bei der Er h al tu n g der T r a ch t keine
übe rwi ege nde Rolle, w e n i g st e n s heute noch nicht. Die Anfertigung
erfolgt, sei es in a lt he rge br ac ht er oder m o d er n e r Art, e nt we de r
Ü A u s d i e s e m G r u n d e f ü h r t w o h l I. l v a n o v ( S e v e r n a M a k e d o n i j a ,
Sof i a 1906) a u c h Ov c e p o l e al s S c h o p e n s i e d l u n g an.
2) S r p s k i Na r o d, 1, 85 u n d 117, n a c h Tr i f onov, a. a. 0 . , S. 136.
3) Vergl. d i e s b e z ü g l i c h T r i f o n o v , a. a. 0 .
4) A. H a b e r l a n d t , K u l t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e Be i t r ä ge z u r V o l k s k u n d e
v o n Mo n t e n e g r o , A l b a n i e n u n d Se r bi en . Er g. - Bd. Xll d. Ze i t s c h r . f. ös t e r r .
Vo l k s k . 1917.
5) F. N o p c s a , Al ba n i e n . Ba u t e n , T r a c h t e n u n d G e r ä t e N o r d a l b a n i en s .
Berli n 1925.
6) J i r e c e k , a. a. 0 . , S. 467, b e z e i c h n e t m i t d i e s e m N a m e n di e L a n d ­
s c h a f t v o n B r e z n i k u n d P e r n i k. l n f o l g e n d e m v e r s t e h e i ch u n t e r G r a c h o v o
n u r die let zter e. Al s s o l c h e w u r d e m i r der A u s d r u c k a u c h v o n d e n L a n d ­
l e u t e n s e l b s t er klär t.
49
zu Hause oder bei einem Dorfschneider, der aber ein derartiges
Ge we rb e me is t nur nebenbei betreibt.
Aber zum Teil a u s einem a nd e r e n G r u n d e dürfte der Schope
seine T r a c h t nicht m e h r allzulange bewahr en. Infolge der Sc hwi e ri g­
keit, farbechtes Material zu erhalten, begi nnen die b unt en S ti c ke ­
reien zu v e rs c hw in d en u nd w er d en i m me r m e h r durch Spitzen
ersetzt, die der W ä s c he b e s s e r sta nd h a lte n. Dazu k ommt , d aß
infolge der al lgemei nen Verel endung nach den vielen Kriegen die
k os t ba r er e n Ko st üms tücke, wie die g r o ß e n silbernen G ü r t e l ­
s chnallen der Weiber oder die reichen S ti r nbe hä nge , m e is t schon
l ä ngs t ihren W e g z u m T r ö dl e r gefunden haben.
C ha ra k t er i st i sc h ist für alle S tü c ke die Z u s a m m e n s e t z u n g
a u s s c hma le n Stoffbahnen, eine Technik, die sich durch die Art
des W e b e n s erklärt.
J e nach den einzelnen L an ds ch a ft en sind verschi edene T ype n
an der Kl eidung zu beobachten.
D ie M ä n n e r t r a c h t e n :
flj v o n S o f i j s k o : Sie be st eht a u s einem a us B a u m w o l l ­
stoff, s el tener a us Hanfgewebe hergestellten Hemd, das an Kragen
und Aermel g es ti ckt ist un d vorn einen ge sti c kte n Brustlatz
A b b . 3.
A b b . 2. B e n e v r e c i .
Doiaktanec.
( Nr . 2005 E t h n . M u s . So f i a . )
( Nr . 2002 E t h n . M u s . S o f i a . )
( m o s c ha m ba k ) a uf ge nä ht zeigt (koschula). Die O r n a m e n t i k der weißroten Stickereien, u n d das gleiche gilt auch für die Frauenhernden,
ist eine d u r c h a u s cha ra kt e ri s tis che . Sie wechsel t von Ort zu Ort,
so d a ß der Kenner allein nach den Mus ter n die Herkunft eines
St üc ke s b e s t i mm e n kann. Kostov h a t u n s über sie eine u m f a n g ­
reiche Mo nogr aphie g es chenkt, so d a ß es sich erübrigt, n ä h er ' au f
diese Arbeiten einzügehen. Die g es ti c kt e n Teile we rde n s el b s t­
ständig für sich her gest el lt u n d d a nn er st auf oder in da s Hemd
eingesetzt. Ueber dem H e md t r ä gt der Sc hope die Hosen, die
s o g e n an n t e n Benevreci oder Ceschiri. Sie sind a us weißem, lodenähnli chem Ha us ma che rs tof f ( schaj ak) verfertigt, mit w ei ße n u nd
sc hw ar z en Sch n ü r e n (gaitani) verziert u n d engen anl iegenden
Beinteilen, die mit b e s o n de r en Kni es tücken (nakolenizi) besetzt
50
sind. Eigentümlich ist ihr tiefer Sitz an der Hüfte. Sie we rd e n
me is t mi t einer Hanf schnur g e sc h lo s se n .1) Als Gürtel (pojas) dient
ein breiterer, — nach der letzten Mode blau karrierter, — B a u m wollstreifen, der in mehrfacher W i n d u n g u m den Leib g e sc hl un ge n
u n d durch ein s chmäl eres, bis vor k u r z e m noch in Br et t c he n­
we ba rb ei t in s chönen Mu st er n gear beit etes Wo l lb a nd z u s a m m e n ­
g ehal ten wird, ln ihm v e r w a h r t der Bauer auch seine Ha bs e lig ­
keiten wie Messer u n d Pfeife.
Ein weiteres K le idungss tüc k
stellt der Do lakt anec d a r . 2) Das ist eine mit n ur den hal ben O b e r­
a r m b e d e c k en d en Aermeln v e r s eh e ne J a c k e a us d un k e l b la u em,
mit w ei ße n u n d blauen Sch nü r en b e n ä ht e m Schaj ak, die bis zur
Hüfte reicht u n d vorn den ge sti c kte n Brust lat z freiläßt. Sie wi r d
offen get ragen. Als Ueberkleid dient ein r un d ges chnittener, ä r m e l ­
l oser Mantel (mente) a u s dem gleichen b r au n e n oder blauen Tuch,
d e s se n schiefe Seitenteile zu einer nach innen sich öffnenden
Hohlfalte z u s a m m e n g e f a ß t si nd und der in ähnli cher We is e wie
der Do l akt anec mit Schnursti ckerei g e s c h m ü c k t ist.3) Als b e so n d e re r
Käl teschut z dienen bis zur Hüfte reichende Pel zjacken (kozuch).
Die Fellseite wi r d nach innen gewendet, die Auß en se it e ist oft
s chön mi ttel s b un t e r L e de ra ppli kat i on verziert. Sie h ab e n st et s
Aermel, z um Unter schi ed von dem k ur ze n Fra ue n- k o z u c hce , da s
se lb st im s t re ng st en Wi nt e r ärmel los ge tr ag en wird. Alte Bauern
besitzen m i t u nt e r auch lange Pelzmäntel, die einen a u s z a h l ­
reichen St üc ke n z u s a m m e n g e n ä h t e n , m e h r er e Meter weiten S c h o ß ­
teil an einem kur ze n Leibrock zeigen. Daneben sind kurze,
ö. mellose Pe lzwes ten mi t ü b e r ei na n de rg e sc h la g en e n Vorderteilen
(elek) zu beobachten. Als Re ge nma nt el k o m n t ein runder, gleich­
falls a u s vielen sc hma le n Teilen z u s a m m e n g e f ü g t e r Kragen mit
Kapuze vor. Die mir b e k a n n t e n S tü c ke w a r e n a u s b r a u n w e i ß
gestreiftem Zi egenhaarl oden. 4) Als Ko p f be de ckung ist eine niedere
s c h wa r ze Schaffellmütze, der Kalpak, üblich. Fr üh e r scheinen
allgemein ganz kleine ho c h r ot e T u ch mü t ze n g e t r a ge n w o r d e n zu
sein, die im G e g en s at z zu d em t ür ki s c he n Fes keine Q ua s te n
h a t t e n u n d zur Zeit von Ji reöek im g a n z en W es te n ebenfalls z u r
T r a c h t der klei nen Kinder g e h ö r t e n . 5) Die F ü ße s tecken in a u s
Sc hwe in sl ed e r g ea r be i te ten Sa nda le n (opinci), die eine Art B u n d ­
s c hu h darstellen. Die durch eine kleine v or de re L ä n g s n a h t zu
einem offenen Schuh gef or mt e Leder sohl e wird mi tt el s eines längs
de s g a nz e n Ra nde s d u r ch ge z og e ne n Ba n de s in der For m g ehal ten
u n d so durch Rist und F er s en r i e me n (remik) an d e m Fuß befestigt.
‘) S i e h e Ab b. 2.
2) S i e h e Ab b . 3.
8) S i e h e b e z ü g l i c h d e s S c h n i t t e s Abb. 5.
4) K o n s u l o v a (a. a. O., S. 69) b e z e i c h n e t i hn al s J a p u n c a k . D a n e b e n
e r w ä h n t sie n o c h a l s H i r t e n k l e i d u n g d e n Ko s j a n i k, ei ne A r t J a p u n c a k o h n e
K a p u z e , u n d die Nogavi zi , d a s s i nd g r o b e G a m a s c h e n a u s Ziegenf el l.
A u ß e r d e m soll in Sofia, e b e n s o w i e i n G r a c h o v o , B r e z n i k u n d T r n e i ne
Anteria m it Aermeln getragen werden.
5) C. J i r e c e k , a . a . O . , S. 68. Si e he d o r t a u c h A n m e r k u n g 1,
51
Wollene wei ße Socken (schorapi) oder Fu ß l a p p e n (na vu sc ht a) a us
Baumwollstoff vervo l ls t än di ge n den Anzug. Die letzteren we r de n
v or allem im Wi nt e r über die Ho senbeine mittels des S a n d a l e n ­
riemens bis z ur halben Wa de h inauf gebunden, der d an n m i t Hilfe
eines kleinen E i s enh äk c h e ns in den Stoff e i n ge h ak t wird.
Z u r T r a ch t im wei teren Sinne r echnet ma n auch die
gr oßen, m e is t s c h w ar z -w ei ß g e m u s t e r t e n ge wir kt e n T r a gt asc he n.
Diese Doppelsäcke w er d en ü be r die Schulter g e s chlagen u nd sind
bei M ä nn er n u n d bei Wei bern im Gebrauch. Ebenso ist der dicke
Stock (schopa) charakteri s ti sch, ohne den kein Bauer das Dorf
verläßt.
b) v o n G r a c h o v o . Sie ist im g roße n und ga nz en mit der
von Sofijsko identisch. Der U n t er sc hi ed b e st eh t nur darin, d a ß
die gewöhnl ich mit sc hwa rz en S c h n ü r en verzierten Hosenbeine
keine a uf genähten Kniest ücke zeigen u n d der Doi akt anec fehlt.
An seine Stelle tritt ein Mente a u s w ei ß em Tuch, der im Schnitt
v o l l k om m en dem von Sofijsko gleicht u n d fast bis zu den Knien
reicht. Seine Vorderteile greifen stets schief überei nander. Der
Gürtel (pojas) b es te ht a u s einem breiten Streifen roten Wollstoffes,
der über d e m Mente a ngel egt diesen in mehr facher W i n d u ng
umschl ingt . Er wird ma n c h m a l noch durch einen besonderen
Le de rr ie men z u sa m m e n g e h a l t e n . Von Kozuchs sah ich n ur die
gewöhnliche ge ra de g e sc hn i tt en e Aermel jacke a u s we i ße m L a m m ­
fell, doch sollen auch lange Pelze ohne Aermel u nd d a rü b e r noch
k ur ze mit Aermel V or k o mm e n . 1)
c) v o n R a d o m i r. s k o , K ü s t e n d i l s k o K r a i s c h t e
u n d K r a t o v o . Noch vor nicht lange dürften allgemein die
we iße n Benevreci üblich ge we s e n sein. Nach den Nachrichten, die
wir von L i p r a n d i 2) u n d Ka ra nov a u s dem ersten Drittel und der
zweiten Hä if te de s vorigen J a h r h u n d e r t e s besitzen, t ruge n d a m a l s die
Schopen eine be sonde re Tracht, b e s t eh e nd a us Hosen u n d engen
Röcken (dolami) a us w ei ß e m Tuch, die w e ni gs t e ns in Kratovo
u n d K u ma n ov o mit s c hw ar z en Sc hn ü re n verziert waren, ja Karanov
stellt die B e vö lk er un g der le t zt g en a nn te n Dörfer g e w is s e r m a ß e n
als we iße Schopen den schwar zen, das he ißt schwar zgeklei det en
von Küstendil u n d Pij anecko g e g e n ü b e r . 3) ln diesen Ge ge nde n
haben näml ich z ir ka 15 J a h r e nach der Befreiung des L an de s
die d un k le n Breeches mit langen Ga ma sc he nt ei len, die s o g e n a n n t e n
Potüri mi t d az ug e hö r ig e m breiten Gürtel, W e s t e u nd meist schon
der s tä dti sc he n Mode n ac hge ar bei te te r J a c k e da s alte Kos tü m v e r ­
drängt. 4) Dasselbe gilt auch für Radomir, wo heut e schon fast
d u rc h we g s die Poturi z ur T r a c h t gehören.
J) Si e h e di e b e i g e f ü g t e Taf el Abb . 5.
2) J. T r i f o n o v , a. a. O., S. 141.
3) K a r a n o v , P o e t n o g r a f i j a t a n a M a k e d o n i j a .
Sborn ik -za-.qar
u mo t v o r . , IV, S. 280 ff.
..g.
4) S a c h a r i e y , a. a. O., S. 89. An d i e s e r S t e l l e g i bt e r ^ ^ c l t ' e i r i e ^ ’e i ^ ' k
g e h e n d e B e s c h r e i b u n g d i es e r K l e i d u n g .
1\ .ii
VV ' t N
I
53
Die F r a u e n t r a c h t e n :
a)
v o n S o f i j s k o : Die Schopin t rä gt über de m a us Hanf­
g ewebe oder jetzt auch a u s Baumwollstoff gefertigten He md
(koschula) ein Schlupfkleid ( sukman) a u s s c h w ar z e m oder d u n k e l ­
b lauem Schajak, das den me is t a us feinerem Stoff a nges etzt en,
reich verzierten Her nds aum u n d Brust l at z wie die mit einer M a n ­
schet te v e r s e he n en gest ickt en Aermel freiläßt. Er ist stets mit
schief g e sc hn it t e ne n Seitenteilen gearbeit et und in t y p i s c h e r W e i s e
mit roten und blauen Sch nü re n besetzt. Die Nähte s i n d durch
eine Stickerei von n at ur f ar be nen Baumwoll fäden b e t on t .1) Ueber
den S u k m a n wird ein Gürtel angelegt, de r je nach dem Alter
■Ab b . 4. S u k m a n .
( Nr . 1917 E t h n . M u s . So f i a . )
Ab b . 5. F r a u e n m e n t e .
<N r _ 1918 E t h n _ Ml]Sp S o f i a . )
d e r Tr äg e ri n m e h r oder w e ni ge r breit ist (pojas oder kolan),
häufig auch ein s c hma le r Kolan zugleich ü be r den Pojas.
Breitere B ä nd e r sind st ets ein Bestandteil des Al twei ber kos tüms .
Früher w u r d e der Kolan allgemein mit g r o ße n Silberschnallen
(pafti oder caprasi) geschlossen, sie sind aber h e u t z ut a g e ni rgends
m e h r anzutreffen, die Ban d e nd e n we rd e n einfach in den Gürtel
selbst gesteckt. Wie bei den M än ne rn ve rvo ll st än di g t ein ä r m e l ­
loser Mantel (mente) a us s c h w a r z e m oder d u n k e l b l a u e m Tuchstoff
die Tracht. Er ist g e n a u wie dieser geschnitten, n u r l änge r und
in a nd er en Mus ter n u n d Fa rbe n bestickt, i ns be so n d e re ist ein
Besatz a u s roten u n d we i ße n Wo ll qua st en längs de r schiefen
Se it en nä ht e cha ra kt eri s t is ch . 2) Eine Schürze fehlt. W a s die Fell­
j a ck en betrifft, so wu r de bereits ein är me ll os es Ko2uchce oder Elek
erwähnt. Seine Vorderteile we rd e n bei der Arbeit nach r ü c k w ä r t s
geknöpft. Aeltere Fr aue n t r ag en m a n c h m a l noch einen bis zu den
') S i e h e Abb. 4.
a) S i e h e Abb. 5.
Knien reichenden Mantel mit langen Aermeln a u s Schaffell. Endlich
sind die mei st in der St adt e r w or b en e n wa tt ie rt e n a bge ste ppt e n
J a c k e n aus Baumwollstoff (anteria) mit oder ohne Aermel zu e r­
wäh n e n, die ma n teils über, teils u n te r d e m S u k m a n anlegt.
Die F rauen ha be n den Kopf s tets mit einem Tuch bedeckt,
da s je nach ihrem Alter ver sc hi e de n g e b u nd e n und in der Farbe
ge wä h lt wird. W ä h r e n d die alten Bä uer innen ein s ch wa rz es Tuch
unter dem Kinn kreuzen, so d a ß ein Teil des Gesichtes mi tver hüll t
ist, binden die j u ng e n Fr a ue n die wei ßen Fekeli glatt über die
Stirne nach r ü c kw ä rt s, wo sie die Zöpfe u msc h li e ße n d in langen
Zipfeln üb er den Rücken fallen. F r ühe r w u r d e n sie dabei als eine
Art Haube a m Hi nterkopf geknüpf t, — ni cht u nt er den Zöpfen
wie j etzt — , u nd d or t mit g r o ße n Sil bernadel n befestigt.
Die Mädchen geh en g ewöhnl ich b a r h ä u p t i g und t ra ge n k ü n s t ­
liche oder natürliche Blumen im Haar, wie ü b e r h a u p t die Bulgarin
selten ohne einen B l u m e n s c h m u c k erscheint. Nur bei der Arbeit
oder im Wi nt er n e h me n auch die Mädchen einfache weiße T ü c he r
oder wollene Schals zum Schut z geg en die S onne oder die Kälte
um. Allgemein waren noch z ur Zeit J ir eöeks falsche Zöpfe aus
Zi eg e nh a ar oder Wolle zu sehen, die, me ist reich mit Silber­
mü nz e n u nd Kaur ir muscheln besetzt, m a n c h ma l bis z um Boden
he ra br eich te n. 1) Eine eigentümli che H a a r tr a ch t der Mädchen be­
schreibt Kon su lo v a .2) Eine g r o ß e Anzahl falscher Zöpfchen, in
welche Münzen, Perlen u. s. w. eingeflochten, sind, wird nach u nd
nach mit einer st ä rk e re n Mittelflechte v on eigenem u n d k ü n s t ­
lichem H a a r vereinigt, w o d u r c h eine Art Schild entsteht. Auch
s o n s t spielt natürlich der M ü n z e n s c h m u c k eine gr o ß e Rolle, er
k o m m t s owohl als Stirn- u n d G ü r t e l o r n a m e n t in den ver schi edensten
For me n vor.
Daneben
w e rd e n
silberne
oder
mess in ge ne
ma s si ve A r ms pa ng e n, Ringe, O h r g e h ä n g e u n d dergleichen Zierat
getragen.
Als F u ß be k le i du n g dienen b u n t g est ri ckte oder gestickte
St rümpfe u n d Opinci, die im G e g e n s a t z zu den M än n er s an d a l e n weiter
au sg esc hn i tt en sind. Neben den T r a g t a s c h e n v e rw en d e n die Frauen
auch Tr ag tüc he r, die sie mitt elst der vier an ihren Ecken befestigten
Schnür e auf den Rücken oder ü be r eine Schulter binden. In diesen
we rde n s og a r die kleinen Kinder auf das Feld zur Arbeit mi t ­
g e n o m m e n . 3)
b)
v o n G r a c h o v o : Sie zeigt g e ge n üb e r der Sofioter Kleidung
nur geri nge Variaten. So ist d a s He md gewöhnl ich a m unteren
Rande und an den Aermeln s t a t t mit Stickerei mit breiten ge hä ke lte n
Spitzen ver sehen. Die feineren Aermelteile sind nicht selten mit Seide
') C. J i r e c e k , a. a. O., S. 378. Ver gl . die a n g e f ü g t e T a f e l Abb. 2.
2) M. K o n s u l o v a , a. a. 0 . , S. 66.
3) Di e a u f Abb. 1 der Tafel a b g e b i l d e t e B r a u t z e i g t die t y p i s c h e
F r a u e n t r a c h t . Nu r der Gü r t e l m i t d e n b e i d e n sei t l i ch h e r a b h ä n g e n d e n Tei l en
u n d die Kr o ne a u s P a p i e r r o s e n g e h ö r e n z u m H o c h z e i t s s c h m u c k .
64
d ur chschos sen. Ueber dem He md wird ähnlich wie dor t ein Schl upf­
kleid getragen, nur d a ß dieses nicht schief, s on d e rn g er ad e g e­
schni tt en u nd nicht a us Schaj ak, s o nd er n a us einem leichten Woll ­
stoff, r esp ek t iv e Leinen hergestellt ist, der Litak. Er ist s t et s v on
s c h w a r z e r Farbe, sehr eng, kur z u n d a m un te r en Rande, .. a m
Aermel-, a m B ru s t a u s s c h n i t t wie an den Näht en in v er schi edener
Breite mit Gol d- oder Si l be rs c hn ü r en un d Flitter benäht. Er wird
so gegürtet , d a ß sich vorn u nt er der B r u s t eine Hohlfaite bildet.
Das Band wird als T ka ni c a oder Sunica bezeichnet. Ein Mente
ist nicht üblich.1) Wa s die’ Ko pf bedeckung betrifft, so t r a g en hier
die Mädchen we iß e B a um wo ll t ü c he r (fekeli), w ä h r e n d die F r auen
farbige seidene, oft mit Spitzen b en äht e Paralent i urn den Kopf
schlingen.
cj v o n R a d o m i r s k o - u n d K ü s t e n d i l s k o K r a i s c h t e :
Bei den Fr aue n sind die Unt e r sc hie de zwischen nördlicher u nd
südli cher T r a ch t noch g r ö ß e r als bei den Männern. In den g e ­
n a n n t en Landschaf ten t ra ge n die Wei ber an Stelle eines Schlupf­
kleides die vorn offene Saja, das ist ein im g a nzen geschnittenes,
v or n de r g anzen Lä n g e nach offenes Kleid mit k a u m bis z um
Ellbogen reichenden, mi t b unte n Sch nü re n b e nä h te n Aermeln. Es
ist mit schiefen Zwickeln ver sehen. Da rü be r wird eine me is t r o t ­
gestreifte Schür ze (prestilka) u n d ein in ähnlicher Fa r be gehal tener ,
m e h r er e Meter langer Stoffstreifen als Gürtel angelegt. Er wi r d
m a n c h m a l noch durch einen zweiten Gürtel mit Metallschließen
er set zt oder ergänzt. Der zu dem Ko s t üm gehöri ge Mente zeigt
am Rücken eine Anzahl plissierter Falten ei ngeset zt .2)
Wie ist nun die weitere Verbr ei t ung di eser T r a c h t e n ?
F ür da s südliche Kos tüm ist nicht viel hinzuzufügen. Au ße rha lb
der g e na n n t e n Gebiete w ur d e n Benevreci a us D2umai a u nd Dupnica
e r w ä h n t , 8) heut e sind sie allerdings schon zum g r ö ß t e n Teil auch
dor t durch die Poturi ersetzt, die im ga nz en Sü de n W e s t b ul g a r i en s
von Osten her i mme r m e hr an Terrai n gewi nnen. Eine allerdings
ä rme ll os e S a j a 4) ist mir da ge g e n n ur noch a us Rila bek an nt , ln diesem
Dorfe k o n n t e ich u n t e r a n d e r e m einen ei genarti gen K opf sc hmuc k bei
j u n g e n a r o m u n i s c h e n F r a u e n b e ob ac h t en .h) E r b e s t a n d a us einem reich
mi t Münzen u n d Flitter ben ä ht e n dreieckigen S t üc k roten Tuches,
*) Na ch K o n s u l o v a (a. a. 0. , S. 65), — ich h a b e es s e l b s t n i c h t b e o b ­
a c h t et , — w i r d er d u r c h e i n e n M a n t e l ( pa l t o) a u s d u n k l e m W o l l s t o f f u n d
f ar b i g e m S a m t e r s e t z t , d e r ü b e r die Hü f t e n r eicht, l a n g e A e r me l b e s i t z t u n d
m i t Pel z v e r b r ä m t w i r d .
2) Die S c h i l d e r u n g b e z i e h t si c h i m a l l g e m e i n e n a uf e i n e a u s R a d o m i r s k o
s t a m m e n d e s W e i b e r t r a c h t (Nr. 2104—2107) d e s Sof i ot er M u s e u m s . W e i t e r e
A b b i l d u n g e n w i e B e s c h r e i b u n g e n si e he
bei S a c h a r i e v : K ü s t e n d i l s k o
Kr a i s c h t e . S b o r n i k z a nar. u m o t v . XXXII. 1918.
3) N a c h L i p r a n d i , a. a. 0 . , u n d J i r e ö e k , a. a. 0 . , Ab b. 2.
4) Si e w u r d e ü b e r e i n e r A e r m e l j a c k e g e t r a g e n . Di e S a j a w a r m e i s t
v o n d u n k e l r o t e r Fa r be .
6)
Di e i m ü b r i g e n g e n a u d e n a n d e r e n R i l a f r a u e n gl ei ch g e k l e i d e t
w a r e n . D a ß ich es hi er n i c h t m i t B u l g a r i n n e n z u t u n ha t t e , z e i gt e u n t e r
a n d e r e m a u c h i hr u n g e m e i n s c h e u e s W e s e n . Si e h e Abb. 3 d e r Tafel.
55
da s an die hochgelegten Zöpfe a ng e le h n t eine Art Krone bildete,
die durch ein St i r n b a n d ge ha lt e n wurde. Die rü ck wä rti ge Seite
bildete eine ähnlich gear bei t et e r u n de Scheibe. Ueber d a s Ga nz e
k a m gewöhnli ch noch ein d u n k l es Kopftuch. I n te r es s an t w a r auch
die d az uge hör ige Haartracht, bei de r die v or de re n Haare p e r ü c k e n ­
artig nach innen ei ngeschl agen wur den. Ob es sich bei dieser
Art von H o r n p u t z 1) u m einen r u m ä n i s c h e n oder einen älteren s ü d ­
bul gar is chen T r a c h t e nz ug handelt, der sich ge ra de hier erhalten
hat, v e r m a g ich nicht zu sagen.
G e n a u e r e Angaben k a n n ich für die T r a c h t e n t y p e n von Sofijsko
und Gr ac h ov o bringen. Die c ha ra kt e r i s ti s c he Sofioter Kleidung ist
fast g e na u auf die Ebene b es c h r än k t . Im Osten läuft die Grenze
den er st en T e rr a ss e ns t u f e n e n t l a n g 2) u n d d a s gleiche dürfte im
g r oß en u nd ga nz en für den Sü d e n gelten, w e n i g st e n s h a t bereits
in Vakarel T y p u s u n d Ko st üm der U m g e b u n g der H a u pt s t a d t ein
Ende, 3) w ä h r e n d u m g e k e h r t in P a n c a r e v o und Kokal jane noch die
richtigen S c h o pe nt r ac ht e n Vo r komme n. Ge ge n S ü d w es te n zu haben
wir in der Vituscha die nat ürl i che T r e n nu n g s l in i e gegen das Gebiet
von Grachovo. Die alte Dörferreihe von S i meonevo bis Knjaäevo zeigt
noch rein s chopis ches Gepräge, im E n g p a ß v o n V l a d a j a tritt bereits
die a nd er e Kleidung auf. Wie die Gr e nz e gegen Norden verläuft,
ist nicht v o l l k o m m e n klar. In Michalovo k o m m e n beide T r ac ht en
n e be ne i na nd e r vor, Klisura wird von Konsulova für G ra chovo a n ­
g e s pr oc he n. 4) Man h a t den Eindruck, d a ß hier die T r a c h t von
Grachovo, b es on d e rs die weibliche, gegen Nor dos te n v o r s t ö ß t und
das eigentliche S c h o p e n k o s t ü m zu v e r d r ä n g e n beginnt, denn selbst
in den Sofia d ir ek t nördlich vo rg el ag er ten Dörfern, wie Kumarica,
Gniljane u nd Negovan, t r a g e n die Mädchen, b e s o n d e r s zu Fest­
z e i te n ,. einen s ch wa rz en Li ta k mi t Goldstickerei, w ä h r e n d die
älteren Fr aue n sich mit d e m g e wöhnl i c he n S u k m a n begnügen.
Die gleiche B e o b ac h t un g k o n n t e ich auch in a nde re n Dörfern
machen. Z u r Zeit von J ir ecek s che int die T r a c h t von Sofia noch
in Breznik v o r g e k o m m e n zu sein.5) Heute fügen dor t die Fr a ue n
kleine Aermel a u s farbigem S a m t oder Seide an den Litak, ihn
so zu ei nem Dol aktanec m a c he nd , u nd zieren ihn mit einer Stickerei
aus b unt er Wolle, Spitzen u n d Litzen, w ä h r e n d die Mä nn er sich
im w ei ße n D o r am t s c h e oder Mente (ohne Aermeln)6) mi t ro t em
J) Vergl . A. H a b e r l a n d t : De r H o r n p u t z . S l a v i a . R. II, S. 4. 1924.
3)
K o n s u l o v a g i b t al s die ö s t l i c h s t e n Sc h o p e i i d ö r f e r die S i e d l u n g e n
Gu r e d s c h i j a , G a i t a n e v o , Be l opopc i , C e k a n c e v o , S a r a n c i u n d O s o i c a an, w o
b e r e i t s di e T r a c h t v o n P i r d o p a u f t r i t t . J i r e c e k (a. a. 0 . , S. 418) n e n n t als
l et z t e s Dor f m i t So f i o t e r K o s t ü m di e O r t s c h a f t S t o l n i k .
3) C. J i r e C e k , a. a. 0 . , S. 379.
4) A. a. 0 . , S. 63.
5) J i r e c e k , a. a. O., S. 467.
6) K o n s u l o v a , a. a. 0 . , S. 64 u n d S. 69. J i r e c e k b i l d e t a l l e r d i n g s
e i nen B a u e r n a u s B r e z n i k m i t e i n e r w e i ß e n A e r m e l j a k e ab (a. a. 0 . , S. 65,
Abb. 1).
56
Gürtel, ähnlich wie bei Pernik, zeigen.1) Die Sofioter Kleidung
dürfte d a m a l s bis D r ag o m a n au s g e b r ei te t ge we se n sein, von wo
die Grenze gegen den Iskrec verlief.2) Droncilov bildet selbst
noch alte Fr aue n im gest i ckten S u k m a n ab.3) Im übrigen jedoch
ist heut e im Bureigebiet da s Kost üm von Trn, da s im g r oßen
u nd g an z en mi t dem von Gr ac h ov o identisch ist, üblich. Ob
die Sofioter T r a ch t gegen
den Balkan zu reicht,
k a n n ich
nicht sagen, ln Cerovo h ab e ich fast überall noch die t ypis che
Kleidung der U m g e b u n g der H a u p t s t a d t angetroffen, in Iskrec w a r
dag eg en schon deutlich der west liche Einfluß von Trn b e mer kbar .
Aber auch a uß e r ha l b de r eigentlichen Sc ho pe nb ez ir ke sind
einzelne ihrer T r a c h t e n s t ü c k e nachzuweisen. So k o m m t die we iß e
M ä n n er k le i d u n g (benevreci, dolaktanci, dolänri), z um Teil mit
rotern Poj as u n d Ledergürtel darüber, in Nor dwest -Bul gar ien vor,
wo sie a u s Vidin, Belograd2ik, Kula, Lom, Berkovica, Vraca,
Or echovo u nd Pl evna be ze ug t ist,4) also a us jenen Gebieten, die
ebenfalls m it un te r für diesen S t a m m in Anspruch g e n o m m e n werden.
Sie findet sich ferner im mittleren Teil von Donaubulgar ien, — die
Be wo h ne r der Ebene we rde n dort d i r e kt als Be nevr ecane v on den
Gebirglern, den Schal var ene (schalvari = poturi), unterschieden, —
u n d w a r früher noch weiter gegen Osten üblich.6) Ueber die Ve r­
br eit ung de r Benevreci a u ß e rh a l b Bulgariens vergl. Nopcsa. 6)
Für die We i b e r tr ac ht k a n n ich m a n ge l s geei gnet er Vorarbeiten
nur weni ge Angaben bringen. Stellt man, von kleineren Varianten
abgesehen, allgemein das K os tü m m i t Schlupfkleid (sei es mi t
oder o hn e angefügte oder a ng e sc h ni tt e ne Aermel) als nördlichen
T y p u s dern südlichen de r S aj a gegenüber , so schei nt der erst ere
nach Abbildungen bei Ji re ëe k u n te r a nd e re n s owo h l auf dem Bal kan
als in de r westlichen Sr edn a Gor a v o r z u k o m m e n und bildet im
Süden einen Bestandteil der T r a ch t von S a m o k o v , Kostenec und
Vakarel . 1)
Wie wir also sehen, zeigt die Verbr ei t ung der S ch o p e n Kleidung kei ne swe gs einfache Verhältnisse. Das Bild wird noch
komplizierter, s obal d ma n frühere T r a c h t e ns c hi l d er u ng e n her.anzieht. Ami Boué, dessen D ar s te l lun ge n3) auf .Reisebeobachtungen
a us den Dreißi gerjahren ber uhen, beschr ei bt z wa r den Ba ue r n von
Sofijsko ähnlich wie he ut e in We iß m it ro te m Gürtel, jedoch die
■) K o n s u l o v a (a. a. O., S. 63) g i b t a l s G r e n z e der T r a c h t vo n P e r n i k
g e g e n W e s t e n di e Dör f e r r ei he S l a t u s c h k a bi s B a r l o s c h n i c a an. Vo n
Dr a g o t i n c i bi s D r a g o m a n i st d a g e g e n d a s K o s t ü m von T r n v e r t r e t e n .
2) C. J i r e c e k (a. a. 0 . , S. 458 u n d 417).
3) K. D r o n t c h i l o v :
Le Bour el . E t u d e s A n t h r o p o g é o g r a p h i q u e s .
A n n u a i r e de l’u n i v e r s i t é de Sofi a. Fac. hi st . phil. t. XI X. 2. Sof i a 1923.
Taf . XX.
4) D. M a r i n o v , 2 i va S t a r i n a t. II.
6) A. I s c h i r k o f f , Bu l g ar i e n . II. T. Le i p z i g 1917. S. 26.
«) A. a. O., S. 184 u. 185.
’) A. a. O., Ab b. 9, 6 u. 10.
8) Di e e u r o p ä i s c h e T ü r k e i , W i e n , 1889. Bd. I, S. 462 ff.
67
Frauen in einer der d o n a u b ul g a r i sc h en v e r w a n d t e n Kleidung'. Nach
i linVlrugen die Weiber in Radomir, Breznik u nd Sofia über dem
bloßen He md n ur vor n u n d h int e n je eine blau-rot verzierte
Schürze. In Sofia k a m d a r ü b e r noch ein Gürte] mi t g r o ße n
Schließen aus ge wöhnl ichem oder ver s il ber tem Kupfer. Auch der
von ihm e r w ä hn t e F r a u e n k o p f s c h m u c k weicht von der jetzigen
T r ac h t ab. ln den Bezirken R ad o mi r u n d Breznik sah Boué vorn
auf den losen Haaren ein kleines Horn aus ro te m Tuch u nd in
Sofia eine Art Kapuze, die r ü c k w ä r t s in e i n , viereckiges St ü c k
s ch wa rz en Stoffes endigte, auf d em eine U nme n ge von Münzen
s y m m e t r i s c h a uf ge nä ht war. Von einer ähnlichen Haube (procelnik),
an der da s falsche Haar befestigt wurde, habe ich übr i gens selbst
noch bei Sofia gehört.
Die Sc hi ld e r un g e n der älteren Reise- un d G e s a n d t s c h a f t s ­
berichte geben allerdings n u r we n ig kost ümgeschichtl i ch b r a u c h ­
bar es Material. Das ha t v e r sc hi ed e ne Gr ünde. Der eine liegt darin,
d a ß fast sämtliche Reisenden die gleiche S t r a ß e von Belgrad über
Nisch, Pirot, D r ag o m a n nach Sofia benützten, u m von dort über
Vakarel, lchtiman nach Konst anti nopel weiterzuziehen. Sie mu ß t e n
sich dabei zu ihrem Aufenthalt s t et s der b er ei t st ehenden Herbergen
bedienen, die, we nn ü b e r h a u p t bewohnt, von T ü r k e n oder fremden
Kaufleuten gehal ten w ur de n. So k a m e n sie mit der einheimischen
Be vö lk er u n g fast gar nicht in Ber ühr ung, u m s o m e h r diese die L a n d ­
s t r a ß e n infolge der B e d r ü ck u ng e n der 'christlichen Dorfbewohner
v on Seite der d u r ch r ei se nd en T ü r k e n nach Möglichkeit v e r m i e d e n . 1)
Aber auch s o n s t wa re n die mei st en der alten Reisenden mit
wenigen A u sn a h m e n schlechte Be ob ac ht er u nd scheinen in ihren
Dar stel l ungen k ei n e s w e g s u n a b h ä n g i g v o n ei n a n d e r zu sein. I m m e r ­
hin dürften nach einer Abbil dung bei Des H a y e s 8) die Schopen
bereits im 17. J a h r h u n d e r t enge Hosen und Dol akt anci g et r agen
haben, wie eine mehrzipfelige T uc hmü t ze , die wohl schon Derns c h w a m 3) auf fiel. Nach C. v. D r i e s c h 1) be st eh t 1723 die M ä n n e r ­
kleidung in Ichtiman a us einem wollenen W a m s a us blauem oder
w ei ß e m Tu c h u n d Hosen von der gleichen Farbe, üb er die die
St rümpf e g e n ä h t wurden, B un d s c h u h e n u nd Kalpak.
Weni ger klar sind die Da rs t el lungen der Fr auent r acht . O b ­
gleich auf de r bereits zitierten Abbildung ein s u k m a n a r t i g e s
K leidungss tück vorzuliegen scheint, m ü s s e n doch nach anderen
Schilderungen eher bloß H e m d rö c ke üblich ge we se n sein, die
reich ges ti ckt und zum Teil b unt g e wi r kt die B e w u n de r u n g der
4)
C. J i r e c e k : Di e Me e r s t r a ße v o n Be l g r a d n a c h K o n s t a n t i n o p e l u n d
d i e B a l k a n p ä s s e . P r a g 1877, S. 115 u. 116.
2) D e C o u r m e m i n : Vo i a g e de L e v a n t . Fa i t p a r l e C o m m a n d e m e n t
d u roy e n l’a n n é e 1621. P a r i s 1632. S. 76.
3) T a g e b u c h e i ne r Reise n a c h K o n s t a n t i n o p e l u n d Kl e i n a s i e n (1553/55).
Na c h d e r U r s c h r i f t i m F u g g e r - A r c h i v l i e r a u s g e g e b e n u n d e r l ä u t e r t v o n
F r a n z B a b i n g e r . S t u d i e n zur F u g g e r - G e s c h i c h t e . Heft 7. 1923. S. 14.
*) H i s t o r i s c h e N a c h r i c h t v o n d e r Ro m. Kayser l. G r o ß - B o t s c h a f f t n a c h
C o n s t a n t i n o p e l . N ü r n b e r g 1723. S. 104.
58
Reisenden er regten. 1) Sie wu r de n mit einem b un t en -Wollgürtel
z u s a m m e n g e h a l t e n . 2) Ueberall wird ferner ihr g robe s Ge we be u nd
ein Kopfschmuck erwähnt, der heute v o l l k om m e n v e rs c h w u n d e n
ist. Er b es ta n d aus einer a us Geflecht hergestellten, nach oben
zu a u s l a d e nd e n Krone, die, einem reich mi t Münzen u n d Flitter
b e h än g te n u m g e k e h r t e n Topf nicht unähnlich, oben flach w a r . 3)
Ebenso fiel überall der reiche . Münz ens chmuc k auf. I nt er es s a n t ist
übrigens, d a ß die beschri ebenen Ha ar t r ach te n der Mädc he n g en a u
mit dem von Konsul ova geschi l derten T y p u s ü be r ei ns ti mm e n.
Fa ss en wir nun die einzelnen T a t s a c h e n z u s a m m e n , so e r­
geben sich folgende Resultate: Die M ä n n er t ra c ht von S ü d w e s t Bul gari en ist im Verlauf der letzten J a h r h u n d e r t e im g r o ß e n u n d
g a nz en ziemlich die gleiche geblieben, n ur k a m e n , wie bereits
er wähnt , die we iße n Kleider viel weiter nach Osten als heut e vor.
D e rn s c h w a m erzählt z um Beispiel von we iße n J a c k e n a us der
Ge g en d von Philippopel,4) u nd dass el be berichtet C. v. Driesch a u s
lchtiman. Heute wird in diesen Gebi et en überall das t ü r k i s ch e
P o t u r i k o s t ü m getr agen, w o m i t auch z u s a m m e n s t i m m t , w a s wir
durch MiletiC ü be r die ehemalige Ver br ei tung der S c h o pe n t r a c ht
im östlichen D o n a ubul ga rie n wissen. Das Kostüm von Sofijsko
m it seinen w ei ße n Benevreci u nd d u n k l e m Doi akt an e c u n d
Mente ist wohl als eine Ue be r ga ng s f o r m zwi schen der alten
we s t bu l ga ri sc he n und der neu eind rin ge nd en du nk le n o s t ­
bulgar is chen, 6) re sp ekt i v e Ba lk a nk l e i du n g anzusehen. Die blauen
u nd br au ne n Dolaktanci u n d Mentes scheinen bei d er H a u p t ­
s t a dt j un ge n D a t u m s zu sein, spricht doch noch J i r e c ek von
den w ei ße n Kleidern der Sofioter Ebene. W a s üb r i ge ns die
br au n en
Poturi
und
die
dazu ge hö ri ge n
k ur ze n
Jacken
sel bst betrifft, so will H ab e rl a nd t in
der er st er en einen
t h r a k i s c h e n T r a c h t e n r es t e r k e n n e n , 0) ob mit Recht, w a ge ich nicht
zu entscheiden. Möglich, d a ß hier zwei u r s p r ü n gl i c h alte K o s t ü m ­
') C. v. D r i e s c h , a. a. 0 . , S. 105: »I hr Roc k g e h e t i h n e n bi s a u f die
Fi i sse, u n d s i e b e t e i n e m H e m b d ä h n l i c h , a u s s e r w e l c h e m sie f a s t z u r
S o m m e r s - Z e i t n i c h t s a n d e r s a n h a b e n : d e s s e n Ma t e r i e v o n e b e n n i c h t z a r t
g e s p o n n e n e r W o l l e ist, al s w o r a u s w i r in u n s e r n L ä n d e r n S ä c k e z u
m a c h e n pf l egen, a b e r v o n v i e f ä l t i g e r St i i c k e r e y u n d F a r b e n g a n z b u n d . . . «
B u s b e c k , Re y s e n u n d B o t t s c h a f t e n . F r a n c k f u r t a. M. 1596. S. 38: »Si e
g e h e n g e me i n l i c h in g r o b e n l e i n w a t i n H e m b d e r n , n i c h t r ei n e r a l s b e y u n s
die S ä c k t ü c h e r g e w e b e n w e r d e n , a b e r auf f m a n c h e r l e y a l t m i t vi el erl ey
f ä r b e n . . . a u s s g e n ä h e t . . .« D e r n s c h w a r n , a. a. 0 . , S. 14. » Ma n s i c h t a n
i n e n k h a i n w u l l e n g e w a n d t , s u n d e r all es v o n g r o b e r l e i n w a t , die sy
m a c h e n . « Er h ä l t ü b r i g e n s d i e s e T r a c h t , di e er v o n Bjelica b e s c h r e i b t , f ür
nicht bulgarisch.
2) C. v. D r i e s c h a. a. O. S. 105.
3) Di e s e r K o p f s c h m u c k k a m n a c h ei n e r A b b i l d u n g bei E . B r o w n (A bri ef
A c co u n t of s o m e T r a v e l s , L o n d o n 1673) a u c h in Se r b i en vor, w o er v o n
B a d i c n a e r w ä h n t wi r d .
‘) A. a. 0 . , S. 251.
6)
Vergl. i s c h i r k o f f , a. a. 0 . , S. 27. Der V o r g a n g i st a l s o g e r a d e
u m g e k e h r t w i i . - . . n' kof f m e i n t . De r d u n k l e K o s t ü m t y p u s i st h e u t e f r a gl o s
in A u s b r e i t u n g be gr i f f en.
6) H a b e r l a n d t , a. a. 0 . , S. 144.
69
t y pe n a u fe in a n d e rg es t oß e n sind, heut e stellt jedenfalls die P ot ur i ­
kle id un g für den We st en eine j ü n g e re U e be r de c ku ng dar.
Lieber die einzelnen St üc ke selbst ist we n ig zu sagen. Für
die Benevreci u nd die ve rs c hi e de nen Fo r me n der Dolami verweise
ich auf No pc sa .1) Mit den Dolami s t eh t ohne Zweifel auch der
Dolakt anec in Z u s a m m e n h a n g , tritt doch die Do l ama sowohl ohne
als mit k ur ze n oder langen Aermeln auf. Sehr wahrscheinlich ist
de r Dol ak t an ec mi t der t ür ki sc he n Anteria ve rwa nd t , die mit
ihren s e k u n d ä r e n Aermelteilen ein ähnliches Bild wie dieser mit
d em ge sti ckte n Hemd d ar stel l t. 2) Es h a t den Anschein, d a ß wir es
hier mit ei nem wohl d em M ed i te rr ane um zugehöri gen Kl ei dungs­
s t üc k zu t un haben, t r ag e n doch selbst die Sa r az e ne n auf den
g r oß en Kar tons von Vermens, die den Feldzug Karl V. in Afrika
schildern, W ä m s e r mit kur ze n Aermeln. J a so g ar die jetzt voll ­
k o m m e n v e rs c h w u n d e n e z er schl i ssene T u c h m ü t z e u n d die wa grechte S c h n u r b e n ä h u n g des Rockes der Abbildung von De Hayes
findet sich auf diesen Ge m ä l d e n wieder, ebenso wie die eng
a nl ie ge nde n Beinkleider. Das V o r k o m m e n von kur ze n Aermeln
ist ü br i ge ns von verschiedenen, z um Teil a nt ik en T r a c h t e n s t ü c k e n
belegt, die s o n s t mit der D ol a ma nichts zu t un haben. Es ist
nicht u n d e n k b a r , d a ß hier gleichfalls Bezi ehungen vorliegen.
