Noch größer als sein übermenschliches

Transcription

Noch größer als sein übermenschliches
So sehen Gewinner aus,
die viel zu verlieren haben.
Was soll’s? Wenn Kramer,
der Ex-Schwiegersohn aus dem
Hause Burda, eine Pool­party schmeißt und keiner
gucken soll, lässt er per
Knopfdruck Nebel aufsteigen
“
„Ich!
Noch größer als sein übermenschliches Selbstbewusstsein
sind seine Probleme: Der deutsche Geschäftsmann Thomas Kramer
streitet sich mit den Erbinnen des Gelddruckkönigs
SiegFriEd Otto um 100 Millionen Euro. Nach zwölf Jahren Krieg
droht nun das böse Ende. PARK AVENUE besuchte Ti Käy,
der in Miami immer noch lauter lacht als die Sonne
Text Felix Hutt Fotos Tony ward
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Der „Prince of cash“,
wie Kramer in Miami genannt
wird, weil er auch Millionenbeträge bar bezahlt, hat sich die
Brust rasiert. Wär ja auch
schade, wenn nicht. Das mit
Rubinen besetzte Goldkreuz
war schließlich zu teuer, um in
einem Pelz zu verschwinden
original und täuschung
Den Champagner, mit
dem Ti Käy und seine kolum-­
bianische Freundin Linda
das Leben genießen, hat nicht
der Butler serviert. Der
ist nämlich eine 70 000 Dollar
teure Skulptur
„Eigentlich bin ich
schon lange tot.
Aber die Hölle hatte
etwas dagegen,
die hatte Angst,
dass ich sie auch noch
übernehme,
harharhar“
„Herr Kramer, wofür brauchen
Sie denn das Gewehr, das da neben
dem Stahlhelm steht?“
„Geil, oder? Das ist für die
Kubaner, falls die hier wieder einfallen wie Anfang der 90er-Jahre.“
„Ist das Ihr Ernst?“
„Klar, mein voller Ernst!“
E
s ist der 13. März 2007, ein schwülheißer
Dienstag in Miami, Spring Break; Ame­
rikas College-Elite besäuft sich am Ocean
Drive, und einer, den die Wahrheit rich­
tig viel Geld kosten könnte, ist unfassbar
guter Dinge: Thomas Kramer, 50 Jahre
alt, wasserstoffweiße Föhnfrisur, Zähne
gleicher Couleur, sonnengegerbte Haut,
Jeans, sehr offenes Hemd, reißt ein Bün­
del Akten in die Höhe und wird laut. „Endlich habe ich Fakten
gegen die in der Hand. Endlich können mich die Richter in
Zürich nicht mehr wegschicken, jetzt kann ich meine Sicht
der Dinge darstellen.“
Man kennt sich drei Minuten, am Holztor vor dem
Anwesen begrüßt ein Schild den Besucher: „Don’t be aware of
the dog. Be aware of the owner.“ Darüber ein Pistolenlauf.
Star Island wird die kleine Insel vor Miami Beach
genannt, Einlass nur mit Einladung. Kramers Haus hat zwei
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Auffahrten, das des Nachbarn nur eine, der heißt P. Diddy.
Gegenüber wohnen Gloria und Emilio Estefan, neben den
Estefans der Basketball-Hero Shaquille O’Neal, da werde
man am Samstagabend hingehen, Shaqs Geburtstag feiern.
Im klimatisierten Büro, der „Kommandozentrale des KramerImperiums“, sitzt Thomas Kramer vor einem großen Bild­
schirm, einen Schreibtisch neben ihm seine Assistentin
Margaret Nee, und auf dem Tisch vor dem Fenster, hinter
dem sich Miamis Skyline, die Jetski und Luxusjachten wich­
tigmachen, da steht ein Gewehr mit Teleskop. Auf zwei Mei­
len könne er damit einen Schuhkarton treffen, sagt Kramer.
Hinter seinem Schreibtisch geht es in sein kleines Bade­zimmer,
zum Frischmachen, für zwischendurch. Kramer hält noch
immer die Papiere in die Höhe, lacht und lacht und lacht, und
ist dann plötzlich ganz still. Konstante Launen, so viel ist
schnell sicher, kennt er nicht. „Hören Sie es?“, fragt er und
deutet nach draußen. – „Nein.“ – „Hören Sie das Touristen­
boot?“ Vor dem Anleger fährt ein Schiff vorbei, aus dem
Lautsprecher verkündet der Animateur den Gästen, dass
man jetzt Star Island umrunden werde, rechts das Haus von
P. Diddy, und daneben – jetzt legt sich ein Grinsen in das
Gesicht von Thomas Kramer –, das sei das Anwesen vom
„Creator of South Pointe“. Damit sei er gemeint.
Er kommt am 27. April 1957 in Frankfurt am Main zur
Welt, und geht es nach seiner selbst formulierten Biografie,
dann ist er bald auf der Überholspur: Vater Willi arbeitet sich
zum Makler an der Frankfurter Börse empor, Thomas ist mit 13
Chefredakteur einer Schülerzeitung. Mit 14 eröffnet er mit 500
Mark ein Aktienkonto, mit 17 verdient er seine erste Million,
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Wunderkind“ (Bild). Ti Käy, wie er sich rufen lässt, sitzt in Talk­
shows, beleidigt, stößt auf. Das ist auch heute noch so.
