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brennpunkt
2/2015 4,00 Euro
31. Jahrgang
Magazin für Fotografie
April bis Juni 2015
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene
Portfolio Horst Einfinger
FÜR ORIGINALE
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen
Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere
mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de
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P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:
brennpunkt
Magazin für Fotografie
Erscheint vierteljährlich,
erhältlich in Fotogalerien,
Geschäften, Buchhandlungen
und über Abonnement.
Jahresabo 13,50 Euro
Einzelpreis 4,00 Euro
Konten:
Postbank Berlin
Konto-Nr. 375 106 104
BLZ 100 100 10
Redaktionsschluss:
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat
Herausgeber:
edition buehrer
c/o Dietmar Bührer
Odenwaldstraße 26
12161 Berlin
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27
e-Mail: [email protected]
Internet: www.edition-dibue.de
Copyright bei Edition
Druck:
schöne drucksachen
Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin
Redaktion:
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.
Michael Gebur
Elke Tesch
Klaus Rabien
Manfred Kriegelstein
Udo Rzadkowski
Hinweis:
Für unverlangt eingesandte
Manuskripte und Fotografien
wird keine Haftung übernommen.
© Sebastião Salgado, Large sand dunes
between Albrg and Tin Merzouga, Tadrart.
South of Djanet. Algeria. 2009.
Galerien
 Liu Xia – Fotografin aus China .............................................................................
 Sebastião Salgado »Genesis« .............................................................................
 Ruud van Empel »Souvenir« ..............................................................................
 Volker Wartmann »Nur mit blauen Überziehern ...« ............................................
 Boris Eldagsen »how to disappear completely« ..................................................
 Robert Polidori ...................................................................................................
 Eduardo Blidner »Argentine Iron Flowers« .........................................................
 Efraim Habermann »Schwarz–Weiss« .................................................................
 Harry Croner »Fotografien aus vier Jahrzehnten« ...............................................
 ECHOES OF WAR – Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg ..............................
 Silvia Sinha »Brandmauern« ................................................................................
 Rainer König – Berlinische Fragmente ................................................................
 James Higginson .................................................................................................
 Ragnar Axelsson »Nordland« ..............................................................................
 FLORIAN MERKEL »Portraits und Stadtlandschaften« ..........................................
 Arnold Odermatt »90th Birthday« .......................................................................
 Der Löffel raubt den Winterschlaf .......................................................................
 DAS FENSTER .....................................................................................................
 Dieter Matthes »Travestie« ..................................................................................
 »Ostkreuz Crossroads« People of(f) FhainXberg ..................................................
 Nuschi Kelm, Ursula Kelm, Angela Kröll »DREI sehen VIER« ..............................
 Amin El Dib »Inszenierte Bildnisse« ....................................................................
 Berger, Böttcher, Brabetz, Czichowski, Forsten, Kelm, Kröll, Oehler ...................
 Ursula Kelm »Gesichter aus Amerika« ...............................................................
 Peter Fischer-Piel »so oder so« ............................................................................
 Daniel Samanns »Wet Plates« .............................................................................
 Russel James »Angels« ........................................................................................
 Kathrin Tschirner ................................................................................................
 Fred Baumgart, Helmut Baumann, Winfried Matern............................................
 Berlin Photography – Bürgin, Hillig, Machalowski, Profitlich ...............................
 Bill Perlmutter .....................................................................................................
 Dagmar Kolatschny »Sunny« ...............................................................................
 Anne De Gelas »Mère et Fils« .............................................................................
 Michael Lange »Fluss« ........................................................................................
 Ritter, Roudière, Jouvet .......................................................................................
 Gilbert Garcin »Mr. G.« ......................................................................................
 World Press Photo 15..........................................................................................
 »Vom Neuen Sehen zur Fotokunst«.....................................................................
 Metropolis – Hauptstadtarchitekturen .................................................................
 Eddie Bonesire »Im Krieg sagtest Du einmal...« ...................................................
Galeriebesprechungen
 Bilder und Wortgebilde (Klaus Rabien) ..............................................................
Ausstellungen
 Pietro Donzelli....................................................................................................
 Platon »Service« .................................................................................................
 Karin Maria Zey ..................................................................................................
 Sandra Bartocha »von Bäumen ...« ......................................................................
Portfolio
 Horst Einfinger und die kreative Reduktion in der Photographie ..........................
Fotoszene
 Interview mit Bill Perlmutter (Bertolt Prächt) .......................................................
 Pepper´s Photo Chat – Marit Beer........................................................................
 Wo - wie - und warum stellt man aus? (Manfred Kriegelstein) .............................
Buchbesprechungen
 Jan Sobottka »KITCHENWORK« ........................................................................
 Jörg Rubbert »Paris–New York–Berlin« ..............................................................
 Beatrice Minda »Iran. Interrupted« .....................................................................
 Tom Byrtes »Face the moment 1 und 2« ...................................................................
 Just One Flash / Punktlandung / LUMIX LX100 ........................................................
Vorschau 3-2015 ...............................................................................................................
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Galerien
Liu Xia
Fotografin aus China
Liu Xia zählt zu den bemerkenswerten
Fotografinnen im gegenwärtigen China.
Sie fotografiert in Schwarzweiß. Zentraler Gegenstand ihrer künstlerischen
Arbeit sind Puppen. Liu Xia ist mit dem
Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo
verheiratet, der seit 2010 in China in
Haft ist. Auch Liu Xia steht seit vielen
Jahren unter Hausarrest. Sie kann in
China nicht ausstellen.
Der Martin-Gropius-Bau zeigt etwa 50
ihrer Fotografien.
© Guy Sorman
Untitled Photograph by Liu Xia from the
»ugly babies« series, 1996-1999
© Guy Sorman
Untitled Photograph by Liu Xia from the
»ugly babies« series, 1996-1999
LiaoYiwu, © Jim Glanzer
© Guy Sorman, Untitled Photograph by Liu Xia from the »ugly babies« series, 1996-1999
bis 19. April 2015
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin-Kreuzberg
© Guy Sorman
Untitled Photograph by Liu Xia from the
»ugly babies« series, 1996-1999
Mi – Mo 10 – 19 Uhr
Dienstags geschlossen
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Galerien
Sebastião Salgado
»Genesis«
C/O Berlin präsentiert »Genesis« – eine
Ausstellung des französisch-brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado,
gestaltet und kuratiert von Lélia Wanick
Salgado.
Archaische Vulkanlandschaften, arktische Eismassen, mäandernde FlussCanyons, nebelumhüllte Gebirgsketten, ursprüngliche Regenwälder und
endlose Sanddünen – Genesis ist eine
visuelle Hommage an den blauen Planeten. Der Fotograf Sebastião Salgado
dokumentiert in opulenten SchwarzWeiss-Fotografien die überwätigende
Schönheit und die Artenvielfalt unberührter Flora und Fauna sowie indigener Völker. Sein ästhetisch beeindruckender, großformatiger Bilderzyklus ist
das Ergebnis einer langjährigen Expedition mit dem Ziel, über das Medium
Fotografie das Bewusstsein für die Kostbarkeit der letzten unberührten Winkel
der Erde zu schärfen. Das Genesis-Projekt ist Sebastião Salgados Appell an die
Zivilisation, einen Teil des Planeten in
seiner Ursprünglichkeit und faszinierenden Diversität zu bewahren.
46 Prozent der Landmasse auf der Erde
sind immer noch so unberührt wie am
Tag der Schöpfung und haben sich in
der Erdgeschichte bisher kaum verändert. Innerhalb von acht Jahren hat © Sebastião Salgado, Marine iguana (Amblyrhynchus cristatus). Galápagos. Ecuador. 2004.
Sebastião Salgado 32 Reisen in diese
Gebiete unternommen – in kleinen sich zwischen Großwild, Dünenwogen, Erstmals in seinem Œuvre wendet SebasPropellerflugzeugen, zu Fuß, mit dem Lava, dem Okavango-Fluss und inmit- tião Salgado verstärkt seinen Fokus vom
Schiff, im Faltkanu und im Fesselbal- ten des Nomadenvolks der Dinka im Menschen ab und richtet seinen Blick
lon. Er war unterwegs in klimatischen Sudan. An den Northern Spaces faszi- auf die sogenannte nature morte sowie
Extremen und unwegsamen Gebieten nieren Sebastião Salgado große Rentier- die Tier- und Pflanzenwelt. Formal
fernab jeglicher Zivilisation. Genesis herden am Polarkreis, die Kamtschatka- bestechen seine Fotografien durch feine
ist inhaltlich in fünf Kapitel unterteilt: Halbinsel, die zerrissenen Bergmassive Schattierungen und Grauabstufungen
Planet South zeigt die Galapagosinseln Alaskas und die Menschen, vom Eis sowie scharfe Hell-Dunkel-Kontraste.
mit Seelöwen, Kormoranen, Pinguinen überkrustet samt ihrer Schlitten, Hunde Gerade aufgrund der bewussten, ruhisowie Wale in der Antarktis und im Süd- und Zelte. Amazônia präsentiert Alliga- gen Komposition aus klaren Strukturen,
atlantik. In Sanctuaries bereist Sebas- toren und Jaguare an den den Flussläu- Linien und Formen üben seine Bilder
tião Salgado isolierte und artenreiche fen des Amazonas, Negro und Juruá eine starke Anziehungskraft aus.
Zonen wie Madagaskar, Sumatra und sowie das Volk der Zo’é im Dschungel
West-Papua und porträtiert die Bewoh- Brasiliens.
C/O Berlin präsentiert als erster Ausstelnern der Mentawaiinseln sowie den
lungsort in Deutschland Sebastião SalStamm der Korowai. In Africa bewegt er
gados Genesis mit 245 Fotografien. Die
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Galerien
sowie der globalen Migration – nicht nur
Flüchtlinge und Vertriebene, sondern
auch Zuwanderer in den Megastädten
der Dritten Welt. Sebastião Salgado, der
zunächst in der renommierten Agentur
Magnum Mitglied war, verließ diese
und vermarktet seine Fotos durch die
Agentur Amazonas Images, die er 1994
zusammen mit seiner Frau Lélia Wanick
Salgado gegründet hat.. Seit den 1990er
Jahren engagieren sie sich zusammen
für ein Umweltprojekt (InstitutoTerra),
das sich um die Aufforstung an der brasilianischen Atlantikküste sowie die
ökologische Ausbildung der Landwirte
kümmert. Der Fotograf wurde mit zahlreichen Fotopreisen ausgezeichnet –
unter anderem mit dem Eugene Smith,
dem Hasselblad- und dem Oskar Barnack-Preis.
Er lebt und arbeitet in Paris.
© Sebastião Salgado, Elephants are hunted by poachers in Zambia, so they are scared of humans
and vehicles. When they see an approaching car, they usually run quickly into the bush. Kafue
National Park. Zambia. 2010.
Vernissage
17. April 2015, 19 Uhr
© Sebastião Salgado, Typically, the women in the Zo’é village of Towari Ypy use the »urucum«
(Bixa orellana) red fruit to color their bodies. Pará State. Brazil. 2009. Sanctuaries
Ausstellung wurde von Lélia Wanick Organisation (ICO) in London und kam 18. April bis 16. August 2015
Salgado kuratiert. Im Taschen Verlag ist erst spät als Autodidakt zur Fotografie –
ein Buch erschienen.
seit 1973 ist er als Fotojournalist von C/O
Sebastião Salgado, geboren 1944 in Bra- Paris aus tätig. Sebastião Salgado foto- (im Amerika Haus)
silien, gehört zu den sozial engagierten grafiert selbst ausgewählten, weltwei- Hardenbergstraße 22-24
Fotografen in der Tradition der sozialdo- ten Langzeitprojekte in Schwarz-Weiß- 10623 Berlin-Charlottenburg
kumentarischen Fotografie. Der promo- Bildern. Von 1986 bis 1999 widmete
vierte Ökonom arbeitete als Verwaltung- er sich hauptsächlich der Dokumenta- täglich 11 – 20 Uhr
sangestellter für die International Coffee tion des Endes des Industriezeitalters Eintritt 10 Euro
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Galerien
Ruud van Empel
»Souvenir«
Zum Gallery Weekend Berlin eröffnet
die Galerie WAGNER + PARTNER am
1. Mai 2015 die Einzelausstellung des
renommierten holländischen Fotokünstlers Ruud van Empel. Bekannt wurde
van Empel mit seiner Serie »World«, in
der er adrett gekleidete farbige Kinder in
exotischen Dschungelwelten postierte eine Paradieswelt, bunt, schillernd und
zugleich ambivalent.
Die Ausstellung Souvenir zeigt einen
Überblick über das Werk Ruud van
Empels, der mit seinen ausdrucksstarken Foto-Montagen das Thema Kind- Ruud van Empel, Identity #3, 2014, Cibachrome
heit unter dem Blickwinkel der biogra- 84 x 59,5 cm, Ed. 10, © Ruud van Empel
fischen Erinnerung und der Unschuld Courtesy WAGNER + PARTNER and Flatland
immer wieder neu beleuchtet. Zentra- Gallery
les Motiv sind dabei faszinierende und
zugleich verstörende Portraits von Kin- Diese digitalen Foto-Collagen erinnern
dern, für die er seine eigene Bildspra- an Werbetafeln oder Filmsets einer TVche entwickelt hat: die Kinder schauen Soap.
stets frontal mit offenem, selbstbewuss- Die verschiedenen Serien eint van
ten Blick in die Kamera. Sie stehen in Empels Ansatz der Foto-Montage, der
naturähnlichen Landschaftsszenen, die eine Gleichwertigkeit aller Motive
an künstliche Arrangements in Fotostu- behauptet. Virtuos eingesetzt, führt
dios erinnern.
sie den Betrachter in eine realistische
anmutende Welt, in die er ähnlich
Inhaltlich schließt van Empel an die flä- eines Theaterregisseurs Menschen und
mischen Traditionen des Portraits und Gegenstände aus seiner Vorstellung insStilllebens an, wobei er zwischen der zeniert. Seine Collagetechnik arbeitet
Bildsprache der Massenmedien und mit der dem Foto immanenten Suggesnostalgischen Einflüssen eine gekonnte tion von Wahrheit, die auf Grund der
stilistische Balance hält. Seine Affinität digitalen Überarbeitungsmöglichkeiten
zur Popkultur und Werbung zeigt sich von Fotografien als Fiktion enttarnt wird,
in der grellen Farbigkeit seiner Foto- und stellt insofern einen sehr zeitgenösgrafien aber auch in dem typisierten sischen Umgang mit dem Medium FotoAussehen der Kinder, die wie Puppen grafie dar.
ausgewählte Kleidungsstücke präsentieren. Dabei spielt er mit Klischees Van Empel (*1958 Breda NL) lebt und
sowie deren Verfremdung und hält den arbeitet in Amsterdam und studierte an
Betrachter bewusst in einer ambivalen- der Academy of Fine Arts Sint Joost in
ten Haltung.
Breda. In den vergangenen 3 Jahren
WAGNER + PARTNER zeigt neben fanden Einzelausstellungen im Noordneuen Arbeiten auch Werke aus frühen brabants Museum, im Fotomuseum AntSerien, in denen die Referenzen an Wer- werpen, im Groninger Museum (NL)
bung und Filmsets noch deutlicher sicht- sowie im MoPA Museum of Photograbar sind. In der Office-Serie aus dem phic Art in San Diego, USA statt. Seine
Jahr 1996 warten Männer und Frauen Arbeiten sind in zahlreichen Privat- und
hinter großen Schreibtischen in absurd öffentlichen Sammlungen international
angefüllten Geschäften, die alle mit nur zu finden, wie in der Generali Foundaeiner Ware handeln, auf Kundschaft. tion und der Sir Elton John Collection.
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Ruud van Empel, World #34, 2008, Cibachrome
84 x 59,5 cm, Ed. 10, © Ruud van Empel
Courtesy WAGNER + PARTNER and Flatland
Gallery
Ruud van Empel, The Office #40, 2001, Digital
Print on paper, 30,8 x 35cm, Ed. 15
© Ruud van Empel, Courtesy WAGNER +
PARTNER and Flatland Gallery
Sonderöffnungszeiten zum
GALLERY WEEKEND BERLIN
Samstag, 2. Mai 2015, 12 – 18 Uhr
Sonntag, 3. Mai 2015, 12 – 18 Uhr
1. Mai bis 13. Juni 2015
Galerie WAGNER + PARTNER
Strausberger Platz 8
10243 Berlin-Friedrichshain
Di – Sa
13 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
[email protected]
Galerien
Volker Wartmann
»Nur mit blauen
Überziehern rin hier«
Einblicke in das
Innenleben der
Stiftung Warentest
Zu ihrem 50-jährigen Jubiläum gewährte
die Stiftung Warentest dem Fotografen
Volker Wartmann im Herbst 2014
einen Einblick in ihr Innenleben, das
normalerweise für die Öffentlichkeit
tabu ist. Ergebnis sind Fotografien mit
Perspektiven, wie sie selbst langjährige
Mitarbeiter nicht kennen. Wartmanns
außergewöhnliche und teils skurile
Bilder sind eine liebevolle Hommage
an die unbestechlichen Warentester.
Volker Wartmann, (O.i.F.)
Volker Wartmann, (O.i.F.)
Volker Wartmann, (O.i.F.)
bis 12. Juni 2015
Stiftung Warentest
Lützowplatz 11-13
10785 Berlin-Schöneberg
Volker Wartmann, (O.i.F.)
Volker Wartmann, (O.i.F.)
Mo – Fr
7 – 19 Uhr
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Galerien
Boris Eldagsen
»how to disappear
completely / THE
POEMS«
Der Künstler Boris Eldagsen erschafft
mit Photographien, Video und wandfüllenden Plakaten eine Installation, die
mit Elementen von Film, Theater und
Malerei spielt und speziell für den Projektraum | PhotoWerkBerlin konzipiert ist. Aus einem künstlerischen Prozess, der inszenierte Photographie mit
Street-Photography vereint, entstehen
spektakuläre und traumhafte Bilder.
Auf der Suche nach dem, »was die Welt
im Innersten zusammenhält« produziert Eldagsen Nachtaufnahmen voller
Rätsel, Spiegelungen und Schatten,
zeitlose Archetypen, Archetypen, die
den Betrachter auf das eigene Gefühl
zurückwerfen und deren Wirkung sich
über das Unbewusste entfaltet.
In seiner fortlaufenden Serie »how to disappear completely / THE POEMS« hinterfragt er Realität und deren Auflösung
in radikal suggestiven Bildern die keine
Geschichte, sondern einen Zustand beschreiben.
Boris Eldagsen ist in der deutschen
Photoszene ein Solitär, der sich keiner
Schule zurechnen lässt. Seine Photound Video-Arbeiten wurden in Galerien
und Institutionen weltweit gezeigt.
Wichtige Stationen waren:
Fridericianum Kassel, Deichtorhallen
Hamburg, European Media Art Festival
Osnabrück, MAK Wien, Edinburgh Art
Festival, Moscow Museum of Modern
Art, Australian Centre of Photography
Sydney, Encontros da Imagem Braga,
Biennale Le Havre und Biennale of Electronic Arts Perth.
Boris Eldagsen, how to disappear completely / POEM #88 (2013)
Boris Eldagsen, how to disappear completely / POEM #90 (2013)
bis 3. Mai 2015
Projektraum | PhotoWerkBerlin
Kommunale Galerie Berlin
Hohenzollerndamm 176
10713 Berlin-Wilmersdorf
2013 gewann er den Prix Voies Off des
gleichnamigen Festivals in Arles.
Boris Eldagsen studierte Philosophie
und Bildende Kunst in Mainz, Köln,
Prag und Hyderabad.
www.PhotoWerkBerlin.com/Projektraum
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Boris Eldagsen, how to disappear completely /
POEM #100 (2013)
Mo – Fr 10 – 17 Uhr
Mi
10 – 19 Uhr
So
11 – 17 Uhr
Galerien
Robert Polidori
In Arbeiten aus mehreren seiner berühmten Serien sind in der Ausstellung ausschließlich Arbeiten zu sehen, die noch
nie zuvor gezeigt wurden – darunter vier
epochale Unikate des Künstlers.
Der Fokus der Ausstellung liegt auf
Robert Polidoris umfangreicher Dokumentation der Umbau- und Restaurationsarbeiten im Schloss Versailles, die
er über einen Zeitraum von 25 Jahren
intensiv photographisch begleitet hat.
Die prunkvollen Räume, die aufwendigen Restaurierungsarbeiten am Schloss
in den 80er-Jahren bis zu den präzisen
Details, die Robert Polidori zu seinen
Subjekten auserkoren hat, geben dem
Betrachter einen Einblick in die Vergangenheit dieses geschichtsträchtigen Ortes, die so behutsam konserviert
wird. Gleichzeitig verbindet sich die
Historie mit der Gegenwart und lässt
die glanzvolle Ästhetik dieser sorgsam
geschmückten, verzierten und doch
längst vergangenen feudalen Welt neu
erleben.
Den Werken von Robert Polidori
wohnen eine anmutige Stille, eine präzise komponierte Ästhetik, eine farbenfrohe Komplexität und Kraft inne. Die
Detailgenauigkeit der großformatigen
Arbeiten ermöglicht es dem Betrachter,
die Oberflächenstrukturen und Formen
mit dem Auge regelrecht abzutasten:
eine komplexe Bildfläche, welche die
Räume auf ganz neue Weise erfahren lässt. Der Berührungspunkt zwischen Alt und Neu ist ein wiederkehrendes Motiv in Robert Polidoris Arbeiten. Subtil versteht er es, die Schnittstellen zwischen Alt und Neu aufzuspüren
und dabei nach dem »emblematischen
Moment« eines Ortes zu suchen – die
Einheit aus Vergangenheit und Gegenwart. Die von ihm photographierten
Räume, obwohl vollkommen menschenleer, erzählen mit ihrer einzigartigen Patina oder ihrem höfischen Glanz
mannigfache Geschichten.
Dabei ist der Photograph ein Meister in
der räumlichen Ästhetik und Komposition. Seine Arbeiten sind komplexe Stillleben, die in ihrer Farbigkeit und einzigartigen Qualität eine Kulisse für die Fan-
© ROBERT POLIDORI, DARBANGA GHAT, VIEWED FROM THE BOATS LEADING INTO THE
GANGA VARANASI, UTTAR PRADESH, INDIA, 2003
tasie des Betrachters bilden. In der friedvollen Stille sowie in der Detailgenauigkeit seiner Werke liegt eine außergewöhnliche Kraft.
Neben nie zuvor gezeigten Arbeiten
von Versailles zeigt die Einzelausstellung auch ausgewählte neue Arbeiten
von Robert Polidori, die in Kuba und in
den USA entstanden sind.
Robert Polidori
Der 1951 im kanadischen Montreal
geborene Robert Polidori lebt in New © ROBERT POLIDORI, HAVANA CAR
York und Paris. Umfangreiche Photo- GARAGE, 157 AVENIDA BRAZIL, HAVANA
reportagen in Zeitschriften wie »The VIEJA, HAVANA, CUBA, 1997
New Yorker«, »Architectural Digest«,
»Geo« oder »Vanity Fair« begründe- Bildband »Parcours Muséologique Reviten Polidoris internationalen Erfolg, der sité« mit der monumentalen photogradurch Preise wie den Deutschen Foto- phischen Dokumentation des Schloss
buchpreis oder den Alfred-Eisenstaedt- Versailles.
Award offiziell gewürdigt wurde. Robert
Polidoris Arbeiten wurden nicht nur in bis 18. April 2015
zahlreichen Galerien, sondern auch in
international renommierten Museen Galerie Camera Work
wie dem Metropolitan Museum of Art in Kantstraße 149
New York, dem Musée d’Art Contempo- 10623 Berlin-Charlottenburg
rain de Montréal und dem Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt.
Di – Sa 11 – 18 Uhr
Zudem sind zum umfangreichen Werk
Robert Polidoris zahlreiche Publikatio- Homepage:
nen erschienen, unter anderem der mit www.camerawork.de
dem Liliane Bettencourt Prix de la Pho- Facebook:
tographie ausgezeichnete, dreibändige www.facebook.com/cameraworkberlin
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Galerien
EDUARDO BLIDNER
(Buenos Aires)
»Argentine Iron
Flowers«
S/W-Fotografien
Blidner hat früh erkannt, dass Bilder uns
im Medium des Erscheinens menschliche Erfahrungen nahe bringen. Im Bild
der Kunst werden menschliche Arten
der Weltbegegnung zur Darbietung
gebracht, wobei die Form der Darbietung der Historizität unterliegt.
Dies belegen die Photographien von
Blidner, der gleichsam seinen Dialog
mit dem weiblichen Körper der »TangoBilder« weiterführt, wenn auch radikaler. Zu den neuen Photos inspirierte
ihn vor allem die Kunst der Renaissance. In der Renaissance steht die Idealisierung der Natur, zu der auch der
menschliche Körper zählt, im Vordergrund, wobei Schönheit der Natur als
Verwirklichung einer Idee betrachtet
wurde. In der Renaissance vereinigt
sich der Code der Perspektive mit dem
Code der Anatomie um Schönheit in der
Darstellung des Menschen zu erreichen.
Leon B. Alberti setzt die Inszenierung
der Figuren und Körper mit der inhaltlichen Konzeption des Gemäldes gleich
und misst ihr grosse Bedeutung zu: Als
Beispiel dieser Ansicht sei Sandro Botticellis »Primavera« genannt. Botticelli
faszinierte das Drama des Körpers. Blidner faszinierte und beeindruckte auch
der Barockmaler Peter Paul Rubens.
Rubens Dialog mit seiner zweiten Frau
und Modell Helene Fourment, deren
barocken Körper er sehr bewunderte
und ihre Schönheit öfters in Gemälden
darstellte.
Blidners Photographien sind ein Versuch, die Renaissance wieder zu beleben. Seine Photos holen die Körperlichkeit in unsere Erfahrung zurück, weiten
Erkenntnis aus zu einer eigenen Inszenierung von Imagination mit unseren
Sinnen. Die Gesten und Posen, die an
die Art von Athleten erinnern, haben
eine kraftvolle Ausdrucksweise und
betonen das Erlebnis sinnlicher Erfah12
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© EDUARDO BLIDNER, »VIOLET«
rung. So ist der Ausdruck dieser »Iron
Flowers« in Bildern ästhetisch entäusserte Subjektivität, die ihren Sog auf die
Wahrnehmung des Betrachters ausübt.
Die Art und Weise, wie die »Iron Flowers« ihre Körper inszeniert haben,
darf als der Versuch gewertet werden,
Antike- und Renaissanceskulpturen
wieder zu beleben. Ihre Gesten, Posen
und der ihnen inne wohnende Rhythmus lassen ein Spiel von Mysterium und
Realität enstehen. Die »Iron Flowers«,
die sich Dahlia(Dahlie), Gardenia
(Gardenie), Jasmin, Orchid(Orchidee),
Poppy,(Mohn) Tulip(Tulpe) und
Violett(Veilchen) nennen, sind Athleten, die ihre Körper zu Plastiken formten, was eine kraftvolle und sinnenfrohe
Kunst hervorbrachte, der ein poetischer
Rhythmus inne wohnt.
© EDUARDO BLIDNER, »MAGNOLIA«
Blidners Photographien irritieren in
einer Radikalität und Freizügigkeit
unsere Imagination, bringen dann aber
einen ästhetischen Sinn hervor, den wir
ohne das Gefühl von Scham geniessen bis 27. April 2015
dürfen und die Anlass zur Quelle produktiver Phantasie werden können.
Galerie Carlos Hulsch
KUDAMM-KARREE
Laudatio zur Vernissage
Kurfürstendamm 206-208
von Prof. Alex Baumgartner,
Eingang:
Februar 2015
Lietzenburger Straße 80
10719 Berlin-Charlottenburg
Di – Fr
15 – 19 Uhr
Galerien
Efraim Habermann
»Schwarz-Weiss«
In Efraim Habermanns Brust ruhen zwei
Seelen, eine konstruktive und eine realistische, was bei ihm zu einer bestechenden Synthese von Rationalität und
Emotionalität führt. Kaum könnte das
spezielle Potential der jeweiligen Gattung, die Abstraktion des gezeichneten
Bildes einerseits und die darstellende
Gegenständlichkeit des auf Realität
bezogenen Fotos andererseits, überzeugender zum Ausdruck kommen als
in Habermanns Inszenierungen. Die
Tuschezeichnung wird noch stärker zum
Bild und das Foto wird noch stärker zur
Kunst. Die Ausstellung zeigt die große
Vielfalt der Werkgruppen (Venedig und
Lido, Berliner Szenen und Architektur,
Milieu) deren bestechende Klarheit und
Präzision sofort ins Auge sticht. Efraim
Habermann arbeitet ausschließlich
im Medium der Schwarz-Weiss-Photographie und schafft höchst präzise,
sehr ruhige Darstellungen, die sich mit
Fragen von Realität und Abbildung, mit
Zeit und Vergehen und Festhalten von
Zeit und vor allem mit Schatten und fein
nuancierten Abstufungen von Grautönen beschäftigen. Die hier gezeigten
Werke sind präsent und einnehmend.
In ihrer Klarheit strahlen sie Stille und
Ruhe aus und wirken teilweise meditativ. So wohnt den Bildern von Venedig
etwas Magisches inne, er wählt architektonische Elemente (Kulturforum, Treppe
der Neuen Nationalgalerie) als Symbole um seine Empfindungen über die
Gefühlsebene in das Medium der Photographie zu übertragen. Die Fotos präsentieren eine vergangene Wirklichkeit
und werden dadurch zu einem kontemplativen Zeichen. Einige Fotos, so die
bereits erwähnte Treppe oder die Fensterfront lassen den späteren konstruktivistischen Zeichner aufscheinen.
Seine Themen sind sehr unterschiedlich
doch in ihrem Ursprung durchaus verbunden, dass es sich nicht um spontane
Schnappschüsse sondern um wohlüberlegte und geplante Aufnahmen handelt,
die mit viel kompositorischer Raffinesse
und mit größter Präzision und technischer Perfektion realisiert werden. Die
© Efraim Habermann
© Efraim Habermann
Photographien werden zu einem dynamischen und statischen Gebilde. Es
repräsentiert gleichsam einen eingefrorenen Blick, der eine starke Suggestibiltität beim Betrachter auslöst. Efraim
Habermanns Photographien ist auch
ein faszinierendes spielerisches Element
inne wie z.B. die Verwendung ungewohnter Perspektiven sowie konstruktivistische Schattenspiele. So gelingt ihm
seine Inszenierung von Welt, von der
er Bilder liefert, in der man mehr von
ihr versteht, als ihre Oberfläche preisgibt. Die Welt wird dabei zum Stoff der
Imagination und wir ahnen in Habermanns Photographien, dass wir in
ihnen unsere eigenen Bilder empfangen.
Habermann photographiert mit seiner
Leica ausschließlich analog. Alle Photographien sind Handabzüge auf Barytpapier in limitierter Auflage von 3 bis
max. 5 Exemplaren.
Die Photographie bewahrt die traditionelle Rolle der bildenden Künste, sie
erhält das Verhältnis zur Wirklichkeit
(u.a. Zentralperspektive, Fluchtpunkt
und bezieht ihre ästhetische Bedeutung
aus der Interpretation dieser Wirklichkeit, während zeitgenössische Malerei
überwiegend die Abstraktion, also die
selbstbezügliche Gestaltung der Fläche
als eine Gesamtheit von Form und Farbe,
zum Thema hat.
Obwohl für ihn die bildnerischen Mittel
Fläche, Linien und Bildraum dazu tendieren, nichts außer sich darzustellen, wohnt seinen Zeichnungen Witz,
Leichtigkeit und Humor inne. Es handelt sich dabei nie um ein Abbild von
Natur, sondern eher als Aufdeckung des
visuellen Strukturplans der Natur. Die
Grundformen der Zeichnungen sind
Dreieck, Kreis, Quadrat. In der Farbgebung beschränkt er sich auf die Nichtfarben weiss und schwarz.. Das Ergeb-
nis der Zeichnungen Habermanns ist
ein dem Bilde virulent innewohnender
Rhythmus, der eine gewisse Fröhlichkeit und Heiterkeit ausstrahlt, und die
Genese von Zeitlichkeit und Räumlichkeit aufzeigt.
Efraim Habermanns Tuschezeichnungen
ermöglichen die Erfahrung von entstehendem Sinn. Es spielt sich ein ständiger
Kreislauf von Erspüren von Kontrasten
und Rhythmus, von Fabulieren, Erkennen und Erfinden ab. Im Erkennen der
Phänomene eröffnen diese ihr Wechselspiel, was wir als Resonanz erleben und
uns beglücken kann, ebenso wie seine
geglückten Aufnahmen.