Aehnliche Verhäl tnisse wie für die Mä nn er - sind auch für
die F r a u e nk l e i d un g w i r k s a m gewe se n. Nach den bereits a n g e ­
führten Berichten schei nt der S u k m a n nicht in den Sch o p e nlandschaften h ei misch zu sein. Schon dur ch die Mode, den
ge st ic kt en I f e m d s a u m un te r d em Rock zu zeigen, wi r d das
Hernd als da s wesentl icher e T r a c h t e n s t ü c k betont. Fraglos stehen
alle diese Schlupfkleider mit den s o n s t ig e n Röcken u n d Leibröcken
in engst er Beziehung. Darauf d e u t e t auch sc ho n der Name, der
die v e r sc h ie d en st e n K o s tü m e dieser Art bezeichnet.3) Wir hab e n
es bei i hm wahr schei nl ich tr otz der al t er tümli chen For m mit einem
städt ischen Kleid zu tun. Ob de r von Boué e r wä h nt e Sc h ür z en ­
rock sich o hne we it er s in diese Entwicklungslinie einfügt, ist f rag­
lich, ich m öc h te eher meinen, d a ß hier dir ekt e walachi sche Beein­
flussungen vorliegen. Infolge der B e dr üc ku ng e n durch die Kyrdzali’s
w a r nämlich zu Beginn des vori gen J a h r h u n d e r t s ein g r o ß er Teil
de r Bauern der Scho pe ng e b ie te über die Donau geflohen u nd
u n m i tt e lb a r v o r der Zeit, in der Boué seine Be obacht ungen
macht e, erfolgte d a m a l s der R ü c k s t r o m . 4) Er br acht e wohl
die T r a c h t der W i r t b e v ö l k e r u n g mit. Vielleicht s te ht d amit
auch der schon e r w ä h n t e H o r n s c h m u c k von Brezni k u nd
Radomi r in Z u s a m m e n h a n g ; wie wir j a g ese he n haben, hat
]) N o p c s a , a. a. 0 . , S. 184 u. 193 ff.
2) Vergl . B o u é , a. a. 0 . , S. 448.
3) J i r e c ë k ( F ü r s t e n t u m B u l g a r i e n a . a . O . , S. 71) b e z e i c h n e t d e n
s c h w a r z e n f a l t i g e n Rock d e r S t a d t f r a u e n a l l g e me i n als S u k m a n . B o u é ( a . a . O. ,
S. 463) k e n n t e i ne n A u s d r u c k S u k n j a f ür di e w e i ß e n T u c h r ö c k e der
S e r b i n n e n i n Ni sch, O c h r i d a u. s. f.
4) J i r e C e k , a. a. 0 . , S. 466 u. 50.
r u m ä n i s c h e s V ol ks t um v e r w a n d t e T r a c h t e n s t ü c k e in Riia erhalten..
Daß a u ß er d em, ähnlich wie bei der U e b e r n ah m e der albani schen
Kleidung in Serbien,1) dabei eine b e w uß te U n k e n n tl i c h m a ch u n g
mit Hilfe des fremden Ko st üms gewollt war, 'ist nicht g a n z von
der Ha nd zu weisen. Jedenfalls dürfte erst nach der Zeit von Boué
d a s Schlupfkleid in Sofisko u nd Gr a c ho v o allgemein ge tr ag e n
w or de n sein. F r äg t m a n nach den Fa kt or en, die diesen U m s c h w u n g
in der T r a ch t b ewi rkt haben, so m u ß in er st er Linie an die
Befreiung des La nde s g ed a ch t werden, die in diese Zeit fällt. Sie
b racht e neben der E nt wi c k l un g der H a u p t s t a d t vor allem eine Er we i­
t e r u n g des Verkehres nach allen Richtungen mit sich, die zugleich
ein s tä r k e r e s Vordringen der östlichen, hauptsächl ich s tä dti s c he n
T r a c h t en el e m e n t e zur Folge hatte, eine Er schei nung, auf der letzten
Endes wohl auch die Verbreitung der P ot ur i tr a ch t beruht.
Z u m S c h l uß noch eine B e m e r k u n g über die Saja. Sie ist
wohl den d ol a ma a rt i g e n Klei du n g ss tü c ke n zuzuzählen, die ihre
spezielle For m in An l e hnung an s t äd ti sc h e K o st üm e e rhal ten hat.
Das gilt e benso von dem dazug e h ö r i ge n, mit Faltenteilen v e r ­
s eh e n e n Mente. Un be dingt zur Saja ge hö rt die Schürze, sie ist viel­
leicht, nach der stets rot en Farbe zu schließen, mit de r m a k e ­
doni schen .verwandt.
Suchen wir endlich nach der B e d e u t u n g der S c h o pe n t r ac h t
für die ethnologische Stellung des Volkes selbst, so k a n n a us
d e m Vo r her gehenden nicht viel für diese Frage g e wo n n e n werden.
Eine oberflächliche B e t r a c ht un g der Ver br ei tung der K o st üm e
scheint z w a r die V er mu tu n g J ir eceks zu erhärten, d a ß der Name
Schop an der we iße n Kleidung der Mä nne r hänge. In Wirkl ichkei t
a ber u n t er scheiden sich die Schopen in dieser Beziehung in nichts
von der Be v öl k e r un g S ü d w es t - B ul g a ri e n s, ja vielleicht W e s t - u n d
D on a ub u l ga r ie n s über haupt . Das einzige,was f ü r i h r K o s t ü m c h a r a k t e ­
ristisch ist, ist die zähe B e w a h r u n g der al ter tüml i chen Züge.
Wie verfehlt es wäre, allein a u s der Al ter tümli chkei t eines
St ü c k es auch auf eine solche für ein Gebiet zu schließen, da s
hab en diese U n t e r su c hu n ge n deutlich gezeigt. Man h a t viel­
fach ge ra de dem ost eu rop äi sc he n Kulturbesitz eine ge wi s se Kon­
st an z der Fo r me n fast bis in die p rä h is to r isc he Zeit hinein z u ­
gesprochen. G e n a u wie a n d e r sw o kö nn en aber die v er s c hi ede ns te n
Fo r me n auch hier über sehr ve rs chie de ne E ntwi ckl ungs st uf en u nd
W eg e erreicht werden. Alle diese Fragen sind met h od isc h nicht
a n d er s als wie für den We s te n zu b e h andel n, für den eine bis
ins Detail g e h en d e L oka lf or s c hu n g längst die no t we ndi ge n G r u n d ­
l agen für eine hist ori sche Be ar b e i tu n g gegeben h at. 2)
’) H a b e r l a n d t , a. a. 0 . , S. 144.
2)
S. 46 —48 l ese m a n r i c h t i g : S. 46 u n d 48: So f i j s k o , S. 47: J i r e c e k ,
Bu l g a r i t e , bul g. , n a u k i t e , T o r l a k , Milet i c, Me ë k a , C h e r co i t e , i s t ; S. 48:
Oviepole.
( Au s t e c h n i s c h e n G r ü n d e n k o n n t e e i ne B e r i c h t i g u n g der D r u c k f e h l e r
a n Or t u n d St ell e n i c h t m e h r er fol gen. Di e S c h r i f t l e i t u n g . )
61
Ueber eine alte Form des alpinen H ausbaues.
Vo n H e r m a n n W o p f n e r, I n n s b r u c k .
Der Rü c kg a n g der Si edl ung in vielen u n s e re r Alpentäler, so
s ehr wir ihn im allgemeinen beklagen, bietet doch der Haus f or schung
we r tvol le s Quellenmaterial. Die H ä us e r der v er l ass ene n Siedlungen
dienen, d a die z uge hör ige n Fluren als Voralmen oder Almen, oder
in einer ä nd e r n Form als Zugüter, d a s heißt in wirtschaftlicher
Verei ni gung mit einem H a u pt g ut be nü t zt werden, nur mehr
v or übe rge he nd, nur w ä h r e n d eines kleinen Teiles des J a h r e s und
mei st n ur we ni ge n Pe r so n e n zur Unt er kun ft; es wird d a h e r für
ihre I n s t a n d h a l t u n g nur da s u n b e d i n g t Notwendige getan, U m ­
baut en, wie sie W o h n - u nd Wi r ts c ha f ts g eb äu d e der D a u er ­
si edl ungen zufolge ge st ei ge rt er A ns pr üc he an die W o h n r ä u m e
o der a us wirtschaftlicher Z w e c k m ä ß i g k e i t erfahren, unterbleiben.
Weil die W o h n - u n d Wir ts c ha f ts ge b äu d e dieser Z u g ü t e r die
A ende runge n, welche die Baut en der Daue rsi ed l un g e n erfahren,
nicht m e h r mit machen, sind sie in vielen Fällen geeignet, u n s den
älteren T y p u s des H au s e s k e n n e n zu lehren. Für Erforschung
der Ge schicht e des Ha us e s bilden d a h e r die Baut en auf den
v e rl ass ene n Da ue rs ie dl unge n eine wertvolle Quelle.
Sehr ur sp rü n gl i c he n C h a r a k t e r w e is t der T y p u s der Häus er
zu Pfafflar in einem südlichen Nebental des tirolischen Lechtales
auf. Den Na me n Pfafflar führt he ut e eine Gemeinde, die a u s zwei
Fra kt i o n e n Bschlabs u n d Boden besteht. Das Bs chlabsertal *), in
we l c h e m die Fra kt io n Bschlabs gelegen ist, teilt sich bei Boden
in zwei Täler, d a s Pfafflartal u n d da s Angerletal. Das Pfafflartal
f ührt z um H ah nt enn joc h (1895 m) empor, das einen v er hä l tn is ­
m ä ß i g leichten, auch den Uebertri eb von Rindern g e st a t te n de n
U e b e r g an g nach Imst u nd ins Inntal vermittelt. Ueber H ahnt enn
f ührt ein alter, in f rüherer Zeit s t a r k b e n üt z te r S a um we g, der
für, die Ortschaften des mit t ler en tirolischen Lechtales die
k ü r ze st e Ve rb in du ng mit dem Inntal u n d der L a n d e s h a u p t s t a d t
darstellte. Man will s o g a r R ö m e r m ü n z e n auf di esem Wege gefunden
haben.
Die Fr akt ion Boden zerfiel u r s p r ü n gl i c h in zwei Gru p pe n
v o n Siedlungen, Boden u n d Pfafflar (im e nger en Sinne). Die
H ä u s e r gr u p p e von Pfafflar ist a m Zus a mm e nt r e f fe n des Pfafflartales mit dem Fundei stal gelegen. Die H ä us e r verteilen sich über
zwei T e r r a s s e n des gegen S üd w e s t e n zum Boden des Fundei st al es
sich s e n k e n d e n Hanges. Die Siedl ungen auf der oberen T e r r as se
liegen in einer Seehöhe von a n n ä h e r n d 1600 m, die auf der
u nt er n T e r r a s s e in einer Höhe v on un ge fä hr 1500 m.
*) Di e a n s ä s s i g e B e v ö l k e r u n g s a g t » B s c h l a b s e r t a l « n i c h t B s c h l a b e r t a l ,
w i e m a n in A n a l o g i e z u ä n d e r n F ä l l e n , in d e n e n d a s »s« s o l c h e r v o r ­
d e u t s c h e r O r t s n a m e n bei Z u s a m m e n s e t z u n g e n w e g f ä l l t , e r w a r t e n sol l te.
62
Pfafflar besitzt heute keine einzige, s t ä n d i g b e w o h n t e
Si edlung mehr. H ä us e r uncl zugehör ige G üt e r sind von den
B e woh ne rn des tiefer gel egenen Boden auf gekauf t worden. Die
Entsiedlung, die im 19. J a h r h u n d e r t z um Abschluß gelangte, setzte
schon frühzeitig ein. Bereits im 17. J a h r h u n d e r t er scheinen H ä us er
u n d G üt e r in Pfafflar als Zugüter,
deren Besitzer a u ß e r h a l b
Pfafflar ihren s tä ndige n Wohns it z hatten. Die Zahl der (st ändi g
b ewo hn t e n ) B a ue r ng ü t e r zu Pfafflar be t r u g nach dem Steiierk a t a s t e r v on 1 6 2 9 1) neun bis zehn.2)
Pfafflar m i t Boden sowi e Bschlabs w a r e n einst Almen der
Imster. Im 13. J a h r h u n d e r t h a t da s mä cht ige Adel sgeschlecht der
S ta r ke n be r ge r die » c o m m u n i a p as c ua « der Imster, die Almen
Pi skl ave s u n d P a v el a er s (Bschlabs u n d Pfafflar) mit Viehhöfen
beset zt u n d d a mi t die d a u e r n d e Besiedl ung dieser Almen, die,,
wie uns ihre Namen sagen, schon in v o r d e ut sc h er Zeit b en üt zt
wur de n, eingeleitet.3) Weil die neu angel egten Siedl ungen auf
I ms te r Boden lagen, g e hö r t e n sie kirchlich u n d gerichtlich zu
Imst. Eine heut e noch in diesen Ge ge nde n lebende Sage erzählt,
d a ß die Almen von Leut en a u s dem Engadin, die ihres k athol is chen
G l a u b e ns we ge n ihre H e im a t ve rla sse n m uß t e n , besiedelt w or d en
seien. Der T y p u s mancher, a u s alten Familien s t a m m e n d e n T a l ­
bewohner , mit ihrer d u nk l e n F ä r b u n g von Haar, Augen u n d Haut,
sowi e de m scharfen Schnitt de s länglichen Gesi cht es w ü r d e solcher
Z u w a n d e r u n g nicht wider spr echen. Es w är e j a i mme r hi n d e nk b a r,
d a ß eine der im 16. J a h r h u n d e r t g r a ss ie r en d e n Seuchen die
ältere Be v öl k er u ng s t a r k v e r m i n d e r t hätte, so d a ß für die Z u ­
w a n d e r u n g Au swä rt ig er Raum g e w on n e n wurde. Es w ä r e a be r
a nd e r er s ei t s auch möglich, d a ß die er st en Ansiedler, im drei zehnt en
J a h r h u n d e r t der dinarischen Rasse, die ja in Tirol s t a r k ver br ei tet
erscheint, ang e hö rt en u n d ihren R a s s e c h a r a k t e r d a n k der Ab­
g e sc hl os se nh ei t des Hochtal es u n d der in solchen Hochtälern
s t a r k e n Inzucht v e r h ä l t n i s m ä ß i g rein erhielten. W e n n ' es sich
auch nicht u rkundl ich erwei sen läßt, so ist es doch wahrschei nli ch,
d a ß Pfafflar (im engeren Sinn) die älteste Siedl ung des Ta le s ist.
Es w ü r d e dies einer häufig g e m a c ht e n B e o b ac h tu n g e nt s pr e ch e n,
d a ß die oberst e (im innersten Talteil) gelegene Si edl ung eines alpinen
Hocht al es die älteste ist. Nach dem ältesten Teil der Si edl ung
ha t dann die ga nz e G e m ei n de (Bschlabs u n d Boden) den Na me n
Pfafflar erhalten.
‘) L a n d e s r e g i e r u n g s a r c h i v I n n s b r u c k .
a)
Bei e i n e m der i m K a t a s t e r a n g e f ü h r t e n G ü t e r w i r d di e L a g e in
Pf af f l ar n i ch t a u s d r ü c k l i c h a n g e g e b e n , sie i st aber , n a c h d e r St ell e, an
w e l c h e r d a s G ut im K a ta s te r g e n a n n t erscheint, wa h rs ch ei n li ch .
3)
A u f z e i c h n u n g a u s der W e n d e d e s 13./14. J a h r h u n d e r t s i m L a n d e s ­
r e g i e r u n g s a r c h i v z u I n n s b r u c k ( S c h a t z a r c h . 4019). U e b e r die B e s i e d l u n g s ­
g e s c h i c h t e d i es er Ge b i e t e , ver gl . W o p f n e r , B e s i e d l u n g u n s e r e r Hoc hg e b i r g s t ä l er . Ze i t s c h r . d d e u t s c h e n u. öst er r . A l p e n v e r e i n e s 1920 (51.) S. 61 ff.
63
Die H ä us e r in Pfafflar (im e nger en Sinne) stellen nun nach
Technik, G r un d pl a n u nd G e s t a l t u n g ihrer I n ne nr äu me eine sehr
u r spr üngl ic he F or m des W o h n b a u e s dar. Die mei st en von ihnen
vereinigen W o h n - u nd Wir ts c ha f ts g eb äu d e u nt er einem Dach,
vereinzelt k o m m t auch die T r e n n u n g vor. Be sonde r s u rwü c hs i g
ist die T e ch ni k des Baues. Die H ä us e r sind g an z ü be rwi eg e nd
Holzbauten. Nur die Küche we is t M a u e r u n g auf u n d auch hier
b e s c h r ä n k t sich dieselbe z u m e i s t auf die W a n d zwischen Stube
u n d Küche, an welcher einersei ts der Herd, a nd er er se it s der
Stubenofen steht. Die Mauer w e is t als Bindemittel nicht Kalk
s o n de rn Lehm auf. Die z um Bau der W ä n d e v e r w e nd e t en Hölzer
w u r d e n nicht be ha ue n s on d e r n als rohe Rundhöl zer ü be re in and er
geschichtet (»augnolpet«). Die Balkenköpfe st ehen an den Ecken
des H au se s über die W a n d vor. Die Enden der Balken zeigen oft
n u r eine Be ar beit ung mit dem Beil u n d nicht mit der Säge. Um
die bei der V er we n du n g von Rundhöl zer n sich e rgebenden Fugen
zwischen den einzelnen Balkenlagen zu dichten, erhielt jeweils
der unte re S t a m m eine Auflage von Moos, da s dann durch das
Ge wi c h t des aufliegenden S t a m m e s ä n g e d r ü c k t wurde. Auße rde m
w u r d e de r Ra um zwischen den v o r t r e te nd en R un du ng e n des
u nt er en u n d des oberen Balkens in seinem inneren Teil an beiden
W an d s e i t e n mit einer Mi sc hu ng von Lehm, Spelzen ( sogenannt er
»Balle«) u n d Kuhmis t v er s c hmie rt . Das Auss ehe n einer solchen
W a n d zeigt die Abb. Nr. 2.
Das Dach ist das flache Legschi ndel dach, das in den Alpen­
l ändern weit verbreit et ist. Der Dachst uhl ist mit g r o ß e m Holz­
au f wa nd errichtet; er b est eh t nicht a u s den in Tirol üblichen
drei bis fünf Pfetten, s on d e rn da s Dach ist ein s o ge n a n n t e s
»Nol pendach«; auf je de m Balken des Giebelfeldes, u nd z w a r auf
den Ba lke ne nde n ru h e n je zwei Rund hö lz er als Dachträger. Nur
der oberste, kür zest e Balken des Giebeldrei eckes t r ä g t kein R u n d ­
holz, es fehlt also der Fi rst balken, der durch die gr o ße Zahl der
Beifirsten überflüssig wurde. Auf den »Nolpen« des Dachst uhles
liegen die »Roafen«, die Sp ar renhölzer , die wieder ihrerseits
die L at te n tragen, auf wel chen die mi t Steinen bes chwe rte n
Schindeln liegen.
W o h n - u n d W i r t s c h af t s g e b äu d e er schei nen in einer -sehr
urspr üngl i chen Wei se mit e i na nd er z um E inhe it s ha us v e rbunden.
Bei den ursp r ün g l ic hs te n Ba ut en n i m m t der Stall a n n ä h e r n d die
Hälfte des Ha us é s im Er dg e s c ho ß ein. Die T ei lung erfolgt bei
einigen Hä us e r n in der L ä ng s a c h s e (Firstlinie), bei a nder en quer
zu derselben. Die R a u m z u w e i s u n g ist i m me r von der Art, d aß
die St ube die beste Lage z ur S o n n e erhält. Wohnteil u nd Stall
sind durch eine Tür, die aus der Küche in den Stall führt, mit
einander ver bu n d e n. Auf eine u rs pr ün g l ic h enge Ver bi ndung von
Stall- und W o h n r a u m we ist noch eines der Häus er hin, bei welchem
der Stall ü b e r h a u p t keinen g e s o n d e r t e n Z u g a n g besitzt, s ondern
64
d a s Vieh seinen We g durch die Küche n eh me n muß. Das ve rwe i st
u n s auf eine Vorstufe dieser Hausform, bei welcher d e r Mensch
noch mit dem Vieh b e i s a m m e n in einem Ra um wohnte. Solches
B e i s a m m e n w o h n e n bot den Vorteil, d a ß der Mensch in der r a uh en
J a h r e s z e i t von der K ör p e r w ä r m e seiner tierischen H a us g e n o s s e n
Vorteil zog. Auf solches B e i s a m m e n w o h n e n k ö n n t e sich die Stelle
in der G e r m a n i a des Ta ci tu s (c. 20) beziehen, in welcher b e m er k t
wird, d a ß die Kinder der Freien wie der Unfreien »inter ea de m
pecora, in e a d em h u m o d e gu n t « . 1) Noch heute leben in den holz­
ar me n Ge bir gs tä le rn S a vo y e n s die Menschen mit den Tieren in
S ta l lw o h n un g en b e i s a m m e n u m die Heizung zu e r s p a r e n . 2)
D a ß diese Hausform, bei welcher Mensch u nd Vieh denselben
Z u g a n g zum Ha us benützen m ü s s e n, nicht als unt ypisch, e t w a
n u r dur ch besonder e U n s t ä n d e her vor ger uf en zu be tr acht en sei,
ergibt sich daraus, d a ß sich in einem der Nachbartäler, im R o t ­
lechtal, im i nnersten, a b ge sc hi ed e ns t en Teil dessel ben (Ge me in de
Bärwang, Fraktion Mittereck) ein gleichartiges H a u s befindet.
Auch hier ist die Er h al tu n g dieser u r s p r ün gl ic he n Ha usf or m dem
U m s t a n d zu d an ke n , d a ß d a s betreffende Haus seit g e r a u m e r
Zeit n u r m e h r als Z u h a u s dient.
Die H äus er Pfafflars, im engeren Sinne, sind d u rc h we g s
Küchenflurhäuser, da s heißt die H a u s t ü r e führt u n mi t t e l b a r in
die Küche, welche also zugleich als Flur für die ü br igen W o h n r ä u m e dient. In wenigen Fällen ist de r Wohnt ei l n u r zweizeilig,
a u s Küche u nd Stube best ehend. Es v er di ent h e r v o rg e ho b e n zu
wer den, d a ß die St ube auch bei den einfachsten W o h n b a u t e n
nicht fehlt. Sie m u ß also, wie sich auch a us a n d e r wä r t i g en
Be ob a c ht un ge n ergibt, in Tirol u n d den west li chen Al penländern
schon früh Bestandteil des H au s es ge we s e n sein, w ä h r e n d in den
östlichen Alpenländern die Of enstube erst s p ä t zu a ll ge me i ne r
Verbr eit ung kam.
Der Herd ist noch d u r c hw e g s de r g e m a u e r t e offene
Herd, e t w a einen halben Meter hoch u n d in einzelnen Hä us e rn
von b ed e ut e nd e m Umfang. Der d em Herd z u nä ch s t gelegene
Teil der Küche ist bei einzelnen Häusern mit einem Schei n­
gewöl be a us Holz, da s einen Verwurf erhalt en hat, versehen.
Zuweilen n i m m t ein R a u c hh u t den Rauch auf u n d leitet ihn
in den Kamin.
In einigen Häus er n fehlt der Kamin u n d
m u ß sich der Rauch den Au sw eg durch u ndi chte Stellen
der Küc he nde cke suchen; er breitet sich d an n in d e m ober
der Küche gelegenen R a u m , a us u n d ent wei cht hier durch
*) Vergl. Rha mm , Urzeitliche Bauernhöfe im germanisch-slavischen
Waldgebiet, I., 1908, S. 770.
2)
Vergl. hierüber die treffliche Arbeit E. G o l d s t e r n s , Hochgebirgsvolk in Savoyen und Graubünden. XIV. Ergänzungsband zur Wiener
Zeitschrift für Volkskunde, S. 17.
65
undichte Stellen des Daches ins Freie. Der Raum ober der Küche
wird als Rauchdille bezeichnet, auch dort, wo bereits ein Kamin
für die Ableitung des Rauches e inge ba ut wurde, ln einzelnen
Häus er n (so d e m oberst en Haus rechts vom Bach) l äßt sich noch
feststellen, d a ß die Küc he nde cke er st s p ä t er e inge ba ut wur de ,
w ä h r e n d früher, wie das beim u rs pr üngl ic he n W o h n b a u allgemein
d er Fall war, da s Dach u n m i t t e l b a r über den He rdr aum sich
breitete. In einzelnen Häusern weist die A u ße n w a n d der Küche
ein Rauchloch auf, durch wel ches der Rauch, der sich t rotz Kamin
u nt er b es on de re n Lu f td ru ck ve rh äl tn is sen im oberen Teil des
K ü ch en r au me s a n g e s a m m e l t hatte, entweichen konnte.
Aus der Küche führte eine T ü r in die Stube, w ä h r e n d im
a n g re n ze n de n Oberinntal die direkte Ver bi ndung zwischen Küche
u n d St ube d ur ch a us unt ypisch ist. Der Öfen weist, wo er noch
in seiner alten For m v o rh a n d e n ist, eine G e s ta l t auf, wie sie mir
w en igs t en s bisher n ur im Lechtal u n d seinen Nebentälern begegnet e
(vergl. Abb. Nr. 2). Er wi r d a u s L eh m und Steinen über ein Holz­
g e r üs t errichtet, das d an n a u s g e b r a n n t wird. Das für die meisten
Ti r ol er st uben so c ha ra kt er is t i sch e »Ofengschahl«, da s hölzerne
St än de rw er k, da s den Ofen umschließt, fehlt hier, ln der F e u e r ­
wa nd , u n d z w a r an einer Stelle zwischen dem Ofen und der
St ub e n- Kü c he nt ür , ist zuweilen eine Nische, der s o g e n a n nt e
■»Kemm« zu sehen, eine alte E inr ichtung zur Bel euchtung der
Stube, die wir in Westtirol häufig antreffen. Das »Kemm« ist durch
eine T ü r e verschließbar. Auf d e m Boden der Nische w u r d e z ur
Be le uc ht ung d er Stube ein Feuerchen aus Kienspänen e ntz ünde t ;
der Rauch desselben k o n n t e du rc h eine Öffnung im oberen Teil
d e r Nische in die Küche abziehen. Die für die o be rde ut sc he Stube
k ennz ei c hnende , feste, an den W ä n d e n umlauf ende Bank k e hr t in
der Pfafflarer Stube wi ede r u n d u m s c h l i n g t auch den Ofen. Die in
Westtirol, iri Vorarlberg, Allgäu u n d in G r a u b ü n d e n gebräuchliche
breite, gepolster te R u he b an k neben dem Ofen (»Gutsche« oder
»Kutsche«, v o m r o ma n is c he n »cuotsch«, Liegestätte) scheint für
da s Pfafflarer Haus nicht typi sch zu sein.
Gelegentlich bege gn e t ma n auch in Pfafflar j ener eigenartigen
V er bi nd u ng zwi schen St ube und de r ober ihr gelegenen Kammer;
eine kleine Stiege hinter dem Ofen führt durch eine Oeffnung der
St ube nd ec ke durch da s s o g e n a n n t e » Kammer loch« in den Ob e r­
stock. Durch eine Falltüre k a n n d a s »Kammer l och« ve rschlossen
werden. Diese Art der Ve rb i n d u ng von Obe rst oc k und Ka mm er
ist im gleichen Gebiet verbrei tet wie die »Kutsche«; sie m a g aus
einer Zeit s t a m m e n , da in den D a c h r a u m er st einzelne W o h n r ä u m e
e ing eb a ut waren. Der Dachr aum, der d a m a l s in erster Linie der
Auf be wa hr un g von Fut t e rv or rä te n diente, dürfte n ur mit dem Stall
v er bunden, im übrigen aber n u r von a u ß e n her zugänglich g e ­
wesen sein. In m an c he n alten Hä us e r n dieser Art (so in Gr a ma is,
einem d em Bschlabsertal b en a ch ba r te n Tale) h a t die ober der
66
St ub e gelegene K a m m e r g a r keinen a n d e re n Z u g a n g als jenen
du rc h d a s Kammerloch, g rö ße re Ei nr i ch tu ng sg e ge ns tä nd e, wie
Kasten, k o n n t e n
nur
zerlegt
in diese K a m m e r g e b r a c h t
werden.
In dem schon eine e t wa s vorge sc h r it t e ne re E nt wi c k l un g d a r ­
stellenden dreizeiligen Haus führt a u s der St ube eine T ü r in den
»G ad e n« , 1) der als Schl af r aum dient. G âd en u n d Stu be liegen
r e g e l mä ß i g n e be n ei n an d e r an der vo rd er e n Giebelseite. W ä h r e n d
die St ube zwei Fens t er öf fnungen in der Gi e be lwa nd besitzt, ha t
de r » Gâ de n« n u r ein F e ns t er in derselben. Wie der G ru n dr i ß
(Plan Nr. 3) ersehen läßt, ist im Einheitshaus, da s W o h n - u n d
Wir ts c ha f ts g e b äu d e vereinigt, der Einbau des g e s on d e r te n Schlaf­
r a u m e s auf Kosten des Stalles erfolgt, der » Gâ d en « w u r d e v om
St al lr au m abget r ennt . Bei alten, in ihrer Ba utechnik noch recht
ur spr üngl ich a n m u t e n d e n Hä us e rn erscheinen gleichwohl bereits
vier Zellen: Küche, Stube, G âd en und S to an g â de n, wobei def
zuletzt g e n a n n t e Ra um der V e r w a h r u n g v on Vorräten dient.
Fe n st e r u nd T ü r e n wei sen die für alte Ho lz hä us er k e n n ­
z ei chnende B e s c h r ä n k u n g d e r A u s m a ß e auf. In dem alten Haus
zu obe rs t von Pfafflar (auf der rechten Bachseite) w a r e n die Tü r e n
u rs pr üngli ch d u r c h we g s nur 146 cm hoch. Jedenfal ls h a t auch
hier wie a n d e r w ä r t s die Höhe des »Drischübel’s«, der Schwelle,
we lche die beiden Pf ost enhäl ter a u s e i n a n de r zu halten hat, die
T ü r h ö h e so s eh r b e schr änkt. Bei a n d e re n Hä us e rn ist eine Höhe
de r lichten Türöffnung von n u r 160 cm zu beobachten. Die F e n s t e r ­
öffnungen in dem vorhin g e n a n n t e n alten H au s b e s a ße n früher
n u r 21 cm Höhe u n d 30 cm Breite; d a s ha tt e den Vorteil geboten,
d a ß m a n n u r zwei Ba lkenl agen der W ä n d e a nsc hn e i de n u n d
kei nen Balken g an z d u r ch s chn ei de n mußt e .
Der Obe rs toc k als W o h n r a u m st eht noch im Z u s t a n d der
Entwi ckl ung. Bei j enen Häusern, die Wohn- u nd W i r t s c ha f t sr ä um e
u n t e r einem Dach vereinigen, wir d im Ra um ober dem Stall wie
in j e n e m ober den W o h n r ä u m e n d a s Fut t er für d a s Vieh v e rwa hr t.
Bei ste ig e nd e m Bedarf an W o h n r ä u m e n w u r d e auch der D a c h r a u m
für Wo h n z we c ke he ra nge zogen, z u n ä c h s t in de r Form, d a ß in
0 » G â d e n « w i r d in No r d - w i e in S ü d t i r o l a l s B e z e i c h n u n g f ür e i n e
S c h l a f k a m m e r v e r w e n d e t , h ä u f i g a b e r a u c h a l s B e z e i c h n u n g d e s ni ch t
s e l t e n » Spei s« g e n a n n t e n V o r r a t s r a u m e s n e b e n der Kü c h e . I m m i t t l e r e n
L e c h t a l e w i r d d e r V o r r a t s r a u m » S t o a n g â d e n « , in O b e r - V i n t s c h g a u » S p e i s g â d e n « g e n a n n t . Bei d e n L a d i n e r n E n n e b e r g s w i r d d a s d e u t s c h e L e h e n w o r t
» S t o a n g â d e n « z u r B e z e i c h n u n g de s h i n t e r d e r S t u b e g e l e g e n e n S c h l a f ­
z i m m e r s d e r E h e l e u t e v e r w e n d e t ; bei d e n L a d i n e r n G r o d e n s w u r d e d a s
d e u t s c h e » S t o a n g â d e n « z u » S t a n d e g u n « v e r b a l l h o r n t u n d b e z e i c h n e t hi er
e b e n f a l l s die S c h l a f k a m m e r der E h e l eu t e . » S t o a n g a o d « m i t d e m Z u s a t z
» c i a s a d a föc« w i r d in E n n e b e r g ( C o r v a r a u n d St. L e o n h a r d ) z u r B e z e i c h n u n g
d e r » Spe i s « v e r w e n d e t . In der L e u t a s c h ( Nor dt i r ol ) h ö r t e ich e i n e n g e ­
m a u e r t e n Sp e i c h e r , der s o n s t i n Ti r o l z u m e i s t als » K a s c h t e n « b e z e i c h n e t
wird, »Stoangâde« nennen.
67
dem die g r ö ßt e Höhe besit zenden Teil desselben, in dem un te r
dem First liegenden Mittelteil, eine K a m m e r als Schlafraum
e inge ba ut wurde. In weit erer Folge e rhöhte m a n die W än de
des Da chr aume s, so da ß es zur Aus bil dung eines eigenen Ob er ­
s tockes kam, dessen R äu me durch eine Decke v o m eigentlichen
Da ch r au m geschi eden wurden. Der v e r h ä l t n i s m ä ß i g b edeutende
Futtervorrat, der zufolge der einseitigen Viehwirtschaft in den
D a ch r äu me n u n t e r ge b ra ch t w er d en mußt e , ha t übrigens auch dort,
wo es nicht z u m Ei nbau von K a m m e r n kam, zu einer Er hö hu ng
der W ä nd e des D a c h r a u m e s geführt. In dem in Abb. Nr. 3 d a r ­
gestellten H au s dient der O be r st oc k n ur der U n te r br i n g u ng von
Vorräten. Der Ra um über Stube u n d G âd en wi r d in diesem Fall
als Heudille, jener ü b e r der Küche als Rauchdille bezeichnet.
Dieser Ra u m dürfte in ähnlicher We is e wie d a s bei alten Hä us er n
im Sal zbur gi schen und a n d e rw ä rt s, so bei den S ch wa be n und
Sa ch se n der Fall ist,1) der T r o c k n u n g u n d D u r c h r ä u c h e r u n g des
unreifen u n d u n g e n ü g e n d g et r oc k ne t en Korns g e di en t h a b e n . 1)
Der G r u n d r i ß des Pfafflarer H a us e s zeigt weniger Ve r­
wa n ds c ha f t mi t den im Oberi nntal verbreit eten Ha us ty pe n als
mit jenen de s Lechtales. Im Lechtal ist — ähnlich wie in den
b ena c hba rt en, von S c h w a be n b e wo hn t en Landschaf ten — da s
Küchenflurhaus verbreitet, allerdings in der schon e t w a s v o r ­
ge schr it tener en Form, bei wel cher von der Küche ein Vo rr au m
a b ge t r e n n t erscheint, der den Z u g a n g zur St ub e vermittelt. In
de r e tw a h u n d e r t Meter tiefer als Pfafflar liegenden Hä us er gr u p pe
von Boden, da s heut e noch eine D a ue r si e dl un g darstellt, treffen wir
bereits ve rs c hi ede ne H ä us e r di eses v or ge sc hr it te ne re n T ypus . Er
ä u ß e r t sich in der Ba utechni k — es we rde n b e h a ue n e Hölzer
s t a t t der u n b e h a u e n e n Run d hö lz er v e r we n de t u nd es we rde n die
W ä n d e auf der Auß en se it e mi t Bret tern oder Schindeln v e r ­
k l e i d e t — , in den Au sm aß en von T ür e n u nd Fenstern, im d ur ch we gs
v o r h a nd e ne n Ober stock u n d in der g r öß e re n Zahl von W o hn r äumen.
Das Pfafflarer Ha us weist also nicht den T y p u s der Häuser
u m Imst auf, zu welchem es seit alt er sher wirtschaftlich, kirchlich
u n d gerichtlich gehört, s o nd er n zeigt in sei ner H a u sk u l t u r
s t ä r k er e V e rwa nd t sc ha ft mit dem Lechtal. We nn da s Haus Pfafflars
als Küchenflurhaus den typi schen G r u n d r i ß j en er Häus er besitzt,
die wir in den von Sc hwa be n b e w o h n t e n Gebi eten finden, so
m ü ss e n wir u n s gleichwohl hüten, d a r a u s e t wa voreilig einen
Schluß auf eine s chwäbis che Besiedlung Pfafflars zu ziehen. Das
Küchenflurhaus, da s heut e u n t er den B a u er n h ä u s e r n des Inntales
selten angetroffen wird, b eg e gn e t auch hier öfters bei den H a u s ­
b aut e n der s o g e n an n t en Sölleute oder Kleinhäusler; diese B a u ­
we r ke ha be n we ge n der A r mu t ihrer Besitzer ältere, einfachere
J) Ver gl . R h a m m a. a. 0 . . S. 323 ff.
68
For men gewahr t . Es dürfte also auch im Inntal vor Zeiten der
T y p u s de s F l u r k üc h en h au s es g rö ße re Be d eu t un g b e sessen haben.
Der Einfluß des g e ma u e r t e n me hr räur ni gen r o m a n i sc h en H a u s e s 1)
m a g a ber im oberen Inntal schon frühzeitig auch die bayrischen
Siedler zu gänzlicher oder t eilweiser U e be r na h me der Bauf or men
ihrer r om an i sc he n Nachbarn v e r a n l a ß t haben.
Unser Pfafflarer Haus stellt jedenfalls eine b e a c h t en s w er t e
U r k u n d e zur Geschichte des alpinen H a u s b au e s dar. We r die
a us u n be h a u e n e n S t ä m m e n errichteten W än d e betracht et, wird
wohl an die Wo r te bei T aci tus (Germania, c. 16) » . . . m at e ri a
ad o m ni a u t u n t u r informi tet citra speciem a u t del ectat ionem«;
j a selbst die folgenden Wort e: » q u ae d am loca diligenti'us inlinunt
t e r r a ita p u r a ac splendente, ut p o li tur am ac l ine ame nt a col or um
imitatur«, k ö n n t e n sich auf eine Art der F u g e n di c h tu n g beziehen,
wie wir sie oben beim Pfafflarer Haus feststellten. Durch den
. Wechsel w ag re ch t er s ch wa r ze r u nd w e iß er Streifen, hervorgerufen
durch die dunkl e F ä r b u n g des Holzes u n d die helle des Lehmes,
wi rd i mme rhi n der Ei ndruck einer zweifarbigen M u s t e r u n g der
Wandfläche hervorgerufen. Eine ähnliche Art der Fu g e nd i ch tun g
k ö n n t e der W a n d des al tg er ma ni sc hen H au s es ein Aus se he n
ge ge be n haben, das zur e r w ä h n t e n Sc hi ld er u n g bei Taci tus
Anlaß gab, z um al T aci tus j a nicht als Au genzeuge s o nd er n auf
G r u n d der ihm z u g e k o m m e n e n Berichte seine Be sc hr ei bu n g des
g e r m a n i s c h e n H au se s verfaßte.
Ursprüngliche Formen, wie wir sie zu Pfafflar finden, we r de n
i mme r seltener. F e s t st e ll un g u n d g e n a ue Be sc hr ei bu ng des noch
Vor h an de n en ist d a h e r dri ngend geboten. Die Quellen z ur G e ­
schichte unseres Volkes, die in Archiven u n d Bibliotheken v e r w a h r t
werden, bleiben auch künftigen Geschl echtern erhalt en; a be r viele
de r Quellen z ur Kultur u ns e re s V o l k s t u m e s , die in mü ndl i chen
Tradit ionen, Sitte, Brauch, alten Arbeitsformen u n d Arbeitsgeräten,
alten H a u s b a u t e n u. s. w. bestehen, s chwi nde n u ng e me i n r asch
dahin u n d versiegen, w en n wir nicht in elfter S tu nd e alle v er f üg­
b ar en Kräfte aufbieten, um durch Aufzeichnung u n d Beschrei bung
d a s noch Vorh an de ne für die g eg e n wä r ti g e u n d künftige F o r s c hu ng
zu retten.
Eine z w e c k m ä ß i g e Organi sat ion der Arbeit des S a m m e l n s
un d Bes chr ei bens ist die nötige V o r au s s e t z u n g für eine tunlichst
vol ls tändi ge Er fassung des noch Vor ha nde ne n. Es g e h ör t zu den
b e s o nd e re n Verdiensten Michael Haberl andt s, d a ß er schon zu einer
Zeit, als noch nicht we nige h o c hn ä si g auf v ol k sk un dl ic he Arbeiten
h e r ab sa h en , Sinn u nd Ve rs tä ndn is für die lange v er na ch lä ss ig te
S a c h k u n d e weckte. Hoffen wir, d aß es seiner trefflichen Einf ühr ung
in die V ol k s k u n d e gelingt, r e cht viele Arbeiter für die. noch im me r
reiche Ernte zu gew innen.
*) Vergl. W o p f n e r , F o r m e n de s b ä u e r l i c h e n H a u s b a u e s in Ti r ol .
M i t t e i l u n g e n de s Ve r e i ne s f ür H e i m a t s c h u t z in Tirol . II. (1918.) S. 25 ff.
69
Planskizzen.
Oberstes Haus in Pfafflab (links vomBadi)
Haus den unteren H äuse rgrup pe
Haus a u f der unteren Stufe
PLAN Nä 5 b.
x
= 1 SCHRITT
(75 cm)
Tram = M A U E R
2 2 2 = TROCKEN­
MAUER
K = KÜC H E
S t = STUBE
G = GADEN
OBERSTOCK
K e = K ELLER
StG = S TO A N GADEN
L, --- LAGER
(PRITSCHE)
H = HERD
70
Die g eo g rap h isch e Verbreitung und Dächte der o st­
alpinen Rauchstuben.
(Mit e i ne r Karte.)
Vo n V i k t o r G e r a m b ,
Gr a z .
Vorbemerkungen.
Z u m Ver st ändni s
teilungen not wendi g:
der folgenden Arbeit
sind
einige
Mit­
W a s h i e r a b g e d r u c k t e r s c h e i n t , i s t der z w e i t e Tei l e i ne r g r ö ß e r e n
U n t e r s u c h u n g , die ich in d e n J a h r e n 1908—1920 i m A u f t r ä g e d e r A k a d e m i e
d e r W i s s e n s c h a f t e n in W i e n d u r c h g e f ü h r t u n d i m J a h r e 1920 in e i n e r ü b e r
500 F o l i o s e i t e n u m f a s s e n d e n H a n d s c h r i f t a b g e s c h l o s s e n u n d f e s t ge l eg t h a b e .
Inf ol ge d e r mi ß l i c h e n G e l d v e r h ä l t n i s s e k o n n t e d a m a l s d a s g a n z e
W e r k n i c h t auf e i n m a l g e d r u c k t w e r d e n . Ich m u ß t e m i c h a l s o z u r a l l ­
m ä h l i c h e n D r u c k l e g u n g de r e i n z e l n e n T e i l e e n t s c h l i e ß e n . Na t ü r l i ch h a t d a s
m a n c h e M i ß s t ä n d e z u r Fol ge. S o s e h r j e d e r d e r vi er Tei l e, in die die
G e s a m t a r b e i t zerfäll t , ein in s i c h g e s c h l o s s e n e s G a n z e s d a r s t e l l e n m ö c h t e ,
so k a n n d o c h d e m Les er , der j e w e i l i g n u r e i n e n s o l c h e n Tei l ( o h n e die ü b r i g e n )
z u G e s i c h t b e k o m m t , d e r G e s a m t a u f b a u u n d Z u s a m m e n h a n g n i c h t so k l a r
w e r d e n , a l s di es w ü n s c h e n s w e r t w ä r e .
Na c h d e m E r s c h e i n e n de s z u e r s t g e d r u c k t e n u n d in der Ze i t s c h r i f t
»W ört er un d Sachen«,
Bd. 9 ( He i d e l b e r g 1924), v e r ö f f e n t l i c h t e n
Te i l e s , der
d e n v i e r t e n (d. i. de n
S c h l u ß - ) A b s c h n i t t de s G e s a m t w e r k e s
unterdem
T i t e l »Die K u l t u r g e s c h i c h t e der R a u c h s t u b e n « b r a c h t e, h a t A. H a b e r l a n d t
e i n e a u s f ü h r l i c h e Kritik d i e s e s Te i l e s v o r g e n o m m e n . 1) O h n e a u f si e h i e r
e i n g e h e n z u w o l l e n , m u ß i ch d o c h s a g e n , d a ß di es e Kr i t i k u n d m e h r n o c h
d e r r ege G e d a n k e n a u s t a u s c h , der i hr d a n n br i efl i ch u n d m ü n d l i c h z w i s c h e n
i h m u n d m i r f ol gt e , di e g a n z e F r a g e w e i t e r g e b r a c h t u n d e t l i c h e E i n z e l ­
h e i t e n e i n e r K l ä r u n g n ä h e r g e f ü h r t ha t . A n d e r e r s e i t s a b e r z ei gt e si e a u c h ,
d a ß d a s F e h l e n d e r v o r a n g e h e n d e n drei Tei l e de s g a n z e n W e r k e s do c h
dem Verständnis jenes
v i er t e n T e i l e s m a n c h e n E i n t r a g t at .
Al s ich d a h e r A. H a b e r l a n d t mi t t e i l t e , d a ß i ch m e i n e r V e r e h r u n g f ür
s e i n e n Va t er g e r n e d u r c h e i n e n Be i t r a g z u der v o r l i e g e n d e n F e s t s c h r i f t
A u s d r u c k v e r l e i h e n wo l l e , s c h l u g er mi r s e l be r vor, e i n e n der b i s h e r n o c h
u n g e d r u c k t e n Te i l e m e i n e r Ar b e i t d i e s e m Z w e c k e z u z u f ü h r e n , w a s h i e m i t
geschieht.
Ich b i t t e n u n die L e s e r d e r f o l g e n d e n A b h a n d l u n g z u r K e n n t n i s z u
n e h m e n , d a ß i m m e r n o c h z w e i w i c h t i g e Te i l e d e s G e s a m t w e r k e s
u n g e d r u c k t s i n d : de r e r s t e Tei l , de r die D a r s t e l l u n g d e r o s t a l p i n e n R a u c h ­
s t u b e n in i hr en F o r m e n , T e i l e n , G r u n d r i ß a n i a g e n , in i h r e m B a u g e f ü g e u n d
in i hr en M a ß e n , s o w i e di e G e s c h i c h t e d e s N a m e n s » R a u c h s t u b e « e n t h ä l t ,
u n d der d r i t t e Teil, der e i n e v e r g l e i c h e n d e U n t e r s u c h u n g all er r a u c h s t u b e n ­
ä h n l i c h e n W o h n r ä u m e in S k a n d i n a v i e n , F i n n l a n d , Ru ß l an d , L i v l a n d , Po l e n ,
bei d e n T s c h e c h o s l o w a k e n u n d S ü d s l a v e n b r i n g t . I m m e r h i n a b e r m ö g e d e r ­
j en i g e , d e n die F r a g e n ä h e r i n t e r e s s i e r t , d e n g e d r u c k t e n S c h l u ß t e i l i m
J a h r g a n g 1924 v o n » W ö r t e r u n d S a c h e n « n a c h l e s e n . Er w i r d d o r t e i n l e i t en d
a u c h di e m i t A b b i l d u n g e n v e r s e h e n e K l a r s t e l l u n g d e s Begr i f f es » R a u c h ­
s t u b e « n ä h e r a u s g e f ü h r t fi nden.
