Immersion, Autorschaft und Erzählinstanzen

Transcription

Immersion, Autorschaft und Erzählinstanzen
Universität Bayreuth
Ältere Deutsche Philologie
Zulassungsarbeit im Staatsexamen
Betreuer: Ralf Schlechtweg-Jahn
Literaturtheoretische Aspekte (Immersion, Autorschaft und Erzählinstanzen) im
Medium des Videospiels am Beispiel von Assassins Creed.
Felix Möbius
Bayreuth, den 29.03.2010
1
Inhaltsverzeichnis.
I. Einleitung. ………………………………………………………………………….S. 3 – 7.
I.1.Start: Der Anfang einer Geschichte……………………………………………...S. 3 – 4.
I.2. Zielsetzung……………………………………………………………………...…S. 4 – 6.
I.3. Das Spiel Assassins Creed……………………………………………………...…S. 6 – 7.
II. Immersion…………………………………………………………………………S. 8 - 18
II.1. Immersion im Film………………………………………………………………S. 9- 10
II.2. Immersion in Videospielen……………………………………………………S. 10 - 17
II.2.1. Immersion bei AC……………………………………………………………S. 12 - 17
II. 3. Fazit…………………………………………………………………………….S. 17 - 18
III Der Spieler, Mitautor im Videospiel……………………………………………S. 18 - 38
III. 1. Ein Autor im Videospiel?.................................................................................S. 18 - 23
III. 2. Theorie der Struktur nach Wages…………………………………………...S. 24 - 33
III. 2.1 Anwendung der Theorie auf ein Beispiel aus Assassins Creed…….……S. 28 - 33
III. 3. Fazit und Diskussion eines „open-world“ Prinzips für AC…………….….S. 33 – 36
IV. Erzählinstanzen in Videospielen, ein Guide/Erzähler?....................................S. 37 – 59
IV. 1. Grundlagen der Erzähltheorie, Erzählung und Erzähler…………...…….S. 37 – 39
IV. 2. Erzählinstanzen im Film……………………………………………………..S. 39 – 42
IV. 3. Die Erzählinstanzen im Videospiel………………………………………….S. 42 – 58
IV. 3. 1. Der Avatar Altair als Erzählinstanz. …………………………………….S. 42 – 47
IV. 3. 2. Der Avatar Desmond als Erzählinstanz………………………………….S. 48 – 50
IV. 3. 3. Die NPC’s als Erzählinstanz und Guide, ein Guide/Erzähler. …………S. 50 – 58
IV. 3. 3. 1. Prof. Vidic: …………………………………………………...…………S. 53 – 55
IV. 3. 3. 2. Al Mualim:…………………………………………...………………….S. 56 – 57
IV. 3. 3. 3. Weiter NPC’s:…………………………………………………………...S. 57 – 58
IV. 4. Fazit...…………………………………………………………………………S. 58 – 59
V. Abschlussbetrachtung……………………………………………………………S. 59 – 60
VI. Literatur und Quellen………………………………………………...…………S. 61 - 65
2
I. Einleitung
I.1.Start: Der Anfang einer Geschichte.
Nachdem man das Setup gemacht hat, das Spiel also in die Konsole eingelegt hat, den
Startknopf betätigt hat und sämtliche Menüs hinter sich gelassen hat, befindet man sich direkt
an dieser Stelle.
Vorher erstellt man ein Profil, die Auswahlmenüs erinnern dabei an Menüs von DVD’s. Im
Hintergrund läuft bereits ab, was später auch im Spiel an einer oder anderer Stelle auftauchen
wird. Bei Assassins Creed2 ist der Einstieg einfach, man startet, gibt einen Namen für sein
Profil ein und befindet sich in einer vorgefertigten Startsequenz. Sofort kann aber auch
Einfluss genommen werden. Es besteht die Möglichkeit herum zu gehen. Die Umgebung ist
verschwommen, schemenhafte Frauengestalten umwandeln einen. Kurze Zeit später ertönt
eine Stimme aus dem Hintergrund und es wird davon erzählt, dass man nicht in der Lage sei,
einen in seiner Erinnerung zu verankern. Die Bilder werden schneller und verschwimmen.
Die Stimme aus dem Hintergrund versucht einen zu beruhigen. Nach einer Weile wilden
Herumlaufens wird davon gesprochen, dass man aus der Erinnerung befreit werde. Einige
Lichtblitze später findet man sich in einem Labor wieder. Die Perspektive wechselt von einer
Aufsicht in eine Egosicht und von da in die Sicht einer Überwachungskamera, die sich
irgendwo in einer Ecke des Labors befindet.
1
http://www.youtube.com/watch?v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0,
25.01.2010 10:50, 1:00 min. Die Videos stehen wie auch die Manual zum Spiel auf der beigefügten CD Rom
zur Verfügung, die Videodateien sind mit dem Windows Media Player zu öffnen.
2
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird von mir für Assassins Creed die Abkürzung AC verwendet werden.
3
Das so genannte Videospiel - Intro ist abgelaufen. Aber es ist kein typisches Intro, der Spieler
selbst wird schon im Intro aktiv eingebunden, was eher untypisch ist. Ein typisches Element
für ein Videospiel ist die erwähnte Einstellung eines Profils.
Normalerweise jedoch folgt nach dem Erstellen eines Profils ein Intro, was mehr an einen
Kurzfilm erinnert. Ein Beispiel dafür ist das Intro zu GTA IV3, dieses wirkt wie besagter
Kurzfilm, es tauchen verschiedene Namen der Produzenten auf und die Figuren agieren
selbstständig. Man befindet sich zwar schon in der Spielgrafik, ist jedoch noch nicht aktiv
beteiligt.
Somit stellt AC schon hier fest, dass es den Anspruch erhebt einen hohen Grad an Immersion
zu erzeugen. Den Spieler sozusagen schon sehr früh mit ins Boot holt, wenn es darum geht
die Geschichte voranzutreiben.
Bevor jedoch damit begonnen wird das Spiel auf seine Besonderheiten hin zu untersuchen,
soll an dieser Stelle eine kurze Einführung gegeben um welches Spiel es sich handelt und wie
sich diese Arbeit darstellt.
I.2. Zielsetzung.
Gesamtziel der Arbeit soll es sein, bestehendes Wissen der Erzähltheorie über Immersion,
Erzähler und Autor für das relativ neue Medium Videospiel anbindungsfähig zu machen und
darüber eine Theorie für ein Herangehen an dieses Medium auf wissenschaftlicher Ebene zu
schaffen, damit es in der Folge eventuell gelingt eine neue Theorie für die Bearbeitung zu
etablieren.
In dieser Arbeit steht das Spiel Assassins Creed (AC) im Mittelpunkt der Betrachtung. AC
wurde 15. November 2007 als eines der meisterwarteten Spiele von der Firma Ubisoft
veröffentlicht. Verantwortlich für die Entwicklung waren neben Jade Raymond mehr als 300
Mitarbeiter.4
Ziel dieser Arbeit soll es aber nicht sein die Arbeit von Ubisoft zu bewerten, sondern vielmehr
einzelne Aspekte, die sich bei der Betrachtung des Spieles ergeben zu bearbeiten. Diese
Arbeit untergliedert sich neben der Einleitung in drei Hauptfelder. Zum einen wird sich mit
dem Effekt der Immersion beschäftigt werden, daneben wird aber auch das Thema der
Autorschaft in den Blick geraten. Das Hauptaugenmerk liegt im Abschnitt der Autorschaft auf
3
http://www.youtube.com/watch?v=xO8evIg2ojQ 25.01.10, 11:13.
http://de.wikipedia.org/wiki/Assassins_creed , 25.01.10, 11:24, Dieser Fakt wird später noch einmal interessant
werden, wenn es im die Frage der Autorschaft geht.