Prof. Alex Baumgartner, Berlin, 2015
Vom 5. Mai bis 30. Juni 2015 werden
im Buchhändlerkeller
in der Carmerstraße 1,
10623 Berlin - Charlottenburg
12 s/w-Berlinfotos von Efraim Habermann
gezeigt.
Vernissage am Dienstag,
5. Mai 2015 um 18 Uhr.
Vernissage
30. April 2015, 19 – 21 Uhr
30. April bis 10. Juli 2015
Galerie Carlos Hulsch
KUDAMM-KARREE
Kurfürstendamm 206-208
Eingang:
Lietzenburger Straße 80
10719 Berlin-Charlottenburg
Di – Fr
15 – 19 Uhr
brennpunkt 2/2015
13
Galerien
Bühne West-Berlin
Fotografien von
Harry Croner aus vier
Jahrzehnten
Das Stadtmuseum Berlin präsentiert eine
Auswahl von rund 250 Berlin-Fotografien aus den Jahren 1946 bis 1988. Die
Ausstellung im Märkischen Museum
ermöglicht erstmals einen Blick auf das
vielfältige Gesamtwerk des Pressefotografen Harry Croner (1903–1992) und
gliedert sich in sechs Räume zu den
Bereichen Stadtbild, Portrait, Reportage, Bühnenfotografie. Ob Sechs-TageRennen, Kellner-Derby, Miss-Wahl,
Modenschau, Theater-premiere, Filmfestspiele, Jazz-Fest oder Presseball –
Croner begleitete das Stadtleben jener
Zeit stets mit seiner Kamera. Harry Croners Fotografien sind die Chronik einer
Epoche und zugleich eine Hommage
an eine kleine Insel der Weltpolitik, die
vor allem eines war, eine große Bühne
für die Kultur.
Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Der Amerikanische Präsident John F. Kennedy mit Regierendem
Bürgermeister Willy Brandt in der Kongresshalle«, 26. Juni 1963
Zu Fuß oder mit der Bahn durchquerte
Harry Croner die Stadt, dokumentierte in eindrucksvollen Serien nicht
nur Plätze und Straßen, sondern setzte
auch bekannte wie unbekannte Berliner ins Bild. 40 Jahre begleitete der Bildjournalist das Leben in West-Berlin: den
Wiederaufbau und das Entstehen neuer
Wahrzeichen, große und kleine Ereignisse des Alltags, Prominenz aus Kultur
und Politik, ganz besonders das GescheHarry Croner © Stadtmuseum Berlin »Romy Schneider verabschiedet sich von ihren Fans«,
hen auf den Bühnen der Stadt.
VII.
Internationale Filmfestspiele Berlin, 1957
Croner ging es nie um den skandalösen Schnappschuss, vielmehr sprechen
seine Bilder eine seriöse journalistische absolvierte er eine kaufmännische jedoch aufgrund seines jüdischen Vaters
Sprache. Jenseits von Glamour und Sen- Lehre, war bei verschiedenen Automo- als »wehrunfähig« entlassen. Zurück in
sation entstanden besondere Moment- bilfirmen als Werbeleiter und schließlich Berlin arbeitete er zeitweise wieder in
und Porträtaufnahmen wie die einzig- als Reiserepräsentant der Bayerischen seinem Geschäft. 1944 kam Croner in
artige Serie mit dem Schauspieler Klaus Motorenwerke tätig. Als er sich 1933 in ein Arbeitslager und geriet im März
Kinski in dessen Berliner Wohnung Berlin-Wilmers-dorf mit einem eigenen 1945 in amerikanische Gefangenschaft,
(1960). Mit vielen der in Berlin leben- Fotogeschäft selbstständig machte, hatte aus der er erst im April 1946 entlassen
den oder hier gastierenden Künstler ver- er wohl bereits eine Karriere als Fotograf wurde.
band Croner eine langjährige Bekannt- im Auge. Er verkaufte nicht nur Kameras Erst jetzt, mit 43 Jahren, begann seine
schaft.
und Zubehör, sondern fertigte auch Por- Karriere als freier Pressefotograf, der
Späte Karriere als Fotograf
trätaufnahmen an. 1940 wurde Croner vor allem für die Berliner TageszeitunHarry Croner wurde am 16. März 1903 eingezogen und kam als Kriegsbericht- gen Der Abend, Telegraf und Der Tagesin Berlin geboren. Von 1920 bis 1922 erstatter an die Westfront, wurde dann spiegel tätig war. 1971 erhielt er auf Vor14
brennpunkt 2/2015
Galerien
Harry Croner © Stadtmuseum Berlin
»Bahnhof Zoologischer Garten«, 1947
Harry Croner © Stadtmuseum Berlin
»Die John-Tiller-Girls werben für die
1. Internationalen Varieté-Festspiele«,
Potsdamer Straße vor dem Sportpalast, 1960
Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Daliah Lavi und Charles Aznavour auf den XIII. Filmfestspielen«,
1963
Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Prozess
Gladow-Bande: Die Urteilsverkündung«,
Berlin 1950
Der Nachlass
Mit Unterstützung der Stiftung Preußische Seehandlung konnte im Februar Harry Croner © Stadtmuseum Berlin
1989 das umfang-reiche Archiv (rund »Der Regierende Bürgermeister Prof. Otto Suhr
100.000 Schwarz-Weiß-Fotografie und als Wurstmaxe«, 1955
über 1,3 Millionen Negative), erworben werden. Ein repräsentativer Teil
Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Claudia
des Nachlasses wurde 2013 digitalisiert, bis 28. Juni 2015
Cardinale auf dem Filmball«, 1964
unterstützt von der Servicestelle Digitalisierung des Landes Berlin. Rund 8.000 Märkisches Museum
schlag des Regierenden Bürgermeisters Fotos sind bereits online unter
Am Köllnischen Park 5
Klaus Schütz das Bundesverdienstkreuz. https://sammlung-online.stadtmu- 10179 Berlin-Mitte
Harry Croner starb am 27. September seum.de/
1992 in Berlin.
www.stadtmuseum.de
Di – So 10 – 18 Uhr
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15
Galerien
ECHOES OF WAR
Fotografien aus dem
Zweiten Weltkrieg
Ungewöhnliche Annäherung
Russisch-amerikanische Fotokünstlerin
kuratiert Vintage-Fotografien aus dem
Zweiten Weltkrieg
Die Ausstellung ECHOES OF WAR zeigt
ausgewählte fotografische Originalaufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die erstmals in einem künstlerischen Kontext zu sehen sind. Die historischen Fotografien erzählen individuelle Geschichten und nehmen unterschiedliche Blickwinkel ein – sowohl
was Ort und Anlass ihrer Entstehung
betrifft, als auch in Bezug auf ihre Provenienz. Die Aufnahmen stammen vor
allem aus Deutschland, England, Frankreich, Polen, Russland und den USA. Sie
bilden den Grundstock der fotografischen Vintage-Sammlung der Fotografin Benita Suchodrev.
Erworben auf Auktionen, im Rahmen
privater Recherchen bei Zeitzeugen und
Sammlerkollegen sowie auf Flohmärkten in zahlreichen Ländern konnte die
russisch-amerikanische Fotokünstlerin
Benita Suchodrev einen Schatz von persönlichen Erinnerungen heben, der zeitgeschichtliche Einblicke gewährt und
die Auseinandersetzung mit der Erfahrung des Kriegs befördert. Zu sehen sind
Fotografien von professionellen Kriegs
bericht¬erstattern, Soldaten und Privatpersonen, die seltene Aufnahmen
aus Flugzeugen, Bilder von öffentlichen Hinrichtungen, Fallschirmspringer kurz vor der Landung, sowjetische
und deutsche Kindersoldaten und den
Alltag sowie die Nachkriegszeit in den
zerbombten Städten zeigen.
Die meisten dieser Aufnahmen dokumentieren einen privaten, subjektiven
Blick auf die Begebenheiten der Zeit,
keinen politisch-militärischen. Gezeigt
werden Fotografien, die dem Blick jener
Augen folgen, welche die Geschehnisse
beobachtet haben. Es geht um die Menschen, die die Ereignisse verursacht,
erlitten, erlebt haben und die politisch
und strategisch wichtige Aufnahmen als
16
brennpunkt 2/2015
Melkereiwagen im zerstörten Berlin, 1945
(Foto: Unbekannt)
Drummers, Demonstration der Freien
Deutschen Jugend (FDJ), Berlin, 26. März 1953
(Foto: Unbekannt)
Zum Teil entsprechen die Portraits der
damals als modern geltenden Fotoästhetik, zeigen ernste, entschlossene,
aber auch forsche und frech dreinblickende Gesichter. Andere Aufnahmen
erinnern an einen Umgang mit dem
»Selbst«, die eine frappierende Ähnlichkeit zu heutigen »Selfies« aufweisen. Die Vielschichtigkeit der fotografischen Porträts wird durch einen hinzugefügten Doppelungseffekt herausgearbeitet, der durch eine spezielle Lichtkastenkonstruktion eine veränderte Wahrnehmung eröffnet. Die neu geschaffenen Werke werden in einem verdunkelten Nebenraum präsentiert.
Die Ausstellung will weder eine politische Aussage machen noch die Grausamkeit des Krieges übertünchen. Vielmehr möchte sie eine Auswahl von mehr
als 130 subjektiver, privater Blicke der
Menschen präsentieren, die diese Fotos
gemacht haben. Gleichsam als in Bildern erzählte Geschichten, deren Echo
bis in die Gegenwart reicht.
»Viele von uns kennen noch Menschen,
die den Zweiten Weltkrieg miterlebten.
Wir haben Geschichten gehört, Briefe
gelesen, Fotos angeschaut und sind in
der Schule oder durch das Fernsehen
über diese Zeit informiert worden. Wir,
die Nachkriegsgeneration, haben viele
Eindrücke sammeln können, doch diese
sind lediglich Echos; sekundäre Erscheinungsformen, die niemals so klar und
eindeutig wahr¬genommen werden
können wie die ersten Klänge. Dennoch
dienen diese Echos als Erinnerung und
Bestätigung dafür, dass es diese ersten
Klänge wirklich gab.«
Benita Suchodrev
auch flüchtige und poetische Momente
im Bild erfasst und für die Geschichte
festgehalten haben. Die ausgewählten
Motive werden zusammen mit den rückwärtig angebrachten Beschreibungen
gezeigt, deren Wortwahl eine weitere
Ebene des Bildausschnitts eröffnen. So
sind ebenso propagandistische Gedanken wie oft sehr persönliche Widmungen auf der Rückseite von Privataufnahmen zu finden.
Zusammengestellt und kuratiert aus
Sicht einer Künstlerin und Fotografin
ergeben sich neue Zusammenhänge, die
nicht streng wissenschaftlich konnotiert
sind, sondern die Schrecken und lichten Momente, das Bemühen um Bildästhetik unter barbarischen Umständen
und die Sichtweisen von einer Welt im
Kriegszustand dokumentieren.
In einem zweiten Teil der Ausstellung
werden die Vintage-Fotografien durch
historische Porträtaufnahmen ergänzt,
die – künstlerisch bearbeitet – einen
doppelten Blick erlauben. Sie sind
als Antwort der Fotokünstlerin Benita
Suchodrev auf das gefundene Material aufzufassen, das Echo des Kriegs
in unsere heutigen Sicht- und Sehweisen zu überführen. Die teils überblendeten, teils invers gewandelten Aufnahmen spielen mit der Nähe und der
Ferne, mit den uns bekannt erscheinenden Posen und Stilen, mit der Optik von
Filmstills und dem Wissen um die Zeit- Weitere Informationen:
lichkeit der Bilder.
ivintagenow.com
Galerien
Mann mit Kontrabass, Stalingrad, Russland,
1942 (Foto: International News)
Russian KGB Archives Photo of a Hitler Jugend
Girl Soldier, Retouched, Printed on Transparent
Film, 2015 (Artist: Benita Suchodrev)
Fotokünstlerin Benita Suchodrev und
ihr Fotoatelier »Blick.Macht.Bild« am
Viktoria-Luise-Platz Benita Suchodrev
ist eine russisch-amerikanische
Fotokünstlerin mit Wohnsitz in Berlin. Sie
wurde in der ehemaligen Sowjetunion
geboren und ist im Alter von fünfzehn
Jahren in die USA eingewandert. Ihren
Abschluss in Geisteswissenschaften
mit dem Schwerpunkt Kunstgeschichte
bestand sie mit Summa cum Laude. Die
Themen Film und Fotografie spielten
eine wichtige Rolle in ihrem Studium.
In der Dunkelkammer der Universität
entwickelte sie ihre ersten SchwarzWeiß-Fotografien.
Nach einer erfolgreichen Tätigkeit als
Porträtfotografin in Southern Connecticut
siedelte sie im Jahr 2008 nach Berlin
über und begann eine produktive
Dokumentation der facettenreichen
Kunstszene der kosmopolitischen Stadt.
Seitdem arbeitet sie an verschiedenen
fotografischen Projekten, die in
nationalen und internationalen Einzelund Gruppenausstellungen gezeigt
werden.
2014 eröffnete sie ihr Atelier »Blick.
Macht.Bild« am Viktoria-Luise-Platz in
Schöneberg, wo sie fotografische Serien
realisiert, künstlerische Positionen
vertieft und ihre Dienstleistungen im
Bereich Portraitfotografie Privat- und
Geschäftskunden anbietet.
Hier kann Benita Suchodrev auch
auf eine Tradition in der Fotostadt
Ich sammle keinen Kitsch, sondern
Fotografien, die die verschiedenen
Facetten einer Realität zeigen; insofern
diese Realität im Bild erfasst werden
kann.«
Russische Seele
WWII Photographer’s »Self-Portrait« in the
»Ja, ich besitze die sogenannte ‚RusMirror of a moving Car (Photo: Unknown)
sische Seele‘, deren helle und dunkle
Kammern von stürmischen Emotionen
Berlin zurückgreifen, nämlich auf und Erinnerungen – die nie zu Ruhe
die weiblich geführten Fotoateliers in kommen – beherrscht sind. Ich habe
Charlottenburg und Schöneberg, die von eine Schwäche für ausdrucksstarke
multinational und polyglott orientierten Bilder, für Gestik und den stillen, viel
Persönlichkeiten geprägt waren und erzählenden menschlichen Blick und
besonders in den 1920er-Jahre großen alles was dahinter verborgen liegt. Das
Einfluss auf die Fotografiegeschichte Oberflächliche und leicht Verdauliausübten. Zu nennen sind hier Yva, che hat mich nie interessiert, weder im
die als 25-Jährige ihr erstes eigenes Alltag noch in der Fotografie.«
Fotoatelier eröffnete sowie ihre Kriegsfotos
Kolleginnen Frieda Riess, Lotte Jacobi »Was Kriegsfotos angeht, bin ich immer
und Marianne Breslauer.
wieder berührt und oft erstaunt, wenn
ich Aufnahmen entdecke, die nicht nur
Seit einigen Jahren ist Benita Suchodrev historisch interessant wirken, sondern
auch als Fotosammlerin tätig. Der eine künstlerische Motivation erkennen
Schwerpunkt ihrer Sammlung sind lassen, die Motivation etwas Schönes
Vintage-Fotografien. In den kommenden oder sogar ‚Poetisches‘ im Bild zu
Jahren plant die Fotografin eine Reihe von erfassen in einer Zeit, die das eigentlich
Ausstellungen von Vintage-Fotografien nicht zulässt.«
in ihren Atelierräumen. Die erste Schau
mit dem Titel ECHOES OF WAR zeigt Vernissage
ausgewählte, aus Privatsammlungen 6. Mai 2015, 18 Uhr
stammende originale fotografische
Aufnahmen aus der Zeit des Zweiten 7. Mai bis 24. Juni 2015
Weltkriegs, die erstmals in einem
künstlerischen Kontext zu sehen sind.
Blick.Macht.Bild
Benita Suchodrev über Ihr Interesse für Atelier für Fotografie
Vintage-Fotografie: Sammlung
Motzstraße 52
»Meine Hauptmotivation Vintage- 10777 Berlin-Schöneberg
Fotografien zu sammeln, ist weniger mit
dem kommerziellen Wert dieser Werke Di – Mi 12 – 19 Uhr
als Sammlerstücke verbunden, sondern Fr – Sa 12 – 19 Uhr
mit der ästhetischen und historischen http://blickmachtbild.com
Bedeutung der Originale.
[email protected]
brennpunkt 2/2015
17
Galerien
Silvia Sinha
»Brandmauern«
Dabei ist es nicht ihr Ziel, die Architektur des alten, gegenwärtigen und werdenden Berlin zu dokumentieren; vielmehr beabsichtigt sie, die Eigenästhetik grafisch-malerischer Erscheinungsbilder von Brandmauern mit all ihren
Störfaktoren wie Verwitterung und
Fremdeinwirkung - auch in Koexistenz
mit Neuem - zu erfassen und festzuhalten. Somit entsteht alles »Dokumentarische« nur sekundär, als Folge des ästhetischen Leitfadens der Künstlerin.
Während des Berliner Baubooms im
19. Jahrhundert entstanden zahlreicheArbeiterviertel, die durch großeWohnblocks mit ihren angrenzenden Seitenflügeln und Hinterhöfen typische Berliner Quartiere bildeten. Besonderes
Merkmal dieser damaligen dichten Bauweise stellten die äußerst markanten und Häufig bricht sie die Großflächigkeit
starken - aus Gründen des Brandschut- einer Brandmauer auf, indem sie vorhanzes stets fensterlosen - Brandmauern dar, dene Merkmale wie farbliche Akzente,
die die einzelnen Wohnblocks vonein- architektonische Formen, Strukturen
ander trennen und im Falle eines Bran- und grafische Muster als dominierende
des vor übergreifendem Feuer schützen Elemente hervorhebt, wodurch ihre
sollten.
Arbeiten an zusätzlicher Ausdruckskraft gewinnen.
Durch die Zerstörungen des Zweiten
Weltkrieges warensehr viele Lücken Das Wahlkreisbüro Dilek Kolat zeigt eine
und Brachen entstanden, dienoch deut- Auswahl der weitreichenden Sammlicher als zuvor den Blick auf noch ver- lung, die von September bis November
bliebene Brandmauern frei gaben.
2015 im Museum St. Wendel, Saarland,
zu sehen sein wird.
Seit dem Fall der Mauer verschwinden
sowohl Brachen als auch Brandmauern www.in-response.de
immer mehr aus dem Stadtbild – nicht
zuletztin Folge des bis heute anhaltenden Sanierungs- und Baubooms für
das sich imsteten Wandel befindende
Berlin. Viele Brandmauern erhielten im
Rahmen von Sanierungsaufträgen nachträglich Fenster, sodass sie nunmehr als
»Hausfassade« einer neuen Bestimmung dienen. Andere werden durch
den direkten Anbau neuer Gebäude
unsichtbar.
Im Bewusstsein dieses Wandels erforscht
Silvia Sinha die wenigen noch ursprünglich erhaltenen odermodernisierten
Brandmauern. Dabei ordnet sieInterpretation und Ausdruck ihrer sehr eigenen Wahrnehmung und Auffassung von
Ästhetik unter.
Mit dem Blick einer Fotografin, die
sich bei der Visualisierung gegenständlicher Motive gerneabstrakteBildwelten
erschließt, zeigt sie, dass Brandmauern
immer wieder auchein »pittoreskes«
Eigenleben führen.
Vernissage
17. April 2015, 19 Uhr
Sie erforscht die Spuren der Zeit an freistehenden oder - im Zuge von Neubebauung -freigelegten Brandmauern.
Di
Mi
Do
18
brennpunkt 2/2015
© Silvia Sinha, 2014, (O.i.F.)
© Silvia Sinha, 2013, (O.i.F.)
bis 17. Juli 2015
Wahlkreis- und Kulturbüro
Dilek Kolat
Schmiljanstraße 17
12161 Berlin-Friedenau
15 – 18 Uhr
15 – 17 Uhr
11 – 14 Uhr
© Silvia Sinha, 2012, (O.i.F.)
Galerien
Rainer König
BERLINISCHE
FRAGMENTE
Rainer König, 1926 in Berlin geboren,
studierte Architektur zwischen 1945
und 1952 an der HfbK. Danach arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros in West-Berlin und begann sich
nebenher autodidaktisch mit Fotografie zu beschäftigen. Dies sollte seinen
beruflichen Werdegang nachhaltig verändern. Ab 1958 war König als Lehrer
für Ausstellungsbau an der Meisterschule für das Kunsthandwerk Berlin © Rainer König
tätig. 1966 beendete er seine Arbeit
als Architekt und unterrichtete von nun Bilder von Landschaften, Kanalbiegunan auch Fotografie. Von 1970 bis 1991 gen, Brücken und Schleusen, aufgewar er Professor für Ausstellungsgestal- nommen vom Land und aus der Luft,
tung und Fotografie an der HfbK (heute aber auch Details von Natur und TechUdK) in Berlin. Nachdem König in den nik. Seine Detailaufnahmen der Schleufrühen fünfziger Jahren begonnen hatte sen erinnern aufgrund ihrer Konzentramit einer Kleinbildkamera zu fotografie- tion auf grafische Strukturen und der
ren, arbeitete er später auch mit Mittel- intensiven Kontraste an die Subjekund Großformatkameras. Schließlich tive Fotografie. In seinen Berlin-Bildern
begann er auch mit verschiedensten dokumentiert Rainer König die VeränObjektiven zu experimentieren und derung des urbanen Raumes. Dabei
besitzt heute eine umfassende Samm- steht weniger die Stadt als Lebensraum,
lung historischer Kamera-Objektive.
sondern vielmehr als architektonischer
Körper im Mittelpunkt. Zahlreiche AufDie Ausstellung zeigt notwendiger- nahmen von Häusern, Ruinen, Monuweise nur einen kleinen Einblick in das menten und vor allem Details wie Fasumfangreiche, mehr als ein halbes Jahr- sadenschmuck, Türklinken, Geländern
hundert umfassende Oeuvre. Königs oder Treppen fügen sich gleichsam zu
Fotografien zeichnen sich durch einen der Inventarisierung eines Zustandes
architektonischen Blick aus, bisweilen der Stadt zusammen.
ließe sich zudem von dem Blick eines Außerdem werden in der Ausstellung
Schmuckmachers sprechen, der bei einige der Aufnahmen des Hauses von
der Kreation eines ganzen Ensembles Hannah Höch zu sehen sein. König hat
die Details nie aus dem Auge verliert. das Heiligenseer Gartenhäuschen seiner
Es scheint nicht verwunderlich, dass Tante gleich nach ihrem Tod 1978 fotodie Stadt, ihre Häuser und architekto- grafisch dokumentiert.
nischen Details einen großen Raum in Seine Fotografien von Stadt und Land
Königs fotografischem Werk einneh- zeigen Fragmente und Monumente gleimen. Doch auch Landschaften hat er chermaßen. Charakteristisch ist Königs
fotografisch in ihren kleinen und großen sehr genaue und klassische BildkomFormen untersucht.
position, die in einer Perfektion der
Abzüge und der akribischen ArchivieAb 1977 beispielweise fotografierte rung und Beschriftung des Werkes ihre
König den Ludwigkanal (Ludwig-Main- Erweiterung erfährt.
Donau-Kanal) im Altmühltal. Er doku- Bis auf einige Aufnahmen des Altmühlmentierte dessen Umbau zum Rhein- tals sind die Fotografien noch nie ausMain-Donau-Kanal über mehrere Jahre gestellt worden.
hinweg. Entstanden sind eindrucksvolle
© Rainer König
Die Collection Regard ist eine Fotografische Sammlung, die den Schwerpunkt
auf die deutsche Fotografie gelegt hat,
insbesondere aus Berlin.
2005 begann Marc Barbey seine Sammlung deutscher Schwarz-Weiß Fotografie von den Anfängen der Fotografie bis in die 1990er Jahre auszubauen.
Daneben wird hier auch der Nachlass
von Hein Gorny verwaltet. Mit ihrem
Wirken als Archiv und Ausstellungsort
nimmt die Collection Regard bewusst
eine Position zwischen Museum und
Galerie ein und ist besonders bestrebt,
der interessierten Öffentlichkeit solche
noch weitgehend unbekannte fotografische Werke zu zeigen, die Aufmerksamkeit verdienen.
bis 23. April 2015
Collection Regard
Steinstraße 12
10119 Berlin-Mitte
http://www.collectionregard.de
brennpunkt 2/2015
19
Galerien
James Higginson
Behold. Perspectives
at play in a young
man‘s mind
Der aus Los Angeles stammende und
seit 2004 in Berlin lebendende und
arbeitende Künstler James Higginson
ist vor allem mit seinen perfekten Fotoinszenierungen bekannt geworden. Inszenieren ist gewissermaßen seine künstlerisch-fotografische Domäne. In der
jetzt für das Haus am Kleistpark von
Enno Kaufhold kuratierten Ausstellung
Behold liegt der Fokus der in den letzten
Jahren entstandenen und hier in Teilen
erstmals gezeigten Serien auf dem Bild
des Mannes. Das ist ein Bild, das sich
aus unterschiedlichen Wahrnehmungen formt. Da sind die Männer selbst,
die sich als Mann und mithin männlich sehen, da ist die Gesellschaft, die aus unterschiedlichen Quellen gespeist
- eine Vorstellung vom Mann hat und
schließlich ist es der Künstler James
Higginson, der sein Bild vom Mann hat.
Das ist jedoch offen und folglich wechselt er von Serie zu Serie die Perspektive. Das erlaubt ihm Sichtweisen, wie
sie eher einem jüngeren, auf Rollen und
Normen noch nicht festgelegten Mann
eigen sein könnten.Deshalb der Untertitel »Perspectives at play in a young man‘s
mind«. Und selbstredend sind die entstandenen Bilder, wie bei allen Arbeiten von James Higginson, nicht allein
seiner Fantasie entlehnt, sondern reflektieren die realen und sich beschleunigenden aktuellen Veränderungen und
beziehen sogar prospektive Vorstellungen mit ein.Denn was als männlich gilt,
befindet sich in einem dialektischen
Transformationsprozess mit dem, was
als weiblich angesehen wird. In ihrer
Summe reflektieren seine Bildserien die
Gender-Diskussionen genauso wie die
Emanzipation des Homosexuellen, des
Transsexuellen oder des Transvestismus
und verleihen so der allgemeinen Liberalisierung des Geschlechtsspezifischen
ein anschauliches und letztlich künstlerisches Erscheinungsbild.
20
brennpunkt 2/2015
© James Higginson,
Hollywood Dresses: Robert, 2008
© James Higginson,
Hollywood Dresses: Christoph, 2008
© James Higginson, Interlude 8: Zeuthenersee, 2006
In der titelgebenden Serie »Behold«
(2010/2011) hat James Higginson den
von ihm fotografierten Männern – mit
deutlicher Anspielung auf Man Rays »Le
Violon d´ Ingres« mit dem Rückenakt
seiner Muse Kiki de Montparnasse – mit
schwarzer Farbe eine weiblich konnotierte Taille auf den Rücken gemalt. Hier
vermischt sich das erotisch besetzte
weibliche mit dem robusteren männlichen Profil. Mit Anspielungen auf frühe
Pin-Up-Motive sowie Bilder der Nackt-
kultur hat er in der Serie »Interlude«
(2004/2010) nackte Männer vor der
landschaftlichen Kulisse Berliner Seen
aufgenommen. Die Männer nehmen
Posen ein, die an frühere weibliche wie
männliche Aktdarstellungen mit arkadischem Ambiente erinnern. In der Serie
»Hollywood Dresses« (2008) porträtierte James Higginson die von ihm eingeladenen Männer unmittelbar nachdem diese über ihre Kleidung originale
Frauenkleidungen gezogen hatten, die
Galerien
nationaler werdenden Gesellschaften in
ihren eingeübten Männerrollen sowohl
individuell als auch kollektiv auf dem
Weg fundamentaler Veränderungen
und mithin zukünftiger Perspektiven
befinden.
Enno Kaufhold
© James Higginson,
Hollywood Dresses: Moses, 2008
© James Higginson, Interlude 4: Zeuthenersee,
2005
in den B-Movies aus Hollywood bis in
die 1990er Jahre Verwendung fanden.
Ein Rollenspiel mit sichtbaren Verunsicherungen. Denn die für die Männer
ungewohnte Kleidung hatte unmittelbare Auswirkungen auf ihre Körpersprache. Als Variation dieser Serie fotografierte James Higginson die Männer in
den ungewohnten Kleidungsstücken im
Sprung, also in expressiver Bewegung
(2009). Im Unterschied zu diesen inszenierten und nur indirekt die realen
Rollenverschiebungen reflektierenden
Serien nehmen die von Higginson 2009
in Leipzig während eines Goths-Festivals fotografierten Porträts der gleichnamigen Serie »Goths« konkret Bezug
auf den real zu beobachtenden Wandel.
Seine immer vor derselben, an Victor
Vasarelys Op Art erinnernden, Rückwand aufgenommenen Porträts zeigen
stellvertretend, diesmal ohne inszenierenden Duktus, wie sich junge Men-
© James Higginson, Goth 1812, 2009
schen bewusst dem Normdruck des
Mainstreams widersetzen, gleichzeitig jedoch ihre extrem gestylten spezifischen Codes pflegen.
Überwiegt in diesen Serien das Verwischen traditioneller Männerbilder, so
rückt James Higginson in zwei weiteren Serien die stereotype Vorstellung
vom Mann als Kämpfer deutlich in den
Vordergrund. So verwendete er in der
älteren Serie »Maneuver« (2001) handelsübliche Kinderspielzeugsoldaten, allerdings hinsichtlich der Uniformen mit unterschiedlichen nationalen
Merkmalen. Die digital herbeigefügten
Positiv-Negativ-Mischungen verleihen
seinen farbigen Bildern abstrahierende
Züge, die auf das Kämpfen an sich verweisen, nähere Bezugnahmen, womöglich auf konkrete Gefechte, aber ausschließen. Diese Bilder handeln vom
Kampf als grundsätzlichem Phänomen.
Wesentlich konkreter treten die mit vorzeitigen Waffen ausgerüsteten und mit
alten Kostümen gekleideten Männer auf,
die Higginson in den letzten Jahren bei
seinen Besuchen in Georgien für die
Serie »Black Shields« (2012/2014) in
solchen Szenen nachstellte, wie sie
traditionsgemäß von jungen Männern
zelebriert werden.
Alle diese formal und in ihrer Lichtführung klar durchgezeichneten und inszenierten Bildserien sind von Realität
und Fiktion durchdrungen. Sie reflektieren die Rolle des Mannes und lassen
erkennen, dass sich unsere immer inter-
James Higginson (1957, Pittsburgh)
schloss ein Biologiestudium mit dem
Bachelor an der Pennsylvania State University ab, besuchte das Art Center College of Design in Pasadena und machte
seinen Master in Fine Arts an der Claremont Graduate School in California.
Er arbeitete bis 2007 in Los Angeles als
Art Direktor und Set-Ausrüster für Film,
Fernsehen und Werbung (Emmy Award
1987). Seit 2004 lebt und arbeitet er
als Künstler, Filmemacher (Avonbiehl),
Performer und Lehrer in Berlin. Er hatte
diverse Einzel- und Gruppenausstellungen in den USA, in Asien und in Europa.
In Berlin gab er 2003 sein Debut bei C/
O in der Linienstraße mit der Solo-Ausstellung »Portraits of Violence«. Seit
2007 unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der Berliner Technischen Kunsthochschule (BTK) und gibt international Workshops.
Enno Kaufhold (Kurator der Ausstellung)
arbeitet als freier Fotohistoriker, Kurator,
Publizist und Lehrer in Berlin. Zuletzt
kuratierte er die Ausstellung »Die Bielefelder Schule. Fotokunst im Kontext«
in Bielefeld.
www.jameshigginson.com
Am Sonntag, 19. April 2015,
sowie am Sonntag 10. Mai 2015,
jeweils 16 Uhr, finden Führungen mit
Dr. Enno Kaufhold und dem Künstler
James Higginson statt.
bis 10. Mai 2015
HAUS am KLEISTPARK
Grunewaldstraße 6-7
10823 Berlin-Schöneberg
Di – So
11 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.hausamkleistpark.de
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21
Galerien
Ragnar Axelsson
Mathias Richter
»NORDLAND«
»Je schlechter das Wetter, umso besser
die Fotos«. (Ragnar Axelsson)
Für viele ein Traum vom Abenteuer in
einer großartigen Natur.