Tegernsee, 1989: Bei den Waldfesten, die traditionell im
Frühsommer rund um den Tegernsee stattfinden, tragen die
Frauen Dirndl und die Männer dick auf. Zum Schaulaufen in
der Postkartenidylle gibt es frisches Tegernseer Helles, Radi
und Hendl, die Schicken mischen sich mit den Einhei­mischen,
die echten Millionäre mit den Herren der Kredite. Zu später
Stunde geht es an die Schnapsbar, Obstler macht fröhlich.
Kramer wird einer Frau vorgestellt, blond, zierlich, attraktiv,
26 Jahre alt. Der Funke springt heftig über, sie heißt Catherine,
mit Nachnamen Burda, und ab jetzt spielt die Geschichte in
einer anderen Dimension.
wohnt, hat es geschafft, hier leben die richtig Geldigen, vor
den Villen steht Security oder gleich ein Polizeiwagen. In
einem Apartment am Park wohnt Ursula Hedwig Otto, gebo­
rene Gamstätter, geschiedene Burda. Die junge Gamstätter
heiratet am 30. August 1958 in Offenburg Franz Burda, den
Druckereibesitzer und Sohn des legendären Verlegers Franz
„Senator“ Burda. Ihre Schwager: Hubert Burda, dem heute der
Verlag gehört, und Frieder Burda, einer der bedeutendsten
Kunstsammler Europas. Das Paar hat zwei Kinder, Franz II. jr.,
48, und Catherine, 44. Als sich der Burda-Konzern von Offen­
burg nach München orientiert, begeistert die attraktive und
lebenslustige Frau Burda schnell die Männer der Gesellschaft.
Ihren Mann immer weniger, der nicht viel gibt auf den Schein,
der lieber in seiner Bibliothek sein Allgemeinwissen pflegt. Er
gilt als kostenbewusster, knorriger Typ, sie taucht ein ins
Leben, man tuschelt. Die Ehe zwischen Franz Burda und sei­
ner „Bambi“ geht bald in die Brüche. Sie lernt einen anderen
Herrn kennen, auch der ein Geldiger.
K
urz vor sieben in Miami, die Sonne hat ihre
Arbeit getan, in der Küche fragt ein Butler leise,
ob man was zu trinken wünsche. Thomas Kramer
ist noch oben im ersten Stock und macht sich fer­
tig. Er beschäftigt 18 Angestellte in drei Schich­
ten, drei Millionen Dollar kostet das 9000 Quadratmeter große
Anwesen mit Gästehaus, Pool, beleuchtetem Brunnen an Un­
terhalt, jährlich. Er kommt die Treppe herunter, ist fröhlich,
leert sein Glas, wir nehmen den schwarzen Range Rover, sagt
er, fährt selbst, hinten sitzt ein dunkelhäutiger Herr, sein Body­
guard. Der Range Rover sei eine Spezialanfertigung, über 500
PS, schusssichere Türen und Fenster, es gehe ins Quattro, sein
Restaurant, dort treffe man ein paar Leute, später weiter ins
Delano, da feiere heute ein Freund von ihm. Im Quattro in der
Lincoln Road Mall wartet unter freiem Himmel der größte
Tisch, Freund Mike ist schon da. Mike sieht aus wie ein Schau­
spieler aus der Serie „Die Sopranos“: schwarz gefärbte Haare,
unter dem Blazer ein Shirt mit Messermotiven, tiefe, wispernde
Stimme. Auch Florian Orterer ist da, Sohn des Getränkehänd­
lers Orterer aus München, er studiert an der University of Mia­
mi, organisiert Partys im Mynt, einem der Clubs in Miami, und
hat zwei Freundinnen, die lerne man morgen kennen. Auf dem
Tisch steht eine Sechsliterflasche Rotwein, weniger ist für
Kramer zu wenig. Er bleibt gewohnt laut. Morgen komme ein
TV-Team vorbei, nur wegen ihm, eine befreundete Italienerin
macht die Aufwartung, wenig später weiß die komplette Ter­
rasse, dass sie noch nicht bereit war, ihm, dem Hausherrn, ihre
komplette Aufwartung zu machen. Kramer ist der Mittelpunkt
seiner Jünger, Kramer ist körperlich, Kramer redet mit den
Händen, packt an, kommandiert den Geschäftsführer, eine sei­
ner Freundinnen, Linda, kommt dazu, Model von Beruf, sie
wohnt bei Kramer auf Star Island.
München, 4. Mai 2007: Auf den Wiesen des Münchner
Herzogparks blüht es, ein Herr führt seinen Jagdhund aus, die
Stille der Macht liegt in der Luft. Wer hier in der Opitzstraße
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D
Fotos: Dpa (2), Seeger, generationen.de, Action press (3), Sabine Brauer (2)
indem er vom Pausenhof des Internats Salem via Telefonzelle
auf den richtigen Kurs setzt. Sagt Kramer. Andere sagen: Der
übertreibt gern mal, der Kramer.
Jetzt schmeißt er die Papiere auf den Tisch, im Briefkopf
stehen seine Zürcher Anwälte, es geht um den Rechtsstreit
„Thomas Kramer gegen die Erben des Siegfried Otto“. Es ist der
Siegfried Otto, der das berühmte Gelddruckhaus Giesecke &
Devrient aufgebaut hat. Das Dokument hat 160 Seiten, mitneh­
men dürfe man es nicht, nur mal reingucken, dies werde ihn
retten, endlich könne er beweisen, dass er im Recht sei. Er wer­
de sich jetzt ein wenig hinlegen, um sieben sei Treffpunkt in der
Küche des Haupthauses, dann werde man essen gehen, genug
gearbeitet, Zeit fürs Vergnügen.