F ü r di e j e n i g e n Les er , die n u r d e n hi er v ö r l i e g e n d e n Tei l d u r c h ­
a r b e i t e n w o l l e n , sei d a z u f o l g e n d e s g e s a g t : Al s » R a u c h s t u b e « b e z e i c h n e t
d a s Vol k e i n e n W o h n r a u m d e s B a u e r n h a u s e s , der w e d e r ei ne R a u c h k ü c h e
( K o c h r a u m m i t o f f e n e m He r d) n o c h e i n e » St u b e « o d e r » Ka c h e l s t u b e «
( W o h n r a u m m i t W ä r m e o f e n ) , s o n d e r n e t w a s g a n z a n d e r e s ist. l n der
» R a u c h s t u b e « b e f i n d e t si ch v o r a l l e m e i n e D o p p e l - F e u e r s t ä t t e , die a u s
’) W i e n e r Z e i t s c h r i f t f ür V o l k s k u n d e 1925.
11
71
e i n e m of f ene n K o c h h e r d u n d e i n e m m i t d i e s e m e n g v e r b u n d e n e n g r o ß e n
s t e i n g e m a u e r t e n Of e n b e s t eh t . In d e r ( w e i t a u s v o r h e r r s c h e n d e n ) r e i ne n
T y p e d i e s e r F e u e r s t ä t t e l i egt d e r He r d v o r n e a n der Br ei t sei t e j e n e s
Of e ns, s o d a ß der O f e n m u n d
(di e E i n h e i z ö f f n u n g de s O f e n s ) u n ­
m i t t e l b a r a u f di e O b e r f l ä c h e d e s H e r d e s h e r a u s f ü h r t . Vo m Ob e r t e i l d e s
Of e n s h e r r a g t ü b e r d e n He r d ein b a l d a c h i n a r t i g e r F e u e r - u n d F u n k e n h u t
her vor, d e r m i t v e r s c h i e d e n e n N a m e n ( » G w ö l b « , »Kogel «, » L e i c h t e n « ,
» Hi mm e l « u. a.) b e z e i c h n e t wi r d.
G e w ö h n l i c h i st ü b e r d e m He r d a u c h ei n H ä n g e k e s s e l a n einer
d r e h b a r e n , g a l g e n f ö r m i g e n V o r r i c h t u n g ( » Ke s s e l r e i d n « , » K e s s e l s c h w i n g « )
angebracht.
An d e r L a n g s e i t e d e s O f e n s e r s t r e c k t s i c h e i n e M a u e r s t u f e ( »Of eng r e a d n« , » Of e n m ä u e r l « ) u n d e t w a s t i ef er die O f e n b a n k , u n t e r der g e ­
w ö h n l i c h di e H ü h n e r s t e i g e u n t e r g e b r a c h t ist.
Auf d e m He r d e w i r d g e k o c h t (die Ko c h s t e l l e h e i ß t g e g e n d w e i s e a u c h
» W i n k 1 k u c h 1«), i m O f e n w i r d d a s Br o t g e b a c k e n u n d (sofern n o c h
k e i n e i g e n e r » S a u k e s s e l « e i n g e r i c h t e t ist) a u c h n o c h d a s S c h w e i n e f u t t e r
b er ei t et , ln f r ü h e r e n Z e i t e n w a r di es a u s n a h m s l o s de r Fall. D a m a l s d i en t e
di e O f e n b a n k u n d die O b e r f l ä c h e d e s O f e n s a u c h al s S c h l a f p l a t z ( zu d e m
m a n über O f e nb an k un d »Ofengreadn« emporstieg) un d da m a ls w ur d e
d u r c h B e g i e ß e n d e s e r h i t z t e n S t e i n o f e n s a u c h d a s D a m p f b a d , b e r ei t e t , so
d a ß die R a u c h s t u b e g l ei c h z e i t i g B a d e s t u b e w a r .
'Dia gon al gegenüber jener z u s a m m e n g e s e t z t e n Feuerstätte befindet
si c h di e T i s c h e c k e ( g i n z so w i e i n d e r » K a c h e l s t u b e « ) m i t » W i n k l k a s t l « ,
W a n d b ä n k e n , d r e i e c k i g e m S t e i l b r e t t c h e n m i t b e r u ß t e n He i l i g e n f i g u r e n u n d
ü b e r d e m T i s c h h ä n g t h ä u f i g ei n d i c h t b e r u ß t e s » T i s c h k r e u z « m i t der
Hei l i g e n G e i s t - T a u b e v o n d e r s c h w a r z g e r ä u c h e r t e n De c k e he f ab.
Die F e n s t e r s e i t e der R a u c h s t u b e , die der F e u e r s t ä t t e n s e i t e paral lel
g e g e n ü b e r l i e g t , z e i g t i m m e r z w e i F e n s t e r r e i h e n ü b e r e i n a n d e r : in der
u n t e r e n s i n d m e i s t drei ( h ö c h s t e n s fünf), in d e r o b e r e n e i nes, m e i s t e n s z w e i
( h ö c h s t e n s drei) k l e i n e F e n s t e r c h e n a u s d e m W a n d g e b ä l k h e r a u s g e s c h n i t t e n .
Di e dr i t t e W a n d s e i t e z w i s c h e n F e n s t e r u n d Fe u e r s t el l e g e h ö r t d e r
» L i e g e r s t a t t « ( e h e m a l s a l s P r i t s c h e n l a g e r v o n d e r O f e n b a n k h e r ve r br e i t e r t ,
h e u t e m e i s t Bett en) .
De r Ra uc h, der u n t e r d e m F e u e r h u t h e r v o r q u i l l t , e r fül l t a l s di cke
b l au e W o l k e die obe r e Häl f t e d e s R a u m e s u n d f i n d e t s e i n e n A u s g a n g
d u r c h di e g e n a n n t e obe r e F e n s t e r r e i h e ( » R a u c h f e n s t er « , » Hoc h f e ns t e r «,
» R a u c h b a l k e n « ) e i n e r s e i t s u n d d u r c h ei n R a u c h l o c h o b e r der ( od e r in der)
T ü r e a n d e r e r s e i t s . Im V o r h a u s ( » L a b n « = L a u b e ) e r h e b t si c h u n m i t t e l b a r
obe r d i es er s e l b e n T ü r ei n m e i s t a u s B r e t t e r n t r i c h t e r f ö r m i g g e b i l de t e r
S c h l o t ( » R a a c h g a n g « ) , d e r d u r c h s D a c h i ns Frei e f ü h r t u n d d e n L u f t z u g
z w i s c h e n » R a u c h f e n s t er n « , » R a u c h l o c h « u n d » R a u c h g a n g « in B e w e g u n g set zt .
D a s a l s o i st (in g r o b e n S t r i c h e n g e z e i c h n e t ) di e » R a u c h s t u b e « . — Si e
u n t e r s c h e i d e t s i c h v o n der R a u c h k ü c h e v o r a l l e m d a d u r c h , d a ß si e e i n e r ­
s e i t s n i c h t n u r d e n Her d, s o n d e r n a u c h — u n d z w a r in e n g e r V e r b i n d u n g
m i t e r s t e r e m — d e n ( Ba ck- ) Of e n e n t h ä l t u n d a n d e r e r s e i t s n i c h t n u r Koch- ,
s o n d e r n a u c h W o h n r a u m ist. V o n d e r O f e n s t u b e a b e r u n t e r s c h e i d e t sie
e b e n s c h o n der offene, r a u c h e n d e K o c h h e r d .
J ed es Bauernhaus, das eine solche R au chs tub e enthält, bezeichnen
w i r a l s » R a u c h s t u b e n h a u s « . I m e r s t e n ( n o c h u n g e d r u c k t e n ) Tei l der
G e s a m t a r b e i t k o n n t e der N a c h w e i s e r b r a c h t w e r d e n , d a ß j e d e s R a u c h ­
s t u b e n h a u s ( m i t v e r s c h w i n d e n d e n A u s n a h m e n in G r e n z g e b i e t e n ) die
G r u n d r i ß f o r m b e s i t z t , di e R h a m m
n i c h t g a n z g l ü c k l i c h — als
» D o p p e l h a u s « b e z e i c h n e t h a t , di e d a s Vo l k s e l b s t a b e r (in d e r A u s s e e r
Gegend)
besser »durchgängiges« Haus
benennt.
Bei
d i es er H a u s ­
f or m b e f i n d e t si c h der H a u p t e i n g a n g in de r Mi t t e der T r au f - ( L a n g - ) S e i t e
u n d f ü h r t u n m i t t e l b a r in di e s c h o n e r w ä h n t e » L a u b e « ( Ha us f l ur ) , di e d a s
g a n z e H a u s der Q u e r e n a c h v o n e i n e r z u r a n d e r e n T r a u f s e i t e d u r c h ­
s c h n e i d e t , w ä h r e n d r e c h t s u n d l i n k s v o n i hr (also gi ebe l sei t i g) e i n e r se i t s
di e R a u c h s t u b e , a n d e r e r s e i t s ein V o r r a t s r a u m ( K a m m e r o d e r Keller) l iegen,
72
w e l c h l et zt e r e r h e u t e oft in ei ne » K a c h e l s t u b e « u m g e w a n d e l t ist. E s m u ß
hi er m i t g e t e i l t w e r d e n , d a ß i m d r i t t e n ( e b e n f a l l s u n g e d r u c k t e n ) Teil der
O e s a m t a r b e i t a u s g e f ü h r t wi r d, d a ß si cn d i e s e r G r u n d r i ß v o m F l e t t h a u s
N o r d d e u t s c h l a n d s , v o m »f r ä n k i s c h e n « Fl u r k i i c l i e n - ( » E r e n « - ) i 1a u s M i t t e l ­
d e u t s c h l a n d s (ei ns chl i eßl i ch de s ö s t e r r e i c h i s c h e n D o n a u g e b i e t e s ) u n d v o m
»bayrisch-alemannischen« (sog en ann te n »oberdeutschen«) K ü c h en s tu b en ­
h a u s S ü d d e u t s c h l a n d s u n d der Al p e n w e s e n t l i c h u n t e r s c h e i d e t , d a ß
er s i c h a b e r bei al l e n r a u c h s t u b e n ä h n l i c h e n W o h n f o r m e n in S k a n d i n a v i e n ,
F i n n l a n d , R u ß l a n d , Pol en, bei den T s c h e c h o s l o w a k e i ! u n d bei d e n S l o w e n e n
i wi ed e r f i n d e t . —
Z u m S c h l ü s s e d i es e r V o r b e m e r k u n g e n m u ß ich n o c h m a l s b e t o n e n ,
d a ß die H a n d s c h r i f t di es er Ar bei t s c h o n 1920 b e e n d e t w a r , d a ß d a h e r di e
f o l ge n d e n A u s d r ü c k e , w i e » h e u t i g e « Gr e n z e , Di c h t e u. s. w. n u r für die
Z e i t von 1910—1920 G e l t u n g h a b e n . Se i t h e r s i nd d u r c h d e n — l ei der n u r
sehr vo rübergehenden — wirtschaftlichen A u f s c h w u n g unseres Ba u ern ­
s t a n d e s n e u e r d i n g s z a h l r e i c h e R a u c h s t u b e n v e r s c h w u n d e n , d a s h e i ß t in
S p a r h e r d z i m m e r o d e r in O f e n s t u b e n u m g e w a n d e l t , b e z i e h u n g s w e i s e in
Her d- u n d O f e n r a u m zer t ei l t w o r d e n .
Einleitung.
Ueber die g e og r a ph is c he Ve rb re it un g der Ra uchs t ube in
den Ostalpen, deren Fe sts te llu ng mei ne eigentliche, im Aufträge
der Aka de mie der Wi ss ens chaf ten in Wien ü b e r n o m m e n e Aufgabe
war, lagen bisher (in chronol ogischer Folge) • folgende Nach­
richten vor:
1. P e t e r R o s e g g e r s M i t t e i l u n g e n ü b e r R a u c h s t u b e n i m s t e i r i sc h e n
M ü r z t a l e . 1)
2. H o h e n b r u c k - R o m s t o r f e r , P l ä n e l a n d w i r t s c h a f t l i c h e r B a u t e n 2)
m i t M i t t e i l u n g e n ü b e r R a u c h s t u b e n in der G e g e n d Von D e u t s c h - L a n d s b e r g
u n d Ar nf e l s in d e r w e s t l i c h e n M i t t e l s t e i e r m a r k (1878),
3. J a n i s c h 3) e r w ä h n t R a u c h s t u b e n in d e n Be z i r k e n M u r a u ,
V o i t s b e r g , Gl ei s dor f , W e i z , H a r t b e r g , M a h r e n b e r g u n d R a n n .
4. J. K r a i n z 4) b e r i c h t e t i m a l l g e m e i n e n ü b e r R a u c h s t u b e n in
Ob e r s t e i e r .
5. G. B a n c a l a r i 5) e r w ä h n t e i ne R a u c h s t u b e a u s Kä r n t e n .
6. K. R h a m m 8) t e i l t m e h r e r e R a u c h s t u b e n a u s U n t e r s t e i e r mi t .
7. J. R. B u n k e r 7) b e s c h r e i b t die R a u c h s t u b e n d e r V o r a u e r g e g e n d .
8. R. M e r i n g e r 8) b e r i c h t e t ü b e r o s t s t e i r i s c h e R a u c h s t u b e n .
9. J. R. B ü n k e r “) b e s c h r e i b t di e R a u c h s t u b e n d e s Mi l I s t ät t e r Ge b i et es .
10. A. D a c h i e r ' 0) e r w ä h n t R a u c h s t u b e n in der » b u c k l i g e n W e l t «
im nör dl ichen W e c h se lg e bi et .
11. A. D a c h i e r 11) b e r i c h t e t v o n R a u c h s t u b e n i m Möl l tal , i m D r a u ­
tal n ö r d l i c h vo n O b e r d r a u b u r g , i m G u r k - u n d Me t n i t z t a l , i m L a v a n t t a l
u n d a m Ba c he r g e b i r g e .
h Vo l k s l e be n a u s S t e i e r m a r k , 1. Aufl. 1870, 10. Aufl. 1905, S. 12 ff.
— 2) » P l ä n e l a n d w i r t s c h a f t l i c h e r B a u t e n in Oe s t e r i e i c h « , 1878. — 3) T o p o ­
g r a p h i s c h - s t a t i s t i s c h e s L e x i k o n v o n S t e i e r m a r k , 3 Bde. G r a z 1878— 1 8 8 5 . —
4) B a n d » S t e i e r m a r k « der » O e s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e n M o n a r c h i e in W o r t
u n d Bild«, 1890, S. 146. — 6) » A u s l a n d « (1890), S. 4 6 7 f. — 6) » Gl o b u s « ,
Bd. 71, S. 185/6. - 7) M. A. G. (Mitt. d. An t h r o p . Ge s . W i e n ) 27, S. 161 ff.
(1897). — 8) S i t z . - Be r i c h t e d. Ak a d . d. W i s s e n s c h W i e n , P h i ' . - h i s t o r . Kl.,
Bd. 144 (1901). — “) M. A. G. 32 (1902) — 10) D a s B a u e r n h a u s in Ni e der ­
ö s t e r r e i c h (Bl. d. Ver. f. L a n d e s k u n d e , N a c h t r a g 1905, S. 5/6). — ” ) B a u e r n ­
h a u s w e r k , T e x t b a n d S. 51.
•73
12. M. M u r k o 1) beschreibt die Rauchstuben im slowenischen
Untersteier und berichtet über deren Verbreitung im Draugebiet.
13. V. O e r a m b2) stellt die bisherigen Ergebnisse betreffend die
geographische Verbreitung der Rauchstube zusammen.
14. K. R h a m m 3) berichtet über die geographische Verbreitung der
Rauchstube in Osttirol und Oberkärnten (wonach das Isel-, Kaiser-,
Deffreggen- und obere Mölltal rauchstubenfrei wären), ferner im Pongau,
Lungau, Obersteier (Zeyringer-Oegend), Oststeier (Fischbacher-Gegend),
Unterkärnten und Untersteier östlich der großen Draubiegung.
15. V. 0 e r a m b‘) versucht eine genauere Feststellung der geo­
graphischen Verbreitung der oben angeführten Rauchstuben.
16. Derselbe5) berichtet über das Rauchstubenhaus in Steiermark.
17. Derselbe6) versucht eine kartographische Darstellung der geo­
graphischen Verbreitung der oben angeführten Rauchstuben zu geben.
18. J. R. B ü n k e r ’) beschreibt die Rauchstuben der Murauer-Gegend.
19. V. G e r a m b 8) veröffentlicht die Ergebnisse seiner Reisen zur
Feststellung der geographischen Verbreitung der oben angeführten. Rauch­
stuben.
x
20. J. R. B i i n k e r 3) erwähnt Rauchstubenspuren in der Gegend von
Lienz (Osttirol).
Ich habe im g an ze n beiläufig 800 ü be r da s g e s am t e Ver­
b rei tungs gebi et ve rst re ut e R a u c h s t u b e n h ä u s e r in die s t u m m e
Karte ( M a ß st a b 1:250.000) der Ostal pen eingezeichnet,10) so d a ß
ich d a r a u s ein klares Bild für die B e a n t w o r t u n g u ns e re r Frage
zu g ewi nn e n vermag. Von diesen 800 sicher festgestellten R a uc h­
s t u b e n habe ich 287 persönlich in G r u nd r is s en etc. aufgenommen,,
253 auf me ine n W a n d e r u n g e n oder durch Freunde, B ek ann te u nd
verläßliche Bauern festgestellt, 145 a us der hausk u n dl ic he n
Li ter at ur und über 100 aus archival ischen F o r s c hunge n e n tn o mm en .
Nicht m it g e r ec h ne t sind bei diesen Zahl en die n ur allgemeinen
Angaben (zum Beispiel » i n d i e s e r
Gegend
kommen
R a u c h s t u b e n v o r « ) , wie sie sich u n t e r a nde r em im T o p o ­
g ra ph i sc he n Lexi kon von däni sch finden. Solche Angaben habe
ich sel bst verst ändl ich wohl für die Feststellung- der g e ogr aphis che n
Verbr ei tung u nd Dichte m it v er w en d et ; in die K a r t e n ei ngetragen
habe ich a be r n ur g a n z b e s t i m m t e H ä u s e r , die ich eben als
R ä uc h s t u b e n h ä u s e r feststellen konnte.
Ich schät ze aus diesen Ziffern u n d a us der k a r to g r ap hi s ch en
Eintragung, d a ß es im g e n a n n t e n Ge sa mt g e b ie t heute (1920)
noch e t w a 3000 B a u e r n h ä u s e r mi t Ra u ch s tu b en geben dürfte.
‘) M. A. G. 36 (1906). — E) M. A. G. 38 (1908). — 3) Urzeitliche Bauern­
höfe im germanisch-slawischen Waldgebiet, Braunschweig 1908, bes.
S. 833 f., 864, 867 u. 894. — 4) Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. k. Akad. d.
Wiss. Wien vom 7. Juli 1909. — 5) »Das Bauernhaus in Steiermark« (Fest­
schrift des hist. Ver. f. Steiermark, Graz 1911). — °) »Die Feuerstätten des
volkstümlichen Hauses in Oesterreich-Ungarn«, W. u. S. 1911. — 7) M. A. G. 43
(1913). — 8) Anzeiger d. phil.-hist. Kl. d. k. Akad. d. Wiss. Wien vom
5. Februar 1913. — °) M. A. G. 44- (1914). — 10) Die betreffenden 7 Blätter
hat mir Herr Univ.-Prof. Dr. R. S i e g e r aus dem geographischen Institut
der Universität Graz kostenlos zur Verfügung gestellt, wofür ihm auch an
dieser Stelle herzlich gedankt sei.
74
1. K a p i t e l :
D i e h e u t i g e g e o g r a p h i s c h e Ve r b r e i t u n g‘.
Aus den Ei nt ra gu ng e n in me ine n Karten ergibt sich z u n ä c h s t
folgender U m r i ß d e s h e u t i g e n V e r b r e i t u n g s g e b i e t e s :
Die nördlichsten Ra uc hs tu be n fanden sich noch vor 20 J a h r e n
in der »Buckligen Welt«, nördlich der Ge me in de Möni chki rchen
im niederöst errei chischen W e c h s e l g e b i e t . 1) Fa st e benso nördlich
liegen die Spur en von einstigen R a u c h s t u b e n hä u s e r n , die ich
selbst, die eine in Döllach bei Liezen, die a nd e r e in Au bei
Gaishor n (beide im Gebiete des R o t t e n ma n ne r Tauern), festgestellt
habe, u n d noch nördlicher liegt da s noch heute als wirkliches
R a u ch s t u b e n h a u s in Be nütz ung st eh end e Gehöft »Grill« a m S ü d ­
os te nde des G ru nd l se es in der Gegend, die »bei den We an e rn «
heißt, das ich selbst im S o m m e r 1918 a u f ge n om me n habe. Es ist
das nördlichste noch b e ka nnt e , allerdings schon v o l l ko mm en v e r ­
einzelt s t eh en de Ra u ch s tu b en h au s , von dem wir ü b e r h a u p t Kenntni s
haben. Nicht viel südlicher befindet sich eine Ra u ch st u be n sp u r,
die R h a m m in Untersulzbach bei R a d s ta t t festgestellt h a t , 2) u n d
eine tat sächli che Rauchstube beim » Se ywa ld« in S o n n b e r g nahe
von H üt t au (im Pongau), deren G r u n dr i ß mir Herr Dr. med.
Ha ns W imb e rg e r ei ngesendet hat.
W ä h r e n d nun die im Osten (also im Wechselgebiet) e r wä h n t e n
R a uc hs t u be n noch in festem Z u s a m m e n h a n g mi t dem von S ü d ­
w e st e n her aufreichenden ges chl os s e n e n Ra u c hs tu b en g e b ie t st ehen
(ich k o n n t e sowohl bei Fr iedber g als auch in Höffern n a h e der .
F e s t e n b u r g sowie in Ros e gge r s W a l dh e i m a t Krieglach-Alpl noch
he ut e bes t eh en de R a u c h s t u b e n hä u s e r feststellen), er scheinen die
westlicheren, im Gebiete der R o t t e n m a n n e r Tauer n, a m G ru nd ls e e
u nd im Sa lz bu rg er Po n ga u g e n a n n t e n nur m e h r wie wei t h inaüf g es chobene Vorposten oder, be s se r gesagt, wie stehen gebliebene
Reste eines einst bis hieher rei chenden Meeres, da s h e u t e schon
recht weit, nämlich bis auf den Ka mm der niederen T a u e r n (MurEn ns - Wa ss e rs chei d e) zu r üc kg ewi chen ist.
Mit a nd e re n Wor ten: Wir ha be n mit den e r w ä h n t e n R a u c h­
s tube n er st s oz us a ge n die nördl ichst en M e r k p f ä h l e 3) a us ge s te c kt ,
von denen wir nach Süden zu die g e n a ue Gr enz e des heutigen
ges ch lo ss e ne n Ve rbr ei tungsge bi et es zu s uchen haben. Daß die
Ra u ch s tu b e aber einst ges c hl o ss en so weit nach Norden gereicht
hat, bewei sen u n s nicht n ur j ene Spur en u n d E i nz e lv o rk o mme n ,
s o n d e r n auch sichere historische Nachrichten, die wir im dritten u n d
vierten Kapitel dieses Abschni ttes k en n e n lernen werden.
Die Nordgrenze des heut e noch (freilich im einzelnen auch
n u r me hr oder minder) ges c hl os s e ne n R a u ch st ub en ge bi et es s tecken
wir vo re rs t durch folgende R a uc hs t ub e n ab: B a u e r n h a u s neben d em
]) D a c h 1e r,„ Bauernhaus in N.-Ö. Nachtrag 1905 (Bi. d. Ver. f.
Landeskunde in N.-'Ö.), Wien '1905, S. 5/6.
2) R h a m m , a. ä. 0., S. 875, Fig. 121.
3) Ich habe diese »Merkpfähle« auf der beiliegenden Karte mit
schwarzen schrägen Kreuziein eingetragen.
75
»Oaberl« im Hofgraben gegen die Hilm (Gemei nde Pi ng g a u
bei Friedberg), Höffern bei Fes te nb ur g, Mönichkirchen, KrieglachAlpl, Ur be rbe rg bei Stanz im M ü r z t a l , 1) Rennfeldgebiet, St. St e ph an
ob Leoben, »Gr uber « im Feistritzgraben u n d »Wilhuber« bei Seckau
(beide in den S ec ka ue r Alpen), Ge g en d von St. J o h a n n a m T a u e r n , 2)
»Bischofhueben« im Sc ha r ni tz g ra b en hi nt er P ust er wa ld , Sc hö n b e r g
bei Oberwölz, Schöderberg, Kr ak au - Eb en e, Seetal und Sauerfeld
(letztere sc ho n im Lungau).
Von hier a us s i nk t die Nor dg re nz e (im ga nz en g e n o mm e n )
nach S ü d we s t e n ab, so d a ß m a n sie hier nicht m e h r als Nor d­
gr enz e allein, s on de rn gleichzeitig auch als W e s t gr e nz e a n sp r ec he n
mu ß. Wir s te ck e n sie ab durch m e h r e r e Ra uc hs t ub e ns p ur en, die
ich in de r Nähe von St. Michael im Lungau, in den Quell­
tälern der Mur ( Zeder haus- u n d ob e r st e s Murtal) aufgefunden
habe, ferner dur ch die w est lic hs t e n b e k a n n t e n R a uc hs tube n beim
»Pichler« in Putschall bei Döllach (nahe von Heiligenblut am
G l o c k n e r f u ß ) 8) u n d die von m i r in den Geme in de n Lai nach u nd
Reintal im Mölltal sowie in der Ge me in de Str on ac h (mit dem
Defreggerhaus) festgestellten R a uc h s t u b e n h ä u s e r . Ihnen schließen
sich schon nach Sü d os t en hin die von B ü n k e r bei Lienz gefundenen
S pu r en u n d zwei von mi r erfragte R a u c h s t u b e n h ä u s e r in S i m m e r ­
lach u n d Irsching bei O b e r d r a u b u r g an, mi t denen wir schon
zur Sü dg r e nz e des Ver br eit ungs gebi etes stoßen.
Im g an ze n Lessachtal, d a s ich zu Fuß du rc hwa n d e rt e, u nd
im g an z en Gailtal, wo B ü n ke r geforscht hat, fanden sich keine
Ra uc hs t ub e n u n d auch keine S p u r en von solchen. Wohl aber
k o n nt e ich in Kreuzen beim W ei ß e n se e u n d in Kar duts chen bei
Bleiberg noch Ra uc hs t u b e n nachwei sen, so d a ß sich damit die Dr a uG a il - W a s s e r s c h e i d e deutlich als S üd o st g r e n z e des Gebietes ergibt.
J e n s e i t s der G a i l m ü n d u n g g eh t die Grenze noch weiter
nach Süden. Wir m a r k e n sie v o re r st dur ch die von R h a m m in
Unt e rl oi bl 4) u n d im Gebiete zwischen de r Dr au u n d den K ar a­
w a n k e n 5) festgestellten R a u c h s t u b e n h ä u s e r ab. Gegen Osten hin
schließen sich . i hne n die von M u r ko aufgezeichneten Ra uc hs tu be n
in Tolsti v rh bei Gut enst ein, ferner bei Wi ndis chgr atz u nd
bei St. Ku ni gu nd a m B a c h e r n “) an, die einem bis z ur Drann
reichenden, ziemlich g e s ch l o ss e ne n R au ch st ub en ge bi et a nge hör e n
u n d mi t denen auch die von R h a m m in Brinjavec bei Ob e r­
feistritz u n d in P r ic h ow a a u fg e n o m me n e n Ra uc h s t ub e n in g e o ­
g ra p hi s ch e m Z u s a m m e n h ä n g e s t e h e n . 7)
*) R h a m m , a. a. O., S. 923, Fig. 130.
!) R h a m m , a. a. O., S. 830 und 862.
“) B a u e r n h a u s w e r k , Kärnten, Tafel 2.
4) R h a m m , a. a. O., S. 868, Fig. 120.
6) R h a m m , a. a. O. S. 861.
' J M u r k o , M. A. O. 36, S. 22.
V R h a m m , a. a. O., S. 864, Fig. 118, und S. 865.
%
Damit gelangen wir schon in die Nähe de s Draufeldes, wo
sich die S üd g r e nz e des R a u c hs tu be ng eb i et es bereits z ur Ostgr enze
u mz ub i e g e n beginnt. Wir s tecken sie in s c h r äg nor döst li cher
Ri cht ung ab durch die Ra u c hs t ub e n bei M a r bu r g (an beiden
D ra uuf er n) 3) sowie die von St. J a k o b bei Ja h r in g, Dr az en be rg
u nd S t a i n z t a l 1) und gel angen d a mi t bis in die Gegend von
Mureck. Dort w e n d e t sich uns e re Gr enze scharf nach Norden
u n d wir d zur reinen Ostgrenze.
Den südlichen u n d mittleren Teil dieser Ost gr enz e m u ß t e
ich ganz a us eigener F o r s c h u n g b est immen, d a u n s für diese
Gebiete g a r keine Arbeiten vorliegen. Sie sind ü b e r h a u p t viel
v e r ge s se n er als die s o g e n an nt e n » ve rg es s en en L ande« der N o r do st ­
s t e ie rma rk . Ich m a r k e sie durch die Ra u c hs t ub e n bei Klöch (nördlich
von Halbenrain) und J a n i m (südlich von Fehring) ab. W ä h r e n d die
Gr enz e hier der st ei ri s c h- unga r is c hen K r onl an d s gr enz e folgt, wei cht
sie nördlich der Raab z u nä c h s t nach Wes ten z urück. Die östlichste
Ra uc h st u b e ist hier die des » Ha s en bu r ge r « nördlich von S tu de nz e n
an der Raab im Scheibengraben, die s e lb st schon als g an z
v er einzel ter Vorpost en in de r Ge ge nd erscheint. Nach Norden
hin folgen d a n n die von mir in Oberfeistritz bei Anger a uf g e ­
n o m m e n e n Rauchstuben. Hier w e nd e t sich u ns er e Grenze, der
St re ic hr ic htu ng der Fi schbacher Alpen folgend, s t a r k n ac h No r d­
osten. Es folgen die Ra uc hs tu be n der P ö l l a u e r - 2) u n d V o r a u e r - 3)
sowie der Friedberger-Gegend, w om i t wir wi e de r bei u n s e r e m
A u s g a n g s p u n k t eingetroffen sind.
Nachdem wir s o mi t die Merkpfähle a u s g e s t e c k t haben,
wollen wir n un d a ra ng e he n, an der H an d de r Karte ( Ma ß­
s t a b 1 : 250.000) die g e na ue Grenzlinie des heute noch g e sc hl os se ne n
Ra uc hs t ub e ng e bi et es zu b es t immen. In v er kl ei ne rt em M a ß s t a b e
ist diese Linie auf der beiliegenden Karte mit s c hw ar z er Farbe
eingezeichnet.
Wir begi nnen im W es t e n a m G r o ß g l o c k n e r . Hier h a be n
wir das obe rst e Mölltal noch als R au c hs t ub e ng e bi et k e nn e n gelernt.
Das Gebi et nördlich v om T a u e r n k a m r n , d a s G a s t e in e r - Ta l u n d
die Ge g en d von Zell a m See und nördlich bis hinauf üb er Lofer
u n d über den Hirschbüchl ins bayrische Hochland u m den Wa t z m a n n sowi e auch östlich da s ga nz e Gr oß ar l ta l h a b e ich persönlich
k re u z u nd quer nach Ra uc hs tu be n durchforscht, a be r nicht einmal
eine S p ur d a vo n gefunden. So mit ergibt sich hier eine feste
u n d sichere Grenzlinie, näml i ch die durch die T a u e r n gebildete
D ra u -S a l z ac h- Wa s se r sc h ei de , die mi t der nördlichen Kä rn tn er
Kro nl an d s gr en z e zusammenfäl lt. G a nz g e n a u a us g e d rü c kt , verläuft
diese Grenzlinie n a t u r g e m ä ß nicht a m Ka mm selbst, s o nd er n
e t wa s südl icher u nt er demselben g e m e i n s a m m i t der Linie der
Dauer si edlungen, die j a begreiflicherweise nicht bis zum höchs ten
■) M u r k o , M. A. G. 36, S. 23.
2) R h a m m, a. a. O., S. 874.
3) B ü n k e r , M. A. G. 27, S. 174, 178, 180-182 und 185.
K amm hinaufreichen. Dieser Grenzlinie folgen wir nach Osten bis
z u m Königsstuhl, dem G r e n z p u n k t Sal zburgs, Kärntens und
St ei er ma rks .
Dort w en d et sich die Gr enz e des heute noch g e schl os senen
Rau c hs tu be ng ebi et es scharf nach Norden, indem sie der salzburgi sch-st ei ri schen La nd e sg r e n ze bis zur Mur bei Predlitz folgt.
Nicht n u r die Ge g en d von Mu ra u, s o n d e r n da s ganze Murtal bis
Predlitz hinauf, da s ich daraufhin d u r c h w a n d e r t habe, ist R a u c h­
stubengebiet. Dagegen hör t die Rauc hst ub e im Wes ten von
Predlitz, als o im S a lzbur ger L un g a u h e u t e g an z plötzlich auf. Das
Ve rbrei tungsgebi et erscheint hier durch die Sa lzbur ger L a n d e s ­
grenze wie abgeschni tt en. So erzählten mir zum Beispiel in Kendl­
bruck, da s n u r eine halbe G e h s t u n d e westlich von Predlitz, aber
bereits auf s alzbur gi s chem Boden liegt, s og ar die alten Bauern,
d a ß sie die Rau c hs tu be zwar von ihren steirischen Nachbarn her
sehr gut kennen, d aß sie a be r im L u n g a u schon seit $0 oder
60 J a h r e n g an z a b g e k o m m e n sei. Die Ursache dieser Erschei nung
w ar ein scharfer sal zbur gischer Polizei-Erlaß, der d a s Abbrechen
aller R a uc hs tu be n bei Strafe verordnete. G a nz ebenso schnei det
auch da s Kä rn tn er Ra uc h st u b e ng e b i e t mit d er L u n g au e r Südgr enz e
ab. Das Malta- und Liesertal ist bis zum Ka ts c hb er g herauf reich
an Rauchst uben, wie sowohl R h a m m u n d Bu nk er festgestellt
haben und wie ich es auch selbst durch zahlreiche verläßliche Nach­
richten an Ort u nd Stelle best ät igt fand. Freilich gilt all da s G e ­
sagt e n ur für die h e u t i g e g e s c h lo ss e ne Ve rb re it un g der R a uc h­
stube. Seinerzeit hat der ga nz e Lungau, der j a sowohl g e o ­
gr aphi sch als auch v o lkskundli ch völlig da s Ge pr ä ge des b en a ch­
barten oberstei ri schen Gebietes trägt, s i c h e r zum geschl ossenen
Ra uc hs tube nbe re ich gehört. Beim »Zollpeter« im Dorfe Muhr (im
südlichen u n d zugleich Haupt quell t al der Mur) soll noch 1909
eine R au ch st ub e als die letzte in der G e ge nd b e st and en haben.
Ebenso habe ich bei St. Michael im L u n g a u sowie in Ob e rw e i ß­
burg, Fehl u nd Krottendorf im Z e de rh a us ta l noch me hr er e ganz
d e u t s c h e S pur en von ehemali gen, jetzt a be r u mg e st al t e te n Rauchs tube n feststellen k önnen. H e u te m u ß aber der L un ga u südlich
d er Mu r als r auchst ubenfrei bezeichnet werden.
E t w a s a n d e rs ve rhä lt sich die Sache im Lu n g a u nördlich
d e r Mur. Hier n a h m ich in Al zma nn sd or f und in Seetal selbst
noch im J a h r e 1908 zwei Ra u ch st u be n auf (beim »Geusch« u nd
beim »Oi gast ner«) u n d k o nn t e drei weitere beim »Döbnitzer«,
» Be rne r« u nd »Training« in de r G e m ei n de Sauerfeld durch v e r ­
läßliche Auskünfte feststellen. Das heißt also, die W es t gr en ze des
g e sc h lo s se n en heutigen Ra uc h st ub e ng e bi e t es m a c ht den ein­
s p r i n ge nd e n scharfen Dreieckzipfel, den die st ei ri sch-sal zburgi sche
La n d e s gr e n z e östlich von T a m s w e g gegen den Gs t od e r hin ein­
schlägt, n i c h t mit, so nd er n s p r in g t südöst li ch von T a m s w e g ,
am L a s a b e r g von de r L a nd e sg r en z e ab u nd verläuft in g er ader
Linie nach Norden auf den P r e b e r zu.
78
Aber schon a m Pr eber selbst s pr ingt u ns er e Gr enz e a b e rma l s
von der La nd esg re nz e ab, u m sie n un d a u e r n d zu verlassen.
Vielmehr w e nd e t sie sich n un entschieden nach Osten u n d folgt
auf ein langes St ück der M u r - E n n s- W a ss e r sc h ei d e a m K a mm e der
niederen Ta ue rn. Die ga nz e Krakau, die ich g e n a u durchforschte,
sowie d a s Rantener- u n d Mu rauer -Gebi et sind z w a r nicht ge ra de
s e hr dichte, a be r doch noch i m me r deutlich g es ch los s en e Ra uc h­
stubengebiete. Ebenso k o n n te ich östlich davon, im Schöderberg,
a m Kamme r sb e rg , im g an ze n Wölzer- u nd P us t e r w a l d e r - Ge b i e t
noch ziemlich viele Ra u ch st u b e n h ä u s e r auf n e hme n. Dagegen ist
es nördlich d er M u r - E n n s - W a s s e r s c h e i d e mit der Ra uc h st u b e
v o l l k o m m e n vorüber. Ich selbst habe die G eg e n d von Radstatt,
Sc hl a dmi n g u n d l rdni ng d ur ch wa nd e rt , mei ne F r eu nd e Pr of essor
Dr. Muralter, de r das ga nz e Sölker-Gebiet in sechswöchent li chen
a l mg eog ra ph is chen St udien im J a h r e 1908 durchforschte, u n d
Fi na nz ra t Dr. Wagner, der die Tä l er südlich v on S c h l a d mi n g
d urc hwa nd e rt e, beide g e n a ue Kenner der Ra uchs tube, h a b e n keine
einzige m e h r finden k önnen. In die heut ige Gr enz e des g e ­
s c hl os se ne n Rau chs tu b e ng e bi e tes dürfen also diese Ge ge nd en
nicht m e h r ei nbezogen werden. Die Ra uc hs tube n im P o n g a u a m
S o n nb e rg bei H ü tt a u sowie die Gril l - Rauchstube a m Ost en de
des Gr u n d l se e s bilden weit v or ge sc ho be ne Vorposten. Sie be we ise n
a b e r i mmer hi n g e m e i n s a m mit d e n S p u r e n , die R h a m m im P o n g a u
u n d bei R ad s t a d t u n d die ich im Gebiete des R o t t e n m a n n e r
T a ue r n fand, d a ß dies einmal a nde rs g e w es e n ist. Wir werden
das im dritten Kapitel dieses Buches b est ät igt finden.
Die heutige Grenzlinie des g e sc hl oss ene n Gebiet es verläuft
also vom Pr ebe r über den Predigtstuhl, die Schoberspitze, den
H o h e n w a r t u n d den Gr oß en Bösenstein nach Ho he nta ue rn. Das
obere Pölstal, die Gaal und die Se ck a ue r -G eg e nd si nd — allerdings
recht wenig dichte, aber i mmer hi n noch — deutlich ge sc hl os s e ne
Rauchst ubengebi et e. Obwohl die Ra uc h st u be in den g e n a n n t e n
G e g en d en in den letzten J a h r z e h n t e n rasch ausst irbt , ist sie doch
überall noch s e h r g ut b e k a n n t und ich h ab e sel bst im Sc h ar n i tz ­
g r abe n bei Puster wald, in der. Gaal, im Feistritzgraben u n d in der
Seckauer -Gegend, ja selbst noch in Lind bei Knittelfeld (in einem
e r s t um 1910 a b ge tr ag e ne n Haus) Ra uc hst ube n a u fn e hm e n können,
w ä h r e n d R h a m m solche a u s der G e g e n d v on St. J o h a n n a m
T a u e r n u n d H o h e nt a ue r n berichtet. Es ist also zweifellos sicher,
d a ß diese, w e nn auch heute nur m e h r d ü n n m it R a uc hs t u b e n
be sä te n G e g e n d e n ., in g es c h l os se ne m Z u s a m m e n h a n g mit dem
viel dichteren R a uc hs t u b e ng eb ie t des Zirbi tzkogel berei ches stehen.
Bisher n a h m uns er e Grenze, mit A u s n a h m e des kurzen
St üc ke s östlich von T a m s w e g , d u rc h a u s einen sehr natürlichen,
o r ogr aphi sch g u t b egr ündet en Verlauf.
Oestlich v o m H o h e n t a u e r n wird da s auffallend anders. Man
sollte meinen, hier w ü r d e nun die Grenze weit er der M u r - E n n s W a s s e rs c he i de über den Wa ld e r sa tt el folgen. Dem ist aber nicht
79
so. D aß d a s ganze Ennsgebiet u m Liezen, Ad mo n t u n d in der
g a nz e n G eg e n d von St. Gallen, Hiefla», J o h n s b a c h u nd Eisenerz
sowie d a s g a nz e Salzatal bei Palfau, Wildalpen, Weichselboden,
G u ß w e r k u n d Mariazell — alles Ge genden, die ich wiederholt u nd
ausgiebig nach allen Richtungen dur chforscht h abe — v ol lk om me n
r auchst ubenf rei sind, k a n n uns nach dem bisherigen Grenzverlauf
weniger w unde rn. Aber auch d a s ga nz e Liesingtal sowie die
Gebiete von T r a g ö ß u nd Trofaiach, d a n n die ga nz e Eisenerzer
u n d Vor de r nbe rger Gegend, die ich eigens darauf hin alle kr euz
u n d quer u n d in längeren Aufenthalten d u r ch s uc ht habe, sind
v o l l k o m m e n ohne jede Rauchst ube. Vielmehr w e n d e t sich unsere
Gr enze von H o h e nt a u e r n ab s ehr kl ar u n d deutlich nach S ü d ­
osten u n d folgt dem Zuge der Se ckauer - AIpen bis hinab an die
Mur, die sie bei Kr aubat h erreicht.
Das Murtal selbst ist östlich von Kraubath, in der Gegend
von St. Michael, Leoben u n d Bruck, v o l l k o m m e n rauchstubenfrei.
Nur in Hi nt er lobmi ng bei St. S t e ph a n ob L e o b e n 1) u n d vereinzelt
auf den Höhen südwestlich v on Leoben u n d Bruck gegen die
Hochalpe hin findet sich d a u n d dort, a be r auch schon sehr
selten, noch ein Ra uc hs t u b e n ha u s . Auch jensei t s der Hochalpe
ist da s Gebiet des L au f ni t z gr ab en s (westlich von Tr af öß bei
Pe rn eg g) h e u t e ganz rauchst ubenf rei, e benso der W e s t - u n d Nor d­
a b h a n g des Rennfeldes. Dagegen fallen Frohnleiten, Mixnitz und
die Breitenau bereits wieder in das ge sc hl os s e ne R a uc h s t u b e n ­
gebiet.
Das hei ßt also: Von H oh e nt a u e rn ab verläuft uns e re Grenze,
dem K a m m e der S e c ka u er Alpen über den Reichartkogel, Zinken
u n d P la nkoge l folgend, nach K ra uba th herab, üb er s e tz t dort die
Mur u n d häl t sich dann, den Stadt gebiet en von Leoben u nd Bruck
nach Sü d e n a usweichend, geg e n Osten über die Mugel u n d zur
Hochalmspitze. Von d o r t verläuft sie weit er nach Osten, a b e rma ls
hinab ins Murtal, das sie bei Mixnitz übersetzt, von wo. sie sich
nördlich z um Rennfeld hin wendet.
Von Sü d e n reicht hieher d a s geschlossene, im Gebirge noch
s ehr dichte R a u ch s tu b en g eb i e t der Gleinalpe. ln der G e g e n d von
Adriach bei Frohnleiten u nd im G a m s g r a b e n n a h m ich selbst
m ehr er e R a uc hs tube n auf, e be ns o östlich der Mur im Br ei tenauer ­
u n d Z ü n t a n g r a b e n sowie im R o ß gr a b en bei Mixnitz.
Aber auch von hier ab ist der weitere Grenzver lauf z u n ä c h s t
o r og r ap hi sc h nicht motiviert. Denn anstatt, d a ß nun die Grenze
v o m Rennfeld an, de s se n Nord- u n d We st h ä n g e , wie ich mich
s elbst ü berzeugte, r auchst ubenfrei sind, dem Z u g e der Fi schbacher
Alpen nach Nor dos t folgen würde, über set zt sie diesen H ö h en ­
k a m m hinter dem Rennfeld u n d w e n d e t sich nach N o r d e n . gegen
die G e m ei n de n Gr a sc hn it z u nd J a s n i t z dem Talboden der Mürz
zu. Aber auch diesen selbst erreicht sie nicht. Vielmehr bleibt sie
J) Mitteilung der Lehrerin Frl. Gabriele L e c h n e r .
80
auf dem halben No r dha ng der Fischbacher Alpen u n d verläuft
e t wa in der Mitte zwischen dem Tal bo d e n u n d d em K a m m der
Fi schbacher Alpen, allerdings deren Str ei c h r ic ht un g folgend, nach
Nordosten. So ist das obere Stanztal noch Ra uc hs tube nge bi e t, da
d o rt in U r b e rb er g bei St anz noch R h a m m eine Rauchstub'e a uf ­
g e n o m m e n h a t 1) u nd e be ns o — wie ich mich sel bst ü b e r z eu g t e
— Roseggers W a ld h e i m a t »AIpl« ob Krieglach. Der Tal bo d e n der
Mürz aber, den ich in den Ge ge nd en von Veitsch, Krieglach,
Mürzzuschlag, Neuberg u nd Mü r z st e g selbst durchforscht e, sowie
d a s ga nz e Fröschnitztal u nd die Ge g en d von Spital a m S e m m e r i n g
sind gänzlich rauchstubenfrei. Das wird auch durch die h a us kundl iche Li t er at ur v ol lk om me n bestätigt. M e r i n g e r ha t auf
seiner F or s c hu ng sw an d e ru n g' v o m S e m m e r i n g dur ch da s Mürztal
über Trofaiach bis Eisenerz u n d A d m o n t 2) keine S p ur einer R a u c h­
st ube gefunden u n d eb en so we ni g M. M a r x im Ta l bo d e n der
Mürz.3) Auch P e te r R o s e g g e r selbst teilte mi r mit, d a ß es
schon in seiner Kinderzeit (um 1850— 1860) im Talboden der Mürz
keine R a u c h s t u b e n h ä u s e r m e h r gegeben habe, d a ß aber die
G e m ei n de Krieglach-Alpl auch auf d e r Mürztaler Seite hin, noch
völliges R auc hst ube ng e b i et ge we s e n sei.
Die Grenzlinie wird also hier a m besten d u r ch die P u n k t e
Stanz u n d Pr et ul - Spi tze b es t i mmt , die m a n durch eine Linie
verbindet.