Für Ragnar Axelsson, einer der erfolgreichsten Fotografen Islands, ist es das
Land seiner Kindheit und sein zu Hause.
Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt
in der jahrzehntelangen Dokumentation
des Lebens auf den Nordatlantikinseln
Island, Färöer und Grönland.
© Ragnar Axelsson
imago fotokunst zeigt eine Auswahl von
Schwarzweißfotografien dieses einzigartigen Fotografen, aus einer Region,
die sich erschreckend schnell verändert.
Für Mathias Richter bedeutet das oft
wiederholte Reisen nach Island vor
allem eine Reise zu sich selbst, zum
Verschmelzen mit der ursprünglichen
Natur - Auftauchen aus dem Alltäglichen und Abtauchen in ein Mysterium.
In der Ausstellung werden neue Arbeiten in Schwarzweiß- und Farbe präsentiert.
© Ragnar Axelsson
5. Mai bis 13. Juni 2015
imago fotokunst
Linienstraße 145
10115 Berlin-Mitte
© Mathias Richter
Di – Fr
12 – 19 Uhr
Sa
14 – 18 Uhr
Achtung:
Zusätzliche Angaben zu veränderten
Öffnungszeiten im Mai/Juni 2015 unter
www.imago-fotokunst.de
22
brennpunkt 2/2015
Galerien
FLORIAN MERKEL
»Portraits und
Stadtlandschaften«
1985 – 1987
Florian Merkel, der durch seine in altmeisterlicher Weise handkolorierten
Fotografien bekannt geworden ist, zeigt
hier seine frühen Schwarz-Weiß-Fotografien. Es sind von 6 x 6 cm Negativen auf Silbergelatine-Papier hergestellte Handvergrößerungen im Format
50x50cm.
Florian Merkel
1961 geboren in Karl – Marx- Stadt
(Chemnitz)
1980 Schulabschluß mit Abitur
1981 - 1986 Studium der Fotografie an
der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, mit Diplomabschluss
bei Helfried Strauß
1986 - 1989 als freiberuflicher
Fotograf tätig
Lebt und arbeitet in Hannover und
Berlin
Personalausstellungen (Auswahl)
2014 »Fotografie, Grafik,
Malerei,Video«, Waschhaus
Kunstraum Potsdam
2013 »Superpositions«, Atelier.Galerie
für Fotografie Hannover
2012 »Kentauren Projekt«, Galerie
Falkenbrunnen Dresden
2010 Thanassis Frissiras Art Gallery
Athen
2007 »Goldmund«, Galerie Robert
Drees Hannover
2006 »Jade«, Chung King Project Los
Angeles
»Silbergrube«, Samuelis Baumgarte
Galerie Bielefeld
»Nutzlast«, Dortmunder Kunstverein
»line up«, Galleri Christian Dam
Kopenhagen
© Florian Merkel, 1985
© Florian Merkel, Borchert, 1986
© Florian Merkel, Halle, 1987
11. April bis 30. Mai 2015
Galerie argus fotokunst
Marienstraße 26
10117 Berlin-Mitte
Vernissage
10. April 2015, 19 – 21 Uhr
Mi – Sa 14 – 18 Uhr
www.argus-fotokunst.de
brennpunkt 2/2015
23
Galerien
Arnold Odermatt
90th BIRTHDAY
Photographs 1948 – 2015
In der Polizeihauptwache der Stadt
Frankfurt am Main sah ich erstmals in
natura die Fotografien von Arnold Odermatt. In diesem Ambiente nahmen sie
sich aus wie eine Dokumentation der
in diesem Hause geleisteten Arbeit der
Abteilung Verkehrsunfälle oder besser
gesagt der Schäden an Vehikeln.
Aber Arnold Odermatt ist aus Nidwalden und da gibt es in Kapellen, Kirchen und Museen wunderbare Votivbilder, Ex Votos. Auf ihnen ist in Dreiecksformation festgehalten: der Votant,
der Anlass der Stiftung des Bildchens
und die Madonna oder ein Heiliger als
Schutzpatron. Es ist die wunderbare
Errettung des Fürbittenden von einem
Unglück durch die Kraft des Schutzgottes. Eine Danksagung also. Und je
lebhafter und gläubiger der Errettete
dem Votivbildmaler seine Geschichte
erzählt, desto intensiver wird das Bild,
dessen Typus sich im 15. Jahrhundert
aus der Großen Kunst gelöst und seither derselbe geblieben ist.
Als Polizist hat Odermatt diesen gerichteten Blick auf die Folgen eines Verkehrsunfalls. Die Aufmerksamkeit ist
auf das Sujet, den karambolierten fahrbaren Untersatz, fokussiert. Und wie im
Votivbild geschieht auch in diesen Aufnahmen ein Wunder: die Spuren sind
getilgt, der Blutzoll des Unfalls ist eliminiert.
Es sind Festhaltungen ohne Lädierte,
ohne Tote, ohne Opfer des Unfalls.
Die Narration von Unachtsamkeit, von
überhöhter Geschwindigkeit, von Trunkenheit am Steuer, von Schwerverletzten, von Rechthaberei und Streit der
Überlebenden ist inexistent. An ihre
Stelle tritt die Skulptur, das Interesse an
Verformungen des Blechs, das momentane Festhalten der plastischen Qualitäten des Schocks post Unfall, also die
wunderbare Verwandlung des Polizisten in den Augenmenschen, der die
Gelegenheit nutzt, aus einem Unglück
eine Augenweide zu machen.
Der Realismus kippt um in ein ästhe24
brennpunkt 2/2015
Arnold Odermatt, Dallenwil, 1977 © Urs Odermatt, Windisch
tisches Event direkter Dramatik, mal
mit nahem, mal mit fernem Fotoauge
gebannt. Mal bilden die festgekeilten Autos Monumente, mal ist der im
See halbversoffene VW mit geöffneter
Tür wie der Beleg für eine marxistische
Kunsttheorie, die vom Sakralen, Auratischen eines »Wanderers über dem
Nebelmeer« in neueren, gewöhnlicheren Zeiten nur deren Verlust feststellen kann ohne zu bedenken, wie aus Arnold Odermatt, Buochs, 1965
Gescheitertem neue Schönheit, das © Urs Odermatt, Windisch
Arretieren eines Ereignisses ins Zeitlose
entsteht.
dung gebracht zur Nasenlänge, um
Naiv möchte man sagen, unverbraucht das Wesen des Porträtierten besser zu
ist wohl der bessere Ausdruck. Henri treffen. Ob wildes Tier oder Muse des
Rousseau hat noch die Distanzen von Dichters, sie blicken dich alle gleich
Auge zu Auge ausgemessen, in Verbin- an, direkt aus unüblicher physiogno-
Galerien
Arnold Odermatt, Stans, 1973
© Urs Odermatt, Windisch
Arnold Odermatt, Buochs, 1958 © Urs Odermatt, Windisch
Arnold Odermatt, Vierwaldstättersee, 1972 © Urs Odermatt, Windisch
mischer Proportion. Und es stimmt. So
wie der Zöllner hingegeben und konzentriert malte, fotografiert auch der
Polizist, das Menschenbild verbergend
hinter dem auch von einem Menschen
gefahrenen Auto.
Als ich für Venedig eine freie Paarung
von Desastern suchte, stellte ich der
erschütternden Omnipräsenz des Todes
nach der Explosion eines Reaktors des
Atomkraftwerkes Tschernobyl, festge-
wie der Gang von Zeiten der Seuche,
die alle trifft, zum Menschenrecht der
Selbstbestimmung.
Und von da ist es ein kleiner Schritt
zur Feststellung, dass im reichen Land
auch der Polizist sich das Recht vorbehält, aus einer Karambolage eine neuzeitliche romantische Landschaft mit
Unfall, eine Schönheit skulpturaler Art
in verkeilten Autos, das labile Gleichgewicht eines über dem Seebord hängenden Mehrtonners für uns zu bannen.
Das primär berufliche Auge flasht die
Bilder in uns auf die Ebene ästhetischer
Perzeption und von da wieder zurück
in den Alltag des Verkehrs und seiner
unfallbedingten Arretierung im nicht
ausgewählten Ambiente.
Odermatt schafft Schicksalsbilder ohne
Schicksalsgestalten. Glaubhaftigkeit
und Schönheit via Katastrophe, eine
beeindruckende Bildsprache.
Der Sensation den Wind aus den
Segeln nehmen...
von Harald Szeemann
Aus: Arnold Odermatt. Die Biennale
Auswahl. 32 Photographien für
Venedig 2001,
Springer & Winckler Galerie, Berlin
2002, S. 5f
Vernissage
1. Mai 2015, 18 Uhr
halten von Viktor Maruschenko, der kollektiven Bedrohung durch Radiation die
von Individuen verursachten Karambo- 2. Mai bis 18. Juli 2015
lagen gegenüber. Die toxische Wolke
dringt überall hin und ein. Das Fehl- GALERIE SPRINGER BERLIN
verhalten des Autofahrers ist individu- Fasanenstraße 13
ell. Kollektiv und Individualität.
10623 Berlin-Charlottenburg
Ohne Überinterpretation hatte jeder
in dieser für Gegenüberstellungen so Di – Fr
12 – 18 Uhr
geeigneten Schlaucharchitektur der Cor- Sa
12 – 15 Uhr
derie seinen eigenen Atemraum, war es www.galeriespringer.de
brennpunkt 2/2015
25
Galerien
Der Löffel raubt den
Winterschlaf
Feriel Bendjama, Anna Duda,
Sara Graetz, Anne Helmer,
Stéphane, Lelarge, Annina Lingens,
Verónica Losantos, Schirin Moaiyeri,
Jule Roehr, Anke Schüttler,
Marie Zbikowska
Elf Berliner Fotografinnen und Fotografen, die sich beim ersten Stipendiatenjahrgang der Gesellschaft für Humanistische Fotografie kennen lernten,
haben in Anlehnung an die im Surrealismus entwickelte Methode »Cadavre
Exquis« gearbeitet. Ziel war die Entwicklung einer fotografischen Reihe. Jedem
war nur die Arbeit seines Vorgängers
bekannt. Darauf war innerhalb von 2
Tagen eine eigene Arbeit zu entwickeln
und diese dann weiterzugeben.
© Stéphane Lelarge, (O.i.F.)
Die Fotoreihe hat die Autorin Heide
Küsters zu diesem Text inspiriert:
»Mein Blick spinnt die Lichtlinien des
Hintergrunds fort, während die stumme
Frau mich ansieht. Er wird durch die Äste
in die Wand geführt, zum Fenster hinaus.
Gebündelt verwachsen die Zweige mit
einem Körper, drahtig, zart vor dem
weißen Himmel, in den der Winterbaum
greift. Sein Vogelnest steht ausgelagert
auf einem Tisch, nebelumrankt wie
die verborgene Welt unter der blauen
Plane. Die Grabsteine lösen sich auf in
ihre Essenz, schweben von ihrer Mitte
her in den Raum hinein. Und wieder
Äste wie Venen hinter einer kalkweißen
Frau, Reminiszenz an den eben verlassenen Ort. Dann wird der Blick zurückgeworfen, die Christstollenbrille lächelt
über dem akkuraten Schleiergewand. In
der Backsteinmauer sein am Saum überschriebener Widerschein, kahler Schnee,
weiß wie das Klebeband über den Zwischenräumen aus Haut.«
26
brennpunkt 2/2015
© Jule Roehr
© Anna Duda
© Anne Helmer, (O.i.F.)
© Sara Graetz, (O.i.F.)
Galerien
© Anke Schüttler, (O.i.F.)
© Verónica Losantos, (O.i.F.)
© Marie Zbikowska, (O.i.F.)
© Annina Lingens, (O.i.F.)
bis 30. Mai 2015
© Feriel Bendjama, (O.i.F.)
© Schirin Moaiyeri, (O.i.F.)
world in room
Projektraum für Fotografie
Brunhildstraße 7
10829 Berlin-Schöneberg
Fr + Sa 14 – 18 Uhr
brennpunkt 2/2015
27
Galerien
DAS FENSTER
Kate Baker
Sibylle Bergemann
Lillian Birnbaum
Elmer de Haas
Heinz Hajek-Halke
Monique Jacot
Hannes Kilian
Barbara Klemm
Birgit Kleber
Jens Knigge
Robert Lebeck
Herbert List
stefan moses
Rita Ostrowskaja
Ulrike Ottinger
Marek Pozniak
Beat Presser
Sheila Rock
Michael Ruetz
Max Scheler
Liselotte Strelow
Karin Székessy
Donata Wenders
Kurt Wyss
Wir sind die Insider unserer je eigenen Welten. Im Interieur unserer selbst
fühlen wir uns sicher, zuweilen aber
auch isoliert und abgeschottet. Dabei
enthält fast jeder Innenraum auch eine
Hoffnung: Sie manifestiert sich in Fenstern, Durchgucken, Augentoren (ahdt.:
augadoro). Denn jedes Fenster ist eine
Verbindung; eine Schnittstelle zwischen
innen und außen. Es funktioniert so
gesehen wie die Linse eines Fotoapparates – es ist ein Spalt zwischen „Dunkler
Kammer“ (camera obscura) und Außenraum. Ein Lichtdurchbruch. Ein Weltenspender.
Schon Alfred Hitchcock hatte diese
Verwandtschaft früh erkannt. In seinem
1954 gedrehten Meisterwerk »Das Fenster zum Hof« erzählt er von den Analogien zwischen Fenster und Photographie. Vordergründig eine Kriminalgeschichte auf kleinem Raum, ist der
Film um einen gesundheitlich lädierten Photographen auf den zweiten Blick
eine Metapher über die Möglichkeiten
und Handicaps des apparativen Sehens.
Photographen sind für Hitchcock Eingeschränkte. Innerhalb der vier Seiten
ihrer Bilder verdichten sie Zeichen und
Narrationen. Sie schaffen Andeutun28
brennpunkt 2/2015
© Kurt Wyss »Hotel Edison, NewYork« 1962
gen. Sie fixieren eingeengte Außenblicke. Das ganze Bild aber entsteht erst
im Kopf. Die Welt zwischen Bild- wie
Fensterrahmen ist immer nur die halbe
Wahrheit.
Blicke auf Fenster, in Fenster und durch
Fenster hindurch: die Geschichte der
Photographie ist voll von ihnen. So
zeigt bereits das weltweit erste Photo
– Joseph Nicéphore Niépces Blick aus © Max Scheler »George Harrison gibt
seinem Arbeitszimmer in Le Gras (1826) Autogramme im Hard Days Night Zug«,
– eine Aufnahme aus einem Fenster. London, 1964
Weitere berühmte Fenster-Durchblicke reichen von Louis Daguerres bis zu über das geheime Guckloch eines VoyAndreas Gursky. Dabei ist es vermutlich eurs; über den geschützten Blick auf ein
nicht nur die immer wieder ungewöhn- Welttheater.
liche Lichtsituation, die Photographen Die Galerie Johanna Breede PHOTOan den Blicken ins Freie gereizt haben. KUNST widmet sich in ihrer kommenVielmehr erzählen Fenster Geschichten den Ausstellung ganz diesen architeküber das photographische Sehen selbst – tonischen Schnittstellen. Über 60 Auf-
Galerien
© Elmer de Haas »RearWindow«, South
Africa 2013
ren Fans wie Fische aus einem Aquarium heraus. Doch längst ist nicht ausgemacht, wer hier drinnen und wer draußen ist – wer Freigänger und wer Gefangener.
Und mit Einschließung spielt auch
eine Aufnahme des 1983 verstorbenen Heinz Hajek-Halke. Seine Fotomontage »Sexual Deprivation of Prisoners« aus dem Jahr 1926 ist vermutlich nicht nur die älteste, sondern auch
die experimentellste Arbeit der Ausstellung. Hajek-Halke zeigt das vergitterte
Gesicht eines Gefangenen, das übergroß auf eine angedeutete Figur im Vordergrund starrt. Es ist eine Mischung aus
forensischem Wahn und photographi© Herbert List »Blick aus dem Fenster«, Via Lungarina 65, Rom 1953
scher Warnung: Eingekerkert im Interieur einer Seele, wird man schnell übernahmen von 24 Photographen werden Ansprache des einstigen US-Präsiden- wältigt von Trugbildern und Irrlichtern.
von den unterschiedlichsten Herausfor- ten John F. Kennedy. Geschickt ver- Fenster sind somit immer auch Rettung.
derungen zeugen, die Fenster für Pho- mischt der 1936 geborene Wyss nicht Sie sind Durchbrüche aus Dunkelheitographen gespielt haben. Ihre Möglich- nur natürliche und technische Fernbli- ten.
keiten reichen vom geweiteten Welt- cke; er macht darauf aufmerksam, dass
Ralf Hanselle
blick bis zur Rückspiegelung des eige- auch Monitore Fenster sind – Weltöffnen Selbst. Die Archive von Photokünst- nungen, deren Transparenz immer nur
lern wie Stefan Moses, Robert Lebeck, zu einer Seite hin gegeben ist.
bis 13. Juni 2015
Barbara Klemm, Sybille Bergemann Max Scheler wiederum verweist darauf,
oder Donata Wenders werden für diese dass Fenster nicht nur Öffnungen, son- Johanna Breede PHOTOKUNST
Gruppenausstellung daher nach ihren dern auch Trennungen sein können. Ein Fasanenstraße 69
schönsten Fensterblicken befragt. Da Ausstellungsbild des einstigen Stern- 10719 Berlin-Charlottenburg
ist etwa Kurt Wyss‘ Aussicht aus einem Photographen zeigt den damaligen
Hotelfenster in New York City. Zwischen Beatle George Harrison vor dem ver- Di – Fr
11 – 18 Uhr
Innenraum und Außenraum ist ein Fern- schlossenen Fenster eines Zugabteils. Sa
11 – 16 Uhr
seher positioniert. Auf diesem läuft eine Auf der anderen Seite des Glases star- www.johanna-breede.com
brennpunkt 2/2015
29
Galerien
Dieter Matthes
»Travestie«
Berliner Tuntenball
1990 – 1993
Es war das perfekte Studio für einen Photographen, der außergewöhnliche Porträts machen wollte: Im Berliner ICC fand
von 1979 bis 1995 jeweils im November
als erster Ball der Saison der sogenannte
Berliner Tuntenball statt, den der Gastwirt Andreas Höhne (»Andreas Kneipe«)
1975 zum ersten Mal in der Neuköllner »Neuen Welt« aus der Taufe gehoben hatte. Zunächst eine Insider- Veranstaltung der Berliner TransvestitenSzene wurde der Ball dann im ICC zu
einer eher bürgerlichen Großveranstal- © Dieter Matthes, (O.i.F.)
tung mit ca. 3500 Gästen im StandardDresscode, unter die sich relativ wenige,
aber umso spektakulärer geschminkten
und opulent phantasievoll kostümierten
Transvestiten mischten, die das Ereignis
für sich als Bühne nutzen wollten und
sich als schöne Paradiesvögel bewundern ließen. Der Preis war im wahren
Sinne oft hoch: Ähnlich wie beim Karneval in Rio mussten viele Protagonisten das ganze Jahr sparen, um sich
das extravagante teure handgefertigte
Kostüm leisten zu können. Welche
noch wesentlich traurigeren Geschichten sich im Zusammenhang mit fehlender Identität, Geschlechtertausch und
nicht zuletzt vor dem Hintergrund der
damals noch meistens tödlich verlaufenden HIV- Infektion abspielten, war
zu ahnen, sollte wenigstens an diesem
einen Abend aber eben gerade keine © Dieter Matthes, (O.i.F.)
Rolle spielen.
Der Exhibitionismus der Darsteller ihrer Ich habe damals analog auf Ektageschlechtlichen Verwandlung und der chrome- Diafilm belichtet, jeweils mit
Voyeurismus des Photographen ergänz- Belichtungszeiten zwischen halber und
ten sich in diesen Stunden opportun – achtel- Sekunde geblitzt, um neben der
viele Posen wurden angeboten und Schärfe des Blitzes gleichzeitig Lichtbegenommen. Daneben aber in kurzen wegungsspuren zu erzeugen, die den
privaten Momenten wurden die faszi- glitzernd glamourösen Charakter der
nierenden Gesichter oft noch erzählen- Motive unterstützen sollten.
der, wenn unter der vermeintlich schütDieter Matthes
zenden Camouflage gerade deswegen
eine größere Durchlässigkeit und Verletzlichkeit zum Vorschein kam.
30
brennpunkt 2/2015
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
Galerien
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
bis 26. April 2015
Café Berio
Maaßenstraße 7
10777 Berlin-Schöneberg
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
Mo – Do
Fr
Sa
So
7 – 24 Uhr
7 – 01 Uhr
8 – 01 Uhr
8 – 24 Uhr
www.cafeberio.de
www.dieter-matthes.de
brennpunkt 2/2015
31
Galerien
»OSTKREUZ
CROSSROADS« –
People of(f)
FhainXberg
The Districts History
of Tomorrow
Das nächste Kapitel im photographischen
Berlin-Zyklus von Günther Schaefer ist
mit den jetzt vorliegenden Arbeiten
aufgeschlagen. Nach der 25-jährigen
Langzeitbeobachtung der Metropole
unter dem Titel »Berlin - Bilder aus
zwei Jahrtausenden«, erfolgt nunmehr
unter dem Projektnamen »OSTKREUZ
CROSSROADS« – People Of(f)
FhainXberg ein weiterer konsequenter
photo-graphischer Abschnitt, begleitet
von einem neuen Expositionskonzept.
In der zurückliegenden 25-jährigen
Schaffensperiode widmete sich Günther Schaefers Schwarzweiß-Photographie überwiegend der so genannten
Wende- und Nachwendezeit, den Menschen der Stadt und den Spuren, die sie
hinterließen sowie den Kuriositäten und
Phänomenen, die der Melting Pot Berlin
produzierte.
2014, im fünfundzwanzigsten Jubiläumsjahr des Berliner Mauerfalls, erfolgen nun die Erstpräsentationen des
neuen photographischen Konzepts, das
sich hauptsächlich der »Next Generation« dieser Metropole widmet. Künstler aller Genres stehen stellvertretend für
die diversen Kunstszenen dieser Stadt
aus dem Kreativ-Dreieck Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln Modell.
Diese neue Avantgarde Kunstschaffender verlangt photographisch geradezu
nach Farbe. Um diesem Aspekt gerecht
zu werden, schloss Günther Schaefer als
leidenschaftlicher Schwarzweiß-Photograph nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder »Frieden« mit dem Medium
Farbe.
Ein weiterer inhaltlich wichtiger
Bestandteil des neuen Konzepts von
Günther Schaefer behandelt die zunehmende Gentrifizierung, die unüberseh32
brennpunkt 2/2015
© Günther Schaefer, »Cristina Bravi«, 2014, (O.i.F.)
bar auch von diesen Stadtteilen Besitz Die photographischen Kulissen Günergreift. Die Beispiele der Nachwende- ther Schaefers im öffentlichen Raum
zeit in den 90iger Jahren im Bezirk Mitte wurden nachdrücklich von der Genesowie in den 2000er Jahren im Prenz- ration, die seit dem Mauerfall heranlauer Berg mögen als Exempel dienen wuchs, künstlerisch gestaltet und sind
wie die rapide Gentrifizierung junger ein fester Bestandteil der heutigen IdenKreativschaffende, die das Flair und tität dieser Bezirke - ebenso in der Wahrdas Straßenbild dieser Bezirke maßgeb- nehmung eines Besucherstroms internalich geprägt haben vom »Turbo-Kapita- tionaler Gäste, die auch unter diesen
lismus« gesellschaftlich an den Rand Aspekten Berlin erkunden, sich inspiriegedrückt und letztendlich, einer exis- ren lassen und das Erlebte global verbreitenziellen Problematik folgend, aus ten. Günther Schaefer: »Diese aktuelle
diesen Bezirken verdrängt wurden. Seit Form von »Streetart« wird ebenso der
geraumer Zeit lässt sich diese Entwick- fortschreitenden Gentrifizierung zum
lung tendenziell auch in den erwähnten Opfer fallen wie es zuvor an anderen
drei Stadtteilen erkennen.
Stellen geschah. Ergo, behandelt mein
neues photographisches Thema bereits
Galerien
© Günther Schaefer, »Bianca Guitton & Phil Cooksey«, 2014, (O.i.F.)
© Günther Schaefer, »Ricardo Perez«, 2014,
(O.i.F.)
heute einen gewichtigen Teil der Kunstgeschichte Berlins von morgen. Die
Locations, ein faszinierendes Kaleidoskop aus Trash, Edel-Trash, Graffiti, morbider Architektur, letzten Rudimenten
einer DDR-Vergangenheit und schrill,
attraktiven Individualisten werden auch
hier schon sehr bald der Vergangenheit angehören. Alles wird glatt, sauber
aufgeräumt und für den jungen Krea-
Art nehmen dabei einen breiten Raum
ein und zeugen in Live-Darbietungen
vom kreativen Spektrum der Kulturmetropole Berlin. Überwiegend kommen
bei diesen Events Künstler zum Zuge,
die auch als Modell in den Ausstellungsexponaten vertreten sind und im Porträt
vorgestellt werden. Im weiteren Sinne
verschaffe dies jeder Exposition eine
spezifische Form von »Dreidimensionalität«: das Photo werde sozusagen mittels Live-Act und Publikumsdialog »hörund erlebbar« - im Gegensatz zum aktuellen »Digitalen-3D-Hype« dieser Tage
in einer natürlichen Fasslichkeit für die
Besucher.
Günther Schaefer: »Ein weiterer Anker
im Konzept der »Dynamischen Ausstellung« ist die kontinuierliche Ergänzung der jeweils laufenden Exposition mit aktuellem brandfrischen Photomaterial; das heißt, keine Präsentation endet mit der gleichen Bild-Dramaturgie wie sie während der Vernissage anfänglich zu sehen war. Von
Event zu Event wird die Ausstellung
mit Werken aus jeweils neuesten PhotoSessions stammend, ergänzt und modifiziert. Bei allen beteiligten Akteuren
und Rezipienten wird somit ein zusätzliches Spannungsmoment erzeugt und
visuelle Abnutzungserscheinungen seitens des Publikums können vermieden werden. Diese Multi-Media-Events
werden darüber hinaus kontinuierlich
mit Slide-Shows und Filmdokumenten
zu meinem Werk und seinem kreativen
Umfeld begleitet. Berlin, seit Generationen eine stetige Inspiration und unerschöpfliches Elixier für alle Sinne. Denkend sehen – sehend denken«.
Günther Schaefer, Juni 2014
tiven kaum noch bezahlbar sein. All
dies wird einhergehen mit dem Verlust
eines extraordinären Zaubers, den diese
Stadtteile bei Tag und vor allem während eines pulsierenden Nachtlebens
verströmen.«
Nach Schaefers Ausstellungskonzept
entstehen zum Zweiten Aufnahmen im
Studio; Bilder, die die Persönlichkeit des
Modells pur und in klassisch photographischer Technik würdigen und zum
Ausdruck bringen. Stetiges Ziel dieser
Sessions sei die Realisation und handwerkliche Umsetzung gemeinsam entwickelter Ideen - Impulse, die die ureigene Handschrift des Photographen
und das Kreativpotential des jeweiligen Modells als Ergebnis des gemeinsamen Schaffensprozesses in einer photographischen Synthese vereinen.
Mehr Infos:
Konzeptionell werde auch in künfti- http://www.berliner-mauer-kunst.net
gen Präsentationen diesen Aspekten in
Form von »Dynamischen Ausstellungen« Rechnung getragen. Die kommenden Expositionen sehen stets mehrere
Events vor, die über eine pure Präsentation von Photographie hinausgehen: Vernissage, Finissage sowie ein oder meh- bis 3. Mai 2015
rere Special-Events gehören bei Schaefer zukünftig zum Programmstandard. 7 Stufen Galerie Art
Der Grundgedanke sei nicht nur die Krausnickstraße 16
Präsentation möglichst vieler Kreativ- 10115 Berlin-Mitte
genres, sondern deren Verschmelzung.
Literatur, Film, Musik und Performance- Mo – Fr
14 – 18 Uhr
brennpunkt 2/2015
33
Galerien
Nuschi Kelm
Ursula Kelm
Angela Kröll
»DREI sehen VIER«
Vernissage
17. April 2015, 19 Uhr
Künstlergespräch
28. April 2015, 19 Uhr
Kuratorin: Ursula Kelm
Die Erinnerung an die früheren 18. April bis 16 Mai 2015
Passbildautomaten war für alle gleich,
jedoch hat jede der drei Fotografinnen PFLÜGER 68
eine eigene künstlerische Interpretation Pflügerstraße 68
gefunden.
12047 Berlin-Neukölln
Fotografie und Road-Movie
(Stop-Motion-Film, 5 Minuten)
© Nuschi Kelm, (O.i.F. und SW)
© Ursula Kelm, (Original in Sepia)
34
brennpunkt 2/2015
Mo – Fr
12 – 18 Uhr
Sa
12 – 20 Uhr
http://www.pflueger68.de/3sehen4.html
© Angela Kröll, aus Stop-Motion-Film, (O.i.F.),
Galerien
Amin El Dib
»Inszenierte Bildnisse«
Amin El Dib arbeitet in größeren Werkgruppen, die ihn oft jahrelang beschäftigen, die sein Leben begleiten und
bestimmen. Umgekehrt wirken einzelne Momente dieses Lebens auf die
Ausformung mancher Arbeitsweisen
und damit die Art der Bilder zurück;
das reicht von Spaziergängen mit dem
Hund über familiäre Reisen nach Ägypten bis zu erotischen Obsessionen. Oft
genug jedoch definieren die Arbeitsprozesse der Photographie selbst seine
Arbeit: Was im Negativdruck geschieht,
ist genau so spannend wie die Frage
nach der Größe, dem Ausschnitt, dem
Seitenverhältnis und der Grauwertverteilung von Bildern. Ein guter Teil seiner
Radikalität des Œuvres verdankt Amin
El Dib dem Umstand, dass er jeden Parameter seiner photographischen Arbeit
gleich ernst nimmt – nichts ist zu klein,
als dass es nicht die Wirkung seiner
Bilder verändern könnte.
© Amin El Dib
© Amin El Dib
© Amin El Dib
© Amin El Dib
bis 24. Mai 2015
Kommunale Galerie Berlin
Hohenzollerndamm 176
10713 Berlin-Wilmersdorf
Di – Sa
So
Mi
10 – 17 Uhr
11 – 17 Uhr
10 – 19 Uhr
brennpunkt 2/2015
35
Galerien
Frank-Rüdiger Berger
Karl Böttcher
Andrea Brabetz
Susanne Czichowski
Sylvia Forsten
Ursula Kelm
Angela Kröll
Barbara Oehler
»Zwischen Welten«
Fotografie & Skulptur
© Barbara Oehler, O.i.F.
Ausgehend von den Räumlichkeiten
der Mönchmühle wollen sechs Berliner Fotograf/-innen wie im mittelalterlichen Mysterienspiel jeder Ebene eine
Dimension zuordnen, die Thema für die
dort ausgestellten Fotos sein soll, aufsteigend Hölle, Erde, Himmel, denen
die Elemente Feuer, Erde, Luft zugeordnet sind.
© Frank-Rüdiger Berger, O.i.F.
© Frank-Rüdiger Berger, O.i.F.
Das Element Wasser als Motor der
Mühle greifen ein Berliner Fotograf und
eine Bildhauerin auf.
© Ursula Kelm, O.i.F.
© Ursula Kelm, O.i.F.
36
brennpunkt 2/2015
© Angela Kröll, O.i.F.
© Sylvia Forsten
Galerien
© Susanne Czichowski, (O.i.F.)
© Karl Böttcher, Stills aus Video
© Franz-Rüdiger Berger, (O.i.F.)
© Karl Böttcher, Stills aus Video
© Ursula Kelm, O.i.F.
© Ursula Kelm, O.i.F.
