Unter - Boydak Strategy Consulting

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Unter - Boydak Strategy Consulting
6 General Management Fokus
C-Level magazin 4 | 2014
Unternehmensdaten
als
Teil der
Wertschöpfung
Daten werden zunehmend zu einer
neuen Wettbewerbsdimension für
Unternehmen. Vielversprechende
Lösungsansätze wie Big Data, mit
deren Hilfe aus dem wachsenden
Datenberg Kapital geschlagen werden kann, stecken jedoch noch in
den Kinderschuhen. Der Weg ist somit Pionierarbeit. Und das Ziel noch
nicht klar zu sehen. Immer noch werden oft die falschen Fragen gestellt.
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Spätestens seit dem World Economic Forum 2012, auf
dem Daten zur eigenen Asset-Klasse gekürt wurden,
gelten Daten neben Kapital, Arbeitskraft und Rohstof­fen als vierter Produktionsfaktor unserer Wirtschafts­
welt. Daten werden immer mehr zum neuen Gold des
digitalen Zeitalters. Geradezu obsessiv sammeln wir
inzwischen Informationen zusammen, in der Hoffnung, sie dereinst gewinnbringend auszu+werten. Der
Datenberg wächst unaufhaltsam. Vor zwei Jahren
exis­t ierten 90 Prozent der heute im Umlauf befindli­chen Daten noch nicht. Diese Daten wurden nicht
etwa in Firmen, sondern im Internet generiert. Und
das weltweite Datenvolumen wird bis 2020 noch weiter auf das Zehnfache anwachsen – von derzeit 4,4 Billionen Gigabyte auf 44 Billionen Gigabyte.
Die Kombination von Big Data und Smart Machines – so die Vision des „Economist“ – wird diverse
menschliche Berufe ganz übernehmen. In anderen Be­reichen ermöglicht sie Firmen mehr Leistung mit weni­ger Angestellten. Text-Mining-Programme dürften
etwa menschliche Funktionen in Rechtsdiensten ersetzen. Und Biopsien dürften von Bilderkennungssoft­
ware präziser analysiert werden als von Laboranten
aus Fleisch und Blut.
Aber das ist Zukunftsmusik. Denn was tun wir
heute wirklich mit all den Daten? Die zunehmende Da-
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Wie wichtig ist die intelligente Nutzung von
Daten für ihren Unternehmenserfolg?
Welchen Ansatz verfolgen Sie in Ihrem
Unternehmen beim Datenmanagement?
wird Big Data in Ihrem Unternehmen als
ein zentrales Thema wahrgenommen?
Für die meisten Unternehmen hat gutes Datenmanagement
wettbewerbskritische Bedeutung.
Bereits ein Drittel der Schweizer Unternehmen richtet das
Geschäftsmodell konsequent auf Basis von Daten aus.
Fast drei Viertel der Unternehmen stufen Big Data als
Top-Thema ein.
43 %
45 %
Strategischer Ansatz
34 %
Produkte, Services und Prozesse sind von
vorneherein konsequent auf die Erfassung und
Nutzung von Daten ausgerichtet.
8 %
Sehr wichtig
Wichtig
Ein Faktor
unter vielen
4 %
Unwichtig
Taktischer Ansatz
50 %
Gezieltes Data-Mining u. ä., ohne die Unternehmenssyste­matik grundlegend zu verändern
Unklar
72 %
Ja
16 %
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
tenflut stellt Unternehmen vor neue Herausforderun­
gen. Der Grossteil des Gesammelten ist unstrukturiert
(aus E-Mails, sozialen Netzwerken, Videos etc.). Nur
drei Prozent der Daten lassen sich über ein Schlagwort
suchen. Alle anderen Informationen erfordern höchst
leistungsfähige Computer, die sich durch Big-DataAlgo­r ithmen pflügen können. Vor allem aber benöti-
gen sie qualifizierte Fachkräfte, die wissen, wonach
sie suchen müssen. Doch gerade an Letzteren mangelt es: Wir wissen nämlich meistens nicht, was wir
tun sollen. Wie genau nutzt man den scheinbar unerschöpflichen Rohstoff Daten, um sich von Wettbe­
werbern zu unterscheiden und sich erfolgreich zu
positionieren? Welche Fähigkeiten sollte man auf-
bauen, welche technischen Big-Data-Lösungen und
Analy­t ics-Tools einsetzen? Wie verfährt man mit dem
Thema Datenschutz, um Reputationsrisiken zu vermeiden? Erst mit einer klar definierten Strategie
zur geschickten Nutzung von Daten kann die Wertschöpfung von Unternehmen positiv und nachhaltig
beeinflusst werden.