Fr age n wir nun nach der Ur s ache j en e r eigenartigen Er­
scheinung, die sich in de m völligen Hinwegsetzen u n se r er Grenze
ü b e r die oro gr ap hi sc he F ü h r u n g im g anzen Gebiete zwi schen den
Se c ka u er Alpen un d der Pretul-Alpe zeigt, so meine ich, d aß
diese Ur sache lediglich w i r t sc ha f t s ge og ra ph is ch er Art ist. Es ist
der Kul tur s egen der »Eisenwurzen«, der v o m Erzberg aus ein
g a n ze s J a h r t a u s e n d lang mächtig' und wi rk un gs v ol l j en es ga nz e
Gebiet d ur chs tr ahlt e und im Ba nn kr ei se seiner gewerkschaft li chen,
kulturellen Höhe, die sich in all den H a m m e r w e r k e n des
St. Gallener-, Admonter-, Vorder nber ger -, Leobner u nd MürztalerGebietes geltend machte, die alte Primitivform der R au c h s tu be
wo hl schon früh v e r d rä n gt hat. Auch in vielen a nd er e n v o l k s ­
kundl ichen Dingen ä u ß e r t sich dies.4) Hausk un dl ic h zeigt dieses
ga nz e Gebiet d ur c hw e gs zweigeschossige, im Unterteil fast i m me r
g e m a u e r t e B a ue r n h ä us e r mit s c hö ne n Küchen u n d Kachelstuben,
w ä h r e n d die altertümlichen Ha u s- u n d W oh nf or me n der übrigen
Kä rnt ne r und Steirer Gebirge hier nicht erscheinen.
Von der Pretul-Alpe w e n d e t sich unse re Gr enze über den
g ro ße n Pfaff h inüber nach Osten z u m Wechsel u n d folgt d an n
0 R h a m m , a. a. 0., S. 923, Fig. 130.
a) M e r i n g e r , Studien zur germanischen Volkskunde, M. A. G. 23'
3j M. Ma r x , Das Bauernhaus im Mürztale, Zeitschr. f. österr
VolUsk. 1901, S. 8 ff.
4)
Vergl. meine Arbeit: »Zur Volkskunde des Gesäusegebietes« in der
Zeitschr. d. Deutschen u. Oesterreichischen Alpen-Vereines 1919.
81
di esem nach Sü dost en bis in die G e g e nd von Mönichkirchen und
Friedberg. Die Um ge b u n g e n v on Fischbach, Birkfeld, Vorau Und
Pöllau sind d u r c h a u s geschlossene, z um Teil noch s ehr dichte
Rauchst ubengebi ete, w ä h r e n d die Ra u c hs t ub e n nördlich vom
W e c h s e l k a m m in der »buckligen Welt« seit e tw a 15 J a h r e n nach
Da ch i er 1) a b g e k o m m e n sind.
Von hier an b e gi nnt nun u n s e r e Grenze zur a u s ge sp ro c he ne n
Ost gr enz e zu wer den, die im g an ze n n a t u r g e m ä ß verläuft u n d in
ihr em südlichen Teil ein al l erdi ngs auß er or de n tl ich d ü n ne s R a uc h­
st ub eng eb i et abgrenzt. Sie ergibt sich d a ra u s, d a ß die v on den
Fi sc hb ac he r Alpen nach Sü d os te n u n d Sü de n abst re ic he nd en Bergu n d Hügelket ten beiderseits der Raab sowi e zwi schen Raab u n d
Mur i mme rhi n noch z um g e s c hl os se ne n Ra uc h st u b e n g e b ie t gezählt
we rd e n mü ss e n, w ä h r e n d die U m g e b u n g e n von Hartberg, Für st e n- '
feld u nd Ilz sowi e das Bur g e nl a n d v o l l k om me n rauchstubenfrei
sind. Bei Friedberg s p r i n gt u n s e r e Grenze von de r L a nde sgr enz e
ab, indem sie sich hier scharf nach Wes ten, über De chant ski r chen
u n d Eichberg gegen den H ar t be rg er Ring und auf den Ma ss e nb e rg
we n de t u n d d an n dem Höhenzuge folgt, der d e m Tai boden von
Pöllau in einem nach We s t en gerichteten Bogen a us we i c h t u nd
hi nüber z um Rab e n wa ld führt. Dem K a mme des Rabenwaldes
folgt die Grenze d an n nach S ü dos te n, sp ri ng t a be r ober hal b von
S t ub e nb e rg scharf nach Süden ab und zieht, die S t u b e n b e r g k l a m m
überset zend, in g e r a d e r südli cher Ri cht ung fort über die 11z auf
die llz -Ra ab- Was s er sc he i de , d e r sie bis gegen Fehring hin treu
bleibt. Zwi schen Feldbach u nd Fe hr i ng setzt die Grenze über die
Raab u n d verläuft d a n n in f o r tw ä hr e nd südlicher Richtung bis
hinab ins Murtal, da s sie westlich von R a d k e r s b u r g erreicht.
Diese Grenze, über die wir u n s k ü r z er fassen konnt en, ist —
wie g e s ag t — allerdings die O s tg r e n z e des ä u ß e r s t e n Ver­
br ei tungs ge bi e te s u n s e r e r Rauchst ube. Die g a n ze Gegend südlich
von M a s s e n b e r g u n d R a be nw a ld m u ß ich n ur d es halb noch zum
g esc hlo ss e ne n Ra u c hs tu b en g e b ie t rechnen, weil ma n in ihm eben
doch auf Schritt und Tr it t S pu r en von ehemal igen Ra uc hst ub en
u n d d a u nd dort, freilich selten, a ber eben doch über das ganze
g e n a n nt e Gelände verstreut, auch noch wirkliche Ra u c hs t ub e n
antrifft. Freilich sind sie he ut e a u ße ror de nt l i ch dünn gesät. Im
Bereiche zwischen der Feistritz u nd der Mur k o n n te ich nur
m e hr nach ver schiedenen Kreuz- u n d Q u e r w a n d e r u n g e n vereinzelte
u n d in der G eg e nd sel bst als Selt enhei ten bezeichnete R au c h­
s tuben ausfindig machen. Schon auf der O st a b d a c hu ng , die vom
Schöckel her nach S üdo st en zieht, wer den die im nördlichen Gebirgsteil noch sehr dichten R a u c hs t u b e n wesent li ch d ü n n e r g e s ät
u n d die » Ha s en b u r ge r « R au c hs t ub e im S c he ibe ngr abe n zwischen
W i n d i s c h - H a r t m a n n s d o r f u n d S t ud e nz e n an der Raab ist seit
m e h r als zwa nz i g J a h r e n die einzige w e i t u m in der dortigen
4) D a c h i e r , Bauernhaus in Niederösterreich. Nachtrag 1905. S. 5/6.
82
Gegend. Dasselbe gilt von zwei R a uc hs tube n, die ich nördlich von
Klöch an der s tei r isch- ungar is chen Grenze beim »Bormichel« und
beim » So c ke nma ch e r« (im Gebiet zwischen Fe hr i ng un d Ra d ke r sburg), un d von den wenigen, die ich weit er westlich im Gebiete
zwi schen Feldbach u n d Mureck in der Ge ge nd von J a g e r b e r g
a u f g e n o m m e n habe. Da sich aber hier überall — im Ge ge ns a tz
e t w a z u m Ennstal — doch noch ziemlich viele Sp ur en von R a u c h­
stuben, die er s t seit v e r h ä l t n i s m ä ß i g k ur ze r Zeit u m ge s t a l t e t
wur den, vorfinden u n d die R au c hs t ub e i mme rhin im ga nz en
Gebi et noch ziemlich b e k a n n t ist, m u ß t e ich u n s e r e Grenzlinie
doch so weit östlich ziehen. Man m u ß sich dabei n ur d es s en b e ­
w u ß t bleiben, d a ß diese Os tgr e nz e den S a u m eines schon sehr
seichten, s t a r k u n d rasch a b e bb en de n Meeres darstellt, der
vielleicht schon in weni gen J a h r e n viel weiter im We s t en wi r d
g e s u ch t we rd en mü ss e n .
We it e r südlich, im Gebiete zwischen Mur u n d Dr au ist
d a n n die Ost grenze des ges ch lo s se ne n R a u c h s t u b e n - V e r b r e i t u n g s ­
gebiet es durch die von Mur ko festgestellten R a u c hs t u be n bei
St. An na a m Kriechenberg, *) d a n n durch zwei wei tere im Stanztal
südöstlich von Mu r e ck , 8) ferner e t w a s westlich d av o n durch
R a uc hs tu be n in St. J a k o b bei J a h r i n g u nd D r a s e n b e r g 1) einerseits
u n d durch eine F o r s c h u n g s w a n d e r u n g an de re rse it s be st immt , die
ich im J a h r e 1912 z um Z we ck e dieser Grenzfeststellung' von
Friedau a us q u e r durch die Wi ndi s chen Büheln nach L u t t e nb e r g
u n d R a d k e r s b u r g u n t e r n a h m u n d auf der ich keine Ra uc h st u b e
m e h r fand. Im Gebiete nördlich u n d nordöstlich von Mureck, bei
St. Peter am Ot tersbach, k o n n te ich da ge g e n noch Ra uc hs t ub en
feststellen. Unsere Grenze zieht hier also von de r Mur (zwischen
M u r e ck u n d Ra dk e rs bu r g) in s c hr äg süd we st li ch e r Richt ung bis
an die Drau, die sie e tw a bei M a rb u rg erreicht. Es zeigt sich
schon hier die auffallende u n d für u ns er e ganze Frage s eh r b e ­
d e u t s a m e Tat sache, d a ß diese Gr enz e (auch gegen die g e o ­
g r ap hi sc he Führ ung) dem rein slawi schen Gebi et a u s w ei c ht u nd
sich im ga nz en an die A u ss t r a h l u n g e n des d e uts che n S i e dl u ng s ­
gebietes hält.
Diese E rs c he inung gilt nun für die g a n z e Südgr enze, aller­
dings c um g ra n o salis. Sicher aber zeigen sich die r e i n
sl awi schen Siedlungsgebiete, in denen (von Städten, die für u ns er e
Frage nicht in Betracht k o mm e n , abgesehen) kein d e u t s ch e r
Si edlungseinfluß w a h r n e h m b a r ist, als rauchstubenfrei. Die ga nz e
S üd g re n ze des ge sc hl os se ne n R a u ch st ub en ge bi et es verläuft i m me r
e t w a s südlich von de r Sprachgrenze, ma n k ö n n t e vielleicht a m
besten sagen, im Au ss t r a hl un g s be re i ch des deut schen Einflusses.
Oft u nd oft b e k a m e n Murko, Blinker, Rharnm u n d ich, w e nn wir
in rein sl oweni schen Gebieten nach Ra uc hs tu be n fragten, die
>) M u r k o , M. A. G. 36, S. 22.
s) Ebenda, S. 23.
83
bezeichnende Antwort: » J a , w e i t e r n ö r d l i c h , d e u t s c h e r
S e i t e n zu, w e r d e t I h r n o c h f i n d e n « ,
ich finde den
A u s d r u ck » d e u t s c h e r S e i t e n z u « in allen meinen W a n d e r Mer kbücher n, die ich in jenen G e g e n d e n mit mir trug. Nicht »in
d e r d e ut sc he n Seite«, nicht a u f de r Spr achgr enze, s onder n fast
i m me r südlich von dieser, eben d e r d e u t s c h e n S e i t e »zu«,
verläuft die S üdgr enze u n se r e s R a uc hs tube nge bi e tes . Eine Aus­
n a h m e bildet nur das de ut s c he Lessachtal, d a s vo llk omme n
rauchst ubenf r ei ist, w a s wohl d a d u rc h zu er klär en ist, d a ß hier
die Einflüsse des Tiroler H a use s s e h r b e de ut e nd ins Ge wi cht fallen.
Südlich von M a rb u rg verläuft u n se r e Grenzlinie a m Ostfuße
des Bachern, b e s t i m m t durch Murko, der das Verbreit ungsgebi et
der Ra uc hst ube n vom Bachern bis z ur Dr ann a ngibt, 1) u n d durch
die von R h a m m beim Brinjavec bei Oberfeistritz a u f g e no m m e n e n
R a uc h s t u b e n . 2) Ich selbst fand auf einer W a n d e r u n g von Wi ndi sc hFeistritz über St. Martin nach St. Heinrich a m Bachern keine
Ra uc h st u be mehr.
Die Gr e nz e folgt d a n n nach W es te n hin z u n ä c h s t g e n a u der
D r a u - S a ve - Wa s s e rs c he i d e . Sie ist b e s t i m m t durch die von Mur ko
bei St. Ku n ig u nd a m südlichen B a c h er n f u ß3) u n d von R h a m m bei
P r i c h o w a nordöstlich von G o n ob it z4) a u fg e n o m m e n e n Rauchstuben
einerseits u n d durch mei ne im S a n nt a l und Cillier-Gebiet u n t e r ­
n o m m e n e n F o r s c h u n g s w a n d e r u n g e n andererseit s, die d a s ganze
S a n n - s a m t allen Nebentälern als r auchs tubenf r ei ergaben.
Wei ter nördlich , bei Wi ndi schgr atz, wo Murko Ra uc hs tu be n
na ch we is t ,2) v e rl äß t u n s e re Gr en z e jedoch die g e n a n n t e W a s s e r ­
scheide u nd w e n d e t sich westlich ü b e r den Ur s ul a b e rg u n d die
Petzen, d a s Miestal ü be rq u e re nd, d em J ä u n t a l zu. Dieses G r e n z ­
s t ü c k ist b e s t i m m t einerseits du rc h die von Mur ko a m Tolsti vrh
bei GutensteiiT) un d durch die von R h a m m in Rin ke nb ur g bei
Bleiburg11) a u fg e n o m me n e n Ra u ch st u be n u nd a nd er er se it s durch
eine W a n de r un g, die ich zu diesem Z we ck e von Eisenkappel aus
ü b e r den P a s t ir k sa t t e l ins L og ar - u nd Sa nnt al un t er n ah m, wobei
ich diese St r ecke r a u c h st u be n l o s fand.
Dagegen wendet sich unsere Grenze westlich von Eisenkappel
wieder d em H a u p t k a m m e zu auf den Obir u n d folgt v on dor t a us
bis gegen Villach hin dem K a ra w an k en z ug e . Dabei möc hte ich
auf da s W o rt Z u g b es on de re s Ge wi ch t legen, denn mei ner Ueberz e u g u n g nach bleibt die Grenze dabei vom Ka mm ein gut es Stü ck
m e hr nördlich, als es durch die Gr enz e der Dauersiedl ungen
bedingt wäre. Auf W a n d e r u n g e n u m Klagenfurt u nd Maria Rain
j
2)
3)
4)
5)
°)
M u r k o, M. A. O. 36, S. 22.
R h a m m, S. 864, Fig. 118.
M u r k o , M. A. G. 36, S. 23.
R h a m m, a. a. 0., S. 865.
M u r k o, M. A. G. 36, S. 22.
R h a m m, a. a. 0., S. 866, Fig. 120.
84
k o n n t e ich nicht n ur in der Ge g en d von Vö lk er ma rk t, s onder n
auch südöstl ich von Klagenfurt, in Zell bei Maria Rain, R a u c h­
s t ub en feststellen. Ebenso berichtet R h a m m von Ra uc hs t ub en
z wi sc he n Drau u n d Ka r aw an ke n, wo er j a auch in Unterloibl
eine a u f g e n om m e n h a t . 1) Dami t s t i m m t auch z u s a m m e n , d a ß ich
in Gorintschach, in Rajach bei Lind u nd in St. L a m b r ec h t bei
Ros egg (alle drei im Drautal zwischen Villach u nd d e m Wör ther s ee)
R a uc hs t u be n feststellen konnte. Dagegen fand ich im Gebiete von
Schl at t en bei Rosenbach (in der Nähe des K a r a w a n k e n - T u n n e l e inganges ) u n d um den Fa ak e rs e e keine R a uc hs t ub e n m e h r u nd
erhielt von drei Bauern, die ich g e t r en n t v o n e i n a n d e r befragte,
die Versicherung, d a ß es im »Rosentale« (das ist im Drautale
südlich v o m Wör ther see) keine R a u ch s t u b e n gebe, s o n de rn d a ß
diese n u r » d e u t s c h e r S e i t e n z u « , also nördlich dav o n v o r ­
h a n de n wären.
Ge ge n Villach ' hin w e n d e t sich uns er e Gr enz e d an n noch
m e h r nach Nordwest en, wobei wohl der Einfluß des Villacher
St adtgebietes, da s sie in einem nach Norden geri cht et en Bogen
umschließt, mitspricht, um d a n n westlich von Villach die Dr auG ai l- Wa ss e rs c hei de a m Dobr atsch zu erreichen, der sie nun bis
in die Ge ge n d von O b e r d r a u b u r g hinauf folgt.
Diese Grenzlinie ist si chergestellt einerseits dur ch zahlreiche
Ra uc hs tube n, die ich zwischen Ossiacher- u n d Wör ther see, zwischen
Villach u n d d e m Dobratsch, bei Bleiberg und Gli mme rn u n d a m
W e i ß e n s ee z um Teil sel bst aufnahm, z um Teil feststellen konnte,
u n d a nd er er se it s durch mei ne W a n de r un g , die ich zu diesem
Zwe ck e vom Kreuzbergsat tel, südöstlich von Sillian, d ur c hs ga nz e
Lessacht al u n t e r n a h m u nd die mir dieses Gebiet e bens o r a u c h ­
stubenfrei zeigte, wie dies Bü n ke r s Fo r sc hu ng e n für da s Gailtal
ergaben.
Bei O b e r d r a u b u r g ü be r se tz t d an n uns e re Gr enz e die Dr au
u n d folgt, das Gebiet nordöstlich von Dölsach noch einschließend,
der D r au - Mö ll -Wa ss e rs ch e id e bis z um Gr oßgl ockner , bei dem wir
wi eder an u n s e r e m A u s g a n g s p u n k t a n g e l a n g t sind. Dieser Teil
der Grenzlinie ist b e st i m mt du r c h meine Auf na hme n in der Ge g en d
von O b e r d r a u b u r g u nd Dölsach sowie durch B ü n k e r s F or s ch un ge n
im Li enzer -Gebi ete u n d endlich dur ch die im B a u e r n h a u s w e r k
a ng eg e be n e Ra uc h st ub e im ober s ten Mölltale.2)
Die auffallende Begl ei tung der d e ut sc h- s lo w e ni s c h e n S p r a c h ­
gr enz e durch u ns er e südliche Ra uchs tubengr enze, die, wie gesagt,
me i st e t w a s südlich v on de r S pr ac hgr enz e hinzieht, ist schon
ve rs c hi ed en en For scher n aufgefallen. Rhamm, M ur k o u nd B ü nk er
h a b en d a r a u s den Schl uß gezogen, d a ß die R au c h s tu be unmögl ich
s l a w is ch e r Her kunf t sein könne.
*) Rh a m m, a. a. O., S. 861 und 866, Fig. 120.
2) B a u e r n h a u s w e r k , Kärnten, Tafel 2.
86
2. K a p i t e l : D i e h e u t i g e g e o g r a p h i s c h e
der o s t a l p i n e n R a u c h s tu b e n .
Dichte
Wir begi nnen wi eder im West en. In der Ge g en d von Dölsach
u n d im oberst en Mölltale ist die Dichte der Ra uc hst ube n recht
gering. Es zeigt sich eben die g a n z e Ge g en d deutlich als G r e n z ­
gebiet j ene r Wohnform. Sehr s p r e c h e n d k o m m t das schon darin
z u m Ausdruck, d a ß m a n s owohl im Def reggerhaus als auch in
d e r b e na ch ba rt en R au c hs t ub e beim Lercher u nd e be ns o in der
Ge me ind e Reintal, die bereits j ens ei ts der D r a u - Mö l l -W a ss e rscheide liegt, den Narnen » Ra uc hs t ub e « nicht m e h r gebraucht ,
s on de rn überall schon »I< u c h 1« sagt. Ebenso, ve rhä lt es sich im
o beren Mölltal bis gegen Obervel lach herab. Wo die R au chs tu be
dort noch v o r k o m m t , b egi nnt sie, w e n i gs t e n s dem Namen nach,
schon zu einer »Kuchl« h e r a b g e s e t z t zu werden, dem üb er wi eg e nd en
Vor herrschen des j ü n g e r en K ü c h e n s t u b e n h a u s e s folgend. Vielfach
s e tz t auch die t ats ächliche U m g e s t a l t u n g der weni gen noch b e­
s t e he n de n R a uc hs t u b e n dieser G e g e n d schon ein. Die einzige
Ra uc h st u be des ober st en Mölltales, beim »Pichler« in Putschall
(bei Döllach)1), befindet sich bereits in Umf or mung. Wir haben
es hier also deutlich mit ei nem Gebiet zu tun, in dem die R a uc h­
st ub e im Ausst er ben ist u n d d a s vielleicht in s ehr k ur ze r Zeit
schon a u ß e r die Gr enz e des g e s c h l os se n en R a uc hs t u b e nb e re ich es
fallen wird. Man wird hier die Dichte auf h öc hs t e n s 5 Pr oz en t
ei nschät zen dürfen, wobei sie v o n We s te n gegen Osten l a n gs a m
z un immt .
Ziemlich ähnlich ve rhä lt sich die Sache auch im b e n a c h ­
barten obe re n Drautal. Nördlich von O b e r d r a u b u r g in Simme rl a ch
u n d Irsche k o m m t sie noch vereinzelt vor, u n d auch der Name
» R a u c h s t u b e n « ist dort noch g anz g ut bek a nn t . Im Greifen­
b u r ge r -G eb i e t ist der T al bo de n s e l b s t v ol ls tä nd ig rauchst ubenleer,
die südlichen Hänge des Drautal es sind unbesi edelt u n d nur auf den
nördlichen Hängen ist noch d a u n d d o r t ein R a uc h s t u b e n h a u s zu
finden. Von einer R a u c hs t u b e im K no pnit z gr a be n nordöstlich von
Greifenburg sagte man mir, d a ß sie eine der wenigen, vielleicht die
letzte der noch best e he nd en Ra u c h st ub e n dieser Ge g en d wäre. Früher
h ab e es viel m e h r gegeben. Auch a us dem Siflitz-Graben, östlich
von Kleblach-Lind, k o n n t e ich n u r m e h r eine sichere R auc hst ubë
erfragen. So wird ma n also die Dichte der Rau ch st u be auch im
Teile z wi s c he n dem oberen Möll- u nd Drautal nicht über 2 — 5 %
a n n e h m e n dürfen.
Anders wird es, wenn wir zum D ra uk ni e bei Sachsenfeld
u n d z um Möllknie nach Obervell ach k o m m e n . Hier begi nnt ein
sichtlich dichteres Rauchstubengebiet . In Lendorf, Hirschberg und
u m S a c h s e n b u r g im Drautal, in der Ge g e n d von Möllbrücken und
bis hinauf nach Mühldorf im Mölltal ist sowohl mir als auch
B ünker die Ra uc h s tu b e überall als w o h l b e k a n n t e u nd auch noch
!) B a u e r n h a u s w e r k , Kärnten, Tafel 2.
86
u n s c h w e r anzutreffende Wohnf or m e n t g eg e ng e tr et e n. 1) Man darf
hier eine Dur chs chnit t sdicht e von 5 % a n ne hm e n, die nach
Osten hin z un immt , bis sie im eigentlichen Mii l stätter-Gebiet
1 0 % u n d m e h r erreicht.
In den Ge me i n d e n Kraut, Radi, Gritschach, T an g e rn , Treffling,
Reich u n d T r a s i s c h k a m Millstättersee h a t Blinker 13 R a uc h­
s t u b e n h ä u s e r ei ngehend a u f g e n o m m e n 2) u n d a u ß e r d e m die Ver­
br eit ung der R au c hs t ub e zwischen Millstatt u n d Sa ch s e nb u r g ,
d a n n bis Mühldorf im Mölltal, bis Leoben im Liesertal sowie in
der Nörning u n d im Maltat al na c hg e wi e s e n. 8) Am dichtesten ist
die Ge g en d v o m W e s t en d e des Millstättersees hinauf ins Liesertal
mit Ra u ch st u be n übersät, wo mir a us der U m g e b u n g von Lieserhofen noch viele R a u c hs t ub e n g eme ld et w u r de n u n d wo ich
Blinkers Nachrichten bis hinauf an den K a ts ch b e rg e rgänzen
konnte. Dagegen sind an den Hä nge n u n m it t e l ba r nördlich v o m
Mi llstättersee he ut e nicht m e hr viele Ra uc hs tu be n zu finden. In
G r o ß d o m b r a u n d Laubendor f stieß ich auf solche, doch s a gt e n
mir die Leute, d a ß in den letzten J a h r e n v or dem Krieg die
mei st en a b g e k o m m e n seien. Vorher sei »hin u n d hin« alles, bei
j e d e m Haus, noch R au ch st ub e gewesen.
Südlich v o m Millstättersee u n d im Drautal bei L aa s u nd
P at er ni on gibt es noch viele Ra uc hst ube n (etwa 10%); w ä h r e n d
die T al h än g e südlich der Drau fast unbesiedel t sind. Ich se l bs t
n a h m in Tölplitsch bei Gl imme rn noch im J a h r e 1909 vier Rauchs t nb en auf, erfuhr aber, d a ß auch dor t in früheren J a h r e n viel m e h r
g e we s en seien; desgleichen wu r de n mir a u s den G eme i nd e n Puch
u n d d em Drautal bis hinauf gegen Laas noch viele u nd in den
Berglehnen im Süden, auf der T r a t t e n u n d hinein in die
K adut s chen u n d in Kreuzen nahe v om W ei ß e n se e noch ziemlich
viele Ra uc hs tu be n gemeldet.
Auch westlich u n d nördlich v om Dobratsch, u m Bleiberg
u n d im Osten von Villach ist die R au c hs t ub e g ut b e k an n t , n i m m t
a be r d or t überall nach Norden hin an Dichte s t a r k zu. Vom
Oswa ld ibe rg u n d von Villach angefangen, hinauf dur ch die ga nz e
»Gegend«, u n d z w ar v om Oss ia che rs ee nor dwestl ich h inüber im
Tal gebi et des Arriachbaches über Tr e ss e n und Afritz b egi nnt ein
dichtes
Ra uc hs t ube nge bi e t
(von 2 0 % . aufwärts), d a s nach
Norden hin u m Radenthein, Kaning, P a t e rg a ss e n u n d Ebene
Reichenau an Dichte noch z un i mmt . Auch nördlich v om O s s i a c h e r ­
see, wo ich selbst m e h r er e Ra u ch st u be n a uf na hm, üb er die
Geriitzen, bei Tiffen, Himmelberg, Mitterberg k onn te ich d u r c h ­
wegs ein ziemlich dichtes R au ch st ub en ge bi et feststellen. In diesem
Gebiet, da s n ament l ich u m Reichenau, P a te r g a s s e n u nd R a d e n­
thein an Vo l ks a lt er tü me rn ü b e r h a u p t noch s eh r reich ist, h a t
R h a m m die b e s on de r s a lt er tümli chen R a u c hs t ub e n beim »Hof‘) B ü n k e r, M. A. G. 32, S. 92.
2) B ü n k e r, a. a. 0.
J) B u n k e r , M. A. G. 32, S. 92/3.
81
michlsepp« in W i n d w e g (im h i nt e rs te n Gurktal ) mit der J a h r e s ­
zahl 1566 u nd „die beim »Moritz« in St. Lor enzen bei EbeneReichenau mit de m alten Ri ng ho f- T y p us a u f g e n o m m e n . 1) Man
k an n hier he ut e noch überall eine Dur chs chnit tsdichte von 2 0 %
a n n eh me n , die gegen Nordost en ins Mettnitz- u n d St. L a mb r ec h te rGebiet' noch sehr z u ni mm t, w ä h r e n d sie nach Osten hin gegen
Feldkirchen sowie im Tal b od en de r G u r k selbst u nd noch m e hr
gegen Friesach u nd St. Veit h i n a u s s e h r nachläßt.
Daß das Mur aue r- u n d noch viel m e h r da s St. L a m b r ec h te rGebiet als dichtes R a u c h st u b en g e b i e t zu bezeichnen ist, geht schon
d ar au s hervor, d a ß ich z u m Beispiel in der Ge me i n d e L u t z m a n n s ­
dorf bei Murau, u nm it t e l b a r im T al bo de n der Mur u n d nahe von
der St adt Murau noch im J a h r e 1908 ein Sechstel aller Häuser,
also m e h r als 2 0 % ' als R a u c h s t u b e n h ä u s e r feststellen konnte.
Be sonde rs g e n a u e Angaben besitze ich für da s St. L a m b r ec h te rGebiet. Ich d a n k e sie dem u m die Vo lk s ku n de dieser Ge ge nd
h ochver dient en St iftskapitular P. R o m u a l d P r a im. b e r g e r, mit
d em ich selbst v er schiedene R a u c h st u b e n u m St. L am b r e c h t
a uf na hm u n d der d an n die g r o ß e Gü te hatte, für meine Arbeit
in m on a t e l a n ge r B e m ü h u n g H a us für Haus abzugehen. Dabei
ergaben sich noch 83 Ra u c hs t ub e n in der St. L a mb r e c ht er - Ge g en d,
u n d z wa r 50 in der U m g e b u n g v on St. L a m b r e c h t selbst, 15 in
der Karchäu (zwischen St. L a m b r e c h t u n d Murau), 16 in St. Blasen
(zwischen St. L a mb r ec h t u n d Teüfenbach), 2 in J n go ls th al u nd
eine in der P r o b s t (letztere 3 im Mettnitz-Gebiet), das he iß t also,
d a ß die R au ch st ub e in der St. L a m b r e c h t e r - G e g e n d stell enweise
noch eine Dichte von über 5 0 % erreicht! Für dieses wertvol le
Ergebnis sei Herrn P. R om u a ld auch an dieser Stelle der h er z­
lichste D a n k a usg esp ro ch e n .
Derselbe berichtete mir auch von Ra uc hs tu be n in Zeutschach
und Pöll au bei Ne uma rkt, aus de s s e n U m g e b u n g ich auch me ine m
Fr eunde Prof. Dr. Alois M u r a l t e r einige sichere Nachrichten
über noch v o rh a n d e n e R a uc h s t u b e n v e r da n k e .
Nach Sü de n hin n i m m t die Dichte der R au c hs tu be wieder
s t a r k ab. Im J a h r e 1912 w u r d e n mi r u m G u r k n ur m e hr 5 R a u c h ­
s t ube n b e k a n n t ge g eb en u n d im J a h r e 1918 k o n nt e ich zwischen
G u r k u n d St. Veit u m Pi sweg u n d Kraig n u r m e h r recht wenige
R a u c h s t u b e n h ä u s e r finden. Es s pr icht d a allerdings der U m s t a n d
sehr mit, d a ß die südlichen A b hä ng e des G u r k ta l es an sich
sc hwa ch besiedelt sind. Westlich von St. Veit k o n n t e ich i mme rhi n in Mühlbach
und S c h a u m b o d e n einige Ra u ch s t ub e n nac h we is en u n d auf nehmen,
“e benso a m Krappfelde me hr e re feststellen, w ä h r e n d R h a m m a m
Kraigerberg bei St. Veit einzelne und in Michelsdorf bei St. Michael
im Zollfelde noch zehn Ra u ch s tu b en f a n d . 2) Noch weit er südlich,
’) R h a m m , a. a. O., S. 914—916 und 919.
s) R h a m m , a, a. O., S. 872, Tafel I, Fig. 1 - 9 .
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im Hügelland zwischen Ossi acher - u nd Wör ther see, da s freilich
wi eder an sich viel m e hr bäuerliche Besi edl ung besitzt, schei nt
die Dichte m i nd e st en s gleich zu bleiben (5— 10 0/ 0), we nn nicht
g a r noch z uz une hme n. Ich k on n t e d o r t m e h r als 30 Ra uc hs t ub e n
z u m Teil selbst aufnehmen, zum Teil erfragen. Und z w a r fand
ich sie in den Ge mei nden Wernberg, Winklern, Köstenberg,
Ueberfeld, Dröschitz, Ebenfeld, Bärndorf, Moosburg, Goritschitschen,
Simislau, Tuder schi tz u n d Tultschnigg. Auch Mu rk o h a t von
Ra uc hs tu be n im Gebiete zwischen Klagenfurt u n d F r e u d e nb e r g
(westlich v o m Zollfeld) berichtet. Am Zollfeld selbst in der Ge g e nd
von . M a r i a - S a a l ' fand ich d agegen im J a h r e 1918 keine Ra uc h­
s t ub en mehr.
Südlich v o m Wö rt he rs ee u nd der G u r k m ü n d u n g u n d noch
m e hr südlich der Drau n i m m t die Dichte b ed eu t e n d a b , ’ wie wir
schon im 1. Kapitel festgestellt haben. Nur g an z verei nzel te
erfragte ich in der Ge g e nd v on Waidisch u n d Zell; R h a m m stellte
eine in Unterloibl u n d Murko einzelne im östlicheren Dr augebiet fest.
Kehren wir nun wi eder ganz nach Norden zurück, so finden
wir in den Ta ue rn , u nd z wa r in der K ra k au u nd im Sc höderberg,
ein noch heut e deutliches, a be r nicht s e h r dichtes R a u c h s t u b e n ­
bereich (etwa 5 — 20%)- Gegen Wölz hin n i m m t es an Dichte
e tw a s zu. Ich habe d o r t in den Ge me i nd e n Katsch, Hinterburg,
Liebenberg, Wieden, Winklern, Ma nhartsdorf, Reiming, Schönberg,
Sal chau u nd Pachern noch über 20 Ra uc hs t ub e n teils se lb st auf­
g e n om me n , teils erfragt. Doch n i m m t die Dichte jenseit s des H o h en ­
war t, Z inken u n d Bocksr uck in der Z e ir i n ge r- Geg en d a b e r m a l s ab,
obwohl wir es hier mi t einem tief abgel egenen Gebiet zu t un
haben. Inn P u s t e r w a l d g r a b e n u n d u m St. J o h a n n a m T a ue r n
sowi e u m Oberzeiring u nd im Pölstale k o m m e n n u r m e h r s eh r
weni ge vor. Wir wer den aber s pä t er im 4. Kapitel sehen, d a ß
ge ra de diese Ge ge nd noch vor 200 J a h r e n dic ht e st e s R a u c h s t u b e n ­
bereich ge we s en ist. Im Murtal selbst stellte R h a m m bei Scheifling
noch eine f es t, 1) w ä h r e n d ich da s Murtal zwischen U n z m a r k t
u nd J u d e n b u r g ganz r auchstubenfrei fand. Nur im Sü de n geg en"
den Zirbitzkogel hin, bei N e u m a r k t (in den G eme in d e n Ze u t sc ha ch
un d Pöllau sowie in St. Helen u n d J a k o b s b e r g ) ta uc h en sie d a
u n d dort wieder auf, w ä h r e n d sie weiter östlich u m St. Pet er
bei J u d e n b u r g u n d noch m e h r in den Ge me i nd e n O b e rw e g u n d
Reifling n ah ez u ganz aufhören. Ich k e n n e g er ad e in di eser G eg e nd
j e de s Haus.
G a nz a nd e rs wird die Lage östlich u nd südlich v om Zir­
bitzkogel. Ge ge n Obdach u n d Zel tweg hin t ritt die R au c hs t u be
schon b ed eu t e n d häufiger auf, namentlich die Ge me i nd e n Hölltal,
Kienberg, Ka ts c h wa ld sind dichte Rauchst ubengebi et e. Ich h ab e
d or t 32 festgestellt. Vom Zirbitzkogel reicht dieselbe Dichte'
‘) R h a m m , a. a. O., S. 862.
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(20— 3 0 % ) a u * dem ganzen O s t h a n g des Gör tschit ztal es nach
Sü de n bis u n t e r Ebenstein, u m d a n n gegen V ö l ke r m ar k t hinab
wi e de r e t w a s na chz ul a ss e n. Die We s ts e it e des Gör t schi tzt al es ist nur
im ober st en T a ls t ü c k dichteres, gegen G ut a r i n g u n d noch weiter
südlich hi nab aber wi eder s eh r d ü n n e s Rauchstubengebiet.
Ungefähr gleich liegen die Verhäl tnisse im Lavantt al . Der
Talb od en selbst ist fast r a uc hs t ub en l os , aber die beiden Hänge
gegen S a u - u nd Koralpe sind im g a nz e n ziemlich, stellenweise
s ehr dichtes Rauchst ubengebi et. Oben beim Obdächer satt el ist
die Dichte a m W e s t h a n g g r ö ß er als a m Ost h a ng , wo sie in den
G e me in de n Sc hwa rz en ba ch , S ch ob e re gg un d G r ö ß e n b e r g auf etwa
10°/o h e rabs inkt . Dagegen ist sie wei ter südlich im L a v a n t ­
tal auf beiden T a l h ä n g e n ziemlich gleich. Ich habe dor t viele
R a u ch s t ub e n in den Ge me i nd e n Wei t e nb a ch u nd Twimberg, dann
auf den Höhen zwischen Wol fsberg u n d St. G er t r a u d u n d noch
m e h r we it e r südlich bis gegen L a v a m ü n d hinab in den Geme in d e n
Ettendorf, Wei ßenber g, Matschenbloch, Unterbergen, Legerbuch
u n d Niederhof u n d auf der südlichen K o r a l ma b da c hu n g gegen die
Drau hinab in der Soboth, u m Pernitzen gegen H o he nma ut he n,
Saldenhofen u n d Ma hr e nb e rg hin a u f ne h me n können.
Im Draugebi et bei Vö lk er ma rkt , Bleiburg u n d Gut enst ein
l ä ß t die Dichte wi eder nach. Das Tal der Dr au selbst ist stellen­
wei se ra uc hs tu be nl os , doch t r e te n sie an a n d e re n Stellen, zum
Beispiel bei Saldenhofen, wie de r di cht er auf. Jedenfalls ist das
ganze mittlere Drautal deutliches Rauchst ubengebi et, e benso die
Nor dhä ng e der Petzen, des U r su l ab er ge s u n d des Bachernzuges,
wo überall R h a m m u n d name nt li ch Mur ko R a uc hs tube n fest­
gestellt haben. Doch ist im g a nz e n auch hier wi eder ein d e u t ­
liches Na chlas s en der Dichte nach Sü d e n hin, gegen u n d über
die Sp ra c hg r en z e w a h r z u n e h m e n .
W ä h r e n d im L a v an t - und
Gört schit zgebi et eine durchschni t tl i che Dichte von 10 bis 3 0 % ,
stel lenweise auch mehr, a n g e n o m m e n we rd en m uß , s i n k t diese
Dichte im Drautal und auf den N o r d h ä ng e n v on Petzen, U r s ul a ­
berg u n d Bachern auf 5 bis 10°/0 herab.
Z e i g t sich so im S a u a l p e n - u nd Zirbitzkogelgebiet eine Achse
von dichten Rauchstubenfl ächen, die nach We s t en hin in die Gurk-,
St. L a mb r e c h t e r - u n d Mu r a ue r -D ic ht ebe z ir ke u n d v om letzteren
a u s wieder in die w e s t k ä r n t i s c h e G r u p p e in festem (nur bei Ne u­
m a r k t e t w a s dü nn er em) Z u s a m m e n h ä n g e fortgesetzt erscheinen,
so ist nach Nordosten u n d Os te n hin von der Achse des Koralmzuges a u s ein noch viel di chterer Z u s a m m e n h a n g ersichtlich.
Er führt in die O s t a b d a c h u n g e n der Glein-, S t u b - u n d Kor­
alpe hinüber, die wohl zu den dichtesten Ra uchs tubengebiet en
der heut igen Zeit zu zählen sind.
Im Murtal selbst erweist sich der Z u s a m m e n h a n g z u n ä c hs t
freilich noch als s ehr dünn. Es sind n ur se h r weni ge R a uc h­
stuben, die ich in den S ü d h ä n g e n der Se c k a u e r Alpen feststellen
konnte, u nd nicht viel m e h r ( näml ich i n s ge s amt nur 7), die ich
90
in de r N o r d w e s t a b d a c h u n g des Gl ei nâ lmge bi e te s gegen Knittel­
feld hin in den G e m ei n d en Rachau, Glein u nd Gl eingr aben auf­
nahm. G a nz r a u c h s t ub e n l o s ist, wie wir schon hörten, da s Murtal
selbst zwi schen St. Michael u n d Bruck.
Allein dieses Bild ä n d er t sich sofort gewaltig, w e n n wi r die
g e n an n te n Ge b ir g sr ü ck e n üb er st eigen u n d auf die östliche Ab­
d a c h u n g hinüber gehen, ln diesen O st a bd a c h u n g e n des Glein-, St ubu n d Koral penzuges ha be n Dr. Wagner, B u n k e r u n d ich 246 R a u c h ­
stuben a uf ge nomme n, u n d z wa r 27 im nördlichen Teil zwi schen
Hochalpe u n d d e m Uebelbach, 46 zwischen d em Uebel bach u n d
der Kainach, 102 zwischen der Kainach u n d Sulm u n d 71 zwi schen
d e r Sulm u n d Drau. Natürlich sind das nicht a l l e Ra u ch st u be n
dieses Gebietes; m a n wird viel mehr ihre wirkliche Anzahl wohl
auf d a s Dreifache schätzen dürfen. Namentlich gilt dies für d a s
hint ere Koralmgebiet, wo in einzelnen, h öh er liegenden Ge mei nden,
z um Beispiel im Klosterwinkel, über 7 0 % aller H ä us e r R a u c h­
s tuben besitzen. Die durchschnittliche Dichte im g anz en g e n an n t e n
Gebiet ist sicher 30 bis 50%Nach Norden hin, im eigentlichen Hochalmbereich, l ä ß t diese
Dichte sehr s t a r k nach, e benso nach Osten gegen die Ebene hin.
Aber auch hier ist der nördliche Teil, n a mentl i ch da s Murtal
zwischen Bruck u n d Graz, viel dü nn er mit R a u ch s t ub e n be de ck t
als der südliche, von d em einzelne Täler, so das Kainachu n d m e h r noch das Laßni tz-, S u l m- u nd Sa g g a ut al i m me r noch
eine Dichte von 10 bis 2 0 % aufweisen. Im Talb od e n der Mur
sel bst fand ich zwischen Bruck u n d Spielfeld g ar keine R a u c h ­
s t ub e mehr, w a s s elbst redend v e r ke h r s ge o gr ap h is c he Ursa ch en
hat, e benso wie in den v o l l k o m me n ra uc hs tu b e nf rei e n Gebieten
des Gr a ze r - u n d Leibnitzerfeides. Dagegen findet m a n sie k n a p p
an den Rändern dieser Flächen überall noch, m i n de s t en s in d e u t ­
lichen Spuren. Auffallend d ü n n g e s ä t sind sie auch im u nt er en
Stainztal u n d im Saut al (5 bis 10 %) , w ä h r e n d sie im »Kainachboden«, u m Ligist u n d Lieboch, s owie auch südlicher im »deutschen
Boden« u m Deu ts c h- La nd s be rg , Schwanber g, Eibiswald u n d Arhfels
wieder viel dichter auftreten.
Die südliche A b da ch u n g der Koralpe u nd die nördliche des
Bachern, also die Hänge bei dersei ts der Drau, sind von M u r ko
u nd z um Teil auch von mir selbst i mm e r noch als deutliche R a u c h­
s tub e ng e bi et e festgestellt, wenn sie auch viel weni ger dicht sind
als die oberen Teile der O s ta b d a c h u n g der Koralpe. Die A bn a hme
der Dichte nach Osten hin l ä ß t sich aber auch hier s e h r deutlich
ersehen, da die Dichte u m Saldenhof en noch b e de ut e nd g r ö ß e r
als die u m Maria Rast, u n d die dortige wieder g r ö ß e r als die u m
M a r bu r g ist. Noch ger inger ist die Dichte a m S ü d h a n g e des
Bachernzuges .
Das R au c hs t ub e ng e bi et östlich der Mürz u n d Mur zeigt eine
s ehr ra sc he u nd s t a r k e Dicht e- Abnahme nach S ü dos te n. Das
dichteste Gebiet di eses Teiles ist an einer Stelle, wo m a n es
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z un ä ch s t nicht v e r m u t e n w ür de , n äml ich im Norden von — Graz.
Hier, allerdings schon nördlich v o m Schöckel, und z wa r s owohl
östlich von Seniriach als auch g an z b e s o n d e r s im Quellgebiet
der Raab, st i eß ich auf ein Rauch st ub en ge bi et , d a s stellenweise
d em der o be re n K o r a l m - O s t a b h ä n g e an Dichte k a u m viel nachs teht. In einzelnen Geme in de n, n a me n t l i ch im Ra ab g r a be n bis
Passai l herab, ist fast j ed e s Ha u s noch R a u c h s t u b e n h a u s u n d in
den G e me in de n Neudorf un d Pölla, Wi ndhof u n d Ritzendorf bei
Semr iach stellte ich noch über 40 R a u c h st u b e n fest. Ebenso ist
u m Gu tenber g, in Ga rr ac h noch ein s eh r dichtes R a u c h s t u b e n ­
bereich w a h r z u n e h m e n . Dieses Dichtegebiet be g i nn t östlich von
Frohnleiten im ober sten S ch r e m s g r a b e n u nd e rst re ck t sich bis
gegen Pa ss ai l u n d Weiz nach Osten. Es set zt sich a be r auch —
allerdings mit a b n e h m e n d e r Dichte — nach Nordosten über die
R a uc hs tu be ng eb ie t e von Anger, Feistritz, Birkfeld un d über den
Zetz, R a be nw a ld u n d M as enb er g bis in die Vor auer u n d Wechsel R a u c h s t u b e n g r u p p e hin fort, w ä h r e n d es nach S ü d w es t e n hin,
freilich durch da s Murtal bei Mixnitz u nd Frohnleiten u n t e r ­
brochen, an d a s Gleinalpeiigebiet A n s ch lu ß findet.
Im g an ze n k a n n es wohl als der stehengebliebene, z um Teil
noch dichte Rest eines einst s e h r dichten Ra uchs tubengebiet es
b e tr ac h t et werden, das v om Gl e in al mb e re ich h e rü be r u nd dem
Z ug e der Fi schbacher Alpen folgend nach Nor dosten z um Wechsel
reichte, heut e aber an seinen Rä nd e rn bereits r as ch abebbt.
Nach S ü d o s te n
hin
ist dieses Abebben schon sehr
s t a r k fortgeschritten. Das Hügell and nordöstlich von der Raab
u n d südöstlich vom Bergzug S c hö ck l- Ze tz -Rab e n wa ld ist bereits ein
s e hr d ün ne s Rauchst ubengebi et, d a s allerdings bis gegen Graz
hin deutlich bleibt, da ich noch zwei W e g s t u n d e n östlich v on
Graz, beim »Weberfastl« in der Ge me i nd e Fölling nördlich von
Mar ia Trost, eine R au ch st ub e feststellen konnte. Wie dünn aber
da s südöstl iche Ver br eit ungsgebiet mi t Ra uc hst ube n b ed e ck t ist,
zeigt sich da r aus , d a ß ich im g a nz e n a u s g e d e h n t e n Gelände des
Hügellandes, das v o m Schöckel u nd von der Raab im Norden, von
der Mur im W e s t e n und Sü d e n u n d von der steirisch-ungarischen
Gr enz e im Osten begrenzt wird, im ganzen, t rotz vieler Streifzüge,
nur m e hr 15 wirkliche Ra uc hs tu be n u nd a u ß e r d e m noch 13 deutliche
Sp ur en feststellen konnte. Ich bin überzeugt , d a ß m a n -selbst bei
einer von Haus zu Haus v o r g e n o m m e n e n Aufnahme in diesem
g a nz en Landestei l e k a u m m e h r als 30 Ra u ch s tu b en finden würde.
Die Ellipse des Grazerfeldes selbst ist voll st ändi g rauchstubenfrei
u n d die G eg e n d östlich u n d südöstl ich dav o n besi tzt eine Dichte
v on h öc h st e n s 2 %.