© Andrea Brabetz, Marmor
26. Mai bis 26. Juli 2015
© Andrea Brabetz, Marmor
Vernissage
25. Mai 2015, 14 Uhr
Mönchmühlengalerie
Mönchmühlenallee 3
16567 Mönchmühle
So
14 – 17 Uhr
und nach Vereinbarung
brennpunkt 2/2015
37
Galerien
Ursula Kelm
»Gesichter aus
Amerika«
Fotografien 2010 – 2014
Was wahrhafte Porträts von »facebook« unterscheidet – die Begegnung
von Angesicht zu Angesicht – das hat
Ursula Kelm in den USA ins Bild gesetzt:
Ihre »Gesichter aus Amerika« entstanden bei mehreren Besuchen in den
Jahren 2010 und 2014. Die Schwarzweiß-Aufnahmen zeigen Menschen an
ihrem Arbeitsplatz, bei der Graduierten-Feier einer High-School in Arkansa
oder am Memorial-Day in Tulsa/Oklahoma. Stets begegnet die Fotografin
ihrem Gegenüber in dessen vertrauter
Umgebung, spürt dem jeweils Besonderen im Alltag nach, sei es beim Aufsichtspersonal der New Yorker MoMA
PS1, von Bauarbeitern während der Mittagspause oder Metzgern auf einer Laderampe im meat-district von Manhattan. Jedem Porträt ist anzumerken, dass
dem Moment der Aufnahme ein kurzes
Gespräch, eine gegenseitige Verständigung vorausgegangen ist: Diese Bilder
sind weder überfallartige Schnappschüsse noch aufwendige Selbstinszenierungen. Stattdessen lässt Ursula
Kelm jedem Gegenüber genug Spielraum, sich auf sich selber zu besinnen
– statt auf modische Posen zurückzugreifen oder mit exaltierten Gesten aufzuwarten. So gerät, was in den Anfangszeiten des Mediums in aufwendig gestellten
Porträt-Sitzungen einseitig vom Fotografen kontrolliert wurde, en passant zum
gleichberechtigten Dialog. Um eine
weitere Dimension hat Ursula Kelm
ihre Serie mit Doppelporträts erweitert,
aufgenommen jeweils 2010 und 2014:
Stets ist es ein und dieselbe Person, aber
Gesichter und Gesten haben sich in nur
vier Jahren verändert. Die Fotografin hat
dem Leben bei der Arbeit zugeschaut.
Jochen L. Stöckmann
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
38
brennpunkt 2/2015
© Ursula Kelm
© Ursula Kelm
© Ursula Kelm
© Ursula Kelm
© Ursula Kelm
© Ursula Kelm
Galerien
© Ursula Kelm
© Ursula Kelm, »Erika«, 2010
© Ursula Kelm, »Tony«, 2010
© Ursula Kelm, »Erika«, 2014
© Ursula Kelm, »Tony«, 2014
© Ursula Kelm
Vernissage
12. Juni 2015, 18 Uhr
13. Juni bis 1. August 2015
© Ursula Kelm, »Kathy«, 2014
© Ursula Kelm, »Kathy«, 2010
Galerie der Kunststiftung Poll
Gipsstraße 3
10119 Berlin-Mitte
Do – Sa
14 – 19 Uhr
und nach Vereinbarung
brennpunkt 2/2015
39
Galerien
Peter Fischer-Piel
»so oder so«
Wenn die Unterwasserfotos aus Georges Bateilles‘ Das Blau des Himmels mit
der Intensivstation eines still gelegten
Krankenhauses korrespondieren oder
die Katastrophenbilder aus Fukushima
als famose Theaterlandschaften eine
neue Schönheit entfalten, wenn das alte
Glasnegativ der Großmutter zur Patina
für zeitlose Stadtlandschaften wird oder
Ophelia aus den Pfützen der Beelitzer
Heilstätten wieder aufersteigt, werden
Dinge und Bezüge sichtbar, die vorher
undenkbar schienen.
»so oder so« spielt mit der Wahrnehmung und Phantasie des Betrachters.
In keinem Fall kann er sich sicher sein,
dass das, was er sieht, auch wirklich
existiert oder so gewesen ist. Da taucht
an einer Wand ein Gemälde von Otto
Dix auf, wo es nie sein dürfte: wie ist
es dahin gekommen? Wer hat es auf
die Wand gemalt? In einem zerstörten Raum hält Trotzky seine berühmte
Rede: ist das Bild auf der Wand eine
Hinterlassenschaft der russischen Soldaten, die dort jahrzehntelang gelebt
haben? Im Theater sitzt ein überdimensionierter Buddha vor der zerstörten
Landschaft der Tsunami-Katastrophe:
ist das moderne Bühnenbildarchitektur
oder Abbild einer absurden Wirklichkeit? Und selbst die dokumentarischen
Aufnahmen aus der Intensivstation eines
Krankenhauses wirken derart unwahrscheinlich, dass wir niemals sicher sein
können, dass das, was wir sehen, auch
tatsächlich so gewesen ist.
© Peter Fischer-Piel, (O.i.F.)
9. Mai bis 6. Juni 2015
Carpentier Galerie
Meinekestraße 13
10719 Berlin-Wilmersdorf
Di – Fr 16 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
www.carpentier-galerie.de
40
brennpunkt 2/2015
© Peter Fischer-Piel, (O.i.F.)
Vernissage
8. Mai 2015, 19 Uhr
Galerien
Daniel Samanns
»Wet Plates«
Mit unverwechselbaren Unikaten auf
Glas und Metall im Großformat präsentiert die Galerie Carpentier zeitgenössische Ambrotypien und Ferrotypien des
Fotografen Daniel Samanns.
In der Ausstellung werden Einblicke in
drei Themen des Schaffens von Daniel
Samanns gezeigt. Dabei handelt es sich
um Fotografien aus seiner umfangreichen Portraitserie, die zwischen 2011
und 2015 entstanden ist und laufend
fortgeschrieben wird. Daneben werden
Arbeiten aus der aktuellen Serie »Natural Objects« und der jüngst entstandenen Serie »Nudes« gezeigt.
© Daniel Samanns, Ohne Titel
Das Kollodium-Nassplatten-Verfahren
wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt und ist als »Wet Plate Process«
bekannt. Eine Glas- oder Metallplatte
wird bei diesem Verfahren mit einer
Träger-Flüssigkeit beschichtet und im
Silberbad lichtsensibilisiert. Unmittelbar nach der sofort erfolgenden Belichtung wird die Platte entwickelt und
fixiert. Das alles erfolgt in einer Verarbeitungszeit von maximal 15 Minuten. Dieser aufwendige, handwerkliche
Arbeitsprozeß, bei dem sich das Material in einem ständig nassen Zustand
befindet, erfordert deshalb bei Außenaufnahmen eine mobile Dunkelkammer. Auch die langen Belichtungszeiten
von bis zu 20 Sekunden (ca. 1-ASA), die © Daniel Samanns, Ohne Titel
bei Portraitaufnahmen eine Kopfstütze
notwendig machen, sorgen bei dieser Arbeit mit »magischen Momenten«, wie
Technik der Fotografie für eine unver- Daniel Samanns sie nennt. Wenn nämwechselbare Anmutung.
lich auf wundersame Weise - wie aus
einem Nebel heraus - das fotografierte
Der lange in den Bereichen Mode- und Motiv auf der Glas- oder Metallplatte
Werbefotografie tätige Fotograf und sichtbar wird.
Fotojournalist Daniel Samanns bedient
sich bewußt des fast vergessenen Kol- Über seine freien Arbeiten hinaus erstellt
lodium-Nassplatten-Verfahrens aus der Fotograf Daniel Samanns auch Aufden Anfängen der Fotografie. Ihn faszi- tragsarbeiten für private und gewerbliniert bei diesem Verfahren vor allem der che Kunden. Zusätzlich gibt Samanns
handwerkliche Prozeß, der eine unver- seine fotografischen Kenntnisse in Semimeidbare Entschleunigung mit sich naren weiter und ist als frei arbeitender
bringt und permanente Aufmerksamkeit Dozent mit Workshops und Vorträgen
und Sorgfalt des Fotografen erfordert. über fotografische Techniken an HochBelohnt wird die Anstrengung dieser schulen tätig.
© Daniel Samanns, Ohne Titel
© Daniel Samanns, Ohne Titel
Vernissage
19. Juni 2015, 19 Uhr
20. Juni bis 17. Juli 2015
Carpentier Galerie
Meinekestraße 13
10719 Berlin-Wilmersdorf
Di – Fr 16 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
www.carpentier-galerie.de
brennpunkt 2/2015
41
Galerien
Russell James
»Angels«
CAMERA WORK freut sich, ab dem 25.
April 2015 die Ausstellung »Angels« von
Russell James zu präsentieren. Die Einzelausstellung zeigt eine exklusive Auswahl von teils nie zuvor gezeigten Aktund Porträtphotographien der schönsten und erotischsten Models der Welt,
mit denen Russell James in den vergangenen 15 Jahren zusammengearbeitet
hat.
Bereits der Titel der Ausstellung und
Serie »Angels« suggeriert eindringlich:
Diese Frauen sind nicht von dieser
Welt. Unerreichbare und engelsgleiche Anmut fasziniert die Menschen
seit jeher und ließ weibliche Ikonen in
allen Epochen entstehen, die als Inbegriff der erhabenen Schönheit gelten.
Alessandra Ambrosio, Gisele Bündchen,
Heidi Klum, Karolína Kurková, Adriana
Lima und Candice Swanepoel gehören
zu 35 solcher Models, mit denen der
Photokünstler Russell James seit über
15 Jahren zusammenarbeitet und die
als »Angels« tituliert so Protagonistinnen seines künstlerischen Schaffens
sind. Dabei zielt Russell James nicht
auf das pure Abbilden der Models ab –
vielmehr ist es seine Intention, sie fernab
von Haute Couture, Selbstinszenierung
oder Werbebotschaft in der Atmosphäre
intimer Momente darzustellen, in denen
ihre bloßgelegte Schönheit in Sinnlichkeit aufgeht.
Das vertraute Verhältnis zwischen Photograph und Model erlaubt es, dass Photographien entstehen können, in denen
sich Doutzen Kroes völlig unbekleidet
auf einem weißen Flokati für einen
Akt räkelt oder Lily Aldridge und Candice Swanepole sich in sanfter Umarmung umspielen. Russell James agiert
nicht als Voyeur, der aus dem Verborgenen heraus das Bild der vollendeten
Erscheinungen zu erheischen versucht,
vielmehr sind seine Arbeiten ein ehrlicher und intimer Dialog, in dem er
seinen Blick auf die erotische Schönheit offenlegt – diese Herangehensweise
unterscheidet ihn von vielen anderen
Photokünstlern dieses Genres. Rus42
brennpunkt 2/2015
© RUSSELL JAMES, MARISA, VIRGIN GORDA, 2002
sell James versucht bei der Arbeit eine
freundschaftliche, gelöste Atmosphäre
zu erzeugen, in der die Models nicht
nur ihre blanke Körperlichkeit aus sich
heraus lustvoll vor der Kamera zelebrieren, sondern darüber hinaus ihre eigene
Identität in ihr »verlieren«. Dementsprechende Leichtigkeit liegt in den Werken:
Sie stagnieren nicht vor plumper Erotik,
sondern haben das Strahlen eines spielerisch sinnlichen Knisterns.
Mit dramatischen Lichtkontrasten setzt
Russell James dabei die weibliche Physiognomie eindringlich in Szene – an den
schönsten Orten der Welt: von Metropolen wie New York, Los Angeles oder
Miami bis hin zu entlegenen und exo-
tischen Naturschauplätzen wie Necker
Island in der Karibik, der Costa Careyes
in Mexiko oder den Turks- und Caicosinseln im Atlantischen Ozean. Inszeniert
in eben jener rauen Natur, steriler Architektur oder den blanken Studiowänden,
gewähren die Porträts und Akte einen
Blick auf die Formschönheit des weiblichen Körpers. Hat sich dieser in mehr als
30.000 Jahren als eines der Hauptmotive der Kunst manifestiert, verschmelzen in den Schwarz-Weiß-Arbeiten von
Russell James die Ästhetik der klassischen Aktphotographie, ein moderner
Zeitgeist und die herausragende Bildqualität des 21. Jahrhunderts miteinander.
Galerien
© RUSSELL JAMES, ERIN WINDSWEPT HAIR
PORTRAIT, NEW YORK, 2013 (O.i.F.)
© RUSSELL JAMES, DOUTZEN NUDE
AT SUNSET ON RUG, MIAMI, 2014
sche Narration der Gegenwart zugrunde,
die weltweit Bespiel für aktive Versöhnung geworden ist. Seit dem Start in
New York 2009 und mit der Unterstützung von Donna Karan, Hugh Jackman
© RUSSELL JAMES, RIHANNA, BLACK SANDS PORTRAIT, LOS ANGELES, 2011
und der australischen Regierung wurde
Das gleichnamige Photobuch zur Aus- Victoria’s Secret. Seine Photographien die Serie u.a. in Zusammenarbeit mit
stellung erschien 2014 im teNeues reflektieren dabei die Kultur seines Hei- CAMERA WORK in Berlin und in der
Verlag. Russell James
matlandes. Die besonderen Landschaf- National Gallery of Victoria in AustraRussell James zählt zu den weltweit ten und Lichtverhältnisse in Australien, lien gezeigt.
renommiertesten Mode- und Celebrity- auf Kuba oder den Bahamas, verleihen
Photographen. Seine Photographien den Akt-, Porträt- und Modephotogra- 25. April bis 6. Juni 2015
erscheinen regelmäßig in Zeitschriften phien ihren individuellen, unverkennwie »Vogue«, »W«, »American Photo« baren Stil.
Galerie Camera Work
oder »GQ«. Der 1962 geborene Austra- Russell James ist ebenfalls bekannt für Kantstraße 149
lier führte ein bewegtes Leben als Poli- sein Kunstprojekt mit dem Titel »Nomad 10623 Berlin-Charlottenburg
zist einer Spezialeinheit und als Photo- Two Worlds« – eine Kunstserie, die von
model geführt, bevor ihm mit 34 Jahren den globalen Auswirkungen des Aufein- Di – Sa 11 – 18 Uhr
der Durchbruch als Photograph in New andertreffens verschiedener Kulturen
York gelang. Der Künstler arbeitet regel- inspiriert wurde. »Nomad Two Worlds« Homepage:
mäßig mit den Topmodels der Welt liegt zum einen die Geschichte seiner www.camerawork.de
zusammen – seit über 15 Jahren ist Rus- Heimat Australien, zum anderen die Facebook:
sell James der offizielle Photograph von sich ständig weiter entfaltende politi- www.facebook.com/cameraworkberlin
brennpunkt 2/2015
43
Galerien
Kathrin Tschirner
Die Ausstellung »Kurfürstenstraße« zeigt
den eigenen, persönlichen Blick der
Sexarbeiterinnen auf ihren Lebensalltag und verbindet diesen mit dem der
Außenwahrnehmung der Fotografin
Kathrin Tschirner, die die Frauen und
Transfrauen über ein Jahr begleitet hat.
Der Norden Schönebergs ist schon seit
1885 einer der wichtigsten Prostitutionsmärkte Berlins. In diesen 130 Jahren
hat sich das Gebiet stark gewandelt, die
Beweggründe für die Frauen aber sind
auf einzigartige Weise gleich geblieben.
Was ihnen heute wie gestern gemein ist,
sind die geringen Ressourcen, auf die
sie zurückgreifenkönnen und der stets
kritische Blick der Gesellschaft auf sie.
Die begriffliche Zuschreibung »Prostituierte« ist noch immer so oberflächlich und negativ besetzt, dass die Protagonistinnen nicht als Individuen gesehen werden. An dem Begriff entzünden
sich politische Diskussionen, fernab der
Realität und des Alltags für die Mädchen und Frauen auf der Kurfürstenstraße, fernab auch der Hintergründe
und Bedürfnisse aller Beteiligten.
Der Frauentreff Olga, eine Kontaktund Beratungsstelle für drogenabhängige Frauen und Prostituierte an der
Kurfürstenstraße, führte aus diesem
Grund 2014 ein Projekt namens »Photovoice« durch. »Photovoice« ist eine
einzigartige partizipative Methode für
Menschen aus marginalisierten Gruppen, zur Stärkung ihrer Ressourcen und
um sowohl den Teilnehmerinnen als
auch der Gesellschaft einen Blick auf
sich und ihre Lebenswelt zu ermöglichen. Im konkreten Fall ist dies das Feld
der Prostitution an der Kurfürstenstraße.
Mit einer analogen Kamera, alleine
oder in Begleitung der Mitarbeiterinnen des Olga oder der Fotografin Kathrin Tschirner, unternahmen die Frauen
Streifzüge durch den Kiez. Daraus resultierten nach 10 Monaten Projektarbeit
24 lebensnahe Bilder und einzigartige
Geschichten von Frauen der Kurfürstenstraße, die den Betrachter auf einen Ausflug durch die Straßen des Kurfürstenkiez und die individuellen Leben von
14 Frauen mitnehmen.
44
brennpunkt 2/2015
© Kathrin Tschirner, (O.i.F.)
Photovoice Daisy, (O.i.F.)
Photovoice Steffi, (O.i.F.)
Dieses Foto-Projekt wurde vom Frauentreff Olga und mit der Unterstützung
der Fotografin Kathrin Tschirner durchgeführt. Diese hat im Rahmen ihrer
Masterarbeit über eineinhalb Jahre die
Straße porträtiert und ehrenamtlich im
Frauentreff gearbeitet. Ihr daraus entstandenes Buch »Kurfürstenstraße« setzt
sich wie ein Puzzle aus den Erzählungen der Sexarbeiterinnen, des heterogenen Miteinanders des Umfeldes und Photovoice Tanja, (O.i.F.)
ihren Erlebnissen in dieser Zeit zusammen. Dabei geht sie fragmentarisch vor,
in dem Wissen, dass für sie immer Lehr- 16. Mai bis 7. Juni 2014
stellen bleiben werden.
aff Galerie
Kochhannstraße 14
10249 Berlin-Friedrichshain
Vernissage
15. Mai 2015, 19 Uhr
Sa + So
15 – 18 Uhr
www.aff-galerie.de
Galerien
Fred Baumgart
»Schwanger«
Helmut Baumann
»Sand auf der Haut«
ist für ihn die Herausforderung schlechthin. Der Akt in sehr unterschiedlicher,
immer beeindruckender Landschaft ist
seit nunmehr über 10 Jahren seine Leidenschaft.
Die hier ausgestellten Aufnahmen »Sand auf der Haut« – das ruft gegendokumentieren einen Tag während der sätzliche Assoziationen wach. Reibend, Vernissage
Schwangerschaft von Letitia kurz vor der kitzelnd, reizend – aufreizend? Sand ist 8. Mai 2015 um 19 Uhr
Thema bei vielen Schlagern, und ein (2. Freitag des Monats)
Geburt ihres Kindes.
Die Fotos sollen für beide eine dau- natürliches Seesand-Peeling regt den
ernde Erinnerung an diese schöne Zeit Kreislauf an, erneuert die Haut - und 8. Mai bis 31. Mai 2015
sein. Für Letitia ist es bereits das zweite ersetzt teure Kosmetika. Sie spürt ihn
Kind, deshalb wurde auch ihr erster gerne, den Sand auf ihrer Haut, sagte Die Aktgalerie
Sohn Julian in die Dokumentation mit zum Beispiel Anja bei den Fotoaufnah- Krossener Straße 34
men am Strand der Maremma. »Man 10245 Berlin- Friedrichshain
einbezogen.
kann so viele Sachen machen mit
15 – 19 Uhr
Die Bilder zeigen deutlich den liebevol- Sand«. Helmut Baumanns Aufnahmen Fr., Sa., So.
zum
Thema
»Sand
auf
der
Haut«
sind
len Umgang der Mutter mit Julian und
an verschiedenen Stränden entstanihrem ungeborenen Kind.
Winfried Matern
»Akt-Portraits und
Skulpturen«
Der Künstler zeigt Fotos aus seinen langjährigen Projekten »The White Chair«,
»Factory-Girl«, »XXL«, »Blond« und
»Privat«. Die Fotos sind sinnliche Portraits von Frauen, in denen das Vergnügen der Modelle an der Aktfotografie
zum Ausdruck kommt. Erstmalig zeigt
er seine in den vergangenen Jahren entstandenen Holz-Skulpturen, die ebenfalls den nackten Körper thematisieren.
© Fred Baumgart, (O.i.F.)
bis 26. April 2015
Die Aktgalerie
Krossener Straße 34
10245 Berlin- Friedrichshain
Fr., Sa., So.
15 – 19 Uhr
© Helmut Baumann, (O.i.F.)
den – in der Toskana, auf Teneriffa, in
der Provence und in der Algarve. Und
was dabei herauskam, kann sich sehen
lassen: Denn die Models geizen nicht
mit ihren Reizen. Wie immer hat er sich © Winfried Matern
von der Natur und den Umständen am
Ort inspirieren lassen; er beobachtet Vernissage: 5. Juni 2015 um 19 Uhr
und vertraut auf die Improvisation. Es
gibt für ihn keine schlechten Situatio- 5. Juni bis 28. Juni 2015
nen: »Wer genau hinschaut, mit Geduld
und Verständnis für das Modell und die Die Aktgalerie
Umgebung, dem gelingt immer ein gutes Krossener Straße 34
Foto«, so sein Credo. Den überraschen- 10245 Berlin- Friedrichshain
den Moment einzufangen, ihn festzuhalten und dem Betrachter zu erschließen, Fr., Sa., So.
15 – 19 Uhr
brennpunkt 2/2015
45
Galerien
Berlin Photography
Jürgen Bürgin
Thomas Hillig
Frank Machalowski
Florian Profitlich
Jürgen Bürgin
»Marathon«
© Jürgen Bürgin. Aus der Serie: Marathon
Der Marathonlauf in Berlin ist längst
zu einem Massenphänomen geworden, mit Sponsoren und Fernsehübertragungen kommerziell ausgewertet,
die Bedeutung für das Prestige und den
Tourismus der Stadt Berlin ist immens.
Die Fotoserie »Marathon« entfernt sich
von diesem Massenphänomen und vermeidet jegliche Anmutung sportfotografischer Ästhetik. Die Fotografien greifen
das Prinzip der Straßenfotografie auf,
Situationen im urbanen Raum abzubilden und darüber hinauszuweisen. Die
Bilder deuten die Bewegung, die Ausdauer, die Kraft, die Leiden des Langstreckenläufers an, aber sie abstrahieren von visuellen Klischees der Sportberichterstattung.
Die eingefrorenen Gesten und Körperhaltungen - der nach hinten geworfene
Kopf, der angespannte Muskel, die in
die Luft gestreckten Arme, die zum
kühlenden Wasser gerichteten Hände wirken wie stilisierte, verfremdete visuelle Elemente eines Langstreckenlaufs.
Das aufspritzende Wasser, die Tropfen
und Spritzer, die im Licht funkeln, die
Schatten und die Silhouetten der Körper
im Gegenlicht erzeugen eine grafische,
fragmentarische Wirkung und eine beinahe abstrakte Bildsprache.
46
brennpunkt 2/2015
© Thomas Hillig. Aus der Serie: Unter Brücken
Über sich selbst sagt Thomas Hillig: »Ich
bin ein klassischer Stadt- und Straßenfotograf. Bedingt durch meinen architektonischen Background spielen Architekturen eine größere Rolle als Menschen. Diese werden in meinen Bildern
Berlin hat mehr Brücken als Venedig. zumeist als dimensionaler Bezugspunkt
Brücken sind Infrastruktur, die Verbin- eingesetzt und unterstützen wenn vordung zwischen Orten, werden aber handen, nur auf sehr subtile Weise die
kaum als solche wahrgenommen. Der Geschichte eines Bildes. Vorgenanntes
Aufenthalt auf und unter Brücken ist soll aber nicht heißen, dass es mir nicht
flüchtig, meist nur notwendig. Brücken um den Menschen geht. Im Gegenteil,
sind die ungewollten Rahmen für unprä- Architekturen und Stadt sind eine vom
tentiöse Stadtlandschaften, Situationen Menschen kreierte Umwelt und die
so unterschiedlich wie die Wege …
Bilder sind immer eine Parabel für das
menschliche Dasein.«
Thomas Hillig
»Unter Brücken«
Galerien
© Florian Pofitlich. Aus der Serie: Berlin stadt
Frank Machalowski
»Multiexpo«
Das Projekt »multiexpo« konzentriert
sich auf das touristische Berlin, auf
Orte und Plätze die meist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Hier verschmelzen verschiedene Elemente und
Aspekte der Stadt mit einem träumerischen Moment. Zugleich wird mit der
scheinbaren Unschärfe der Geschwindigkeit unserer heutigen Zeit, die besonders in Großstädten erfahrbar ist, eine
ästhetische Komponente beigegeben.
© Frank Machalowski. Aus der Serie: Multiexpo
Florian Profitlich
»Berlin stadt«
Mit der achten und letzten Ausstellung
endet - vorläufig muß man sagen - das
Ausstellungsprojekt »Berlin Photography« der Carpentier Galerie. Die Ressonanz auf jede einzelne dieser Ausstellungen aber auch auf das Gesamtprojekt
war sehr positiv und Peter Fischer-Piel
hatte völlig recht, wenn er schrieb: »Die
für die Ausstellungsreihe ausgewählten
32 Beitrage zeigen jedenfalls in ihrer
Vielfalt und Qualität, wie auf einem
ebenso subjektiven wie künstlerisch
hohen Niveau zeitgenössische Stadtfotografie aussehen kann.« Der in dem
Ausstellungsprojekt gemachte Anfang
soll fortgeführt durch eine Gesamtausstellung sowie die Erstellung einer
Publikation zum Thema. Diese Aktivitäten sollen bis 2016 stattgefunden haben.
Darüber hinaus werden in der Carpentier Galerie auch zukünftig weiterere
zeitgenössische stadtfotografische Positionen gezeigt werden.
Mein Dank gilt allen ausstellenden Fotografinnen und Fotografen, den Jurymitgliedern Ursula Kelm, Boris von Brauchitsch, Marc Barbey und Peter FischerPiel, den zahlreichen Besuchern sowie
den Käuferinnen und Käufern von Arbeiten der Fotografinnen und Fotografen
und allen anderen Unterstützern.
Manfred Carpentier
Die Gebäude, Gebilde und Skulpturen
verschiedener Stile und Epochen sind
aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen, ebenso wie die unterschiedlichen Besucher, deren Blicken der Foto- Die Arbeit »stadt« zeigt Berliner Stadtgraf folgt, sie betrachten. Die Multiplika- räume, die für die ganze Stadt von
tion und Intensivierung der Positionen Bedeutung sind. In der Regel sind die
und Blickfelder scheint die Bauwerke Aufnahmen von erhöhten Standpunkzu verzerren und letztlich auf ihren Kern ten aufgenommen, um eine bessere Verzu reduzieren. Sie vibrieren regelrecht ständlichkeit der städtebaulichen Strukunter dem Versuch, die Zeit selbst in den turen zu erreichen.
Bildern einzufangen.
Alle Bilder entstehen mit einer Panaoramakamera auf SW-Rollfilm. Die Abzüge
Alle Aufnahmen dieses Projekts sind mit werden im eigenen Labor selbst angeanaloger Fototechnik realisiert worden. fertigt. Die in der Ausstellung gehängten
Arbeiten zeigen den Stadtraum des his- 4. April bis 30. April 2015
torischen Stadtkernes von Berlin.
Carpentier Galerie
Meinekestraße 13
10719 Berlin-Wilmersdorf
Vernissage
3. April 2015, 19 Uhr
Di – Fr 16 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
www.carpentier-galerie.de
brennpunkt 2/2015
47
Galerien
Bill Perlmutter
Europe in the Fifties
Through a Soldier‘s
Lens
Präsentiert werden in der »Galerie
Hilaneh von Kories« Arbeiten des New
Yorker Fotografen Bill Perlmutter. Der
heute 80jährige Fotograf reiste ab 1954
als Auftragsfotograf der US-Armee durch
Europa. »Europe in the Fifties. Through
a Soldier´s Lens« zeigt eine Auswahl
seiner Aufnahmen aus Deutschland,
Frankreich, Italien, Portugal und Spanien. Perlmutters Werk ist eine fotografische und historische Entdeckung und
wird nun erstmals in Berlin gezeigt.
Der Blick des Fotografen auf das Europa
der Nachkriegszeit ist unmittelbar und
direkt. Nur mit geringen Vorkenntnissen und mit eher filmisch vermittelten (Vor-)Urteilen startete der junge GI
seine fotografischen Reportagen. In auffälliger Weise stehen von Anfang an die
Menschen im Mittelpunkt seiner Fotografien.
Mit offenem Blick und sichtbarem Interesse für seine Zeitgenossen sieht und
erlebt er Europa knapp zehn Jahre nach
Kriegsende. Zwar sind die Spuren des
Krieges noch überall erkennbar, doch
haben sich die Überlebenden wieder in
ihrem Alltag eingerichtet; trotz aller Entbehrungen und Kriegserfahrungen geht
das Leben weiter. Voller Neugierde hält
der Fotograf Szenen und Momente des
Straßenlebens fest und meist mit ebenso
großer Unbefangenheit posieren und
agieren die von ihm porträtierten Personen vor seiner Kamera. Er beobachtet
sie nicht, sondern nähert sich den Menschen voller Empathie, ganz im Sinne
einer humanistischen Fotografie. »Die
Straße wurde zur Bühne und die Menschen zu Schauspielern in einem sich
ständig wandelnden und faszinierendem Theater der Wirklichkeit«, so Perlmutter über seine fotografischen Inspirationen.
Im Dezember 1954 bestieg der damals
22jährige Fotograf das Truppenschiff
nach Deutschland um für amerikanische Armee-Magazine zu arbeiten.
48
brennpunkt 2/2015
Bill Perlmutter, Children Waving at U.S.Tanks,
Germany, 1956
Bill Perlmutter, Man With Dark Glasses, Italy,
1956
Bill Perlmutter, OpenWide, Germany 1955
Bill Perlmutter, Front Side and Rear, Spain,
1956
Schon auf der rauen Nordsee-Überfahrt
entstanden die ersten Aufnahmen mit
seiner Rolleiflex. Zuvor hatte er die USA
nie verlassen und war zwar über seine
Zukunft ein wenig besorgt, aber »zur
gleichen Zeit freute ich mich auf das
zu fotografierende Europa und auf das
Besuchen all jener wunderbaren Orte,
von denen ich gelesen oder sie in Filmen
gesehen hatte.« So überrascht es nicht,
dass sein erster Drei-Tages-Urlaub während seines Deutschlanddienstes den
Fotografen gleich nach Paris zog. Auch
hier lässt er sich auf den Boulevards
und Plätzen vom Geschehen treiben
und findet so seine ganz persönlichen
Momentaufnahmen der Metropole.
Und nicht zuletzt diente eine Italienreise
der Überprüfung der eigenen Vorurteile:
»Ich wuchs in dem Glauben auf, dass
alle Italiener Spaghetti mit roter Sauce
essen und alle Frauen in Schwarz gekleidet sind. Denn bevor ich nach Europa
geschickt wurde, waren die einzigen
mir bekannten Italiener Bewohner der
Bronx, die aus Sizilien kamen. Und: sie
waren nicht meine Freunde.« Weitere
Eindrücke hatte Perlmutter aus Meisterfilmen des italienischen Realismus der
Nachkriegszeit gewonnen. Die Konfrontation mit der italienischen Realität
des Jahres 1956 musste ihn daher überraschen: »Alle meine Vorurteile wurden
erschüttert, als ich die meisten Italiener
als sympathisch, weltoffen und optimistisch gegenüber der Zukunft erlebte.
Rom war eine lebendige Geschichtsstunde und Venedig die bezauberndste
Stadt, die ich je besucht habe.«
Auch die Aufnahmen Perlmutters aus
den anderen von ihm besuchten Ländern zeichnen sich durch ein ehrliches
Interesse an den Lebensbedingungen
und kulturellen Besonderheiten seiner
europäischen Zeitgenossen aus. Wie
unterschiedlich die Lebensstandards der
von ihm besuchten Länder waren, lässt
sich in den Bildern bis heute bemer-
Galerien
Bill Perlmutter, Boy on the Beach, Portugal,
1956
Bill Perlmutter, Old Couple in the park, Paris,
1955
Bill Perlmutter, Postcard Seller, Paris, 1956
Bill Perlmutter, Hitler Look.a.like, Germany,
1956
Bill Perlmutter, Nitrato do Chile, Portugal,
1956
Bill Perlmutter, Policeman, Madrid, 1956
kenswert deutlich ablesen. Und so ist
auch für den heutigen Betrachter das
Werk Perlmutters eine besondere Entdeckungsreise durch die europäische
Nachkriegszeit.
Rund sechzig Jahre nach ihrem Entstehen
zeigen die Aufnahmen das Gespür des
Fotografen für den besonderen Moment.
So wird jedes einzelne Motiv ein lebendiges Mosaiksteinchen der Erinnerung,
das sehr genau über die damalige Zeit,
aber auch über sehr persönliche Begegnungen berichtet. Durch diese intuitive
Fähigkeit des Fotografen wirken seine
Bilder allerdings über den historischen
Moment hinaus, lassen sein Werk bis
heute als höchst lebendig und sehenswert erscheinen.