4
4
der Frage, ob der Spieler, welcher im Verlauf der Arbeit als aktiver bzw. passiver Rezipient
bezeichnet werden wird, in einer Verbindung zum Autor steht, oder ob er Mitautor seiner
Geschichte während des Spiels ist. Der Terminus Geschichte bezeichnet im Folgenden das
vom aktiven Rezipienten beeinflusste Geschehen, so wie die vom Spiel vorgegebenen
Szenen, die vom Spieler als passiver Rezipient wahrgenommen werden. Eine Unterscheidung
in einen passiven und aktiven Rezipienten ist meiner Meinung nach notwendig, da in der
Forschung Videospiele sehr oft als Hybridformen dargestellt werden.5 Somit ist es auch nötig,
den Rezipienten als eine hybride Form zu charakterisieren, um aber dem Rezipienten nicht
mit einem Autor gleich zu setzen, ist er als aktiver Rezipient bzw. Mitautor, der mit dem Spiel
über die Steuermöglichkeit des Controller agiert und als passiver Rezipient in seiner
klassischen Rolle in dieser Arbeit dargestellt. Durch diese Unterscheidung wird eine klare
Grenze gezogen zwischen einer Geschichte erleben (passiver Rezipient) und einer Geschichte
mitgestalten (aktivier Rezipient / Mitautor).
Wie schon an geklungen, beschäftigt sich diese Arbeit mit der Frage nach erzähltheoretischen
Aspekten in einem Videospiel, dabei ist eine wichtige Instanz der Erzähler. Als drittes
Hauptfeld soll der Frage nachgegangen werden, ob der Erzähler, wenn es einen solchen
wirklich in AC gibt noch eine weitere Funktion erfüllt, die Funktion eines Guides6 der dem
aktiven Rezipienten hilft, in dem er ihm Tipps gibt und der dem passiven Rezipienten die
Rahmenhandlung in seiner klassischen Funktion als Erzähler näher bringt. Um die
Guidefunktion nicht nur für AC zu reservieren, werden an betreffender Stelle auch andere
Videospiele zum Vergleich herangezogen werden.
Immersion, die Frage nach der Mitautorschaft des Spielers in seiner Funktion als aktiver
Rezipient und Guide/Erzählerfunktion sind am Beispiel von AC doppelt interessant, da das
Spiel eine Rahmenhandlung hat, die auf den ersten Blick zweigeteilt ist. Das Spiel vermittelt,
dass man einen Assassinen zur Zeit des dritten Kreuzzuges spielt. Diese Haupthandlung
wurde einem schon durch die Vorstellung des Spiels und seine Trailer vermittelt. 7 Alle
Trailer beziehen sich nur auf die Handlung Altairs. Überraschend ist dann die Tatsache, dass
neben der Handlung Altairs eine übergeordnete Handlung stattfindet in der Desmond der
Protagonist ist. Die Tatsache, dass es eine Art doppelter Rahmenhandlung vorliegt wird an
verschiedenen Stellen dieser Arbeit interessant werden. Vor allem in Bezug auf Immersion
und Guide/Erzählerfunktion.
5
Bruns, Karin: Game over? Narration und Spannung im Computerspiel. In: kultuRRevolution 45/46 (2003), S.
85 – 89.
6
Vgl. Bruns, Karin.
7
http://www.youtube.com/watch?v=zSKSIp93Cfk&feature=related , http://www.youtube.com/watch?
v=fIJmRxnsrIs , 25.01.10, 12:06.
5
Die Hauptfragen welche in dieser Arbeit verhandelt werden lauten also wie folgt: Wie stellt
sich der Effekt der Immersion in AC dar, ist der Spieler als aktiver Rezipient Mitautor einer
Geschichte und was ist eine Guide/Erzählerfunktion bzw. wie und wo taucht diese in AC auf?
Die Motivation bzw. anteilige Zielsetzung für diese Arbeit liegt in der Tatsache begründet,
dass Videospiele zwar schon seit einiger Zeit zu unserer Kultur gehören, jedoch in der
Kulturwissenschaft wenig Beachtung finden und als Jugendphänomen abgestellt werden.
Verschiedene Vorfälle der jüngeren Vergangenheit rückten sie zwar ins öffentliche und auch
wissenschaftliche Interesse, jedoch zum Bedauern nur in negativer Hinsicht, als Auslöser für
Gewalttaten. Somit soll durch diese Arbeit auch ein Betrag gegeben werden, um Videospiele
nicht nur als Zeitvertreib und eventuelle Anleitung zu Gewalttaten zu verstehen, sondern sie
als das zu sehen was sie sind. Nämlich eine Kunstform, die ebenso wie ein Buch oder auch
ein Film zu unserer Medienkultur zu rechnen sind und literaturwissenchaftlich betrachtet auch
ähnliche Phänomene enthalten und somit auch einer ähnlich relevanten Analyse bedürfen.
I.3. Das Spiel Assassins Creed
Bevor es zur Bearbeitung der drei oben genanten Hauptfragen kommt, wird im Folgenden
Abschnitt kurz auf das Spiel AC als solches eingegangen.
Das Spiel AC hat wie erwähnt eine doppelte Rahmenhandlung. Eine der Handlungen spielt in
naher Zukunft dem Jahr 2012. Abstergo Industries, eine Organisation die sich als moderner
Templerorden entpuppt, hat den Barkeeper Desmond Miles entführt. Dieser wird unter der
Aufsicht und Betreuung von Prof. Warren Vidic einem Verfahren unterzogen, bei dem er
seine genetischen Erinnerungen mit Hilfe einer Maschine, dem Animus, durchleben soll, um
die restlichen Teile eines Artefaktes zur Massenhypnose, dem Edensplitter, zu finden. Mit
Hilfe des Animus soll Desmond nun die Erinnerungen seines Ahnen Altaïr (arabisch für der
Fliegende bzw. Adler) im Jahr 1191 zur Zeit des Dritten Kreuzzuges durchleben. Altair,
seines Zeichens Assassine, soll im Auftrag seines Ordensmeisters Al Muallim neun Attentate
verüben, um seine Stellung, nach einer Verfehlung seiner selbst, im Orden zu rekonstituieren
und dabei auch das Heilige Land von den Gefahren und vom Krieg zu befreien.8
Das Spiel ist als „open-world-game“ oder „sand-box“ game angelegt. Somit wird im Spiel
eine Freiheit suggeriert, tun und lassen zu können was man will. Tatsächlich ist Altair in
8
http://de.wikipedia.org/wiki/Assassin%E2%80%99s_Creed , 25.01.10, 12:26.
6
seinen Fähigkeiten den NPC’s9 durchaus überlegen. Jedoch unterliegt auch er der Physik, die
das Spiel vorgibt.
“When we discuss "open world games" in this article, or sometimes "exploration games," we mean
those games where generally the player is left to his own devices to explore a large world. What all of
these games share is the seeking of new, interesting regions at whatever time the player deems fit. No
force forces the player's motion into new areas. There's no auto-scroll, and there are no artificial
level barriers”.10
Jedoch ist auch die Freiheit die Welt ohne Grenzen erkunden zu können zweifelhaft, denn es
gibt Abschnitte der Welt, die erst nach bestimmten Aktionen erreichbar sind, so sind z.B.
bestimmte Stadtteile der großen zu spielenden Städte erst nach dem Erklimmen bestimmter
Aussichtspunkte, so wie der Annahme von Aufträgen frei zugänglich. Ein besonderer
Einschnitt bzw. eine Regel der Physik in der Welt von AC ist, dass Altair nicht schwimmen
kann. Somit ist die Freiheit, die im Spiel suggeriert wird, nur scheinbar. Dieser Fakt wird
später noch einmal wichtig, wenn es um die Immersion geht und auch an dem Punkt, wo der
aktive Rezipient zum einem Mitautor werden könnte. Für Desmond gilt, er hat die typischen
Möglichkeiten eines Entführungsopfers. Ganz nach dem Motto: „mach was dir gesagt wird
und vielleicht wird alles gut.“ Auch diese Tatsache wird bei der Immersion und der
Mitautorschaft noch einmal wichtig werden. Somit ist die vermeintliche Freiheit im Spiel
ebenso konstruiert, wie es das Spiel als solches sowieso schon ist.