Mit 18 geht Kramer nach Harvard, dann an die Wall Street,
ist mit 20 pleite und wenig später im Jetset zu Hause. Sein Vater
soll ihm die Freundin ausgespannt haben, woraufhin Thomas
Kramer beschließt, Liebe bei den Elitefrauen zu suchen: Er hat
eine zweijährige Beziehung mit Yasmin Aga Khan, der Tochter
von Rita Hayworth und Prinz Ali Khan, die danach über Kramer
zu Protokoll gibt: „Er hat Augen aus Dollars und Eier aus Gold.“
1986 schlägt Kramer in München auf, begehrt Einlass in die Schi­
ckeria und hat Erfolg. Für seinen 30. Geburtstag mietet er ein
Zirkuszelt, Johannes von Thurn und Taxis feiert mit. In London,
im Haus des deutschen Botschafters, soll er versucht haben,
Prinzessin Diana zu küssen. Wahr oder nicht wahr – solche Ge­
schichten imponieren. Woher dieser Vogel kommt, der so laut
redet und lacht, weiß keiner genau, er macht wohl irgendwas
mit Börsenkursen, egal, jedenfalls ist Kramer immer für
einen Spruch gut, an seinem Tisch muss niemand Durst leiden,
und unter dem Tisch, da füßelt er ganz gern mit den Damen der
Gesellschaft. Das macht auch Feinde, aber in jedem Fall bekannt.
Mit einer prominenten PR-Lady hat er eine Liaison. Später ein­
mal, während eines Poloturniers, erwischt ihn Elisabeth von
Sachsen-Weimar auf der Damentoilette, Kramer grüßt – und
macht weiter. „Männer mit großen Füßen haben halt einen Gro­
ßen“, sagt eine, die es wissen muss. Kramer hat Schuhgröße 46.
„Er hatte Erfolg in dem Kreis, den man die Münchner
Bussi-Gesellschaft nennt. Späte Burgfräulein hatten ihn dort ein­
geführt, schnelle Geldverdiener gaben ihm ihr Liebstes, das Bare,
das er zunächst ebenso vermehren half, wie er seinen Lebensstil
dem seiner Geldgeber anpasste“, schreibt Tempo 1992, und: „Wer
ihn erlebt hat, damals in München, konnte sich seiner Persön­
lichkeit – und auch seinen Fingern – kaum entziehen.“ Michael
Graeter, bekanntester Schickeria-Chronist zu jener Zeit und heu­
te in Zürich residierend, „weil es hier gesünder ist“, sieht’s nüch­
terner. Er nennt Kramer einen „abscheulichen Hochstapler“.
Kramer geht in Restaurants und schreit, ab jetzt gehe
alles auf seine Rechnung. Er wohnt in einem Penthouse in der
Schwabinger Zittelstraße, sechs Firmen gehören dem „Finanz-
er Mann heißt Siegfried Günther Otto,
geboren am 25. Dezember 1914 in
Halle an der Saale, Sohn eines Polizis­
ten, er heiratet im Zweiten Weltkrieg
Jutta Devrient, Tochter von Ludwig
Devrient. Die Leipziger Firma ihres
Vaters, Giesecke & Devrient, gegrün­
det 1852, druckt 1856 die erste Bank­
note, 10 Thaler, 1908 chinesische Staats­
anleihen und wird im Zweiten Weltkrieg enteignet. Nach drei­
jähriger Kriegsgefangenschaft in Russland beginnt Otto mit
dem Wiederaufbau in München, sein Schwiegervater hat den
Krieg nicht überlebt. Jutta Devrient und ihre Mutter schenken
dem Visionär ihre Anteile. Otto wird in den kommenden Jahr­
zehnten zum erfolgreichsten privaten Gelddrucker der Welt:
