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queer-travel.net
Ein Sonderheft von
&
Ausgabe 2/2012
Kurztrips
Reisenews
Argentinien
Kaltstart
Tango in Buenos Aires und
Roadtrip durch Patagonien
Wintertouren für
Abenteuerlustige
INHALT
LIEBE LESERINNEN UND LESER,
wenn es in Europa kalt und regnerisch wird,
beginnt auf der Südhalbkugel das Frühjahr,
die ideale Reisezeit also für Länder wie Argentinien. In Buenos Aires beleben sich die
Straßencafés und auf der Plaza Dorrego im
Tangokiez San Telmo trifft sich Alt und Jung
zum Schwof im Außenraum. Vom Obelisken
auf der Avenida 9 de Julio, dem Wahrzeichen im Herzen der Stadt, ist das Viertel
nicht weit entfernt. Dass zwei Männer, wie
auf unserem Cover, miteinander tanzen, ist
in der vom Machismo geprägten argentinischen Gesellschaft nicht so ungewöhnlich.
Der Tanz wird hier zum Sinnbild von Kampf
und Wettstreit. Dass Schwule, Lesben und
Trans* gleichgeschlechtlich Tango tanzen,
ist hingegen ein noch junges Konzept für die
Stadt am Río de la Plata.
Statt im warmen Süden lässt sich der Winter
aber auch gut in Regionen mit viel Schnee
verbringen. Hauptsache, man ist warm eingepackt und bewegt sich dabei ordentlich.
Es muss ja nicht immer nur beim Après-Ski
sein … Ein paar Inspirationen dafür sollen
euch die Themen in der vorliegenden Ausgabe geben. Man kann natürlich auch einfach gemütlich zu Hause auf dem Sofa bleiben und nur den Mauszeiger über den
Bildschirm bewegen – auf unserem OnlinePortal queer-travel.net, etwa von den Events
zu den Reiseberichten und wieder zurück.
Ob mit oder ohne Bewegung: Wir wünschen
euch einen ereignisreichen Winter!
Elke Koepping & Tobias Sauer,
Redaktion QUEER TRAVEL
AMSTERDAM
S. 28
PALMA DE
MALLORCA
S. 26
KALTSTART
WINTERTOUREN FÜR
FRAUEN & ABTAUCHEN
IN DEN ALPEN
S. 18
MAGAZIN
S. 4
FAKTENCHECK
ARGENTINIEN
TITELTHEMA
S. 16
ARGENTINIEN
MEINUNG
S. 30
Foto: istock/holgs
S. 8
Schwule und lesbische Reisende machen überwiegend gute Erfahrungen im achtgrößten Land
der Welt. Elke Koepping genoss Kultur- und
Nachtleben im Ballungsraum der Hauptstadt
Buenos Aires und Urs Küenzi begab sich
mit Astrid Weiske auf einen abenteuerlichen Trip
durch das dünn besiedelte Patagonien.
Queer TraveL 2/2012 3
Fotos: WienTourismus/Peter Rigaud
MAGAZIN
Mehr Welt
IGLTA erweitert Webangebot
Wohin soll die nächste Reise führen? In die nähere Umgebung, nach Europa oder Übersee? Die International
Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA) hat ihre
Website runderneuert und bietet Erholungssuchenden
gebündelte Informationen zu schwullesbischen Reiseangeboten und Homoorganisationen weltweit. Gezielt
gesucht werden kann nicht nur nach Informationen über
Urlaubsregionen, sondern auch nach speziellen Reiseformen wie Städtetrips, Kreuzfahrten, Inselurlaub oder
Wellness. Über die Website bieten einige Unternehmen
auch Sonderangebote an, die direkt gebucht werden
können. Insgesamt verzeichnet das Portal Kontaktadressen aus über 80 Ländern. Der Schwerpunkt liegt
allerdings eher auf Europa und Amerika, also den Ländern, in denen die IGLTA über zahlreiche Mitglieder verfügt. Ideal, um sich beim Surfen für den nächsten Urlaub
inspirieren zu lassen.
tos
lgbt.travel
Mehr Wien
Neues Infoportal
Foto: istock/sack
Wien liegt im Trend: Erstmals konnte die Stadt an der
Donau im Jahr 2011 mehr als fünf Millionen Besucherinnen und Besucher begrüßen. Speziell an queere Reisende richtet sich die Website gayinvienna.com. Entwickler Bernd Seiser (Foto unten re.) bietet vor allem
tagesaktuelle Tipps an, die die Tourismus-Information
nicht liefert. Dort sind zum Beispiel Ausgehmöglichkeiten für Schwule zu finden, etwa der Club Why Not im
1. Bezirk, Lesbenbars wie das Inside und Orte, die auch
für Transgender eine offene Atmosphäre bieten, wie die
Bar Blue Angels. Darüber hinaus informiert die Seite
punktuell über touristische Highlights der Stadt, zum
Beispiel den Naschmarkt, in dessen Umgebung sich
auch die schwullesbische Szene Wiens findet. Nicht alle
19 verfügbaren Kategorien sind derzeit gleich gut bestückt, Infos für Regenbogenfamilien etwa fehlen noch
weitestgehend. Die Seite ist zunächst auf Englisch verfügbar, eine deutsche Übersetzung und Versionen fürs
Handy sind in der Mache. Von der bisherigen Resonanz
ist Bernd Seiser begeistert: In rund zwei Monaten hat
das Portal über 3.300 Fans bei Facebook gewonnen, bei
stark steigender Tendenz.
tos
Foto: WienTourismus/Peter Rigaud
Foto: gayinvienna.com
gayinvienna.com
4
Queer TraveL 2/2012
Mehr
Gewinne!
Keine Lust auf
London, Wien, Paris?
QUEER TRAVEL und Ebab
verlosen ein Wochenende
für zwei Personen in Berlin unter
queer-travel.net
MAGAZIN
Koffer-Tratsch
Diesmal mit:
New York, Hawaii, San Francisco: Von April
bis Juni war Frank Christian Marx in den
USA unterwegs, um seinen Film „Männer
zum Knutschen“ (ab dem 6. September im
Kino) zu promoten. Mit Erfolg: Sieben Preise
konnte das Team um den aus Trier stammenden Berliner inzwischen einheimsen.
Gerade zurück vom Flughafen, lotst QUEER
TRAVEL den gut gelaunten Schauspieler,
Regisseur und Produzenten zum KofferTratsch.
Dein neuer Film spielt in Berlin, beim
amerikanischen Publikum kam das super
an. Warum hat Berlin so einen guten Ruf
im Ausland? Wenn du in Amerika bist,
kannst du nicht auf der Straße trinken und
die Kneipen machen um zwei Uhr nachts zu.
In Berlin kannst du nächtelang durchfeiern,
du kannst tragen, was du willst, du kannst
sein, wer du bist.
Gibt es etwas, was dir anderswo besser
gefällt als in Berlin? In Berlin wird sehr viel
gelabert. Es heißt oft: „Ja, wir müssten unbedingt mal was machen, ich hab ’ne ganz
tolle Idee.“ Und dabei bleibt es dann. Ich habe
den Eindruck, im Ausland wird mehr umgesetzt. In San Francisco hatten wir eine Idee
für einen Kurzfilm. Von einem Tag auf den
anderen sind wir einfach mit drei Leuten in
eine Wohnung gefahren und haben gedreht.
Dieser Pragmatismus gefällt mir gut.
Du warst jetzt drei Monate am Stück unterwegs. Packst du deinen Koffer schon
automatisch? Mein großes Ziel war, gar
nicht zu packen und nur mit einer Umhängetasche ins Flugzeug zu steigen. Aber
Fotos: priva
t
Frank Christian Marx, Berlin
entekrossfilm.com
„Männer zum Knutschen“ ab 6.9. im Kino
dann dachte ich: Scheiße, du musst noch
den Rasierer, Ladekabel, den Laptop einpacken, Pressehefte, DVDs – plötzlich hatte ich
doch drei Koffer voll.
Was ist immer dabei? Immer wenn ich ins
Warme fliege, nehme ich T-Shirts mit V-Ausschnitt mit. Dann mein iPad, weil ich immer
sehr viel lese, wenn ich nicht so viel zu tun
habe, wie zum Beispiel im Flugzeug. Mein
Glücks-Talisman muss dabei sein, das ist
eine Messingmünze, die mir meine Mutter
geschenkt hat. Und mein Rasierer, mit dem
ich meinen Bart in Form bringe. Im Ausland
bin ich dann immer der bärtige Berliner.
Kriegst du so deine Rollen? Wenn du in
New York oder San Francisco sagst: „Ich
komme aus Berlin“, dann drehen die durch,
nicht nur wegen der Stadt, sondern auch,
weil es dann schnell heißt: „You’re nasty“,
so versaut!
Kannst du den Ansprüchen ans Versaute
gerecht werden? Ein Gentleman schweigt
und genießt.
Gibt es ein Homo-Accessoire, das du immer dabeihast? Einen Dildo oder so? Ne.
Aber auf dem Rückweg aus San Francisco
nach Deutschland hatte ich für einen Freund
einen Fleshjack dabei, so ein Sexspielzeug.
Am Security Check hat der Beamte die Ver-
packung gesehen und gefürchtet, da könnte
etwas Explosives drin sein. Dann ging es los
wie im Werbespot mit Harpe Kerkeling, wo
die Kassiererin ruft: „Jutta, was kosten die
Kondome?“ Der Beamte hat das Ding hochgehalten und eine Beamtin sehr laut gefragt: „Was ist denn das?“
Haben alle zu dir geguckt? Ja. Peinlich!
Hast du ein Lieblingsmitbringsel? Ich bin
ein alberner Souvenir-Käufer, kaufe auch
gerne mal einen Koala-Bleistift-Anspitzer.
Oder ein Glas mit der Brooklyn Bridge drauf,
oh Gott!
Du bist ein Souvenir-Shop-Opfer? Ja, in
New York habe ich Freunde getroffen, denen habe schon einen Koffer mit Zeug nach
Hause mitgegeben, damit ich mehr kaufen
kann!
Was machst du, um nach einer langen
Reise wieder runterzukommen? Im Sommer geht das in Berlin wundervoll. Am liebsten fahr ich dazu an einen See. Und ansonsten auf meinem Balkon, im Prenzlauer Berg.