Wie oben beschrieben soll im Anschluss das erste Kapitel folgen welches sich mit der
Immersion beschäftigt. Methodisch wird dabei so verfahren, dass für die Videospielanalyse
typische Begriffe immer an betreffender Stelle in den Fußnoten erklärt werden und ein
Verweis auf dafür spezifische Literatur gegeben wird.
II Immersion.
9
Non playable characters.
http://www.gamasutra.com/view/feature/1902/game_design_essentials_20_open_.php , 25.01.10, 12:30.
10
7
Eine der immer wieder gehörten Aussagen in der Bewerbung von Videospielen bezieht sich
darauf, dass die Firmen und Entwickler auf den hohen Realitätsgehalt ihrer Produkte
anspielen und propagieren, dass die Videospiele den Spieler förmlich in eine andere Welt
hineinziehen.11 Damit wird der Bereich der Immersion angesprochen, um den es im folgenden
Kapitel gehen soll.
Dabei wird folgendermaßen vorgegangen: Zuerst soll eine Begriffsdefinition gegeben werden
und veranschaulicht werden, wie sich Immersion darstellt und wie sie erreicht wird. In einem
zweiten Schritt wird eine Theorie der Immersion am Beispiel des Films vorgestellt und in
einem dritten Schritt versucht werden immersive Effekte in AC herauszustellen um eine
Aussage über das Phänomen der Immersion im Spiel AC treffen zu können.
Immersion stellt sich als ein Hineingezogen werden des Zuschauers, Lesers oder Benutzers
dar. Somit ist es kein Phänomen, welches sich nur auf Videospiele bezieht, sondern liegt in
verschieden starker Ausprägung auch in Literatur und Film vor.
Um dieses Hineingezogen werden zu erreichen werden in den verschiedenen Medien
unterschiedliche Techniken angewendet: eine konsistente narrative Welt12, Perspektiven, der
unsichtbare Schnitt ect.13
Immersive Effekte arbeiten sich maßgelblich an Grenzen und deren Überschreitung ab, im
Vergleich zur Interaktivität, sind es vor allem Techniken der Perspektivierung. Diese werden
in Videospielen durch Begriffe wie first person shooter, third person view oder god view
wieder auf gegriffen, diese lassen die Frage nach einer Analogie zum Kino entstehen.14 In
Abgrenzung zum Medium Film gibt es beim Videospiel noch weitere Aspekte, die die
Immersion bedingen z.B. wird Immersion im Videospiel auch durch das Interface15 geregelt,
dass eine Ebene darstellt an der das Medium klar von Zuschauer bzw. Spieler getrennt wird.
Interessant für die Betrachtung immersiver Effekte sind dabei die Punkte an denen versucht
wird eben diese Trennung zu überbrücken.16
11
„Nach "Fahrenheit" ist "Heavy Rain" Cages zweiter Versuch, interaktives Erzählen auf eine neue Stufe zu
heben. Es ist ein beeindruckender, verstörender Wurf geworden, ein Spiel, das einen nicht mehr loslässt, auch
wenn die Konsole längst ausgeschaltet ist.“ http://www.spiegel.de/netzwelt/games/0,1518,680010,00.html
29.03.10, 11:06, Tatsächlich sind m. E. solche Spiele der Weg, einen Brückenschlag zwischen den Medien zu
schaffen, da sie sich nicht auf ein Medium beschränken lassen und gerade auch die neuen grafischen
Möglichkeiten eine Annäherung an filmisch dargestellte Realität gerade zu perfekt machen. Das Beispiel „Heavy
Rain“ ist wird auf Grund seiner Besonderheiten auch an andere Stelle in dieser Arbeit nochmals auftauchen.
12
Vor allem auf die konsistente narrative Welt wird weiter unten noch eingegangen.
13
Vgl. Britta Neitzel / Rolf F. Nohr. Das Spiel mit dem Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion. In:
Das Spiel mit dem Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis
Computerspiel (Schriftreihe der Gesellschaft für Medienwissenschaften), hrsg. v. Britta Neitzel, Rolf F. Nohr,
Marburg, 2006, S. 9 – 17. hier. S. 16.
14
Vgl. Neitzel / Nohr, S. 16.
15
Interface meint hier nicht wie im Kapitel zu den Erzählinstanzen das Aussehen der Anzeigen im Spiel, sondern
die Technik in Form der Spielkonsole.
16
Vgl. Neitzel / Nohr, S. 16 f.
8
II. 1. Immersion im Film.
Wie wird nun versucht für den Zuschauer bzw. den Benutzer Immersion zu erzeugen? Im
Medium des Films wird versucht durch Technik eine Realität zu erzeugen, die es entweder
ermöglicht eine virtuelle Realität über technische Mittel zu erleben oder aber die Erlebnisse
Dritter durch ebenfalls technische Mittel wieder-zu-erleben bzw. neu zu durchleben. Beispiele
für eine solche Immersion bieten Filme wie „Matrix“17 oder „Strange Days18“, bei denen das
Publikum das Leben bzw. das Agieren in einer filmischen Realität gezeigt bekommt, deren
Figuren selbst immersiven Effekten in einer virtuellen Realität, hervorgerufen durch Technik,
gezeigt bekommen.19 Dem Publikum wird also in den Filmen das gezeigt, was ihnen selbst
widerfährt, das Hineingezogen werden in eine virtuelle Realität mit Hilfe von Technik. Diese
Filme stellen eine Möglichkeit dar, Immersion für ein Publikum sichtbar zu machen. Sie
zeigen klar was Immersion sein kann, wenn sie in etwas für Menschen greifbares
umgewandelt wird, mit Hilfe von Technik. Das Paradoxe daran ist, dass gerade daraus wieder
Immersion für das Publikum entsteht, welches die Immersion vorgeführt bekommt und
dadurch eventuell eine noch stärkere, als wenn es sich nicht bewusst wäre Immersion
sozusagen „live“ vorgeführt zu bekommen. Somit kann für das erzählen über und von
Immersion eine spezielle, besonders starke Immersion erreicht werden.
Das Publikum im Kino wird zudem noch mehr hineingezogen, wenn der Film unklar lässt, ob
seinen Figuren bewusst ist in welcher Realität sie sich bewegen. Diese NichtUnterscheidbarkeit von realer und virtueller Welt nicht nur im Film geht mit der technischen
Weiterentwicklung der Hardware auch auf dem Videospielsektor Hand in Hand. Immersion
ist somit der illusionistische Eintritt in eine simulierte Welt innerhalb des Mediums, diese
Welt kann außerhalb des Mediums nicht physisch real existieren.20
Ein wichtiger Punkt ohne den Immersion nicht funktioniert ist die Unterscheidbarkeit von
wirklich und nicht wirklich, denn wenn „…die Differenz zwischen Wirklichkeit und
17
Matrix ist ein US-amerikanischer Science-Fiction-Film der Wachowski-Brüder aus dem Jahr 1999.
Strange Days ist ein Science-Fiction-Actionthriller aus dem Jahr 1995; Regie Kathryn Bigelow, Drehbuch
James Cameron, Jay Cocks.