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Genau um dieses Thema drehte sich der 2. C-Le­velRoundtable am 8. Mai im Clouds des Prime Tower
Zürich. In der von Tata Consultancy Services und
Boydak Strategy Consulting unterstützten Veranstal­
tung „Daten als neue Wettbewerbsdimension der Zukunft“ entfachte sich unter den 59 teilnehmenden TopManagern im Publikum und den vier Podiumsgästen,
Prof. Dr. Thomas D. Szucs (Verwaltungsratspräsident
der Helsana Gruppe), Dr. Markus D. Voegelin (COO und
Generiert die Auswertung von Kundendaten
einen echten Mehrnutzen für Ihre Endkunden?
Nur ein Drittel der Unternehmen bietet seinen Kunden einen
echten Mehrwert an.
Nein, bzw.
nur wenig
37 %
Ja
in welchen Bereichen erwarten Sie positive
Auswirkungen von Big Data für Ihre Firma?
Unternehmen erwarten besonders bei Marketing & Vertrieb
einen Nutzen durch intelligentes Datenmanagement.
Marketing & Sales
42
Production &
Operations
24
Research &
Development
21
Corporate, Finance &
Risk Management
20
Andere
3
Anzahl Antworten
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
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stv. CEO Coutts & Co AG), Rolf Olmesdahl (CIO Gene­
ral Insurance Zurich Insurance Company Ltd) und
Deepak Kumar (Business Lead for Analytics, Big Data
and Information Management, Europe, Tata Consultancy Services) eine spannende Diskussion.
Korrelationen statt Hypothesen Einig waren
sich alle: Ohne eine gute Datensammlung und -bewirtschaftung geraten auch Firmen der Old Economy ins
Trudeln. Daten sind gemäss 45 Prozent der Panel-Teilnehmenden ein signifikanter Erfolgsfaktor für den
Geschäftserfolg geworden und sogar für weitere 43 Prozent absolut unabdingbar. Insbesondere Big Data erachten die Top-Executives als zentral. Fast drei Viertel
der C-Level-Community diskutieren das Thema intern
heiss und spüren bereits grosse Auswirkungen von Big
Data. 37 Prozent glauben entsprechend, dass Big Data
für ihre Kunden bereits einen signifikan­ten Mehrwert
generiert. Weitaus am meisten erwarten die Schweizer
Top-Executives von Big-Data-Lösungen im Bereich
Marketing & Sales.
Doch das Problem: Es mangelt am Wissen, sich die
neuen Ressourcen tatsächlich zunutze zu machen. Und
dabei kommen viele Unternehmen bereits bei der Potenzialausschöpfung strukturierter Daten ins Stocken. So können 74 Prozent der am C-Level-Roundtable befragten Topkader die Flut strukturierter Daten noch nicht bzw. nur teilweise verwerten. Ein
Lichtblick immerhin, waren es vor einem Jahr in einer
Umfrage innerhalb der C-Level-Community doch noch
89 Prozent. Die immer noch unzureichende Ausschöp­
fung verwundert nicht, denn 86 Prozent gaben ebenfalls an, über kein oder nur ungenügendes Wissen
dafür im eigenen Haus zu verfügen. Über die brachlie­genden Möglichkeiten, Werte aus der Analyse unstrukturierter Daten zu schaffen, ganz zu schweigen.