Nicht wesentlich a n d e rs si nd die Verhält ni sse im südlich
a n s t o ß e n d e n La nds tr ic h zwischen Mur und Drau, also im.Gebiete der
Win di s c h- Bü h e ln und des östlichen P o ß r u ck z ug e s. Auch dort haben
Mu rk o u n d z um Teil ich selbst ein schon im Wes ten sehr
d ünnes, nach Osten hin aber g a n z a u s e b b e n d e s Rauchst uben-
92
gebiet angetroffen. Südlich der Drau hör t d a n n die Ra uc h st ub e
in dieser östlichen Länge ü b e r h a u p t auf, u m d em reinen u n d
d e m z u m »ober deut schen Haus« u mg e fo r mt e n s l awi schen HisaH au s Platz zu machen, da s wir nicht m e h r als R a u c hs tu b e in
u n s e r e m Sinne gelten lassen k önnen.
We n n wir diese Ueber si cht z u s a m m e nf a ss e n, so ergibt sich
im g an ze n g e n o m m e n folgendes Bild.
Kärnt en u n d S t e i e r m a r k b e s a ße n u m 1910 i n s g e s a m t z ir ka
120.000 sel bs tändi ge Ba uer nhäus er . Von diesen fällt g ut ein Drittel
a u ß e r h a l b des Ve rbrei tungsgebiet es der Rauchstube. Sc hä tz en wir
die Zahl der R a u c h s t u b e n h ä u s e r für dasselbe J a h r auf ung ef äh r
3000, so stellt sich d a s beiläufige Verhält ni s auf 90.000:3000,
w a s eine Durchschni tt sdi cht e von 1:30 ergibt.
Diese Du r chs chni tt sdi cht e s a g t a be r insofern wenig, als
die einzelnen Gebiete sich g a r nicht nach di eser Zahl richten,
vielmehr, wie wir sahen, eine g r o ß e Mannigfaltigkeit in ihren
D icht ever hält ni ss en zeigen.
Im wesentlichen b e d ec k t die ost al pi ne Ra uc h st u be die
h y d r og r a p hi sc h en Gebiete de r Ober - u n d Mittelläufe des Muru n d Dr aut ales und den Oberlauf des Raabtales. O ro gr ap h i sc h
g r u p p i e r t e s sich u m die Züge der T a u e r n im Verlaufe Son n b l ic kKöni gsst uhl- Eisenhut , d a n n u m die der Seetaler- Sau- , Glein-,
S t u b - u n d Koralpen, sowie der Fischbacher Alpen u n d des We chs e ls
u n d endlich u m die No r d h ä n g e der K a r a w a n k e n u n d des Bachern.
Deutlich zeigt sich dabei ein Zu- u n d A bn e hme n der Dichte mi t
d e m Zu- und A bn e hme n der Höhenlage. Wi r fanden die di cht esten
Rauch st ub en ge bi et e de r G e g e n w a r t in den Millstädter, Gur kt a le r,
Seetaler Alpen, in der Saualpe, in de r Glein-, S tu b - u n d Koralpe
u n d in den Fi s chbacher Alpen u n d ihren Abda c hunge n. Ebens o
zeigten sich die d ü n n s t e n Rau c hs tu be ng ebi et e in den g ro ße n
Talb öd en der Mur u nd Drau, d er G u r k und Lavant. Ueberall
n i m m t die Dichte im Oberlaufe der Täler u nd ihrer Se it eng rä b e n zu.
Aus dieser heutigen V e rbr eit ung und Dichte der R au c hs tu b en
wär e m a n also sehr s t a r k versucht, die ga nz e Ra u ch s tu b en f ra g e
mit d em g eo gr ap h i sc h e n Landschaftsbilde in Z u s a m m e n h a n g zu
bringen, da s he iß t in der W oh n f or m der ost alpi nen R a u c h s t u b e
we n i ge r eine e t hn og ra ph is ch e E rs c h e in un g als vi el mehr eine
Gebir gsf or m des. W oh n b a u e s zu sehen.
Allein zwei Dinge sind es, die u n s v or solchem T r u g s c h l ü s s e
war nen. Einmal die Tat sache, d a ß g er ade die H a u p t z ü g e der
Ostalpen, nämlich der T a u e r n k a m m einerseits u n d d i e. j u l i s c h k a rn i s c he n Alpen andererseits, nicht die A c h s e n , s o n d e r n im
wesent li chen G r e n z e n
des Ra uc hst ub en ge bi et es darstellen,
sowie die Tat sache, d a ß da s Ve rbrei tungs- u n d d a s Dichte­
gebiet gerade mit d e m Ha u pt a ns t i e g nach W es te n hin, nämlich
m i t dem G r o ß g l o c k n e r a b b r i c h t, u n d d a nn zwei tens die
schon bisher s e h r deutliche W a h r n e h m u n g , d a ß wir in zahlreichen
Ge g e nd e n in de r heutigen Dichte nur m e h r R es t er sc he in un ge n
93
u n d also einen R ü c kg a ng der R a uc hs t u b e n zu sehen haben, der
da s Bild an vielen Stellen in we ni ge n J a h r z e h n t e n gänzlich v e r ­
ä n d e r t hat. Ebenso hab en wir den deutlichen Einfluß v e r k e h r s ­
g eo g r a p hi sc h er u nd wi r tschaftsgeschichtlicher Verhältnisse sowohl
auf die Ver br ei tung als auch auf die Dichte de r heutigen Ra uc h­
s tub e ng e bi et e k l a r u n d deutlich w a h r n e h m e n können.
Das orog ra p h i sc he Bild b e h äl t also seine Be d eu t un g nur
für den R ü c k g a n g der R a u c hs tu b en : Ihre a u ss t e r b e n d e n Reste
k l a m m e r n sich deutlich an das G e r ipp e der abgelegeneren G e b i r gs ­
züge. Und insofern se he n wir h e u t e recht, w e nn wir, wie dies
der K a m e ra l v er wa l t e r des Bezirkes Fo hns dor f I. F. Knaffl für
seine G eg e n d schon im J a h r e 1813 t a t , 1) in der Ra uchs tube
h e u t e eine E rs chei nungs f or m des . volkstümlichen W o h n e n s sehen,
die im a l l g e m e i n e n
an eine g e w i ss e Höhe g e b u n de n ist.
In b es onder en Fällen — m a n d e n k e an die Ge ge n d e n von Kraig
u n d Feldkirchen in Kärnten, von Ligist, Eibiswald, D e u t s c h - L a n d s ­
berg, Arnfels, Maria T r o s t u nd a n d e re i n . S t e i e r ma r k ■
—■ gilt diese
Auffassung a be r nicht einmal noch heute.
Um so weniger k a n n sie- für frühere Zeiten u nd d a m i t für
die Geschicht e des R a u c h s t u b e n h a u s e s Gel t u n g besitzen. Für
diese s a g t u n s die Orogr aphi e t at sächl ich n i c h t s .
Viel eher zeigt sich d a ein h y d r o g ra p hi s c he r Z u s a m m e n h a n g ,
n ämli ch die Verbreitung, die durch die Fl u ß tä le r der Drau, Mur
u n d Raab g egeben ist. Das aber spri cht deutlich für eine be si e dl u ng s­
geschichtliche He rk u n f t u ns e r e r Wohnf or m, u n d z wa r für ein
flußaufwärts, das heißt von Osten nach We st en gerichtetes Ein­
dri ngen d er Rauchst ube. Alle Völker, die u n s e r Gebiet für lange
Zeiten besi edel t haben, .sind dieser Ri cht ung gefolgt, u n d nur so
ist auch das plötzliche Abbrechen im W es t e n zu erklären.
Klar aber k ön n e n wir in di eser Frage er st d an n sehen, we nn
wir u n s nicht n u r über die heutige, deutlich als Re st er sc he in un g
e r k e n n b a r e g eo gr ap h i sc he V e rbr eit ung u n d Dichte der R a u ch ­
s t ub e ein Bild g e m a c h t haben, s o n de rn vie lme hr erst, we n n wir
die e i n s t i g e Verbr ei tung u n d Dichte des ostalpinen R a u c h ­
s t u b e n h a u s e s festzustellen in de r Lage sind. Dies zu erreichen
ist d a h e r u n s e r e n ächs te Aufgabe.
3. K a p i t e l : D i e e i n s t i g e g e o g r a p h i s c h e V e r ­
breitung der ostalpinen Rauchstube.
Wir beginnen auch hier w ie de r im ä u ß e rs t e n West en u ns e re s
Gebietes. Da haben wir z u n ä c h s t eine Nachricht bei R h a m m 2) zu
beacht en, die folgenden W o rt la u t besitzt: »In Tirol ist jede S p u r
einer Ra u ch s t ub e verloren; selbst im lseltal, wo ich nun schon
v o r 15 bis 20 J a h r e n (um 1890) d an a ch forschte, habe ich, wie
auch im Kaiser- u nd Defereggental, keine Ueberlieferung von solchen
ausfindig m a c h e n k önnen. Nur w u r d e mir gesagt, d a ß in alten
*) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , Hs. Nr. 508.
2) R h a m m , a. a. 0 . , S. 894, A n m .
94
Hä us er n e hedem (auch wohl noch heute im Sommer), die Küche,
die d an n der g r ö ßt e Ra um war, den ge wöhnl ichen Aufenthalt
darstellte.« Diese Nachricht ist meines E ra ch t en s doch d a na c h
anget an, d a ß wir aus ihr eine S p u r e hemali ger Ra uc hs t ub e n
h e r a u sl e se n dürfen.
Das Iseltal (zu dem d a s Defereggen- u nd da s Kaisertal
Sei t engr äben bilden) m ü n d e t bei Lienz. Abgesehen nun davon,
d a ß wir heute noch gleich östlich davon, nämlich ober Dölsach,
sichere Ra uc hs tu be n haben, finden sich auch in Blinkers Arbeit
über das B a u e r n h a u s der L i en ze r- Gege nd Wohnf or me n, die mir
als ganz deutliche Spuren ehemal iger Rauchst uben erscheinen. Im
»Stoffierhaus« in S t r i b a c h 1) zeigt sich in der heut i gen »Küche«
eine V er bi ndu ng von Herd u n d Backofen, die v o l l k o m me n die
Form der Millstätter R a uc h st u b e n - F e u e r s t ä t t e besitzt, und im
» W u t z h a u s « in derselben G e m e i n d e 2) st eht da s Ti sc hwin ke l noch
heute in der » K ü c h e « , w ä h r e n d der heutige S pa r h e r d an der
Fe nst er se i te ohne Zweifel ne u ist u n d s ta t t seiner in früheren
Zeiten ein alter, mit dem im selben R a um e befindlichen Ba ck ­
ofen v e rb u nd en g e we s e n e r Herd a n g e n o m m e n w e r de n darf. Der
Name » K ü c h e « s agt heut e hier u n d im Iseltal g en a u so weni g
als in S tr o na c h u nd im obersten Mölltal, wo wir ihn ebenfalls
für heute noch b e s t e h en d e zweifellose Ra uc hst ube n gefunden haben.
Ich halte d a he r dafür, d a ß wir da s Drautal bis hinauf e t w a nach
Abfaltersbach, sowie d a s Iseltal s a m t ' s e i n e n Se it engr äbe n als
e he ma li ge Ra uc hs tube nge bi e te a nz u sp r e c he n haben, u m so me hr als
sie auch s o n st »nach e t h no g r a ph i s c h e n Me rk ma le n« (zum Beispiel
d em Hofbau) »dem b e na ch b a rt en Kärnten z uge r ec h ne t werden
m ü s s e n « . 3) We n n alte Leute v o m Gebiete des Iseltales sa ge n: »daß
dor t die Küche in früheren Zeiten de r g r ö ß t e R a u m wa r u n d
den g e w ö h n l i c h e n A u f e n t h a l t darstellte«, so hei ßt das
meines Er ac ht ens nichts anderes, als d a ß sie, wie im Mölltal u nd
inSt r on a ch u n d Reintal, eben eine R a u c h s t u b e war, die m a n
nur — wie dies in allen Gr enz ge bi e ten der Fall ist — »Küche«
nannte. De mna ch hä tt e also die einstige W e s t gr e nz e bis gegen
Innichen hinauf gereicht, da s heißt bis z ur alten b aj uw ar i sc hsl awi schen Grenze, als welche im J a h r e 769 der Anr as e r b ac h
an ge ge be n wird. Die Grenze w ä r e d a n n nach Norden hin auf de r
W as s er s c h e i d e zwischen Rienz- u nd Dr a u- Ge bi e t über da s Pf annhorn und die Rote W a n d auf den Hoch-Gall u n d z ur Rödl- u nd
Drei herrenspi tze verlaufen.
Noch wei ter westlich haben wir für den mittleren und
südlichen Teil Tirols keinen Grund, ehemal ige R a u c h st u b e n a n z u ­
ne hme n. In den W e i s t ü m e r n sowie in den Landes - u n d Reise­
besch re ib un ge n findet sich nicht der m in d es t e Hinweis u n d auch
die H au sf or s ch un g v e r r ät g a r keine Spuren. Auffallend ist n u r
h B u n k e r , M. A. O. 44, S. 351, Abb. 10, u. S. 354, Abb. 12.
2) B ü n k e r, M. A. G., S. 356, Abb. 16.
3) R h a m m, a. a. 0., S. 827.
95
eine Tatsache, nämlich das V o r k o m m e n des R h a m m s c h e n »Doppel­
h a u se s « (Mittelflurhauses) in der Brixner Umgebung, an der
u nt er en Eisack auf der Hochfläche von Kast el rut u nd Seis sowie
im Passeier-, Sarn-, Ulten- u n d Eggentäl, wo auch ebenso wie im
Zirbi tzkogel-Gebi et die Bezeichnung » Fe ue r ha us « für da s W o h n h a u s
auf taucht. 1) Da aber R h a m m s e l b s t nicht die mi n d e s te Spur für
ein e hemali ges V o r k o m m e n der Ra uc h st u b e in diesen Gegenden
aufgefunden ha t u n d der Herd n ir ge nd s in V e rb i nd u n g mi t dem
Backofen v o r k o m m t , so b est eh t für un s dennoch kein Gr und, die
ehemali ge Ve rbr eit ungs gr enze so weit westlich zu ziehen.
Anders s t eh t die Sa ch e im Norden. Denn hier finden wir
in einem W e i s t u m des J a h r e s 1538 für die Ge g en d von S t a m s
im Oberinntal ( w e s t l i c h von I nnsbruck) R a u ch s t u b e n ge na nn t!
Auf einer P e rg a me n t h a n d s c h r i f t des Klosters S t a m s v om g e na n n t e n
. J a h r e ist in den W e i st üm e rn di eser G e g e n d 2) aus dr ückl ich v e r ­
boten, » d a z n i e m a n d f l a c h s d e r r e o d e r b e r a i t i n
r a u c h s t u b e n bei fünf p h u n d e n « .
Obwohl wir da ein
ü b e r r a s c h e n d weit westliches Ge bie t antreffen, schei nt mir dennoch
die Ansicht der Herausgeber, die d a s W o r t als » S e i c h k a m me r «
erklären, irrig zu sein. Ich mei ne vielmehr, d a ß wir d a u m die
T at s a c h e wir kl icher R a u c h s t u b e n in u n s e r e m Si nne nicht h e r u m ­
k om me n . Man m u ß n ur die v o l l k o m m e n gl eichlautenden Bezeich­
n un g e n an vielen Stellen der K ä rn t ne r u n d Steirer W e i s t ü m e r
d az u halten, in denen überall u n s e re Ra uc h st ub e g e me i nt ist.
W a s hätt e es denn auch für einen Sinn, d a s Fl achsdör r en in
S e i c h k a m m e r n zu v e r b i e t e n ? Die Feuergefährlichkeit b es te ht dor t
doch nicht zurecht. Un d w e n n m a n in Tirol wirklich Selchr ä u m e als » R a u c h s t u b e n « be ze ic hnet hätte, m ü ß t e sich da s
W o r t ja auch s o n s t in den W e i s t ü m e r n des L a nd e s finden. Es
k o m m t a ber nicht ein ei nzi gesmal vor. Nur in S te i er ma r k u nd
Kärnten treffen wir es, wie gesagt, wi e d e rh ol t in ganz demsel ben
Gebots-, b ez ie hun gs we i se V e r b o t s - Z u s a m m e n h a n g a n ; 8) u n d n u r
in R au c hs t ub e n in u n s e r e m Sinne, als W o h n r a u m , ist die Fe ue r­
gefährlichkeit des Fla ch sd ö r r en s, d a s man, nach diesen Verboten
zu schließen, eben da u n d dor t in wir kli chen R a uc hs tu be n v o r ­
g e n o m m e n hat, einleuchtend.
Wir st ehen d a v o r e rs t vor ei nem Rätsel.
Glückl icher weise besitzen wir g er ad e ü b e r da s B a u e r n h a u s
von S t a m s eine s eh r g e na u e Arbeit B ü n k e r s . 1) Auf den ersten
Blick findet sich freilich auch in dieser Arbeit keine Spur einer
Rauchstube. Allerdings s t a m m t d a s älteste, noch h e u t e datierte
*) R h a m m , a. a. 0., S. 815—826 ("»Das Südtiroler Doppelhaus«),
2) Z - i n g e r l e - S t e r n e g g , Tiroler Weistümer, Wien 1877, Bd. 11.,
S. 60, Zeile 14/5.
3) B i s c h o f f und S c h ö n b a c h , Steirische und kärntnische
'Taidinge. Wien 1881
4) B ii n k e r, Das Bauernhaus in der Gegend von Stams im Ober­
inntale, M. A. G. 36, S. 187 ff.
96
Haus der Ge g en d (Windfang Nr. 33) a u s dem J a h r e 1654, ist
also u m m e h r als 100 J a h r e j ü n ge r als j e n e s We is t um. Dagegen
soll nach Blinkers Berichten ein a nd e re s von ihm a u f g e n o m m e n e s
Haus ( Barwies Nr. 17/18), d a s heut e n u r die J a h r e s za h l 1715
e r k e n n e n läßt, noch kurz, ehe B u n k e r in die Ge g en d kam, eine
zweite J a hr esz ah l , nämli ch 1317 (!) gezeigt haben. W e n n wir
diese 1317 auch ziemlich ber uh ig t auf 1517 u m d a t i e r e n dürfen,
d a von Laien die goti schen Ziffern 3 u n d 5 r e g e l m ä ß i g v e r ­
w ec hs el t wer den, so führt u n s doch auch die letztere J a h r e s za h l
noch in eine Zeit zurück, die vor u nse re We i st um s te l le fällt.
Leider ist nun bei diesem Ha us g e r ad e der Raum, auf den es
hier a n k o m m t , zu einem Ver kauf sgewöl be u m g e wa n de l t . Allein
K ii\, K iii = K ü c h e n .
H i, H z = u r s p r ü n g l i c h
offener Herd.
K - K = K üch en k asten .
K ~ ein g em atierter
K essel.
R'i ~ R a u c h s c h l o t e .
W -B — W a s s e r b a n k .
S t\, S U = S t u b e n .
O i} Oa — O e f e n .
R = R auchfang.
I
A b b . 1.
K i, K i = K i e n le u c h te n .
T = Tisch.
M K — M ilchkasten.
Co = Com m ode.
L t — Leh n stu h l.
B a = Bänke.
B — Bett.
K a — K asten.
K i, K i = K a m m e r n .
Ö -T r — Q etreidetruhe.
F — F i ■= F u t t e r l ö c h e r .
S&vsfrbxiAAthv
H a u s i n B a r w i e s N r . 17/18 b e i S t a m s i m O b e r i n n t a l e .
de r G r u n d r i ß (Abb. 1) gibt u n s doch zu d enken. Im G e g e n ­
s a tz zu a l l e n übrigen, von B un k e r in dieser G ege nd a u f g e n o m ­
m e n en Ba uernhöfen n i m m t nämlich n u r h i e r d a s W i r t s c h af t s ­
g e b ä u d e nicht die g an z e Breitseite des Wo hn te ile s ein, s o n d er n
schließt g e n a u mit der Linie ab, mi t der auch j en er fragliche
Ra u m abschließt. Es ist also wohl a n z u ne h me n , d a ß die heutigen
St ube n St. 1 u nd St. 2 sowi e der z u m Abort füh r e nd e Q u e r g a n g
u nd die K a mm e r K 2 s p ä te r e Z u b a ut e n sind. Dann h ät te n
wi r als u r spr üngl ichen Kern den fraglichen Ra um Kü. 1 u n d Kü. 2
(die nach B u n k e r e he de m e i n Ra um ge we s en sind), ferner die
Hausfl ur u nd j ens eit s der selben die K a m m e r K 1, an die in
gleicher Breite das Wir ts c ha f ts g eb äu d e ans t öß t . Der Wohnteil
böte also d a n n die F or m des reinen »Doppelhauses «, u nd z wa r
— w as b eso n de r s wichtig ist — mit ei nem einzigen heizbar en
97
Raum. Nun berichtet B u n k e r zudem, d a ß der alte Herd in Kü. 1
den Backofen i n s i c h s c h l i e ß t x) u nd d a ß dieser Herd voll­
k o m m e n einem noch älteren ehema li ge n entspräche, der früher in
de m für uns in Bet racht k o m m e n d e n Ra um des Erdgeschosses
(jetzt Verkaufsgewölbe) g e st a n d e n sei. Da z u d e m n u r bei
diesem H a u s e he ut e noch ein zweiter Ei ng a ng auf der L a n g s e i t e 2)
v o r h a n d e n ist, wie er sich s o n s t n u r bei u n s er e m k ä r n t i sc h ­
steirischen Dop pe lh au s findet, so ist — im Z u s a m m e n h a l t mit
jener Weist umstel le — die M ö g l i c h k e i t , d a ß wir es h i e r m i t
einer, allerdings sehr v e r b au t e n S p ur einer einstigen R au c h s tu be
zu tun haben, wohl gegeben.
Dazu k o m m t n un noch ein Zweites. Das Haus Nr. 32 in
Win d f a ng i s t 3) z wa r nicht datiert, aber, wie B ün k er sagt, »ein
Ha us von nicht nur recht al te rt üml ic he r Form, s o n de rn ge wi ß
auch v on s ehr h o h e m Alter . . .« Dieses H a us besitzt nun eine
Küche mit s ehr g r o ß e m (fast ein Viertel des Ra u me s b e a n ­
s p r uc he nd e n) offenen Herd, n e b e n dem sich u nmi tt el ba r die
Einheiz in den a us der Küche ins Freie h in a u s g e b a u t e n Back­
ofen befindet.
Noch wi cht iger als dies alles ist aber die Tat sache, d a ß
Bü n k e r selbst, der von j e n em bi sher in der ga nz en h a u s k u n d lichen L it e ra tu r u n b e a ch t et en We i s tu ms te l le k e i n e Kenntnis
hatte, als Ergebnis seiner im Gebiet e von S t a m s v o r g e n o m m e n e n
Fo rs c hu ng e n zu der s owohl Bancalari 4) als auch Deininger ■
'’)
w i de rs pr ec he nd en , von ihm aber s ehr wohl b e gr ün d e t en Ansicht
gelangt, d a ß d a s Haus jener G e g e n d a u s einem a l t e n , h o l z g e b a u t e n M i t t e l f l u r h a u s (also u n s e r e m »Doppel haus«)
h e r vo r ge g an g e n sei, da s im G e g en s at z z u m a le ma n ni sc h en H au s
einen Flur o h n e Feuerst ät te, also eine ur s pr üngl ic h offene Laube
be se ss e n habe. An a n d e r er Stelle (S. 235) s a g t Bünke r a u s d r ü c k ­
lich, d aß »das B a u e r n h a u s de s oberen l nnt al es in seiner Anlage
mit j e ne m des de uts che n O b e r k ä r n t e n s e h r viel, s o g a r ins kleinste
ge he n de Aehnlichkeit« aufweise. Diese Angaben nötigen uns z u ­
s a m m e n mit der angef ühr ten Wei st umstel le, vorläufig an dem W o r t ­
laut dieser Stelle festzuhalten u n d für den Anfang des 16. J a h r h un d e r te s die Möglichkeit des Vo rh an d en s e i n s von Rauc hs tu b e n
u m S t am s im oberen Inntale nicht auszuschl ießen.
Von dor t an nach Ost en fehlt allerdings s owohl im g a nzen
Inn- als auch im Salzachtal jede S p ur einer Rauchstube. Ich konnt e
weder u m Zell a m See noch u m Lofer, auch nicht im G ast ei ne ru nd Gr oß a rl t a l irgendeinen A n h a l t s p u n k t für da s ehemalige
Vorh an de nse in einer Ra uc h st u b e finden. I mme rhi n aber dürfen
*) B ü n k e r , a. a. 0 . , S. 197.
!) E b e n d a , Abb. 14.
3j B ü n k e r, a. a. O., S. 212 f., Abb. 32 u. 33.
4)
B a n c a l a r i , Di e H a u s f o r s c h u n g u n d i hr e E r g e b n i s s e in d e n O s t ­
al p e n . Zeitscllr. d. D. u. Oe. A. V. W i e n 1893.
6, J. W . D e i n i n g e r , D a s B a u e r n h a u s in Ti r ol u n d Vor ar l ber g.
98
wir eine T a ts a c h e nicht über sehen, auf die ich schon bei einer
im J a h r e 1908 veröffentlichten Arbeit a u f m e r k s a m g e m a c h t ha be ,1)
nämlich den auffallenden U mst an d , d a ß d a s W o h n h a u s im g anzen
Inn- u n d Salzachtal dur chg än gi ge V o r h ä u s e r besitzt, also in der
G r un d r i ß a n l a g e des W o h n t e i l e s dem » Doppe lha us« entspricht.
Dagegen aber ist eine a nd er e sehr wichtige T a t s a c h e zu halten,
die sehr g e g e n da s Vorh an de ns ein ehemal iger R au c hs tu be n a u s ­
sagt, näml ich die Bezeichnung des Flurs oder Vo r ha us e s als
» H a u s « . Das b ewei st n äml ich in der Regel g an z sicher, d a ß
der alte H e r dr a um hier, an der Stelle, wo jetzt der Hausflur liegt,
g ew e se n ist u n d d a ß de r alte Name » Ha us« (ipsa domus ) , der
diesem einstigen H e r dr a um eigen war, an der Stelle haften blieb.
Es ist dies eine völlig a nde re E nt wi c kl ung als bei u ns e r e r »Labn«,
u n d Dachler h a t da sicher im ganzen recht, we nn er mit Henning
u n d Meringer der Ansicht ist, d a ß die Bezei chnung » H a u s« für
V o r h a u s im me r den einstigen alten H e r d r a u m in der Mitte des
H au se s (und o hn e Laube) bedeutet, also keine R a u c h s t u b e n s p u r
sein ka nn . Nur »wo da s V or ha us , L a b n ‘ heißt«, s a g t Dachl er, 2)
»wie im g r öß t en Teil von S t ei er mar k, in Kärnten, Krain (?) und
auch me is t (?) in Tirol, k a n n ma n die ehemal ige Verbr eit ung der
R a u c hs tu b e im allgemeinen ■ a nn eh me n «. Ich be me rke , d a ß die
Fr agezei chen in diesem Zitat von R h a m m s t a mm e n, der sie m i t
R e c h t h ieher geset zt hat. Denn in Krain un d in Tirol hei ßt da s
Vo r ha us in der Regel eben n i c h t » L a b n « , s o n de r n v e z a un d
»H a u s « .
Allerdings ist nun dieses Kennzeichen nicht überall mi t aller
Schärfe geltend. Denn ebenso wie wir in Gr e nz ge bi e t en de r R a u c h­
s t ub e (zum Beispiel u m Dölsach, aber auch u m S tu d en z en an der
R a a b in der Os ts tei er mar k) g es e he n haben, d a ß ma n d or t diesen
R a u m nicht m e hr » R a u c h s t u b e « , s on de rn » K u c h l « nennt,
eben weil die Mehrzahl der u m l i e g e n d e n H ä us e r n u r m e hr
» K u c h l n « besitzt, ebenso zeigt sich in solchen Gr enz ge bi e ten
auch eine Ve rwi sc hu ng der Begriffe » H a u s « u n d » L a b n « .
Wir we rde n s pä t er einzelne Fälle sehen, wo m a n die w i r k ­
liche » Labn« von R a u c h s t u b e n h ä u s e r n d e n n o c h » H a u s « nennt,
offenbar deshalb, weil eben die bet reffenden Fälle in Gebieten
liegen, die . in ihrer Mehrzahl von N i c h t - R a u c h s t u b e n h ä u s e r n
be de c kt sind. Mi ndes tens das eine ist aber u nb e d in g t sicher: d aß
w i r es in solchen Ge ge n de n eben bestenfalls mit einem G r e n z ­
gebiet der R a u c hs t u b e zu t u n haben.
Ich g la ub e also a m best en zu tun, w e nn ich n ur da s Gebi et
v on S t a m s als eine E x k l a v e des R a u chs tu be ng eb i et es in die Karte
d e r einstigen Verbreitung einzeichne, d ag e g e n da s Inn- u nd
Salzachtal, in dem k e i n e solchen Sp ur en n a c h w e i s b a r sind,
p G e r a m b , De r g e g e n w ä r t i g e S t a n d d e r H a u s f o r s c h u n g in den
O s t a l p e n . M. A. G. 38. W i e n 1908.
p D a c h l e r , T e x t b a n d z u m B a u e r n h a u s w e r k , S. 57, u n d R h a m m ,
a. a. 0 . , S. 874/5.
99
unbezeichnet lasse. Allenfalls mi t de r r es e r va t io ment al is (die
m a n d ann auch für das früher b e s p r oc h e n e Bri xner- un d Kastelr u t e r- O eb ie t Vorbehalten kann), d a ß do r t ebenfalls ei ns tens solche
R a u c h st u b e n - E x k l a v e n b e st a n d e n h ab e n mögen. Sie w ü r de n eine
ebenso natürliche E rs c he inu ng sein, wie die Spr achins el n a u ß e r ­
halb eines ges c hl os se ne n Spr achgebi et es . R h a m m geht d a weiter,
er hält auch den Pi nz ga u (ohne dor t wirkliche S pu re n n a c h z u ­
weisen), e benso wie das S üdt ir ol er D op p e lh aus ge bi et für e he­
malige Rauchst ubenber ei che. Wir k ö n n e n d o r t h öc hs t en s F r a g e ­
zeichen hinsetzen.
Ga n z a n d er s liegt die Sa ch e im Po n g a u u n d L ungau. Denn
d o r t sind tatsächlich h e u t e noch deutliche R a u c h s t ub e ns pu r en
v or ha nd en . Aus d em P o n g a u h a t mir Herr Dr. med. Hans W i m ­
b e r g e r ein ganz sicheres R a u c h s t u b e n h a u s im G r u n d r i ß e in­
gesendet. (Abb. 2.) Der Raum, u m den
es sich hier handelt, hei ßt »K u c h 1«.
Doch zeigt uns schon die Ver b in du ng
von H. u n d B. 0. deutlich die R a u c h­
j , HsMU'
stube. Da ß , der Backofen von a u ß e n
rrn
geheizt wird, zeigt freilich schon die
m
deutliche Auflösungsform. Dort besitzt
der Herd einen regelrechten F e ue r hu t
un d eine d r eh ba r e »K e s s e 1 r e i b e n«
,. « .
*
oder » H e a m « . Dennoch he iß t das
V or ha us »Haus«. Wir sehen deutlich _________
alle Anzeichen des Grenzgebiet es. Und
Abb- 2in der T a t ist, wie mi r Herr Dr. W i m b e r g e r berichtet, dieses
H au s das einzige in de r ga nz en Gegend, d a s noch eine solche
F e u er s t ä t t e n a n l a g e besitzt. Diese S p u r (denn m e h r ist’s j a nicht)
g ewinnt u m s o m e h r an Bedeutung, als R h a m m nicht weit davon,
näml ich in U nt er su lz b e rg bei R a d s t a d t 1) ein Haus angetroffen hat,
bei dem die heut ige Küche
u nd S t u b e noch v o r einigen J a h r ­
z ehnten einen g e m e i n s a m e n Raum, näml ich eben eine Ra uc h­
st ube gebildet haben. Auch dort h ei ßt das V or ha us n i c h t »L a b n«,
s onder n » H a u s « . Beide S p u r e n liegen im ö s t l i c h e n Pongau.
Daß der ganze L u n g a u noch v o r k u r z er Zeit R a u c h ­
st ub eng eb i et war, hab en wir s c h on im. 1. Kapitel gesehen. Für
u n s bed e ut e n diese Nachrichten, d a ß wir die G re nz e des einstigen
Ver br ei tungsgebi et es auf der S a l z a c h - D r a u - W a s s e r s c h e i d e a m
T a u e r n k a m m nach Os te n u n d wei t er ü b e r die Sa lz a ch - Mu r Wa s se r sc h ei d e nach Norden zu ziehen haben.
Im steirischen E n n s t a l ha be n wi r S p u r e n in Döllach bei
Liezen u n d u m den R o t t e n m a n n e r T a u e r n nac hg e wi es e n und
nördlich d a v o n a m O s t en d e de s G r u n dl s e es noch eine wirkliche
R a u c hs tu b e gefunden. W e ni g e r Ge wi ch t lege ich darauf, d a ß
Dachier bei St. Martin an de r Salzach (südlich v on Gr immi ng)
<) R h a m m, a. a. 0., S. 874/5, Abb. 121.
100
einen Fall anf ühr t, 1) in dem eine R a u c h k ü c h e mi t offenem Herd
als » R a u c h s t u b e « bezeichnet wird. Denn d er a rt ig e V e r w ec h s­
lungen k o m m e n , z uma l w e nn ma n den Na me n beim Befragen der
Bauern nennt, sehr leicht vor. Viel wichtiger ist mir da s Vor­
k o m m e n des Aus d r u c ke s »K a c h e 1 s t u b n« u n d » K a c h e l s t ü b e r l « für Of enst uben in solchen Gebieten des Ennstales, die
heut e keine R a u ch s t u b e n s p u r e n m e h r zeigen. So fand ich im
steirischen La n de s ar c hi v in den Ge ric h ts v e r ha n dl u ng en de s L a n d ­
gerichtes Do n ne r sb a ch v om J a h r e 1798/9 einen Akt, nach dem der
Bauer Irsinger v o m Bachgut e in Do nn e rs ba ch bei einer D i e bs t a h l s ­
v e r h a n d l u n g gefragt wurde: »War das Kachelstüberl g e s p e r r t ? «
Auf die Frage, wo die T r u h e g e s t an d e n sei, a n t w o r t e t er: »ln
dem Kachel st über l- Kammer l, in dem mein Weib liegt.« Man sieht
also, es h a n d e l t sich u m eine Kachelstube, von der eine Schlafk a m m e r a b ge t r e nn t war. Nun h a t der Na me Kachelstube n u r als
G e ge ns at z z ur Be ze ic hnung »R a u c h s t u b e« Sinn u n d D a s e i ns ­
berechtigung. Wir m ü s s e n also für die Ge g e n d v on D o nn er s ba ch
noch a m Ende des 18. J a h r h u n d e r t e s da s V or ha nde ns e in von
R a u ch s t ub e n a n n e hme n .
Noch viel e nt sc h e id end er u n d in m e h r fa ch er Hinsicht für
u n s von Interesse ist eine Stelle in den steirischen W e i s t ü m e r n , 2)
wo es in einer Gr e nz b es c hr e i b u n g des Burgfriedes von Gstatt
(Bezirk Gr öbming) v o m 7. O kt ob e r 1588 hei ßt : Die Grenze g eh t
»von d e m s t a i n h i n a u f an den T i e n d p e r g . . . u n d
m i t t e n d u r c h des P ü r c h e r s Hauß, a lldo die R a u c h ­
s t u b e n im p u r k f r i d t u n d die K h a c h e l s t u b e n im
l a n d g e r i c h t 1 i g t.« Die Stelle stellt un s d a s » Do pp el ha us«
in rei nst er Fo rm v o r die Augen. Mitten hi ndur ch durch die Labn,
die vielleicht » H a u ß « hieß, geht die Grenze; auf der einen Seite
liegt die » R a u c h s t u b e n « , auf d er a nd e re n die schon 1588 so
g e n a n n t e (!) »K a c h e 1 s t u b e n«. Die Steile ist so üb er ze ug en d,
d a ß d a r ü b e r kein wei ter es W o r t verloren w e rd e n braucht . Das
obere Ennst al w ar also zweifellos e he ma l s Ra uc hs tube nge bi e t.
D a m i t fällt a ber auch u n s e re G r u n dl s e e r Ra u ch s tu b e für frühere
Zeiten a u s ihrer Vor post enr oll e h er aus , u m s o m e h r als auch im
g an ze n A u s se e r- G eb i et neben d em » Kr eu z ha us « überall noch die
Form des »d u r i g a n g i g n« Hauses, da s heißt des D op pe lh aus es
m i t » dur c hgä ngige r« La ub e auft ri tt. 3) Daß wi r es a be r a uc h hier
schon früh mit einem G r e n z g e b i e t der R a u c h s t u b e zu tun
haben, g eht a u s der a u s n a h m s l o s e n B e n e n n u n g »’s H a u s « für
V o r ha u s deutlich hervor. Ich will d ah i n ge s te l lt sein lassen, ob
des » P ü r c h e r s H a u ß « in d e r oben a ngef ühr ten Burgfried­
b es ch re ib un g da s V or ha us oder nicht viel mehr das ganze Ha us
bedeut et, zweifellos a be r ist da s Vo rh a us in einer Stelle a u s dem
'J
2)
und M e
3)
D a c h l e r , B a u e r n h a u s w e r k , S t e i e r m a r k , Tafel 5, Ab b . 3 a u n d b'
B i s c h o f f - S c h ö n b a c h , St eir. W e i s t ü m e r , W i e n 1881, S. 49'
l l - P i r c h e g g e r , St eir . L a n d g e r i c h t s b e s c h r e i b u n g e n .
M e r i n g e r , D a s B a u e r n h a u s v o n A l t - Au s s e e , M. A. G. 21.
J a h r e 1552 gemeint, die sich auf die G e g e n d von G m u n d e n b e ­
z i e h t 1) u n d in der es heißt: » I n d e m i s t d i e H a u ß d i r n
unten aus der Stub en ins Hauß h e r a u s mit ainem
l i e c h t
g a n g en . .. «
A. D a c h l e r 2) h a t über Ra u ch st u be n im At tersee-Gebiet
u n d im no rdwest lichen Mühlviertel berichtet, die er allerdings
nicht selber g esehen hat, die auch zu seiner Zeit, wie er betont,
nicht m e h r be s t an de n, die aber nach den Berichten von zwei
Einheimischen im Att er se e- Ge bi et noch in der E r i nner ung alter
Leute b e s t a n d e n hab e n sollen. T a t s a c h e ist, d a ß in dieser Ge ge nd
H äus er mit de r F e n s t e r a n o r d n u n g der Ra u ch s tu b en ( s oge na nn t e
» Fünffensterhäuser«) zu finden sind. Es w ä r e also möglich, d aß
die einstige Ver br ei t ungsgr enze v om Gr un d l se e -G eb i e t bis in die
gebi rgi gen Teile u m den Attersee h e rü b er g er ei c ht habe. Dagegen
halte ich die Nachricht von den Ra u ch s t ub e n im n or dwes tli chen
Teile des Mühlviertels für einen Irrtum. Dachler selber sagt, d a ß
n ur e i n noch dazu g e m a u e r t e s H aus (bei Ranshofen) dieselbe
F ün ff en st er an or dnu ng zeige. D a r a u s den S c hl uß zu ziehen, d a ß
dies auf alter Ra uc h s t ub e n - Ue be rl ie fe run g beruhe, obwohl, wie
er richtig betont, die Be sc h re i bu n g im Meier H el mb r ec ht d agegen
spricht, g eh t nicht an. — Ich h ab e beide Gebiete 1909 u nd 1920
auf Ra u c h st ub e n d u r c h su c ht u n d keine Sp u r gefunden. Da es sich
im At ter see- Gebi et s eh r leicht u m eine Ver wechsl ung mit dem
Sa lzbur ger » R a u ch h au s « h an de l n k a n n (Dachler beschreibt selbst
die D u r c h s ä ue r u ng der G e tr ei de vo r r ät e mit dem d ur c hs Dach a b ­
zi ehenden Rauch), h a b e ich die Gr en z e nicht über dieses Gebiet
gezogen, m öc ht e aber die Möglichkeit für den gebirgigen Teil
des Attersees nicht u nb e d in g t ablehnen.
Wir w er d en also k a u m fehlgehen, w e n n wir die Grenze hier
an der S a l z a c h- E n ns - W a s s e r s c he i d e nach Norden ziehen u nd d ann
m it d e m To t e n Gebirge nach Ost en umbi egen.
We it e r östlich im E nn sg ebi et f a n d ich — wie schon m e h r ­
fach e r w ä h n t —- in Döllach südlich von Liezen u n d in Au bei
G ai s ho r n S pu r en ehe ma li ge r R a u c h s t u b e n h ä u s e r , so d a ß wir also
d a s obere Ennst al bis Liezen u n d da s P al ter tal wohl noch inner ­
halb der einstigen Ver br ei tu ng sg r e nze einbeziehen mü ss e n . Aus
dem a n g r en z e n de n Obe rö s te rr ei ch sind d agegen keinerlei Spuren
b ek a n n t. Wi r ziehen d es halb u n s e r e Gr enz e hier über das Tote
Gebirge und seine östliche F o r t s e t z u n g bis auf den P y h r n p a ß
herüber.
Damit gel angen wir in d a s eigentliche G es ä u s e - und Hoch­
s chwabgebiet, d a s heut e v ol ls tä nd ig i\auchstubenlos ist u nd auch
nicht die ge rin gs t e S p u r einer e h emal igen Verbrei tung dieser Wohnform aufweist. Das Vor haus he iß t in der ga nz en Ge g e nd a u s ­
n a hms l os » d a s H a u s « , un d in s eh r alten Häusern, so i
*) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , S p e z i a l a r c h i v der H e r r s c h a f t / w j ^ e r & e ^ g j j ä
S c h u b e r 27, Heft 90.
2) Z e i t s c h r i f t f. öst er r . Vo l k s k . , W i e n 1915, 21. J a h r g . , / ^ - 5 3 •- 5 5 r . . .
II S
W 1L, N
v on mir bei Ardni ng (östlich v o m Pyhr n) a u f g en o m me n en u n d
mit der J a hr e sz a hl 1540 dat ierten Haus, k o n nt e ich noch den
ehema li ge n offenen Herd in diesem » Haus « (an der Hinterseite
des heut igen Vor haus es ) feststellen. Ob d a s auch im 13. u n d
14. J a h r h u n d e r t schon d u r c h we g s der Fall war, ob in so früher
Zeit nicht doch auch in j ener Ge g en d R a u c h st u be n v o r g e k o m m e n
sein können, wa ge ich freilich nicht zu entscheiden. Aber da das
ga nz e Gebiet in seinem nördlichen Teile u m Admont, St. Gallen
u n d J o h n s b a c h reine a dmo nt is c h- b a j uw ar i sc he Klosterbesiedlung,
in s ei ne m südlicheren Teile Erzberg, Eisenerz, Vordernberg,
Trofaich ural tes E i s e n we r ks g e b i e t ist, glaube ich die Fr age eher
v er ne ine n als bej ahen zu dürfen. Das gilt natürlich auch für da s
Ennst al zwi schen Hieflau u n d Steyr, also für die g an z e s o g e ­
na nn te »Eisenwurzen«. In den Bezirksbeschreiburtgen, die a m
Beginne des 19. J a h r h u n d e r t e s für Er zhe rz og J o h a n n a u s g e a rb e it et
w ur d e n u nd die sich im La nd e sa r ch iv zu Gr az u n t e r d em Na me n
» G o e th s c h e Serie« befinden, ist im g a nzen g e n a n n t e n Gebiete
keine einzige S p ur einer Ra uc h st u b e zu finden. Für Tr o f a ia c h1)
u n d V o r d e r n b e r g 2) wird a us dr üc kl i c h betont, d a ß sich darin ü b e r ­
h a u p t kei ne eigentlichen B a ue rn wi r tsc ha ft en befinden.
Schwieriger ist es u m die Fe s t st el l u ng der e hemali gen Ver­
br ei t un g sg r en z e noch weiter östlich bestellt. D aß da s Mürztal
R a uc h st u b e n g e b i e t war, geht wohl schon d a r a u s hervor, d a ß wir
diese Wo hn fo rm noch heut e a m südöstlichen T a l h a n g finden.
Z ud em hei ßt d a s V or ha us im g a nzen Mürzgebiet überall » L a b n « .
Eine B ez ir ksb esc hr ei bu n g der Herrschaft Widen bei St. Marein im
Mürztal vom 8. März 1 81 4 3) sagt:
»Di e W o h n u n g e n d e r L a n d l e u t e s i n d i m G e b i r g e d u r c h a u s v o n Hol z;
a u f der E b e n e trifft m a n hi e u n d d a g e m a u e r t e an. Di e W o h n s t u b e n s i n d
g e w ö h n l i c h n i edr i g, f i nst er u n d v o n der n e b e n b e f i n d l i c h e n K ü c h e
m i t R a u c h ang ef ü l l e t . Di e F e n s t e r si n d kl ei n u n d die T ü r e n e b e n f a l l s so
ni edr i g, d a ß m a n s i c h b e y m E i n t r i t t e in s o l c h e S t u b e n b ü c k e n m u ß . «
S owe it m a n auf diese nicht s ehr g e na u e Schi lder ung ü b e r ­
h a u p t e t w a s geben kann, sc he int d a r a u s h e rvor zugehen, d a ß die
St ub e v on der Küche g e t r e n n t lag, d a ß beide aber doch so nahe
n e be n ei n a n de r waren, d a ß d er Rauch von der Küche die Stu be
erfüllte.
Das heißt we nn wir es hier nicht ü b e r h a u p t mit
m i ß v e r s t a n d e n e n Ra u ch st u be n zu t un haben, so liegen Küche und
St ub e m i n d e s t e n s auf einer Laubensei te nebenei nander , sind also
— wie d a s j a so häufig der Fall ist — d u r c h Te il un g der Ra uc h­
st ub e e nt s tanden.
Leider liegen u n s a us der Aflenzer, T r a g ö ß e r un d Veitscher
G e g e n d für j ene Zeit keine Nachrichten vor, die d a n äh er e n Auf­
s chl uß geben könnten.
J S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 41 (v. J. 1811).
2) E b e n d a , S c h u b e r 43, Art. 45/47 (1. April 1812).
3) St e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 45, Her r sch.
W i d e n , fol. 20b.