Vom Hauptsitz in der Prinzregentenstraße in München wächst
ein internationales Großunternehmen heran; ab 1958 druckt
G & D die Hälfte aller deutschen Banknoten. Otto und Devrient
haben vier Kinder – die Söhne Yorck, 51, und Tilman, 53, die
Töchter Verena, 58, und Claudia, 56. Otto bringt die Firma
voran, sie entwickelt 1971 das Eurocheque-System, erste Karten
für den Mobilfunk, G & D druckt die Währung von mehr als
60 Ländern. Die Familie ist allererste deutsche Geldliga.
„Ich bin das Monster aus München. Normalerweise
nehme ich Frauen wie dich zum Nachtisch auf der Damen­
toilette“, sollen Kramers erste Worte zu Catherine Burda
gelautet haben, vom gelben Blätterwald ausgiebig rezitiert. Mi­
chael Graeter sagt, das sei etwas anders gewesen, Cathe­rines
Mutter, die Ursula Otto, sei sehr gut mit Kramer befreundet
gewesen. Catherine Burda und Kramer lieben sich, ihr Vater,
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Franz Burda, ist erschüttert, im Sommer 1989 prasselt ein
Schlagzeilenregen auf das Paar nieder, für den Burda-Clan
ist Kramer ein Eiterpickel, den es auszudrücken gilt. Am 24. No­
vember 1989 feiert Vivil-Firmenchef Müller in München Ge­
burtstag, Gäste unter anderem: Hubert Burda, Thomas Kramer,
Catherine Burda, Franz Burda, seine Ex-Frau Bambi, seine neue
Frau Christa. Franz Burda ist nach einigen Gläsern Rotwein in
der Stimmung, Kramer den Handschlag zu verweigern, und
sagt gut hörbar für die Umstehenden: „Sie wissen gar nicht, wie
reich und mächtig ich bin. Ich werde Sie vernichten.“ Thomas
Kramer und Catherine Burda heiraten am 23. Dezember 1989
in New York. Franz Burda schäumt, droht seiner Tochter mit
Enterbung: „Wir sind nicht bereit, diesen Herrn zu akzeptie­
ren.“ Catherines Großmutter, Aenne Burda, Clanchefin und
Erfinderin von Burda Moden, schließt ihre Enkelin per Brief vom
1. März 1990 „aus dem Familienbund“ aus. Das damalige Bur­
da-Blatt Forbes bringt eine Recherche, die Kramers wirtschaft­
liche Aktivitäten auseinandernimmt. Journalistenpflicht nennt
es das Haus Burda, Rache die Society.
Obwohl es gegen Mitternacht geht, bleibt es in Miami
schwül. Der Pegel steigt, die Geschichten werden besser, das
Gelächter ungehemmter, und wumm!, landet Kramers Pranke
wieder auf dem Oberschenkel. „Wissen Sie überhaupt, warum
ich noch lebe“, gluckst er, „wissen Sie’s?“ – „Medikamente? Die
Meeresbrise?“ – „Quatsch, eigentlich bin ich schon lange tot,
aber die Hölle hatte was dagegen, die hatte Angst, dass ich sie
auch noch übernehme, harharhar!“ – „Ach so.“ – „Wissen Sie
noch, damals, als der Gianni Versace hier in Miami erschossen
wurde?“ – „Ja.“ – „Der Mörder hat auf den großen Blonden ge­
zielt und den kleinen Italiener getroffen, harharhar!“ Der Tisch
prustet, Linda möchte noch ein Dessert, dann geht’s los ins
Delano, das Hotel an der Collins Avenue, Kramer holt die Kredit­
karte raus, die schwarze, selbstverständlich.
Siegfried Otto und Jutta Devrient lassen sich nach mehr
als 40 Jahren Ehe scheiden, und er heiratet 1989 Ursula Bur­
da, jetzt Otto. Im Schlepptau der neuen Frau Otto: Tochter
Catherine und Thomas Kramer.
Liebe und Hass wohnen
Der Patron mutiert vom Finanz­
tür an tür: [1] Die
mann zum Partylöwen, was seine
Schwestern Verena von
Familie der neuen Frau und de­
Mitschke-Collande und
ren Anhang zuschreibt. „Er hatte
Claudia Miller-Otto bei der
150-Jahr-Feier des Geldauch davor schon einen Jet und
druckhauses Giesecke &
ein Haus auf Ibiza“, sagt ein
Devrient am 21.6.2002 in
Familien­mitglied der Ottos* am
München, [2] Siegfried und
23. April 2007 zu PARK AVENUE.
Ursula Otto, [3] Kramer„Er war schon etwas senil, aber
Freund Justin von Kessel.
Franz Burda II. [4] und
auf einmal musste es ein Haus in
seine Mutter Aenne [5]
Palm Beach sein, eines in Monte
erschütterte die Hochzeit
Carlo. Es reichte keine Falcon 10,
von Catherine Burda und
Thomas Kramer, die gemeinsam mit Tochter Joya [6] in
Miami lebten. [7] Glückliche
8
9
Münchner Zeiten: Ursula
Otto, das Ex-„Bambi“ von
Franz Burda II., Schwiegersohn Thomas Kramer und
Catherine Burda. [8] Kra­
mer mit damaliger Freundin
Stephanie Phillips, die sich
erschoss. [9] Beim Ringelreihen mit Bea Prinzessin
von Auersperg in Marbella
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Kramers welt: Zu jedem
Gesicht hat er das passende
Outfit. Besonders stolz
ist er auf seine South Pointe
Towers, die er in Miami Beach
baute und als Modell in
seinem Büro stehen hat. Und
weil Thomas Kramer nicht
mehr als Lebemann gesehen
werden möchte, trägt er beim
Fotoshooting einen Anzug.
In den Whirlpool wollte er aus
Altersgründen nicht springen,
dafür auf seine Harley.
Sein Lebensmotto (l.) ließ er
aufs T-Shirt drucken, das war
im Jahr 2002. Die Einladung
gilt auch heute noch
Seine Diskothek in
Miami baute
Fotos: Sabine Brauer (1)
er
genau an der Stelle,
wo früher eine
Synagoge stand,
und nannte sie Hell
eine Falcon 50 musste her. Und er erschien jetzt mit ihr auf
den Partys, bei den Toerrings, diesen adligen Bierbrauern,
zum Beispiel. Alles natürlich in den Klatschspalten doku­
mentiert, peinlich war das.“
Was damals nur wenige Eingeweihte wissen: Siegfried
Otto hat noch ein viel größeres Problem als seine neue
ver­gnügungsfreudige Sippe: Schwarzgeld, und davon viel.