19
Vgl. Schweinitz, Jörg .Totale Immersion und die Utopien von der virtuellen Realität. Ein
Mediengründungsmythos zwischen Kino und Computerspiel. In : Das Spiel mit dem Medium. Partizipation –
Immersion – Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel (Schriftreihe der
Gesellschaft für Medienwissenschaften), hrsg. v. Britta Neitzel, Rolf F. Nohr, Marburg, 2006, S. 136 – 153, hier
S. 136 f.
20
Vgl. Schweinitz, S. 138.
18
9
Simulation, zwischen Realität und Fiktion verschwindet, […] verlieren mit dem Wirklichkeitsund Realitätsbegriff zugleich die Begriffe <Simulation> und <Fiktion> ihren Sinn.“21
In der Theorie des Films wird Immersion durch Techniken erreicht, diese lenken die
Aufmerksamkeit des Zuschauers mit suggestiver Kraft. Das Publikum wird verleitet den
Operationen mit unwillkürlicher Aufmerksamkeit zu folgen. Durch den Aufbau eines Kinos
beispielsweise (Dunkelheit, übergroßes den Raum einnehmendes Bild, alles übertönende
Geräuschkulisse) wird eine hermetische Wahrnehmungssphäre aufgebaut, die versucht das
Bewusstsein des Zuschauers völlig von der Außenwelt ab zu ziehen.22 Es wird sogar von
einem prähypnotischen Zustand beim Verlassen des Kinos gesprochen.23 Dem Zuschauer wird
meist erst nach dem Wiedereintritt in die wirkliche Welt außerhalb des Kinos bewusst, wie
stark er an die ihm suggerierte Realität des Films gefesselt war, jedoch darf in einem solchen
Fall von immersiven Effekten bei Filmen die Grenze nicht ganz verschwinden. Die
Gleichzeitigkeit von dem Bewusstsein, das es sich um eine durch ein Kunstprodukt erzeugte
Realität handelt und von Immersion ist dafür kennzeichnend, dass Immersion überhaupt als
Phänomen auftaucht, zudem ist ein Erreichen dieser vollständigen Aufmerksamkeit des
Zuschauers durch störende Umwelteinflüsse (andere Besucher, Geraschel ect.) beeinträchtigt.
II.2. Immersion in Videospielen
An dieser Stelle soll nun Immersion im Videospiel dominant gesetzt werden und zuerst
theoretisch dargestellt werden wie sie in Videospiel auftaucht.
Immersion ist auch wie im Beispiel des Films an die Technik geknüpft. Sie wird vor allem auf
Seiten der Produzenten als Qualitätsmerkmal für ein Spiel verwendet, je immersiver ein Spiel
ist, desto besser ist es auch.24 Somit ist das Phänomen vor allem gebunden an die technischen
Möglichkeiten der visuellen Darstellung, durch die versucht wird wie im Film eine
hermetisch abgeschlossene Realität zu schaffen, eine Parallelisierung zum Kino sind die für
21
Vgl. Schweinitz, S. 145.
Dies kann natürlich nur passieren, wenn es möglich wäre eine sozusagen idealisierte Kinoumwelt zu schaffen,
in dem nichts den Zuschauer ablenkt, Nebengeräusche von anderen Zuschauern und andere störende Elemente
müssten daher ausgeschaltet werden. Daher ist es m. E. sinnvoller eine solch hermetische Umgebung etwa durch
einen privaten Raum zu schaffen, einen Möglichkeit wären dann private Kinos bei den Zuschauern zu Hause,
was aber wieder das Erlebnis Kino als ganzes ad absurdum führen würde, außerdem ist der Zuschauer auch da
nicht vor allen äußeren Einflüssen geschützt.
23
Vgl. Schweinitz, S. 146.
24
Vgl. Furtwängler, Frank. Computerspiele am Rande des metakommunikativen Zusammenbruchs. In: Das Spiel
mit dem Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis
Computerspiel (Schriftreihe der Gesellschaft für Medienwissenschaften), hrsg. v. Britta Neitzel, Rolf F. Nohr,
Marburg, 2006, S. 154 – 169, hier S. 154.
22
1
Rennspiele verfügbaren gaming chairs welche dem Spieler das Gefühl geben sollen in einem
wirklichen Fahrzeug zu sitzen. Sie bieten ein Pendant zur Abgeschlossenheit des Kinos.
Furtwängler betont, dass es romantisch verklärt ist die totale Immersion im Spiel zu
veranschlagen. Er geht von einem Konzept der Metakommunikation aus, das die
Spielsituation als eine ALS OB Situation kennzeichnet und bei der der Spieler klar eine
Trennung zwischen realer Welt und Spielwelt sieht und diese anerkennt. Dadurch wird nach
Furtwängler die Möglichkeit eines Eintretens in eine Spielwelt geschaffen.25 Diese Theorie
steht im Widerspruch zu einem Konzept von totaler Immersion, das ein Hineinziehen in eine
komplett simulierte Welt veranschlagt, bei dem idealerweise alle Grenzen und Rahmen
verschwinden. Eine totale Immersion mit dem Aufgehen des Spielers in einem Videospiel ist
m. E. nicht realisierbar, aber auch absurd, denn Immersion braucht immer einen
Vergleichspunkt, der Vergleich zwischen Spiel und realem Leben, macht dem Spieler erst
bewusst, dass Immersion passiert. Daher würde eine totale Immersion die Realitätsgrenzen zu
Gunsten des Spiels zwar verschieben, wäre dann aber für den Spieler irrelevant, da dieser das
Spiel als Realität wahrnehmen würde und dadurch keine Immersion mehr stattfinden würde.
Um Immersion beim Videospiel zu analysieren reicht es offenkundig nicht allein die
Darstellung einer virtuellen Welt zu betrachten, sie wird durch Faktoren wie Interaktivität26
und Partizipation27 bedingt. Partizipation, Interaktivität und Immersion bedingen sich dabei
immer gegenseitig.28 Furtwängler geht davon aus, „dass Immersion <mehr> Partizipation
und Partizipation eher deren Bedingung zu sein scheint, während Interaktivität überhaupt die
grundlegende, technologisch ermöglichte Bedingung der Partizipation ist.“29 Die einfachste
Überlegung ist also ein Vergleich der bekannten Medien Buch, Film und Videospiel, wobei
das Videospiel m. E. nicht eine bloße Erweiterung der uns bekannten Medien ist, wie
Furtwängler es beschreibt. Es handelt sich bei Videospielen nicht um Filme mit dem Zusatz,
dass der Spieler darauf durch Interaktion einwirkt und daran partizipiert, wodurch sich aber
die Ausdrucksformen der Medien ändern und Strukturen und Funktionen neu zu bewerten
sind.30 Sondern Videospiele müssen als etwas selbständiges in Anlehnung an bereits bekannte
Medien analysiert und gesehen werden. Ebenso wie einst der Film auf der Grundlage von
25
Vgl. Furtwängler S. 156.
„Interaktion kann verstanden werden als ein Überbegriff für <eingreifendes>, agierendes und reagierendes
Intervenieren innerhalb eins vorgegebenen technischen Zusammenhangs oder sozialen Handlungsrasters …“
Vgl. Neitzel / Nohr, S. 15.
27
Partizipation ist die Teilnahme bzw. die Mitarbeit des Rezipienten bei der Interpretation medialer Texte,
ebenso ihrem Weiterschreiben. „…Partizipation kann verstanden werden als ein auf Interpretation gerichtetes
hochaktives und nicht reglementiertes Handeln am repräsentationelen System.“ Vgl. Neitzel / Nohr, S. 15.
28
Vgl. Furtwängler S. 157.
29
Vgl. Furtwängler S. 157.
30
Vgl. Furtwängler S. 157 f.