BILL PERLMUTTER wurde am 5. September 1932 in New York geboren.
Nach einem Studium der Filmtechnik
und ersten fotografischen Arbeiten in
New York schloss er 1954 sein Fotografiestudium an der Army Signal Corps
School in Fort Monmouth, New Jersey,
ab. Für zwei Jahre war er zunächst als
angestellter Pressefotograf für Zeitschriften der US-Armee in Deutschland tätig,
danach fotografierte er in verschiedenen europäischen Ländern und arbeitete ab 1958 als freier Fotograf. In fast
sechs Jahrzehnten hat er in der ganzen
Welt fotografiert. Seine Bilder wurden
in zahlreichen Magazinen und Bildbän- 8. Mai bis 17. Juli 2015
den veröffentlicht.
Er ist in diversen US-amerikanischen Galerie Hilaneh von Kories
Museumskollektionen vertreten, u.a. Belziger Straße 35
in den New Yorker Sammlungen des 10823 Berlin-Schöneberg
Museum of the City und des Whitney
14 – 19 Uhr
Museum of American Art oder dem Di – Fr
12 – 15 Uhr
Smithsonian Museum in Washington. Sa
Heute lebt und arbeitet Bill Perlmutter
Pre-Opening zum Gallery Weekend
in New York City.
mit Sonderöffnungszeiten:
14 – 19 Uhr
Parallel zur Ausstellung erscheint im 30. April 2015
Verlag seltmann+söhne der Bildband 1. + 2. Mai 2015 12 – 16 Uhr
»Through a Soldier‘s Lens – Europe in und nach Vereinbarung
www.galeriehilanehvonkories.de
the Fifties«.
brennpunkt 2/2015
49
Galerien
Dagmar Kolatschny
»Sunny«
Die subtilen Manifestationen des Sonnenlichts, sowohl drinnen als auch draußen, sind das Thema der in Berlin lebenden Fotografin Dagmar Kolatschny. Sie
untersucht das Verhältnis zwischen der
Sonne als lebensspendende Kraft unseres Planeten, die als unfassbar starker
Energieball ihre Kraft in den Weltraum
schickt und unserer Wahrnehmung derselben, die oft eher als zart und leicht
empfunden wird.
Es sind die schnell übersehenen, alltäglichen Momente, die sie fotografisch einfängt: das Muster an der Wand,
das sich durch den Lichteinfall im Treppenhaus abzeichnet, Pflanzen, die sich
wie Ornamente um eine Fensterscheibe
ranken oder Schaufenster, die die Silhouette der Stadt im gleißenden Sonnenlicht spiegeln.
© Dagmar Kolatschny, (O.i.F.)
© Dagmar Kolatschny, (O.i.F.)
Es geht auch um die Stadt in dieser
Arbeit, wie der Verleger Hannes Wanderer anmerkt: Die Fassaden sind schmutzig grau, Fensterscheiben sind staubblind und gesplittert, das Treppenhaus
könnte einen neuen Anstrich gut vertragen, Räume sind leer, Stühle sind umgefallen oder stehen unbenutzt in der
Ecke und draußen wächst das Unkraut.
Berlin.
Dagmar Kolatschny zeigt uns keine
kaputte Stadt. Sie geht in die Räume
und Zwischenräume, die angestoßenen
und übrig gebliebenen Lücken, die rissig
gewordenen Ränder, setzt sich den Eindrücken aus, entdeckt überall Erstaunli© Dagmar Kolatschny, (O.i.F.)
© Dagmar Kolatschny, (O.i.F.)
ches – und macht Bilder davon.
Bilder, die man sich nicht ausdenken
oder planen kann. Man kann sie nur »Sunny« erschien 2014 als Buch bei
erwarten, erfühlen, erleben.
Peperoni Books und wird in dieser Form
Die Momente kommen unerwartet, sind erstmalig in Berlin ausgestellt. Dagmar 2. Mai bis 31. Mai 2015
flüchtig, nicht von Dauer. Deshalb sind Kolatschny studierte an der Ostkreuzsie so kostbar.
schule, Berlin und absolvierte das MfA exp 12 / exposure twelve
Und ohne das Licht der Sonne würde es Photography Programm an der Univer- Greifswalder Straße 217
sie nicht geben – die Momente und die sity of Hartford, USA (Abschluss 2013). 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Farben, unser Sehen und die Bilder.
Seit 2012 ist sie Mitglied des Kollektivs
exp12 / exposure twelve.
Sa
16 – 20 Uhr
Vernissage
So
14 – 18 Uhr
1. Mai 2015, 19 Uhr
www.dakola.de
www.exp12.com
50
brennpunkt 2/2015
Galerien
Anne De Gelas
»Mère et Fils«
Mit »Mère et Fils« präsentiert die in
Brüssel lebende belgische Künstlerin
Anne de Gelas ihre aktuelle Arbeit erstmals in Deutschland.
In ihrem Buch »L’amoureuse«, das 2013
im Le-Caillou-Bleu-Verlag erschienen
ist, beschrieb sie den Tod ihres Partners,
ihre Niedergeschlagenheit und Trauer.
Um es zu schreiben, führte sie täglich
ein Tagebuch, was, wie sie sagt, eine
»emergency-chanting discipline« war.
Sie mischte Texte, Zeichnungen und
Bilder in fragmentarischer und trotzdem
Spannung aufbauender Anordnung mit
dem Ziel »die Schwingung des Lebens«
zu erfassen und »einen emotionalen
Schock« auszulösen.
»Mère et Fils« ist eine ähnliche Arbeit
und Teil der Nachwirkung des Todes
von Ehepartner und Kindesvater. Diese
Arbeit offenbart die Eigenarten und die
komplexen Veränderungen in der Zweierbeziehung zwischen der Künstlerin
und ihrem Kind:
Mutter und Sohn in einer neuen, überwältigenden persönlichen Begegnung.
Anne de Gelas spricht von »drei Stimmen«:
Die Stimme der Fotografie bezeichnet
sie als »gefasst, bedacht und frontal«.
Die des Schreibens ist »aufgeregt und
scharf«, gefärbt von Wut und Verwirrung und schließt sogar die Geschichten nächtlicher Träume mit ein. Die
Stimme des Zeichnens – »roher« und,
laut Anne de Gelas, »näher am automatischen Schreiben«. Diese stark entwickelte, universelle Arbeit steht im
Einklang mit dem Empirismus eines privaten Tagebuchs.
Anne de Gelas ist eine in Belgien und
Frankreich etablierte Künstlerin, deren
Arbeit in wichtigen Sammlungen, wie
der des Musée de la Photographie de
Charleroi in Brüssel, vertreten ist. Sie
hat kürzlich das Stipendium der Stiftung
SPES 2015 erhalten und ihre Arbeit wird
diesem Sommer in Arles in der Galerie
Joseph Antonin gezeigt,
In diesen Zusammenhang wird auch ihr
neues Buch mit dem Titel »Mère et Fils«
erscheinen.
www.annedegelas.com
© Anne De Gelas
© Anne De Gelas
© Anne De Gelas
21. Juni 2015 um 21.30 Uhr
THE SMELL OF DUST I & II
Slide Show mit Live Music
Performance
Kuratiert von Sue-Elie Andrade-Dé
Musik: Karl Braun & Fumo
6. Juni bis 5. Juli 2015
Vernissage
5. Juni 2015, 19 Uhr
exp 12 / exposure twelve
Greifswalder Straße 217
10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Sa
16 – 20 Uhr
So
14 – 18 Uhr
www.exp12.com
brennpunkt 2/2015
51
Galerien
Michael Lange
»Fluss«
Nach seiner Serie Wald, die die Alfred
Ehrhardt Stiftung 2012 zeigte, zog es
Michael Lange an den Oberrhein. Mit
seiner neuen Arbeit hat er einen Naturraum erfasst, der von permanenten, sehr
schnellen und entsprechend intensiven Veränderungen geprägt ist: »Meine
Bilder erzählen von der Sehnsucht nach
Stille und Befriedung, Tiefe und Schönheit, und vom Verlangen, sich zu verlieren. Teil meiner Arbeit ist, der unablässigen Veränderung zu folgen, bis eine
Landschaft mit meinen inneren Bildern
im Einklang ist, die meinen Gefühlen
entspricht. Im vermeintlichen Chaos die
tiefe, innen wohnende Ordnung und
Ästhetik verstehen. Die Landschaft in
Kombination mit den äußeren Einflüssen – Nebel, Frost, Jahreszeiten, Licht,
Wasserstand – entsprechend meinen
Phantasien zu transformieren, mit den
Elementen spielen, sie fortführen und
mit meiner fotografischen Sprache kombinieren.«
Michael Lange, Fluss #R10772, 2014, © Michael Lange 2014, (O.i.F.)
Michael Lange fotografiert seit 1973.
Zu seinen Projekten zählen u. a. L.A. –
Drive-by, Desert – Kalifornische Wüsten,
Frauen des Lamani Stammes sowie Wald
– Landschaften der Erinnerung. In zahlreichen nationalen wie internationalen
Ausstellungen und Fotofestivals vertreten. Michael Lange lebt in Hamburg.
Zur Ausstellung erscheint das Buch
Michael Lange folgte dem Thema über »Fluss« im Hatje Cantz Verlag.
drei Jahre und blieb oft wochenlang
inmitten dieser besonderen Landschaft
der Rheinauen, um zumeist im Herbst Vernissage
und im Winter im gedämpften Licht des 1. Mai 2015, 19 Uhr
frühen Morgengrauens leise fließende in Anwesenheit des Künstlers
Gewässer, sanft von Bäumen umsäumte Eröffnungsrede: Dr. Christiane Stahl,
Ufer und nebelverhangene Wasserober- Leiterin Alfred Ehrhardt Stiftung
flächen zu erfassen. Die große Ruhe der
Bilder lebt von seiner aus dieser Erfahrung resultierenden, genauen Kenntnis Begleitende Veranstaltung:
naturimmanenter Spannungen – die
scheinbar regungslosen Wasserober- 31. Mai 2015, 14 Uhr: Künstlergespräch
flächen lassen ihre darunter verborge- – Dr. Christiane Stahl spricht mit Michael
nen Untiefen erahnen. In den atembe- Lange
raubenden, abstrakten Details agitierter
Wasseroberflächen entfaltet der Fluss, 17. Juni 2015, 19 Uhr:
dessen Vordringen in diesen Gebieten In der Reihe »Literaturhaus der
kaum Schranken gesetzt sind, seine Fotografie«: Wolfgang Denkel: Vom
ganze bedrohliche, treibende, haltlose, Fließen und Bleiben. Texte und
gnadenlose, unberechenbare, den eige- Gedanken zur Fotografie von Michael
nen Gesetzen folgende, formende Kraft. Lange. Moderation: Thomas Böhm
Mit feinsten Schattierungen und Farb- (radioeins)
abstufungen entstehen Kompositionen
von atmosphärischer Dichte und kon- Wir bitten jeweils um Voranmeldung
zentrierter Klarheit.
per e-Mail.
52
brennpunkt 2/2015
Michael Lange, Fluss #R1924, 2012
© Michael Lange 2014, (O.i.F.)
Michael Lange, Fluss #R3498, 2012
© Michael Lange 2014, (O.i.F.)
2. Mai bis 28. Juni 2014
Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststraße 75
10117 Berlin-Mitte
Di – So
11 – 18 Uhr
Do
11 – 21 Uhr
www.alfred-ehrhardt-stiftung.de
Galerien
Nadja Ritter
»Leaving Hollywood«
Gilles Roudière
»Lied«
Charlie Jouvet
»Tagtäglich«
An der Serie »Leaving Hollywood« Es sind Geschichten und Träume, die Die »Dailies« von Charlie Jouvet sind
arbeitet Nadja Ritter seit einigen Jahren hinter den Schatten schlafen, im Hin- eine Ansammlung von kleinen Alltagsund immerfort. Die Momentaufnah- terhalt lauern.
momenten und gehören darüber hinaus
men aus dem regen Berliner Nachtleben Es sind Verlangen, die ins Licht strah- keiner thematischen Serie an. Charlie
hat sie allesamt mit einer Halbformat- len.
Jouvet, geboren 1973, ist ein französiKamera namens Golden Half erhascht. Da gehen seltsame Geister, Silhouet- scher Künstler, der in Berlin lebt. Er hat
Nadja Ritter wurde 1979 geboren und ten mit einer Dunst-, Licht- oder Bitu- an der Ecole Nationale Supérieure de
wuchs in Ost Berlin auf. Sie begann in men-Struktur. Gebäude, Häuser, Stra- la Photographie in Arles studiert, wo er
den frühen 2000er Jahren Konzerte und ßen scheinen aus der gleichen Lebens- später unterrichtet hat. Heute unterrichSubkultur zu fotografieren. Nach dem energie, wie die Menschen und die Tiere tet er an der Universität in Paris. Seine
Studium der Fotografie an der Ostkreuz- zu vibrieren. Es ist, als ob alle Belebten Werke wurden international ausgeschule ist sie heute freie Fotografin in und Unbelebten an der seltsamen und stellt.
Berlin.
eindringlichen Lyrik eines geheimnisvollen Lieds teilnehmen würden.
Die Ausstellungen von Nadja Ritter,
Gilles Roudière und Charlie Jouvet
werden präsentiert von Kaetha. Kaetha
ist die kuratorische Zusammenarbeit
von Katja Haustein und hannah Goldstein. Seit 2012 haben sie mehrere Fotoausstellungen an verschiedenen Orten
realisiert. Eins ihrer Hauptprojekte ist
KLEISTER, in welchem sie Ausstellungen im öffentlichen Raum organsieren.
www.kaetha.de
© Nadja Ritter, (O.i.F.)
© Gilles Roudière
© Charlie Jouvet, (O.i.F.)
15. April bis 12. Mai 2015
15. Mai bis 16. Juni 2015
17. Juni bis 14. Juli 2015
FENSTER61
Torstraße 61
10119 Berlin-Mitte
FENSTER61
Torstraße 61
10119 Berlin-Mitte
FENSTER61
Torstraße 61
10119 Berlin-Mitte
www.fenster61.de
www.fenster61.de
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brennpunkt 2/2015
53
Galerien
Gilbert Garcin
»Mr. G.«
»Mr. G.« lautet der Titel der Ausstellung
bei Hiltawsky und präsentiert Arbeiten
von Gilbert Garcin.
Von Gilbert Garcin wissen wir wenig.
Unscheinbar steht bisher sein Name
hierzulande in der Fotografiewelt,
gleichwohl Gilbert Garcin mittlerweile
sechs Fotobücher produziert hat und
auf zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten war. Wer ist dieser
Künstler? Und ist Gilbert Garcin jener
geheimnisvolle Mr. G.?
Ein Mann wandert über die auf dem
Boden verstreuten, wie ineinander verketteten Ringe und trägt gedankenversunken das Quadrat eines leeren schwarzen Bilderrahmens aus dem Bild (»Der
Unterschied«). Mann und Frau hängen,
an Füßen und Armen gebunden, wie
Marionetten an aus Wolken gesponnenen Fäden, im Fadengemenge ineinander verheddert, ihre Körperhaltungen
nun wie austariert scheinen, jedoch eher
bewegungslos und unlösbar verbunden
sind (»Die ersten Schritte«). Das Bild von
einem Mann, der auf einer schwarzen Sförmigen Linie wie ein Artist über das
Seil durch den bodenlosen Bildraum
balanciert, allein mit der quer gehaltenen Latte das Gleichgewicht haltend,
macht den älteren Herren weniger zum
sportlichen Akrobaten als zum selbstkontrollierten Jongleur durch Zeit und
Raum (»Der Seiltänzer«). Im schwarzen
Hochformat hängen wie von einer Theaterhebebühne lange Seile herab, deren
Enden - da diese nicht allesamt auf den
Boden reichen -, jene (uns nun bereits
bekannte) Figur auf einem Hocker stehend, versucht diese zu greifen und
dabei eine durchaus elegante, aber
möglicherweise im nächsten Moment
auch hilflose Position einnimmt (»Die
Begierde«). Oder der in Geschäftsmontur mit gutem Mantel ausgestattet, aber
doch als handlungsunfähiger Hampelmann an einem weißen, überproportional großen Luftballon hängend, der ihn
doch nicht in die Lüfte bringen kann, da
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brennpunkt 2/2015
© Gilbert Garcin, »Der Unterschied«, 2004
ihn an einem seiner Beine ein Schwergewicht am Boden fesselt (»Der vereitelte Ikarus«). – So einfach der Bildaufbau, so genial die Erfindung. So simpel
die Umsetzung, so grandios der Inhalt.
Bildtitel sind, Kalendersprüchen
ähnelnd, wie ratsame Hinweise zur
Lesart beigegeben, doch nicht in eine
Zukunft optimistisch hinausschauend, denn eher der gemachten Erfahrungen wegen zuweilen negativ resümierend, angelehnt an Aphorismenteils auch nihilistisch und resignierend,
wie: »Man muss an die Konsequenzen denken«, »Die Natur retten«, »Die
Richtige Zahlung« oder »Herr über sich
selbst«, ect. Solche Wegweiser wären
nicht immer nötig, beschreiben aber die
Ernsthaftigkeit, mit der die Bilderfindungen angelegt sind, fern von einer auf den
ersten Blick sich übermittelnden Satire
oder Komik angesichts der Widrigkeiten, Irrtümer und Schwierigkeiten des
Anderen. Doch dieses Schmunzeln verebbt, sofern nur der Versuch unternommen wird, sich in die Verhängnisse des
armen Mr. G. hineinzuversetzen.
denen der Hauptakteur Mr. G. irgendwie zurechtzukommen sucht: Herr im
Bild, aber nicht zwingend Herr über
des Rätsels Lösung, und diese Misere
den Betrachter in Versuchung bringt,
Mr. G. zur Erleichterung beikommen
zu wollen.
Die verhandelten Themen sind: Der
Mensch gegenüber der Übermacht der
im Leben sich auftuenden Schleifen,
Hürden und Hindernisse. Sich mühend
unter der sich aufbürdenden Last,
gebunden in Verantwortung oder rotierend im Hamsterrad des Alltags, ohnmächtig trotz Rock und Tasche, gefangen in den Bedingungen von Ehe, Arbeit,
Natur und Lebenszeit. Die Widrigkeiten
des Einzelnen sind es, aber auch Ehe,
Mann-Frau-Problematik, das sprachlose
Auseinandergelebt- und das Aneinandergefesseltsein. Die scheinbare Geometrie der Lebenslinien erweist sich für
die darin verstrickte Person als unwägbar und labyrinthisch. Hier fallen surreale Alterswerke von René Magritte ein,
vom Mann mit Melone oder die angesichts der zerfließenden Zeit selbstironischen Bilder von Salvador Dali, sich
Bildelemente, die sich immer wieder selbst karikierend als alterndem Künstfinden: Fäden, Steine, Felsen; Striche, ler verstrickt inmitten von Musen und
Linien, Geraden, Kurven – Ein Baustein- Merkwürdigkeiten.
satz an Elementen, die verschiedentlich
zusammengestellt, im Bildraum wie zur
Knobelaufgabe kombiniert sind, und mit
Galerien
© Gilbert Garcin, »Erste Schritte«, 2003
© Gilbert Garcin, »Die Begierde«, 2005
Die Figur: Männlich, Alter zwischen 70- thematisiert: des von selbigem Stein
80 Jahre (geschätzt), als ganzfigurig aus- fast überrollt werdende Sisyphos, ein
(dem Leben) geschnittene Figur, angezo- Blickwinkel, der nicht die Mühen aufgen in Mantel, Schuhen, Hose, von Kopf zeigt, sondern die Verzweiflung, Resibis Fuß ausgestattet zur Passage, fehlt gnation und lebensbedrohende Gefahr,
nur noch der Koffer, um mit allem und der Übergröße eben dieses Steins eines
Nichts loszuziehen, das Hier zu verlas- Tages zu unterliegen. Weil nicht er es ist,
sen, überzusiedeln an einen anderen der »den Stein ins Rollen« bringt.
Ort, in gewisser Weise heimatlos, ganz
und gar nicht gemütlich, rastlos auf dem Der Erzähler: Gleich Alfred Hitchcock
Weg. Ein älterer Mann, gesichtslos und führt Mr. G. als Erzähler in das Bild ein,
einzeln – eine Ausschneidefigur, um eröffnet die Bildhandlung, von links,
diese mittels der Collage im Bildraum recht, oben oder seitlich hereinkomverhältnismäßig klein einzusetzen: Die mend, Tatsachen berichtend und beiFigur winzig im Universum und klein in spielhaft voll- und vorführend. RegisProportion zu einem Menschenleben.
seur und Protagonist in einem. Singulär wandert die Gestalt durch die BildDie Szenarien: In manchen Bildern landschaft. Nicht Lebens-Stationen
findet sich Mr. G. als Held antiker sind es von denen berichtet wird, sonMythologie wieder: zum Beispiel als dern Lebens-Entscheidungen, die Mr.
Ikarus in der verzweifelten Unmöglich- G. seine ganze Kraft abverlangen, an
keit, fliegen zu können. Da agiert Sisy- denen er wächst, scheitert, ringt, verliert
phus immer wieder aufs Neue, tagein oder gewinnt. Entscheidungen sind das
tagaus, gezwungen zur Strafe einen Thema von Gilbert Garcin.
Felsblock auf ewig einen Berg hinaufzuwälzen, der, fast am Gipfel, jedes Mal An dieser Stelle ein paar Wort zur Biowieder ins Tal zurückrollt. Das ist Sisy- grafie des Bild-Autors. Wir wissen ebenphusarbeit, heute ein geflügeltes Wort falls wenig darüber: Gilbert Garcin,
für sinnlose und dabei schwere Tätig- geboren 1929. Es heißt, kurz vor dem
keit ohne absehbares Ende. Während Ruhestand habe Garcin seinen Job als
die antike Bilderwelt den auf den Berg Fabrikdirektor aufgegeben und wurde
Hinaufsteigenden, also immer wieder Fotograf. Jahrgang 1929 – damit hinvon Vorn anfangenden Sisyphos dar- eingeborenen in das letzte Jahr der
stellt, ist bei Garcin die schiere Unmög- Zwanziger Jahre und in die Turbulenlichkeit, des den Berg Hinabsteigenden zen des 20. Jahrhunderts, seine Geburt
fällt inmitten der Inflation der 1930er
Jahre und der vielfachen Bewegungen
der Moderne. Spät fotografierend heißt
vielleicht nicht im Selbstverständnis
als Fotograf, mehr denn als Künstler. Erst
Ende der 1990er Jahre begann Garcin
sich mit dem Medium des Bildes zu
beschäftigen. Die meisten Bilder sind
erst Anfang der 2000er Jahre entstanden,
also in einem anderen Jahrhundert als
dem, aus welchem der erzählte Erfahrungsschatz basiert und welche Garcin
nun in der ersten Dekade des neuen
Jahrtausend wie folgt zusammenfasst:
Allein ist der Mensch, auf sich gestellt
in den Koordinaten des eigenen Lebens
als einem Universum von Entscheidungen. Darin steht er seinen Mann. Die
im Alter gewonnene Erkenntnis von der
richtigen Balance setzt voraus, diese im
Laufe des Lebens zuvor bitter verloren
zu haben, mühsam aus dem Loch der
Fehler und menschlicher Verfehlungen
herausgekrabbelt zu sein, ehe sich ein
solcher Erfahrungsschatz erst ernüchtert
konstatieren lässt.
Dies ist ein Alterswerk, ohne dass ein
künstlerisches Werk zuvor stattgefunden hat. Das Werk zuvor ist das Leben
selbst. Metaphorisch und lebenserfahren, zuweilen lebensverbittert, sich
selbst karikierend, zwar mit Witz, aber
ernüchtert, minimalistisch auf den Punkt
gebracht. Jede Bilderfindung gehörte
patentiert!
Elke Tesch
bis 11. April 2015
Galerie Hiltawsky
Tucholskystraße 41
10117 Berlin-Mitte
Mi – Sa 14 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
brennpunkt 2/2015
55
Galerien
World Press Photo 15
Ein deutliches Statement gegen die Verfolgung von Homosexuellen in Russland ist zum weltweit besten Pressefoto
des Jahres gewählt worden. Die Jury des
Wettbewerbs World Press Photo zeichnete den dänischen Fotografen Mads
Nissen mit dem renommierten Preis aus.
Er fotografierte das schwule Paar Jon und
Alex in einem intimen Moment in Sankt
Petersburg. Das Foto ist Teil eines größeren Projekts des Fotografen zum Thema
»Homophobie in Russland«.
Das Foto nehme auf eindrückliche Weise
Stellung zu einem universalen Thema,
begründete die Jury ihre Wahl. Für
Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle und
Transgender werde das Laben in Russland zunehmend schwieriger. »Sexuelle Minderheiten werden mit rechtlicher und sozialer Diskriminierung konfrontiert, Verfolgung und sogar gewalttätigen Hass-Verbrechen von konservativen religiösen und nationalistischen
Gruppen«, heißt es in dem Bericht der
Jury.
»Dieses Foto hat eine große ästhetische Kraft und zeigt Menschlichkeit«,
sagte die Vorsitzende der Jury Michele
McNally, Direktorin für Fotografie der
New York Times. »Gewalttätige Bilder
werden heute von Terroristen für Propagandazwecke produziert. Unsere
Antwort darauf muss subtiler ausfallen«
sagt das Jurymitglied Alessia Glaviano.
Das Siegerbild des Jahres: Jon, 21, und Alex, 25, sind ein Paar. Während sich in vielen westlichen
Ländern Homosexuelle immer selbstverständlicher bewegen, wird es in Sankt Petersburg, der
Heimatstadt der beiden, immer schwieriger ein angstfreies Beziehungsleben zu führen. Das Bild
des Dänen Mads Nissen, das diesen nachdenklichen und intimen Moment zwischen den beiden
Männern einfängt, ist für die Jury das wichtigste Bild des Jahres. © Mads Nissen/World Press
Photo/DPA, (O.i.F.)
Der Chinese Yongzhi Chu hat für dieses Bild
eines geknechteten Zirkusaffens den ersten
Platz in der Kategorie »Nature/Einzelbild«
erhalten. © Yongzhi Chu/World Press Photo/
Reuters
Die Jury wählte aus rund 98.000 Fotos
aus 131 Ländern die Sieger aus. Preise
wurden in acht Kategorien an 42 Fotografen vergeben. Die Siegerfotos werden Vernissage
in einer Ausstellung ab April in Amster- 4. Juni 2015, 19.30 Uhr
dam und anschließend in über 40 Ländern gezeigt.
Begrüßung
Gisela Kayser, Geschäftsführerin
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus
WORLD PRESS PHOTO
wird unterstützt von der
NIEDERLÄNDISCHEN
POSTLEITZAHL-LOTTERIE
und weltweit gesponsert von CANON
56
brennpunkt 2/2015
Redner
Repräsentant,
World Press Photo Foundation
Peter-Matthias Gaede,
Chefredakteur von GEO
Darcy Padilla dokumentierte den Wandel der
Stadt San Francisco über einen Zeitraum von
mehr als 20 Jahren und anhand ihrer eigenen
Familiengeschichte. Dieses Bild entstand im
Jahr 1993. © Darcy Padilla/World Press Photo/
Reuters
5. Juni bis 28. Juni 2015
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus
Willy-Brandt-Haus
Stresemannstraße 28
10963 Berlin-Kreuzberg
Di – So
12 – 18 Uhr
Galerien
»Vom Neuen Sehen
zur Fotokunst«
Fotografie aus der
Sammlung im WillyBrandt-Haus
Die Ausstellung der fotografischen
Arbeiten aus der Sammlung im WillyBrandt-Haus schließt den Kreis der
Sammlungspräsentationen, die wir
seit dem Jahr 2006 in loser Folge im
Willy-Brandt-Haus und in Kunstmuseen
in ganz Deutschland gezeigt haben.
Außerdem stellt sie die Verbindung her
zum jährlichen Ausstellungsprogramm
des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus
e.V., das ganz wesentlich von vielbeachteten Retrospektiven und thematischen Einzel- und Gruppenpräsentationen renommierter Fotografinnen und
Fotokünstlern bestimmt wird.
Aus den fast 200 Fotografien der Sammlung mit 60 verschiedenen Bildautoren
haben wir rund 100 Werke aus der Zeit
von 1926 bis heute ausgewählt und präsentieren sie erstmals in dieser Zusammenstellung dem Publikum. Diese Auswahl macht einen wichtigen Teil unserer Sammlungstätigkeit sichtbar und
manifestiert die Autonomie des Mediums der Fotografie innerhalb der Kunstsammlung.
Von den frühen Arbeiten der Schule
des Neuen Sehens, über den Fotojour- Fotos © John Schuetz, ohne Titel, Lichthbildmontage, 1997
nalismus seit den 1950er Jahre und
einigen Beispielen der Autorenfotogra- den Namen wie John Heartfield, Robert
fie in Ost und West bis hin zu großfor- Capa, Tina Modotti, Gundula Schulzematigen Arbeiten zeitgenössischer Foto- Eldowy, Robert Lebeck, Michael Najjar,
kunst zieht sich das Spektrum unserer Jürgen Klauke, Herlinde Koelbl oder
Auswahl.
Magdalena Jetelova einige Protagonisten der Fotoszene präsentieren.
Chronologische und thematische Abfolgen sind Teil der Präsentation, wie auch
25. April bis 28. Juni 2015
einzelne Diskurse, die Motive unterschiedlicher Jahrzehnte zusammenbrinFreundeskreis Willy-Brandt-Haus
gen sollen und zu einer neuen Betrach- Um Anmeldung für das Bildungspro- Willy-Brandt-Haus
tung einladen.
gramm wird gebeten:
Stresemannstraße 28
»Vom Neuen Sehen zur Fotokunst« stellt [email protected]
10963 Berlin-Kreuzberg
die Fotografiekollektion im Willy-Brandt- Weitere Informationen unter:
Haus vor und kann mit herausragen- www.freundeskreis-wbh.de
Di – So
12 – 18 Uhr
brennpunkt 2/2015
57
Galerien
Metropolis |
Hauptstadtarchitekturen
Fotoklasse von
Ebba Dangschat
Tom Brooks
Angelika Dierkes
Ute Nüchterlein
Wilhelm Schünemann
Lothar Köhler
Ute Christina Bauer
Sven Olbermann
Lydia Kotzan
Berlin bietet ein weites Feld unterschiedlichster metropolitaner Architektursprachen. Fotografisch lassen sich diese in
viele subjektive Bildsprachen übersetzen. Wie nur wenige andere europäische (Haupt-)Städte ist Berlin einem
ständigen Wandel unterzogen, der die
Stadt für viele Bewohner und Besucher
attraktiv macht. Kampagnen wie »Sei
Stadt. Sei Wandel. Sei Berlin« beziehen
sich darauf und heben das flexible, weltstädtische Flair der Stadt hervor.
© Ute Christina Bauer
© Ute Nüchterlein
© Sven Olbermann
Dennoch ist Berlin mehr als eine Baustelle. Die Projektklasse »Metropolis |
Hauptstadtarchitekturen« des Photocentrums am Wassertor wollte unter der
Leitung von Ebba Dangschat herausfinden, welche ästhetischen Vorstellungen den Wandel motivieren und zum
Hauptmerkmal der Hauptstadt erklären. Welche Architekturen machen © Lydia Kotzan
den Hauptstädter aus? Gibt es so etwas
wie eine berlinspezifische Architektur?
Welche Spannungsfelder entstehen im
Kampf um Raum zwischen Bürgern und
Weltbürgern, historischer Tradition und
Zukunftsvision? Mit diesen Leitfragen
im Kopf machten sich die Projektteilnehmer/innen auf die Suche nach ihrer
persönlichen Sicht auf ihre Hauptstadt.
Herausgekommen sind acht eigenständige künstlerische Positionen mit © Angelika Dierkes
jeweils ganz individuellen visuellen
Vernissage
Antworten.
12. Juni 2015, 19 Uhr
Finissage
Kontakt: Ebba Dangschat
26.
Juni 2015, 18 Uhr
[email protected]
58
brennpunkt 2/2015
Das Rahmenprogramm entnehmen Sie
bitte der Website:
www.metropolis.hauptstadtarchitekturen.de
12. Juni bis 26. Juni 2015
Seven Star Gallery
Gormannstraße 7
10119 Berlin-Mitte
Sa + So
Mo – Fr
12 – 18 Uhr
14 – 20 Uhr
Galerien
Eddie Bonesire
»Im Krieg sagtest Du
einmal….«
Ausstellung und Buch
Wer heute durch die Eifel wandert,
kann die Ruhe der Wälder genießen
und den Blick über die weiten, sanften
Hügel streifen lassen. Kaum etwas erinnert an die Verwüstungen des zweiten
Weltkrieges, der hier, wie anderenorts in
Europa vor mehr als 70 Jahren die Menschen aus ihrem Alltag riss. Die jungen
Männer wurden meist an die Russlandfront geschickt; die zurückgebliebenen
Alten, Frauen und Kinder schlugen sich
mehr schlecht als recht durchs Leben.