Hast du einen Lieblingssee? Den Bärensee,
ist doch klar, oder?
tos
Queer TraveL 2/2012 5
MAGAZIN
Mehr Sicherheit?
Foto: Imago/Itar-Tass
Grüne: Auswärtiges Amt
informiert ungenügend
Demonstration von Schwulen und Lesben in Russland:
Das Auswärtige Amt informiert über Gefahrengebiete
weltweit – nicht ausführlich genug, meinen die Grünen.
Reisende haben die Möglichkeit, sich vor Reiseantritt
beim Auswärtigen Amt über mögliche Sicherheitsrisiken und Gefahrengebiete zu informieren. Aktuelles Beispiel: Russland. Das Amt hat auf seiner Website Hinweise über die neue Gesetzgebung aufgenommen, die
für „Homo-Propaganda“ Geldstrafen vorsieht. Den Grünen geht die Informationspraxis des Amtes allerdings
nicht weit genug. Sie kritisieren, dass bei einigen Staaten der Hinweis auf Verbote von Homosexualität fehle.
Unklar bleibe auch, welche Handlung welche Strafe auslösen könne. Grünen-Sprecher Volker Beck sagte gegenüber QUEER TRAVEL, die Hinweise seien „nicht
Fisch, nicht Fleisch“. Er fordert: Die Informationen
müssten systematischer bereitgestellt werden, benötigt
würden auch Verhaltenshinweise und Kontaktangaben
für den Notfall. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes entgegnete, Angaben für „bestimmte Gruppen“
könnten lediglich fallweise aufgenommen werden, da
die Reisehinweise nur eine Basisinformation darstellten.
Wer sichergehen möchte, keine Länder mit homophober
Gesetzgebung zu besuchen, sollte zusätzlich die Übersichtskarte „Lesben- und Schwulenrechte in der Welt“
der ILGA zurate ziehen.
tos
auswaertiges-amt.de; ilga.org
MAGAZIN
App-solut queer?
Viele Reise-Apps ignorieren
Lesben und Schwule
Pack The Bag
Für wen? Verpeilte Spätpacker, die beim Dingein-den-Koffer-Werfen die Hälfte vergessen. Einfach vorgefertigte Packlisten übernehmen, anpassen und abhaken.
Queer-Faktor: Gar nicht. Gegenstände wie
Gleitmittel, Kondome und alles andere aus dem
sexuellen Umfeld bleiben ausgespart. Kategorien und Gegenstände können allerdings nach
Belieben hinzugefügt werden und bleiben
dann dauerhaft gespeichert.
Fazit: Die Erweiterbarkeit macht das eingeschränkte Spektrum der aufgeführten Utensilien wieder wett. Die App sieht außerdem gut
aus, funktioniert ohne Internetverbindung und
ist kostenlos.
Culture Crossing
Für wen? Kurzurlauber, die die lokalen Benimmregeln nicht kennen. Auf Englisch enthält
die App für über 165 Länder Tipps in neun
Kategorien, darunter Augenkontakt, Gender
und Berührungen.
Queer-Faktor: So gut wie gar nicht. Wer wissen will, ob Küssen in der Öffentlichkeit okay
ist, findet keine Infos. In einigen Fällen wird
darüber informiert, dass Homosexualität illegal
ist oder Körperkontakt nicht gern gesehen
wird, vollständig sind die Listen aber nicht.
Fazit: In jedem Reiseführer finden sich bessere
Infos. Wenigstens ist die App kostenlos und
funktioniert auch ohne Internetzugang.
Flirta
Für wen? Alle, die am Strand Traummann oder
Traumfrau gesehen haben und in der Landessprache losbaggern wollen. Gewählt werden
kann aus 300 Sätzen in 44 Sprachen. Beispiel:
„Ich habe mich mit Eis bekleckert. Könntest du
es von mir lecken?“
Queer-Faktor: Nicht besonders. Die sexuelle
Orientierung kann nicht eingestellt werden.
Lesben müssen deshalb „Flirten für Jungen“
auswählen, Schwule entsprechend „Flirten für
Mädchen“.
Fazit: Vielleicht ziehen Baggersprüche der billigen Kategorie besser, als man glaubt. Falls
nicht: Körbe übersetzt die App auch. Funktioniert auch ohne Internetzugang.
Preis: 4,99 Euro.
tos
3 Tage
inkl. F, 2 Nächte
und L rühstück
inz-Ca
rd
Linz.verändert,
€96,-
hautnah
p
im Doro Person
ppelz
imme
r
Party, Shopping, Relaxen in einer Stadt, die so gar nicht ins Österreich Klischee passt.
Die Kulturhauptstadt Europas hat an ihrem internationalen Flair auch nach dem Jahr 2009
nichts eingebüßt. Die Stadt und Ihre Bewohner zeigen sich weiterhin von Ihrer kreativsten Seite.
Die Hauptstadt Oberösterreichs, ist bekannt dafür, hip, trendy und am Puls der Zeit zu sein. Besonders in den
letzten 20 Jahren hat sich Linz zum innovativen Kultur- und Naturmekka entwickelt. Linz greift Trends auf, verbindet Neues und Zeitgenössisches in harmonischer Symbiose und die Zukunft wird hier zum Greifen nahe. Das
macht Linz nicht nur spannend, herausfordernd und innovativ, sondern vor allem eines: sehr schwul. Apropos,
die Gay Szene ist in Linz überschaubar, dafür aber abwechslungsreich.
Auch abseits des nächtlichen Treibens hat Linz für Schwule einiges zu bieten: Unter dem Motto „Linz verändert“
ist die Landeshauptstadt Schauplatz für Kunst, Geschichte, Wissenschaft und Architektur vom Feinsten. Wer
dann kulturgesättigt ist, für den darf ein ausführliches Shopping-Erlebnis in einem Gay-Hotspot nicht fehlen.
Lassen Sie sich überraschen bei Ihrem Linz-Wochenende ab € 96,- pro Person im Doppelzimmer im 3* oder 4*
Hotel inkl. Frühstück und 3-Tages Linz-Card, mit der Sie die öffentlichen Verkehrsmittel inkludiert haben, alle
Linzer Museen, die Auffahrt auf den Pöstlingberg und sogar einen Restaurantgutschein, wie viele andere Vergünstigungen für die individuelle Stadterkundung.
Buchung und Information:
Tourist Information Linz, Hauptplatz 1, 4020 Linz
Tel. +43 732 7070 2009, [email protected]
www.linz.at/tourismus I www.linz-tourismus.info
www.gay-in-linz.at
LINZ
TOURISMUS
argentinien
Kaum ein Land hat in den
letzten Jahren so viele
positive Schlagzeilen in
Sachen Homorechte gemacht wie Argentinien.
Auch als Urlaubsziel
wird es bei Schwulen
und Lesben zusehends
beliebter. Wir fanden ein
paar Gründe, warum.
Foto: Javier Fuentes
TITELTHEMA
TITELTHEMA
buenos
aires
Evita-Skulptur von Alejandro Marmo, Foto: Celeste Lafourcade
Eine Diva mit
Taktgefühl
Text von ELKE KOEPPING
it ihren 20 Fahrstreifen auf 140 Metern gilt
die Avenida 9 de Julio in Buenos Aires als
breiteste Straße der Welt. Die Prachtstraße,
für deren Bau seit den dreißiger Jahren eine
regelrechte Schneise in die Stadt geschlagen
wurde, ist nach dem argentinischen Unabhängigkeitstag benannt, dem 9. Juli 1816. Seit rund einem Jahr thronen dort, ganz in der Nähe des Obelisken, zwei gigantische Evita-Bildnisse über der Straße, die lächelnd den
M
„
Homophobie und Diskriminierung
sind mit Identitätsgesetz und
Homoehe nicht auf einen Schlag
vorbei. Aber es ist eine Botschaft
an die Gesellschaft, dass die Regierung hinter uns steht. Erste Veränderungen sind deutlich spürbar.
“
Verkehrslärm und das Geknäule aus altersschwachen
Bussen und schwarz-gelben Funktaxis ignorieren. Die
amtierende Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner
ließ sie im Spätsommer 2011 am höchsten Gebäude der
Straße anbringen, dem Ministerio de Desarrollo Social
(Ministerium für Arbeit, Soziales und Frauen). Hier, vor
dem Ministerium, hielt Evita ihre letzte Rede, anlässlich
der Wiederwahl ihres Mannes Juan Perón zum argenti-
nischen Präsidenten. Nur wenige Monate später, am 26.
Juli 1952, starb sie. Im Sommer 2012 jährte sich ihr Todestag nun zum 60. Mal. Emotional, um nicht zu sagen:
irrational ist das Verhältnis vieler Argentinierinnen und
Argentinier zu Eva Perón bis heute, ungebrochen ihre
Popularität. Nur wenige sind in der Lage, sie als skrupellose politische Einflussnehmerin an der Seite ihres
Mannes zu hinterfragen – das demokratische Regierungsmodell ist noch zu jung und die politische Bildung
in weiten Teilen der Bevölkerung ungenügend.
So nimmt es nicht weiter wunder, dass Cristina
Kirchner sich und ihren verstorbenen Ehemann Néstor
wiederholt als die „wahren Erben von Evita und Juan
Perón“ verstanden wissen will. Sicher, sie gehört der
heute noch existierenden Peronistischen Partei an, die
unter veränderten politischen Vorzeichen regiert. Dennoch ist es in europäischen Augen ein erstaunlicher Vorgang, wenn eine demokratisch gewählte Präsidentin
eine Militärregierung mit deutlich faschistoiden Zügen
als historische Bezugsgröße wählt. Alles im Namen des
Populismus – über gewisse Widersprüche sieht man in
Argentinien dabei durchaus großzügig hinweg.