Deepak Kumar verglich die Situation mit der Erdölförderung vor einem halben Jahrhundert. Damals
gab es noch grosse Verluste bei der Gewinnung des
schwarzen Goldes, weil die Technologie zur effizienten Förderung fehlte. Heute fliesst der Grossteil der
gewonnenen Daten wie Wasser in einem Fluss an uns
vorbei, weil wir nicht in der Lage sind, die Informatio­nen richtig einzufangen. „Wir müssen erst noch lernen, mehr Wert aus den Daten herauszuholen“, sagte
Im Uhrzeigersinn: Prof. Dr. Thomas D. Szucs (Helsana Gruppe), Rolf Olmesdahl (Zurich Insurance Company Ltd),
Deepak Kumar (Tata Consultancy Services), Dr. Markus D. Voegelin (Coutts & Co AG).
er am C-Level-Roundtable. Doch das sei schwierig. Es
bestehe die Gefahr, dass wir im Datenschlamm feststecken.
Das kann vor allem geschehen, wenn es uns nicht
gelingt herauszufinden, was wir eigentlich wollen.
Und diese Gefahr ist alles andere als klein. So nannte
es Rolf Olmesdahl beim Namen: „Unternehmen haben
lokale, regionale und globale Daten. Aber viele Firmen
haben keine Idee, was sie mit ihnen machen sollen, wie
sie einen Wettbewerbsvorteil daraus schlagen können.“
Dabei sind Daten in vielen Branchen im wahrsten
Sinne Gold wert, auch im Versicherungswesen etwa in
Bereichen wie Risk Management, Preisgestaltung oder
massgeschneiderten Produktangeboten. Tatsächlich
bewirkt nämlich die Datenflut einen Paradigmenwechsel. Und diesen muss man erst erken­nen wollen.
In den Tagen von putzig-bunten Taschenrechnern
und muffig riechenden Bibliotheksbüchern strebten
wir beharrlich nach einer Verbesserung der Datenqualität, nach repräsentativen Befragungen, nach Killerfaktoren für Ausreisserdaten. Jetzt ist alles anders.
„In der Vergangenheit prüften wir Hypothesen durch
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Datenanalysen. Mit Big Data ist es genau umgekehrt“,
so Markus Voegelin. In der Unendlichkeit des Datenuniversums geht es demnach darum, Korre­la­t ionen
zu finden und bisher nicht bekannte Kausali­täten
zu verstehen. Mit Big Data gewinnen wir aus diesen
Korrelationen wichtige Erkenntnisse. Statt wie früher bis auf die letzte Nachkommastelle zahlengläubig zu sein, sind diese Erkenntnisse zwar unschärfer,
dafür aber zahlreicher und ganzheitlicher. Berühmtestes Beispiel ist die Loka­lisierung von Grippewellen aufgrund der Google-Suche nach Grippesymptomen. „Wir brauchen dafür Datenfischer; Leute,
welche die richtigen Fragen stellen. Diese Leute fehlen noch weitgehend. Und die wenigen, die es gibt,
stellen oft noch die falschen Fragen“, stellte Thomas
Szucs fest.
Intelligente Verknüpfung und Bereitstellung von Daten Doch das ist nicht das einzige Pro-
blem. „Wir sind auch mental noch gar nicht bereit, alles zu tun, damit die Datenflut wirksam ausgewertet
werden kann. Insbesondere sind wir nicht bereit, unsere Daten miteinander zu teilen, sodass Synergien entstehen können“, sagt der Helsana-Präsident. Das von
ihm vorgestellte Beispiel kommt in ähnlicher Form
in allen Branchen vor.
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Wie stark werden strukturierte Daten in
Ihrer Organisation bereits ausgewertet?
Gibt es in Ihrer Firma ausreichend Know-How,
um Daten als strategische Waffe zu nutzen?
Wie bewerten Sie die Rolle ihrer IT-Abteilung
Bei der Ausschöpfung des Datenpotenzials?