103
Vom a ng re n ze n de n Niederösterreich wi s se n wir zunächst , da ß
d a s nördliche Wechselgebiet, die s o g e n a n n t e »bucklige Welt«
noch v o r k ur z em zum Ra uc hs tu bë nb er ei ch gehörte. Im übrigen
a be r wir d m a n a us Dachlers A r b e i t 1) für u n s e re Frage nicht so
leicht klar. Denn einerseits b e h a u p t e t er, mit Bezug auf die steirische
Rauchst ube: »In Niederösterreich ist mir auch im hi nt er st en Gr aben
kein solches Ha us u n t e r g e k o m m e n ; eigene Küche w a r überall
vorha nd e n« , a nd er er se it s stellt er aber im Na c ht r ag vom J a h r e 1905
auf G r u n d der B ü nk e rs che n Arbeit doch die W ohn fo rm in der
»buckligen Welt« als a us der st ei ri schen R au ch st ub e h e r vo r ge g an g en
hin u nd führt weiter als das Gebi et des »steirischen Gehöftes«
nicht nur die »bucklige Welt« selbst, s o n de r n auch die Ge ge nde n
von Lunz u n d G a m i n g sowie den Oberlauf der Erlaf, Triesting,
Gelsen, Piesting, S c h w ar z a u nd T ra is en u nd den S e m m e r i n g a n . 2)
We nn sich da s auch z u nä c hs t auf die Hofanlage bezieht, so gibt
Dachier doch ge ra de a u s di esem Gebiete Me rk ma l e an, die un s
zu d en ke n geben. So berichtet er a u s der Ge g en d von Lunz von
einem höl zernen Rau c hs c hl ot im V o r h a u s , 3) u nd w as noch wichtiger
ist, die W a h r n e h m u n g , d a ß hier bei L u n z die B a u er n hä u se r ebenso
wie in der Ge ge nd der »buckli gen Welt« die Fenst er in zwei
Reihen ü b e r e in a nd e r a n g e o r d n e t h ätt en: »Die oberen Fenster
zwischen den unteren, so d a ß in der u nt e r e n Reihe vier oder drei,
in der oberen drei oder zwei a n g e o r d n e t sind. Selbstverst ändl ich
sind diese Fenster s e h r klein. Die Anlage s t a m m t a u s S t e i e r ­
m a r k . . . u n d k o m m t in Niederösterreich auch n ur im Gebiete des
steirischen Gehöftes v o r . « 1)
Meiner Ansicht nach d e ut e t da s wohl auf ehemalige
R a uc hs t ub e n hin un d Dachlers e r st an ge füh rt er Satz k an n s omi t
n ur für heute, nicht aber für die früheren Zeiten Gel tu n g haben.
Das ga nz e Gebi et seines »stei rischen Gehöftes« zeigt zu d e m
d u r ch a us die Fo rm u n s e r e s » D o p p el h a u se s « im G r u n dr i ß der
W o h n a n l a g e . 5)
Wir we r de n also diese Gebi ete s a m t dem Oet scher - u nd
Mariazeller-Gebiet in u n se r er Ver breitungslinie einschließen m ü s s e n
u n d ziehen die leztere d a h e r v o m P y h r n p a ß an nach Sü dost en
auf den Ge b i rg sz üg en nordöst l ich v o m Pa lt en- und Liesingtal bis
gegen Leoben u n d d an n in ei nem scharfen Bogen, der dem g anzen
Bereich de r E is enwur ze n auswei cht , z ur üc k über Hocheck, Veitsch
u n d Zellerhut gegen Lunz, von wo wir sie wieder nach Osten
a m No r d h a n g der ni ederösterreichi sch-st eiri schen G e b i rg s ab d a c hu n g
hin verlaufen lassen. Der g ro ß e Bogen u m die E is e nwur z en h e r um
ist d e n k b a r unnat ür li ch, ha t a ber für die Zeit des g r o ß e n G e ­
’) D a s B a u e r n h a u s in N i e d e r ö s t e r r e i c h , W i e n 1897, S. 40, u n d N a c h ­
t r a g 1905, S. 5/6.
a) D a c h i e r ,
a. a.
O.
(1897),
S. 32.
3) D a c h i e r , a. a. O. (1897', S. 47.
4) D a c h i e r , a. a. 0 . (1897), S. 50.
5) D a c h i e r ,
a. a.
O.
(1897),
Taf e l I. Abb. h — m.
104
w e r k e nb e t r i eb e s a m Erzberg, also sa ge n wir vom 14. J a h r h u n d e r t
an sicher Geltung. Im früheren Mittelalter m a g die Gr enz e v om
Py h rn ab ge r ad e gegen Lunz verlaufen sein, we sh al b wir für
diese Zeit (aber n u r für diese geltend) ein Fragezeichen in
K l a mm e r n in jenen Bogen hineinsetzen.
Damit haben wir die Nordgrenze erledigt u n d gehen nun
auf die Ost gr enz e über.
Da ist z u nä c h s t eine Stelle in der Pf ar r chr oni k von Schaffern
nördlich von Friedberg wichtig, die, u m 1850 verfaßt, als H a n d ­
schrift im st ei er mä rk i sc h en La nd esa rc hi v liegt u n d die auf pag. 255
ausdrückl ich besagt, d a ß die dortigen Rauchst uben, die früher
überall v o rh a n d e n waren, seit et wa 50 J a h r e n me i st a b g e k o m m e n
u nd in Küche u n d Stube g e tr e nn t wor den sind, da s hei ßt also,
d a ß Schaffern noch u m 1800 dichtes R a uc hs t ub e nge bi e t war. Wir
dürfen da also die ehemali ge V er br ei tungsgr enze nördlicher und
östlicher als die heut ige ziehen.
Allerdings nicht z u weit östlich! Denn hier in der »Heanzerei«
bis herein nach Hartberg, Fürstenfeld und Hz zeigt sich eine
reine kol oni st ische Si edl ungswei se von d u r c h a u s regelmäßi gen,
pl an ge re ch t a ng el egt en Dörfern, die zu der Einzelsiedlungsform der
Ost alpen in scharfem Wi de rs pr uc he steht. Es sind g e m a u e r t e H äus er
in g e sc hl os se ne n Dorfzeilen, zu denen die Rau c hs t ub e so g a r nicht
recht paßt, ln der T a t findet sich heute auch im g an ze n Gebiete
k e i n e . 1) Vielmehr befindet sich der Herd im Vorhaus, das heute
noch e n t we d e r einen u nd de ns e lbe n Raum mit dem H e r d ra u m
darst ell t oder in j ü ng e re n Hä us er n von diesem nur als kleine
Abteilung g e t r en n t ist. Obwohl solche Abteilungen hier » L a b n «
g e n a n n t wer den, sind sie es de nn oc h nicht. Vielmehr ist da s die
reine mi t tel deut s che Hausform, bei der Küche u nd Flur als » i p s a
d o m u s « im Mittelteile des H a us e s liegen. Nirgends, auch bei den
ält est en Hä us e rn nicht, zeigen sich Spur en von ehemali gen R a u c h ­
fenstern u n d nirgends Verbi ndungsformen von Herd u nd Backofen.
Eher schei nt m a n hier st el lenwei se an eine E i nw i r k u n g der
sl awischen p e c d en k e n zu dürfen, so, w e nn B ün k e r berichtet,
d a ß m a n teilweise im Stubenofen k o c h t u n d sich dazu eines
Of en wa ge ns b e di e n t. 2) Wohl aber k ö n n te eine von B ün k e r mir
einmal mündlich e r wä h nt e allfällige R a u c h s t u b e n s p u r bei Kirchschlag
mögl icher weise in die einstige von Niederösterreich he r üb e r re i ch e nd e
Ve rbr ei tungs zone einbezogen werden.
Dann aber ma cht e die Ost gr enze — so wie sie es heute
noch t u t — sicher auch schon früher einen scharfen Bogen nach
Westen. Für die Ge ge nd v on Har tber g g a l t ' s c h o n v or 40 J a h r e n
di e8) Tat sache, d a ß die Ra uc hs tu be n » n u r abseitig auf den G e ­
0 B ü n k e r, Das Bauernhaus in der Heanzerei, M. A. G. 25, S. 99,
Abb. 153, vergl. auch M. A. G. 27, S. 122, Abb. 114, und S. 131, Abb. 120.
2) B ü n ke r , M. A. G. 25, S. 122/3.
3) J a n i s c h, Topographisch-statistisches Lexikon von Steiermark,
Bd. I, S. 529.
birgen« (das heißt also nor dwes tli ch und westlich von Hartberg)
Vor kommen. Und für Welsdorf bei F ü r st en f el d1) wird schon in
der Be zi r ks be sc hr eibung v o m 6. Ok to be r 1811 d u rc h we g s die
eigene K ü c h e neben den W o h n s t u b e n er wä hn t. Ebenso scheiden
die Beschr ei bungen von Fürstenfeld selbst (aus dem J a h r e 1811)'-)
u nd von Feistritz bei Ilz (ebenfalls 1811) 3) d ur ch we gs in den
Ba u er n h ä u s e r n ihrer Gebiete g e t r e nn t e Küche, Stube und Kammer.
Von b es on d e re m Interesse ist aber die Beschreibung aus dem
Herr schaf tsbezir k von Hainfeld zwischen Feldbach und Fehring,4)
die ebenfalls a us dem J a h r e 1811 s t a m m t u nd folgendes besagt:
»Di e W o h n g e b ä u d e s i nd n u r z u e b e n e r E r d e g e b a u t , h a b e n m e h r e n ­
t eil n u r ei n g r o ß e s Z i m m e r u n d n e b e n a n ei ne K a m m e r , d a n n e i n V o rz i m m e r o d e r B e h ä l t n i s , w o r i n z u g l e i c h d i e K ü c h e an­
g e b r a c h t ist. Di ese Kü c h e b e s t e h t in e i n e m s e h r g e r ä u m i g e n Of en, i n
w elchem
m e h r e n t e i l s die S p e i s e n a b g e k o c h t w e r d e n , u n d in e i n e m
d a r a n a n g e b r a c h t e n k l e i n e n Her d, o b e r w e l c h e m ein h e r v o r s t e h e n d e s
O e s t e l l e a n g e b r a c h t ist, w e l c h e s d e n R a u c h v o m Her d u n d v o m Of e n
a u f n im m t und d u r c h e i n a n g e b r a c h t e s R o h r aus dem Hause
lei t et .«
Diese Stelle teilt u n s drei s ehr wichtige Dinge mit: Erstlich,
d a ß die mit tel deut sche H a u s an l a g e mit der F e uer st ätt e im Hinter ­
teile des V o r ha us e s von der Heanzerei bis hinein in die Feldba c he r -G eg e nd reicht. Zweitens, d a ß wir da h e r hier u m 1800
keine R au ch st ub e haben, und drittens, d a ß der Einfluß der p e c ,
den wi r schon weiter oben in der Heanzerei v e r m u t e t haben, hier
so g r oß ist, d a ß die ganze Feu e r st ät t e der slawischen p e c allerdings
schon mit teilweise b e n üt z te m Herd in j ene mit tel deut sche Küche
hineingestellt ist. Wir haben da also ein Beispiel für ein offen­
sichtliches Durchdringen mi t te ld e ut sc he r u n d sl awi scher Kultur­
einflüsse vor uns, erstere von de r d eu ts c he n Koloni sati onsbesiedlung
des Heanzenlandes, letzere v o m südlichen s lowenischen Si edl ungs­
res t h er rü h re n d. Für u ns e r e u n mi t te l ba r e Frage ist die Nachricht
zu d e m insofern von Wichtigkeit, als sie u n s zeigt, d a ß die O s t ­
grenze des R a uc h s t ub e n b e re ich es hier an der ung ar is ch en Grenze
des Raabtal es schon vor m e h r als 100 J a h r e n nicht weiter östlich
lag als u n se r e heut ige Ost gr en z e des ä u ß e r s t e n g eg enwä rt i ge n
Verbreitungsgebietes. Der Bogen, den die R a uc hs t u b e n g r en z e noch
heute von Ha rt be rg a u s nach We s t en bis hinter 11z beschreibt,
ist also schon alt. Dagegen wer den u n s westlich a us Pöllau,
Herberstein u n d Weiz überall a m Beginne des 19. J a h r h u n d e r t e s
noch dichte Rauch st ube ng e b i et e geschildert, wie wir im n ächst en
Kapitel n ä h e r ausf ühr en werden, u nd s og ar noch 1885 hei ßt es
a us der heute schon ziemlich r auchst ubenf reien Ge ge nd von
Gleisdorf: »In den ä r m e re n u nd von den St ra ße n abseitigen
*) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v ,
P u n k t 102.
2) E b e n d a , S c h u b e r 15.
3) E b e n d a , S c h u b e r 11.
4) E b e n d a , S c h u b e r 17.
G o e t h s c h e Seri e,
S c h u b e r 44,
Welsdorf,
106
G e me i n d e n b estehen noch u nt e rm au e rt e, hölzerne W o h n u n g e n mit
Ra u ch s t u b e n « . 1)
Wi r w e rd e n also die ehemali ge Os tgr enz e n ur oben in der
östlichen We ch s e l a b da ch u n g zwi schen Fr iedber g und Kirchschlag
u n d im Z u s a m m e n h a n g mit dem ehemaligen nieder öst er rei chi schen
Rauc hs t ub e nb e re ich weiter nach Osten ziehen als heute, d a n n
aber bei Ha rtb er g auf die noch heute — allerdings n ur m e h r für
da s ä u ß e r s t e östliche Verbrei t ungsgebi et g elt ende — Grenzlinie
ü b er ge he n u nd dieser über das Raabtal h i nüber bis asi die Mur
westlich von R a d k e r s b u r g folgen.
Für da s Gebiet zwischen Mur u nd Drau liegen u n s me hr er e
wichtige archivalische Zeugnisse vor, die uns auch für diesen
Landest ei l mit ü be r ze u ge n de r Deutlichkeit d ar t un , da ß die frühere
Ve rbr ei tungs gr enze dor t g e n a u mit der heut igen zusammenfiel.
Aus J a hr i n g h of (etwa zwei St un de n nördlich von Marburg)
besitzen wir eine Bezir ks bes chr eibung a us dem J a h r e 1 8 1 5 2), die
für diese Ge ge nd die » G e s i n d - o d e r R a u c h s t u b e « als die
Regel angibt. Dagegen s agt die herrschaftliche Be zi rk s b e s c hr ei bun g
von O b e r - G u t e n h a a g (östlich von Marburg) für da ss e lb e J a h r 3)
ausdrücklich:
» S o g e n a n n t e R a u c h s t u b e n f i n d e t m a n i m Be z i r ke n i c h t . J e d e s
W o h n h a u s b e s t e h t a u s Vo r l a u be, g r o ß e r W o h n s t u b e , Kü c h e u n d S t üb e r l «.
Man sieht d a r a us ganz deutlich, d a ß die Gr enz e ganz wie
heute s c hr äg durch die Wi nd is ch -Bü h e ln nach M a rb u rg g e g a n ge n ist.
Südlich von Marburg, a m Ostfuße des Bachern zeigen u n s
zwei Berichte a u s Schleinitz ein l a n g s a m e s Z u r ü ck w ei c he n der
eh e ma ls e t wa s weiter östlich verlaufenden Gr enz e auf die heutige
Linie. Die erste Nachricht ist die Bezir ks be sc hr ei bu ng der Burg
Schleinitz a m Bachern v om 5. D ez emb er 1814.4) Sie beschreibt
die Bauer nwir tschaf t des Michl Malleiner im Dorfe Schleinitz, das
k n a p p a m Rande des Ba che rnf uße s schon in der Ebene liegt,
u n d sagt:
» Di e G e b ä u d e s i n d e b e n s o g e b a u t , w i e h e r u n t e n in de r E b e n e : von
Hol z, m i t S t r o h g e d e c k t , u n d b e s t e h e n : in e i n e m W o h n h a u s m i t e i n e r
R a u c h s t u b e u n d N e b e n s t ü b e r l . ..« Eine A n m e r k u n g z u m I n v en ta r dieser
B a u e r n w i r t s c h a f t s a g t w e i t e r : »Hi er l i egen di e L eu t h e , w i e a l l g e m e i n
a m B a c h e r n , m e i s t e n s a n g e z o g e n in i hr en Kl e i de r n i m W i n t e r i n
d e r R a u c h s t u b e a u f S t r o h u n d a u f B ä n k e n . . . « W ä h r e n d also
u m 1815 die R a u c h s t u b e h i e r n o c h in di e E b e n e h e r a b r e i c h t e , h e i ß t e s in
d e r B e z i r k s b e s c h r e i b u n g d e r s e l b e n H e r r s c h a f t v o m J a h r e 1 8 4 2 s): »Bei d e n
h ö h e r e n B a c h e r b e w o h n e r n f i n d e t m a n m e i s t R a u c h s t u b e n ; h ö l ze r n e
H ä u s e r , a b e r s e l t e n R a u c h s t u b e n a m F u ß e d e s G e b i r g e s u n d no c h
s e l t e n e r i m ö s t l i c h e n f l a c h e n Boden. «
*) J a n i s c h, T o p o g r a p h i s c h - s t a t i s t i s c h e s L e x i ko n , Bd. I, S. 329.
2) St e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 19, J a h r i n g h o f ,
P u n k t 98.
3) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 17, O b e r - G u t e n h a a g .
*) S t e i e r m L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 37, B u r g Sc hl ei n i t z .
5) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 25, Be zi r k Sc h l e i n i t z .
107
Heute sind die Ra uc hst ube n in der Ebene u nd selbst am
Ostfuße des Gebi r ges schon g an z v e rs c h w u n d e n . Wi r hab e n hier
im Süden von Ma rb ur g die e he ma li ge Gr enz e also e t wa s weiter
östlich zu ziehen als die heutige. Doch dürfen wir dabei k e i n e s ­
falls weit nach Osten gehen, d a wir hier um Rohitsch noch heute
a u s g e s p r oc h en e s pec-Gebi et finden, w a s u n s für da s J a h r 1813
auch für den ganzen Friedauer -Bezi r k im östlichen Draugebiet
b est ät igt w i rd . 1) Dort he iß t es:
»Di e v e r m ö g l i c h e r e n B e w o h n e r h a b e n a u c h z u w e i l e n , b e s o n d e r s a n
S o n n - u n d F e y e r t a g e n , Fl e i s ch u n d Gef l ügel , w e l c h e s ' s i e in i h r e n O e f e n
g u t z u b r a t e n w i s s e n . « W e r die h e u t i g e n V e r h ä l t n i s s e a n d e r s t e i r i s c h ­
k r o a t i s c h e n G r e n z e k e n n t , k a n n g a r n i c h t z we i f e l n, d a ß si ch d i es e s Koc hen
in den O e f en n u r auf die s l a w i s c h e p e c b e z i e h e n k a n n , die in u n s e r e
F o r m der R a u c h s t u b e n n i c h t e i n b e z o g e n w e r d e n darf. D a z u s t i m m t a u c h
s e h r gut , w a s i m J a h r e 1885 f ür di e W i n d i s c h e n B ü h e l n n ö r d l i c h v o n
P e t t a u u n d Fr i e d a u g e s a g t w i r d , n ä m l i c h : » R a u c h s t u b e n g i b t es hi er
n i c h t . « 3)
We nn wir also d a m i t d a s Gebiet von Rohitsch u n d die
Wi n d is ch en Büheln in ihrem östlichen Teil schon früh a us der
V er br e itungs gr e nze a us sc he id en mü ss en, so fällt d a m i t auch das
eigentliche Pettauer-Felcl schon j en se it s von u ns e r e r Grenze. Voll­
k o m m e n s t i m m e n dazu die Nachrichten, die u n s a us Reichenburg
u n d Rann an der Save u n d a u s W i n d i s c h - L a n d s b e r g (südlich von
Rohitsch) an der kr oati schen Gr en z e vorliegen. Besonder s wertvoll
ist uns d a die ausführliche He rr s ch a ft s b es c h r ei b u n g a us Reichen­
b ur g an de r Sa ve vom J a h r e i 8 10,3) a u s der deutlich hervorgeht , da ß
dieses ga nz e Gebiet schon d a m a l s z u m Teil die Form des reinen pecHa us e s oder eine Ue be rga ngs for m von di esem z um » o be rd e ut sc he n«
K ü ch e n s t u b e n h a u s be se sse n hat, d a ß also die Verhältnisse dort
schon d a m a l s so wie he ut e noch lagen u nd d a ß von R auc hs tube n
in u n s e r e m Sinn keine Rede sein kann. Desgleichen b e tont auch
die P h y s i k a t s b e s c h r e i b u n g des Arztes Dr. Wa l l ne r 4) vom 27. De­
ze mb er 1841 das K o c h e n in den W o h n z i m m e r n (also ebenfalls
da s Vo r h a nd e ns e in der h i s a mi t der p e ë), u n d noch deutlicher
t u t dies d er Arzt Dr. Kotscvar in seiner Sa ni t ä t s d i st r ik s be s c h re i b u n g von W i n d i s c h - L a n d s b e r g (datiert v om 15. J ä n n e r 1842)s)
we nn er schreibt: » D a s W o h n z i m m e r w i r d s e l t e n o d e r
g a r n i c h t a u s g e k e h r t . . . Di e O e f e n s i n d s o e i n g e ­
richtet, d aß gleich im Z i m m e r g e h e i z t und gekocht
werden
k a n n . « W e n n d a he r im Jahre- 1885 für den Bezirk
Rann g e s a g t w i r d : 0) » R a u c h s t u b e n
findet
m a n "fast
ü b e r a l l « , so ist da s offenkundig n ur eine Ve rwe chs lung der
4) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 13, Bezi r k Fr i e dau.
z) J a n i s c h. T o p o g r a p h i s c h e s L e x i k o n , I, S. 326.
3) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Se r i e, S c h u b e r 34, R e i c h e n b u r g
a. d. Sa v e .
4) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 33, Ra n n .
5) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 46, W i n d i s c h Landsberg.
6) J a n i s c h, T o p o g r a p h i s c h e s L e x i k o n , II, S. 641.
108
s l awi schen p e c - h i s a mit un s er e r Rauchst ube, die ja bei Laien
s eh r leicht erklärlich ist.
Das Vorherrschen der pec w a r auch im übrigen südlichen
Gebiet so stark, d a ß die ehe ma li ge Sü dg re nz e des R a u c h s t u b e n ­
bereiches ebenfalls mi t der heut i gen ziemlich gleich verlief. Nur
w a r ehe de m de r ga nz e S ü d h a n g und der S üdf uß de s Bachern,
der he ut e schon r auchs tubenf rei ist, zum R a u ch st ub e n b e re ich
gehörig. Die Nachrichten a us Gonobitz, Wi nd i sc h g r a z u nd Neu h a u s
östlich von Wöllan (südlich von Weitenstein) bezeugen dies klar,
w ä h r e n d die Nachrichten a u s Gilb, Tüffer u n d s o g a r a us Ne u­
klost er nordwestlich von Sachsenfeld (südlich von Wöllan) ebenso
deutlich das pe ö- his a- Ha us e rk e nn e n lassen. Die Gr enze m u ß
also von Schleinitz über Windisch- Fei str it z u n d südlich von
G onobi tz verlaufen und d a n n zwischen N e u h a u s und Ne uk l os t er
h i n du rc hge ga ng e n sein.
Diese Nachrichten sind folgende:
1. Die B e z i r k s b e s c h r e i b u n g v o n G o n o b i t z a u s d e m J a h r e 1812. ’)
Sie s a g t : »Di e W o h n u n g d e s W e n d e n i st ein e i n z i g e s Z i m m e r , d a s
z u g l e i ch die Kü c h e ist. D a s s e l b e i s t m i t R a u c h a n g e f ü l l t u n d m i t
3 —4 k l ei n e n G l a s f e n s t e r n , o b e r i h n e n m i t e i n e m Z u g l o c h e v e r s e h e n . B a u e r
u n d B ä u e r i n s c h l af e n in e i ne r e i g e n e n K a m m e r . Di e ü b r i g e n H a u s g e n o s s e n
i .egen a n de n B ä n k e n , v o r z ü g l i ch g e r n e a n u n d auf d e m Ofen. «
Das ist also zweifellos u ns e re Rauchstube.
es, d a ß der Verfasser dieser Beschreibung jene
a n de r er Stelle mit dem russi schen B a u e r n h a u s
Mann scheint völk er ku nd lic h b e w an de rt ge we s en
I n t e r e ss a n t ist
W o hn f or m an
vergleicht. Der
zu sein!
2. Die D i s t r i k t s - P h y s i k a t s - B e s c h r e i b u n g de s A r z t e s Dr. D e t t e l b a c h
für d e n Be zi r k W i n d i s c h g r a z , d a t i e r t v o m J ä n n e r 184 2 . 2) Da r i n he i ß t
es:
»...es
k o s t e t k e i n e g e r i n g e U e b e r w i n d u n g , in d e n n i ed r i ge n ,
s c h m u t z i g e n H ü t t e n u n d f i n s t e r e n, h ö l z e r n e n R a u c h s t u b e n , w o s e h r
h ä u f i g Vi eh u n d M e n s c h e n g e d r ä n g t b e i s a m m e n w o h n e n , es a u s z u h a l t e n . «
3. Ei ne S c h i l d e r u n g a u s d e r U m g e b u n g d e s B a d e s N e u h a u s v o m
J a h r e 1861 v o n Dr. R. P u f f . 3) Si e b e s a g t : »Di e W o h n u n g e n s i nd so
z i e ml i c h a l t s l o w e n i s c h g e b l i e b e n . . . in der Me h r za h l r e c h t e r b ä r m l i c h , f eucht ,
d u m p f u n d r ä u c h e r i g . . . W e n n m a n die R a u c h s t u b e n m i t der K i e n 1 e u c h tstelle
an der E c k e des B a c k o f e n s ,
di e u n r e i n e n Be t t e n , in
w e l c h e e r s t n o c h j u n g e Z i e g e n u n d S c h w e i n e m i t e i n g e l e g t w e r d e n . . . be ­
trachtet . .. «
Das alles sind ohne Zweifel
ist es bei folgenden Nachrichten:
u ns er e Ra uc hst ube n.
Anders
4. E i n e v o n
Erzherzog Jo h a n n eigenhändig niedergeschriebene
B e z i r k s b e s c h r e i b u n g v o n G a i r a c h b e i T ü f f e r ( s ü d l i c h v o n Cilli) a u s
d e m J a h r e 1811, 4) in w e l c h e r d e r E r z h e r z o g in de n d o r t i g e n B a u e r n h ä u s e r n
d e u t l i c h die W o h n s t u b e , di e S c h l a f k a m m e r , d a s V o r h a u s u n d die Kü c h e
u n t e r s c h e i d e t u n d a n g i b t , d a ß die H ä u s e r a u s Hol z b e s t e h e n m i t A u s n a h m e
d e r Kü c h e u n d der O f e n w a n d , w e l c h e g e m a u e r t si nd.
Ü S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 15, Go n o b i t z .
2) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 4 5 , W i n d i s c h g r a t z ,
P h y i i k a t s b e s c h r e i b u n g Bo g e n 5, S. 4.
3) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , H a n d s c h r i f t 1291 (3 945) » N e u h a u s « , Be i t r ä g e
zur T o p o g r a p h i e , E t h n o g r a p h i e u n d G e s c h i c h t e d e s s t e i r i s c h - s t ä n d i s c h e n
K u r o r t e s N e u h a u s v o n Dr. Ru d ol f Puff, S. 11b u n d 12a.
4) ' S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 14, Ga i r a c h .
109
5.
Di e B e z i r k s b e s c l i r e i b u n g der R e l i g i o n s f o n d s - H e r r s c h a f t N e u ­
k l o s t e r ( sü d l i c h v o n W ö l i a n ) , di e a u s d e m J a h r e 1811 s t a m m t u n d
e b e n f a l l s v o m E r z h e r zo g J o h a n n e i g e n h ä n d i g g e s c h r i e b e n i s t . 1) Si e s a g t :
»Di e H ä u s e r s i n d von Hol z ; zu e b e n e r E r d e ein Z i m m e r al s W o h n u n g ,
w o alle L e u t e s i nd, n u r b e y w o h l h a b e n d e r e n ist n e b e n b e y ei ne K a m m e r ,
w o sie i hr e b e s s e r e n G e r ä t s c h a f t e n a u f h e b e n . . . d e r B a c k o f e n
ist
z u g l e i c h H e i z o f e n und stehet im W oh nzi m me r.«
Hier haben wir im e rs ter en Falle da s oberdeutsche, im
letzteren Falle das pec -Ha us v or uns.
Fü r den weiteren Verlauf der e h e m a l i g e n ' Südgr e nz e ist
m a ß ge b e n d, d aß einerseits da s S a n nt a l und ganz Krain keine
Sp ur von Ra uc hs tube n zeigt u n d d a ß beide Gebiete vol lst ändi g
un te r dem Einflüsse des sl a wi sc he n p e c - H a u s e s stehen und d a ß
an d e r er se it s die K a r a w a n k e n eine so feste natürliche G r e n z m a u e r
g egen S üd e n hin bilden, d a ß wir da wohl ga r keine Ursache
haben, die ehemal i ge Ve rbr eit ungs gr enze südl icher als die heutige
zu ziehen. Wir w er de n also hier westlich von Wölian wieder auf
die heutige K a r a w a n k e n g r e n z e zu gehejp u n d auf dieser zu
bleiben haben.
Dies gilt auch für das Gebiet weiterhin nach Westen. Denn
da s heute r a u c h st u b e n l o s e Rosent al w a r ehedem, wie a us der
hi storischen G u t s b e sc h re i bu n g der S t a a t s h e r rs c ha f t Viktring vom
J a h r e 1 8 0 2 2) hervorgeht, die a usd rüc kl ic h auch das D r a u a m t im
Rosental e einbezieht, sicher noch Ra uchst ubengebi et.
A l l e r d i n g s w e r d e n a u c h d a m a l s s c h o n f ür di es e G e g e n d z u m Te*'
g e m a u e r t e K ü c h e n a n g e f ü h r t , d o c h i s t d a s » n u r d e r k l ei ne r e Teil«. Die
m e i s t e n s i nd a u s Hol z u n d h a b e n » h ö l ze r n e R a u c h f ä n g e « , die a u s vi er
Br e t t e r n b e s t e h e n u n d so g e f ü gt s i n d , d a ß sie ein Q u a d r a t bi l de n. »An
e i ni ge n O r t e n i s t g a r kei n R a u c h f a n g , s o n d e r n g e h t der R a u c h frey u n t e r s
Da ch. An e i n i ge n Or t e n g e h t de r h ö l z e r n e R a u c h f a n g g e r ad e d u r c h s Da c h
u n d r a g t */a Kl af ter ü b e r s D a c h h e r v o r . «
Das sind u m so sicherer Ra u ch s tu b en h ä u se r , als auch —
wie wir im folgenden Kapitel se he n we rde n — die ganze Gegend
u m Klagenfurt selbst (Leonstein bei Pörtschach, Annabichl) um
diese Zeit noch dichtes R a uc h s t u b e n g e b i e t war.
Wir ha be n d a h e r die e he ma li ge Ve rbr ei tungsgr enze am
K amme der K a r a wa n k e n fortlaufend bis un te r Villach zu ziehen,
was
ja von der heutigen Grenzlinie auch wi eder nur sehr wenig
u n d n u r im west l icheren Teil abweicht.
Für d a s Gail- und Lessacht al k o nn te ich leider ga r keine
Nachrichten über die ehemal i ge For m ihrer B a u e r n h ä u s e r finden.
Da Blinker aber im Gail- u n d ich im Lessacht al auch in den
ältesten Hä us er n keine S p u r dieser Wo h n f o r m fanden, da z ude m
d a s südlich a ng r e nz e nd e Friaul eine völlig a nd e re Hausform zeigt,
so hab e n wir hier — nament lich in An bet racht der geringen und
nur s tellenweisen Abwe ic hu n g e n von der heut igen V er br ei t u n g s ­
grenze im östlicheren Gebiete — keinen Grund, diese Grenze
a nde r s als die heutige zu ziehen.
*) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e,
2) K ä r n t n e r L a n d e s a r c h i v , Hs. 212.
S c h u b e r 29, N e u k l o s t e r .
110
Wir folgen also auch hier wieder der D ra u -G ai l - W a s s e r s c h e i d e
nach Westen, bis wir bei Abfaltersbach wi e de r an jene W es t g r e n z e
gelangen, die wir a m Beginne dieses Kapitels gefunden haben.
Ueberblicken wir nun auf der beiliegenden Karte die heutige
u n d die e he ma l ige Ve rbr ei tungsgr enze des ostalpi nen R a u c h s t u b e n ­
gebietes, so zeigt sich ein einstiges Vorst oßen u n s e r e r Woh nf or m
n u r im We s t en u nd Norden. Im Ost en und Sü de n dag eg e n sind
die Abweichungen der beiden Linien sehr geringfügig.
We n n es ü b e r h a u p t erl aubt ist, schon d a r a u s Sc hlü ss e zu
ziehen, so ist wohl die A n n a h m e die naheliegendste, d a ß sich
u ns er e Wo h n f o r m von S üd o st en nach N o r dwe st en hin v er br eit et
h a t u nd d a ß diese Ver br ei tungswell e auch im N o r dwe s t en wieder
a m s t ä r k s t e n zur ückgef lut et ist.
Haben schon Bünker, Mur ko u nd R h a m m da r au f hingewiesen,
d a ß sich die S üd gr e nz e des Ve rbr ei tungsge bi et es auffallend parallel
hält zur de uts che n Siedl ungsgrenze, so zeigt u n s u n s e r e Karte
noch viel mehr : die T a ts a c h e nämlich, d a ß die ehemal ige g e o ­
gr ap h i sc he Verbr eit ung der R au ch st ub e g e n a u so weit nach Norden
u n d W es t en reicht als die s lawi s chen O r t s na m e n , da s he iß t also
g en a u so weit als die längere Zeit hi ndurch be s te h en d e (einzelne
kri egeri sche Vo rs tö ß e nicht m it einbeziehende) Ansi edlung der
S la we n in v e r g a n g e n e n Zeiten.
Z u n ä c h s t scheint d a dur c h das Rätsel noch g r öß e r zu werden:
In den rein slawischen Gebieten finden wir die R a u c hs t u b e n i c h t ,
in den e h e ma l s slawischen, jetzt d e ut sc h en aber her rscht sie. In
den rein u nd seit frühesten Zeiten deut schen Gebieten h e rr sc ht
sie nicht, aber in den heut e deutschen, v or he r aber sl awisch b e ­
s iedelten Gebi eten finden wir sie.
Es gibt a us diesem Rätsel n u r eine e i n z i g e mögliche
Lösung! Sie lautet: Die Rau c h s tu be h e r r sc h t n u r auf d em Gebiete,
auf d em sich de ut s c h e u nd slawi sche Kultur g e mi s ch t haben.
Man s ehe sich u n s e re Karte daraufhin an. Es k a n n nicht a n d e rs
sein. Nur s o weit als die ehemal ige sl awische Si edlung nach
Norden und W es te n drang, h e rr s ch t die Rauchstube. Und n u r so
weit als die de ut sc he B au er ns i e dl un g nach Süde n u n d Osten drang.
(Die d e u ts c he n S t a dt sie dl unge n Cilli, Pettau, Fr ie da u u. s. w.
spielen d a natürlich nicht mit.) Die Deutschen, wo sie u n g e m i s c h t
blieben, haben ein a nd e re s Haus, die Sl awen g a n z ebenso. Nur
wo beide Siedl ungen e i n an d er über decken, d a s t e ht die R a u c h - '
stube!4. K a p i t e l :
Die e h e m a l i g e g e o g r a p h i s c h e
der o stalp in en Rauchstube.
Dichte
W e n n wir auch nicht für jeden Teil u n s e r e s ost al pi nen
Ra uc hs t ub e n- Ve r br ei t u n g sg e bi e te s Nachrichten auftreiben kon nt e n,
die u n s ü be r die g e og r a ph is c he Dichte j enes W o h n r a u m e s in
früheren Zeiten Aufschluß geben, so habe ich doch im Laufe der
111
J a h r e i mme rhin so viele Nachrichten für diese Fr age finden können,
d a ß wir ein recht klares Bild erhalten. Wir beginnen wieder im
West en:
Im Mil lst ät ter - Gebi et erzählten mir die Bauern, d a ß dor t die
Ra uc hs t ub e n erst wenige J a hr e vor Kriegsbeginn m e h r u nd mehr
u m g e b a u t wo r de n seien. F r ü he r aber sei auch in jenen Gegenden
nördlich v om See, wo jetzt nur m e h r wenige R a uc hs tube n zu
finden sind, in a l t e n Hä us e rn »hin u n d hin« d u r c h a u s die Ra uc h­
s t ub e heimisch gewesen. Das s t i m m t v o l l k o m me n zu Blinkers
F or sc hunge n, der ja auch die R au c hs t ub e als den älteren und
einst ens al lei nher rschenden W o h n t y p u s des vol kst üml ichen Ha us es
für da s ga n z e Mil l stätter-Gebiet e r k a n n t hat.
Aus dem nördlich a ng r e nz e nd en Gebiet des oberen Murtales
besitzen wir mehr er e wichtige Nachricht en zu u ns e r e r Frage:
Um Predlitz erfuhr ich durch ü b e r e i ns t i m me n de Nachrichten,
d a ß es noch vor 1900 viele Ra uc hs t ub en gegeben habe, w ä h r e n d
ich im J a h r e 1908 nur m e h r drei fand. In Sauerfeld, im n o r d ­
östlichen Lungau, gab es vor 30 J a h r e n noch viele, heute sind
d or t n ur m e hr zwei. G an z e benso fand ich die Verhältnisse in
d e r Kr ak au u nd in Ranten nördlich von Murau. Das heißt, wir
haben hier Gr en z ge ge nden des Verbr ei tungsber ei ches vor uns, in
d e ne n er st in der allerletzten Zeit ein s t a r k e r Dichte-Nachlaß
festzustellen ist.
Ga n z im Ge ge ns a tz st ehen d a z u die west li chst en Ve rb re i tu ng s­
bezirke u m Lienz u nd Obe rd ra ub u r g , wo auch die älteren Leute
n u r m e h r we n ig von den Ra uc hs t ub en wi s se n und wo wir also
e nt we d er seit j eh er eine geri nge Dichte,' oder aber ein Abne hme n
derselben schon für frühere Zeiten a n n e h m e n müs sen. Leider
liegen u n s ge r ad e für hier keine archivalischen Nachrichten vor.
Anders im Murtale. Da besitzen wir eine Bezirksbeschreibung'
der Herrschaft Murau v o m 28. Juli 1811,1) die uns da s Ra uc h­
s t u b e n h a u s noch als die r eg el mä ß ig e T y p e dieses Gebietes hinstellt.
Die betreffende Stelle heißt:
»Di e W o h n u n g e n od e r H u b e n s i n d Ü b e r h a u p t s in O b e r s t e y e r n i c h t
b e s o n d e r s reinl i ch u n d n u r s e l t e n g a r m s) (d. i. 4 S c h u h ) h o c h v o n der
E r d e a u f g e m a u e r t ; si e si n d also m e i s t h ö l ze r n u n d b e s t e h e n a u s der s o ­
g e n a n n t e n R a u c h s t u b e , w e i c h e z u g l e i ch die K ü c h e v o r s t e l l t . Z u r W i n t e r s ­
z e i t w i r d in d i e s e r S t u b e , i m S o m m e r i n der V o r l a u b e g e g e s s e n . Vier b i s
f ü n f S c h u h v o n d e m Bo d e n s i nd a n z w e i W ä n d e n z w e i a c h t Zoll h o h e
u n d a c h t Zoll b r e i t e F e n s t e r l , w i e d e r 2 S c h u h o b e r h a l b in d e n Z w i s c h e n ­
r ä u m e n a b e r m a h l s z w e i e t w a s k l ei ne r e F e n s t e r l a n g e b r a c h t . L e t z t e r e s i n d
m e i s t offen, d a m i t der R a u c h h i n a u s z i e h e n k a n n . I n d e s s e n s t e h t ein M e n s c h
v o n e t w a s ü b e r 5 S c h u h m i t d e m Kopf d o c h i m m e r i m Rauch. Von di es er
S t u b e g e h t m a n in e i ne K a m m e r o h n e Of en. V i s - â - v i s v o n der R a u c h s t u b e
i s t die Ka ch l - o d e r W o h n s t u b e de s G u t s b e s i t z e r s , o b e r h a l b die u n g e h e i z t e n
Knecht- un d Menscher-Kammern.«
Man sieht a u s dieser Beschreibung, d a ß um den Beginn
des 19. J a h r h u n d e r t e s die ganze M u r a u e r - G e g e n d noch dichtestes
*) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 28, M u r a u , fol. 17a.
2) G e m e i n t i st w o h l g a d e n .
112
Ra uc h st u be n g e bi e t war, da s freilich überall schon die Kachelstube
n e b e n der R au ch st ub e besaß.
Eine b es on d e rs wertvolle Nachricht fand ich für das n o r d ­
östlich a n s t o ß e n d e Gebiet von Po ls — P o h ns do rf — Knittelfeld. Es
ist eine G r u n d - u n d Z eh e nt b e s c h re ib u ng aus de r zweiten Hälfte
des 17. Jahr hur i der t es, die 113, dem Hochstifte S a lz b ur g di e ns tba re
B a u er n gü t er a us den Pfarren Zeyring, St. O swa ld bei Zeyring,
Pöls, Pohnsdorf, Gaal, Seckau, St. Ma rgar et en u n d St. Lorenzen
bei Knittelfeld beschrei bt .1) Diese Be schr ei bungen lauten wie folgt:
»Di e R a d m a i s N r - H u e b e , P f a r r Z e y i i n g , h i n t e r d e m M a r k t e O b e r z e y r i n g g e l e g e n , h a t a i n g a n z g e z i m m e r t e B e h a u ß u n g , d a r i n n e n i st ain
R a u c h - u n d a i n K a c h l s t u b e n , ai n Keller u n d K a s t e n , o b e n a u f . . . z w a y
K ä m m e r . . . « ; ode r : »Di e Gi u e b e r - H u e b e n in Z e y r i n g e r Pf ar r , so g a d e n ­
h o c h g e m a u e r t u n d g a d e n h o c h g e z i m m e r t ist, d a r i n n e n ist a i n R a u c h - u n d
ain K h a c h l s t u b e n , ai n ö b n e r Keiler, o b e n a u f ain K h a s t e n u n d z w a i
Khämmer. .
oder : »Di e I r e g g e r - l i u e b e n , Z e y r i n g e r Pfarr, b a t ai n g a n z
h i l z e r n e W o h n u n g , d a r i n n e n i st a i n R a u c h s t u b e n , a i n Khe l l e r u n d s o n s t e n
dr e y g e m a i n e G e m ä c h t e r . . .«; ode r ; » De r P u e r y - H o f f h i n t e r d e m M a r k t
O b e i z e y r i n g h a t ai n B e h a u ß u n g . . . i s t s e h e n vo n M a u e r a u f z w a i g a d e n
h o c h e r p a u t , d a r i n n e n ain s c h e n e K h a c h l - u n d R a u c h s t u b e n i s t . . . « u. s. w.
In dieser Art werden, wie gesagt, 113 Bauer nhöf e zwischen
Obe rz eyr in g u n d Knittelfeld beschrieben. Ist diese Beschr ei bung
für u n s schon d e swe ge n v on g r ö ß t e m Wert, weil sie u n s einerseits
das Vorh an de ns ei n dieser W oh nf or m auch in großen, g e m a u e r t e n
Höfen (wie beim Puery-Hof), a nd e r er s ei t s das teilweise alleinige,
teilweise schon d a m a l s mi t der Kachelstube gesellte Auftreten
der R a u c hs t ub e offenbart, so h a t sie für die eben behandel te
Frage u m so höhere Bedeut ung. Sie zeigt u n s näml i ch u n t e r den 113,
auf das Gebiet z w i s c h e n -O b er ze y ri n g u n d Knittelfeld v er s t r e ut en
B a u e r n h ä u s e r n nicht we ni ge r als 96, die noch Ra uc hs t ub en besitzen.
Das sind s echs Siebentel aller beschriebenen Häuser. Mit a nd er en
Wo rt en : ein Gebiet, in d em wir heut e n u r m e h r eine Dichte
von 2 bis 5 P rozent feststellen k o n n t e n (vergl. Seite 88), zeigte
u m 1680 noch eine solche von 80 bis 90 Prozent! Dabei ist es
von b e s o nd e r er Wichtigkeit, d a ß ein Teil dieses Gebietes, n ä mh e h
Z eyr ing selbst, du rc ha us, nicht v om Ver kehr abgelegen, s onder n
im Gegenteile in noch früherer Zeit als b e r ü h m t e s S i lbe rbe rgwe rk
ein mittelalterliches I ndu st r i e z e nt r um des L a n d e s darstellte.
Das allein bereitet u n s einen g an z a nd e re n Ausblick auf
die V er ga ng en he i t u n s e re r Wohnf or m, als wir ihn an sich und
ohne solch sicheren Bericht ha be n würden.
Es ist uns d a r a u s zur un be di n g te n G e w iß h ei t geworden,
d a ß das g an z e obere Murtal bis hinauf an den T a u e r n k a m m noch
vor 250 J a h r e n d i c h t e s t e s Ra uc h s tu b en g eb i e t g e w e s e n ist.
Da ist es vielleicht am Platze, hieher jene e i nge he nde n
B e sc hr ei bunge n der Ra u ch s tu b e zu setzen, die uns g e r a d e für den
4)
» G r u n d - u n d Z e h e n t - B e s c h r e i b u n g der h o c h f ü r s t l i c h s a l z b u r g i s c h e n
H e r r s c h a f t F o n s t o r f f . . . g e s c h r i b e n de a n n i s 1674, 1675 et 1676.« S t e i e r m.
Landesarchiv.
113
» J u d e n b u r g e r Kreis« a u s j ü ng e re n Zeiten erhalten sind. Wir be ­
sitzen z u nä c h s t eine ku rz e Nachricht v om J a h r e 1820, die uns
zeigt, wie d a m a l s neben dem R a u c h s t u b e n h a u s auch schon das
» K ü c h e ns t ub e nh a us « im J u d e n b u r g e r - G e b i e t ver br ei tet w a r . 1)
Die Stelle lautet:
» . . . hievon e nth äl t das W o h n h a u s , welches meist en s m it einem
S t o c k w e r k e v e r s e h e n ist, z u r e b e n e n E r d e ei n V o r h a u s ( Vorhall e), ei ne
g r o ß e R a u c h s t u b e , in w e l c h e r z u g l e i ch g e k o c h t u n d Br od g e b a c k e n wi r d ,
u n d ein K a b i n e t t ; o d e r e i n e Kü c h e , ei n g r o ß e s u n d ein k l e i n e s Z i m m e r ,
e r s t er e s z u r a l l g e m e i n e n W o h n - u n d A r b e i t s s t ä t t e . «
Z w a n z i g J a h r e später, im J a h r e 1845, ist uns da s A b k o m m e n
de r Rau c h s tu be a u s derselben Ge g en d g a n z kl ar berichtet. Wir
erfahren es aus der für uns b e s o n d e r s int eressant en, ausführlichen
Schilderung, die der Se c k a u e r Kl osterschreiber J o h a n n Vinzenz
S o n n t a g , ein für die he imi s c he V o l k s k u n d e begeisteter u n d
h o c hver di ent er Mann, handschriftlich hin te rl as se n h a t. 2) Die für
u n s in Betr acht k o m m e n d e n Stellen, die un s auch für das Aus­
sehen de r Rauchstube, für ihre E inr i chtung u n d ihre damal ige
W e r t u n g viel B e m e r k e n s w e r t e s bieten, lauten:
»Die S t u b e ist g e w ö h n l i c h z i e ml i c h g e r ä u m i g . M a n f ä n g t a n , di e
alten k lei ne n F e n s t e r gä nzl i ch z u u m s t a l t e n u n d z u er wei t er n, w od u r c h
di e W o h n u n g l i c h t er u n d f r e u n d l i c h e r w i r d . A n d e r T h ü r e b e f i n d e t
s i c h d e r H e r d u n d h i n t e r d i e s e m d e r B a c k o f e n , welcher
g e w ö h n l i c h a u s S t e i n e n e r b a u t u n d s e h r g r o ß ist. O b e r der F e u e r ­
st e l l e f i n d e t m a n ein G e s i m s , a u f w e l c h e m di e K i e n s p ä h n e , der g e w ö h n ­
l i che B e l e u c h t u n g s s t o f f d e s L a n d m a n n e s , z u r Dör r e a u f g e s c h i c h t e t s i nd.