„Kirchner wird als die neue Evita gefeiert und die
Opposition von der Bevölkerung nicht als notwendige
demokratische Kraft wahrgenommen, sondern als regierungszersetzend.“ Gabriela Waisman, die sieben
Jahre lang auf eigenes Risiko das schwullesbische Filmfestival in Buenos Aires organisierte, warnt vor einem
wachsenden Fundamentalismus im Land. „Die Leute
sind nach der langen Zeit der Militärdiktatur einfach
nicht in der Lage, sich politisch und historisch zu verorten und danach zu handeln.“ Die Freelancerin gab 2010,
trotz eines großen Publikumserfolgs und weltweiter
Anerkennung, das Festival auf. Aufgrund der chaotischen Vergabepraxis von Fördermitteln erhielt sie nahezu keinerlei institutionelle Unterstützung im eigenen
Lande, während sie paradoxerweise immer wieder als
für die Kultur der Stadt unverzichtbare Persönlichkeit
ausgezeichnet wurde. „Die Stadt ist seit dem Staatsbankrott im Jahr 2001 infrastrukturell stark heruntergekommen. Selbst Leute mit guter Ausbildung haben Probleme, ihr Auskommen zu finden. Es gibt keinerlei
Stabilität auf dem Arbeitsmarkt, die Bildungsdefizite
wachsen. Die Korruption von Behörden und in Regierungskreisen ist immens, während sich die Medien
überwiegend in Regierungshand befinden.“
Dennoch sieht sie das Engagement der Präsidentin
für LGBTI-Belange im Lande positiv. Wie viele andere
auch ist sie der Auffassung, dass die Bewegung ohne
diese heute längst nicht dort stünde, wo sie sich befindet. „Es ist schon irre, wenn man bedenkt, dass Argentinien vor 30 Jahren noch eine Militärdiktatur war – und
jetzt haben wir die gleichgeschlechtliche Ehe!“, erzählt
Alejandro Nasif Salum. Er ist der Sprecher der Federación Argentina LGBT, des Dachverbandes aller Homoinitiativen des Landes, dem heute mehr als 60 Organisationen angehören. Im Jahr 2010 wurde per Gesetz die
gleichgeschlechtliche Ehe nicht nur ermöglicht, sondern
der Hetero-Ehe in allen rechtlichen Belangen gleichgestellt. Zuletzt wurde im Mai
dieses Jahres eines der weltweit progressivsten Gesetze in Sachen Genderidentität
vom Parlament verabschiedet. Es ermög-
Queer TraveL 2/2012 9
TITELTHEMA
Fotos: Javier Fuentes (o.), privat (mi.),
Astrid Weiske (re. u.), wikimedia commons/
Pablo Dodda (li. u.)
Tango und Fußball: die
beiden großen argentinischen Leidenschaften.
Das Fußballstadion der
„Boca Juniors“ (unten)
heißt im Volksmund liebevoll „La Bombonera“ – die
Pralinenschachtel.
Der jung verstorbene
Tangosänger Carlos
Gardel gilt als Volksheld –
genau wie Evita.
WANN?
Patagonien: September bis März.
Buenos Aires: ist immer eine Reise
wert, von April bis August ist es
aber kühl bis nasskalt.
Palacio Alsina, Monserrat
Adolfo Alsina 940
freitags, schwullesbisch
Beste Party: facebook.com/
fiesta.dorothy?ref=ts
WO?
Pink Point, Schwullesbische
Touristeninformation
Mo–Fr 10–17 Uhr, Sa 10–13 Uhr,
Av. de Mayo 1370, Palacio Barolo,
10. Stock, Zi. 261
pinkpointbuenosaires.com
CRUISEN
Reserva Ecológica, Puerto Madero
Av. Int. H. M. Giralt
Schwullesbische Stadtpläne:
mapabsasgay.com.ar
(auch lesbisch)
gmaps360.com (eher schwul)
thegayguide.com.ar
WIE?
Europäischen Großstädten
vergleichbar liberal,
zahlreiche Ausgehmöglichkeiten
und „gayfriendly“ Hotels
SCHWUL
Cocoliche, Centro
Rivadavia 878
freitags u. samstags
cocoliche.net
Bahrein, Centro
Lavalle 345
freitags u. samstags
bahreinba.com
10
Queer TraveL 2/2012
LESBISCH
Fiesta Jolie, Palermo
Uriarte 1254
mittwochs ab 21 Uhr
facebook.com/groups/
fiestaybarjolie/
María, San Telmo
Balcarce 563
freitags ab 2 Uhr
Sitges, Palermo
Av. Córdoba 4119
mittwochs bis sonntags
schwullesbische Bar
sitgesonline.com.ar
CAFÉS
Pride Café, San Telmo
studentisch, schwullesbisch
Balcarce 869, 11–20 Uhr
Las Violetas, Almagro
trad. Confitería,
Av. Rivadavia 3899
lasvioletas.com
Confitería La Ideal, Centro
trad. Confitería, Suipacha 380/4
confiteriaideal.com
licht die Änderung des Geschlechts auf der Geburtsurkunde und damit in allen Passdokumenten im Rahmen
eines reinen Verwaltungsaktes. Ohne medizinische Untersuchung, ohne psychologische Beratung und vor allem: ohne Gerichtsverfahren. Es wirkt beinahe so, als
hätte Argentinien nach der langen Zeit der Diktatur einiges nachzuholen in Gleichstellungsfragen und holte
dies nun alles auf einen Schlag nach.
Jungen Aktivistinnen und Aktivisten wie dem erst
28-jährigen Alejandro merkt man eine regelrechte
Aufbruchsstimmung an, eine Offenheit für Neues.
„Klar sind Homophobie und Diskriminierung damit
nicht auf einen Schlag vorbei“, sagt er. „TransgenderFrauen, besonders im Sexgewerbe, werden immer noch
von der Polizei drangsaliert. Aber es ist eine tolle Botschaft an die Gesellschaft, dass die Regierung hinter
uns steht. Erste Veränderungen sind deutlich zu spüren.“
Derzeit werben auch argentinische Tourismusbehörden und Reiseveranstalter massiv um die Homo-Zielgruppe. Rund ein Fünftel aller Reisenden, die 2008 Argentinien besucht haben, sollen laut einer Studie der
Tourismusbehörde von Buenos Aires schwul, lesbisch,
bi- oder trans* gewesen sein. Umgerechnet wären das
etwa 900.000 Menschen. Mar del Plata am Südatlantik,
südöstlich von Buenos Aires gelegen, gilt mit seinem
20 Kilometer langen Strand als schwules Urlaubsmekka.
Mendoza, die Weinanbauregion des Landes, ist seit
17 Jahren Veranstaltungsort eines gigantischen schwullesbischen Weinfestes mit Kür eines schwulen Weinkönigs und einer Drag-Wein-Queen. Und in Bariloche soll
in diesem Jahr die erste schwullesbische Skiwoche
stattfinden. Darüber hinaus bietet Patagonien außergewöhnliche Naturerlebnisse, die bei der schwullesbischen Zielgruppe gut ankommen – so mutmaßen zumindest die Tourismusexperten. Der genannten Studie
zufolge zieht es jedoch nur 30 Prozent der LGBTI-Besu-
ESSEN
Las Cabras, Palermo
trad. arg. Küche zu günstigen
Preisen, Fitz Roy 1795
La Brigada, San Telmo
trad. Parilla (Fleisch vom Grill)
Estados Unidos 465
SHOPPEN
Markthalle, San Telmo
Mercado de San Telmo
mercadodesantelmo.com
Flohmarkt, San Telmo
sonntags: Plaza Dorrego
Friedhof La Recoleta
Azcuénaga, Ecke Quintana
Evitas Grab
OPER
Teatro Colón, Centro
Cerrito 628
teatrocolon.org.ar
Weitere Artikel über Argentinen:
queer-travel.net
DIE COVERMODELS
QUEER TANGO
dienstags, San Telmo
Buenos Aires Club, Perú 571
tangoqueer.com
freitags, Centro
La Marshàll @ El Beso,
Riobamba 416
lamarshallmilonga.com.ar
Festival
19.–25. November 2012
festivaltangoqueer.com.ar
AUSFLÜGE
Tigre-Delta: ab Bahnhof Retiro
1 Stunde Fahrzeit
Montevideo (Uruguay): ab Hafen
Dársena Norte mit der Fähre
EVITA
Museo Evita, Palermo
Lafinur 2988
www.museoevita.org
ALEJANDRO FIGLIOLO (links)
unterrichtet Tango in Buenos Aires
und weltweit. Er verfügt über eine
Ausbildung im zeitgenössischen
Tanz und arbeitet als Choreograf.
alejandrofigliolo.com.ar
SERGIO SEGURA (rechts) unterrichtet Tango in New York, wo er
u. a. das erste „Open Role Tango
Festival“ (14.–21.10.12) ausrichtet.
openroletango.com
TITELTHEMA
cherinnen und Besucher ins Landesinnere, 70 Prozent
blieben hingegen in der Hauptstadt.
Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die derzeitige Aufbruchsstimmung in der schwullesbischen Szene
ist gerade in Buenos Aires zu spüren. Die europäischste
aller südamerikanischen Großstädte lockt darüber hinaus mit gut erreichbaren Naherholungsgebieten wie
dem Tigre-Delta und einem aufregenden Nachtleben.
Wer vorhat, sich ausführlich dem Clubbing zu widmen,
sollte allerdings eine gute Kondition mitbringen: Die Argentinierinnen und Argentinier sind ein spätes Abendessen gewöhnt, das durchaus bis Mitternacht dauern
kann. Vor zwei Uhr nachts läuft in den Clubs gar nichts.
Neben einer guten Zahl eher mainstreamiger schwuler
Clubs treffen sich Männer auch im Cocoliche und Bahrein. Das Cocoliche ist für Freunde elektronischer Tanzmusik ein Muss. Es ist ein sehr kleiner, dunkler und
leicht verruchter Ort, in dem internationale Top Acts
auflegen, wie sie aus dem Berghain in Berlin bekannt
sind. Das Bahrein spielt ebenfalls Techno und hat freitags und samstags – bei eher jungem Altersdurchschnitt – einen hohen Schwulenanteil.
Wie in vielen anderen Städten weltweit auch sind
Lesben in der Öffentlichkeit weniger sichtbar als
Schwule. Feste Locations zum Ausgehen gibt es kaum,
ein Großteil der Termine für Lesbenpartys wird nur über
Facebook bekannt gegeben. Eine sorgfältige Recherche
der Clubnächte im Vorfeld der Reise ist also angeraten.
Mit günstigen Getränken und eher familiärer Atmosphäre bei undergroundig-rockiger Musik lockt die
Fiesta Jolie mittwochs, eine der wenigen Partys, die
schon vor Mitternacht starten. Nicht entgehen lassen
sollten sich Clubgängerinnen die Frauenparty María, die
freitags in San Telmo stattfindet. Gegen drei Uhr nachts
wird der Laden urplötzlich krachend voll und eine unüberschaubare Masse dicht gedrängt stehender Frauen
zwischen 25 und 35 swingt zu mainstreamigen Latinorhythmen, so dass es schier unmöglich ist, sich dieser
Feierstimmung zu entziehen.