Über Jahrzehnte werden bei der Cantrade Bank in Zürich für
die Firma La Industrial Tecnica S. A. Konten gefüllt, deren
Vermögenswerte am deutschen Fiskus vorbeigeschmuggelt
werden. Das Geld stammt vor allem aus der Security
Printing S. A., einer Tarnfirma, die Otto 1958 in Zürich ge­
gründet hatte. Das wären unschöne Meldungen, schließlich
ist einer der größten Auftraggeber von Giesecke & Devrient
die Deutsche Bundesbank.
Thomas Kramer, der zu PARK AVENUE in Miami über
seine Beziehung zu Otto sagt, dass „er der Vater war, den ich nie
hatte, und ich der Sohn war, den er sich immer wünschte“, hat
zu dem Zeitpunkt gerade mit Immobiliengeschäften in der DDR
und einem Kunsthandel zwei Pleiten hingelegt, kann Bargeld
gut gebrauchen, da auch der Burda-Hahn seiner Frau abgedreht
bleibt. Kramer schlägt Otto vor, das Schwarzgeldproblem zu lö­
sen, indem er die Millionen mit in die USA nimmt und dort
investiert. Dabei fungiert als Vermittler der Münchner Rechts­
anwalt Justin von Kessel, ein smarter, parketterprobter
Freund von Kramer. Und tatsächlich unterschreiben Kramer
und Otto am 10. Dezember 1991 und am 8. Mai 1992 jeweils
einen „Gemischten Schenkungs-, Nießbrauchsbestellungsund Rentenvertrag“**, in dem Otto Thomas Kramer die Voll­
macht über Depot Nr. 2116549, genau 221 650 833 Mark,
erteilt. Kramer verpflichtet sich, Otto eine lebenslange mo­
natliche Rente von 500 000 Mark zu zahlen.
Miami, 14. März 2007: Ins Delano hat es Thomas Kramer
gestern nicht mehr geschafft, vor seiner Villa warteten vier
Damen auf ein bisschen quality time, und so viel Zeit muss
sein. Es ist Vormittag, das Fernsehteam ist da, und Kramer
steht im Eingangsbereich seines Büros vor einem Modell, das
die South Pointe Towers darstellt, sein Lebenswerk. Er habe
Portofino nachbauen wollen, habe auf Land gesetzt, auf das
keiner einen Pfifferling gegeben habe, habe geahnt, dass die
Gettos von Miami Beach einmal zu einem der teuersten
Flecken Amerikas werden würden. Heute setzt Kramer vor
allem auf das Internet, sagt er, deswegen arbeiten im War
Room nebenan vier Webdesigner und Programmierer an der
Überarbeitung seiner Website, die ihm bald noch viel mehr
einbringen soll als die Immobilien.
Nach der Schenkung an seinen Stiefschwiegersohn
bekommt Siegfried Otto in München Probleme: Er hat nicht
bedacht, dass auf die Schenkung an Kramer eine Schenkungs­
steuer fällig ist, 60 Prozent, und somit schuldet er dem Finanz­
amt circa 150 Millionen Mark. Am 24. Juni 1993 wird Otto der
Druck zu groß, er zeigt sich selbst an.** Im August 1993 unter­
zeichnet er einen Vertrag**, in dem er sich vor Kramer verpflich­
tet, „eine etwaige Schenkungssteuer zu tragen“. Seine Söhne,
beide im Unternehmen tätig – Tilman im Vertrieb, Yorck zu­
ständig für Rechnungswesen und Auslandsgeschäfte –, haben
das Leck im väterlichen Dampfer längst entdeckt. Es kommt
zum Machtkampf, die Anwälte übernehmen, die Söhne verlas­
sen das Unternehmen, im März 1994 wird ein Erbvertrag unter­
schrieben, der jeden mit 40 Millionen Mark abspeist.
Miami, 1991/92: Kramer baut die Millionen von Otto auf Sand.
Ob er sie auch in den Sand gesetzt hat, lässt sich schwer klären,
da er das Geld auf ein unüberschaubares Geflecht von Unter­
firmen verteilt. 1992 kommt Tochter Joya auf die Welt. Mit
einem Koffer voller Bargeld kauft Kramer Grundstücke
in Miami Beach, lässt Architekten kommen, die darauf Wohn­
blöcke bauen, und verkauft anschließend die Apartments.
In Miami nennen sie Kramer den „Prince of Cash“, weil er
selbst Millionenbeträge bar bezahlt. Das Potpourri aus Stars
und Halbseidenen verkehrt gern mit „Tycoon Thomas“, dem
„Creator of South Pointe“. So heißt der Gebäudekomplex, den
seine Portofino Group am südlichsten Zipfel von Miami Beach
hinstellt. Wie viel Kramer verdient und gewinnt und wieder
verliert, interessiert niemanden, das „German Wunderkind“ ist
eine Erfolgsstory, wie sie Amerikaner mehr lieben als ein Steak.
Am Ocean Drive, genau an der Stelle, an der früher eine Syna­
goge stand, baut Kramer eine Diskothek; er nennt sie Hell und
lädt zur Einweihungsparty Robert Englund alias Freddy Krue­
ger ein, den fiktiven Serienkiller aus „A Nightmare on Elm
Street“. Was für eine Beleidigung gegenüber der jüdischen Ge­
meinde. Das Hell hat sieben Räume, jeder steht für eine
der Todsünden, „Schwule und Hässliche kommen hier nicht
herein“, weist Kramer seine Türsteher an. Kramer reißt die Höl­
le bald eigenhändig mit einem Caterpillar-Bagger wieder ab.