U n t e r d e m He r de i st w o h l a u c h z u w e i l e n die W o h n u n g d e s Ge f l üg e l s o d e r
j u n g e r Fe r ke l a n g e b r a c h t . . . «
» . . . D i e s o g e n a n n t e n , R a u c h s t u b e n ‘, w e l c h e d i es e n N a m e n in
vollem Sinn e des W o r te s verdienen, v e r s c h w i n d e n i n u n s e r e n
T a g e n (1845) i m m e r m e h r . De r L a n d m a n n b egr ei f t , d a ß di e K ü c h e v o m
W o h n z i m m e r a b g e s o n d e r t w e r d e n m ü s s e , u n d n i m m t hi e r a u f bei B a u ­
v e r ä n d e r u n g e n die g e h ö r i g e R ü c k s i ch t . Ist n u n in der n e u e n S t u b e ein
Kachel of f en, so n e n n t m a n si e v o r z u g s w e i s e die . Kac he l s t u be ' . «
». . . D a s Ge t ä f e l u n d di e W ä n d e s i nd in H ä u s e r n , w o si ch R a u c h s t n b e n b e f i n d e n , m i t d i c ke n R u ß k r u s t e n ü b e r z o g e n . V i e l e H ä u s e r s i n d
o h n e R a u c h f a n g . De r B a u e r ü b e r l ä ß t es d e m Ra u c h e , s i c h ei ne
Oe ff nung z u m A bz ü ge z u su ch en . W e h e d em verzärtelten St ädter , w e l c h e n
ei n b ö s e s S c h i c k s a l z w i n g t , in e i n e r , R a u c h s t u b e ‘ i m W i n t e r e i n e n A b e n d
z u er l e b en ! Auf d e m He r d e f l a t t e r t ei n g r o ß e s Fe ue r , w e l c h e s die S t u b e
d u r c h w ä r m e n u n d die A b a n d n a h r u n g für M e n s c h e n u n d S c h w e i n e k o c h e n
soll. De r A n k ö m m l i n g i st m ü d e , h u n g r i g , dur st i g- v o n Käl t e ha l b e r s t a r r t .
E r w ü n s c h t , si c h ein w e n i g a m g a s t l i c h e n He r d e z u e r h o l e n ; a b e r D u g u t e r
Go t t ! in e i n e r , R a u c h s t u b e ‘ i s t b e s o n d e r s f ür d e n W e i c h l i n g , so w i e f a s t
für j e d e n M e n s c h e n , der die R a u c h s t u b e n i c h t s c h o n v o n s e i n e r K i n d h e i t
auf b e w o h n t , a n ei ne E r h o l u n g n i c h t z u d e n k e n . De r R a u c h t r e i b t den
e r s t a r r t e n G a s t v o m Herd a u f die B a n k a n de r W a n d , v o n der B a n k a n
de n T i s c h , v o m T i s c h in d e n e n t f e r n t e s t e n W i n k e l ; a b e r a u c h d o r t r a u c h t
e s e n t s e t z l i c h . Der G a s t w e i n t u n d e r k e n n t m i t b i t t e r e n T h r ä n e n de s
R a u c h e s M a c h t u n d Kraft. S c h o n s i n d d e s G e p e i n i g t e n A u g e n r o t h u n d
w u n d ; a u c h d r i n g t d e s F e u e r s b e l e b e n d e W ä r m e n i c h t b i s in d i e s e n
!) Karl K ö n i g s h o f e r , B e s c h r e i b u n g d e s J u d e n b u r g e r Kr ei ses
(ca. 1820). St e i e r m . L a n d e s a r c h i v , H a n d s c h r i f t 157, S. 132 f.
z) J. V. S o n n t a g , De r S t e i e r m ä r k e r , 1845. S t e i e r m, L a n d e s a r c h i v ,
H a n d s c h r i f t Nr. 12, S. 1 4 9 - 1 5 5 .
m
t a u s e n d f a c h d ur c h r ä u c h e r t e n W i n k e l ; h a lbbl i nd und m i t fast erfrorenen
H ä n d e n u n d F ü ß e n will der G a s t w i e d e r a n s Fe u e r , m a c h t a b e r m a l s die
R u n d e in de n W i n k e l , b i s er e n t w e d e r irn , S t ü b e l ‘ ein B e t t o h n e R a u c h
f i n d e t o d e r in d e r V e r z w e i f l u n g h i n a u s s t ü r m t , d e s W e t t e r s n i c h t a c h t e n d ,
u n d ein H a u s s u c h t , in w e l c h e m die T a n t a l u s q u a l e i n e r R a u c h s t u b e n i c h t
z u f i n d e n ist. D a s h a r t e G e s c h i c k , in e i n e r R a u c h s t u b e d e n V o r g e s c h m a c k
der Hölle z u e m p f i n d e n , si ch f a s t b l i n d z u w e i n e n u n d a m F e u e r h a l b zu
erfrieren, h a t der Ve r f as s e r d i es e s B u c h e s , d e m H i m m e l sei ’s g e k l a g t , Öfters
m i t g a n z e r S c h w e r e a uf s e i n e n W a n d e r u n g e n g e t r of f e n . . . ln de n R a u c h ­
s t u b e n k ö n n e n , so s o l l t e m a n m e i n e n , w o h l g e r ä u c h e r t e S c h i n k e n , ni ch t
a b e r M e n s c h e n a n O r t u n d St el l e s e i n ; u n d d o c h g e d e i h e n d i e s e d e m n a c h
g a n z g u t . M a n f i n de t in U n t e r s t e i e r 1) f l inke, s c h l an k e , h ü b s c h e B u r sc h e
u n d M ä d c h e n ; ja, es s c h e i n t sogar , d a ß d e r K r o p f ein a b g e s a g t e r F e i n d
d e r R a u c h s t u b e n sei, d a m a n i hn bei d e n B e w o h n e r n d e r D e c a n a t e
S t r a d e n , R i e g e r s b u r g , St. Vei t a m Vo g a u , i m S u l m t a l u . . s . w . n u r h ö c h s t
s e l t e n f i ndet , w ä h r e n d d o r t di e R a u c h s t u b e n i c h t s S e l t e n e s ist. l n d i e s e n
( R a u c h s t u b e n ) f i n d e t m a n die S p ü h l g e f ä s s e , e i n e n Z o b e r m i t W a s s e r , e i n e n
rei chl i ch b e s e t z t e n S c h ü s s e l k o r b u n d v o r a l l e m e i n e n g r o ß e n g e ­
m a u e r t e n O f f e n , w e l c h e r w e n i g e r z u r B e h e i z u n g al s z u m B r o db a c k e n und' zum S i e d e n des S c h w e i n e f u t t e r s
(in s o g e ­
n a n n t e n S a u k r ii g e n) di ent . A u f d i e s e m O f e n p f l e g t m a n v e r ­
s c h i e d e n e G e g e n s t ä n d e ( z u m Beispiel d e n Mai s, O b s t , M o h n u. s. w. ) zu
d ör r en , a u c h w o h l z u w e i l e n z u s c h l a f e n . . . «
Man sieht, die Stelle ist für u n s trotz ihrer biederrneierlichen
E m p f i n d s a m k e i t s eh r wertvoll. Denn sie zeigt uns neben ma nc h
a n d e r e m vor allem die eine für u n s b e s o n d e r s w i s s e n s w e r t e T a t ­
sache, d a ß im J a h r e 1845 die u n t e r e S t e i e r m a r k (namentlich
die südöstliche) g eg e nü b e r der oberen als das d i c h t e r e Ra uc h­
s t u be n ge b ie t galt.
Noch 50 J a h r e v o r he r w a r — wie wir se he n ’— auch das
obere Murtal dichtes Ra u chs tubengebiet . Ein Bauer bei J u d e n b u r g
erzählte mir, d a ß sein im J a h r e 1799 g e b o re n er G r o ß v a t e r w i e d e r ­
holt d a r ü be r ge sp r oc he n habe, d a ß in sei ner Kinderzeit noch
j e d e s B a ue r n h a u s in der J u d e n b u r g e r G e g e nd die Ra uc h st u b e
be se ss e n habe.
In Se c ka u selbst, wo heut e n ur m e hr se h r weni ge R a u c h ­
s t ub en zu finden sind, wi r d im J a h r e 1811 eine b es on d e rs » v or ­
zügliche« Ba ue rn wi r t sc h a ft beschrieben, u nd selbst von dieser
heißt es d a m a l s n o c h : 2)
» D a s W o h n h a u s i st h a l b g e m a u e r t , h a l b g e z i m m e r t u n d b e s t e h t
u n t e n a u s der R a u c h s t u b e , o b e n a u s der s o g e n a n n t e n K a c h e l s t u b e u n d
e i n i g e n K a m m e r n , w o die M ä g d e i hr e L i e g e r s t ä t t e h a b e n . «
In P u st e r w al d erzählte m a n mir, d a ß do r t
v o r 50 J a h r e n
noch d u r c h w e g s R a u c h s t u b e n h ä u s e r ge we s en seien u n d im g anzen
oberen Murtal ist he ut e noch ein S p r i c h wo r t üblich, welches lautet:
»Da ist’s finster wie in einer Rauchst uben.«
Da ß die Ra uc h st u be a u s diesem dichten Ge bi e t auch über
die T a u e r n hinüber ins Ennst al gereicht hat, ha be n wi r für das
J a h r 1588 u n d 1798 schon festgestellt (s. früher S. 100). Ueber
1) So w u r d e d a m a l s a l l e s L a n d s ü d l i c h v o n G r a z g e n a n n t .
") S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Serie, S c h u b e r 38, W e r b b e z i r k
der S t a a t s h e r r s c h a f t S e c k a u , 15. J u n i 1811, P u n k t 113.
115
die Dichte der Rau ch st ub e in j e n e r Ge ge n d wi ssen wir freilich
nichts. Da wir aber schon 1588 neben d er Rauchs tube die
»K a c h e 1s t u b e« u n d d u r c h a u s die Bezeichnung » H a u s « für
Vor haus finden, so ist a n z un e h m e n , d a ß dor t die Dichte nie
so g r o ß ge we s e n ist wie im Murtale. Es s t i m m t dazu s ehr gut,
d a ß wir v om J a h r e 1817, wo im Murtale erst ein ganz l a n gs a me s
Ab ne hme n der Rauc hst ub e einsetzt, für die R a m s a u bei Sc hl ad mi ng
wissen, d a ß man dort u m jene Zeit s chon k e i n e Rauchstube,
s o n de rn n ur me hr »Küche u nd Ofenstube« k a n n t e . 1) Ebenso liegen
u n s für da s Ennstal u m Ad mo n t u nd Hieflau a us j en e r Zeit
d ur c hw eg s Berichte vor, in denen sich k e i n e R a u c hs t ub e n- Na c hrichten m e h r finden. Wohl aber ha t die Ra uc h st u be im Murtale
ehedem weiter u nd in viel s t ä r k e r e r Dichte nach Osten gereicht
als heute. Haben wir schon f rühe r a u s der Fohnsdorfer Z eh e nt be sc hr ei bu ng v om J a h r e 1675 erfahren, d a ß die Gegenden u m
St. Ma rgar et en u n d St. Lorenzen bei Knittelfeld d a m a l s noch
dichtes R au ch st ub en ge bi et g e w es e n sind, so erfuhr ich auch noch
im J a h r e 1909 beim »Föt scher « in Fötschach ( Gegend von Glein
südöstlich v on Knittelfeld auf der nördlichen Gl ei nalmabdachung),
d a ß noch v or 60 J a h r e n (um 1850) »v ö 11 i b a n a n i a d n
B a u e r n a R ä c h s t u b n g w ë n war «.
Und selbst das Gebiet von Leoben, da s heut e r a u c h s t u b e n ­
frei ist, w a r noch 1813 d i c h t e s Rauchst ubenberei ch. Es geht
dies deutlich a us der B es ch re ib un g der S t a at s h e r r sc h af t G ö ß bei
Leoben h er vo r , 2) in der es a us dr üc kli c h heißt:
A u c h di e R a u c h s t u b e n w e r d e n a u f d e m L a n d e f a s t n o c h d u r c h ­
aus
a n g e l r o f f e n u n d s i n d in m e d i z i n i s c h e r P o l i z e y a u f s i c h t i n s o f e r n e
s c h ä d l i ch , a l s si e d a s Au ge , d a s k ö s t l i c h s t e G e s c h e n k der Go t t h e i t , u n d
die B r u s t a ngr ei f en. «
Ge he n wir nun von hier nach Sü de n ins Kär ntner -Gebi et ,
so ist es selbstverständlich, d a ß die Ge ge nde n von Gurk,
St. L ambr echt , Mettnitztal, Friesach u n d St. Veit sowie das ganze
Zirbitzkogel- u n d Gör tschitz-Gebiet, die ja noch heut e zum Teil
recht dichte, zum Teil ziemlich dichte R a uc hs tu be ng ebi et e sind,
in früheren Zeiten mit dem Murtal u nd dem Millstätterbereich
z u s a m m e n ein einziges g e s c h l o ss e ne s u n d zweifellos s ehr dichtes
Ra.uchstubengebiet gebildet haben.
Dassel be w a r auch noch weiter südlich der Fall. In der
U mg e bu ng des Os siacher sees w u r d e mi r verschiedentlich berichtet,
d a ß noch v o r 40 J a h r e n (um 1880) j e d e s B a u e r n h a u s
R a u c h s t u b e n h a u s g ew es en sei u n d eine »Historische Be sc hr e ibung
der k. k. S ta a ts h er r sc h af t O s s i a c h « v om 1. J ä n n e r 1 80 33)
schildert die dortigen B a u e r n h ä u s e r wie folgt:
»Di e B a u a r t d e r W o h n h ä u s e r b e s t e h e t v o r z ü g l i c h da r i n, d a ß j ed e s
Haus m ei st e ns d ur ch aus hölzern, m i t z w e e n gegenü be r angebra chte n Ein­
*) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , H a n d s c h r i f t Nr. 52, R a m s a u 1817.
2) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , S t a a t s - u n d B e z i r k s h e r r s c h a f t G ö ß
J. C. Beck, H a n d s c h r i f t Nr. 815 (2712), S. 15, I, 1.
•’) K ä r n t n e r L a n d e s a r c h i v , H a n d s c h r i f t Nr. 358, fol. 41.
1813,
116
g ä n g e n in die V o r l a u b e v e r s e h e n ist, e i n e r g e g e n die Z u f a h r t z u m Ha u s e ,
d e r a n d e r e g e g e n d e n z w i s c h e n H a u s u n d S t a l l u n g e n b e s t e h e n d e n Vor hof .
I m W o h n h a u s e z u e b e n e r E r d e i st e i n e R a u c h s t u b e
zugleich
K ü c h e , d a n e b e n ein m i t Of en v e r s e h e n e s Z i m m e r ; a uf d e r a n d e r e n Se i t e
der V o r l a u b e w i e d e r u m ein Z i m m e r , m e i s t e n s o h n e Of e n , u n d e i n e K a m m e r
z u m E i s e n z e u g b e h ä l t n i ß ; i m e r s t e n S t o c k a u c h ein m i t Of e n v e r s e h e n e s
Z i m m e r , eine K a m m e r z u m S c h l af g em ac h der Mägde, auf der a n d er e n
Se i t e d a s G e t r e i d e - B e h ä l t n i ß u n d ein d e t t o z u m g e r ä u c h e r t e n Fl e i s ch , R i e m ­
z e u g u n d a n d e r e n H a u s g e r ä t e n , d a n n n o c h ü b e r e i n e S t i e g e ei n O b e r b o d e n .
F a s t b e y j e d e m H a u s e i st r i n g s u m a u ß e r h a l b ein G a n g z u m W ä s c h e a u f h ä t i g e n a n g e b r a c h t . Di e R a u c h f ä n g e s i nd f a s t d u r c h a u s v o n Hol z, di e
D a c h u n g d e r H ä u s e r k a n n z u r Häl f t e m i t S c h i n d l o d e r Br e t t e r n , z ur
Häl f t e a b e r m i t S t r o h g e r e c h n e t w e r d e n . «
Oestlich davon, in Köstenber ; u nd Moosburg, nördlich vom
Wör ther see, wo wir heut e noch ein ziemlich dichtes R a u c h s t u b e n ­
gebiet haben, erzählten mi r viele ältere Bauern, d a ß in ihrer
J u g e n d noch bei j e d e m Haus eine R au chs tu be b e st an de n habe.
Das be st ä tigt auch eine »Historische B esc hr ei bu n g der
k. k. St ud ie n h e rr sc ha ft L e o n s t e i n z u P ö r t s c h a c h « (nördlich
vom V/örthersee), »dann de s u n t er d asi ger Her rschaf t st eh e nd e n
Religionsfondsgutes
Töscheldorf
und
W a i ß en f on d s gu t es
Z i g g u l n « v om 24. S e p t e mb e r 1802,1) in der es heißt:
» . . . H ä u s e r u n d W i r t s c h a f t s g e b ä u d e der U n t e r t h a n e n g r öß t en t ei l s
h ö l z e r n . G e d e c k t s i nd sie d u r c h a u s m i t St r oh . Di e W o h n u n g e n s i n d a 11g e m e i n zu e b en e r Er de u n d b e st eh e n bey gr öße re n B a ue rn a u s e i n e r
G e s i n d - o d e r s o g e n a n n t e n R a u c h s t u b e . . . m i t einem Koch­
h e r d e . . . w o i m W i n t e r u n d b e y d e n m e i s t e n a u c h in E r m a n g l u n g
e i n e r Kü c h e z u r S o m m e r s z e i t g e k o c h t wi r d , u n d e i n e r s o g e n a n n t e n
K a c h e l s t u b e n , w e l c h e n N a m e n si e v o n d e m d a r i n s t e h e n d e n Of en
e r h ä l t ; si e d i e n t z u r S c h l a f k a m n i e r d e s B a u e r s u n d s e i n e r F a m i l i e . . . Di e
R a uc hf ä nge s in d selten g e ma u e r t , g r ö ß t e n t h e i l s n u r von Brett ern
z u s a m m e n g e s e t z t u n d zuweilen, bey einem m eh r als ge wö hnl ich vo r­
sichtigen Besitzer m it Lehm ü b e r s t r i c h e n . . . «
Auch die he ut e schon sehr dü n ne n R a uc hs t ub en ge bi e t e jenei
Ge g e n de n w a r e n d a m a l s noch dicht. Das g eh t h e r v or a u s der
Be zi rks be sc hr ei bu ng von M a g e r e g g m i t A n n a b i c h l u n d
S e l t e n h e i m v o m 1. J u n i 1812,a) einer Ge g en d westlich von
der Linie Maria Saal— Klagenfurt, die heut e fast g an z r au c hs t u b e n frei ist. Dort h ei ßt es:
» D a s W o h n h a u s , w o r a n d a s E r d g e s c h o ß g r ö ß t e n t h e i l s g e m a u e r t , da s
ü b r i g e a b e r h ö l z e r n ist, b e s t e h e t in e i n e r W o h n s t u b e m i t o r d e n t l i c h e n Of en
f ür d e n B a u e r ; in e i n e r R a u c h s t u b e n , w o r i n der K o c h h e r d ist, f ür die
g e s a m t e F a m i l i e . . .«
Daß diese V er hä lt ni s se u m 1800 auch noch für die Ge g en d
südlich von Klagenfurt Geltung, hatten, ha b e n wir bereits oben
(Seite 109) a u s der Vikt ri nger Handschrift gesehen.
Weiter im Osten, im Görtschitztal, erfuhr ich in St. Martin a m
Silberberg, d a ß früher in j e d e m Ha u s e eine R au c h s t u b e ge we s en
sei, u n d in der Ge g en d v on G u ta r in g s a gt e m a n mir, d a ß sie auch
dort noch v o r 40 J a h r e n häufig anzutreffen g e w es e n wären.
*) S t è i e r m. L a n d e s a r c h i v , H a n d s c h r i f t 1452 (4113), P u n k t 21/2.
2) St e i e r m . L a n d e s a r c h i v , J o a n n e a - S e r i e , S c h u b e r 41.
Im L av an tt al ist de r nördliche u n d mittlere Teil noch heute
ziemlich di cht mit R a u ch s t ub e n besät ; im südlichen Teil bei
L a v a m ü n d sagt e m a n mir ebenfalls, d a ß d or t noch u m 1860
j e d e s Haus R a u c h s t u b e n h a u s g e w es e n sei. Dazu s t i m m t sehr
g ut die Bezi rk sb e sc hr eib un g de s Pflegers J o s e p h Anton Naredi
von W a l d e n s t e i n (bei T w im b e rg , im oberen Lavant tale) a u s
c. 1810,1) in der es heißt:
» De r h i e s i g e B e r g b e w o h n e r . . , w o h n e t in e i n e m h ö l z e r n e n G e b ä u d e ,
in w e l c h e m h ö c h s t e n s z w e e n S t u b e n , e i n e r e cht s, die a n d e r e l i n k s de s
E i n g a n g e s u n d w e i t e r h i n e i ne K a m m e r z u f i n d e n s i n d . . . In d e r ei n e n ,
z u r B e w o h n u n g der g a n z e n F a m i l i e b e s t i m m t e n S t u b e , g e n a n n t » R a u c h ­
s t u b e « , — w o r i n in e i n e r Eck e , m e i s t e n s
gleich
neben
der
T h ü r e ein Herd und w e i t e r h i n an diesen ein Back offen
a u s S t e i n e n und gut vermaltert, a nge br ach t sind, — wi rd S o m m e r un d
W i n t e r f ür M e n s c h e n u n d Vi e h g e k o c h t . An e i n e m g r o ß e n v i e r e c ki g e n , in
der anderen Ecke steh end en und m i t zw ei langen hölzernen Stühlen von
der ei n e n , u n d z w e e n a n de n H a u s w ä n d e n v o n d e r ä n d e r n Se i t e b e f es t i g t en
B ä n k e n — s o z u s a g e n e i n g e r a m t e n T i s c h e w i r d ge s p e i s e t , in de r d r i t t e n
E c k e g e a r b e i t e t u n d in d e r v i er t en E c k e d a s in e i n e m g r o ß e n T r o g e a u s ­
d a m p f e n d e g e k o c h t e Z e u g f ür d a s Vi e h b e r ei t e t , w e l c h e s — j e d o c h n u r
S c h w e i n e , ( u m de n U n b e q u e m l i c h k e i t e n m i t d e m Hi n- u n d H e r t r a g e n a u s ­
z u b e u g e n ) gl ei ch a l l d a g e f ü t t e r t w i r d . — E i n s c h l e c h t g e s c h n i t z t e s ,
z w i s c h e n z w e i e n a u f G l a s g e m a h l e n e n Bi l d e r n in d e m W i n k e l d e s S p e i s e ­
p l a t z e s a n g e b r a c h t e s Cr u c i f i x u n d d e r h e i l i g e G e i s t a u s P a p i e r
o b d e m T i s c h e a u f e i n e m F a d e n s c h w e b e n d ; hinter un d
u n t e r de n B ä n k e n H o l z ä x t e — K e t t e n u n d B i n d z e u g u n d b e y n a h e in j e d e m
H a u s e e i ne W a n d u h r s i n d d a s g a n z e A m e b l e m e n t d i e s e r S t u b e , an
d e r e n O b e r d e c k e f i n g e r d i c k e r R u ß l iegt ; d a a u f d e m in d e r S t u b e b e f i nd l i c h e n
e i n z i g e n He r d e d e s H a u s e s , s o oft u n d so l a n g e es n ö t h i g ist, F e u e r g e ­
m a c h t w i r d , so sol l t e m a n g l a u b e n , d e r B a u e r h a b e z u r A u s f ü h r u n g e i n e n
K a m i n a n g e b r a c h t ; all ein d a s t h a t e n die Vo r f a h r en ni cht , w a r u m so l l t e er
es t h u n . Er d u n s t e t l ieber u n d w ü r d e i m R a u c h e r s t i c k e n , w e n n n i c h t
F e n s t e r u n d d i e h a l b e S t u b e n t ü r , die g e r a d e n a c h der Mi t t e
i h r e r Breit t e, e i g e n s z u d i e s e m Z w e c k e a b g e t h e i l t , ge ö f f n e t w ü r d e n ; der
u n t e r e T h e i l der T h ü r a b e r bl ei b t v e r s c h l o s s e n , t h e i l s u m si ch v o r d e m
E i n d r i n g e n der Käl te, t h e i l s der S c h w e i n e — di e i m m e r l u s t w a n d e l n —
z u s c h ü t z e n . L ä ß t e n d l i c h der W i n d , w i e oft d e r Fal l ist, d e n R a u c h zu
k e i n e r Se i t e h i n a u s , so m ü ß e n di e B e w o h n e r u n t e r der d i cke n W o l k e g e ­
b e u g t s t e h e n , oft g a r d a s Q u a r t i e r r ä u m e n . U n d d e m o h n g e a c h t e t k a n n der
Bauer zu einer besseren, Feuer u n d G e su n d he i t sichern Ba uart nichts
vermögen.
In de r z w e i t e n S t u b e , w o s e l t e n ein Hei t zof f en a n z u t r e f f e n i s t . . .«
Dieser, wie ma n sieht, s eh r gu te n u n d g ewi s senhaf ten
Sc hil d e ru ng stellt sich — ebenfalls für da s L a v an t t a l — eine
zweite an die Seite. Sie findet sich in einer, ' vom Pfarrer
M. D e c r i g n i s verfaßten Handschr i f t »Der L av an tt al er Bauer«
a u s dem J a h r e 1812.2) Die für u n s in Bet racht k o m m e n d e Stelle
dieser Handschr if t lautet:
»Di e H ä u s e r s i nd f a s t d u r c h a u s v o n Hol z u n d m i t S t r o h g e d e c k t . . •
D as W o h n g e b ä u d e ist m it v i e l e n , aber sehr k l e i n e n F e n s t e r c h e n
v e r s e h e n , e t w a so gr oß, d a ß ein k l ei n e r K n a b e d u r c h s c h l ü p f e n k ö n n t e.
Ei n g e w ö h n l i c h e s B a u e r n h a u s b e s t e h t a u s e i n e r R a u c h s t u b e , ei ne r
K a c h e l s t u b e , ei ne r K a m m e r , e i n e m Keller, e i n e r D i l l , d. i. Fl e i s ch- u. Ge 1) S t e i e r m . L a n d e s a r c h i v , J o a n n e a - S e r i e , S c h u b e r 41.
2) St e i e r m , L a n d e s a r c h i v , H a n d s c h r i f t Nr. 302 (1234), § 10.
118
t r e i d b e h ä l t n i ß , Stall, St a d l . . . Der o r d e n t l i c h e A u f e n t h a l t i st in der
R a u c h s t u b e , e i ne h ö l ze r n e , s c h w a r z e , m i t m e h r e r e n k l e i n e n F e n s t e r n o h n e
G i t t e r v e r s e h e n . E i n i g e s i n d in d e r o r d e n t l i c h e n P e n s t e r h ö h e , a n d e r e a b e r
h ö h e r o b e n a n g e b r a c h t . E r st e r e h a b e n G l a s s c h e i b e n , w e l c h e z u m Vor - u n d
Z u r ü c k s c h i e b e n g e r i c h t e t s i n d ; sie b r a u c h e n a l s o z u i hr en F e n s t e r n k e i n
Ei s e n. Di e o b e r e n a b e r s i n d n u r a l s R a u c h l ö e h e r z u b e t r a c h t e n , m i t
e i n e m hi n- u n d h e r z u s c h i e b e n d e n e i n g e p f a l z t e n B r e t t c h e n v e r s e h e n . Um
die W ä n d e s i n d B ä n k e b e f est i gt , in e i ne r E c k e i st ein T i s c h m i t S c h u b l a d
u. e t l i c he St ü hl e . In d i es e r S c h u b l a d e b e f i n d e t si ch d a s Br od, e t l i ch e G a b e l n
u n d Löffel für die W e i b s b i l d e r , d a n n die Löffel f ür d i e K n e c h t e u n d B a u e r
s t e c k e n a n d e n in die W a n d g e n a g e l t e n R i e m c h e n . M e s s e r u n d G a b e l n h a t
j e d e s M a n n s b i l d s e l b s t b e s t ä n d i g be y sich, s o w i e die W e i b e r d a s M e s s e r
a n i h r e n G ü r t e l n t r a g e n . D a n n i st a u c h ein k l ei n e s T i s c h t u c h d ar i n, w e l c h e s
g r o ß g e n u g ist, w e n n n u r di e S c h ü s s e l d a r a u f P l a t z h a t u n d s o vi e l h e r v o r ­
r a g t , d a ß a u c h die Löffel d a r i n a b g e w i s c h t w e r d e n k ö n n e n . E n d l i c h w i r d
in di e s e T i s c h - S c h u b l a d e ( w e l c h e sie i n s g e m e i n » T i s c h t r u h e n« n e n n e n )
a u c h di e S c h ü s s e l m i t d e m B 1 e i b 1 i n g, d. i. di e ü b r i g g e b l i e b e n e n S p e i s e n
z u r D i s p o s i t i o n der B ä u e r i n a u f b e w a h r t .
De r H e r t m i t e i n e m R a u c h m a n t e l ist t i e f e r al s s o n s t in Kü c h e n .
D a h e r h a t die k o c h e n d e B ä u e r i n ei ne V e r t i e f u n g de s F u ß b o d e n s , w e l c h e s
sie di e H e r t l u c k e n h e i ß e n . Ei n Ka s p e l sc h a f f u n d S a u - O f e n , d a s ist
ein Kessel , w o r i n f ür die S c h w e i n e g e k o c h t w i r d . U n t e r d e r O f e n b a n k
( v i e l m e h r Ba c k of e n , de r s e i t w ä r t s v o m Flert m e i s t e n s a n g e b r a c h t i st ) i st
di e H ü h n e r s t e i g e ; e n d l i c h a m O b e r b o d e n b e f i n d e t si c h ei n G e l ä n d e r ,
w o r a u f Hol z z u m D ö r r e n g e l e g et wi r d . Di e S t u b e n t h ü r i st w a g r e c h t in z w e y
T h e i l e get hei l t . Der o b e r e b l ei b t w ä h r e n d d e s H e i t z e n s w e g e n R a u c h , u n d
L u f t z u g v o n d a d u r c h H o c h f e n s t e r , offen, w e n n d i e ß a b e r
n i c h t m e h r n ö t h i g ist, g e s c h l o s s e n . Di e u n t e r e i s t i m m e r zu, u m de n
S c h w e i n e n d e n E i n t r i t t in die S t u b e z u v e r w e h r e n .
W i r d in d i es er R a u c h s t u b e n a c h A b h e i t z u n g a l l e s g e s c h l o s s e n , so
i s t es d a r i n r e c h t l a n g e u n d a n h a l t e n d w a r m . H i n g e g e n w ä h r e n d de s
H e i t z e n s m u ß all es m i t d e m h a l b e n Lei b g e b ü c k t g e h e n , i n d e m der Ra u c h
gl ei ch e i n e r d i c h t e n W o l k e e i n e m A u f r e c h t s t e h e n d e n b i s in die M i t t e des
L e i b e s reichet.
Di e s o g e n a n n t e K a c h e l s t u b e h a t i hr en N a h m e n v o n e i n e m Of en, der
a u s k l e i n e n S t ü c k e n , die m a n Ka ch e l n e n n t , z u s a m m e n g e s e t z t ist, a l s o
we i l ein Ka c h e l - Of e n d a r i n ist. Di e s e S t u b e i s t d a s G a l l a - Z i m m e r der
B a u e r n , w o r i n si e g e w ö h n l i c h n i ch t w o h n e n , s o n d e r n n u r sc h l a f e n . Da r i n
b e f i n d e n s i c h i hre T r u h e n m i t K l e i d u n g e n u n d a n d e r e n b e s s e r e n H a b s e l i g ­
k e i t e n , d a r u m die F e n s t e r m i t G i t t e r n v e r s e h e n si nd. « — ■
Sind wir so über die La v an tt a le r Ra uc hs tu be n vorzüglich
u n t er r ic ht et — m a n w ü n s ch t e n ur für m e h r e r e Gebiete so
g e n a u e Aufzeichnungen! — so v er vol ls tä ndige n sie auch das
Bild, d a s wir uns für u ns er e augenblickliche Frage ma c he n
wollen, deutlich. Denn d a das jenseitige Ko ra lm- Ge bi et noch
h e ut e d i c h t e s t e s Rauc hst ub en be re ich ist, so zeigt sich uns
jetzt schon für die W e nd e des 18. u n d 19. J a h r h u n d e r t e s ein
n a he z u ganz Kärnten sowie das obersteirische Murtal b e de ck end es
u n d über die Koralpe nach Mittelsteier h er ei nr ei che nde s g e ­
s c h l o s s e n e s Gebiet, in dem da s R a u c h s t u b e n h a u s der fast a l l e i n
h e r r s c h e n d e T y p u s des vo l kst üml ic he n H au s e s ist. Die Frage, ob
wir es hier also mit einer m e h r oder mi nd er ver einzel ten Er­
s c he i nu ng oder mit einer weit verbreiteten, alten W o h n t y p e zu t u n
haben, ist d a mi t allein schon entschieden. Doch se i e n . di e übri gen
Berichte, die uns für die ost-, mittel- u n d u nte rs te ir is c he n 'Gebiete
zur Ver fügung stehen, der Vollständigkeit halber auch noch angeführt.
119
Für Ni ederösterreich ( Gegend von Lunz u nd an der nördlichen
Kal kal pen- u n d We ch se l ab d ac h un g ) k ön n e n wir n ur auf d a s v e r ­
weisen, was wir d a r ü be r im vorigen Kapitel g e s a g t haben. Etwas
Näheres über die einstige Dichte der Rauchst ubenver br ei tung' in
diesen G eg e nd e n k o nn t e ich nicht in Erf ahr ung bringen. Es ist
wohl a nz u n e hme n , d a ß die Dichte d or t schon f r ü h - s t a r k z u r ü c k ­
g eg a ng e n ist, d a wir doch n u r v e r h ä l t n i s m ä ß i g weni g Spuren
nachwei sen konnt en. Ebenso gilt für d a s ga n z e Bereich der Ei sen­
wur ze n ( Hochschwab-Gebi et ) das, w a s wir schon im früheren
Kapitel g e s a g t haben: Es liegt k e i n e Nachricht vor, die un s
dort für frühere Zeiten da s V o rh an de ns ei n der R au chs tu be a n ­
n e h m e n ließe.
Für den B r ü c ke r Kreis wi r d al lerdi ngs in einer um 1810
verfaßt en al lgemei nen S t a t i s t i k 1) die Ra uc h st u be er wä hn t, aber
recht unkl ar. Es bezieht sich d a s a ber wohl n ur auf die südliche
U m g e b u n g von Bruck. Im R o ß g r a be n bei Mixnitz erzählte mir
eine siebzigjährige Bäuerin im J a h r e 1908, d a ß in ihrer Kinderzeit
(um 1850) in de r U m g e b u n g v o n Mixnitz, a m Süd- und O st ha ng e
des Rennfeldes »noch alles R a u c h s t u b e n « g e h a b t habe.
D aß da s ga nz e Glein-, Stub- un d Ko ra lm- Ge bi e t noch vor
50 J a h r e n d i c h t e s t e s R a uc hs tu be nb er ei ch ge we se n ist, g eh t
schon a u s dem im vorigen Kapitel G e s a gt e n kl ar hervor. Für das
ga nz e Gl ei na l m- Ge bi et h a t es a u ß e r d e m Dr. W a g ne r einwandfrei
festgestellt: ln den G e m e i n d e n Neuhof, Pockstall u nd Kleintal
sind a l l e (mit A u s n a h m e v o n vier B a u e r n h äu s e r n) noch
am
Beginne des 19- J a h r h u n d e r t e s R a u c h s t u b e n h ä u s e r gewesen, w a s
eine Dichte von fast 100 Pr o ze n t bedeutet. Die alte »Heikerin«
im P l es ch k o ge l- Ge bi et erzählt e mi r ebenfalls, d a ß d or t früher
a l l e s Ra uc hs tu be n g e h ab t habe. Für den Vo it sb e rg er Bezirk
liegt u ns eine a u s dem J a h r e 1842 s t a m m e n d e »chor ogr aphi schärztliche Da rs te ll u n g des P h ys i ca t - Districts Voitsberg« vom
k. k. D i s t r ik t s- P hy si k er Dr. S t e i n e r 2) vor, die folgendes besagt:
»Die W o h n u n g e n d e r L a n d l e u t e s i n d g r ö ß t e n t h e i i s u n g e s u n d , u n ­
b e q u e m , el e n d. U n r e i n l i ch k e i t h e r r s c h t a l l e n t h a l b e n . . . Au f d e m L a n d e
sind die h ö l z e r n e n
R a u ch stu b e n
allgemein,
l n d i es e n
b e f i n d e t si ch z u n ä c h s t d e r T h ü r d e r H e r d , w e l c h e r z u g l e i c h die
S t u f e z u d e m h ö h e r a n g e l e g t e n B a c k o f e n bildet. U n t e r d e m s e l b e n ein
B e h ä l t n i ß f ür Fe de r vi e h, j u n g e o d e r k r a n k e H a u s t h i er e . U m de n Her d l äuft
e i n e b r e i t e B a n k , w e l c h e b e s o n d e r s z u r W i n t e r s z e i t .die S c h l a f s t e l l e
d e s G e s i n d e s wi r d . A b g e s o n d e r t , u n d n i c h t u n t e r d e m R a u c h m a n t e l s t e h t
ei n e i n g e m a u e r t e r Keßel z u m K o c h e n d e s S c h w e i n e f u t t e r s m i t der vo n
i n n e n a n g e b r a c h t e n He i t z u n g . W ä h r e n d g e h e i z t wi r d , m u ß die T h ü r e offen
bl ei b e n , u m d e m
R a u c h e s e i n e n h a u p t s ä c h l i c h e n A b z u g z u g e s t a t t e n . So
s i n d di e r uß i g e n , n i e d e r e n , m i t D a m p f , R a u c h u n d S c h m u t z er fül l t en, m i t
M e n s c h e n u n d T h i e r e n ü b e r h ä u f t e n , i m S o m m e r u n e r t r ä g l i c h h e i ße n, im
W i n t e r f r o s t i g e n W o h n u n g e n der m e i s t e n B e w o h n e r . In den n e u e s t e n
B a u t e n , die m i t B a c k s t e i n e n a u f g e f i i h r t w e r d e n , s i e h t m a n d i e s e S t u b e n ,
deren U e b e l s t ä n d e d em L a n d m a n n e s e lb st s e hr f ü hl b ar sind, v e r s ch w i nd e n,
')
!)
Steierm.
S t e i e r m.
L a n d e s a r c h i v , J o a n n e a - S e r i e , S c h u b e r 6.
L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 42.
u n d s o g e n a n n t e K a c h e l s t a b e n a n ihre St e l l e t r e t t e n ; all ein di es e V e r ä n d e r u n g
g e h t h i n s i c h t l i c h de s a l l g e m e i n e n l a n g s a m v o r sich, u n d d e p e n d i e r t g r ö ß t e n ­
t he i l s v o n d e m z u n e h m e n d e n W o h l s t ä n d e der E i n z e l ne n . «
Für d a s Koralm-Ciebiet fand ich im Spezialarchiv d e r Grafen
von S a u r a u eine kleine Not iz1) vom 29. A ug us t 1757, wo die
F e s t n a h m e eines Fahnenf lüchtl ings »in der Wiell« (St. Kathrein
in de r Wiel, am südöst li chen Koralmausl auf) geschildert wir d und
wo es heißt:
»Bey M a t h i a ß e n K h o c h e n in d e r W i e l l . . . ( h a b e n die J ä g e r ) . . . g ö g e n
A b e n d t s di e B e h a u ß u n g a n g e t r e t t e n u n d t die r a u c h s t u b e n , a l w o der
V e r m e i n t e b e y d e m N a c h t m a h l g e s e s s e n , er öf f ne t . . .«
Besagen u n s diese Nachrichten für d a s heut e noch a u ß e r ­
ordentlich dichte R a u c hs t u b e n ge b i e t nicht allzuviel Neues, so sind
solche für da s östlich d a ra n a n s t o ß e n d e Ge l än d e u m so wichtiger.
Im Ber gl ande nördlich von Graz, wo he ut e n u r m e h r teilweise
dichtes R a u c hs tu b en g eb i e t zu finden ist, zeigen uns Spuren, die
dem Murtal e nahe liegen, d a ß auch dort einst dichte R a u c h s t u b e n ­
v er b re i tu ng herrschte. So w a r da s F e lb e rb a u e rn - Ha us a u s dem
J a h r e 1640 u nd da s H a u s l b a u e r - H a u s a us d em J a h r e 1625 (beide
in der G e g e n d von Gr at ko rn , nördlich von Graz) eh e ma ls Ra uc h­
s t u b e n h a u s , u nd s o ga r in St. Veit, nördlich von Graz, erfuhr
ich bei der alten Gsullbäurin, d a ß ihr im J a h r e 1688 g e ba u t e s
H au s noch vor 50 J a h re n R a uc h s t u b e n h a u s war. Der »Hiening«,
ein Bergzug, der v om Sernriacher Becken ins Murtal zieht, u n d
die ga nz e Sernriacher Ge g en d w a r e n d i c h t e s t e R a u ch s tu b en bezirke. Ebenso da s Berg- und Hügell and westlich von Graz, das
he ut e f ast r au c hs t ub e nl o s ist. Der si ebenundsi ebzigjähr ige »Br andlschnei der« in At tendorfberg (westlich von Graz) erzählte mir, da ß
noch vor 1860 j e d e s Ha us des Gebiet es die Ra uc h st u b e g eh a bt
habe. In den Sechzigerjahren sei eine s t r e ng e » Fo rd e ru n g« erl assen
worden, d a ß die hölzernen Rauchfänge v e r sc h w i n d e n u n d die
Küchen ge wö lb t we rde n müß t en . Daraufhin seien die Ra uc hs tu be n
abgekommen.
Be so nd e rs wertvoll ist uns ferner eine Nachricht a u s dem
Bezirk der Herrschaft W a a s e n (südöstlich von Graz, zwi schen
Fernitz u nd Wildon), einer Gegend, die he ut e v o l l k o m m e n r a u c h ­
stubenfrei ist. Die Nachricht s t a m m t v om 26. April 1 8 11 a) und
sagt: »Die W o h n g e b ä u d e sind . hierorts m e i s t e n s von Holz
e r ba ut u n d b est ehen a u s einer H e i t z s t u b e u n d a us einem
s o g e n a n n t e n K a c h l s t ü b l . « — W e n n wir d a zuhal ten, d a ß mir
ein Bauer in Neudorf u n d Sajach östlich v on Wildon berichtete,
d a ß es dor t noch um 1840 viele Ra uc hs t ub e n gegeben habe, u nd
ein a nd e re r a us d em S ä ß ta l e (östlich von Wildon) erzählte, da ß
er noch u m 1860 ziemlich viele g es ehe n habe; w e nn ich weiter
in der Ge g en d von Glojach u nd J a g e r b e r g und in St. P e te r a m
’) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , S p e z i a l a r c h i v S a u r a u , H e r r s c h a f t S c h w a n ­
be r g, Mi l i t a r i a V.
2)
St e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Ser i e, S c h u b e r 43, B e z. - K o m m .
W a a s e n b. G r a z , S. 4 (8).
13 i
Ottersbach, wo heute die R a u c hs t u b e n überall schon S e l t e n ­
h e i t e n sind, d u r c h w e g s erfuhr, d a ß es noch v or 50 bis 60 J a h re n
viele u n d noch vor 40 J a h r e n bei der Hälfte aller H äu se r R a uc h­
s t ube n ge g e be n habe; wenn wir endlich die schon früher (S. 114)
angef ühr te Stelle des J. V. S o n n t a g hier n oc hma ls in Er in ne ru ng
bringen, die noch für 1845 die R au ch s tu be in den D ek a na t en
S tr a de n u n d St. Veit a m Voga u als » n i c h t s e l t e n « bezeichnet,
so zeigt es sich un s klar, d a ß sowohl die r a u c h st u be n l os e Insel
des Grazerfeldes als auch die ga nz e Ge g en d südöstlich davon
bis an die ung ar i sc he Gr enz e zwi s chen Raab u nd Mur, die heute
k a u m m e h r l ° / o an Dichte aufweist, seinerzeit dichtes, mit dem w e s t ­
lichen Bereich in festem Z u s a m m e n h a n g stehendes, ges chl oss en es
R a u ch s t ub e ng e bi e t g ew e se n ist.
Vom Sausal wi ssen wi r a u s einzelnen Zufallsnachrichten,
d a ß dieses heute fast r a u c h s t u be n l ee r e Ber giand noch vor
100 J a h r e n dichtes R a u c h s t ub e ng e b i e t war. In den G r u n d - und
D o k u m e n t e n b ü c h e r n der He r rs cha ft H a r r a c he ck im Sausal, die
die Zeit von 1726 bis 1759 u m f a s s e n , 1) he iß t es in einem Satze:
»da k h o m e t n d e r K ö s t e n b a u e r h i n e i n i n d i e R a c h ­
s t u b e n . . . « u n d noch 1807 wird ein Wei nzi er lhaus in Kai nburg
bei Leibnitz (östlicher Sausal ) wie folgt b esc hr i eb en: 2)
» D a s W e i n z e r l h a u s i st g e z i m m e r t , m i t e i n e m S t r o h d a c h e , d a r i n b e ­
f i nd e t s i c h e i n e R a u c h s t u b e , e i n e V o r l a u b e u n d e i n e g a n z n e u h e r g e ­
s t e l l t e P r e s s e , d a n n ein k l e i n e r K u h - u n d S c h w e i n e s t a l l . . .«
Dazu s t im m e n vol l st än di g die Berichte vieler alter Bauern,
die mir im g an z en S au s al he ut e n u r m e h r drei Ra uc hs tube n zu
zeigen, aber a u s ihrer J u g e n d zu erzählen w u ß t e n , d a ß da z um a l
noch j e d e s H au s die Ra uc h st u be be se ss e n habe.
Fü r d a s Sulmt al wis se n wir da ss e lb e aus der Schi l der ung
des Herrn Oberst en W e i x l e r , 3) der u m 1840 die Ra uchst uben
noch n a he z u al le in h e rr sc hen d fand.
D aß auch d a s südlich a n g r e n z e n d e Dr a u- u n d Bacherngebi et
noch a m Beginne des 19. J a h r h u n d e r t e s dichtes R a u c h st u b en ­
gebiet war, haben wir im vori gen Kapitel für die Bezirke der
Herrschaften J a h r i n gh o f u nd Schleinitz bei Marburg, Wi ndischgr az
u n d N eu ha us bei Wölian an d er Hand archivalischer Nachrichten
nachgewiesen, ebenso d a ß do r t da s V er br eit ungs ge bie t nach Osten
u nd S üd en scharf a b ge gr en z t war. Dazu führen wir hier noch
eine Be zi r ks be s ch r e i bu n g von M a h r e n b e r g im Dr aut ale v om
J a h r e 1812 an,4) in der es heißt:
»Di e H ä u s e r w e r d e n f a s t a l l g e m e i n a u s Hol z g e z i m m e r t , b e ­
s t e h e n a u s e i n e r R a u c h - u n d e i n i g e w e n i g e a u c h a u s einer
Kaclielstube.«
*) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G r u n d - u n d D o k u m e n t e n b ü c h e r , Ha r r a c h e c k ,
1 7 2 6 - 1 7 5 9 , fol. 2 0 5 1.