Der Tanz jedoch, für den Argentinien schlechthin
steht, der Tango – von der UNESCO im Jahr 2009 zum
Weltkulturerbe erklärt –, gilt in argentinischen Schwulen- und Lesbenkreisen als Teil der konservativen Geschlechterordnung. Der Tango Argentino zementiert in
seinen Rollenzuschreibungen Männlichkeit und Weiblichkeit auf eine Weise, die einem liberalen Gesellschaftsmodell konträr entgegensteht. Und die konservative Masse der Tanzenden verweigert sich in den
etablierten Veranstaltungen einer Aufweichung der Regeln. Gleichgeschlechtliche Paare fliegen nach wie vor
aus traditionellen Tanzveranstaltungen heraus, doch
auch hier zeichnet sich eine Öffnung nach außen ab:
Professionelle schwule Tänzer und lesbische Tänzerinnen engagieren sich für die stetige Etablierung einer
Queertangoszene. Auch die Regierung sichert Veranstaltungen wie dem Queer Tango Festival ihre Unterstützung zu. Noch ist die queere Tangogemeinde etwas
kleiner als in vergleichbaren europäischen Städten, doch
sie ist im Wachsen begriffen. Ob es gelingt, all diesen Anfängen, sei es im
Tango oder auf der Straße, eine solide
gesellschaftliche Basis zu verschaffen,
wird sich zeigen.
Fotos: Javier Fuentes (ganz o., unten
li. u. re.), Astrid Weiske (m. re.)
Foto: Torsten Moebis
ELKE KOEPPING tanzt zwar seit 15 Jahren
Tango, war aber noch nie in Buenos Aires. Ihr
Aufenthalt wurde über eine Pressereise der
argentinischen Tourismusbehörde ermöglicht.
Mega-Tanztempel: der
Palacio Alsina (oben) in
einem alten Industriebau ist der größte Club
der Stadt. Einen Besuch
im Teatro Colón (links)
sollten Opernfans nicht
verpassen.
TITELTHEMA
Naturromantik: Sonnenaufgang
bei Bariloche (oben) und relaxen
am Fuße des Fitz Roy (links).
Unten: Astrid Weiske und Urs
Küenzi reisten im Dezember 2011
drei Wochen durch Patagonien
Unterwegs
mit Butch Cassidy und Sundance Kid
Text von URS KÜENZI
Fotos von ASTRID WEISKE UND URS KÜENZI
onnenaufgänge über verschneiten rosaroten
Bergen am Horizont einer hügeligen Steppenlandschaft, durch den sich mäandernd die
Straße zieht. Ständig „WOW! WOW! WOW!“
ausrufend aus dem Mietwagen steigen, staunen, fotografieren und sich versichern, dass das alles
echt ist. Gauchos reiten am Straßenrand. Guanacos, die
für Argentinien typischen, wild lebenden Lamas, unzählige Hasen und hühnerartige, hysterische Vögel
hüpfen herum. Kopfsprünge in kaltes, klares, tiefblaues
Wasser von Bergseen. Wanderungen über Geröllfelder
und durch knorrige Tannenwälder. Dabei Rossbremsen
mit Grasbüscheln abwehrend, als würde man Buße tun.
Eins sein mit sich und der Natur.
Patagonien hat mich dahin gebracht, wo andere wohl
durch jahrelange Meditation hinkommen. Ein anderes
Fazit ist angesichts der überwältigenden Natureindrücke und der sich jagenden Höhepunkte kaum möglich.
Das in angemessene Worte zu
Queer TraveL 2/2012
fassen schafft nur ein Literat
S
12
wie Bruce Chatwin, der den Süden Argentiniens in seinem Buch „In Patagonien“ hervorragend beschreibt.
Patagonien hat mir auch Astrid Weiske nahegebracht. Die Berliner Tangolehrerin lernte ich in Buenos
Aires auf einer Queer Milonga kennen und erzählte ihr
von meinen Reiseplänen. Kurzerhand beschlossen wir,
gemeinsam loszuziehen. Immer mit der Möglichkeit im
Hinterkopf, alleine weiterzureisen, sollten wir uns nicht
verstehen oder woanders hin wollen. Wir wussten nur,
dass wir gut drei Wochen Zeit hatten.
Natürlich dachte ich, das ist mal wieder typisch Urs,
ausgerechnet mit einer Butch auf Reisen zu gehen anstatt mit einem heißblütigen Porteño. Aber Letztere verlassen ihre Stadt sowieso nur, um ins benachbarte Tigre
oder nach Mar del Plata zu fahren, dem argentinischen
Pendant zum Ballermann. Alles außerhalb von Buenos
Aires erscheint den Hafenbewohnern suspekt und vor
allem: zu kalt. Kalt war es glücklicherweise selten, denn
erstens reisten wir im Hochsommer und zweitens
herrschte gerade eine Hitzewelle. Dennoch waren wir
TITELTHEMA
Naturgewalten im Nationalpark
Los Glaciares, der Teil des UNESCOWeltnaturerbes ist: Während
der Fitz Roy, der „rauchende Berg“,
sich schweigend in Wolken hüllt,
knackt und knarzt der Gletscher
Perito Moreno (rechts).
In der Pinguinkolonie
Punta Tombo, südlich
von Trelew. Rund
500.000 MagellanPinguine leben hier.
froh um warme Kleidung, denn in den Anden wechselt
das Wetter manchmal im Minutentakt zwischen sommerlichen und fast winterlichen Temperaturen.
Der Himmel von Vulkanasche verschleiert, apokalyptische Visionen. Eine Sesselliftfahrt auf eine Bergkuppe, steile Abhänge, die dich taumeln lassen. Winde,
in die man sich hineinlehnen kann, in Gegenden ohne
Spuren von Zivilisation. Das Gefühl, gänzlich von reinster Natur umgeben zu sein. Tränen der Rührung nahe
inmitten von Tausenden watschelnden und quäkenden
Pinguinen zu knien. Einem Killerwal zuzusehen, wie er
eine Robbe vom Strand schnappt, als wär’s ein Buffet.
Das Gefühl, in einem Tierfilm zu sein.
Unsere Reise führte uns zuerst nach Bariloche, ein
rund 1.500 Kilometer südwestlich von Buenos Aires gelegenes Städchen, das aussieht wie die misslungene Kopie eines Schweizer Bergdorfes. Wunderschön ist aber
die Seenlandschaft rundum. Doch warum war die Luft
so diesig? Tatsächlich spuckte der 93 Kilometer nordwestlich in Chile gelegene Vulkan Puyehue Asche. Je
nach Windrichtung überzog ein apokalyptischer grauer
Schleier den Himmel.
Eine erste Wanderung führte uns zum Refugio Frey,
einer Berghütte, vor der ein paar langhaarige Kletterfritzen versuchten, zwei Mädels zu beeindrucken. Wir
unterhielten uns lieber mit anderen Wanderern bzw.
Wanderinnen, die auch nicht wie Outdoor-Fanatiker
aussahen. Als offensichtlich Schwuler und Lesbe fühlten wir uns nie komisch. Wir waren auch nicht die einzigen Homos unterwegs, vor allem Lesbenpaaren sind
wir öfter über den Weg gelaufen. Die Einheimischen
waren jederzeit gastfreundlich und zuvorkommend,
ganz anders als in mancher europäischen Provinz.
Nach der langen Wanderung fielen wir im Hostel erschöpft ins Bett.
Wenn Astrid nur nicht so schnarchen
würde! Und wenn ich bloß nicht so
ein Morgenmuffel wäre! Klar gab es
zwischen uns kleine Reibereien. Die
Queer TraveL 2/2012
taten dem Vergnügen aber keinen
13
TITELTHEMA
San Miguel de Tucuman
Resistencia
Achtung Guanacos:
eine der typischen
unasphaltierten
Straßen im Hinterland
Mendoza
BUENOS AIRES
Río de la Plata
San Carlos de
Bariloche
Zu Besuch auf
einer Estancia
(Landgut) bei
El Calafate
Península Valdés
Los Altares
Trelew
El Chaltén
Fitz Roy
PATAGONIA
Perito Moreno
El Calafate
TIERRA DEL FUEGO
Foto: Karin Schupp
Cabo de Hornos
Auch im Hinterland
bekennt die argentinische
Homobewegung deutlich
Farbe: Graffiti am Bahnhof
von Trelew
Rund 200 Kilometer südlich von Bariloche: Blick auf Cholila,
wo Butch Cassidy und Sundance Kid längere Zeit lebten
14
Abbruch. Patagonien war viel zu beeindruckend, als
dass wir uns mit Kleinigkeiten aufgehalten hätten.
Also setzten wir noch einen obendrauf und mieteten
in Bariloche für eine Woche ein Auto, um einmal quer
durchs Land zur Península Valdés am Atlantik und zurück zu brettern. Astrid, die ganz dem Klischee entsprechend auch Motorrad fährt, raste zu meinem Schrecken tatsächlich drauflos. So blieb mir vor allem auf den
häufig unasphaltierten Schotterstraßen manchmal das
Herz stehen. Die Fahrt durch die Provinz Chubut führte
über steppenartige Ebenen und durch wilde Canyons.
Am Atlantik angekommen, entdeckten wir in Trelew
das Hotel Touring Club mit seinem kolonialen Charme.
In dessen altmodischer Brasserie hing ein Steckbrief:
„Wanted: Butch Cassidy“. Jetzt war klar, wer wir beide
waren: Butch Cassidy und Sundance Kid, die legendären Bank- und Zugräuber, die Patagonien um 1900 unsicher machten. Doch so viel Zeit wie die beiden hatten
wir nicht. Außerdem war der
Queer TraveL 2/2012
Tank fast leer. In Patagonien
kommt es selbst in größeren Städten wie Trelew zu
Benzin-Engpässen, was kilometerlange Warteschlangen
bedeuten kann. Nach zwei Stunden Anstehen füllten
wir endlich den Tank und traten etwas bang die Rückreise nach Bariloche an. Auf halbem Weg, den Benzinzeiger schon wieder auf Rot, kamen wir spätnachts in
Los Altares an, wo es glücklicherweise Benzin gab.