Nur ein Viertel der Unternehmen wertet strukturierte Daten
optimal aus.
Bei der grossen Mehrheit der Firmen in der Schweiz mangelt es
an Fachwissen bezüglich Datenerhebung und -auswertung.
Die IT-Abteilung wird von zwei Dritteln der Befragten als gut
funktionierender Enabler wahrgenommen.
58 %
54 %
26 %
Hoher
Ausschöpfungsgrad
28 %
20 %
Nur teilweise
Ausschöpfung
Geringer
Ausschöpfungsgrad
14 %
Ja
67 %
Nur teilweise
Aktiver Enabler
Nein
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
Szucs berichtete von einem Erlebnis aus der Spital­praxis. Ein Notfall-Patient wurde kurz nach einer Operation in ein anderes Krankenhaus eingeliefert. Die
Daten zu dem Eingriff waren wie meist in solchen
Fällen elektronisch nicht verfügbar. Also musste der
Patient selbst das andere Spital anrufen und sich
identifizieren lassen. Erst dann wurden die Unterla-
gen von den betreffenden Ärzten an die Notfallstation
durchgefaxt. Bis dahin waren bereits drei Stunden vergangen. Als Nächstes setzte sich der Assistenzarzt hin
und tippte die Angaben aus dem Fax in die eigene Datenbank ein.
Nicht ganz so augenfällig – aber genauso präsent –
ist die Datenkleptomanie in vielen Unternehmen: Da-
ten werden an zehn und mehr Orten, in unterschiedlichen Datenbanken und Systemen gehortet. Bestrebungen zu einer Zentralisierung der Datenverwaltung
stossen oft auf erheblichen Widerstand. Entsprechend
können nicht alle Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung genutzt werden. Die mangelnde Offenheit
widerspiegelt sich aber nicht nur in ungenügendem
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Teilen, sondern auch in einem falschen Verständnis
bezüglich des Nutzens von Datenanalysen. Denn Grundvoraussetzung für den in­telligenten Einsatz von Daten­analysen ist, dass sich alle Bereiche eines Unternehmens –
beginnend mit der Unternehmensführung – über den
Wert von Daten im Klaren sind. So beobachtet etwa
Kumar, dass Firmen typischerweise mithilfe eines
ausgeklügelten Datenmanagements in erster Linie die
Kosten senken und das Wachstum fördern wollen. Dabei sei doch eigentlich die Kundenzufriedenheit das,
was in Bezug auf Big Data wirklich zähle. „Tatsächlich müssten wir den richtigen Leuten die nötigen Informationen geben, damit sie die Kunden zufriedener
machen können“, gab der indische Big-Data-Experte zu
bedenken. „Es ist so wie beim Goldschürfen. Um einen
Goldnugget zu finden, müssen wir erst mal wissen, wie
er aussieht“, so Kumar.
Big Data als Wettbewerbswaffe „Big Data ist am
menschlichen Moment angekommen“, stand denn
auch neulich lakonisch in der „Financial Times“. „Es
ist ein Problem in den Köpfen“, stellte auch die C-LevelCommunity fest. Firmen müssen sich neu erfinden.
Neu erfinden heisst vor allem auch: wegkommen von
der Idee des reinen Sparens. „Sie müssen ‚Sandkästen‘
in die Firmen stellen und Ihren Mitarbeitenden For-
men und Schaufeln zum Spielen geben. Lassen Sie
Ihre Leute experimentieren. Sie werden auch Geld verschwenden. Denn auch im Silicon Valley, wo es auf
diese Weise funktioniert, gehen 97 Prozent der Firmen
ein. Aber Sie müssen den Mut haben, etwas zu wagen.
Denn, wenn Sie es nicht tun, dann tut es Ihr Konkurrent“, so IT-Experte Kumar. Zwar könne ohnehin nur
einer gewinnen, aber ganz sicher nicht, wer aus dem
Spiel ausgestiegen ist.