Eddie Bonesire’s Ausstellung erzählt
uns vom einfachen Menschen im Krieg.
Die Bilder und die dazugehörigen Texte
konfrontieren uns mit den Nöten und
Ängsten, aber auch mit der Leidenschaft
und der Lebenskraft unserer Mütterund Väter-Generation. Kernstück der
Ausstellung bilden die Fotoalben einer
Eifler Familie aus der Zeit des 2. Weltkrieges: Fotos von Soldaten, Familienund Freunden, von Ereignissen des Alltages. Diese ergänzt Bonesire mit eigenen Bildern, die er in den vergangenen
Jahren in der Eifel aufgenommen hat:
Fotos von Landschaften und Dörfern, in
denen die »Protagonisten« der Familienfotos gelebt haben.
Die Bilder kommentiert Bonesire mit
eigenen Texten, sowie mit Auszügen
aus Werken von Lysias, Heinrich Böll,
Hermann Michels undNatasha Radojcic. Über die bewusste Kombination der
alten Texte mit den neuen Fotografien
und umgekehrt möchte erdas Universale und Zeitlose dieser menschlichen
Erfahrung hervorheben.
Zur Ausstellung erscheint das Buch »Im
Krieg sagtest Du einmal…« im Nicolai
Verlag (ISBN 978-3-89479-930-4).
Der 1956 in Belgien geborene Fotograf
und Autor lebt in Brüssel und Berlin.
www.ebonesire.net
Vernissage
11. Juni 2015, 19 Uhr
© Eddie Bonesire, (O.i.F.)
© Eddie Bonesire, (O.i.F.)
12. Juni bis 24. Juli 2015
Fotogalerie Friedrichshain
Helsingforser Platz 1
10243 Berlin-Friedrichshain
© Eddie Bonesire, (O.i.F.)
Di, Mi, Fr, Sa
Do
14 – 18 Uhr
10 – 18 Uhr
brennpunkt 2/2015
59
Fotoszene
Interview
mit Bill Perlmutter
Ich war einer von denen, der sich die
Fähigkeiten des Films angeeignet hat.
Er pflegte einen freundschaftlichen
Umgang mit allen Avantgarde Künstlern jener Zeit.
Und ich war nur ein armer, kleiner Student, ich wurde nicht bezahlt, aber ich
2013 hörte der Photograph Bertolt Prächt habe jede Minute genossen. Er sagte »Du
in New York vom Photgraphen Bill Perl- wirst nicht bezahlt, aber die Erfahrung,
mutter und besuchte im selben Jahr die die Du hier machst, ist mehr wert als
Ausstellung »Through a Soldiers’s Lens« Geld«. Damals dachte ich nicht so, aber
in der Hamburger Galerie Hilaneh von heute ist mir klar, dass das stimmt.
Kories.
Also kam ich nach 4 Jahren aus der
Im November 2014 interviewte Prächt Schule und ging 1954 zur US-Armee
Perlmutter in New York unter dem und studierte dort Photographie. Ich
Aspekt, welche Einflüsse ihn zu Photo- wurde in der Army Single Corps genannt
graphie brachten. Im Mai 2015 kommt und der Army Single Corps war Teil der
Bill Perlmutter mit einer Ausstellung US Armee.
in die jetzt in Berlin ansässige Galerie
Hilaneh von Kories.
Heute gibt es keinen Army Single Corps
mehr, aber die Armee hatte eine ZweigBertolt Prächt: Wann hast Du mit pho- stelle und ich studierte dort noch vier
togtaphieren begonnen?
weitere Monate. Und dann bin ich auf
die School in New Jersey, um noch ein
Bill Perlmutter: Ich habe mit der Pho- besserer Photograph zu werden. Und
tographie angefangen, als ich noch ein dann wurde ich zur See geschickt, die
Teenager war, 18 oder 19. Ich habe mir setzten mich auf ein Boot und teilten
eine kleine Kamera besorgt.
mir mit, dass ich nach Deutschland und
Europa gehe.
Während des gesamten zweiten Welt- Also, natürlich wollte ich am Anfang
krieges war ich daran interessiert, aber nicht gehen. Ich habe ja das Land nie
es gab nichts zu kaufen. Aber 1946/47 vorher verlassen. Aber ich hatte keine
habe ich meine erste Kamera gekauft. Wahl. Ich ging auf das Schiff und kam
Dies war eine 35 mm Kamera – eine 8 Tage später in Bremerhaven an. Ich
kleine Kiste, die für die damalige Zeit muss sagen, ich hatte ein wenig Angst,
sehr gut war, sie hatte einen Entfer- und letztendlich wurde ich nach Augsnungsmesser. Danach habe ich an der burg versetzt.
Highschool (Gymnasium) ein bisschen Und die gaben mir eine Kamera und sie
Fotografie gemacht, aber nicht viel, und sagten »Mach jetzt Bilder«.
dann bin ich auf das City College von
New York gegangen.
Bertold Prächt: Du wurdest an einen
anderen Ort versetzt und bekamst
Dort habe ich Fotographie und Film die Möglichkeit Winston Churchill zu
studiert. Ich habe an dem Film Insti- photograsphieren.
tut des City Colleges studiert, und dies
bei einem Mann, der der Direktor der Bill Perlmutter: Ja, das kam später. Also,
Schule war, sein Name war Hans Rich- nach einer Weile haben sie mich dann
ter.
zu einem anderen Ort in Deutschland
Ich wusste auch, dass er ein Avantgarde geschickt. Ich ging nach Bad KreuzKünstler war und ein Filmemacher, und nach und dort war ich auch Photoer leitete außerdem die Schule und hatte graph. Danach wurde ich 2 Monate zu
den Job, Schülern etwas beizubringen. den Briten geschickt und dort photograEr war sehr interessant, weil er sehr phierte ich Panzermanöver.
anspruchsvoll war und sehr »Preus- Es war um die Zeit, dass ich herausfand,
sisch«. Er wollte, dass seine Studenten dass Winston Churchill nach Deutschihre eigenen Filme machten.
land kam und mir wurde gesagt, dass
ich ihn photographieren werde.
60
brennpunkt 2/2015
© Bertolt Prächt, »Bill Perlmutter«, 2014
Ich habe Winston Churchill immer
bewundert, und ich war begeistert und
aufgeregt. Es war sehr nett, ich habe den
Mann photographiert, aber ich habe
sehr viel mehr über ihn gelernt.
Bertolt Prächt: Haben Deine Familienmitglieder eine Rolle gespielt, als Du
die Entscheidung getroffen hast, Dich
der Photographie zu widmen.
Bill Perlmutter: Nein, niemand in
meiner Familie war Photograph. Aber,
ich habe einen jungen Mann in Wien
kennengelernt und er war sehr daran
interessiert, Nachforschungen über
meinen Namen anzustellen. Ich weiss
nicht warum. Und er schaute in die
Aufzeichnungen und fand heraus, dass
es 1885 einen Photographen in Wien
gab. Sein Name war Wilhelm Perlmutter und er kam aus derselben Ecke wie
mein Vater, in der Ukraine, und mit dem
könnte ich verwandt sein, ich weiss es
nicht… und der war Photograph.
Er hat Photos von allen Köpfen (Anführern) des Landes gemacht, den Habsburgern. Ich weiss nicht, ob ich mit dem
verwandt bin, aber ich würde es gerne
denken.
Interviewauszug Bertolt Prächt
siehe auch Seite 48
Ausstellungen
Café Aroma
Photogalerie
bis 30. Mai 2015
Mauro Casalboni
»Dedali«
Hochkirchstraße 8
10829 Berlin-Schöneberg
Mo–Fr
18–24 Uhr
Sa + So
14–24 Uhr
Alfred Ehrhardt
Stiftung
bis 26. April 2015
Jörn Vanhöfen
»Loop«
Auguststraße 75
10117 Berlin-Mitte
Di–So
11–18 Uhr
Do
11–21 Uhr
Helmut Newton
Stiftung
bis 17. Mai 2015
Helmut Newton
»Permanent Loan Selection«
Jebensstraße 2
10623 Berlin-Charlottenburg
Di, Mi, Fr
10–18 Uhr
Do
10–20 Uhr
Sa, So
11–18 Uhr
Museum für
Fotografie
24. April bis 2. August 2015
Willy Maywald
Jebensstraße 2
10623 Berlin-Charlottenburg
Di, Mi, Fr
10–18 Uhr
Do
10–20 Uhr
Sa, So
11–18 Uhr
Kulturforum
bis 26. Juli 2015
Mario Testino
»In Your Face«
Matthäikirchplatz 4/6
10785 Berlin-Schöneberg
Di–Fr
10–18 Uhr
Do
10–20 Uhr
Sa, So
11–18 Uhr
Märkisches Museum
17. Juli bis 25. Oktober 2015
Cecil F. S. Newman
»Berlin 1945/46«
Am Köllnischen Park 5
10179 Berlin-Mitte
Di–So
10–18 Uhr
Kommunale Galerie
Berlin
bis 19. Juli 2015
Karl-Ludwig-Lange
»Der Photograph in seiner Stadt«
Hohenzollerndamm 176
10713 Berlin-Wilmersdorf
Di–Fr
10–17 Uhr
Mi
10–19 Uhr
C/O Berlin
26. Juni bis 16. August 2015
Talent 33. Aniversaries
Marc Beckmann / Sarah Alberti
Hardenbergstraße 22
10623 Berlin-Charlottenburg
täglich
11–20 Uhr
Galerie Dittmar
bis 25. April 2015
Horst Schäfer
Auguststraße 22
10117 Berlin-Mitte
Di–Sa
12–18 Uhr
Johanne Breede
PHOTOKUNST
20. Juni bis 5. September 2015
Sheila Rock
Beat Presser
»SEASCAPES«
Fasanenstraße 69
10719 Berlin-Charlottenburg
Di–Fr
11–18 Uhr
Sa
11–16 Uhr
und nach Vereinbarung
Rathaus Köpenick
bis 8. Mai 2015
FOTO KLUB FORUM BERLIN 2015
Alt-Köpenick 21
12555 Berlin-Köpenick
Mo–Fr
8–20 Uhr
Sa + So
9–18 Uhr
Fotogalerie
Friedrichshain
24. April bis 5. Juni 2015
Gruppenausstellung
»Delphi«
Helsingforser Platz 1
10243 Berlin-Friedrichshain
Di, Mi,
14–18 Uhr
Fr, Sa
14–18 Uhr
Do
10–18 Uhr
room with a view
24. April bis 26. April 2015
Kerstin Brandau
»portraits in music«
Vernissage: 24. April 2015, 19 Uhr
26. Juni bis 28. Juni 2015
Oliver S. Scholten
»Fotografie als Waffe«
Vernissage: 26. Juni 2015, 19 Uhr
position fotografie
Lütticher Straße 46
13353 Berlin-Wedding
Sa + So
14–18 Uhr
brennpunkt 2/2015
61
Galeriebericht
Bilder und
Wortgebilde
Zum letzten Monat der Fotografie hatte
sich die Schule und Galerie imagofotokunst sehr ergiebig dem Thema
»Babel« gestellt, auf der Suche nach
einer gemeinsamen Bildsprache für die
Vielfalt Europas. Nun haben sich 7 Teilnehmer der Aufbauklasse von Mathias
Richter »WORTGEBILDE« einfallen
lassen, mit wunderbaren Ideen. Gestenreich schwatzen Barbara TöpperFennels Gesprächspaare vor der Haustür, fröhlich schreiben Matthew Lings
Protagonisten ihre Statements mit Licht
auf ihre Porträts, sensibel interpretieren
Erika Mor und THE DUN DOG Lyrik,
und Claudia Lerch durchleuchtet buchstäblich beiderseits bedruckte Journale
auf einen Bild-Text-Zusammenhang.
Kat Kapo erfindet freche Texte zu skurrilen Fotos aus dem Familienalbum und
ermöglicht mir damit einen Brückenschlag zu Kermit Berg im Märkischen
Museum, der in einer luxuriösen, aber
total blutleeren Installation Briefe seiner
Eltern aus der Zeit des Kalten Kriegs in
Bezug setzt zu den geradezu klinisch
reinen Formen von Design-Objekten
des »Space Age«, dargeboten auf »Ultra
Smooth Fine Cotton Paper 250 g«.
Ähnlich aufwendige Drucktechniken
finde ich in der Alten Feuerwache bei
Sibylle Hoffmanns Projektkurs »Fotografie und Malerei«, vor allem bei ihrer
eigenen Serie, dem düsteren »Nachtschattengarten«. Kraftvolle »konstruktive Konzepte« steuert Uwe Krzyzanowsk bei, streng formal, und Gunda
Guldner sehr grüne Waldfantasien
auf Photo Rag Fine Art, natürlich von
Hahnemühle. Es ist schon Recht, wenn
die Oberfläche eine Rolle spielt, gerade
im Vergleich zur Malerei. Beim Foto
fragt man aber eher nach dem Bezug
zur Realität. Ja, ich weiß, ein Foto entsteht zuerst im Kopf. Aber dann muss
es durch das Nadelöhr der Optik und
lässt Federn. Das sieht man ihm an.
Manchmal so sehr, dass es nur noch
mit viel Text einen Sinn ergibt. Wüsste
man nicht, dass Liu Xia (Gropius bis 19.
April) die Frau des in China verfemten
Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobu
62
brennpunkt 2/2015
© Barbara Töpper-Fennel
© THE DUN DOG, (O.i.F.)
© Eric Pawlitzky, (O.i.F.)
© Kermit Berg, (O.i.F.)
ist, man würde kaum Interesse aufbringen für ihre makabren schwarzweißen
Puppenbilder, die an Hans Bellmer erinnern, aber aufgeladen sind mit politischem Sprengstoff. Nur daraus ziehen
sie ihre Wirkung.
Interessanter ist die Umkehrung, wenn
ein schönes Landschaftsbild eine unvermutet schreckliche Vergangenheit hat.
Bei Kehrer in der Potsdamer sind das
idyllische Waldseen, die sich als Bombenkrater entpuppen. Henning Rogge
hat sie aufgespürt, allenthalben im
geschundenen Europa. Eric Pawlitzky
treibt das noch weiter in der »Fotogalerie«. Den traumhaft schönen Landschaftsbildern aus seiner polnischen
Heimat fügt er nüchterne Kriegsberichte bei von vor hundert Jahren. Mit
diesem Wissen tut uns das zarte Morgenlicht, der glitzernde Schnee über
den Schlachtfeldern der Geschichte
sehr weh. Der Autor betreibt in Friedenau ein Fotostudio, in dem er regelmäßig Nachwuchsfotografen ausstellt.
Eine ähnlich sympathische Kombination praktiziert Benita Suchodrev am
Viktoria-Luise-Platz (siehe Seite 16).
Sie hat sich einen Namen gemacht mit
»Woman in Heat«, starken Porträts von
Frauen über vierzig, die bei Carpentier
zu sehen waren und als Buch erschienen sind. In ihrem schönen Studio zeigt
sie Vintageprints, die sie als Sammlerin
ausweisen. Sie setzt Fotos von Kriegsberichterstattern in Bezug zu privaten Bildern aus derKriegs- und Nachkriegszeit, oft ganz spontan entstanden, aus einer emotionalen Situation
heraus, und damit durchaus von künstlerischem Wert. Die Patina und der neue
Galeriebericht
© Dieter Matthes, (O.i.F.)
© Jacques H. Sehy
Kontext tun ein Übriges. Als Fotografin
hat Benita Suchodrev einen Blick für die
Geschichten in den Bildern. Man muss
sich Zeit nehmen und ihnen nachspüren. In einem extra Raum zeigt sie in
Leuchtkästen eigene Bearbeitungen von
Porträts jener Zeit, bei denen sie durch
Dopplungseffekte die Vielschichtigkeit
der Charaktere zum Ausdruck bringt.
.Ein Meister der Verfremdung durch
Reduktion ist entschieden Jacques
H. Sehy mit seinen schwarzweißen
Lichtzeichnungen von »hundert Berliner Köpfen« im Haus am Lützowplatz. Klar, dass alle Besucher der Vernissage bemüht sind, die teilbeleuchteten Gesichtsfragmente zu deuten und
gar ihr eigenes darunter zu entdecken.
Es ist ein Spiegel der Berliner Kulturszene, ein work in progress, wer nicht
dabei ist, kann noch hoffen. Sehy geht
aber noch einen großen Schritt weiter,
aus Köpfen werden Chiffren, einfach
dadurch, dass er sie wie Schriftzeichen
auf Rollenpapier reiht zu schier endlosen Kolonnen, weiß auf schwarz, von
der Decke bis zum Boden, als Metapher für das Verschwinden des Individuums in der Masse. Wollen Sie jetzt
noch dazu gehören?
Mit dem weiblichen Körper verfährt er
nicht so grausam. Bei Tammen & Partner zeigt er parallel seine mit derselben Technik entstandenen Aktstudien,
deren fließende Linien und Formen
sein Lichtstab zärtlich heraushebt aus
der Schwärze der Nacht, ein sinnliches
Erlebnis.
Niemand interessiert sich bei Sehy übrigens für das Material der Oberfläche. Die
Strahlkraft der analogen Bilder kommt
ganz von innen her. Strahlkraft ist wohl
© Dietmar Bührer, Rudolf Springer, 1975
noch etwas anderes als die viel bemühte
Ausstrahlung, die man von einem guten
Porträt erwartet. Die Freunde des WillyBrandt-Hauses haben das auf einen einfachen Nenner gebracht:
Carsten Sander, (Nomen est Omen)
zeigt unter dem Titel »Heimat Deutschland – Deine Gesichter« »immer die
Essenz eines Menschen und damit die
Essenz dieses Landes«. Oh weh! Wer
wollte sich dessen erkühnen!
Was wir in der erfreulich stark besuchten Ausstellung sehen, sind sehr ehrliche, sehr nüchterne Konterfeis, ungeschönt und wohltuend distanziert. Ich
bin mir nicht sicher ob White Walls
opulenter Leinendruck dem Konzept
des Fotografen förderlich ist. Wäre interessant, was August Sander dazu sagen
würde. Sicher würde er das soziale
Umfeld vermissen, das er selbst einbezogen hat in seine Chronik der Deutschen, und nach ihm Stefan Moses auf
seine humorvolle Weise.
Berliner Künstler haben immer gern Berliner Künstler zum Gegenstand ihrer
Kunst gemacht. Eine Inzucht, die selten
zu Missgeburten geführt hat, eher zu heiteren und grotesken Ergebnissen. So ist
Andreas Kämper in den wilden Neunzigern losgeritten mit gezückter Kamera,
um die Mauern der Volksbühne zu
erstürmen, Ritter Castorfs Schloss. Er
hat reiche Beute mitgebracht, die er
uns noch bis 12. April in der Rangsdorfer Seebadallee freundlichst zugänglich
macht. Ich kenne Andreas K. seit Wendezeiten, er ist einer der Ex-DDR-Fotografen, die über den Dingen stehen und
gleichzeitig mittendrin sind im Geschehen. Diesen Spagat schafft er mit seinem
Witz. In unserer letzten Ausgabe finden
Sie Beispiele.
In den Siebzigern hat Dietmar Bührer,
der »Vater« dieses Magazins, auf sensible und sprechende Weise Westberliner Künstler porträtiert, in zarten Grautönen. 40 Jahre später hat er einige davon
wieder besucht und die so entstandenen Bildpaare mitten in der Kreuzberger Marheinekehalle aufgehängt, herrlich eingebettet in das quirlige Markttreiben. Da begegnen wir Günter Grass,
Johannes Grützke, Matthias Koeppel
und Klaus Vogelsang und lesen in ihren
Gesichtern etwas von ihrer geistigen
Reifung (siehe brennpnkt 1/2015).
Der Kontrast zu den schrill-bunten Porträts von Dieter Matthes könnte nicht
größer sein, obwohl beide Künstler seit
langem freundschaftlich verbunden
sind. Matthes war 90 bis 93 auf dem
Berliner Tuntenball unterwegs. Bis 26.
April hängen seine herrlich verrückten
Schnappschüsse und einfühlsamen Porträts im Szene-Café »Berio« am Nollendorfplatz, wo sie gewissermaßen »hingehören«. Wenn wir uns Mühe geben,
entdecken wir unter der Schminke etwas
von der Tragik dieser Rollenspiele.
Ganz locker und ohne Maske erleben
wir Jugendliche im Ferienlager oder am
Wochenende in der aff-Galerie, unter
dem ironischen Titel »Ohne Sorgen«.
Alles in Farbe, dennoch mit Grauzonen
im Blick auf eine ungewisse Zukunft.
Fotografisch ist das nicht immer ausgereift, muss nicht. Aber die Botschaft
kommt besser rüber, wenn die Gestaltung stimmt, wie bei Andrea Dieffenbach, die sich der Arbeitsmigration in
Europa annimmt. Die junge Fotografin beobachtet Kinder auf dem Balkan,
die ihre Eltern oft jahrelang nicht sehen,
weil die in Italien gastarbeiten. Wieder
brennpunkt 2/2015
63
Galeriebericht
© Monique Jacot, »Paris«, 1962, / Fotostiftung
Schweiz, Winterthur
© Stephan Vanfleteren, Georgette, Brussel, Bruxelles, Brussels, 2004
ein Beweis für die soziale Aufgabe der
Fotografie. Das kann auch ein Erfolgskonzept sein. Der Belgier Stephan
Vanfleteren hat 4 x den World Press
Award gewonnen mit seinen kraftvollen schwarzweißen Porträts von Randgruppen der Gesellschaft. Sie erinnern
in ihrer urigen und schonungslosen Art
an Anders Petersen aus Strömholms
schwedischer Schule mit seinem »Café
Lehmitz«. Die Galerie Hilaneh von
Kories in Schöneberg zeigt sie noch bis
17. April 2015.
Bei den Fotografinnen gab es 3 Wiederentdeckungen aus dem vorigen Jahrhundert, die wir im letzten »brennpunkt«
vorgestellt haben. Johanna Breede
und das Verborgene Museum nahmen
sich der Monique Jacot an, geboren
1934, ausgebildet in der französischen
Schweiz. Was und wie sie fotografiert
hat, ist ganz ihrer Zeit verhaftet. Ihre
großen Projekte »Frauen auf dem Land«
und »Fabrikarbeiterinnen« stehen in der
Tradition der Sozialreportage, haben
aber in den 80er und 90er Jahren nicht
mehr dieselbe Sprengkraft. Ähnlich ist
64
brennpunkt 2/2015
es mit ihren künstlerischen Experimenten auf Polaroidmaterial. Es gibt Parallelen zu Lore Krüger, die c/o Berlin bis
10. April zeigt. Sie ist 20 Jahre früher
geboren und hineingewachsen in die
Bauhausjahre mit dem »Neuen Sehen«
und der Lust am fotografischen Experiment. Zu einer eigenen Handschrift hat
sie es nicht gebracht. Man erkennt stets
ihre Vorbilder.
Pech für beide Frauen war, dass in Berlin
ein Stern aufging, der noch bis 12. April
im Willy-Brandt-Haus strahlt: Vivian
Maier! Nicht nur die Story ist sensationell, auch die Fotos sind es. Die Medien
haben ausführlich berichtet und die
meisten Leser werden die Ausstellung
längst gesehen haben. Gisela Kayser
und die Freunde des Willy-BrandtHauses dürfen stolz sein, uns dieses
Ereignis beschert zu haben. Ein »Kinderfräulein« fotografiert wie die großen
Meister ihrer Zeit! Sie weiß, was ihre
Bilder wert sind, sie erlebt »The Family
of Man« im MOMA, aber sie hält ihre
Schätze verwahrt, viele ihrer Bilder hat
sie nie gesehen, weil sie die Entwick-
© Markus Lehr, Fairytales and Nightingales
lung der Filme nicht bezahlen konnte.
Wenn man diese Schätze jetzt betrachtet, hat das was Unheimliches, die toten
Augen der Vivian Maier sehen uns über
die Schulter, man schämt sich, sehen
zu können, was sie nie erblickte. Aber
es wäre doch jammerschade, wenn uns
diese Bilder aus Gründen der Pietät
nie erreicht hätten. Vivian Maier hatte
auch eine Neigung zu Abgründigem,
für Polizeieinsätze und Unfälle, eine
dunkle Seite, die auch ein Grund für
ihre Abschottung sein könnte.
Kehren wir zurück in unsere Stadt, die
mit »Berlin Photography« bei Carpentier in 6. und 7. Folge ablief. Durch
die Nacht der Großstadt führt uns eine
spannende Taxifahrt mit York Wegerhoff, eine makabre Sequenz in hartem
Schwarzweiß von Henrik Vering und
ein wenig überzeugender Spaziergang
bei Schnee und Eis von Jörg Rubbert,
Galeriebericht
© Henrik Vering, Berlin - die Stadt und die Beute
© Manfred Kriegelstein, »Restroom«, (O.i.F.)
Untitled, 1954, © Vivian Maier/Maloof Collection, Courtesy Howard Greenberg Gallery, N.Y.
© Mauro Casalboni, Ristorante Nardò
während Markus Lehr in die nächtliche Szenerie geheimnisvolles Licht zaubert. Eher nüchtern sind die Architekturen von Jörg Schmiedekind, mehrdeutig die von Stefanie Bürkle und Michael
H.Rohde stellt seine Interieurs frech und
trickreich auf den Kopf. Von Maximilian
Meisse sind mir noch zauberhafte Fassaden aus Venedig in Erinnerung, Berlin
hat ihn wohl nicht so inspiriert.
Bei Gino Puddu im Café Aroma ist bis
Ende Mai Mauro Casalboni zu Gast, den
die Liebe zum Detail durch Berlin und
halb Europa getrieben hat, mit überraschenden Perspektiven und einem feinen
Gespür für geradezu musikalische Bildkompositionen. Jedes Foto ist ein ästhetischer Genuss. Auf den Menschen verzichtet er dabei ganz. Volker Wartmann
be- und vergnügt sich mit dessen Spuren.
Er hat ein Faible für scheinbar banale
Innenräume wie Lager und Büros, die
Unbefugten nicht zugänglich sind. Bei
Carpentier waren es 2014 die »Geheimnisvollen Orte im Rathaus Schöneberg«.
Nun ließ ihn die »Stiftung Warentest«
am Lützowplatz gewähren und zeigt
genug Humor, seine amüsanten fotografischen Entdeckungen vor Ort, im Foyer
des Hauses auszustellen, zur Freude der
Mitarbeiter und Besucher.
Auch Altmeister Manfred Kriegelstein
war in »Räumen« unterwegs, die man
normalerweise nicht kennen lernt. Sie
sind vom Menschen längst verlassen,
haben aber eine intensive Aura, die von
ihrer einstigen Bestimmung kündet. Die
aufwendigen Drucke fügen sich wunderbar ein in Kriegelsteins Gesamtwerk
»Ästhetik der Vergänglichkeit«. Zu sehen
waren sie in den schönen Räumen des
Kulturhauses Karlshorst.
Sein Thema ist auch das des Kanadiers
Robert Polidori, dessen spektakuläre
Tableaus 2006 im Gropiusbau ausführlich vorgestellt wurden und nun zum 4.
Mal in einer Auswahl bei Camera Work
gezeigt werden, bis zum 18. April. Faszinierend sind die absolute Perfektion
und der Detailreichtum der großen Formate, was besonders in Versailles zur
Geltung kommt, weil die dort gezeigten, gelagerten, auch mal achtlos über
Kopf an die Wand gelehnten Ölgemälde
wie auf einer idealen Reproduktion
erscheinen. Ebenso achtlos hingeworfene Tücher, eine bekleckerte Malerleiter unterstreichen noch die Wirkung. Es
ist wieder mal die Ironie, der Humor, der
den Betrachter glücklich macht. Und
glücklich wollen wir doch alle sein.
Klaus Rabien
brennpunkt 2/2015
65
Pepper´s Photo Chat
»Auch in der
Inszenierung bleibt
genug Freiraum
für Entfaltung und
Spontanität.« – Pepper
im Gespräch mit
Marit Beer
Pepper: Als ich dich kürzlich um ein
Interview gebeten hatte und dir sagte,
dass ich deine Arbeit in eine von
mir beobachtete neue romantische
Fotografie einordnen würde, die
ich zur Zeit vor allem bei jüngeren
Fotografinnen beobachte, da wusstest
du zunächst nicht so richtig etwas mit
dieser Einordnung anzufangen. Ich
hatte dann geantwortet, dass ich das
Poetische, Traumhafte, Märchenhafte
und Symbolische meine, das ich in
Deiner Arbeit sehe. Und als weiteres
Beispiel, das meine Behauptung
illustrieren soll, hatte ich die bei Krakau
lebende Polin Laura Makabresku
angeführt. Wie siehst du selbst deine
Arbeit?
Marit Beer: Mit deiner Frage fühlte
ich mich auch ziemlich überrumpelt,
weil ich normalerweise die Fotografen
für das Online-Magazin kwerfeldein
ausfrage, warum sie machen was sie tun.
Aber ich fand es sehr spannend, wie du
meine Arbeiten einordnest und konnte
die genannten Begriffe gut mit meiner
Arbeit in Verbindung bringen. Ich bin © Marit Beer, aus der Serie: »Geister«
also selbst gespannt wo wir am Ende
des Interviews stehen.
ablichten bzw. inszenieren möchtest?
Ich sehe meine Arbeiten als das Resultat Oder eine – vielleicht einvernehmlieines Gespräches, indem nicht zwingend che und wortlose – Kommunikation mit
Worte vorkommen. Die Bilder müssen einem Modell? Das ist mir jetzt nicht
subtil sein, etwas Unausgesprochenes so klar.
soll den Betrachter herausfordern. Ich
mag es, wenn sie mir manchmal selbst Marit Beer: Wenn ich mit Menschen
ein Rätsel sind – diffus, dunkel, eben arbeite, dann ist das immer eine
poetisch.
Zusammenarbeit, in der beide bereit
sind etwas zu geben. Auch in der
Pepper: Was meinst du mit dem Inszenierung bleibt genug Freiraum für
Gesprächsresultat? Eine stille Zwie- Entfaltung und Spontanität. Ich habe
sprache mit dem Gegenstand, den du kein bestimmtes Bild im Kopf, das ich
66
brennpunkt 2/2015
inszenieren und ablichten möchte. Da
ist oft nur ein vages Gefühl, das ich vor
der Zusammenarbeit kommuniziere
und das die Bilder, die entstehen sollen,
trägt. Aus diesem Grund arbeite ich
vor allem gerne mit anderen Künstlern
zusammen, die selbst fotografieren,
schreiben, schauspielern oder sich
anders künstlerisch betätigen. Ich mag
den Gedanken, nicht einen Menschen
zu inszenieren, ohne dabei auf seine
Persönlichkeit einzugehen. Die Fotos
sind dann das Resultat.
Pepper´s Photo Chat
© Marit Beer, aus der Serie: »Mondlicht«,
(O.i.F.)
auszufordern. Als letztes ist mir das mit
Gloria und Julia gelungen. Wir haben
zusammen an einer Serie gearbeitet, die
die Spannung zwischen zwei Schwestern widerspiegeln soll. Ich ließ sie vor
der Kamera verschiedene Gefühle wie
Hingabe, Liebe und Eifersucht selbst
ausloten.
Pepper: Das aktive Mitwirken der
Portraitierten ist also von elementarer
Bedeutung in deiner Arbeit. In gewisser
Weise bist du so etwas wie eine visuell
© Marit Beer, aus der Serie: »Metamorphosis«
arbeitende Psychologin, die die
Menschen vor ihrem Kameraobjektiv
Pepper: Du sagst, dass du vor einer erzählten. Das war für mich etwas aus sich herauskommen lässt. Dabei
Fotosession kein bestimmtes Bild im komplett Neues, denn bis dato ließ geben diese dann einiges von sich preis.