26
1
literarischen Theorien analysiert wurde, ist es sinnvoll auch bei Videospielen ebenso zu
verfahren und es ist auf jeden Fall notwendig bekannte Kategorien und Theorien zu nutzen
um dadurch auch Unterschiede sichtbar zu machen und darüber neue Theorien zu entwickeln.
Das ein Videospiel keine bloße Adaption eins Buches oder Films sein kann steht m. E. außer
Frage, denn selbst wenn sich der Plot gleicht, sind allein schon durch Darstellungsweise und
eben die Möglichkeit der Interaktion andere immersive Effekte wirksam als bei einem
filmischen Pendant. Ein pures Nachspielen einer Filmhandlung im Spiel würde keinerlei
Immersion sondern eher Langeweile hervorrufen. Hierfür sprechen vor allem die Aussagen
verschiedenster Spieler speziell zu Adaptionen von Filmen in Videospielen. Interessant an
dieser Stelle wäre der umgekehrte Fall, wenn ein Spiel zu einem Film gemacht wird.
Anschließend und auf der Grundlage der Theorie soll nun versucht werden darzustellen, wie
sich Immersion am speziellen Beispiel AC vollzieht, die Frage also wie wird der Spieler
hineingezogen und wie wird er gehalten.
II.2.1. Immersion bei AC
Da sich Immersion wie bereits erwähnt auf das Hineingezogen werden des Spielers bezieht,
soll an dieser Stelle gezeigt werden wie dieses Phänomen bei AC erzeugt wird. Des Weiteren
sollen an bezeichnenden Stellen Rückschlüsse auf die Theorie gezogen werden, um diese
gegebenenfalls zu erweitern bzw. für das Videospiel anbindungsfähig zu machen.
Videospiele locken oft mit dem Versprechen totaler Immersion indem sie Möglichkeiten
unendlicher Bewegungsfreiheit und beliebiger Eingriffsmöglichkeiten anbieten.31 Der Spieler
bekommt das Vermögen suggeriert in das Medium einzugreifen, was in Medien wie Film und
Buch fehlt. Dabei ist aber zu betonen, dass die Qualität nicht immer gleich ist und im Bezug
auf die Gewöhnung an das Medium Videospiel gesehen werden muss.
Immersion hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Identifikationspunkt die
Gunzenhäuser nennt sind: technische Identifikationsprozesse, historische orientierte,
erzählerische und stark figuren- bzw. rollenabhängige Prozesse.32
31
Vgl. Gunzenhäuser, Randi: Spielkultur: Stichwort zur kulturwissenschaftlichen Computerspielanalyse. In:
Computerspiele – Eine Provokation für die Kulturwissenschaften? Hrsg. v. Evelyne Keitel u. a., Lengerich,
2003, S. 49 – 68, hier S. 63.
32
Vgl. Gunzenhäuser, S. 63 f.
1
Bezogen auf den Avatar33 bedeutet dies, je stärker sich ein Spieler mit dem Avatar
identifizieren kann, umso stärker ist der Grad der Immersion.
Bei AC ist eine Identifikation mit dem Avatar zunächst schwierig, denn Desmond stellt eine
Figur dar, die in Aussehen und auch charakterlichen Eigenschaften fest gelegt ist. Im
Vergleich zu andern Spielern, bei denen die Charakter bzw. Rollengestaltung freier ist, ist das
Identifikationspotenzial und somit verbunden der Grad der Immersion für den Avatar
Desmond in AC eher gering. Desmond ist aber keines Falles davon frei zu sprechen, denn so
wie die Handlung angelegt ist, gibt Desmond in Verbindung mit dem gezeigten Setting
Möglichkeiten immersiver Effekte. Er ist wenn man so will als „normaler“ Mensch angelegt.
Ob er nun Barkeeper, Taxifahrer oder sonst einen anderen Alltagsberuf ausübt ist dabei
irrelevant, durch die Anlage der Figur als ein Mensch, denn jeder Spieler kennen kann, bzw.
der jeder Spieler sein könnte, ist er als Figur die Initialzündung der Immersion bei AC. Er
bietet durch seine normale Veranlagung die Möglichkeit der Identifikation für andere real als
normal zu beschreibende Menschen. In anderen Spielen, in denen der Avatar übermenschlich
bzw. durch besondere Prädikate wie Stärke oder in Spielen mit militärischer
Figurenkonstruktion dem Spieler entfernt ist, ist der Grad der Immersion geringer, wenn der
Spieler evtl. nicht selbst Soldat oder ähnliches ist. In diesen Spielen wird Immersion über
andere Möglichkeiten erreicht.
Zudem ereilt Desmond im Spiel etwas, was auch schon im Medium des Films gut funktioniert
hat und zwar, dass ein „normaler Typ“ etwas Außergewöhnliches erlebt. Im Film Matrix ist es
so, dass der Protagonist Neo aus seiner normalen Alltagswelt herausgerissen wird und ihm
eine höhere Wahrheit präsentiert wird. Ähnliches passiert auch Desmond, auch er wird aus
seinem Leben herausgeholt und ihm wird etwas präsentiert, was hinter der Fassade des
normalen Lebens vor sich geht. Zudem haben Neo und Desmond noch eine weitere
Gemeinsamkeit, beide werden mit Hilfe einer Maschine in eine virtuelle Welt versetzt. Der
Spieler erlebt hier also etwas Ähnliches, wie im Film wird für AC durch Technik
eine Realität erzeugt, die es ermöglicht in einer virtuellen Realität (Erinnerungen Desmonds)
Erlebnisse Dritter durch ebenfalls technische Mittel wieder-zu-erleben bzw. neu zu
33
Der Avatar ist der Stellvertreter des Spielers in der Cyberwelt. Avatar bezeichnet im Sanskrit die Inkarnation
einer hinduistischen Gottheit auf Erden in überwiegend menschlicher Gestalt. Der Avatar stellt also die
Inkarnation, des Spielers in der Welt des Spiels dar, wobei er in manchen Spielen (Black & White, Lionhead
Studios 2001) als tatsächliche Gottheit im Spiel auftaucht. Avatare können je nach Spiel verschieden Formen
haben. In AC sind die Avatare Desmond und Altair tatsächlich menschenähnliche Figure, in Egoshootern wie
DOOM 3 sind es nur Hände die eine Waffe halten und in Strategiespielen wie Command and Conquer ist es nur
ein Mauszeiger wieder andere Spiele lassen dem Spieler freiere Wahl bei der Gestaltung seines Vertreters in der
Spielwelt (Bsp. Der Pate, Electronic Arts Ltd. 2000). Avatare können somit unterschiedlich dargestellt sein,
meinen aber immer den Vertreter des Spielers in der Welt des jeweiligen Spiels.
Vgl. Bartels, Klaus. Körper ohne Gewicht. Über Götter, Spieler und Avatare. In: Ästhetik und
Kommunikation 115. Computerspiele. Hrsg. v. Ästhetik und Kommunikation e. V., Berlin, 2009, S. 69 – 74.
1
durchleben. Der Spieler bekommt eine virtuelle Realität gezeigt, in der die Figur (Desmond)
das selbe tut wie der Spieler, er erlebt und agiert in einer virtuellen Realität mit Hilfe einer
Maschine, Desmond ist demnach ebenso immersiven Effekten unterworfen wie der Spieler
selbst, dadurch wird wieder die Identifikation und Partizipation mit bestimmt. Dem Spieler
wird also im Spiel gezeigt, was ihm selbst widerfährt, das Hineingezogen werden in eine
virtuelle Realität mit Hilfe von Technik. Dadurch entsteh eine Selbstreflexivität, die dafür
sorgt, dass das Videospiel zur Kunst erhoben werden kann.