Das ist in der Tat eine bittere Erkenntnis. Denn
tatsächlich ist es ein schwieriger Weg, aus Unternehmensdaten Kapital zu schlagen. Dass es geht, zeigen
aber anschaulich nicht zuletzt reine Internetplayer
wie Amazon oder Google. Sie verstehen es, die Daten
Sind Ihre Kompetenzen punkto Daten­
management im Unternehmen gebündelt?
hat ihre Firma schon substanziellen
ökonomischen Wert durch Big data generiert?
Ist Big Data mehr als ein Hype?
Bereits zwei Drittel der Befragten haben ihr Analytics- und
Big-Data-Know-how organisatorisch zusammengefasst.
Die Mehrheit konnte bislang mit Big Data noch keinen
ökonomischen Wert schaffen.
Alle befragten Unternehmen stufen Big Data als
Business-relevantes Thema ein.
69 %
31 %
65 %
Ja, ein oder mehrere
Kompetenzzentren
80 %
Nein
0 %
Kommerzieller Hype
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
Real Business
Real Business,
wenn auch gehypt
Quelle: Umfrage bei 56 Top-Executives der C-Level-Community am 8. Mai 2014
geschickt für einen Wissensvorsprung gegenüber ihren
Wettbewerbern zu nutzen und diesen vor allem zur
Steigerung der Kundenzufriedenheit einzusetzen.
Diese Unternehmen verfolgen als Kinder des Internet­zeitalters seit jeher einen strategischen Ansatz beim
Management von Kundendaten. Alle Produkte, Servi­
ces und Prozesse werden von vorneherein konsequent
auf die Erfassung und Nutzung von Daten ausgerichtet. Und diese neuen Wettbewerber zeigen einen weiteren Trend auf. Nämlich, dass Branchen durch die
Digitalisierung und zunehmend datengetriebenen Geschäftsmodelle nach und nach aufgebrochen werden
können. Was die neuen Internetplayer in erster Linie
auszeichnet, ist ihr Wissensvorsprung im Bereich digitaler und mobiler Kundenkanäle und auf dem Feld der
Datenanalyse strukturierter und unstrukturierter Daten. Da diese Unternehmen diesen Vorsprung zumeist
noch mit ausgeprägter Innovationskraft verbinden
können, gelingt es ihnen oft, neue, kundenorientierte
Produkte und Services zu generieren. So fasste es auch
Olmesdahl zusammen: „Das Kundenverhalten hat sich
im Internetzeitalter fundamental geändert. Und diese
Veränderungen gehen in zuvor ungeahntem Tempo
vonstatten. Insofern stellen die neuen Internetplayer
eine neue, ernst zu nehmende Wettbewerbssituation
für viele etablierte Unterneh­men in verschieden­sten
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Branchen dar.“ Und der Schritt in diese Branchen ist
quasi nur einen Klick weit entfernt.
Die Umfrage unter den Roundtable-Teilnehmenden zeigte, dass nur wenige Firmen tatsächlich Daten
zu barer Münze machen können. Zwar sehen 31 Prozent der Befragten keinen kommerziellen Hype mehr
hinter dem Schlagwort „Big Data“ (vor einem Jahr waren dies noch nur 8 Prozent), sondern ausschliesslich
ein zukunftsträchtiges Geschäft. Aber nur 20 Prozent der Firmen ist es bisher gelungen, substanziellen
ökonomischen Wert damit zu schaffen.
Um ökonomischen Mehrwert zu schaffen, ist es
nötig, herauszufinden, was der Kunde wirklich will.
Das heisst laut Voegelin vor allem: prognostizierende
Analysen betreiben und wissen, wie ein Kunde sich verhalten wird, bevor dieser es selbst weiss. Ein weit
verbreitetes Beispiel stellen diesbezüglich die automa­tisch generierten Empfehlungen für Amazon-Kunden dar. Das sei umso wichtiger, als Kundenberater
in vielen Bereichen – dem Internet sei Dank – ihre
Kunden nicht mehr mit Fachwissen erschlagen können. Denn oft sind die Kunden bereits auf Augenhöhe
mit den Experten.