Vollkommen ohne Gedanken, nur noch staunend, auf
einem Gipfel sitzen – gerade fliegt ein Kondor so nah
vorüber, dass seine Federn einzeln zu sehen sind. Am
Fuß des Fitz Roy stehen, einem der schönsten Berge der
Welt (und das schreibt ein Schweizer!). Stundenlang
dem Schauspiel der um diesen Gipfel flutenden und
wirbelnden Wolken zuschauen. Dem himmelblauen
Gletscher Perito Moreno zuhören, wie er knarzt und
knorzt und wie dann und wann ein riesiger Eisbrocken
donnernd in den Lago Argentino fällt.
Zurück in Bariloche, beschlossen wir, angesichts der
enormen Distanz ins 1.500 Kilometer südlich gelegene
El Calafate mit dem Bus zu reisen. Dort, im Nationalpark
BARILOCHE UND UMGEBUNG
Hier gibt es zahlreiche Seen, die zum Baden einladen,
und Wandermöglichkeiten für jedes Niveau.
Übernachten:
Condor de los Andes
Günstiges, einfaches Hostel, zentral gelegen mit
freundlichem Service. Da sie auch ein Hostel in El Chaltén
betreiben, kann man bereits in Bariloche reservieren.
condordelosandes.com
Wandern:
Halbinsel Llao Llao
Einfache Wanderung (2–3 Stunden),
tiefblaues Wasser, spektakuläre Sicht auf Berge.
Einfach mit dem Bus zu erreichen.
TRELEW
Guter Ausgangspunkt für Ausflüge nach
Punta Tombo und zur Península Valdés
Übernachten:
Hotel Touring Club Altes,
koloniales Hotel mit schöner Brasserie.
touringpatagonia.com.ar
PENÍNSULA VALDÉS
Am Puerto Piramides gibt es zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten und einen schönen Strand.
Die Touristeninformation hat eine Hotelliste. In der
Hochsaison empfiehlt es sich, vor Anreise zu reservieren.
EL CHALTÉN
Ganz im Süden in den Anden gelegenes Bergdorf. Von hier
aus kann man zahlreiche Wanderungen unternehmen.
Für Geübte: Die Wanderung an den Fuß des Fitz Roy nicht
verpassen. Dauer ca. 6–8 Stunden.
Übernachten:
Condor de los Andes
Unbedingt vorher reservieren, da El Chaltén vor allem
in der Hochsaison schnell ausgebucht ist.
condordelosandes.com
Euer Urlaub ist unsere Leidenschaft
Weitere Artikel über Argentinien:
queer-travel.net
Urlaub ist, wenn man sich um
nichts kümmern muss.
Deshalb bekommt Ihr bei uns alles, was Ihr für Euren Urlaub
braucht!
Ausgangspunkt der ersten
Wanderung: Refugio Lynch
bei Bariloche
Los Glaciares, standen wir endlich vor dem Gletscher
Perito Moreno, der zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört.
Da El Calafate sonst nicht viel zu bieten hat, fuhren wir
direkt nach El Chaltén weiter, einem Dorf am Fuß des
wolkenumwehten Berges Fitz Roy, der deswegen auch
Cerro Chaltén genannt wird, „rauchender Berg“. Hier
kann man unzählige Wanderungen für jedes Niveau unternehmen. Ein letztes Mal schwelgten wir in der von
Menschen fast unberührten Natur und genossen die
vielfältigen Stimmungen des Lichts, bevor wir an Silvester, um eine Freundschaft reicher, wieder an unserem Ausgangspunkt im rund 3.000 Kilometer
entfernten Buenos Aires landeten.
URS KÜENZI ist Kunsttheoretiker und
freier Kurator. Seit 2007 betreibt er in Berlin
den Kunstraum Substitut. Er reiste im
Dezember 2011 mit Astrid Weiske durch den
Süden Argentiniens.
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FAKTENCHECK
Argentinien
zahlenreich
17,8
Im Jahr 2008 waren laut einer
Studie der Tourismusbehörde
Prozent
aller Besucherinnen und Besucher des Landes
schwul oder lesbisch.
6.
Queer Tango Festival
in Buenos Aires findet
vom 19.–25. November 2012 statt.
Das
4
Butch Cassidy und
Jahre
Sundance Kid waren
sesshaft: 1901 ließen sie sich
in Cholila in Patagonien
nieder, setzten
ihre Raubzüge ab 1905
jedoch wieder fort.
Vom 3.–8. September
2012 findet mit der
Fiesta de la Nieve Gay
Mal
in Bariloche zum
ein schwullesbisches
Ski-Wochenende statt.
1.
In Punta Tombo in
Patagonien leben
500.000
Magellan-Pinguine.
Darunter zahlreiche gleichgeschlechtliche Brutpaare.
55
zu 0 Stimmen gab es
im Senat für die Einführung
des Gesetzes, das die
Änderung des Geschlechts
auf der Geburtsurkunde
erlaubt.
300
Infos zusammengestellt von Elke Koepping
Rund
Jahre alt
sind die ältesten Kakteen
im Nationalpark Los Cardones
bei Salta. Sie können
3 Meter hoch werden.
Bei der
Vendimia Gay
in Mendoza
werden am
9. März 2013
Mal
zum
eine Drag-Wein-Queen
und ein schwuler
Weinkönig gekürt.
18.
2.697
Von Juli 2010 bis Juli 2011 gab es
gleichgeschlechtliche Eheschließungen.
KALT
start
Ob von null auf hundert
mit dem Huskyschlitten
durch Lappland oder
Eistauchen in Frankreich:
Etwas Mut zum Experiment sollte man für
diese Wintertouren
mitbringen
iStock/jpa1999
WINTERTOUREN
Schneeköniginnen
Fotos: Weiberhof (Bild links), 8seasons4women (rechts)
Winterreisen für Frauen
Abstand vom stressigen Alltag: winterliche Idylle
auf dem Weiberhof, Südsteiermark (Österreich)
Wildnis pur im Blockhüttencamp in
Lappland. Vor dem Saunieren wird
bei der Gewinnung des Eiswassers
selbst Hand angelegt.
Text von DANA MÜLLER
er Winter ist kalt, nass und dunkel,
trotzdem begeistern sich viele Menschen geradezu für Winterurlaube:
Ski fahren, schneewandern, Iglus
bauen. Einige Agenturen bieten sogar gezielt Reisen für reine Frauengruppen
an. QUEER TRAVEL fragte nach: Woher
kommt die rätselhafte Faszination für Kälte,
Schnee und Eis?
Melissa* fährt Langlaufski, seitdem sie
denken kann. Schon mit drei Jahren stand
sie auf den Brettern. Früher war sie den
ganzen Tag auf den Skiern unterwegs und
legte dabei schon mal 50 Kilometer zurück.
Heute reichen ihr auch vier Stunden und
20 Kilometer. Sie fährt jedes Jahr Ende Februar für eine Woche nach Österreich in die
Berge. „Wenn richtig Schneesturm ist und
total viel Wind weht, dann macht das auch
keinen Spaß“, sagt sie. „Ich mag Kälte überhaupt nicht. Das steht zwar meinem Hobby
entgegen, aber das Skifahren gleicht das
wieder aus“. Winterurlaub bedeutet für sie
vor allem eins: Energie tanken. „Wann ich
glücklich bin? Das sind komischerweise
diese Momente, wenn ich im Schnee rumrutsche und es bergab geht. Wenn ich so
richtig auf der Strecke entlangpesen kann,
die Sonne scheint und es knallhell ist, das ist
einfach toll“. Sie gerät dabei regelrecht ins
Schwärmen.
D
*Name von der Redaktion geändert
Aktivurlaub im Schnee:
Körperliche Bewegung bei
Schnee und Minusgraden in
der Natur – was soll daran
toll sein? Mehr als gedacht,
wie unsere Autorin Dana
Müller herausfand.
Ganz sicher wäre sie da in Sachen Winteraktivurlaub auch ein Fall für Kiru Weidner
und Gudrun Queitsch von der Reiseagentur
Alpinkreativ. Mit den beiden und mit
Schneeschuhen an den Füßen geht es in
eisige Höhen in Südtirol. Während für den
Langlauf Loipen vonnöten sind, also von
Menschenhand präparierte Strecken, die es
mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden
gibt, kommt man mit Schneeschuhen in Regionen, die mit den Skiern nie zu erreichen
wären. Abgesehen davon, dass für das
Schneeschuhwandern kein langjähriges
Training nötig ist. Kiru erklärt kurz die
Schritttechnik, danach heißt es: Schuhe an,
los geht’s.
Kiru ist Wanderleiterin, Heilpraktikerin
und einiges mehr. Doch ihre wahre Passion
sind die Berge. „Mir geht in den Bergen das
Herz auf. Da wird der Kopf frei und leicht.
Und der Alltag ist einfach 2.000 Meter weiter unten.“ Die Wanderungen gehen bis
über die Baumgrenze, dort gibt es nur noch
Felsen, Schnee und Wind – und vielleicht ein
paar Schneehühner oder -hasen. Für sie ein
befreiendes Gefühl von Weite. „Wenn es im
Winter –15 Grad Celsius sind, dann spürt
man diese Freiheit.“ Im frisch gefallenen
Schnee, der noch keine anderen Fußspuren
trägt, geht sie mit ihren sechs bis zehn Mitreisenden durch die unberührte Alpenlandschaft, Gletscherblick und Eisskulpturen an
gefrorenen Bergbächen inklusive.
Bei Übernachtungen in Berghütten
kommt obendrauf noch echte Bilderbuchromantik. „Wenn es dunkel wird, dann sieht
man die Sterne noch stärker leuchten als im
Sommer. Auch der Himmel kriegt eine ganz
andere Leuchtkraft mit dem Schnee. Und
wenn der Vollmond auf den Schnee scheint,
das ist ein Licht – das ist unglaublich“, sagt
Kiru. Und spätestens wenn man sich in der
Berghütte abends mit seiner Liebsten unter
die Bettdecke kuschelt und gemeinsam den
Mond anheult, vergisst wohl jede die eisige
Kälte draußen vor der Tür.
Katharina Koch-Hartke und Johanna
Heinrich von der Reiseagentur 8seasons4
women bewegen sich mit ihrem Angebot in
einer ganz anderen Region: Sie locken mit
Aktivurlaub Frauen nach Nordschweden.