Kopf hättest, das du gerne inszenieren ich nur Freunde und gute Bekannte in Doch, das hat wirklich etwas von der
und ablichten möchtest. Aber wenn ich meine Wohnung. So kam ich auf die Arbeit eines Psychologen, nur dass Du an
mir deine Homepage ansehe, so sehe Idee, dieses Fremde zu verbildlichen, keine Schweigeverpflichtung gebunden
ich doch eine gewisse Orientierung und zog zwischen mich und die fremde bist und die Portraitierten das auch gar
in Deiner Arbeit. Du übertitelst deine Person eine durchsichtige Mauer in Form nicht von Dir erwarten. Du ermunterst
Homepage ja auch direkt mit den einer einfachen Malerfolie, die Teile sie zum – ich meine das jetzt positiv –
Worten »Tales & Photography«. Du des jeweils Anderen nur schemenhaft Exhibitionismus, zum Offenlegen ihres
möchtest Geschichten erzählen, oder? abbildete. Und je nachdem, wie nah Seelen- und Gefühlslebens. Die Arbeit
Und du magst eine märchenhafte und man an die Folie kam, wurden die mit deinen Modellen Julia und Gloria,
poetische Atmosphäre. Also scheint mir Konturen der Körper schärfer oder so wie du sie schilderst, hat für mich
eine eigene Grundidee doch vorhanden unschärfer. Denn genauso nahm ich fast etwas Therapeutisches.
zu sein, wenn du mit einem Modell die Fremdheit war.
arbeitest, oder irre ich mich da?
Ich überließ es dann den Menschen Marit Beer: Deine Gedanken zu meiner
hinter der Folie, wie sie sich beweg- Arbeitsweise sind sehr interessant. Aber
Marit Beer: Ich habe eine Weile über ten. Einige tanzten, andere berühr- ich sehe das eher als eine Kulisse, die
deine Fragen nachdenken müssen, aber ten vorsichtig die Folie oder rissen sie ich vorbereite und eine Stimmung,
du hast Recht. Die Idee bin ich wohl sogar ein und versuchten, hindurch zu die ich vorgebe. Ich möchte es daher
selbst. Nehmen wir als Beispiel meine steigen. Diesen Prozess fand ich total lieber als Theater beschreiben, wo der
Geisterserie. Am Anfang stand lediglich spannend. Denn ich glaube, Menschen Mensch eine Bühne erhält auf der er
das Gefühl von Fremdheit. Ich fing bekommen nicht nur gerne Geschich- sich austoben darf wie ein Schauspieler.
gerade an, Menschen zu fotografieren, ten erzählt, sondern sie erzählen auch Nur das ich Regisseur und Publikum in
die ich zuvor nicht kannte. Was ich selbst gerne Geschichten. Ich versuche einer Person bin und mit der Wahl des
von ihnen wusste, war lediglich das, also mit jeder Idee, die ich habe, den Bildausschnitts bestimme, wie das Bild
was sie mir im Erstgespräch von sich Anderen ebenfalls zum Mitwirken her- am Ende auf den Betrachter wirken wird.
brennpunkt 2/2015
67
Pepper´s Photo Chat
Und ich gehe dabei sehr empathisch
vor, weil mich der Mensch an sich
interessiert.
Pepper: Das heißt, dass du beim
Fotografieren zwar eine Idee von dem
erwünschten Ergebnis hast, aber erst
durch anschließendes Auswählen eines
Bildausschnitts im Negativ oder in der
Datei das finale Werk kreierst? Oder
sprichst du von dem Bildausschnitt
des inszenierten Geschehens, den
du bereits im Sucher deiner Kamera
festlegst?
Marit Beer: Ein befreundeter Fotograf
nannte seine Fotografie einmal
Prozessorientiert. Ähnlich sehe ich das
bei mir auch. Die Idee kommt während
der Aktion. Ich sehe, begreife und wähle
dann den Ausschnitt den ich haben
möchte. Manchmal wiederholen wir
dann auch eine Szene die mir gefiel, wo
ich aber nicht schnell genug war, um das
Foto zu machen. Das finde ich an dieser
Arbeit auch so spannend. Keiner weiß
am Anfang, wie das finale Bild aussehen
wird. Wir bewegen uns langsam darauf
zu. Da ich nur analog arbeite und sehr
gern mit Mittelformat, werden es auch
maximal 24 Bilder, also zwei Rollfilme,
die ich belichte.
Pepper: Warum hast du dich dazu
entschieden, nur analog zu arbeiten?
Marit Beer: Weil es mir ein besseres
Gefühl gibt. Ich habe analog und
digital damals die gleichen Chancen
eingeräumt, aber die Arbeitsweise mit
Film gefiel mir am besten, und ich
verstehe sie.
Pepper: Nur maximal 24 Aufnahmen
zu machen, wenn man ein Model oder
mehrere für eine Session einlädt und
dafür dann auch ein Setting, eine Art
Kulisse arrangiert, das scheint mir doch
sehr konzentriert zu sein. Da kann viel
schief gehen. Die Models sind anfangs
evtl. noch nicht locker genug, um sich
auf deine Ideen einzulassen, sie sind
vielleicht noch zu steif und gezwungen in ihrer Haltung, in ihrer Mimik.
Wenn ich selbst mit neuen Modellen
arbeite, und ich bevorzuge Laienmodelle, die noch nicht diese vorgefertigten Posings beherrschen, dann merke
68
brennpunkt 2/2015
© Marit Beer, »blind«
ich, dass es schon mal eine Stunde des
Fotografierens bedarf, bis ich die Leichtigkeit und Natürlichkeit beim Model
sehe, die ich im Bild haben will, bis
sich das Model also an die Situation
und an mich als fremde Person gewöhnt
hat. Ich spreche jetzt natürlich von Laienmodellen, mit denen ich bis dahin
noch nicht zusammengearbeitet habe.
Würde ich mich also da auf 24 Aufnahmen beschränken, würde ich möglicherweise scheitern.
Sind die Menschen, mit denen du zusammenarbeitest, überwiegend Bekannte
und Freunde von Dir oder Menschen,
die du durch deinen Freundes- und
Bekanntenkreis kennenlernst?
Ich fasse die zwei Fragen noch mal
zusammen. Ist die kontingentierte Bildmenge immer ausreichend für dich?
Und woher kommen deine Modelle?
Marit Beer: Konzentriertes Arbeiten
trifft es. Ich arbeite mittlerweile mit
einer Handvoll Leuten die ich über die
Jahre kennengelernt habe. Ein Freund
fragte mal, ob ich mein »Ensemble«
schon zusammen hätte. Das ist eine
schöne Bezeichnung. Die Leute
kennen mich, ich kenne sie, und mit
einigen bin ich auch gut befreundet.
Manchmal kommt es noch vor, dass
Menschen auf mich zukommen und
fragen, ob ich sie fotografieren möchte,
weil sie meine Arbeit schätzen. Auch
hier merke ich dann, dass es da keine
große Scheu mehr gibt, und dass sie
sich drauf einlassen können. Das
macht es möglich, konzentriert zu
arbeiten und ich bekomme das auch
als Rückmeldung: dass sie das langsame
Arbeiten angenehm finden.
Ich beschränke mich einfach sehr gern
und möchte das Wesentliche aus allem
rausarbeiten. Dafür braucht es natürlich
Zeit. Aber nicht hinter der Kamera
mit dem Finger auf dem Auslöser,
sondern schon vorher. Sich mit den
Leuten beschäftigen, eine angenehme
Beziehung aufbauen, nimmt den Leuten
die Angst vor dem Unsichtbaren.
Pepper´s Photo Chat
© Marit Beer, aus der Serie: »Schwestern«, (O.i.F.)
Pepper: Gibt es einen bestimmten
Typus Mensch, den du bevorzugt
fotografierst?
Marit Beer: Ich fotografiere gerne Menschen die sich ebenfalls künstlerisch
betätigen. Das gibt oft sehr gute Gespräche und bringt auch mich im Denken
weiter. Weniger gute Erfahrungen habe
ich gleich ganz am Anfang mit FreizeitModellen gemacht. Da gab es oft eine
Diskrepanz zwischen dem was die wollten und dem was ich wollte. Anfänglich hatte ich da noch probiert einen
Weg zu finden der beide Seiten glücklich machte. Aber mit der Zeit war mir
klar, dass so nicht die Bilder entstehen,
die mich glücklich machen.
Pepper: Wenn Du erlebt hast, dass
ein Model seine Ideen mit einbringen wollte, dann hast du aber immer
auf einer Time for Print Basis gearbeitet. Bei bezahlten Fotosessions könnte
Dir das nicht passieren. Eine Gefahr bei
TfP liegt doch darin, dass ein Model
dir irgendwann untersagen kann, die
Zeit meinen philanthropischen Umgang
bewahrt sowie eine eigene Bildsprache
entwickelt.
Seit Jahren nun habe ich eine Handvoll Leute mit denen ich immer wieder zusammen arbeite und im vorletzten Jahr hatte ich meine erste Ausstellung mit Dvorah Kern zusammen in
der aff Galerie. Bei der Vorauswahl der
Bilder passierte dann auch genau das,
von dem du sprichst. Ich durfte zwei
Bilder nicht zeigen und der Grund war
für mich auch nachvollziehbar. Auf dem
Bild war ein Paar zu sehen das mittlerweile nicht mehr zusammen ist und
sich genau zur Zeit der Ausstellung in
der Trennungsphase befand. Das Model
hatte kein gutes Gefühl mit den Bildern
an der Wand. Für mich war das vollkommen ok und mir fiel auch kein Zacken
aus der Krone als ich diese Bilder dann
eben nicht zeigen konnte.
Mittlerweile gibt es jedoch mehr Interessenten an meinen Bildern und auch
mehr Ausstellungsmöglichkeiten. Für
die bereits freigegebenen Bilder für
Ausstellungen in Galerien und Magazinen werde ich in Zukunft die beteiligten
Personen und mich noch besser absichern, damit das MoMA keine Angst
haben muss die Bilder wieder abhängemeinsam gemachten Fotos zu ver- gen zu müssen.
wenden, denn rechtlich hast du in so
einer Situation keinen Anspruch darauf. Pepper: Du arbeitest gerne mit Frauen
Hast du da keine Angst, dass du Teile deiner Generation. Weil ihr generatiDeines Werkes, das mit viel Mühe und onsbedingt möglicherweise ähnlich
Engagement entsteht, irgendwann ein- empfindet, gerade in Bezug auf Themal nicht mehr zeigen darfst? Vielleicht men und Bildinhalte?
trifft solch ein Bann dann ausgerechnet deine besten Fotos. Mir wäre das Marit Beer: Die Frauen sind zwischen
Risiko zu hoch.
zwanzig und vierzig, ich muss also verneinen. Allerdings muss ich zugeben,
Marit Beer: Das ist ganz richtig. Aber als dass sich jüngere Frauen ungezwunich anfing Menschen zu fotografieren, gener vor einer Kamera bewegen könhabe ich nicht im Traum daran gedacht nen. Ältere Frauen vergleichen sich
eines Tages Bilder irgendwo auszustellen, oft mit jüngeren Modellen, die sie auf
geschweige denn zu verkaufen. Im Fotos anderer sehen. Ich habe mir schon
Vordergrund stand für mich etwas ganz den Mund fusselig geredet über Stereoanderes: Der Umgang mit Menschen, type und Schönheitsideale. Hängende
die man für kurze Zeit trifft; zu üben, Brüste, schlaffe Haut an den falschen
auf sie einzugehen und herauszufinden, Stellen, das lässt das Selbstwertgefühl
wo meine Fotografie hingeht bzw. was ganz schnell sinken und macht mich
ich mit ihr zu sagen habe. Und um manchmal regelrecht wütend. Aber
diese Anfangszeit bin ich auch sehr nicht auf die Frauen, sondern auf das
dankbar und auch um alle Erfahrungen, Ideal, das wir alle überall mit Bildern
die positiven wie auch die negativen. produzieren und ich schließe mich da
Sie haben mich zu Entscheidungen nicht aus. Ich hoffe wirklich, ich kenne
gezwungen und ich habe mir über diese meine Handvoll Leute auch noch in
brennpunkt 2/2015
69
Pepper´s Photo Chat
zwanzig und dreißig Jahren und darf sie
dann immer noch mit all ihren wundervollen Lebensfalten und grauen Haaren
fotografieren. Ich würde auch gern mit
älteren Menschen arbeiten, aber es ist
gar nicht so einfach an diese heran zu
kommen. Meine bisherigen Versuche
waren diesbezüglich leider vergebens.
Wenn du aber ältere Damen kennst die
Geistergeschichten mögen, dann sag
mir bitte Bescheid.
Pepper: Du würdest gerne Geistergeschichten mit älteren Menschen inszenieren? Weißt du, dass Elemente des
englischen Schauerromans von der
Literatur der Romantik aufgenommen
wurden? Da nähern wir uns ja ganz allmählich meiner These, dass deine Fotografie etwas Romantisches an sich hat.
Marit Beer: Als du meine Bilder mit dem
Wort romantisch beschriebst, ging ich
von der Bedeutung in unserem heutigen Sprachgebrauch aus und sah vor
mir eher bunte Blumenbuketts. Dass die
Romantik, bzw. die schwarze Romantik Elemente des englischen Schauerromans aufnahm kann ich daher mit ja
beantworten. Du möchtest sicher auf
die gequälte Seele hinaus, die zu einem
Grundthema der Romantik gehört?
Pepper: Nicht nur, aber auch, ja. Gerade
in den Arbeiten der eingangs von mir
erwähnten Laura Makabresku ist das
ja überdeutlich zu spüren. Soweit ich
weiß, leidet die Fotografin unter Schizophrenie und lebt ziemlich zurückgezogen in der Nähe von Krakau. Ihre
Fotografie scheint ihre Art der Kommunikation mit der Außenwelt zu sein, mit
der sie sich mitteilt. Das ist bei anderen
Fotografen auch so, aber für jemanden,
der so abgeschieden lebt, ist das vielleicht noch von größerer Bedeutung.
In ihren Arbeiten kommen Selbstverletzungen bzw. Verletzungen vor, aber
auch große Zärtlichkeit. Zudem ist die
Natur in ihren Aufnahmen wichtig:
Laub, ausgestopfte Tiere, Wald. Und
diese Hinwendung zur Natur ist ja
ebenfalls ein Aspekt der Romantik.
Allerdings habe ich bei meiner Begriffswahl nicht nur an die Romantik des 19.
Jahrhunderts gedacht, sondern ich sehe
das zeitloser. Es ist eher eine zarte Empfindung, die sich mir in vielen aktuel70
brennpunkt 2/2015
© Marit Beer, aus der Serie: »Schwestern«, (O.i.F.)
len Fotografien vermittelt. Zwischenmenschliche Zärtlichkeit ist ein auffälliges Thema, manchmal sehr poetisch
und in gewisser Weise verschwommen,
unscharf gestaltet.
Dann fällt mir die Verwendung alter
Requisiten, wie beispielsweise Mobiliar
und Wohnaccessoires aus den 1920er
und 1930er Jahren auf, und die Verwendung von Kleidungsstücke aus Vorkriegsjahrzehnten (ich meine den zweiten Weltkrieg). In deiner Serie Gloria
& Juliet arbeitest Du ja auch in solch
einem Interieur. Dieser Rückgriff auf
Altes hat für mich auch etwas Romantisierendes an sich, zumindest in der Art
wie sie von Dir und anderen – vielleicht
ja unbewusst – eingesetzt wird.
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit ein
paar interessante Fotos gesehen, deren
Urheber ich allerdings nicht kenne. Zu
sehen ist auf ihnen ein zartes junges
weibliches Wesen, das auf einem Teich
oder einem Flüsslein treibt, bekleidet mit einem wallenden Kleid. Ich
musste sofort an das Gemälde Ophelia von dem Präraffaeliten John Everett
Millais aus der Mitte des 19. Jahrhunderts denken.
Marit Beer: Die Hinwendung zur Natur
in unserer Zeit ist sicher ein Zeichen
dafür, dass wir etwas vermissen oder
suchen. Die Natur ist ausgesperrt, jene,
die vor den Toren der Stadt liegt, und
jene in uns drinnen. Der Mensch wird
gemaßregelt, die Natur beschnitten. Ich
sehe viele Bilder anderer Fotografen als
das Resultat eines Gefühls von Verlorenheit und die Suche nach dem Ursprung.
Die Fotografien, die du ansprichst, werte
ich als Spiegelbild unserer Zeit. Darin
werden ausgestopfte Tiere an den Kaffeetisch eingeladen, wie bei Laura Makrabesku, oder Unmengen von Ophelias
in Seen, Badewannen oder Schwimmbädern »ertränkt«. Und in all dem Schönen, Leichtem und Zartem schwingt
etwas Dunkles mit. Bei den toten Tieren von Laura stockt mir manchmal der
Atem. Sie schafft es ein oberflächliches
Gefühl von Poesie und Zärtlichkeit zu
vermitteln, doch schaut man weitere
Arbeiten von ihr an, ist das Unaus-
Pepper´s Photo Chat
Pepper: Das macht doch nichts. Unser
Gespräch handelt ja auch von deiner eigenen Fotografie. Und da ist es
spannend zu hören, was dich noch so
umtreibt. Wie thematisierst du in deiner Arbeit den Tod?
© Marit Beer, aus der Serie: »Waiting for the
fox«
sprechliche in den Bildern bemerkbar
– nämlich die geschundene Seele und
damit wären wir wieder in der Romantik angekommen.
Pepper: In diesem Sinne siehst du also
auch einen romantischen Aspekt in der
Arbeiten einiger junger Fotografen und
Fotografinnen. Wen von ihnen schätzt
du denn besonders? Und warum?
Marit Beer: Ich versuche meine Bilder
nicht in einer bestimmten Zeit zu verorten aber gleichzeitig mit bestimmten
Hilfsmitteln den Tod zu realisieren. Bilder sollen wie eine Erinnerung wirken,
die nichts direkt mit der Gegenwart zu
tun hat. So ist es mit dem Tod ja auch.
Er liegt irgendwie in der Ferne, irgendwie aber auch hinter uns mit all unseren Ahnen und Urahnen. Das ganze
wird dann noch mit abgestorbenen Blüten, Knochenwirbeln oder bestimmten
Lichtstimmungen verziert. Am Ende
wünsche ich mir ein Gedicht, das jeder
selber lesen kann.
Pepper: Schaffst du eigentlich auch literarische Gedichte, die eine Ergänzung
zu deiner visuellen Lyrik darstellen?
Marit Beer: Ich sehe das eher als Kon- Vielleicht ist das ja klischeehaft, aber
glomerat und mir fällt keiner im spezi- das würde jetzt perfekt zu dem Bild
ellen ein, den ich einem anderen vor- passen, das sich gerade vor meinem
ziehen würde. Es ist eine Strömung aus inneren Auge auftut.
der ich mich manchmal bediene und
damit arbeite, wie in der von dir ange- Marit Beer: Gedichte schreibe ich nicht.
sprochenen Serie mit Gloria und Julia. Wenn überhaupt, dann mal Vignetten.
Ich schätze aber Künstler wie Francesca Aber erzähl mir mal was zu dem Bild vor
Woodman, Mascha Kaleko oder Sylvia deinem inneren Auge. Beschreib es!
Plath sehr. Und ich denke dass diese
Künstler auch großen Einfluss auf viele Pepper: Das wäre jetzt ein schönes,
andere junge Künstler haben. Weil in klischeebeladenes Bild: Junge Fotoihren Arbeiten ihre wahre Natur sichtbar grafin schafft träumerisch-nachdenkist, ihr Leiden, aber auch immer Humor, liche Fotos mit Vanitassymbolen darin,
versteckt zwischen den Zeilen.
und nach getaner Arbeit, oder in einer
Pause, gibt es einen Tee, vielleicht in
Pepper: Wovon lässt du dich noch in diesem alten Ambiente, zusammen mit
deiner fotografischen Arbeit beeinflus- dem Modell, das noch in dem leichten
sen und inspirieren?
Kleid oder worin auch immer gewandet
ist, und dann wird sich über Gedichte,
Marit Beer: Skurrile und bizarre Dinge eventuell ja Selbstgedichtetes unterhalinspirieren mich. Ein Thema, von dem ten. Das wäre doch auch ein schönes
ich nie ganz weg komme, ist der Tod und Bild; Mädchenromantik vielleicht?
der Umgang damit allerorten. Auch die Also das ist jetzt nicht als Werkkritik
Unterweltansichten verschiedener Reli- zu sehen, aber das Bild poppte gerade
gionen spielen da mit hinein. Wie stel- vor meinem inneren Auge einfach auf.
len sich Menschen die Hölle vor, was Ein bisschen denke ich auch an meine
ist die Hölle auf Erden usw. Oder Fra- eigene Jugend, als ich, so mit 18, in
gen nach dem Bösen, was ist das genau, einem Lyrikkreis war.
wie wird es beschrieben. Jetzt kommen
wir vom romantischen Mädchenthema Marit Beer: Das ist doch ein schönes
aber ganz schön weg, oder?
Bild und mit 17 war ich auch so wild-
romantisch. Nur das ich damals die
Mädels lieber mit Artur Rimbaud ersetzt
habe. Liest du eigentlich gern Gedichte?
Es gibt ja auch recht unromantische.
Pepper: Gelegentlich. Derzeit Heiner Müllers gerade neu bei Suhrkamp
erschienenen Gesammelten Gedichte.
Sehr viel Schönes dabei, vom Sprachklang vor allem. Aber ich bin kein LyrikVielleser. Es hat bisher auch nur wenige
Autoren gegeben, die mich wirklich
interessiert haben. Erich Fried habe
ich gerne gelesen, und Albert Ostermaier. Einiges von Brasch. Na, ein paar
mehr Autoren sind es wohl doch. Von
den Klassikern natürlich Celan., insbesondere die Todesfuge, das für mich bis
heute eines der wichtigsten Gedichte
ist. Ich habe es mal von Gert Fröbe gelesen gehört, das war der pure Wahnsinn.
Haben literarische Leseerfahrungen
oder visuelle Seherfahrungen aus Theater und Film Einfluss auf deine Bildfindungen?
Marit Beer: Ich habe über die Zeit
bestimmte Vorlieben entwickelt und
schaue mir beispielsweise gern die
Arbeitsweisen von Regisseuren wie
Lars von Trier, Jim Jarmusch, Tarantino
oder Terry Gilliam an. Und ohne Zweifel haben mich deren Filme in ihrer Groteskheit und Intensivität stark beeinflusst.
Pepper: Gib mir doch zum Schluss unseres Gesprächs noch einen Ausblick auf
dein fotografisches 2015. Woran arbeitest du, was für Projekte möchtest du
realisieren?
Marit Beer: Ich werde in diesem Jahr an
einer dritten Serie arbeiten und mir viel
Zeit dafür nehmen. Sie wird die Weiterführung der Geister und Metamorphis
Reihe sein und sich inhaltlich mit dem
Thema »wahre Natur« beschäftigen.
Das Gespräch wurde Anfang 2015 via
Facebook geführt.
www.maritbeer.de
www.flickr.com/photos/einuhr
www.obstundmuse.com
www.photosbypepper.tumblr.com
www.pepperproject.de
brennpunkt 2/2015
71
Buchbesprechung
Jan Sobottka
»KITCHENWORK«
Im Reich der Küche
Das eigentliches Betätigungsfeld des
Fotografen Jan Sobottka sind die Vernissagen der Berliner Galerien und
Museen. Dachte ich immer.
Seit Jahren treffe ich ihn dort, mit einer
kleinen Kamera in der Hand, eingepackt
in seine Lederjacke und den ihm eigenen verschmitzten Charme. Jan dokumentiert die Großen und Eitlen des
Kunstbetriebes, aber sein geschärftes
Auge sieht auch diejenigen Menschen,
die sich durch ihre Ausstrahlung und
nicht durch ihren Namen hervortun.
Über die Jahre findet er unter diesen
immer wieder Frauen, die ihn faszinieren und die er zu einer Fotosession in
seine Küche einlädt. Eine ganz normale,
kleine, enge Berliner Küche mit Tisch,
Sitzbank, Bild an der Wand und Gerümpel auf dem Fensterbrett.
Das verblüffende Ergebnis dieser
unzähligen Treffen liegt nun mit
»KITCHENWORK« vor.
Es ist ein faszinierendes Buch über
das Fotografieren und eine Reflexion
über die Anziehung der Geschlechter. Mit jeder Seite entblättert sich die
ganze formale und inhaltlich-emotionale Bandbreite, die zwischen Fotograf
und Modell, Künstler und Muse möglich ist.
Formal bewegt sich Jan kontinuierlich zwischen zwei Extremen: Einmal
benutzt er die Küche so, wie man sie
vorfindet, mit allen visuellen Ecken
und Kanten. Ein andermal räumt er
Tisch, Stuhl, Gegenstände heraus, um
das Modell bühnenhaft in den Vordergrund zu stellen. Auch bei den Posen
und beim Licht bewegt er sich zwischen den Gegensätzen von natürlich
und künstlich, dokumentarisch und inszeniert.
Inhaltlich ist »KITCHENWORK« so faszinierend, weil Porträt und Selbstporträt
radikal eins werden. Schwer zu sagen,
wer agiert und reagiert, Impulse setzt
oder aufnimmt. Die Pose, die Kleidung,
die Requisiten, die Rolle: sie kommen
von beiden Akteuren. Es ist ein Tanz
der Geschlechter, zeitlos und sich den72
brennpunkt 2/2015
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: Lucy, Sommer 2014
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: Schwangere Frau, 2015
noch seiner individuellen Vergänglich- Flirt mit der Kamera bis zum offen einkeit bewusst.
gestandenen Begehren und Liebe. Jan
Verstärkt wird dies durch die den Fotos lässt uns an diesem inneren Hin und Her
zur Seite gesetzten Texte. In ihnen ohne Filter teilhaben. Und daran liegt
beschreibt Jan wie und wo er das Modell die besondere Stärke der Arbeit. Wir
kennengelernt hat, welche Gefühle und erleben den Künstler, wie er versucht,
Gedanken das Fotografieren dieser Frau den Kern der ihn faszinierenden Frau auf
in ihm ausgelöst haben. Hier begegnen den Punkt zu bringen. Wie er manchmal
wir einer ganzen Bandbreite von Emoti- scheitert, manchmal gewinnt und dabei
onen: Vom distanzierten Interesse, zum Einblicke in den fotografisch-künstleri-
Ausstellungen
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: Volpessa, 2012
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: La Capra mit verchromten Totenkopf, 2009
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: MIR, 2014
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: Fantomas,
Sommer 2011
© Jan Sobottka / KITCHENWORK: LaTour, Sommer 2014
© Jan Sobottka / KITCHENWORK, 2015
schen Prozess und in sich selbst gibt. In Alle Abbildungen im Buch in Farbe.
seiner Faszination für das Ewig-Weibliche zeigt er sich als Romantiker, in der
Auflistung der »Wörter die unbenutzt
blieben« als Kavalier und in der Gesamtkonzeption von »KITCHENWORK« als
kluger Künstler, der ganz bei sich ist und
gleichzeitig über sich schwebt.
Boris Eldagsen (* 1970 in Pirmasens)
Ein Nahtoderlebnis erotischer Art.
Deutscher Photomedia-Künstler, lebt
Boris Eldagsen und arbeitet seit 1998 in Berlin.
KITCHENWORK
64 Fotos von Jan Sobottka
Verlag: Seltmann + Söhne, 2015
Texte: Ina Weisse / Jan Sobottka
Fadenheftung / Französische Broschur
ISBN: 9783944721415
24 x 16,5 cm / 120 Seiten
deutsch / englisch
brennpunkt 2/2015
73
Buchbesprechung
Jörg Rubbert
PARIS – NEW YORK –
BERLIN
Straßenfotografie /
Street Photography
1978 - 2010
Verlag PalmArtPress
ca. 220 Seiten; 176 s/w Fotos
Klappenbroschur
Format: 24 x 28 cm
Deutsch / Englisch
ISBN: 978-3-941524-58-3
Erscheinungsdatum: Ende Mai 2015
Subskriptionspreis: 39 Euro (gültig
bis 31. Mai 2015). Gebundener
Ladenpreis: 44 Euro.
In einer Zeit des millionenfachen
Gebrauchs von Smartphone-Bildern,
einer Zeit, in der die Verfügbarkeit von
Bildern durch das Internet tagtäglich
praktiziert wird, erscheint die klassische Straßenfotografie, die unser Bildgedächtnis geprägt hat, als ein Relikt
vergangener Zeit – als ein aussterbendes Genre.
Doch auch in unserem digitalen Zeitalter ist die Faszination geblieben, Leute
auf der Straße bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten und Situationen
fotografisch zu erfassen und damit ein
authentisches Bild von den Menschen
und unserer Zeit zu zeichnen.
(aus dem Vorwort von Norbert Bunge,
argusfotokunst)
Bei dem in Zusammenarbeit mit
dem Verlag PalmArtPress konzipierten
Fotobuch »Paris – New York – Berlin.
Straßenfotografien 1978 - 2010« handelt
es sich um ein persönliches Resümee
des Berliner Fotografen Jörg Rubbert aus
mehr als 30 Jahren Straßenfotografie.
Der Schwerpunkt liegt auf einer
sozialkritischen Sicht auf den Alltag
der Menschen und auf die besonderen
Umstände und gesellschaftlichen
Situationen in den drei Metropolen
Paris, New York und Berlin.
74
brennpunkt 2/2015
© Jörg Rubbert, Araberjunge auf einer
islamischen Kundgebung,
Place de la République, Paris 1989
© Jörg Rubbert
An allen drei Orten fotografierte Jörg
Rubbert insbesondere die Charaktere
und Gesichter hinter der Stadt. Die drei
Städte bilden gleichsam den Rahmen,
an dem bestimmte politische Ereignisse der Zeit festgemacht werden: So
befassen sich einzelne Kapitel mit den
Auswirkungen des Mauerbaus und den
Umwälzungen der Wiedervereinigung
in Berlin. Andere Kapitel behandeln das
Leben in den sozialen Brennpunkten in
Paris oder das New York der Ära David
Dinkins, des ersten schwarzen Bürgermeisters einer amerikanischen Großstadt.
An allen drei Orten hat Jörg Rubbert
längere Zeit gelebt und darüber einen
interessanten Vergleich zwischen den
drei Städten ziehen können: Sowohl
in Paris als auch in New York fotografierte er die Protestbewegungen der ausgehenden achtziger Jahre, z.B. in Paris
die Demonstrationen der arabischen
Immigranten gegen das Kopftuchverbot in öffentlichen Räumen. Oder in
New York die Parade zu Ehren Nelson
Mandelas, der Symbolfigur für den Freiheitskampf und die Gleichstellung der
Schwarzen sowie die Feierlichkeiten
am Tag der Arbeit mit dem obligatorischen Marsch der Gewerkschaften. In
Paris und in Berlin wiederum spürte er
den veränderten Rhythmus der Städte
bei Nacht auf.
Für alle Orte gilt hingegen ein Prinzip
von Rubberts Arbeit mit der Kamera:
Für ihn ist die Schwarzweißfotografie
die ideale Form, das Leben in den Großstädten einzufangen.
© Jörg Rubbert, »Zuschauer bei einer
islamischen Kundgebung«, Poissonnière,
Paris 1989
Entstanden sind authentische Abbildungen dieser drei einzigartigen Metropolen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit
bei näherer Betrachtung erstaunlich
viele Parallelen aufweisen.
Michael Nungesser, Kunsthistoriker
Ausstellung und Buchpräsentation:
am 30. Mai 2015, ab 19 Uhr
im Verlag PalmArtPress
Inh. Catharine J. Nicely
www.palmartpress.com
Pfalzburger Straße 69
10719 Berlin-Wilmersdorf
Tel: 030-86390429
[email protected]
Buchbesprechung
Beatrice Minda
»Iran. Interrupted«
Privathäuser in Iran: Einblicke in eine
verborgene Welt
Beatrice Minda (*1968 in München)
beschäftigt sich immer wieder mit dem
Verhältnis von privatem Raum, Erinnerung und Geschichte. Nach der ausdruckstarken Erkundung rumänischer
Interieurs in ihrem Bildband Innenwelt reist die Künstlerin für ihre neue
Arbeit in die islamische Republik Iran.
Dort taucht sie in die weitgehend
unbekannte Welt privater persischer
Wohnräume und Innenhöfe samt ihren
Abschottungen durch Gitter, Mauern
oder undurchlässige Vorhänge ein. In
einem Land mit mehrtausendjähriger
Geschichte folgt Beatrice Minda dabei
der Fährte einer teils massiv verschütteten Tradition und identifiziert – trotz
aller historischen Brüche – verborgene
Zeichen von Kontinuität. In den sensiblen Farbbildern wird sicht- und spürbar,
wie sich die gegenwärtige Geisteshaltung der Bewohner ebenso wie historische, kulturelle und soziale Zusammenhänge im Privatraum spiegeln. Subtil
kommt dadurch die gesellschaftspolitische Dimension von Iran. Interrupted
zum Ausdruck.