M
iami, 14. März 2007, immer noch im
Büro: „Hier, schauen Sie, das bin ich,
wie ich meine Disco einreiße“, sagt
Kra­mer, lacht, deutet auf das Foto,
das ihn auf dem Bagger im Trümmer­
haufen zeigt, und nimmt die Fernseh­
crew mit nach draußen, wo sie den
Pool filmen darf, die hurrikansiche­ren
Spiegel, das Boot, auf dem es gleich zu einer Rundfahrt gehen
wird. Wenn er eine Poolparty schmeißt und keiner reingucken
soll, dann lässt Kramer Nebel aufsteigen, einfach so, per
Knopfdruck. Kramer hat eines der T-Shirts an, die man auf
seiner Website kaufen kann, „Wasn’t Me …“ steht drauf, „Ich
war’s nicht …“ Es ist Mittag, es ist heiß, das Wasser vor dem
Anleger plätschert ruhig.
Ruhig ist es für Siegfried Otto nicht, 1994, ihm steht
eine Zahlung von 150 Millionen Mark Schenkungssteuer ins
Haus, der Imageverlust ist noch gewaltiger. Die Wirtschafts­
reporter schnüffeln an allen Ecken und Konten, auch HansChristoph von Mitschke-Collande, Ottos Schwiegersohn und
Mann seiner ältesten Tochter Verena, wird zu den Deals in
der Schweiz befragt; Ottos langjährige rechte Hand, Geschäfts­
führer Manfred Beck, ebenfalls. Karl Heinz Weiss, ein Münch­
ner Anwalt und Netzwerker und Freund derer von MitschkeCollande, kümmert sich jetzt um Siegfried Otto, irgendwie
müssen die Millionen von diesem Kramer zurück, aber Kramer
ist nicht zu greifen.
Dessen Freund und Anwalt Justin von Kessel schon.
Er wird wieder Vermittler, es kommt zu Gesprächen. Am
21. März 1995 unterzeichnen Otto und Kramer einen Vertrag**,
der bis heute der Schlüsselpunkt des Rechtsstreits ist. Dem­
nach verpflichtet sich Kramer, „bis 30. September 1997“ die
Schenkung von 221 650 833 Mark zurückzuzahlen, danach
werde ein Zins von vier Prozent fällig. Kramer und seine
Anwälte behaupten heute, dies sei ein simuliertes Geschäft
119
S
iegfried Otto will sich scheiden lassen. Zu oft
soll Ursula Otto auswärts zu gute Laune geha­
bt haben, etwa bei der Eröffnung des Käfer am
Hofgarten am Münchner Odeonsplatz, wo sie
laut Zeugen irgendwann auf dem Flügel des
Pianisten sitzt und singt, was die Herren Ger­
hard Meir, ein stadt­bekannter Friseur, und
Friedrich von Thun, Schauspieler, sehr ent­
zückt. Siegfried Otto, sowieso von einigen Schlaganfällen ge­
schwächt, keineswegs.
15. März 2007, Miami: Das Boot legt ab, einmal rund um
Star Island, dann natürlich nach South Beach, das Kramer fast
allein erbaut haben will. Ja, ja! Kramer posiert mit Lea aus
Kuba, die er nur „Mausi“ nennt. Ein Skipper, eigens von den
Bahamas angereist, steuert das Schiff, das sich Kramer von
einem Freund geliehen hat. Auch Lea wohnt im Kramer-Haus.
Wieder an Land zeigt Kramer seinen Weinkeller, den nur er
betreten kann, die Tür ist mit einem Fingerabdruck-Scanner
gesichert. Ein wenig viel Sicherheit für Weine scheint es, doch
hinter den französischen Eichenfässern lagert kistenweise
Munition, was der Kameramann aber nicht filmen darf. Am
Abend lädt Kramer in einen umgebauten VW-Van, eine Art
mobile Disco. Kramer raucht Zigarre, Florian Orterer ist auch
wieder da, mit seinen zwei Freundinnen, Kolumbianerinnen,
sehr hübsch, es gibt Champagner und Gelächter.
Die Freundschaft mit Justin von Kessel zerbricht;
Kramer zahlt 27,2 Millionen Mark zurück, mehr nicht. Mit
von Kessel verliert er nicht nur einen Freund, er verliert auch
seinen wichtigsten Zeugen, den Einzigen, der aus­sagen
könnte, wie die Vereinbarung wirklich gemeint ist. Nach der
Trennung von Catherine Burda kommt Kramer etwas später
mit Ste­phanie Phillips zusammen, einer Tochter aus gutem
Hause, Foto­modell, eine Berühmtheit in Südflorida. Kramer
meint es ernster als sonst, neben seinem Schlafzimmer hängt
noch heute ein Rahmen mit gemeinsamen Fotos. Phillips er­
schießt sich unter mysteriösen Umständen in ihrer Wohnung
in Coral Gables. Kramer hat von Miami erst mal genug, er
kauft ein teures Haus am Holland Park in London, wo er
120
Partys veranstaltet, sogar der noble Tatler berichtet über den
Deutschen, der sie alle zu kennen scheint, die Mächtigen und
die mächtig Reichen.
