saftiges grün ohne zu giessen

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saftiges grün ohne zu giessen
PRODUKTION
Immer häufiger aus Kunststoff:
der stark strapazierte Rasen
von Sportplätzen
SAFTIGES GRÜN OHNE ZU GIESSEN
INNOVATIVE EXTRUSIONSTECHNIK FÜR DIE PRODUKTION VON KUNSTRASEN Kunstrasen findet immer
mehr Fans. Außer im schnell wachsenden Sport- und Freizeitbereich kommt das Grün aus Polymeren verstärkt
im Hotel-, Haus- und Landschaftsbereich zum Einsatz, insbesondere in Regionen mit wenig Niederschlag und
Restriktionen bezüglich der Rasenbewässerung. Ein neues Herstellungsverfahren ermöglicht es den künstlichen Grashalmen, unterschiedlichen Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden.
D
er Markt für Kunstrasen ist ein
Wachstumsmarkt. Die Tabelle
zeigt die gegenwärtigen und zu
erwartenden Produktionsmengen auf.
Der Markt für Sportapplikationen liegt
momentan in Europa bei zirka 10 000
Feldern pro Jahr. Dies entspricht einer
jährlichen Produktion von etwa 50 000
Tonnen. Insgesamt gibt es allein in Europa zirka 100 000 Sportfelder, die in den
nächsten zehn Jahren aufgrund von Kostenvorteilen umgerüstet werden. Begünstigt wird diese Entwicklung dadurch, dass die FIFA seit Februar 2004
auch Kunstrasenbeläge zulässt. Aufgrund der Wasserknappheit in den südlichen Ländern wird der Landschaftsbereich (Landscaping) einen noch größeren Markt entwickeln. Alleine in San
Diego gibt es bereits zirka eine halbe Million Haushalte, die jeweils rund 200 Quadratmeter Kunstrasen vor der Tür haben.
Inzwischen ist in Kalifornien das Bewässern von Naturrasenflächen nicht mehr
Autor
Dr. Ulrich Berghaus, Technischer Leiter,
Reimotec Maschinen und Anlagenbau,
Absteinach, [email protected]
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Plastverarbeiter · Oktober 2009
erlaubt. Davon ausgehend, dass nur die
Stadt San Diego nun komplett auf Kunstrasen umstellen wird, beträgt der Bedarf
allein für diese Stadt zirka 100 Millionen
Quadratmeter Kunstrasen. Für diese Fläche würden rund 100 Millionen Kilogramm Garn benötigt. Neben der Resistenz gegen Trockenheit sind es vor allem
die reduzierten Aufwendungen für die
Pflege und Instandhaltung, weshalb der
Einsatz von Kunstrasen rapide ansteigt.
Auch die Kommunen können hiervon
profitieren.
Die „Halme“ des Kunstrasens bestehen aus Bändchen (geschnittener Folie)
oder aus Monofilamenten (endlos hergestellte Einzelfäden). Momentan dominiert im Markt noch das „Bändchen“,
welches in einem speziellen Webverfahren „getuftet“ wird. Allerdings wird in
den nächsten Jahren das Monofilament
das Bändchen mehr und mehr ersetzen.
Vorteil des Monofilaments ist die in allen
Richtungen identische Knicksteifigkeit
und somit ein „isotropes“ Ballverhalten
gegenüber dem Bändchen.
Als Materialien werden eingesetzt:
Polyamid für Hockey, Landscaping,
Golf, American Football,
Polyethylen für Fußball, American
Football,
Polypropylen für Fußball, American
Football
Polyamid hat den Vorteil des hohen
Wiederaufrichtvermögens durch Wasseraufnahme, allerdings einen sehr schlechten Reibungskoeffizient zur Haut. PE,
speziell Linear Low Density Polyethylene
(LLDPE), hat einen sehr guten Reibungskoeffizient zur Haut, aber ein schlechtes
Wiederaufrichtvermögen. PP liegt beim
Reibungskoeffizienten etwas schlechter
als LLDPE, aber besser als PA und hat ein
etwas besseres Wiederaufrichtvermögen
als PE, aber ein viel schlechteres als PA.
Im Landscaping wird nur PA eingesetzt,
da PE und PP schon bei 80 °C beginnen,
ihre Festigkeit zu verlieren. PA ist hingegen bis zu einer Temperatur von 120 °C
einsetzbar.
Trikomponententechnologie für
dauerhafte Schichtverbunde
Mit zunehmendem Einsatz steigen die
Anforderungen an die Kunstrasen. Gefordert werden zum Beispiel antimykotische, antibiotische und flammhemmende Eigenschaften. Ein weiteres Problem
speziell im Bereich Landscaping in sehr
heißen Regionen ist das Aufheizen der
Materialien. Bei einer Temperatur von
40 °C im Schatten erreicht der Kunst-
NEUE TECHNOLOGIEN
Kunstrasen nach Maß
Benötigt wenig Pflege, ist hoch strapazierfähig und auch bei Regen bespielbar. Kein
Wunder, dass Kunstrasen immer häufiger
Einsatz findet. Die Anforderungen an die
polymeren Grashalme jedoch sind hoch.
Das Wiederaufrichtungsvermögen, der Reibungskoeffizient, die Temperaturbeständigkeit und weitere Faktoren müssen passen, damit sich zum Beispiel Fußballspieler
nicht verletzten und der Rasen auch optisch
den Anforderungen stand hält. Antimykotische, antibiotische und flammhemmende
Eigenschaften stehen noch auf der Wunschliste. Diese lassen sich vielleicht schon bald
mit Hilfe der Nanotechnologie erfüllen.