Damit sind wir beim zweiten Punkt der immersiven Effekte, nämlich der Immersion die durch
Technik erreicht wird. Desmond wird mit Hilfe des Animus, einer Maschine, die den
Benutzer seine Erinnerungen durchleben lässt in eben eine solche virtuelle Realität versetzt.34
Dadurch erhält er die Möglichkeit seine Erinnerungen als sein Vorfahr Altair zu durchleben.
Der Animus als technische Möglichkeit eine virtuelle Realität zu erzeugen und darüber in sie
einzutauchen, ist das Abbild des technischen Interface, welches der Spieler benutzt um in das
Spiel einzutauchen und bestärkt dadurch die immersiven Effekte, es bietet für den Spieler die
Möglichkeit der Identifikation, da im Grunde der Spieler nichts anders tut als Desmond, er
taucht mit Hilfe einer Technik in eine virtuelle Welt ein. Somit ist der Animus als technisches
Mittel, das die Immersion bei AC verstärkt zu sehen, im Zusammenspiel mit dem Avatar
Desmond kann somit von einem hohen Grad der Immersion im Hinblick auf diese beiden
Faktoren gesprochen werden.
Ein weiterer Vergleichspunkt ist der des Tutorial, denn es ist nicht wie in anderen Spielen von
der Gesamthandlung losgelöst, sondern in sie integriert, das Spiel verweist darauf, dass es
nicht für den Spieler geschaffen wurde, sondern ein von einer Figur im Spiel geschaffenes
(Prof. Vidic) Trainingsprogramm für Desmond zum Umgang mit dem Animus.
Somit ist die Illusion sozusagen perfekt gemacht. Das was Desmond sieht wenn er sich im
Animus befindet, ist auch das was der Spieler sieht, wenn er das Spielmenü aufruft. Es stellt
sich also die Frage ob Desmond auch Altair aus derselben Perspektive sieht wie der Spieler.
Kann davon gesprochen werden, dass die Perspektive von Desmond und dem Spieler zu einer
verschmelzen? Das Spiel jedenfalls lässt m. E. keinen Zweifel daran, dass es versucht den
Spieler während dem Verweilen in der virtuellen Welt Altairs mit Desmond gleich zu setzen,
denn an keiner Stelle wird von einem Spieler überhaupt gesprochen, Desmond ist innerhalb
seiner Handlung eindeutig Avatar des Spielers, wenn er in den Animus eintaucht wird Altair
der Avatar von Desmond, also müssen Position des Spielers und Desmonds sich so weit
annähern, dass sie fast deckungsgleich sind, damit Altair auch zum Avatar für den Spieler
34
http://www.youtube.com/watch?v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0
19.03.10, 12:00, 04:25min. – 06:40min.
1
werden kann. Es kann also nicht einfach von einem Wechsel des Avatars gesprochen werden,
da durch die Verflechtung von Desmond und Altair, die das Spiel immer wieder betont eine
Trennung der beiden nicht möglich ist, im Sinne der Immersion und der Spiellogik. Einzig ein
Außenstehender, der Spieler, hat die Möglichkeit einer differenzierten Betrachtung der beiden
Figuren.
Die Immersion ist somit nahezu perfekt, Desmond wird vollständig von der virtuellen Welt
vereinnahmt und wird als Avatar ausgeblendet, ähnlich wie bei dem Beispiel Matrix wird
auch hier dem Spieler wieder Immersion vor geführt.
Das Spiel wie auch der Spieler wechselt vollständig zu Altair, somit wird dem Spieler die
totale Immersion für Desmond gezeigt und darüber kann so gesehen auch der Spieler in die
Welt von Altair eintauchen. Im Moment des Spielens wird über den Eintritt mit dem Animus
die „reale“ Welt Desmonds verlassen und es findet eine totale Immersion zugunsten der
virtuellen Welt Altairs für Desmond statt, dabei erlebt der Avatar Desmond die Immersion
jedoch stärker, da er im Vergleich zum Spieler nicht mehr bewusst agiert, der Spieler kann auf
Grund der Distanz, die die Technik schafft nicht so tief eintauchen wie Desmond, es ist aber
denkbar, dass wenn eine solche Technik wie der Animus Realität wäre, der Spieler ebenso
wie Desmond komplett in der Spielwelt aufgehen würde, bzw. sind solche Effekte bei
anderen Spielen stärker, es gibt aber auch Beispiele aus der Filmwelt in denen genau dieses
Phänomen, des sich Verlierens und Aufgehens in einer virtuellen Realität thematisiert
werden.35 Die totale Immersion für den Spieler zu schaffen ist aber wie oben angesprochen
auch nicht das Ziel, die totale Immersion für Desmond schafft eine andere eine
intellektuellere Form von Immersion für den Spieler, der Spieler merkt, dass ihm Immersion
gezeigt wird, durch das bewusste Wahrnehmen der inszenierten Immersion Desmonds wird
ein immersiver Effekt für den Spieler wirksam, der aber nur dadurch greifen kann, wenn sich
der Spieler auf die Inszenierung einlässt, sie bewusst erlebt und dadurch für ihn wieder
Immersion entsteht.
Es gibt m. E. für AC mehrere Möglichkeiten der Immersion: Wie im vorherigen Abschnitt
eine Immersion, bei der sich der Spieler der Immersion bewusst ist und durch
das „Sich – einlassen“ wieder Immersion entsteht und die Form einer eher unbewussten
Immersion, bei der sich der Spieler von vorn herein auf das Spiel so einlässt, dass er nicht
hinterfragt bzw. bemerkt, dass er Immersion durch Technik gezeigt bekommt. Dies bedingt
35
Ben X ist ein belgisch-niederländischer Spielfilm aus dem Jahre 2007. Der jugendliche Ben ist seit seiner
Kindheit ein Außenseiter und kommt früh in psychiatrische Behandlung. Ein Arzt diagnostiziert das AspergerSyndrom. Ben lebt abgeschottet von der Außenwelt. Sein Leben besteht vor allem aus dem Online-Spiel
Archlord, das er in jeder freien Minute spielt und wo er als Ben X ein Held auf Level 80 ist. Seine reale Welt
vermischt sich mit der Welt des Online-Spiels.
1
m. E. auch die Weise, wie die Avatare wahrgenommen werden. Es gibt die Möglichkeit
Desmond und Altair zu trennen, sozusagen ein Nebeneinander der Desmond bzw. Altair
Abschnitte im Spiel. Die andere Möglichkeit ist, die die auch die bewusste Immersion
begünstigt, nämlich das wenn Altair agiert, dies über Desmond geschieht, der wiederum vom
Spieler gesteuert wird. Somit ist steht die Frage im Raum, ist Desmond eine Zwischenstation,
ein Avatar über den der Spieler einen Avatar(Altair) steuern kann? Oder ist Desmond durch
seine Omnipräsenz etwas anderes, eine nicht selbständig agierender „virtueller Spieler“?36
Wie bereits erwähnt, wird Immersion vor allem an ihren Bruchstellen interessant, jedoch wird
in AC versucht diese Bruchstellen zu vermeiden, wie bereits erwähnt sind die Displays und
die Menüs, die der Spieler sieht und aufrufen kann, genau gleich gestaltet wie die Menüs, die
Desmond im Animus wahrnimmt. Es wird vom Starten des Spiels, bis zu seinem Ende
versucht die Immersion aufrecht zu erhalten. Selbst die Ladesequenzen, die bei anderen
Spielen durch Ladebalken oder Videosequenzen visualisiert sind, werden in AC zum
Bestandteil des Spiels gemacht, wenn nämlich Desmond in den Animus eintaucht und laut
Spielaussage die Erinnerung geladen wird, befindet er sich in einem blauen Nimbus, dieser
Nimbus ist aber auch der Ladebalken für das Spiel an sich, somit wird auch hier wieder
versucht, keine Lücken zu lassen um die Immersion nicht zu gefährden. Zudem erfüllt die
doppelte Handlung in AC die Funktion einer historischen Annäherung. Es ist denkbar schwer
für einen Spieler sich in die Welt des 3. Kreuzzuges hinein zu versetzen also historische
Annäherung zu erreichen, zu diesem Zweck dient auch wieder die Desmondhandlung, denn
historische Nähe wird in diesem Fall nicht nur durch detailgetreue und realhistorische
Darstellung des Spiels erreicht, sondern über die Aussage, dass der Spieler die Erinnerungen
Desmonds durchlebt/-spielt und dadurch kein Anspruch auf historische Authentizität gegeben
sein muss, da Erinnerungen immer subjektiv sind.