© Beatrice Minda, Cover, (O.i.F.)
Ein wunderschönes Buch, das mit
einem filigranen hellblauen gemusterten Vorsatzpapier beginnt. Die Fotografien von Beatrice Minda sind teilweise
voller Poesie und hin und wieder blitzt
ein Hauch Melancholie auf.
Beatrice Minda
Iran. Interrupted
Texte von Asghar Farhadi, Pooya
Ghoddousi, Shahrnush Parsipur,
Gestaltung von Chrish Klose
Deutsch, Englisch, 2014.
160 Seiten, 87 Abbildungen
24,60 x 30,50 cm, gebunden
ISBN 978-3-7757-3612-1
© Beatrice Minda, (O.i.F.)
© Beatrice Minda, (O.i.F.)
brennpunkt 2/2015
75
Buchbesprechung
Tom Byrtes
»Face the moment 1«
»Face the moment 2«
»Face the moment« - Begegnungen in
Berlin ist ein Bildband aus Berlin. Ein
Stadtportrait, bei dem nicht der Potsdamer Platz, das Brandenburger Tor,
der Fernsehturm oder die Eastsidegallery die Hauptrolle spielen. Es ist das
Portrait einer Stadt in Gesichtern. Von
Strassenmusikern, Touristen, Studenten,
Models, Modemachern, Schauspielern,
Künstlern und hochrangigen Politikern.
Ein Portrait von Menschen, die dem
Autor im Laufe von zweieinhalb Jahren
begegnet sind. Über 100 Personen und
fast 270 Fotos zeigen die Gesichter einer
Metropole, die sich mindestens ebenso
schnell verändert, wie die Menschen,
die sie besuchen oder dort leben.
Beide Bildbände leben von der Dynamik der fröhlichen, lebensbejahenden
Porträts von jungen Menschen. Immer
wieder tauchen auch Fotografien von
namhaften Künstler und Politiker auf.
Überwiegend sind in beiden Büchern
Schwarzweißfotografien enthalten,
dazwischen blitzen einige Farbseiten
auf. Kleine Textblöcke eingebunden
zwischen den Bildern, erfrischen den
Leser und sind lesenswert.
Man darf gespannt sein auf »Face the
moment 3«
Bestellung unter:
http://www.bod.de/buch/tom-byrtes/
face-the-moment-2/9783738607949.
html
© Tom Byrtes
© Tom Byrtes
»Face the moment 1«
Byrtes, Tom
Paperback, 192 Seiten
ISBN 978-3-7386-0706-2
Verlag: Books on Demand
Euro 29,90, inkl. MwSt. zzgl. Versand
»Face the moment 2«
Byrtes, Tom
Paperback, 192 Seiten
ISBN 978-3-7386-0706-2
Verlag: Books on Demand
Euro 29,90, inkl. MwSt. zzgl. Versand
76
brennpunkt 2/2015
© Tom Byrtes
© Tom Byrtes, Cover
Ausstellungen
Pietro Donzelli
(1915-1998)
Luce. Fotografien
Zum 100. Geburtstag von Pietro Donzelli wird sein Werk umfangreich vorgestellt. Seine wichtigsten Arbeiten
entstanden in den 1950er- und 1960erJahren, als der italienische Neorealismus
neue Ausdrucksformen in Kunst, Film
und Fotografie entwickelte. Donzellis
Augenmerk galt immer jenen Momenten, in denen sich das Lebensgefühl der
Menschen ausdrückt, und jenen Stimmungen, in denen das Wesen der italienischen Landschaft sichtbar wird. Sein
Hauptverbündeter war dabei das Licht.
Pietro Donzelli, Käseladen in Pozzuoli, 1950er-Jahre,
© Renate Siebenhaar, Estate Pietro Donzelli, Frankfurt a.M.
Pietro Donzelli, Cà Venier, Flussaue, 1953
© Renate Siebenhaar, Estate Pietro Donzelli,
Frankfurt a.M.
bis 14. Juni 2015
Kunst- und Kulturstiftung
Opelvillen Rüsselsheim
Ludwig-Dörfler-Allee 9
65428 Rüsselsheim
Mi
10 – 18 Uhr
Do
10 – 21 Uhr
Fr – So 10 – 18 Uhr
www.opelvillen.de
Pietro Donzelli, Bauernversammlung, 1951/1994, © Renate Siebenhaar, Estate Pietro Donzelli,
Frankfurt a.M., Courtesy DZ BANK Kunstsammlung
brennpunkt 2/2015
77
Ausstellungen
Platon
»SERVICE«
Rafael Jablonka freut sich, am 14. April
die erste deutschlandweite Einzelausstellung des britischen Fotografen
Platon (geb. 1968 in London) in der
Böhm Chapel zu eröffnen.
Berühmt wurde Platon mit seinen politischen Porträts von z.B. Barack Obama,
Muammar Gaddafi, Vladimir Putin und
George W. Bush sowie seinen Fotografien von anderen bedeutenden Persönlichkeiten unserer Zeit wie Muhammad
Ali, Vivienne Westwood, Edward Snowden und Michael Douglas; in dieser Ausstellung jedoch zeigt er weltweit zum
ersten Mal 5 bewegende, großformatige Arbeiten aus seinem preisgekrönten »SERVICE« Portfolio.
Im Jahr 2008 erhielt Platon einen mehrjährigen Vertrag vom The New Yorker
und trat damit die Nachfolge des verstorbenen Richard Avedon an. Seine erste
Fotoreportage trug den Titel »SERVICE«
(Wehrdienst) und war eine Hommage
an die Männer und Frauen sowie an
deren Familien, die ihrem Land dienen.
In dieser Serie steht weniger die Politik,
sondern vor allem das Menschliche und
die Bedeutung von Führung in unserer
Gesellschaft im Mittelpunkt.
Die Bilderserie wurde wenige Wochen
vor Barack Obamas erster Wahl zum
Präsidenten veröffentlicht und hatte
eine erkennbare historische Auswirkung
auf das Ergebnis der Wahl.
General Colin Powell war tief bewegt
von dem Bild einer amerikanischen
Muslima und Mutter, die am Grab ihres
Sohnes trauert, und stellte klar, dass Integration in die Gesellschaft immer Priorität vor politischen Erwägungen haben
muss. In der Hoffnung, Obama würde
für mehr Respekt und Toleranz in der
Gesellschaft stehen, unterstützte der
Republikaner Colin Powell den demokratischen Kandidaten Barack Obama
und trug auf diese Weise ein Stück weit
zum Sieg Obamas bei.
Platon, Elsheba Khan at the grave of her son, Specialist Kareem Rashad Sultan Khan, in Section 60
of Arlington National Cemetery in Arlington, Virginia, 2008. All Copyright © Platon
Destabilisierung in der Welt wieder
deutlich zunehmen, erinnern uns diese
Bilder schmerzhaft an die Auswirkungen von Krieg.
15. April bis 28. September 2015
Platon, Sergeant Tim Johannsen and his
wife, Jacquelyne Kay, in a rehabilitation
unit at Walter Reed Army Medical Center in
Washington D.C., 2008. All Copyright © Platon
Böhm Chapel
Hans-Böckler-Straße 170
50354 Hürth Kalscheuren
Durch ihre beeindruckenden Abmes- konfrontiert, was es tatsächlich bedeu- Sa + So
11 – 16 Uhr
sungen als auch die Platzierung der tet, seinen Dienst zu tun: Mitgefühl, Während der Art Cologne
Werke in den 5 sakralen Nischen der Würde, Stärke, Zerstörung und Aus- Dienstag, 14. April – Sonntag 19. April
Böhm Chapel wird der Betrachter damit dauer. In einer Zeit, da Unruhen und täglich von 11 – 16 Uhr
78
brennpunkt 2/2015
Ausstellungen
Karin Maria Zey
»Wenn man es nicht
sieht ist es nicht
erkennbar ...«
Fotografien 2009 – 2014
Die Künstlerin, Karin Zey, 1960 in
Osthessen geboren, hat sich, nach
schwieriger Kindheit, viel rumgetrieben,
auf Humboldts Spuren in Brasilien, in
Portugal, in Griechenland. Auf diesen
Reisen hat sie viel gesehen, hat viel von
dem festgehalten, was sie gesehen hat.
Gottlob hat sie es festgehalten, keine
Urlaubsfotos im üblichen Sinne, nichts
Wiedererkennbares ist zu sehen,aber
was für Entdeckungen. Übrigens ist
Karin Zey keineswegs darauf angewiesen, interessante Motive in fernen
Ländern zu finden. Schon beim Gang
vor die Haustür kann ihr auf der Plane
eines Lkw eine faszinierende Erscheinung begegnen, die es verdient, festgehalten zu werden.
Dieses Sehen hat sie im Laufe der Jahre
vervollkommnet. Und dabei ist sie
auch nicht frei von Einflüssen geblieben. Einer, der Karin Zey ermutigt und
durch Ankäufe unterstützt hat, ist Henning Lohner, das Multitalent, der in
den letzten Jahren durch seine »active
images«, die er zusammen mit dem
verstorbenen Kameramann Van Carlson schuf, ins internationale Rampenlicht der high end Video Kunst gerückt.
Henning Lohner hat seiner Begeisterung über Karin Zeys Kunst mit Worten
wie Grossartig, Unglaublich, Sensationeller Blick Ausdruck verliehen. Vielleicht können auch Sie sich diesem
Urteil eines Mannes anschließen, von
dem selbst einer der weltweit führenden Künstler, ich meine Gerhard Richter, ein »active image« in seinem Kölner
Heim hängen hat.
Claus-Dieter Fröhlich, (Auszug aus der
Rede)
© Karin Maria Zey, (O.i.F.)
© Karin Maria Zey, (O.i.F.)
© Karin Maria Zey, (O.i.F.)
bis 3. Mai 2015
Museum für Fotografie
Löbauer Straße 7
02826 Görlitz
© Karin Maria Zey, (O.i.F.)
Di – So 12 – 16 Uhr
www.fotomuseum-goerlitz.de
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Ausstellungen
Sandra Bartocha
»von Bäumen …«
Naturfotografie
Sandra Bartocha, geboren1980, aufgewachsen in einem kleinen Dorf Mecklenburgs, liebt die Weiten der Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern die Wiesen, Seen, Wälder, die Ostsee.
Hier begann sie zu fotografieren. Hierher kehrt die inzwischen deutschlandweit und international bekannte Naturfotografin immer wieder zurück. Wenn
sie Landschaft fotografiert, will sie nicht
dokumentieren. Ihre Bilder sind vielmehr persönliche Interpretationen gesehener Momente. Sie fängt Stimmungen
ein, entdeckt, deutet, übersetzt ihre
Empfindungen, spielt, abstrahiert, findet
das Großartige im Winzigsten.
Bäume spielen dabei eine besondere
Rolle. Sie üben auf Sandra Bartocha,
die seit der Kindheit von ihnen umgeben war, eine kaum beschreibbare Faszination aus: »Ich mag es, im Wald die
wechselnden Jahreszeiten zu erleben –
vom kleinen Buchenkeimling, den austreibenden jungen Blättern, der Farbenpracht im Herbst bis zur kahlen, eher
abweisenden Art im Winter. Ich habe
gelernt, jeder Stimmung etwas Außergewöhnliches abzugewinnen.« An Birken
liebt sie die Eleganz, das Zarte, Filigrane, das Weiß der Rinde. An Buchen –
das Farbenspektrum des Stammes vom
warmen Grau bis zu flirrenden Türkistönen, den schlanken Wuchs, die mächtigen Kronen, die im Sommer den Dom
des Waldes bilden. Sie ist unterwegs,
wenn das Licht und die Atmosphäre
unwiederbringliche Stimmungen erzeugen. An den Grenzen zu Tag und Nacht,
wenn Dämmerung die Stämme in tiefes
Blau hüllt ... nach dem Regen, wenn Millionen Tropfen an den Zweigen hängen
… wenn tiefer Nebel die Zweidimensionalität aufhebt oder Schneeflocken
die Sicht behindern… »Ich liebe das
Zusammenspiel der Elemente«, sagt sie,
»in der Einsamkeit, den erdigen Geruch
von Moos in der Nase oder die erste
Frühlingssonne im Gesicht, genieße ich
meine fotografischen Ausflüge zu den
Bäumen.«
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Magical Forest © Sandra Bartocha (O.i.F.)
Green Reality © Sandra Bartocha (O.i.F.)
Green Curtains © Sandra Bartocha (O.i.F.)
The Warmth Of Summer © Sandra Bartocha (O.i.F.)
Ausstellungen
Die Ausstellung in der EINEARTGALERIE zeigt eine Auswahl der dabei entstandenen Bilder – grafisch beeindruckende Waldlandschaften, Solitäre auf
weiten Feldern, ein buntes Mosaik von
Laub des vergangenen Jahres, das sonnendurchflutete Blätterdach, GeästStrukturen, die sich zum perfekt geordneten Chaos fügen … Sie geben einen
Einblick in die Naturfotografie von
Sandra Bartocha.
Die Fotografin ist Chefredakteurin der
Zeitschrift »Forum Naturfotografie«
sowie Autorin der Bücher »Fotoschule
in Bildern. Naturfotografie« und »MüritzNationalpark. Hommage an eine Landschaft«. Von 2007 bis 2013 war sie Vizepräsidentin der GDT (Gesellschaft Deutscher Tierfotografen). Sie nahm erfolgreich an nationalen und internationalen
Wettbewerben wie dem »Wildlife Photographer of the Year« und den »International Photography Awards« sowie am
paneuropäischen Projekt »Wild Wonders Of Europe« teil. Seit vier Jahren
arbeitet sie an einem fotografischen
Langzeitprojekt über den Norden Europas.
Beechnuts Rhythm © Sandra Bartocha (O.i.F.)
Sonntag, 3. Mai 2015
Offene Ateliers im Land Brandenburg,
11 Uhr – 18 Uhr
Multivisionsshow und Künstlergespräch
mit Sandra Bartocha
14 Uhr, 15 Uhr, 16 Uhr
Vernissage
26. April 2015, 16 Uhr
Spring Wallpaper © Sandra Bartocha (O.i.F.)
26. April bis 21. Juni 2015
EINEARTGALERIE
Seebadallee 50
15834 Rangsdorf
Willow Rhythm © Sandra Bartocha (O.i.F.)
The Dark Days © Sandra Bartocha (O.i.F.)
Mi – Fr
14 – 18 Uhr
So
14 – 18 Uhr
(Himmelfahrt / Pfingsten geschlossen)
www.eineartgalerie.de
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Portfolio Horst Einfinger
Horst Einfinger
und die kreative
Reduktion in der
Photographie
© Horst Einfinger, DGPh, »MIRRORED«
Wenn man sich das hier gezeigte Portfolio von Horst Einfinger anschaut, ist
man geneigt an eine Abschlußarbeit
eines jungen Studenten des Fachbereichs Photographie zu denken. Details
einer modernen Architektur - reduziert
auf Licht und Schatten und eingebettet
in einer formalen Strenge der Linienführung. Die Reduktion abgerundet in
einem klassischen Schwarz/Weiß was
eher an die Perfektion analoger Dunkelkammerarbeit erinnert. Das ist auch
kein Wunder, stand Einfingers »Wiege
der Schwarz/Weißfotografie« in den
Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin.
Seine fotografische Verbundenheit mit
dem damaligen West-Berlin spiegelte
sich auch in seiner Zeit als Landesvorsitzender des DVF Ende der Sechziger
Jahre wieder. In dieser Zeit war er auch
federführend in dem international hoch
geschätzten Fotowettbewerb »Europäische Fotografen«!
Für mich besonders faszinierend - weil
es auch häufig mein Anliegen ist - ist
die Tatsache, daß der Autor die Kraft
der Photographie nutzt um Dinge
sichtbar zu machen, die man normalerweise nicht sieht! Die Abstraktionen
des Augenblicks - kleine Lichtführungen
die im nächsten Moment wieder verblassen und Linienführungen die eine
exklusive Perspektive voraussetzen,
sind seine Stärke.
Seit den Siebziger Jahren lebt Horst Einfinger in Belgien und ist maßgeblich von
der dortigen Kunstszene beeinflusst was sich auch seiner fotografischen Entwicklung niederschlägt.
© Horst Einfinger, DGPh, »REFLECTION«
© Horst Einfinger, DGPh,
»SHADOWS OF THE PAST 1«
Anlässlich der Vernissage der Retrospektive im Städtischen Ausstellungsraum
Bogardenkapel in Brügge im Januar
dieses Jahres, sagte der bekannte Kunstkritiker und <H>ART- Rezensent Johan
Debruyne unter anderem:
Einfinger ist es mit seinen Werken gelungen nicht nur Zweifel in mir aufzurufen
– was eine Basiseigenschaft guter Kunst
sein soll – sondern viel viel mehr:Er hat
mich einmal eine Photographie berühren lassen, weil ich dachte es sei ein
Gemälde. Ein anderes Mal habe ich an
einer Photographie gerochen, eingegeben durch ein identisches Vermuten.
Am meisten genieße ich es wenn er
mit Licht und Schatten spielt und dafür
lapidare Architekturen auswählt. Ein mir
völlig unbekanntes Bauwerk oder eine
sublime Installation wie das Holocaust
Denkmal am Brandenburger Tor. Oder
wenn er abstrakte Elemente benutzt, ein
Kunstwerk in etwas sieht, was eigentlich
nicht so gemeint ist.
Es wird Sie nicht verwundern, dass ihn
bemerkenswerte Gebäude aufgrund
ihres ingeniösen Charakters oder gerade
durch ihre Einfachheit inspirieren, das
Architekten wie Gehry oder Le Corbusier bei ihm hohes Ansehen genießen.
Ein kleiner Teil ihrer Kreation ist ausreichend für ein Spiel mit Formen oder das
Schaffen der gewünschten Stimmung.
In nahezu allen Photographien spielt
die Schlichtheit eine große Rolle. Auch
die Stille. Diese ist durchgehend beinah
fühlbar. Er spielt auch mit Formaten. Einfinger überlässt in seinem Werk noch
viel Raum für Interpretation an den
Betrachter. Auch das macht es so interessant. Erst ist da der Zweifel, dann kann
man ergänzen. Hineinsteigen und wegträumen. Ungeachtet der Reinheit und
Einfachheit, sind sie soviel mehr als man
sieht.
Meiner Meinung nach sind das zwei
Eigenschaften, die mir erlauben zu
sagen, dass Einfinger ein ungewöhnlich
begabter Photograph ist. Die starke Suggestion von Taktilität ist in beiden Fällen
nicht nur auf die hohe Qualität des
Hahnemühle Papiers zurückzuführen, Alle Photographien können als FineArt
Ach übrigens, habe ich es schon gesagt? worauf er seine Werke stets druckt.
Print auf Hahnemühle Papier in einer
Horst Einfinger ist für mich der älteste
limitierten Gesamtauflage von je 5 Stück
Jungfotograf den ich kenne - er wird Einfinger’s Photographie hat mich von erworben werden.
dieses Jahr seinen achtzigsten Geburts- Anfang an fasziniert. Ganz gleich ob in
tag feiern!
Schwarzweiß oder Farbe, figurativ oder Kontaktaufnahme mit Horst Einfinger:
Manfred Kriegelstein
abstrakt. Er ist einfach Klasse.
[email protected]
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »THERE´S ALWAYS A LIGHT«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »SPEPS INTO LIGHTNESS«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »STEPS INTO DARKNESS«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »STEPS TO THE LIGHT«
© Horst Einfinger, DGPh, »GEOMETRICAL«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »THERE COMES THE LIGHT 1«
© Horst Einfinger, DGPh, »VIEW ON SPACE«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »TRACES OF WEAR«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »A QUESTION OF LIGHT«
brennpunkt 2/2015
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »SHADES OF GRAY«
© Horst Einfinger, DGPh, »THERE COMES LIGHT 2«
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Portfolio Horst Einfinger
© Horst Einfinger, DGPh, »SHADOWS OF THE PAST 3«
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Fotoszene
Wo - wie - und warum
stellt man aus?
Wo?
Im Prinzip kann man seine Bilder überall dort ausstellen, wo es freie Wände
gibt und der Eigentümer dieser Flächen
es zulässt.
Zum Beispiel in Banken, Krankenhäusern, Arztpraxen, Anwaltskanzleien
oder öffentlichen Institutionen wie Rathäusern oder anderen Regierungsgebäuden. Man sollte sich aber drüber
klar sein, dass man in diesem Fall dem
Betreiber lediglich die Wände schmückt
- in der Regel kostenlos!
In Ausnahmefällen kann man hoffen,
von dem Hausherrn einen Teil der
eigenen Kosten ersetzt zu bekommen.
Es kommt dann oft das Argument, dass
diese Örtlichkeiten ja einen hohen
Publikumsverkehr haben. Mag ja sein
- nur diese Besucher haben aber in der
Regel andere Dinge im Kopf. Wer sich
beim Arzt um seine Gesundheit kümmern muss, oder beim Anwalt die Scheidung einreicht, oder beim Amt einen
Bauantrag stellt, ist in der Regel auf alles
andere fokussiert, nur nicht auf Kunst!
Wer auf Öffentlichkeit Wert legt und
bekannt werden will, stellt am besten
in öffentlichen Galerien oder Museen
aus. Hier sind die Träger in der Regel
staatliche oder kommunale Einrichtungen. In Berlin sind es die Kulturämter der
Bezirke oder Einrichtungen der Senatsverwaltung. Der Vorteil besteht darin,
dass man ziemlich sicher sein kann ein
interessiertes Publikum zu erreichen.
Und die umfangreiche Öffnungszeiten
für den Besuch der Galekommen hinzu.
Außerdem verfügen diese Institutionen
auch häufig über qualifiziertes Personal
das für professionelle Gestaltung und
guten Ablauf sorgt. Aber hinsichtlich der
Kosten sollte man sich nicht allzu großen
Illusionen hingeben, in der Regel bleibt
man darauf sitzen. Auch, was den Verkauf angeht, sind die öffentlichen Betreiber hinsichtlich Marketing eher zurückhaltend, da sie ja nicht gewinnorientiert
arbeiten. Bezüglich der Reputation
für den Künstler haben die arrivierten
Galerien der staatlich/kulturellen Träger
natürlich die größte Bedeutung.
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brennpunkt 2/2015
© brennpunkt, Ausstellung von Manfred Kriegelstein im KunstHaus Potsdam, 2008
Geht es aber um den finanziellen Erfolg,
haben die kommerziellen Galerien
zweifellos die Nase vorn. Sie verfügen
in der Regel über eine Kartei interessierter Kunden, denen sie gezielt Werke
anbieten können. Das Problem ist, dass
es für einen Fotografen sehr schwer ist in
einer solchen Galerie auszustellen, da
die Galeristen in der Regel einen festen
Künstlerstamm haben und sich ziemlich abschotten. Diese Galerien leben
von dem Verkauf der Bilder, an dem sie
prozentual beteiligt sind. Es gibt aber
auch schwarze Schafe. Galeristen, die
dem Künstler oft gegen horrende Honorare die Räume vermieten wollen. Das
hat nichts mit seriösem Galeriewesen
zu tun, sondern gehört für mich eher in
die Kategorie der Immobilienhaie!
Entscheidend ist die harmonische
Abstimmung von Bildern, Rahmen und
Licht! Ich persönlich bevorzuge Räume
mit wenig Tageslicht und gezielter Spotbeleuchtung - aber das ist letztlich
Geschmacksache.
Warum?
Natürlich könnte ich jetzt antworten:
»Weil man es kann« - und damit den
Beitrag beenden.
Ich denke aber, dass würde weder Sie
liebe Leser, noch meinen Chefredakteur
wirklich amüsieren.
Dennoch bleibt das Können selbstredend eine wesentliche Voraussetzung
um Bilder auszustellen. Man braucht
das Thema und die dazugehörige konzeptionelle photographische Umsetzung - das ist nicht so einfach wie es
Wie?
klingt.
Denken Sie nicht liebe Leser, dass das Aber ich denke, die wesentliche Moti»Wie« sich darauf beschränkt, einfach vation besteht in dem Drang des künstBilder an die Wand zu hängen. Das lerischen Exhibitionismus (...na eben,
Layout und die konzeptionelle Auswahl Exhibition!) Das Fotografieren an sich
für die Hängung der Bilder ist eine Wis- ist die Tätigkeit eines einsamen Wolfes.
senschaft für sich - und sie unterliegt Die Ergebnisse schreien dann aber nach
auch dem Zeitgeist.
großem Publikum. Für mich persönlich
Ich erinnere mich noch sehr an meine sind die Gespräche mit den Besuchern
erste Ausstellung 1981 zum Thema das größte Highlight! Vor allem weil sie
Berlin-Kreuzberg, bei der nach langer sich grundsätzlich von den Diskussiound erbitterte Diskussion mein Lieb- nen in den Fachzirkeln unterscheiden.
lingsbild rausfiel, weil es absolut nicht Man kann unglaublich viel lernen über
in die Ausstellung passte.
die Wirkung von Bildern, besonders
Heutzutage nehme ich die Hilfe über die emotionale Wirkung!
professioneller Kuratoren sehr gerne
an, besonders wenn sie von Seiten Dennoch, man braucht auch mal wieder
einer Galerie kommen. Während man Pausen zwischen den Ausstellungen.
früher noch sehr einheitlich hinsichtlich Ich persönlich habe in den letzten acht
Rahmengröße und - Farbe gehängt hat, Monaten fünf Ausstellungen gehabt habe ich in jüngster Zeit sehr gute jetzt überkommt mich das Bedürfnis
Erfahrungen mit extrem wechselnden nach exhibitionistischem Zölibat...
Formaten gemacht.
Manfred Kriegelstein
Buchbesprechung
Just One Flash
Punktlandung
LUMIX LX100
Tolle Fotos mit nur einem Blitz
Titeljäger in der Salonfotografie
Das Buch zur Kamera
Tilo Gockel
Bernd Mai
Frank Späth
Verlag: dpunkt.verlag
ISBN: 978-3-86490-209-3
240 Seiten, Festeinband, komplett in
Farbe
29,90 Euro�
Verlag: epubli GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-7375-2776-7
112 Seiten, Festeinband, komplett in
Farbe
39,90 Euro�
Verlag: Point Of Sale Verlag
ISBN: 978-3-941761-53-7
272 Seiten mit 500 Abbildungen
28,00 Euro�
Wer von uns kann schon ein komplettes Studio mit Blitzanlage sein eigen
nennen? Die Reduzierung auf einen
Aufsteckblitz schreckt viele Fotografen
ab - »totgeblitzt« ist oft das Ergebnis.
Tilo Gockel zeigt in seinem Buch allerdings Methoden zur kreativen Lichttechnik, auf die man nicht so ohne weiteres gekommen wäre - und das mit nur
einem Blitzgerät!
Der Autor legt überzeugend dar, dass
weniger die aufwändige Technik, als
viel mehr die sorgfältige Planung ein
Garant für den Erfolg ist.
Ein empfehlenswertes Werk für alle
Fotografen die Ihre Scheu vor der Blitztechnik verlieren wollen.
Manfred Kriegelstein
Ein Buch über internationale Wettbewerbsfotografie - das hat es nach
meiner Meinung auch noch nicht gegeben. Zumindest im deutschsprachigen
Raum ist mir nichts davon bekannt. Um
so gespannter war ich auf das Werk von
Bernd Mai. Mit einer unglaublichen
Akribie hat der Autor alles zusammen
getragen was man als Wettbewerbsteilnehmer wissen sollte, aber natürlich
nie weiß - zumindest nicht in diesem
Umfang. Er erklärt sämtliche Ehrentitel der großen Amateurverbände bis
hin zu Jurierungsverfahren. Außerdem
gibt er Tipps zu Einsendestrategien und
- ganz wichtig - Verwaltung und Organisation der eigenen Wettbewerbsdateien.
Ein wirklich beachtenswertes Buch das
zweifellos eine Marktlücke trifft. Meiner
Ansicht nach die dringend notwendige
»Harpune«, die man braucht, um sich
in das Haifischbecken internationaler
Fotowettbewerbe zu begeben!
Manfred Kriegelstein
Der Kamerabedienungsanleitungsveredler (was für ein Wort!) hat wieder
zugeschlagen - und das ist auch gut so.
Ich habe mir mal den Spaß gemacht na
ja, es war eben kein Spaß, die Originalbedienungsanleitung der LX100 zu
lesen und bin schier verzweifelt...
Nicht so das Buch von Frank Späth.
In klaren bebilderten Kapiteln findet
man schnell einen Einstieg in die doch
recht umfangreichen Kamerafunktionen. Neben den didaktisch sehr guten
Erklärungen der Menüfunktionen und
Einstellungsmöglichkeiten verbindet
der Autor das Erklärte auch im anschließenden Praxisteil mit der fotografischen
Wirklichkeit. Wer darüber hinaus Fragen oder Anregungen hat, kann sich in
dem von Frank Späth geführten LumixForum austauschen. (www.lumix-forum.
de) Fazit: Wie alle Lumix-Bücher von
Frank Späth, eine absolute Empfehlung
für das entsprechende Panasonic-Klientel!
Manfred Kriegelstein
brennpunkt 2/2015
93
Vorschau 3/2015
brennpunkt 3-2015
erscheint am
4. Juli 2015
Leserfoto
© Anna Zmuda
Seit Mitte März gibt es eine neue
Plattform für künstlerische Fotografie
in Berlin:
»PiB | Photography in Berlin« bzw.
»FiB | Fotografie in Berlin«.
Neben Veranstaltungen bekannter Institutionen Berlins stehen Events der zahlreichen Projekträume, gemeinnützigen Einrichtungen oder auch privaten
Sammlungen im Mittelpunkt, die mit
großem persönlichem Engagement die
Neben fotografischen Veranstaltungen lebendige Kunstszene Berlins prägen.
aller Art in Berlin und begleitenden Für Veranstaltungseinträge wird ein kleiredaktionellen Inhalten auf der Web- ner Beitrag erhoben, für nichtkommersite erscheint alle zwei Monate der PiB zielle Einrichtungen werden zudem
Print Guide – die gedruckte Ausgabe reduzierte Beiträge angeboten. Sämtdes Eventkalenders, welche kostenlos liche Einnahmen fließen in die intenin ausgewählten Galerien, Buchläden sive Bewerbung der Plattform, und
und Institutionen in Berlin erhältlich somit ihrer Mitglieder und Veranstalsein wird. Die erste Ausgabe stellt Ver- tungen, sowie in die Publikation des
anstaltungen im Mai & Juni 2015 vor. Print Guides.
Bei Interesse kann der PiB Print Guide
auch gegen einen kleinen Unkostenbei- PiB wurde gegründet von Julia Schiller,
trag von Institutionen oder Einzelperso- Fotografin und freie Art Direktorin in
nen abonniert werden.
Berlin. Gemeinsam mit Oliver SchneiPiB ist ein Projekt mit gemeinnützi- der betreibt sie Actual Colors May Vary
ger Ausrichtung, entstanden aus per- {ACMV}, ein internationales Onlinesönlicher Leidenschaft für Fotografie. Magazin für zeitgenössische FotograZiel ist es, mit PiB einen Ort zu schaf- fie.
fen, an dem die überaus vielfältige fotografische Landschaft Berlins übersicht- PiB | Photography in Berlin
lich und gesammelt an einem Platz zu www.photography-in.berlin
finden ist, und somit das umständliche FiB | Fotografie in Berlin
Durchsuchen diverser Websites über- www.fotografie-in-berlin
flüssig wird.
facebook.com/photographyinberlin
Portfolio
Daniel Samanns
Daniel Samanns Ambrotypien
Wer schaut hier wem in die Seele?
Schon von weitem beeindrucken mich
seine Portraits. Ich komme näher und
die Intensität des Blickes nimmt zu. Wer
schaut hier wem in die Seele? Sehe ich
das Portrait an, oder fixiert mich das
Abbild ? Noch bevor ich die Frage klären
kann, entstehen neue: Wie kommen die
Spuren auf das Bild? Sind es Fehler oder
kontrollierte Absichten eines Künstlers,
der mich in seinen Bann zieht?
Neben mir sagt jemand: »Wenn du
Fragen hast, beantworte ich sie gerne.«
© Daniel Samanns, Librada
So lernte ich Daniel Sammans kennen.
Als ich ihn einige Tage später in seinem
Atelier besuche, beginnt eine Zeitreise
in die Anfänge der Fotografie - in das
Kollodium-Nassplatten-Verfahren.
Rainer Jordan
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brennpunkt 2/2015
© Daniel Samanns, Lisa
Vorschau 3/2015
brennpunkt 2/2015
95
Vorschau 3/2015
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