Aufbau eines neuartigen Multilayer-Kunstrasen-Monofilaments
rasen leicht eine Temperatur von 70 bis
80 °C, welche für Anwendungen im Freizeitbereich zu hoch ist. Eine zusätzlich
kühlende Wirkung durch einen innovativen Schichtaufbau ist damit ein erstrebenswertes Ziel.
Die Kombination von Anwendungseigenschaften lässt sich nur durch den
Einsatz mehrerer Schichten aus unterschiedlichen Materialien erzielen. So ist
zum Beispiel im Sportbereich gefordert,
dass der Kunstrasen ein in allen Richtun-
gen identisches Abrollverhalten, ein gutes Wiederaufrichtvermögen, aber auch
ein vorteilhaftes Gleitverhalten bei Stürzen bietet, um nicht die Hautoberfläche
der Sportler zu verbrennen. Um alle die
Anforderungen auf einmal zu erfüllen
hat das Reifenhäuser-Tochterunternehmen Reimotec ein Verfahren entwickelt,
mit dessen Hilfe dauerhaft haltbare
mehrschichtige Filamente hergestellt
werden können.
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PRODUKTION
Neue Generation von Kunstrasenteppichen: Glattes Garn, texturiertes Garn, Rasenteppich ohne Füllmaterial
gen zu erfüllen, allerdings werden die
Möglichkeiten eines mehrschichtigen
Aufbaus mit unterschiedlichen, bekannten Kunststoffen bald ausgereizt sein. Die
Nanotechnologie hingegen wird als eine
Schlüsseltechnologie betrachtet, welche
das Eigenschaftspotenzial gerade von
Kunstrasen massiv steigern könnte.
Als wichtige, bislang nicht umgesetzte
Funktionen wurden antimykotisch, antibiotisch sowie flammhemmend identifiziert. Die angestrebte Funktionalisierung
soll durch den Einsatz von Nanopartikeln
in einzelnen Schichten erfüllt werden
(Bild 1). Der Vorteil der Schichtintegration im Vergleich zum Auftragen einer zusätzlichen äußeren Schicht liegt in der
geforderten Strapazierfähigkeit, da nachträglich aufgetragene Systeme leichter
abgerieben werden können. Der Einsatz
von Nanopartikeln beim Mehrkomponentenspinnen von Kunstrasen-Monofilamenten ist bislang nicht bekannt
und stellt somit ein Novum dar.
Das Spinnen von Zweischicht-Monofilamenten bzw. Bikomponenten-Filamenten aus zwei unterschiedlichen thermoplastischen Kunststoffen ist grundsätzlich bekannt. Allerdings weisen viele
Bikomponenten-Filamente den Nachteil
auf, dass die beiden Schichten (Kern und
Mantel) nicht ausreichend aneinander
haften und somit beim Verstrecken delaminieren. Aus diesem Grund setzt Reimotec eine Haftvermittlungsschicht ein.
Mit dieser Trikomponenten-Technologie
gelingt es, die beschriebenen Probleme
zu verhindern und neue Materialkombinationen mit neuen Eigenschaftsprofilen einzusetzen. Beispielsweise wird
LLDPE für gute Gleiteigenschaften in der
Außenschicht eingesetzt, während der
Kern für ein gutes Wiederaufrichtungsvermögen aus PA besteht.
Ziel für die Zukunft: Nanotechnologie
Diese Entwicklungen sind eine gute Ausgangsbasis, um zukünftige Anforderun-
Marktentwicklung Kunstgras
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Europa, Bändchen
40
40
35
30
30
30
Europa, Monofilamente
20
30
40
50
60
70
USA, Bändchen
10
10
10
10
10
10
USA, Monofilamente
5
8
10
20
30
40
Asien, Bändchen
10
10
10
10
10
10
Asien, Monofilamente
1
5
10
50
70
100
Total, Bändchen
60
60
55
50
50
50
Total, Monofilamente
26
43
60
120
160
210
Total
86
103
115
170
210
260
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Produktionsmengen in
Tausend
Tonnen
Neue Entwicklungen im Bereich
Kunstrasensysteme zielen darauf ab, auf
die Füllung des Rasenteppichs mit Füllmaterialien, wie Kunststoffgranulate
oder Sand, zu verzichten oder auf ein Minimum zu begrenzen. Grund für diese
Entwicklung sind Umweltaspekte. So
wurde zum Beispiel 2005 die Verwendung von Gummireifenmaterial für Füllzwecke
publik.
Eine neue Generation von Grasgarnteppichen besteht deshalb aus texturierten und glatten Monofilamenten
(Bild 2). Der Einsatz von texturierten
Garnen ermöglicht den Verzicht oder die
Minimierung der so genannten InfillMaterialien.
Die Texturierung der Monofilamente
kann direkt inline während der Monofilament-Herstellung erfolgen oder offline in einem zweiten Arbeitsgang.
Bei der Texturierung wird die Rasenfaser
dauerhaft strukturiert. Dabei erhält
man gleichzeitig mehr Volumen im Rasen und eine bessere Längenausnutzung
der Faser.
Aktuelle Anlagenkonzepte ermöglichen die Herstellung von zweifarbigen
Garnen in einem Arbeitsgang. Die Kombinationsmöglichkeit von unterschiedlichen Farben, unterschiedlichen Monofilament-Querschnitten und FilamentStärken erlaubt die Herstellung von Rasenteppichen, die den aktuellen Anforderungen der Bereiche Sport und
Spiel, Landschafts- und Gartenbau sowie
Wellness gerecht werden.
KONTAKT
Reifenhäuser Extrusion, Troisdorf,
Halle A6, Stand 6206