Der starke Teil der Immersion in AC wird also über die doppelte Handlung Desmond/Altair
erreicht. Selbst wenn Desmond in seiner Realität nicht so beweglich ist wie Altair bietet er
doch durch die Anlage der Figur und dem was ihm widerfährt starke Berührungspunkte mit
dem Spieler und stellt damit den Garant für die Immersion in AC dar.
Wie bereits angesprochen wird aber Desmond ab und an in seine Realität zurück geholt und
schlafen geschickt, auch dies zielt auf Immersion ab, denn dadurch wird Desmond als
36
Auf diese Frage eine zufrieden stellende Antwort zu finden ist leider nicht gelungen, die unterschiedliche
Wahrnehmung von Immersion im Spiel AC ist wie erläutert an die Wahrnehmung des Spiels als Ganzes
geknüpft und daher m. E. mit den verschiedenen Lesarten eines Buches vergleichbar. Je nach „Lesart“ des Spiels
entsteht wirkt eine andere Form von Immersion, die jedoch nicht für alle Videospiele gelten kann und dadurch
wieder spezifisch für das eine Spiel, in dem Fall AC, ist.
1
„Mensch“ charakterisiert, der nicht die ganze Zeit in der virtuellen Realität leben kann. Somit
findet ein Bruch der Immersion für Desmond statt, nicht aber für den Spieler, denn dieser hat
damit wieder einen Referenzpunkt für sein eigenes Leben, denn auch er muss ab und an
schlafen.
Furtwängler beruft sich darauf, dass für Immersion auch die Faktoren der Interaktion und
Partizipation unerlässlich sind, da sie die Immersion bedingen. Partizipation wurde oben
genau erklärt, denn die Teilnahme an der virtuellen Welt sowohl im Sinne Desmonds wie
auch Altairs wird eben durch die Identifikation des Spielers mit den Avataren erreicht. Sie
nehmen an der Welt des Spieles Teil in dem sie durch die Avatare darin interagieren.
Die Möglichkeiten der Interaktion sind in AC teilweise sehr begrenz durch Desmond, er kann
lediglich herumlaufen und kleinere Aktionen wie einen Stiftdiebstahl durchführen, der aber in
der Handlung weniger relevant ist, jedoch wird sein Mangel an Fähigkeiten durch sein
Alterego Altair wieder ausgeglichen, der im Vergleich zu ihm übermenschliche Fähigkeiten
besitzt, jedoch ist die Immersion durch Desmond noch etwas stärker zu bewerten, da er im
Vergleich zu Altair nur nach dem Spieler bekannten Möglichkeiten handelt und dadurch
höheres Identifikationspotenzial bietet. Die Fähigkeiten Altairs werden durch seine Herkunft
als Assassine erklärt, außerdem sind seine Aktionen und seine Fähigkeiten dadurch zu
erklären, dass es die Erinnerungen Desmonds sind, die der Spieler mit erlebt, somit braucht er
keine Erklärung für seine Fähigkeiten. Die Möglichkeiten der Interaktion Altairs sind
dynamischer und erzeugen Immersion nicht durch realphysische Korrektheit, sondern durch
die Tatsache des Phantastischen, das dadurch erklärt wird, dass sich der Spieler in einer
virtuellen Welt befindet, in der je nach ihren Regeln fast alles möglich ist. Somit erzeugt auch
die Interaktion mit Altair Immersion für den Spieler.
II. 3. Fazit.
Immersion ist immer spezifisch.
Es wurde im vorangegangen Kapitel gezeigt, dass Immersion für das Spiel AC in
verschiedenen Formen auftaucht und wirksam wird. Immersion als Phänomen zu analysieren
ist aber auch aus anderen Gründen schwer. Man kann keine allgemein gültige und
unumstößliche Aussage über den Grad der Immersion für ein bestimmtes Spiel treffen.
Immersion als Phänomen, das auf den Spieler einwirkt, wird nicht nur durch das Spiel oder
durch die andern Medien wie Buch oder Film bestimmt, Immersion geschieht auch immer in
Wechselwirkung zu dem Rezipienten, der damit umgeht. Somit muss abschließend erwähnt
1
werden, dass die erlebte Immersion des einzelnen Spielers auch durch seine individuelle
Beschaffenheit beeinflusst wird. Dabei müssten in einer Gruppe von Spielern, die unter sich
einen Konsens gebildet haben, beispielsweise die World of Warcraft37 Gemeinde, ähnliche
immersive Effekte auftreten. Man könnte also sagen, wenn eine Gruppe von Menschen Fan
von einem Spiel ist, tritt in der Gruppe untern den Spielern ähnlich starke Immersion auf.
Eine solche Aussage zu belegen würde eine Studie von sehr großem Umfang bedeuten, wäre
aber sicherlich förderlich für das Verständnis von immersiven Effekten in einer
Spielergemeinschaft und in Abgrenzung dazu auch für Einzelspieler.
III Der Spieler, Mitautor im Videospiel.
III. 1. Ein Autor im Videospiel?
„Computerspiele sind nicht Erzählungen, die eine feststehende Geschichte Präsentieren. Ein
Spiel bietet sozusagen Grundbausteine einer Geschichte, die sich durch das Spielen zu einem
Text zusammenfügen, der als Erzählung gesehen werden kann“38, somit tritt die Frage auf,
welche Funktion der Spieler bei diesem Prozess einnimmt und ob man ihm auch produktive
Funktionen bei der Schaffung seiner Spielgeschichte zuschreiben kann.
Um bei Einem Videospiel eine Mitautorschaft des Spielers zu klären, ist es nötig nach einer
tatsächlichen Produktionsinstanz, die dem Autor eines Textes ähnlich ist, zu fragen. Ausgehend von der Betrachtung der Funktion des Autors bei einem Text, stellt es sich bei einem Videospiel ähnlich dar, denn auch einem Text unterstellt zumindest der Rezipient immer einen
Autor. Vergleichend dazu wird auch bei anderen Medien ein solcher implizierter Autor geschaffen. Der implizierte Autor als eine fiktive Produktionsinstanz, die sich der Rezipient mit
Hilfe des Textes erschließt und der er die Verantwortung für den ganzen Text überträgt39, findet sich auch in Videospielen, denn bei einem Videospiel von einem konventionellen Autor
auszugehen wäre nicht der richtige Weg. Die Frage des Autors ist bei Videospielen durch eine
Art Leerstelle besetzt.
Im Falle eines gedruckten Textes ist die Frage der Autorschaft oft eindeutig, dem Text steht
der Autor entweder voran oder am Ende.
37
World of Warcraft (dt. Welt der Kriegskunst; meist WoW abgekürzt) ist ein Massen-Mehrspieler-OnlineRollenspiel (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game – MMORPG), das Spieler gleichzeitig
zusammen über das Internet spielen. Es wurde 2004 von dem Unternehmen Blizzard Entertainment
veröffentlicht und ist, wie drei weitere Spiele, im Warcraft-Universum angesiedelt.