Vor einigen Jahren zog es die beiden unabhängig voneinander nach
Lappland. Dort begegneten sie sich
und entdeckten nicht nur ihre Leidenschaft füreinander, sondern
Queer TraveL 2/2012 19
Fotos: Alpinkreativ (oben, li. u. re. Mitte)
WINTERTOUREN
WANN?
Wintersaison Mitteleuropa:
ca. November–März
Wintersaison Nordeuropa:
ca. November–April
KLEIDUNG
Langlauf: atmungsaktiv,
nicht zu warm einpacken wegen
der Bewegung.
Hundeschlitten: möglichst warm,
dicke Winterstiefel.
LITERATUR
Thomas Gut
Mushing – Hundeschlittenfahren
Christian Schneeweiß
Schneeschuhgehen
GRUPPENREISEN
FÜR FRAUEN
8seasons4women.de
alpinkreativ.de
frida-frauenreisen.de
lapplandreisetours.de
frauenunterwegs.de
womentravel.ch
weiberhof.at
WAS NOCH
Lappland: Laut NASA soll die
Intensität des Polarlichts im Jahr
2012 ihren vorläufigen Höhepunkt
erreichen. Sichtungen in nordeuropäischen Regionen sind im
Frühjahr und Herbst am häufigsten.
Weitere Artikel: queer-travel.net
Fotos: 8seasons4women (unten, mitte, rechts)
Schneeschuhwandern mit Blick auf
die Dolomiten im Gsiesertal, Südtirol
(Bild oben) und im Val Müstair im
Schweizer Nationalpark, Engadin
Als Hauptdarstellerin im Jack-LondonAbenteuer: Mit dem selbst gelenkten Huskyschlitten der Sonne entgegenzufahren sorgt
für kalte Nasen, aber glänzende Augen.
20
Queer TraveL 2/2012
auch für den dünn besiedelten Landstrich
mit dem unendlichen Horizont. „Hier gibt es
noch sehr viel Wildnis und sehr wenig Zivilisation – also Natur pur“, beschreibt Katharina ihre Wahlheimat. „Man hat hier oben
ein ganz anderes Gefühl von Weite“, ergänzt
sie. Die beiden Reiseleiterinnen, die seit
zwei Jahren miteinander verpartnert sind,
nehmen im Winter Frauengruppen mit auf
Hundeschlitten-Abenteuertouren. Die Gruppen mit drei bis sechs Teilnehmerinnen sind
angenehm klein und schon am zweiten Tag
sind die Mitreisenden in der Lage, die Huskys selbst zu lenken. Oder sie bieten eine
Silvestertour unter dem Motto „Lichtwandern“, bei der die mögliche Sichtung der
Nord- oder Polarlichter den Höhepunkt darstellt. Bei der Leuchterscheinung, die sich in
der Atmosphäre abspielt, entfaltet sich besonders am nächtlichen Himmel Lapplands
ein regelrechtes Lichtspektakel, das Form,
Position und Leuchtkraft beständig verändert. Geschlafen wird in einem Wildniscamp
aus Blockhütten, wobei ganz archaisch das
Holz selbst gehackt wird, bevor die Teilnehmerinnen sich am Lagerfeuer wärmen dürfen. „Man kann entspannen oder aktiv sein,
ganz wie man möchte.“ Katharina erzählt,
dass viele Mitreisende es als angenehm
empfänden, solche Aktivitäten ganz ohne
Männer vorzunehmen, um sich im Urlaub
nicht in Kämpfen gegen traditionelle Rollenverteilungen aufzureiben. Ihrer Einschätzung nach liegt der lesbische Anteil an solchen Reisen um die 60 Prozent, was sich
wohl positiv auf neue Bekanntschaften auswirken dürfte. Ein nicht unerfreulicher
Nebeneffekt der Kälte: Man muss näher
zusammenrücken …
Diese organisierten Angebote sind in der
Regel nicht gerade für das kleine Portmonee
gedacht, doch bietet sich für Touren in unwegsame Regionen kaum eine Alternative,
schon aus Gründen der Sorge um das eigene
Wohl. Bei Individualtouren im Schnee kommen ohnehin erhöhte Kosten auf die Urlauberin zu, allein Unterkunft und Skilift summieren sich in beliebten Winterurlaubsregionen. Da bewegen sich die Reisekosten
um etwa 900 Euro für einen Zeitraum
von rund einer Woche, die die fachkundige
Tourleitung der FrauenreiseAgenturen mit einschließen,
jedoch nicht die An- und Abreise, wahrlich noch nicht in
der Luxuskategorie.
DANA MÜLLER liebt ausgefallene Trips. Ob mit dem
Rucksack in Sansibar oder dem
Fahrrad auf Pilgertour – solange
die Berliner Journalistin
unterwegs ist, ist sie in ihrem
Element.
Gern auf Reisen?
Wir auch!
… und immer sichtbar
schwullesbisch!
Kreta: Notfalls gayfriendly
Thailand: Wasser für die Elefanten
Valencia: Kunst in allen Gassen
Ägypten: Urlaub undercover
Manchester: Wie in „Queer as Folk“
Madrid: Partys und Picassos
Namibia: Im Jeep durch die Wüste
Brighton: Englands schwule Hauptstadt
Santa Fe: Entspannte Diva
Florianópolis: Tolerante Sonneninsel
Gran Canaria: Cruisen und Aalen
Mythos Lesbos: Was ist dran?
Alle Infos unter
www.queer-travel.net
DIE SCHWULLESBISCHEN
REISESEITEN
Tignes
Foto: Monical Dalmasso, Tignes Développement
WINTERTOUREN
Abtauchen
in den Alpen
WINTERTOUREN
Linke Seite: Schnee satt – als eines
der höchsten Skigebiete Europas
garantiert das französische Tignes
im Winter gute Skibedingungen.
Diese Seite: Kein Zurück mehr!
Unser Autor Carsten Bauhaus vor
dem Eintauchen in den eiskalten
Lac de Tignes.
Text von Carsten Bauhaus
Fotos: Ines Wittklotz
L
icht! Dort, weit hinten, sieht man ein
Loch in der dicken Eisdecke! Aber
wie dort hinkommen? So müssen
sich die letzten Sekunden eines Ertrinkenden anfühlen. Ich aber atme
weiter ruhig durch das Mundstück meiner
Sauerstoffmaske. Oder versuche es zumindest. Panik ist jetzt nicht erlaubt. Dicht hinter mir gibt mir mein Tauchguide Alban ein
Gefühl von Sicherheit. Alles wird gut. Und
ich beginne ihn zu genießen, meinen Trip
ins eiskalte Ungewisse.
Ins Wasser geht es in Tignes, rund
160 Kilometer östlich von Grenoble. Tignes
ist eines dieser künstlichen Skiresorts in den
französischen Alpen. Wie mit dem Fingerzeig Gottes ausgesucht, haben die Franzosen an idealen Orten Retortenstädte aus
dem Boden gestampft. Auch Tignes bietet,
wie alle diese „Stations“, wenig Flair, aber
beste Pistenbedingungen. Wer Frankreich
als Skidestination wählt, dem geht es nicht
um Alpenromantik, er kommt vor allem wegen des Sports. Meist führen die Pisten
direkt in die Skiorte hinein. Die letzte Abfahrt des Tages endet so direkt vor dem
eigenen Skikeller.
Nicht wenige der Stations können mit Superlativen um sich werfen. Savoyen ist eine
Region für Size-Queens: Um den Titel „größtes Skigebiet der Welt“ rangeln sich Portes
du Soleil und Trois Vallées. Val Thorens
prahlt, mit seinen 2.300 Höhenmetern höchster Skiort Europas zu sein. Tignes liegt nur
schlappe 200 Meter tiefer. Stolz ist man
hier darauf, 2013 schon zum vierten Mal die
Extremsportveranstaltung Winter X Games
auszutragen. Beim Superpipe oder Slopestyle zeigen Freestyler im eigens dafür angelegten Snowpark ihre waghalsigen Skiund Snowboardpirouetten.
Immer nur rauf und
runter? Langweilig!
Skiresorts müssen mehr
bieten – zum Beispiel
Eistauchen.
Carsten Bauhaus hat sich
in Tignes fallen lassen ins
eiskalte Abenteuer.
Die sportlichen Möglichkeiten von Tignes
ziehen vor allem junge Leute an. „Familien
sind bei uns falsch“, so die offensive Position von Pressesprecherin Stéphanie Aillet.
Als sie hört, dass ich für einen queeren Verlag arbeite, läuft sie zur Höchstform auf:
„Mehrere Jahre hatten wir die European
Gay Ski Week zu Gast“, prahlt sie. Die allerdings hat Tignes inzwischen an Alpe d’Huez
verloren – zu ihrem großen Bedauern. 2013
aber wird diese Scharte ausgewetzt: Tignes
ist Austragungsort des European Snow
Pride (siehe Infoteil). Auch die Imagebroschüren von Tignes kommen alles andere
als bieder daher: Ein muskelbepackter Kerl
zieht nackt eingeschirrt eine Fetisch-Domina den Berg herunter. Inhaltlich zwar klar
hetereosexuell, ästhetisch aber eindeutig
gay. Spießig ist was anderes.
Die Konkurrenz der Alpenskiresorts ist
hart: Nicht nur in der Werbung versuchen
sich die Orte voneinander abzuheben. Neben
dem Snowpark und den vielen Off-Pisten
bietet Tignes als besondere Attraktion Eistauchen im nahen Lac de Tignes an. Nach
vier Tagen immer wieder rauf und runter
finde auch ich, dass es Zeit für eine Abwechslung ist. Warum also nicht mal was
ganz neues ausprobieren? Eistauchen – das
klingt abgefahren.
Vor der kleinen Holzhütte am Rande des
Sees warten schon unsere Guides auf uns.
Die Zeit vertreiben sie sich mit Herumflachsen. Der blonde Alban ist für mich bestimmt.
Als er hört, dass ich noch nie zuvor getaucht
habe, tut er erschrocken. Angst ist offensichtlich ein essenzieller Bestandteil des
Vergnügens. Alban selbst leitet seit neun
Jahren die kleine Tauchschule. Das muss als
Erfahrung für uns beide reichen, finde ich.
Nachdem ich umständlich in den Neoprenanzug gequetscht worden bin, werde
ich rüber ans Loch geführt. Inzwischen bin
ich mir gar nicht mehr so sicher, ob Eistauchen unbedingt Bestandteil meiner
Biografie sein muss. An ein Zurück
ist jetzt aber nicht mehr zu denken.