Am 17. August 1997 stirbt Siegfried Otto. Als „Erben des
Siegfried Otto“ kämpfen seine Töchter Verena und Claudia
weiter um die Rückzahlung der Schenkung. Es geht um Geld,
Ehre, Hass. Für Kompromisse ist es zu spät.
Vor Gericht verliert Kramer. In einem Teilurteil** des
zuständigen Zürcher Bezirksgerichts vom 25. April 2000 heißt
es: „Angesichts des klaren, unzweideutigen und in einfacher
Sprache abgefassten Wortlautes der Vereinbarung vom
21. März 1995 konnte Siegfried Otto vor der Unterzeichnung
des strittigen Vertragswerks in keiner Weise davon ausgehen,
dass der Kläger lediglich aufgrund der Mitwirkung von
Rechtsanwalt von Kessel bereit sein würde, sein Ein­
verständnis dazu abzugeben.“ Und weiter: „Als Fazit ist
festzuhalten, dass die zwischen dem Kläger und Siegfried
Otto geschlossene Vereinbarung vom 21. März 1995 in jeder
Hinsicht gültig zustandegekommen und rechtswirksam ist.
Damit ist die Klage im Hauptbegehren abzuweisen.“ Gerichts­
kosten: gut 800 000 Franken. Die hat Kramer zu tragen.
Miami, 16. März 2007: Das Fernsehteam ist weg, Kramer
im Büro, er und seine rechte Hand Margaret Nee steuern
die Geschäfte. Frau Nee ist freundlich, zurückhaltend, ein
Gegenpol, der versucht, den Derwisch unter Kontrolle zu
halten. Sie möchte sein Image ändern, mehr Geschäftsmann,
weniger Lebemann, was bei seinem Temperament kein leich­
ter Job ist. „Nein, in den Whirlpool steige ich nicht, dafür bin
ich zu alt“, sagt er beim Fotoshooting für PARK AVENUE,
viel lieber lasse er sich auf seiner Harley fotografieren. Da­
nach geht es ins mit viel moderner Kunst ausgestattete
Haus, nach oben in sein Schlafgemach, zum Umziehen. Vor
der Tür hängt ein Schild mit der roten Aufschrift „Sex“; wenn
es leuchtet, will Kramer nicht gestört werden. Über dem Bett
eine Sexschaukel, daneben der Whirlpool, ein Koffer mit
Liebesspielzeug, das Beate Uhse neidisch gemacht hätte. Ein
begehbarer Kleiderschrank, geräumig wie ein Großraum­
büro, Hunderte Paar Schuhe, eine Glastür, die sich wieder
nur per Fingerabdruck öffnen lässt. Eine Waffensammlung,
für die jeder Diktator Opfer bringen würde, darunter ein
Desert-Eagle-Maschinengewehr, eine Heckler & Koch MP5
und eine Bazooka.
Kramers Anwälte gehen in Berufung, er verliert wieder.
Die erste Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich
fordert ihn in ihrem Beschluss und Urteil** vom 9. Januar 2003
auf, den Erbinnen des Siegfried Otto, Verena von MitschkeCollande und Claudia Miller-Otto, 59 564 689,67 Euro nebst
vier Prozent Zinsen seit dem 30. September 1997 zu zahlen. Die
Summe errechnet sich aus der Schenkungssumme minus Kra­
mers Kunstsammlung minus seines Londoner Besitzes, der auf
richterliche Anordnung „eingefroren“ ist. Das Kassationsge­
richt des Kantons Zürich bestätigt dieses Urteil am 17. Novem­
ber 2003, Kramer geht wieder in Berufung, nächste Instanz: das
Bundesgericht. Die Anwälte der Schwestern versuchen, das
Urteil über ein Gericht in Florida zu vollstrecken.
Kramer könnten Zeugen helfen, unbefangene, die vom
Gericht zugelassen werden. Mit Justin von Kessel, dem wich­
tigsten Zeitzeugen, soll er sich wieder besser verstehen, aber
ob der als unbefangen durchgeht? Für das 160-Seiten-Papier,
das Kramer so gute Laune macht, hat es zumindest gereicht,
darin sind ganz neue Erkenntnisse, sagt Kramer, die werden
ihm helfen, sein Recht zu beweisen.
Eine wichtige Zeugin möchte nicht aussagen. Ursula Otto
sagt am 20. April 2007 zu PARK AVENUE: „Ich müsste eigent­
lich auf der Seite von Thomas Kramer sein, weil ich dabei war,
weiß, wie alles abgelaufen ist. Aber ich will nicht noch einmal
eine mediale Schlammschlacht erleben wie damals, will vor
allem mit der anderen Seite nichts zu tun haben. Mir tut es für
die Söhne leid, wie die ausgebootet worden sind.“
Im Herbst 2006 lässt sich Claudia Miller-Otto, die seit
Langem in Greenwich,
Connecticut, lebt, ihre
Anteile am Unterneh­
men auszahlen; ihre
Schwester Verena von
Mitschke-Collande, die
am Starnberger See
wohnt, ist von nun an
die alleinige Eigentü­
merin. 350 Millionen
Euro soll Miller-Otto er­
halten haben. Verena
von Mitschke-Collande
sitzt heute als letzte aus
der Otto-Familie im
Aufsichtsrat und im
Beirat bei G & D. Beide
Schwestern lassen über
ihren Zürcher Anwalt
ausrichten, dass sie sich
nicht äußern wollen.