2) St e i e r m. L a n d e s a r c h i v , S p e z i a l a r c h i v H o r n e g g , W e i n g a r t e n a m
Lei bni tzber g.
3) H a n d s c h r i f t in m e i n e m Be si t z e ,
4) S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v , G o e t h s c h e Seri e, S c h u b e r 26.
Man s i eh t also, d a ß d a m a l s noch da s einfache R a u c h s t u b e n ­
h a u s ohne Kachelstube die Vorherrschaft hatte. Eine zweite Stelle
b es ag t dass el be für die U m g e b u n g -von P a a l a m nördli chen
B a c h e r n h a n g . 1) Sie bildet ein R a u c h s t u b e n h a u s s o g a r im G r u n d u nd Aufriß ab und berichtet, da ß 1812 » a l l e H äu se r der Bauern von
alter Bauart, niedrig und mit R a u c h s t u b e n ve rse he n« seien.
So ergibt sich also auch nach S ü d o s t e n hin, bis an die Gr enzen
des Ver br ei tungsgebi etes d u r c h a u s eine Dichte der R a u c h s t u b e n ­
häuser, die die heutige u m das Vielfache übertrifft u nd die uns
auch hier die Ra uc h st u be als die bis in den Beginn des 19. J a h r h un d e r te s d u r c h s c h l a g e n d e T y p e e r ke nn e n läßt.
Es e rübrigt nun n u r noch, die wenigen Nachri chten über die
e he ma lige Dichte de r Ra uc hs tu be n im nordöst lichen V er b r e i t u n g s ­
gebiet festzustellen:
Für d a s Ge bi rg sla nd hinter dem Schöckel, für den Z u g der
Fi schbacher Alpen un d für d a s V or au er - Geb ie t g e h t die seinerzeitige
Dichte der Ra u ch s tu b en wohl schon a us der heut igen kla r hervor.
Nachrichten sind u n s d ah e r auch hier wieder n a m en t l i c h für d i e
G eg en de n von Wert, die heute n ur eine geringe Dichte zeigen.
Eine solche Nachricht ist die »P h y si ka t s- Di st r ik ts- Be sc hr ei bu ng «
des k. k. Bezi rksar zt es Dr. Ramschießl über den Bezirk W e i z
v om 31. Mai 1842.2) -Dort hei ßt es im Kapitel 3:
» . . . D i e Ba uer sleute, b e s o n d e r s
im g e b i r g i g e n
Thei l e,
w o h n e n m e i s t e n s in g e z i m m e r t e n H ä u s e r n , w o v o n m e h r e r e n u r
f i n s t e r e , ni e d r i ge , d u m p f e S t ü b c h e n u n d R a u c h s t u b e n , in w e l c h e n
öft ers U n r e i n l i c h k e i t all er Ar t a u f g e h ä u f t ist, e n t h a l t e n . M a n c h e v o n d i e s e n
h a b e n n i ch t e i n m a h l e i n e n g e d i e l t e n Z i m m e r b o d e n . D o c h g i b t es a u c h
mehrere, we nngleich g e zi m m e rte Woh npl ät ze, we lche geräumig, m ind er
n i ed r i g, m i t vi el en, w e n n g l e i c h k l e i n e n F e n s t e r n v e r s e h e n , m i t h i n licht
u n d luftig, h e i t z b a r u n d rei nl i ch g e h a l t e n si nd, l n d e n s ü d l i c h e n
u n d s ü d ö s t l i c h e n e b e n e n G e g e n d e n h a b e n a u c h die B a u e r n
h ä u f i g e r g e m a u e r t e H ä u s e r , d i e a b e r oft u n r e i n e r g e h a l t e n s i n d , a l s j e n e
in de n ge b i r g i gen . «
Das spri cht deutlich für ein A bn eh me n der Ra uc h st ub e vom
Gebirge gegen die Ebene hin, d a s sich im Weizer Bezirk schon
1842 b e m e r k b a r machte. Das s t i m m t s eh r g ut zu a nd e re n N a ch ­
richten a us diesen Landst richen. Im Pischeisdorfer D e k a n a t e r ­
zählte mir der schon 30 J a h r e dor t a ns ä ss i g e Herr Dechant, d a ß
er ni rgends m e h r eine R au ch st ube g es ehen habe. Und w ä h r e n d
im Bezirk de r Herrschaft Münchhofen bei Herberst ein noch 1 8 11 3)
u nd im
Bezirk Pöllau noch 1 8 3 1 ‘) d u r c hw eg s Ra uc hst ube n a n g e ­
geben werden, scheidet die Herrs ch af ts bes ch r ei bu n g a u s Feistritz
bei Hz schon 1811 deutlich W o h n z i m m e r u nd Küche u n d Stüberl . 5)
Dassel be hab en wir im vori gen Kapitel für die Ge ge nd von
Fürst enfel d u n d Fel dbach festgestellt. We n n d a he r J. V. S o n n t a g
0
2)
3)
4)
5)
S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v ,
S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v ,
S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v ,
S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v ,
S t e i e r m. L a n d e s a r c h i v ,
Goethsche
Goethsche
Goethsche
Goethsche
Goethsche
Seri e,
Serie,
Serie,
Serie,
Serie,
S c h u b e r U , Faal.
S c h u b e r 44.
S c h u b e r 27.
S c h u b e r 32.
S c h u b e r 11.
12 fi
in seiner (S. 114), zitierten Stelle die Ra uc h st u be im D e k a n a t
Riegersburg als » n i c h t s e l t e n * bezeichnet, so k a n n da s nur
für den südlichen Teil dieses D e k a n a t s (das Gebiet südlich von
der Raab) gelten, wo wir j a sel bst noch u m J a m m und Kapfenstein R a u c h s t u b e n s p u r e n festgestel lt haben, ln der T a t fügt sich
diese A n n a hm e auch s i n n g e m ä ß g ut in die zitierte Stelle, die ja
in einem Atem auch die D e k a na t e von S t ra de n u n d St. Veit
a m Vogau nennt.
Es zeigt sich also auch a u s de r e hemal igen Dichte dieses
n ordöstl ichen Ra uc hs tu be nb er ei che s wieder deutlich, d a ß der
G renzbogen zwischen Ha rt be rg u n d Hz schon alt sein m u ß u nd
d a ß auch hier die Rau c hs tu be i n n e r h a l b der alten Verbrei­
t u n g s gr e n z e den seinerzeit v or h er r s c h e n d e n T y p u s darstellte.
Z u s a m m e n f a s s e n d ergibt u n s dieses Kapitel klar u nd d e u t ­
lich folgendes: Das ga n z e e h e m a l i g e Verbrei tungsgebi et der
Ra uc hs t ub e n w a r mit A u s n a h m e der wes tl ichs ten u n d nördlichsten
G re nz be zi rk e noch am Ende des 18. u nd a m Beginne des 19. J a h r h u n d e r t e s d i c h t e s u n d d i c h t e s t e s Rauchst ubengebi et. Man
k a n n d a m a l s noch eine durchschnit t li che Dichte von 70 bis
90 P r ozent a n n e h me n . Das Ein dr in ge n der Kachelstube ma c h t
sich u r kundli ch schon vom 16. J a h r h u n d e r t an be me rk b a r, doch
bleibt z u n ä c h s t bis zum Ende des 18. J a h r h u n d e r t e s überall
n e b e n der Kachelstube auch die R a u c h s t u b e im v o l k s t ü m ­
lichen H a us der Os tal pen bestehen. V o r der zweiten Hälfte des
16. J a h r h u n d e r t e s ist eine Dichte der R a uc hs t u b e n von m e h r als
90 Pr ozent g an z sicher für da s g a n z e Verbrei tungsgebiet (die
nä ch ste n U m g e b u n g e n der St ä dt e k a u m a u s g e n o m m e n ) a n z u ­
nehmen. Das he iß t also: es ist g a n z a us ge s c hl os se n, d a ß eine so
fest eingewurzelte, auf so b rei tem La nd st ri ch all einherrschende
W o h n t y p e ein zufälliges, n ur a u s lokalen Bedürfnissen , en t­
s t a n d e n e s Gebilde wäre. Vielmehr m ü s s e n wir hier eine v o l k s ­
tüml iche W oh nf or m er kennen, die mit besiedl ungsgeschicht lichen,
e t hno gr ap hi s c he n Verhäl tnissen z u s a m m e n h ä n g t . Da sich auch
aus der ehema li ge n Dichte a b e r m a l s deutlich n u r n ac h Norden
un d We st en hin ein Abflauen ergibt, w ä h r e n d die Dichte nach
Sü de n u n d Osten hin bis an die G re nz e der ehemal igen V er br e itung
fast u n v e r ä n d e r t bleibt, so m u ß ma n wohl auch d a r a u s wieder
an ein einstiges b esi edl ungsgeschi cht l iches Vordri ngen der R a u c h ­
s tube n von Osten nach Westen, d a s he iß t den Gebieten der Raab,
Mur u n d Drau a uf wä rt s folgend, schließen, w ä h r e n d sich von
Nor dwest en her ein G e g en z ug eines a nd e re n Kul tur ele me nt e s
vollzog.1)
4)
Im v i er t e n (in W . u. S. 9, 1924) v e r ö f f e n t l i c h t e n Teil der G e s a m t ­
a r b e i t w i r d a u s g e f ü h r t , d a ß d i e s e s f l u ß a u f w ä r t s e i n z i e h e n d e E l e m e n t die
v o n d e n S l a w e n h e r e i n g e b r a c h t e pec ( u n s e r s t e i n g e m a u e r t e r [ Back-]Ofen),
d a ge ge n d as v o n N or d w e s t e n h e r e i n dr i n ge n d e der v o n den D e u t sc h en
g e b r a c h t e H e r d wa r .
V olkskundliches aus Schw eden.
Von E u g e n O b e r h u m m e r, Wien.
Anläßlich des 21. A m e r i k a n i s t e n k o n g r e s s e s w a r e n die Teil­
n e h me r zwischen den beiden T a g u n g e n im H a ag u n d G o t e n b u r g
zu einem Besuche der sc hwe dis che n U n i v e r s i t ä t s s t a d t L u n d ein­
gel aden worden. Da sich indessen dieser Besuch in d a s schon
v or he r festgestellte Reisepr ogr ar nm s chwer einfügen ließ, hab e n
leider nur g an z we ni ge a u s wä r ti ge Teilnehmer, Prof. 0 . Aichel a us
Kiel, Prof. A. F. Kr ämer a u s S t u t t g a r t u nd ich selbst, von dieser
Ei nl adu ng Ge br a uc h gemacht . Am Morgen des 19. A u g us t 1924
t rafen wir u n s a m Bahnhof in Malmö, wo wir von Herrn Carlsson,
einem j u ng e n Kunsthistoriker, e mpf ange n u n d nach L u n d geleitet
wur den. Nach der Besichtigung des Dome s u n d des b e so n d e rs
an vorgeschichtlichen S a m m l u n g e n reichen Hi st ori schen M u s e u ms
der Uni ve rsi t ä t ging es z um Kultur hist or ischen Museum, einer
der r ei chhaltigsten u n d eigenart igst en S a m m l u n g e n dieser Art
(nicht n ur in Schweden, s o n de rn in ganz Europa). Es s t e h t u n t e r
der O bh ut des »Kul t ur hi st or ischen Vereines für S üd s c h w e d e n «
und ist in seiner heuti gen Ge s t al t im wesentl i chen eine Schöpfung
seines langj ährigen Di rekt or s G. J : s o n K a r l i n .
Das M u se u m
ist auf einem G r u n d s t ü c k von über 8000 m 2 nach d e m Freiluftu nd Pa vi ll on sy st em a ngelegt u nd u m f a ß t eine Reihe von Baulich­
keiten, teils alte
Originale, teils Nachbildungen von solchen.
He rvor zuheben sind das K a u f m a n n s h a u s nach dem B ü r ge r me i s t er ­
hof in Ys ta d mit den S a m m l u n g e n für Handel u n d geistige Kultur,
das H a n d w e r k e r h a u s nach einem alten Ha us e in Lund, d a s Bür ge r­
h au s von Malmö mit 12 Zim me r ei n ri c h tu n ge n v o m 15. bis
19. J a h r hu n d e r t , d a s H e rr e n h a u s im Stil eines sc hwe dis che n
Herrensit zes v om Anfang des 18. J a h r h u n d e r t e s mi t Waffen­
sammlung', Keramik, Metallarbeit, Te xt ilk un st, T r a c h t e n s a m m l u n g
u. s. w., ein Bauernhof a u s Blekinge, e t w a 200 J a h r e alt, eine
s chindelbekleidete Bl oc kha usk ir c he von 1652, a u s S m â l a n d hieher
versetzt, u m sie vor dem U n t er g an g zu retten, u n d anderes.
Ueberall ist der G r u n d s a t z verfolgt, die En t wi ck l un g jeder
Kulturform von ihren Anfängen übersichtlich darzust ell en. Der
Rei cht um an Einzelobjekten ist ger ad e zu verblüffend, k o n nt e aber
von u n s n u r in einem r aschen Ueberblick erfaßt werden, da
schon bald nach der in den R ä ume n des M u s e u m s v on ,me h r e re n
Damen u n d Herren des Vereines d a rg eb ot en e n gastfreundlichen
Be wi rt ung die Kraftwagen zu einer Fahr t in das Innere von Schonen
berei tstanden, ich k a n n da h er n ur noch auf die von Direktor
Karlin uns freundlichst ü b e r l as s e n en Schriften a us seiner Feder
v er wei sen: »Das Kulturhistorische Mu se um zu L u n d 1882 — 1911«,,
eine vorzügliche, wenn a uc h wohl durch den n euer en Z u w a c h s
des M u s e u m s über hol te Ueber sicht mit guten Abbildungen, u nd
die ausführlichere Beschr eibung »Ku lt ur hi st or i sk a Muse et i Lund«
in zwei Abteilungen 1918.
Die F a h r t dur ch Schonen, deren Route ich erst nachträglich
auf s p ä t e r beschafften Karten f eststellen konnt e, führte a u s der
S t a d t z ue r st nach Norden an m e h r er e n Schl össern u nd Siedlungen
vorbei, d ann o s t w ä r t s durch teils bewaldetes, teils wohl a n g e ­
ba ute s Kul t ur land an die ziemlich g ro ß e Was ser fläche des Wornbsees (Vämbsjö), e t w a 5 km lang, 3 km breit, in der Mitte von
Schonen gelegen. An der Nor dost ecke des Sees liegt 0 e v e d sk l o s t e r , ein z um v o r n e h m e n Herrensitz u m g e st a lt e t e s e h e ­
mal iges Kloster im Besitz des G r o ß g r u n d b e s i t z e r s Baron Ramel.
Wi r w u r d e n dort von de r Schl oßher rs chaf t in lie be nswü r di g st er
Wei se durch die im Stil des a u s g e h e n d e n 18. J a h r h u n d e r t e s ein­
geri cht eten R äume u n d den pr äc ht i ge n P a r k geleitet u n d mit
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Erfrischungen bewirtet. Dann gi ng es weiter nach Sü de n zu dem
n u r auf der to p og r ap h i sc h en Karte 1: 10 0. 00 0 v er zei chneten Gehöft
O e s t a r p . Dieser, w en n ich nicht irre, 1810 ge ba ut e Bauernhof
w u r d e v o m Kul tur histor ischen Verein angekauft , u m ihn d a u e rn d
in sei nem u rs pr ün gl ic he n Z u s t a n d zu erhalten. Die Insassen
wu r d e n auf einem neuen Gehöft in der Nähe angesiedelt. Der
Platz v o r d em Hof in einer hoc hge le ge nen Wal dl ic ht un g mit
einem Wi r t sc ha ft sg e bäu d e ist für Volksfeste best immt.
Der Hof selbst, e ingeschossi g mit Strohdach, erinnert in der
ä us s er en Fo rm an unsere. Vierkanter. Die bei st ehende Skizze ist
von mi r g an z flüchtig nach dem A u g e n m a ß a uf ge n om me n u nd
soll nur zu einer vorläufigen O r ie nt i e ru ng dienen. Es ergibt sich
a us der Skizze, d a ß zwei T r a k t e des Viereckes für W o h n r ä u m e ,
die zwei a nd e re n für W i r t s c ha f ts r äu m e dienen, letztere zum Teil
ü be r das Viereck hinausgreifend. Der W o h n t r a k t ist, s owe it ich
die Situation in der Er inn er un g habe, nach Süden gerichtet. Der
126
Hof hat ein Areal von 1 8X22 Schritt. Im H a u p t t r a k t ist der
wichtigste Raum die Wo hn st ub e , die zum Schlafen u n d Essen
dient. Nur von d o r t aus g e la ng t m a n in einer Ecke in die kleine,
gemüt liche Kammer, wo der Bauer sein Bestes v er wa hr t. We d e r
Kinder noch Dienstboten dürfen dieselbe betreten. Im Hof befindet
sich der Br u n ne n mit einem Schöpfeimer an einem mä cht ige n
Balken, der in einem g es pa lt en e n B a u m s t a m m liegt.
Erst nach Niederschrift dieses klei nen Berichtes erhielt ich
Einblick in die von K a r l i n kürzlich h e r a u s g eg e be ne reichhaltige
u nd vorzüglich
a us g es t a t t e t e
Mo n o g r a p hi e »Ku l tu r hi st or i sk a
Mu se et s Oe st ar p« L u nd 1924, 90 Seiten mit 29 Il l ustrat ionen u n d
3 Karten, die durch die Freundli chkei t des Ver fasser s jetzt in der
Bibliothek des M u s e u m s für V o l ks k u nd e zu finden ist. Das W e rk
e nt hä lt eine ausführliche Dar s tel lung der Lage u n d Ge sc hi ch t e
des G u t e s Oe st ar p u nd seiner U m g e b u n g mi t s ehr i n t er ess ant en
Rep r o d uk ti on e n alter Ka ta st e ra u fn ah me n , die sich jedoch auf da s
g e s a m t e G r u n d s t ü c k beziehen u nd den Gut shof sel bst n u r in
kl einem M a ß s t a b e rk e nn e n lassen. Ein Spezialplan des Hof gebäudes
ist darin nicht enthalten.
Nach Besichtigung des Gehöftes, mit d e ss en E r w e r b u n g sich
der Kul turhistorische Verein ein g r o ß e s Verdienst u m die Vo l ks ­
k u n d e S c h we d en s e rwor be n hat, v e r s a m m e l t e n sich die Tei l n e h me r
noch zu einer ani mier ten Ab e ndmahl zeit im Wi r tsc ha fts ge bäude ,
dem Mittel punkt der gelegentlichen vol ks t üml ic he n V e ra ns ta ltunge n.
Leider m u ß t e n wi r un s schon bald ver abschi eden, u m mi t dem
Auto nach Mal mö zu fahren u n d d or t den Z u g nach G o t e n b u r g
zu erreichen. Auch in G ot en bu rg , wo a m n ä chst en Morgen die
zweite T a g u n g des Kongr ess es eröffnet wur de , fehlte es nicht an
einem vo lks kundl ic he n Einschlag, indem uns beim Aben de mp f an g
des Präfekten, G o u v e r n e u r 0 . v. Sydow, reizende Tä nz e in der
Nat i onal tr acht ve rs c hi e de ner G a u e S c h w e de n s vorgef ühr t wurden.
Von den reichen, volks ku nd li ch e n Sc hä tz en des Nordischen
M u s e um s in S to c kho lm zu sprechen, da s ich a n s c h li e ße n d an
den Kon g r e ß zu b e s uc h en Gel egenhei t fand, w ü r de den R a h me n
dieser kleinen Mitteilung weit überschreit en u nd n ur a llge me in
B e ka nn te s wiederholen können. Hier sollte n u r der unve rg e ßl ic he n
Ei ndrücke g e da c ht werden, die wir der T ä ti gk ei t u nd G a s t ­
freundschaft des Kul turhi st ori schen Verei nes in L u nd ve rd a n k e n.
Das S alzburger Volkskunde-M useum .
Von
Julius
Leisching,
Sa l zb u r g .
Als d em Sa lz b u r g e r S t a d t m u s e u m zu Beginn des J a h r e s 1924
sei tens der Sal zburger S t a d t g e m e in d e d a s s o g e n a n n t e » M o n a t s ­
s chl ößchen« im H e ll b r u n n e r - P a r k zur B e nü tz u n g a nge bot e n wurde,
w a r im Ber ichterstatter ein alter W u n s c h der Erfüllung n ä he rge rück t:
die Anlage eines F r e i l ic h tm u se u ms nach nor di schen Vorbildern.
Einmal schien es al lerdi ngs schon früher dazu k o m m e n zu
wollen: d a s w a r im J a h r e 1911, als die S ta d t I nns br uc k durch
Ankauf der alten W e i he r bu r g a m linken Innufer einen prächt igen
G r u n d z ur Anlage eines V o l k s p a r ke s g e w on n e n hatte, w ä h r e n d
i hm gegenüber , a m rechten Innufer, die I nns br ucker Handels- u nd
G e w e r b e k a m m e r schon seit m e h r e r e n J a h r e n einen e n t sp r ec he nd en
Bauplatz b e s a ß zur E rr icht ung des l ä ng st geplanten Ne uba ue s
für d a s M u s e u m tirolischer V o l ks ku ns t ; die d a ma l s schon von
Dr. Kofler a nge re gt e Schaffung eines Fr ei li ch t mu s e u ms ist von
mir, auf W u n s c h der I nn sb ru ck er Kammer , e inge he nd geprüft u n d
auf der Bozner T a g u n g des V e rb a nd e s österreichischer Museen
eindringlich erörtert u n d auf da s w ä r m s t e empfohlen worden, im
vollsten E inver ständni s mit de m aus gezeichneten, leider zu früh
aus dem Leben ge sc hie de ne n Di rekt or des Inn sb ru ck er Mu s eu ms
Dr. v. Radinger. Der Plan w a r z u schön, als d a ß er verwi rkl icht
w o r d e n wäre.
Inzwischen hatte, inmitten der Kriegsnot, Gr az durch die
T at kr a ft Direktor Dr. V. G é r a m b s in der h öc hst eigenartigen
Anlage des lä ngs t auf gel assenen u n d zuletzt als Spital v e rwe nd et en
K ap uz in e rk l os te rs eine sehr glückliche L ö s u n g für sein Steirisches
V o l k s k u n d e m u s e u m gefunden, dem j a durch seine An lehnung an
den Ab ha n g des S chl oßb er ge s die Möglichkeit einer Freilicht­
b e nü tz u ng g ebot en ist.
S al zb u r g blieb indes auf die l ä ng st ü b e r rä u mt e n, gerade für
Vol k sk u nd li c he s so ga nz u nd g a r u nge eigne te n Gel as se des alten,
3 00jähr igen Salz- und G et r ei de spe ich e rs beschr änkt, eingepfercht
zwischen W o h n h ä u s e r u n d Ursul inenkl oster , ohne jegliche Mög­
lichkeit irgendei ner Erweiterung.
Da lag der Ge da nke , dort h i n au s in die w u nd e r b a r e Natur
Hellbrunns den g a nzen b äuer li chen H a u s r a t zu verlegen, nahe
genug. Und, geringe Fährlichkeiten abgesehen, ist binnen wenigen
Monat en im F r ü h j a h r 1924 die Ue ber si edl ung gel ungen u nd
s cheint sich recht g u t zu b ewä hr en .
Auch uns bleibt die eigentliche »Freilichtanlage« vorerst
noch ein s c hö n er Wuns ch. Doch i mme rhin ein erfüllbarer. Denn
r ingsum, im Fels- u nd d u r c h a u s ur wü ch si ge n Wa ldg el än de des
hier k e i n es w eg s » pa rkar tigen«, s o n d e r n g a nz unebenen, von b e­
s che id en en W e ge n d u r c h z o g e n e n G eh eg es , wo ja auch noch
i mm er die Hirsche wie in alter Zeit sich g an z heimisch fühlen,
ist für die nächs te Zu k u n f t die allmähliche E r b a uu n g typi scher
H ä us e r der S a l zbur ger » Gaue« geplant, sowie einer kleinen Wa ld kapeiie.
Da du rc h wird das »Mo na ts s c h i ös se i« nach u n d nach die
w ü n s c h e n s w e r t e E n t l a s t u n g erfahren. Denn tr ot z de m ich mich
von Anbeginn auf das rein » B ä u e r l i c h e « be sc h r ä nk t e u n d
g r undsät zli ch davon alles s o n s t » vo lk sk un d l ic h« g e n a nn t e Klein­
bürger lich- Gewer bl iche — als S t a d t k u l t u r — s tr eng g etr ennt
128
habe, v e r m e h r t sich nach alter E r fa hr ung ge ra de eine v o l k s ­
kundl iche S a m m l u n g doch bekanntl ich wie ein Kaninchen.
W a s sich dem Beschauer dor t bisher bietet, ist eine Reihe
von S tubeneinr ichtungen, die zwischen den kleinen vergitterten,
l a ub u m h e g t e n Fe ns te rn u n t er niedriger Decke d u r c h a u s »echt«
wirken. Es ist ja eine Irreführung, v on einem »Schlößchen« zu
s pr ec he n; es ist ein sehr rasch, w e nn auch solid aufgeführter,
g an z b escheidener L a n d b a u des J a h r e s 1612, also in den schlichten
Fo rme n der z ie ra rmen s p ät en Renaissance, u n d selbst sein einziger
g r öß er er Saal im zweiten St oc k leistet auch für u n s e r e Z we cke
gute Dienste.
Eine » P i n z g a u e r Stube«, an ihren g an z b ema lt e n Möbeln
kenntlich, die oft von Tiroler kirchlichen W a n d e r m a l e r n g es c h m ü c k t
wurden, ist durch eine uiigemein lehrreiche Folge von Oelstudieii
b e s o nd e rs s ehens wer t. Sie ha t ein P i n z ga u er bäuerlicher Ab­
s t a m m u n g , M a i e r von Wald (i. P.), a u s dem e ingeborenen
V er st än dn i s für seine H e im at gemalt, H äu se r i'n ihrer c h a r a k t e ­
ristischen Lage, da s Innere s a m t allem H a u s r a t ; es gibt g a r
keinen besser en Einblick als diese auch malerisch gu te n Bilder.
Die b ena c hb a rt e » P o n g a u e r St ube « ist durch reich ge ­
schni tzt e Rokokomöbel, G e s c h e n k eines G a s t ei n e r M u s e u m s ­
freundes, ausgezei chnet . Sie b e k u nd e n nicht n u r den älteren und
g r ö ß e r e n »kulturellen« Rei chtum der a r b ei ts a me n G ol db a ug eg end ,
s on d er n auch die un be s tr e it ba r e Ta ts ac he , d a ß m a n nicht von
einem » g e s u n k e n e n Kulturgut« spr echen kann, wo es sich um
u rw ü c hs ig e u n d d u r c h a u s a us eigener Emp fi nd u n g quellende
Ae u ß e r un g e n ländlicher, wenn auch
»stilistisch« gerichteter
Ku n s ta rb e it handelt.
Der für Oesterrei ch b a h n b re c he n de V o l k s ke n n e r Michael
Haberl andt, d e m wir mit diesen G r ü ß e n u n s e r en D a nk u n d die
herzlichsten G l ü c k wü n sc h e darbri ngen, hatt e d es hal b völlig recht,
j ü n g s t an dieser Stelle V e r w a h r u n g einzulegen gegen die irrige
Auffassung, als » sinke Kulturgut«, we nn es in bäuerlichen Kreisen
v e rw er t et wird. Freilich sind die R o k o ko s c h n ö r k e l u n s e r e r
P o n g a u e r Möbel keine Ponga ue r, s o n de r n eine a us Frankr ei ch
eingeführte Erfindung. Oder eher südlichen Einflüssen zuzuschreiben,
d a u n s e re Alpenländer seit dem 17. J a h r h u n d e r t n a t u r g e m ä ß den
südlichen Winden m e h r a us ge se tz t waren, als im v e r k e h r s ­
a r m e r e n Mittelalter. Und g er ad e j ene südliche Kirchenstilistik hat
— dur ch die W a n d e r u n g tirolischer Ki r c he nma le r — auch auf
das s alzburgische weltliche H a u s ge r ät und M öb el we rk Einfluß
g e wonne n. I mm er indes in g an z urwüchsiger, w e i l n i c h t
s c h u l m ä ß i g e r , s o n d er n völlig freier, u n e r z w u n g e n e r Ver­
arbeitung.
Die n e be na n gel egene » W e b s t u b e « bringt u n s ja leicht
in Erinner ung, wie ge ra de die ländliche Weberei u n d Stickerei
k e in e s w e g s bl oß eine m i ß v e r s t a n d e n e u n d v e r de r bt e St a dtkul tur ,
129
s o n de rn e t w a s d ur ch w e gs Sel bs tä nd i ge s gibt; so g ut wie die
»deutsche« Renai ssance doch nicht e t w a eine m i ß v e r s t a n d e n e u nd
v er de rbte W i e d e r k ä u u n g der italienischen darstellt.
Im ersten Obe rs toc k gibt es d ann noch eine Er in ne ru ng an
d a s fleißige,, we ge n seiner G l au b e n s t r e u e vert riebene Landvol k:
die St ube des prot est an t is ch en Be r g ma n n e s Schaitberger, der 1733,
v er bannt, in Nür nber g starb. Der alte sc hwa rz e Bauernofen s t a m m t
a u s sei nem Halleiner Hause. Eine » K a p e l l e « ist wegen ihrer
zahlreichen, oft auch tr acht engeschichtl i ch höchst b e m e r k e n s ­
we rt e n »Votivbilder«, die die ganze Alt ar wand überziehen,
sehenswer t.
Die d a ne be n vereinigten bäuerlichen Tracht en, teils in
Figurinen, teils in S c h a u s c h r ä n k e n übersichtlich dargeboten, e r­
läutern die ve rs chie de nen T yp en des Flachgauer, Po.n- u nd Pi nz­
g au e r wie L u n g a u e r Bauern in ihrer Fest- un d Wer kt racht, wofür
noch i m m e r milde Ga be n a us der ländlichen Be vö lke ru n g einlaufen.
Es ist geplant, einmal in einer kleinen Au ss te ll un g durch Ne be n­
e i na nd e r st e l lu ng salzburgischer, oberösterreichischer, steirischer
u nd k ä r n t n er i s c h er wie b ay ri sc he r Hut formen zum Beispiel die
A b w a n d l u n g g e m e i n s a m e r G r u n d t y p e n in ihre me i st recht v e r ­
schiedenar ti gen Ausl egungen festzustellen, w a s ja bei Gr e nz ­
b e wo hn er n g a r nicht so einfach ist; man d e nk e n ur daran, da ß
ge ra de Sa lz bur g durch seine bis zum Zillertal einerseits, a n d e r e r ­
seits nach Kärnten hinüber gr eif ende W i r k s a m k e i t einen sehr
regen Ve rk eh r besaß, der ge wi ß auf die Kleidung nicht minde r
eingewir kt hat, wie e tw a auf politische Ehrgeize.
Der gr o ß e H a u p ts a al im Ob er st oc k ist als T u m m e l p l a t z für
all die Br äuche des festlichen J a h r e s wie geschaffen. Hier g r ü ß t
der wegen seiner u ngebühr li chen Höhe s c h w e r unt e rz ubr in ge nd e
T a m s w e g e r » Sa ms o n« und die Oberndorfer »Schiffergarde«, auf
deren T h e a t e r v o r h a n g da s alljährlich im S o m m e r auf der Salzach
zwischen Oberndorf u n d Laufen ve ra ns t al t e te »Schifferstechen« zu
sehen ist. W ei hna ch t u n d Dreikönig mit den »St er nsi nger n«, die
zum Teil gr oßar ti gen, wirklich s c hr ec kha ften » P e r c h t e n m a s k e n «
de r Ra uh n äc h te — an denen sich a m besten e r ke nn e n läßt, da ß
es sich sel bst bei der Ma ske k e i n e sw eg s u m » g e s u n ke n es Kultur­
gut« s tädt is cher Fa s tn a c h t s s c he r z e h a n de l t (eher umg ek ehr t !) —
d an n die Os t e rb r äu c he mit dem »Pa lme se l« u n d den »Ratschen«,
der » Ma ib au m« u nd die Tragfi guren zu »Fronl eichnam«, d a zwi schen
die Pi nz ga ue r u nd P o n g a u er »Bl umen- , Spiegel- u nd Vogel­
perchten«, die P o ng a ue r » Pr an g e r sc h üt z e n « ;— es ist schon ein
recht b un te s Bild, an dessen V e rv o l l k o m m n u n g natürlich u n u n t e r ­
brochen fortgearbeitet wird, d a es z um Gl ück noch nicht zu
sp ä t ist.
So g elangt eben j etzt in ei nem Nebenr aum, als E r gä nz un g
zu m festlichen J a h r der Ge sa mt he it, der Lebensl auf des Einzelnen,
v on Wiege u n d T r a u a l t a r bis z u m T o t en b r e tt u n d der » L e b e n s ­
lange« zur Neuaufstellung.
130
G er ade diese Pi nz ga ue r Tot en br et t e r aber g e m a h ne n , d a ß sie
eingentlich ins Freie gehören! So wie die Marterln u nd die
Schützenscheiben.
Es wird also nicht früher g er uh t w e rd e n dürfen, bis diese
Anfänge wirklich in den Wa ld h i na us s t r a hl en, als Sa lzbur gi s ches
»Frei luft-Museum«.
Zwei alte österreichische G esellsch aftssp iele.
Von E d m u n d
1. D a s
F r i e ß, W i e n .
H e x e n k a r t e n s p i e l . 1)
Es w a r der a b en dl än di sc he n Auf kl är ung des 18. J a h r h u n d e r t e s
zu da nk e n , d a ß die He xe n pr o ze s se in der Rechtspflege aufhörten,
w e nn auch die einzelnen S t a a t e n dabei zeitlich nicht gleichen
Schritt hielten.2) Es liegt auf der Hand, d a ß eine bäuerliche
Bevöl ker ung, die doch i mme r z ähe an den alten G e wo h n he i te n
festhält, erst s p ä t e r sich davon l os sagen konnte, wie dies a m
besten die Hi n r ic ht un g der Hexe von Gl ar us im J a h r e 1782
illustriert.3) Ist doch noch he ut e bei den Bauern in Oesterreich
der G l au be an Hexen nicht völlig v e r s ch w u n d e n . 4)
ln de r zweiten Hälfte de s 18. J a h r h u n d e r t e s dürfte auch
die H e xk a r t e a u f g e k o m m e n sein; ihre Herkunft ist bisher u n b e ­
k a n n t . Jedenfalls w a r sie in der Biedermeierzeit bei den St a dt u n d M a r k t b ü r g e r n von Oesterreich ob der Enns allgemein b ekannt.
Das K ar t en ma le rge we rb e w u ß t e sie b e s o n d e r s k ün s t le ri sc h a u s ­
zust att en. Im 19. J a h r h u n d e r t w u r d e n sie in Bu chdr ucker ei en
hergestellt, so zum Beispiel in de r Druckerei Friedrich Eurich in
Linz u m 1860, woz u auch eine Anleitung zum Spiele beigegeben
p l i e b e r S p i e l k a r t e n i m a l l g e m e i n e n vergl. R. v. E i t e l b e r g e r , U e b e r
S p i e l k a r t e n m i t b e s o n d e r e r R ü c k s i c h t a u f e i n i g e in W i e n b e f i n d l i c h e alt e
K a r t e n s p i e l e , in M i t t e i l u n g e n der k. k. Z e n t r a l k o m m i s s i o n z u r E r f o r s c h u n g
u n d E r h a l t u n g der B a u d e n k m a l e , V., W i e n 1860. E i t e i b e r g e r b r i n g t d a r i n
h a u p t s ä c h l i c h die E n t w i c k l u n g de s i t a l i e n i s c h e n T a r o c k s p i e l e s s o w i e d e r
a u s F r a n k r e i c h s t a m m e n d e n ä l t e r e n u n d j ü n g e r e n P i q u e t k a r t e , die er v o n
d e r k ü n s t l e r i s c h e n S e i t e h e r b e t r a c h t e t . Di e H e x k a r t e e r w ä h n t er ni cht .
D e s g l e i c h e n i s t sie a u c h u n b e r ü c k s i c h t i g t g e l a s s e n in d e m m i t O. A. g e ­
z e i c h n e t e n F e u i l l e t o n , Sp i e l k a r t e n , in d e r » De u t s c h ö s t e r r e i c h i s c h e n T a g e s ­
z e i t u n g « v o m 31. Mai 1925, W i e n . L e i d e r w a r m i r n i c h t z u g ä n g l i c h
K. A. Bi er d i mp f el , Die S p i e l k a r t e n d e s B a y e r i s c h e n N a t i o n a l m u s e u m s , 1884,
s o w i e der S p e z i a l k a t a l o g de s g e r m . M u s e u m s in N ü r n b e r g .
2) U e b e r d a s F e s t h a l t e n d e s H e x e n g l a u b e n s in N i ed e r ö s t e r r e i c h i m
17. J a h r h u n d e r t , vergl. m e i n e M i t t e i l u n g i m M o n a t s b l a t t de s Ve r e i n e s
f ür L a n d e s k u n d e v o n Ni e d e r ös t e r r e i c h, 1921.
3) I m K a n t o n G l a r u s w u r d e n o c h i m J a h r e 1782 ei n M ä d c h e n al s
H e x e h i n g e r i c ht e t . J o h a n n e s Sc h e r r h a t in s e i n e r M e n s c h l i c h e n T r a g i ­
k o m ö d i e Tl., L e i p z i g 1874, d i e s e n A k t m e n s c h l i c h e r B e s c h r ä n k t h e i t z u r
Darst ell ung gewählt.
4) Di e s gi lt n i c h t n u r f ür Oe s t e r r e i ch , s o n d e r n a u c h z u m Beispiel
f ü r N i e d e r d e u t s c h l a n d , w i e m a n a u s O t t o Lauffer, N i e d e r d e u t s c h e V o l k s ­
k u n d e , L e i p z i g 1923, S. 76 ff., e r s i eh t .
w u r d e . 1) ln di e se m Kartenspiele, da s 32 Kar tenblät t er enthält,
rangi er en zu höchst die zehn s o g e n a n n t e n Anschrei- oder Anruf­
kart en, die u n t e r e i na n de r nicht gleichwertig, s o n d e r n in fünf R a ng ­
stufen g r u pp i er t sind. Den oberst en Ra ng b e ha up t e n zwei »Vogel
Pfeiff«, die p h a n ta s ti sc h e Vogelgestalten darstellen, d a n n folgen
der Reihe nach a b w ä r t s zwei »Katzen«, » E in ke h rw i r t sh a us « u nd
»Ma ut ha us« , zwei Soldat en u nd zwei »Reiter«. Da ra n reihen sich
die in a rabis chen Zahlzeichen g e ha lt en en Zifferkarten, laufend
von 1 bis 12, wovon der Zwölfer als der h öc hs te gilt. Die
zehn schl echt est en Karten bilden die Wü r st e, die Teller, die
Gläser, der Narr und die Hexe, von denen je zwei v o r ha nd en
sind. J e d e r Spiel tei l nehmer e r hä lt bei der Austeilung n u r eine
Karte, die er, we nn sie ihm zu we n ig g u t dünkt , mit der seines
z u r Li nken sitzenden Nachbars wechsel n kann. Letzterer ist dazu
g e zw un g e n u nd k a n n nur d an n des T a u s c h z w a n g e s sich entziehen,
w e nn er eine Anrufkart e in der Ha nd hält. Un d z w a r be ga nn der
Ka r te n ta u sc h der Spielregel nach bei der Vo r d e r ha n d u nd m ac ht e
s t r e ng e n a ch der Si t z or dn un g die g a n z e Ta fe lr un de der Mitspieler
durch. Falls dem Ge b e r seine Karte mißfiel, s t a n d ihm das Recht
zu, vom restlichen Ka rt en b l oc ke die zu o be r st liegende Karte
dafür ei nzut auschen. Dieses Kart enspiel w a r mit dem Himmel u nd Höllefahren, das noch he ut e in Ue bu n g steht, in Ver bi ndung
g e br a ch t wor den. We n n der Spieler im Besitze einer hoh e n Karte
sich befand, w o r u n t e r die Anschrei- u nd Zifferkarten ger ec h n e t
w ur de n, u nte rl ie ß er die T a us c h a u f f o r d er u n g mi t dem Ausspruche,
»ich bleibe«. Und d a mi t t r a t eine T a u s c h s p e r r e zwischen ihm
nnd seinen linken Nachbarn für d a s laufende Spiel ein. Schl i mm
erging es d e m T a u s c h s u c h e n d e n , w e n n er auf einen Spieler stieß,
d e r gl ücklicher Besitzer einer A ns c hr ei ka rt e war. Wer eine Anruf­
k a r t e hatte, rief den T a u s c h e r an m i t einem Pfiff beim Vogel
Pfeiff, mit ei nem »Miau« .bei d e r Katze, mit d e m Wo r t e »Einkehrt «
beim E i nk e hr wi r ts h au s , mi t »Auszahlt « beim Mau t ha us e , mit
» We r da« beim Sol dat en u n d mi t »Halt« beim Reiter. Der An­
gerufene m u ß t e m i t seingm Spielstein oder Bohne eine Stufe n ä he r
d em Höl lenrande fahren, beim Pfiff des Vogels Pfeiff jedoch hat t e
er u m zwei Stufen zu rücken.
Das T a u s c he n d aue rt e so lange an, bis ma n zu einem
Spieler k am, der bereits »geblieben« ist. Dann folgte das Umd r eh e n
der Karte auf die Aversseite. W e r die s chl echt est e Karte vorwies,
m u ß t e seine Bohne eine Stufe n ä he r d em Höllenrande rücken.
Das Spiel fand so lange seine Wieder hol ung, bis der vorletzte
Sp ie lte il ne hme r die Hölle erreichte. J e d e r Spieler, der mit seiner
Bohne in die Hölle geglitten war, w ar von der weiteren Teilnahme,
an dem Spiele a usg esc ha l te t; er w a r unterlegen. We r mit einem
s o l c h en »Teufel« in B e r ü h r u n g t rat , oder ihm eine A n t wo r t gab
ü E i n E x e m p l a r b e f i n d e t s i c h i m B e s i t z e d e r F r a u L u i s e Fr i eß in
W a i d h o f e n a. d. Yb b s . A u c h d a s M u s e u m f ür W a i d h o f e n a. d. Y b b s u n d
U m g e b u n g b e s i t z t in s e i n e r S p i e l k a r t e n s a m m l u n g ein H e x e n k a r t e n s p i e l .
132
m u ß t e mit seiner Bohne eine S t u f e ’ n ä h e r dem Höl lenr ande rücken.
Dieselbe Strafe traf auch den Oeber, wenn er a u s U n a c h t s a m k e i t
dem Teufel eine Karte ausfolgte, sowie den g e da n k e n l o s e n Spieler,
der seinem Nachbarn, welcher bereits Teufel g e w o rd e n wa r, eine
Karte z um T a u s c h e vorlegte. We nn ein Spieler bereits Teufel
g e wo r de n war, k o n n t e er sich, in dem Falle noch ein Engel, da s
ist ein Spieler, der noch keine Höllenstufe e r k l o m m e n hat, v o r ­
h a n d e n war, a us , der Hölle erretten und b e k o m m t n euer di ngs
eine Bohne, die jedoch . auf der er st en Stufe der Höllenleiter
a n g e se t z t w e rd e n mußt e.
Dieses Spiel w u r d e in bürgerlichen Fami l ienkr eisen in langen
Wi nt er nächten, b es on de rs a m We i hn ac ht s- u nd Si lvesterabend,
gespielt, wozu öfters s e l bs tg eb r au t er K r amb ambu li g e t r u n k e n ,
wurde. Zu A u s g a n g des 19. J a h r h u n d e r t e s ist es gänzlich a u ß e r
Uebung gekommen.
II. E i n a l t e s P f ä n d e r s p i e l i m m i t t l e r e n Y b b s t a l e .
Beim nachfolgenden Pfänderspiel gibt der Spielleiter sei nem
an der T i s c h r u n d e sitzenden Nachbarn ein S t ü c k Riemen oder
auch einen a nd e r en G e g e n s t a n d mit den W or t e n:
1. Da h a s t ’ n Ream (Riemen), wo der Schlüssel d r anh än gt .
Der Nachbar ergreift den G e g e n s t a n d u n d wi ed e rh ol t die
Wor te u n d setzt hinzu:
2. D’ Ma us bei ßt ’ n Ream.
Der Dritte ha t ebenso die Wor te seiner beiden. Vor gänger
zu wiederholen u n d noch d a ra nz uf ü g en den Satz:
3. D’ Katz beißt d ’ Maus.
J e d e r der wei ter en Spiel t ei lnehmer h a t die g a n ze Rede vom
Anfang an zu wiederholen u nd eine weitere Zeile hinzuzufügen,
wobei er se ine m Nachbar n den G e g e n s t a n d übergibt.
4. Der Hu nd beißt d’ Katz.
5. Der Prügel erschl agt den Hund.
6. Das Feuer ve rz eh r t den Prügel.
7. Das W a s s e r d ämpf t da s Feuer.
8. Die T r ea ns c hl (Name einer Dienst magd) h olt ’s Was ser .
9. Der Geist Budischneblawitz s c h r e c k t die Tr eanschl.
10. Der Ge is t Budischnebl awit z w o h n t in d e m Schlosse
Gr a nd aa ga bi di .
11. Das Schl oß Gr a nd a ag a bi d i s t e ht auf dem Berge J e do m a h ow it z k o .
12. Unter dem Berge J e d o m a h o w i t z k o fließt der Fluß J e r a m s a s .
Diese Wor te m u ß t e n schnell ges pr oc he n w er d en u n d jeder
Spielteilnehmer, der st ecken blieb oder sich ver spr ach, m u ß t e
ein Pfand hergeben, worauf da s Spiel von vorne wie d er u m an gef angen
wurde. Dieses Pfänderspiel w a r in den Fünfziger- u n d Sechziger­
j ahr en des vorigen J a h r h u n d e r t e s in Waidhofen a. d . Ybbs g e b r ä u c h ­
l i c h , ' s t a m m t vielleicht a u s d em ober öst er reichi schen Mühlviertel
(Perg), wor auf auch da s V or k o mm e n slawischer N ame n deutet.
Zegga:
Die M ünze als Sch m u ck .
A b b . 1.
Zegga:
Die M ünze als S chm u ck .
A b b . 2.
Zegga:
Die M ünze als Sch m u ck .
A b b . 3.
Zegga:
Die M ü n z e a ls S chm u ck .
Zegga:
Die M ü n z e al s S c h m u c k .
S c h m i d l : T rachten von S ü d w e s t- B u l g a r i e n .
3. A r o m u n i s c h e F r a u e n a u s R i l a .
4. B a u e r n a u s D i v o t i n o ( Q r a c h o v o ) .
Wopfner:
A b b . 1.
Uebev ein e alte Form des alpinen H ausb a ues.
A u f n a h m e Dr. W o p fn e r.
O b e rs te s H a u s in P fa ffla r
(links v o m Bach).
A b b . 2.
nuniauuit:
O fen in P faffla r.
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