Langsam tauche ich in das eiskalte
Queer TraveL 2/2012 23
Fotos: Alban Michon / Tignes Développement,
re. u.: Monica Dalmasso, Tignes Développement
WINTERTOUREN
Magische Farben unter Wasser: Weil das
Eis nicht überall gleich dick ist, erscheint
das Licht fast irreal.
24
Queer TraveL 2/2012
dazu bildet das dumpfe Geräusch des Sauerstoffgeräts. Ansonsten herrscht Totenstille.
Fast intim ist es hier unten.
Kleine Luftbläschen kleben dicht unter
der Eisdecke. Alban zeigt mir, wie man sie
mit den Fingern zum Tanzen bringt. Die
ganze Zeit bleiben wir relativ dicht unter
dem Eis. Ganz zum Schluss lässt mich Alban
doch noch einmal frei. Ganz alleine darf
ich tiefer tauchen, sehe Felsen und Algenwuchs am Grund des Sees. An den Fingern
wird es jetzt doch ganz allmählich kalt. Kein
Wunder: Ganze drei Grad ist der See warm.
Der Rest des Körpers aber scheint immer
noch gut geschützt – auch als wir nach
20 Minuten wieder auftauchen.
Die Rückkehr in die Welt dort oben fühlt
sich an wie eine kleine Wiedergeburt. Den
ganzen Rest des Tages bin ich euphorisiert.
Der Ausflug in die gefahrvolle Tiefe hat
meine Gehirnchemie auf Hochtouren gebracht. Das Stammhirn, das kein Denken
kennt, meldet Todesgefahr und lässt Adrenalin ausschütten. Das hoffentlich intelligentere Großhirn muss tapfer dagegenhalten und die Sache durchziehen. Schließlich
besteht beim Eistauchen nicht
wirklich eine Gefahr – oder? Der
eigentliche Trip passiert – wie
so oft – im Kopf.
CARSTEN BAUHAUS
Angst verbrennt mächtig
Kalorien. Nach überstandenem
Eistauchen schmeckte Carsten
Bauhaus das traditionelle
Raclette in gemütlicher Runde
umso besser.
Foto: Stefan Schwenke
Nass ab. 20 Minuten lang werde ich hier unten gefangen sein. Von hinten spüre ich
Alban, der mich sanft führt. Vor meiner
Taucherbrille taucht seine Hand auf: Das
„Okay“-Zeichen. Ich antworte wie verabredet mit der gleichen Geste: Noch scheint
tatsächlich alles okay.
Von draußen hat es ausgesehen, als würde man in ein dunkles, schwarzes Loch eintauchen. Hier unten aber stellt sich alles
ganz anders dar: Licht und Farben zeichnen
ein psychedelisches Bild. Strahlendes Blau
geht in schimmerndes Grün über – daneben
flackern unendlich viele Facetten von Weiß
und Grau.
Offensichtlich ist die Eisschicht nicht
überall gleichmäßig dick. Den Soundtrack
Genf
Anzeige
Grenoble
Turin
Tignes
Arosa Gay Skiweek – Schweiz
WANN?
Von Dezember bis April bieten sich aufgrund der Höhenlage
in Tignes beste Skibedingungen. Von Ende Juni bis Anfang
September gibt es Sommerski-Möglichkeiten.
Events: Winter X Games vom 20.–22. März 2013,
direkt im Anschluss vom 23.–30. März 2013 European
Snow Pride. Infos: europeansnowpride.com
Der Schweizer Wintersportort Arosa lädt nächsten Winter bereits zum neunten
Mal zur Gay Skiweek. Vom 6. bis 13. Januar 2013 werden wieder Gäste aus
der ganzen Welt erwartet, um eine Woche lang Gay Winter-Fun zu erleben
und feiern. Arosa gilt als schneesicherer Ort, der aufgrund der Toplage von der
Sonne verwöhnt wird und vom Wind verschont bleibt. Kein Wunder also,
wurde aus dem kleinen Anlass von einst heute eines der beliebtesten Winter
Pride Festivals Europas! Auch dieses Jahr heißt es wieder: Pulverschnee-Pisten
bei traumhaftem Wetter genießen und dann im Liegestuhl auf der Tschuggenhütte entspannen. Natürlich ist Arosa auch für nicht Skifahrer geeignet: wunderschöne Wanderwege, Schlitteln, Berg-Spa und Pferdekutsche sind nur ein
paar Alternativen. Legendär sind auch die Apres-Ski und Party-Abende.
Zu den Programmhighlights der Arosa Gay Skiweek 2013 zählen unter anderen das klassische Konzert in der Dorfkirche, die Poolparty, der Fondueabend
mit Nachtschlitteln und das „Drag-Queen Race“.
Insgesamt bieten 10 gay-friendly Partnerhotels und mehrere Ferienwohnungen Unterkunft für jedes Budget und jeden Wunsch. Mehr dazu findest Du
schon jetzt auf unserer Website: www.gayskiweek.ch
WO?
Rund 160 Kilometer östlich von Grenoble bildet Tignes
zusammen mit Val d’Isère das Skigebiet
Espace Killy: 133 Pisten mit einer Gesamtlänge
von rund 300 Kilometern.
WAS?
Eistauchen bietet die École de plongée sous glace de
Tignes direkt am Lac de Tignes an. Infos: tignesplongee.com
WIE?
Schon von 2008 bis 2010 war Tignes Gastgeber der European
Gay Ski Week. Auf die Bedürfnisse eines queeren Publikums
sind Hotels, Bars und Clubs bestens eingestellt.
ESSEN
Le Garttalu (deftige savoyische Küche, Raclette und Fondue)
Le Chalet Bouvier (traditionelle französische Küche)
Le Table en Montagne (französische Küche und regionale
Spezialitäten)
GAY-only Ski Hotel
WOHNEN
Ecrin du Val Claret (3 Sterne), www.ecrinduvalclaret.com
ALLES WEITERE
tignes.net (Tourismus-Info)
Weitere Artikel unter queer-travel.net
Foto: Urs Küenzi
15 moderne Zimmer, direkt gegenüber der Gondelbahn
zur
, Österreichs größtem Skigebiet.
Inmitten der herrlichen Bergwelt Tirols gelegen
und nur ca. 1 Std. von München entfernt.
Mautfrei über die A93, Ausfahrt Kufstein-Süd
oder auch mit dem Zug erreichbar.
3 für 2 Special 23.09. - 27.10.2012
3 Nächte zum Preis von 2 - nur mit Vorab-Reservierung!
Superskiwochen
08.12. - 22.12.2012 z.B. 4 Nächte 3 Tage Skipass
mit Skipass für die Skiwelt Wilder Kaiser
ab
pro Pers.
239,-
Haus Romeo z Blaiken 71 z 6351 Scheffau z Tirol/Österreich
Telefon 0043 5358 431310 z Email [email protected]
Regenbogen on ice: 2008-2010 war die European Gay Ski Week
in Tignes zu Gast, im März 2013 garantiert der European Snow
Pride Spaß bei der Abfahrt und beim Après-Ski.
3
Fotos: Lothar Henke (u.),
Robert Niedermeier (li. u. Mitte)
TAGE IN …
Viel zu entdecken:
Abseits vom Ballermann locken in
Palma nicht nur
entspannte schwule
und lesbische
Restaurants wie das
Coto (o.), sondern
auch Kathedrale und
Meer.
Palma de
Mallorca
SHOPPEN
Auf der Einkaufsmeile Borne, die sich von
der Kathedrale in Hafennähe bis zur Plaza
Rey Juan Carlos ausdehnt, präsentiert sich
Luxus im Überfluss – in Gestalt weltbekannter Modemarken. Hipper ist es im eigentlichen Hotspot Palmas zwischen den Plazas
Mercat und Major. Vintage-Mode der heimischen Designerin Marga Mayol steht etwa
im Piel de Gallina neben Labels wie Drykorn
zur Auswahl. Ein paar kleine Läden weiter,
im Addict, finden alle Geschlechter TrendMode aus ganz Europa. Tipp: Nach heimischen Modeprodukten fragen.
SCHWUL UNTERWEGS
Palma ist kein schrilles Ibiza, doch aufregende Abwechslung zum Alltag bietet auch
die Metropole der Balearen. Die meisten
Schwulen-Lokale finden sich in Palma auf
oder parallel zur Calle Juan Miró. Männerlo-
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Queer TraveL 2/2012
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Dezent statt schrill!
Mehrere Millionen deutsche Touristen besuchen jedes
Jahr Mallorca. Die Inselhauptstadt Palma beeindruckt
mit der mächtigen Kathedrale Le Seu (1), die fast
direkt am Meer liegt und sich im See der Parkanlage
vor dem Gotteshaus spiegelt. Doch Palma bietet
neben Postkartenklischees auch die Vielfalt einer
Großstadt. Robert Niedermeier stellt die manchmal
versteckten schwullesbischen Seiten der 400.000Einwohner-Metropole vor.
Altstadt
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kale überwiegen, Frauen ist manchmal der
Zutritt verwehrt, zum Beispiel in der Schwulensauna Aries (2 ). Nur für Männer öffnet
auch das Dark auf Klingel-Order seine Pforten. Eine kleine Bar offeriert gekühltes Bier,
hinten vergnügen sich Abenteuerlustige
im abgedunkelten Bereich. Techno- und
Electro-Sounds huldigen Schwule und halbnackte Bisexuelle im Club La Demence (3 ).
Der Club residierte zuvor in einem Industriegebiet im Nordosten Palmas und zog
jetzt in die Nähe des Hafens. Populär ist die
Schwulen-Disko Euphoria (4 ).
LESBISCH UNTERWEGS
In der eher alternativen Bar Flexas (5 ) inmitten des Trend-Viertels Sa Gerrería treffen
Schwule und Lesben in trauter Gemeinsamkeit bei Tapas und Wein aufeinander. Frauen
bleiben in der Lesbenbar ISI-Pub (6 ) unter
sich. Beliebt ist auch das Coto (7 ), das mit
kunterbunter Einrichtung und gutem Essen
besticht. Sportliche Frauen mit einem Hang
zur Spiritualität sollten sich unbedingt bei
Evelyn Maria Augustin (raumgold.com)
melden. Die deutsche Mallorca-Residentin,
selbst mit einer Frau liiert, bietet geführte
Wandertouren an. Das Ziel: die energetischen Hotspots der Insel.