Auch Karl Heinz
Weiss, der ebenfalls im
Beirat und im Aufsichts­
rat von G & D sitzt, teilt
schriftlich mit, dass er
nichts sagen wird. Für
andere Familienmitglie­
der gilt ein altes Motto
von Franz Josef Strauß:
„Es ist nichts vergessen,
aber alles ver­ziehen.“
Für sie weht heute noch
immer derselbe Geist
im Unternehmen Giese­
cke & Devrient, der es
Anfang der 90er-Jahre
in die Krise führte. Til­
man Otto und seine Familie leben in London, Yorck Otto mit
seiner Familie am Starnberger See. Er leitet eine Finanzdienst­
leistungsfirma in München. Zwischen Brüdern und Schwes­
tern gibt es keinen Kontakt.
Zur Geburtstagsparty von Shaquille O’Neal am Sams­
tag, den 17. März 2007, fährt Thomas Kramer mit seiner
Harley-Davidson. Es sind nur wenige Meter zum Grundstück
des Basketball-Stars, der Auftritt zählt.
Für Kramer beginnt der April 2007 eher unerfreulich. Bei
der Feier zum 70. Geburtstag des Finanzmoguls Jeffrey Steiner
in New York soll er einen 13-Jährigen auf der Toilette befummelt
haben, was Kramer bestreitet. Er wird vor den geladenen Gäs­
ten verhaftet, später freigelassen. Am 17. April gibt ein Richter
des Miami-Dade Circuit Court der Vollstreckungsklage der
Schwestern statt, Kramer muss demnach, nach zwölf Jahren
Rechtsstreit, knapp 60 Millionen Euro plus Zinsen an die
Otto-Töchter zurückzahlen. Kramer will weiterkämpfen, „zur
Not ziehen wir auch vor das Gericht für Menschenrechte nach
Straßburg“, sagt er, die Richter hätten ihm aufgrund seines
flamboyanten Lebensstils nie eine Chance gegeben.
Seinen 50. Geburtstag am 27. April 2007 feiert er trotz
der schlechten Nachrichten angemessen, mit vielen attrak­
tiven Frauen, mit sei­
ner aus Deutschland
angereisten Familie,
mit den Freunden aus
der Miami-Society, die
ihm weiterhin die
Treue halten. Wie viel
er noch hat von dem
geschenkten Vermö­
gen, wie reich er heute
wirklich ist, ob das
Urteil ihn ruinieren
wird, das weiß viel­
leicht nicht mal Tho­
mas Kramer selbst.
Wenn es ganz schlecht
läuft, so einer, der ihn
kennt, dann kommt
bald der Sheriff vor­
bei, denn einen Ge­
richtsvollzieher gibt
es in Amerika nicht.
Auf seiner Homepage
bietet er sein Anwesen
Five Star Island zur
Miete an, und, heißt es
da noch, „die, die es
genug mögen, können
es auch kaufen“.
„Eine Frage noch,
Herr Kramer, was machen Sie denn mit all den
Waffen, der Munition?“
„Sie wissen ja
gar nicht, was hier für
Verhältnisse geherrscht
haben, als ich hierher
kam, das war Krieg.
Und manchmal treffe ich mich auch mit meinen Freunden
zum Ballern.“
„Ballern?“
„Ja, wir kaufen dann ein Schrottauto, gehen auf einen
Platz, binden das Lenkrad mit einem Strick an der Gangschal­
tung fest, legen einen Ziegelstein auf das Gas, erster Gang rein,
das Auto dreht sich im Kreis, und wir knallen los, macht rich­
tig Spaß.“
„...“
„Und wenn Sie Mist schreiben, dann binden wir Sie das
nächste Mal auf die Motorhaube, harharhar!“
Und am Eingang
seiner Villa steht
geschrieben: „Don’t
be aware of the dog.
Be aware of the owner“
hair by sarah potempa at the wall group
make-up by christy coleman at the wall group
gewesen, das heißt, Otto habe die Millionen auf dem Papier
wiederbekommen, um die Schenkungssteuer zu umgehen,
an der Schenkung selbst habe sich aber nichts geändert. Das
sei mündlich abgesprochen, was in solchen Fällen und Krei­
sen kein unübliches Gebaren ist.
Die Gegenseite beruft sich auf das, was auf Papier steht,
fordert das Geld zurück. Seit zwölf Jahren.
Kramer hat Pläne, er möchte Miami zu einem Las Vegas
in Florida machen. Im November 1994 stimmt ein Bürger­
entscheid gegen seine Casino-Baupläne, Kramer ist beliebt bei
den Reichen, unbeliebt bei der Bevölkerung, eine Web­site,
kramersucks.com, wird ins Leben gerufen. Kramer wird
wegen illegaler Parteispenden zu einer Geldstrafe verurteilt,
auch privat geht es holterdiepolter. Wenige Stunden nachdem
Catherine Kramer das zweite Kind, einen Sohn, auf die Welt
bringt, stirbt dieser. Sie ist am Boden zerstört, zieht aus, ver­
lässt Kramer, nimmt Tochter Joya mit hinüber nach Fisher
Island, später ziehen sie nach Genf. Trotz allem betont das
Paar, sie seien bis heute freundschaftlich verbunden, Kramer
nennt sie gegen­über PARK AVENUE die „Frau meines Le­
bens“. Tochter Joya, 15, besucht ihn gelegentlich.
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