Ein Beispiel: Google kann laut Szucs ein schnellerer Diagnostiker sein als gut 80 Prozent der ausgebildeten Mediziner. Zumindest gilt das für die „Diagnose­stellung“, nachdem Patienten ihre Symptome in die
Suchmaschine eingeben. Da sich die Konsumenten in
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den meisten Branchen vor dem Kauf eines Produkts
im Internet informieren, kann davon ausgegangen
werden, dass Google stellenweise eben auch der besse­re Anwalt, Treuhänder, Finanzberater oder Steuerexperte ist. Damit sind wir wieder beim Thema der
richtigen Fragen. Google hat es beispielsweise zumeist
geschafft, bei der Prognose der Ausbreitung von
Grippewellen die richtigen Fragen zu stellen und so
Big Data richtig zu analysieren.
„Letztendlich geht es darum, Zusammenhänge zu
erkennen und Dinge richtig zu ordnen. Nur wer so
denkt, gewinnt“, meinte Kumar denn auch am C-LevelRoundtable. Das sei letztlich nichts anderes als das
Vorgehen bei einem normalen IT-Projekt. Aber schliesslich sei Big Data auch IT. „Und es gibt nicht verschie­
dene Arten von IT“, so der TCS-Experte, womit er die
ominöse Vision von Big Data wieder auf den Teppich der
Realität zurückbrachte. Hoffnung macht diesbezüglich auch, dass die Unternehmens-IT mehrheitlich als
gut funktionierender Enabler bei der Ausschöpfung
des Datenpotenzials angesehen wird.
Datenanalyse ist IT, ist die optimale Ausrichtung
der IT-Infrastruktur auf die angestrebten Prozesse,
ist eine grosse Investition in das Risiko, eine neue
Legacy zu kreieren. Genau hier hapert es. Und deshalb erstaunt auch der niedrige Outcome nicht. Bloss
34 Prozent der C-Level-Executives verfolgen einen
strategischen Zugang in Bezug auf die Datensammlung. Bei der Hälfte findet Data Mining und Data Extraction nur selektiv statt und ohne die Systematik
des Unternehmens grundlegend zu verändern.
Ganz gleich jedoch, welchen der beiden Ansätze
Unternehmen wählen, wurde auf dem C-LevelRoundtable grosser Wert darauf gelegt, darüber den
ethischen Aspekt im Umgang mit Daten und Informationen nicht zu vergessen. Denn nicht alles, was
technisch möglich ist, wird auch auf Akzeptanz bei
Kunden stossen. Für viele Kunden ist Datenmanagement, nicht erst seit der jüngsten Diskussion rund um
den NSA-Skandal, schliesslich ein höchst sensi­
bles
und zum Teil emotionales Thema. Und somit auch Vertrauenssache. Nur die Unternehmen, denen es gelingt,
einen Vertrauenspakt mit ihren Kunden zu schliessen,
werden von den neuen Möglichkeiten durch Big Data
und Analytics nachhaltig profitieren. Um dies zu er-
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reichen, ist ein „Mitnehmen“ der Kunden im Umgang
mit Daten empfehlenswert. Wenn Kunden transparent
nachvollziehen können, welche Daten auf welchem
Weg über sie gesammelt werden und was mit diesen
Daten passiert, ist schon viel gewonnen. Erkennt der
Kunde darin zudem einen Vorteil für sich, besteht eine
gute Chance, dass die Abwägung zwischen Nutzen und
Misstrauen zugunsten des jeweiligen Unternehmens
ausfallen wird. Turhan Boydak/Elisabeth Rizzi Nächster C-Level-Roundtable am 18. September
2014 in Zürich, zum Thema „Das Business erfolgreich
digitalisieren“.
Strategie-Forum am Zürichsee am 20. November
2014 im Panorama Resort & Spa Feusisberg zum Thema
„Get Ready for Next Generation Business Models – the
Perfect Setup for Continuous Transformational Change“.