UMGEBUNG
Die Gipfel des Tramuntana-Gebirges erheben sich bis auf 1.500 Meter über den blauen Meeresspiegel und sind sogar von Palma
aus sichtbar. Schroffe Felsen, grüne Auen
und magisch anmutende Nebelbänke lohnen einen Ausflug. Und weil Mallorca nicht
Ibiza ist, gilt die Devise: Dezent statt schrill.
Weitere Städtetrips: queer-travel.net
Robert Niedermeier gefällt
an der kulturreichen Inselhauptstadt Palma der Kontrast zwischen alternativer Subkultur und
zur Schau gestelltem Luxus.
Fotos: Daphne Channa Horn (li.), Mediabank ATCB (u.)
Fotzocredit
Fotos: Bump Bar (u.), iStock/Elisabeth Aardema (re.)
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TAGE IN …
Mehr Brücken als
in Venedig überspannen die zahllosen Grachten.
Nie weit vom
Wasser entfernt
sind die Bars
und Clubs – wie
hier das eher
schwule Bump
(re. u.).
Höhepunkt des Gay Pride: Tausende jubeln bei der
Kanalparade Aktivistinnen und Aktivisten auf den
Schiffen zu.
Amsterdam
Auf allen Kanälen
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Trotz des politischen Rechtsrucks der Niederlande und des Aufstiegs des
Populisten Geert Wilders steht Amsterdams Ruf als eine der offensten
Städte Europas wie in Stein gemeißelt. Dem regen Partyleben der Hauptstadt hat die abnehmende Toleranz des Landes keinen Abbruch getan.
Hauptverkehrsmittel im Zentrum sind „Fietsen“, Fahrräder – mit ihnen
ist alles entspannt zu erreichen. Gut für die Umwelt und gut, um schwullesbische und queere Hotspots zu erkunden.
LESBISCH UNTERWEGS
Eine lesbische Institution ist die Bar Vivelavie (1 ), die seit 31 Jahren Frauen und
Freunde begeistert. Die mittlerweile meist
gemischten Partys ziehen mit Vorliebe
durch die Stadt – dazu gehört die schicke
Girlesque ebenso wie die stylische Rumour
Has It, auf der jungsche Hipster jeder Orientierung miteinander feiern. Wer seine Zwanziger hinter sich gelassen hat, sollte sich an
einem dritten Samstag zur Garbo For Women aufmachen. Die Veranstaltung steigt im
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Strand West am Ufer der Ij, die die Stadt mit
dem Ijsselmeer im Osten und der Nordsee
im Westen verbindet. Ab vom Mainstream
etabliert sich eine aufstrebende queere
Szene – Festivals wie Queeristan oder Partyreihen wie WTF im besetzten Haus Vrankrijk (2 ) sprechen ein politisch linkes Publikum an. In diesem Umfeld tummeln sich
auch die Getto Girls zur gleichnamigen Party in der Getto Bar (3 ).
SCHWUL UNTERWEGS
Das schwule Leben sammelt sich in und um
die Reguliersdwarsstraat, die in den letzten
Jahren aus einer kleinen Krise herausgefunden hat. Nach einem nachmittäglichen
Lunch im berühmten Downtown (4 ), offen
bis 20 Uhr, lockt die Reality Bar, ein Hotspot
der schwulen surinamischen und latin Community. Das Café Soho, eine der größten Gay
Bars Amsterdams, und das ehemalige Exit,
das als Club NyX (5 ) im September frisch eröffnet, laden zum Chillen und Tanzen ein.
Wenige Straßen weiter liegt das Bump (6 ),
das 2011 zur besten schwullesbischen Location gewählt wurde. Queerer geht es bei
der sonntäglichen Party De Trut zu, bei der
Heterosexuelle explizit unerwünscht sind –
eine Tradition, die bis in die frühen Achtziger reicht. Aus den Gewinnen der Partys unterstützt das Kollektiv queere, schwule und
lesbische Organisationen und Aktionen. Generell lohnt ein Besuch beim Infokiosk Pink
Point am Homomonument (7 ).
KANALPARADE
Ein absolutes Highlight ist die Kanalparade
während des Gay Pride. Vor 16 Jahren nahm
die ihren Anfang, 2012 schipperten bereits
80 Boote über die Grachten. Am Rand jubeln
reihenweise Besucherinnen und Besucher
den aufgerüschten Schiffern zu, im Rahmenprogramm gibt es Ausstellungen, Führungen und Sportveranstaltungen. Mehr geht
nicht.
Weitere Städtetrips: queer-travel.net
Tania Witte liebt drop und
stroopwafels, dünne Waffeln mit
Karamell. „Amsterdam will mit
dem Rad erkundet werden, mit
dem eigenen oder auf Stangen
und Gepäckträgern netter Menschen – immer im Damensitz!“
Foto: Risk Hazekamp
GRACHTEN
Amsterdam wird von befahrbaren Wasserwegen durchzogen, die insgesamt eine Länge von 80 Kilometern haben. Sie fließen in
mehreren Ringen durch die gesamte Innenstadt – zwangsläufig hat Amsterdam dreimal so viele Brücken wie Venedig und bietet
nicht weniger Charme. Grachtenrundfahrten abseits der Touristenboote haben einen
eingebauten Romantikfaktor und taugen
perfekt als Beziehungsstifter.
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MEINUNG
NUR KURZ, aber Bovec ist stark geblieben und hat
die der gefälligen Behauptung gefolgt sind, Lesben
dem homofreundlichen Zeitgeist widerstanden. Der slo- und Schwule seien deutlich konsum- und reisefreudiger
wenische Touristenort nahe der italienischen und öster- als ihre heterosexuellen Nachbarn. Seitdem bemüht sich
reichischen Grenze hatte in seinem aktuellen Sommer- selbst das kleinste Kaff mit besonders homofreundlichen
katalog einen neuen Slogan eingeführt: „Homosexuals Programmen um die vermeintlich betuchte Klientel. Es
unwanted“, daneben als Piktogramm die jeweils mit- ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis auch sie
einander verbundenen weiblichen und männlichen herausgefunden haben, dass hier das Geld auch nicht
Geschlechterzeichen durchkreuzt. Doch die tapfere Ges- lockerer sitzt als anderswo. Die Werbeindustrie musste
vor Jahren schon ihre speziellen
te hat den Sommer nicht überPR-Programme einstellen, als
lebt, nach öffentlichen Protesten
Elmar Kraushaar
herauskam, dass Lesben und
musste das FremdenverkehrsSchwule als richtungsweisender
amt der Stadt die Warnung wieTestmarkt doch nichts taugen.
der streichen. Denn eines sollen
Und doch wollen wir auf
die aus Bovec jetzt auch lernen:
den „gayfriendly“-Trend nicht
Mehr Geld bringt angeblich die
mehr verzichten. Wir wissen es
gegenteilige Losung, und die
zu schätzen, dass wir ein Dopheißt „gayfriendly“.
pelbett bekommen, wenn wir
Was immer das auch heißen
mag, dieses „gayfriendly“, es hat sich durchgesetzt, in gleichgeschlechtlich auftauchen. Dabei verfluchen wir
vielen Touristenregionen weltweit locken Hotels, Bars insgeheim unsere Anspruchslosigkeit und dass wir
und Restaurants mit dieser Empfehlung und einem de- schon bereit sind, Qualitätsurteile für etwas zu verteizenten Regenbogenaufkleber nebendran. Werden auch len, was eigentlich völlig selbstverständlich ist. Deshalb
Lesben und Schwule hier bedient und nicht gleich wie- sollten wir alle auf den Tag hinarbeiten, an dem uns
der vor die Tür gesetzt? Gibt es besonders geschmack- kein „gayfriendly“ mehr von Hotel- und Restauranttüren
voll eingerichtete Suiten oder zickige Menüs mit viel entgegenblinkt.
Chichi? Gehört ein Darkroom mit zur Hotelanlage oder
sind alle Toiletten unisex? Ist gar die Hotelchefin ’ne
Lesbe und sind all die attraktiven Kellner schwul?
Nichts Genaues weiß man nicht, nur so viel: „Gayfriendly“ heißt gar nichts. Jeder kann sich das an die
Eingangspforte pappen und fast niemand kontrolliert,
was dahintersteckt. Einzig in den USA erstellt die LGBT- ELMAR KRAUSHAAR lebt in
Berlin. Der Journalist und Autor
Organisation „Human Rights Campaign“ alljährlich ei- schreibt seit nunmehr 17 Jahren
nen „Corporate Quality Index“, der das lesbisch- für die taz die Kolumne „Der
schwule Entgegenkommen der Unternehmen bewertet. homosexuelle Mann“. Seine letzte
Buchveröffentlichung: „Freddy
Ansonsten gilt die Devise: Hauptsache es bringt Quinn – Ein unwahrscheinliches
Geld. Und die Tourismusbranche gehörte zu den ersten, Leben“ (2011).
IMPRESSUM
QUEER TRAVEL erscheint
deutschlandweit in einer Auflage
von 100.000 Exemplaren als Sonderveröffentlichung der Zeitschriften
SIEGESSÄULE Queer Berlin, L-MAG
Magazin für Lesben und DU&ICH
Das schwule Magazin sowie in freier
Verteilung. QUEER TRAVEL ist
Medienpartner der ITB Berlin.
VERLAG
Special Media SDL GmbH,
Ritterstr. 3, 10969 Berlin,
Tel.: (030) 23 55 39-0
HERAUS GEBERINNEN
Gudrun Fertig, Manuela Kay
REDAKTION
Elke Koepping (V.i.S.d.P.)
([email protected]),
Tobias Sauer, Manuela Kay
Foto: Sven Gebert
Bitte recht
gayfriendly!
GRAFIK
Katharina Zettl
ONLINE
Philip Eicker ([email protected])
COVERFOTO
Gerardo Azar, Buenos Aires
([email protected])
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Sabina Saracevic
([email protected])
ILLUSTRATIONEN S. 16/17, 30
Eléonore Roedel (ro-edel.de)
DRUCK
Möller Druck, Berlin
CREATIVE DIRECTOR ONLINE
Gudrun Fertig
Nein. Das arktische Eis schmilzt infolge
der Erderwärmung immer schneller. Diesen
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(c) Beltra / Greenpeace
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