38
Vgl. Hartmann, Bernd. Literatur, Film und das Computerspiel (Beiträge zur Medienästhetik und
Mediengeschichte 22 ), Berlin, 2004, S. 83.
39
Neitzel, Britta: Gespielte Geschichten, Struktur- und prozessanalytische Untersuchungen der Narrativität von
Videospielen.(Diss.) Weimar, 2000, S. 120. (i. F. Neitzel, Diss.)
1
Bei einem Film wird die Problematik der Autorschaft schon etwas vielschichtiger, denn es
wird zwar immer der Regisseur mit einem Autor verglichen,40 jedoch steht hinter der
Produktion eines Filmes immer ein ganzes Team von Filmcrew und Schauspielern. Die
Umstände einer Filmproduktion nähern sich denen eine Videospielproduktion schon an.
Damit verbunden auch die Problematik eines implizierten Autors, denn auch hier kann von
einem solchen ausgegangen werden, er steht vergleichbar mit dem Regisseur beim Film als
Produktionsinstanz für das Spiel.
Hinzu kommt beim Videospiel, dass bei der Werbung und Vorstellung eines Spieles ein
immer wieder auftretender Satz lautet: „Das lang erwartete neue Spiel von ….“ Und als der
Schöpfer sozusagen also der Autor, wird dann oft der Name der Entwicklerfirma genannt, um
aber diesem gesichtslosen „Autor“ eine reale Figur zu geben, wird oft ein Autor von den
Medien und der Marketingabteilung des Herstellers geschaffen, nach dem Vorbild eines
realen Autors. Auf Grund der massiven Medienpräsenz41 besteht eine Möglichkeit darin, für
AC Jade Raymond als eine von Herstellerfirma und Medien inszenierte Figur von einem
Autor zu sehen. Dadurch wird eine Verbindung zum alten in unserer Kultur als wertvoll
angesehenem Medium des Buches geschaffen. Außerdem gibt man den Rezipienten eine
Autorenfigur, somit muss die Leerstelle nicht mehr von ihnen selbst gefüllt werden.
Im Vergleich zu einem Text kann bei einem Videospiel begrifflich von einem implizierten
Programmierer42 gesprochen werden, der als Produktionsinstanz für das Spiel steht.43 Der
Anschein einer solchen Instanz wird in AC bis zum Schluss aufrechterhalten, denn es gibt hier
keine Credits am Beginn des Spiels.44
Somit bleibt der Herstellungsprozess des Spiels bis zum Schluss verschleiert. Das Erreichen
der Credits am Ende des Spieles, wäre dann die Lösung des letzten Rätsels bzw. die Belohung
für den Spieler, dass er das Spiel bis zu seinem Ende gespielt hat. Außerdem bestätigt der
Spieler durch das Erreichen der Credits die Existenz der realen Produktionsinstanz in Form
des Programmiererteams. Auf einer extratextuellen Ebene des Spiels wird er dadurch zu
einem Mitautor seiner Spielgeschichte, denn erst durch das Erreichen der Credits und dem
Wahrnehmen dieser als Produktionsinstanz werden sie auch als solche einsetzbar. Dieser
40
Ein Bsp.: „ 2012 ist ein US-amerikanischer Katastrophenfilm des Regisseurs Roland Emmerich aus dem Jahr
2009.“ Somit wird wohl deutlich, das taucht dieser Satz in Filmforen auf bzw. wird auf Filmplakaten der Name
des Regisseurs so verwendet, er von Rezipienten als Autor des Films impliziert wird.
41
Ihre Präsenz bei Spielemessen nahm mehr und mehr zu. Durch ihre internationale Promotiontour für Assassins
Creed wurde sie außerhalb der Spieleszene bekannt. http://de.wikipedia.org/wiki/Jade_Raymond 08.02.10
10:14.
42
Zum Begriff des implizierten Programmierers siehe weiter unten im Text.
43
Vgl. Neitzel, Diss., S. 129.
44
http://www.youtube.com/watch?v=CSwBZvW0NBU , 08.02.10, 11:11, 2:08 min.
1
Vorgang ist mit dem von Neitzel beschriebenen Vorgang in Bezug auf das Easter Egg von
Warren Robinett vergleichbar.45 Es wird beschrieben, dass der Junge, der das Easter Egg als
erstes entdeckte zu dessen Co-Autor wird. Genau auf die gleiche Weise kann der Vorgang bei
AC beschrieben werden. Der Unterschied besteht hierbei nur darin, dass hier das Erreichen
der Credits von vorn herein als Ende des Spieles konzipiert ist und nicht irgendwo versteckt
in der Mitte liegt, somit ist es kein los gelöstes Rätsel oder ein Zufall, der den Spieler die
Credits entdecken lässt, sondern die Lösung des letzten Rätsels auf einer Ebene, die noch im
Spiel stattfindet, jedoch nicht mehr in der Handlung, es ist sozusagen ein Rahmen, der mit
dem Startmenü beginnt und mit den Credits endet. Der Vergleich von Easter Egg und Credits
ist dahingehend sinnvoll, dass sie im Fall von Warren Robinett und anderen Programmieren, die
sich auf diese Weise in das Spiel als Produktionsinstanz einschreiben, beide für reale
Produktionsinstanzen stehen und nicht einfach im Spiel als gegeben auftauchen, etwa wie bei
andern Spielen am Spielanfang. Auch wenn die Credits anders wie beim Easter Egg von
jedem Spieler gefunden werden, muss der einzelne Spieler trotz allem erst die Aufgaben im
Spiel lösen und es beenden, sie sind nicht selbstverständlich vorhanden, sondern bilden wie
schon gesagt den Abschluss, den Abspann des Spieles und werden erst dann erreicht, wenn
der Spieler auch wirklich alle vom Spiel gestellten Aufgaben gelöst hat, auch wenn die
Handlung am Ende durch die ungelöste Frage nach den mit Blut geschriebenen Symbolen
weiter Fragen für den Spieler auf wirft, ist das Spiel mit dem Blick auf die Symbole definitiv
vorbei und die Credits markieren dieses Ende. Zu dem muss die Produktionsinstanz auf diese
Weise bestätigt werden, da sie nicht wie bei anderen Spielen noch mal in gedruckter Form im
Manual auftauchen.
Bei dem Easter Egg ist der Unterschiede, dass es in der Mitte des Spieles versteckt ist, bei AC
sind es die erwähnten Credits., welche erst sichtbar werden, wenn der Spieler am Ende des
45
Vgl. Neitzel, Diss.,S. 129 f. Easter Egg (engl. für „Osterei“) ist ein Begriff für eine versteckte und
undokumentierte Besonderheit in Videospielen und anderer Software. Formen sind beispielsweise der Gagscreen
einer Software oder Geheimlevel eines Computerspiels. Ein Easter Egg dient im Allgemeinen der Anerkennung
des Urhebers, tut dies aber meistens auf eine unterhaltende Art. Häufig werden Easter Eggs von den
Programmierern ohne Kenntnis seitens der Firmenleitung hinterlegt. Man kann es als Unterschrift des
Programmierers sehen, der bei der Arbeit für einen Auftraggeber seine Verwertungsrechte abtritt, und daher
meist nicht offiziell erscheint.
Als Erfinder von Easter Eggs in Computerspielen gilt Warren Robinett, der 1978 seinen Namen in
einem Atari-Spiel (Adventure) verewigte. Allerdings ist das Verstecken kleiner Informationen in der
Kunstgeschichte seit der Renaissance nachgewiesen (versteckte Signaturen, Portraits des Malers oder anderer
Personen in Nebenfiguren ect.)
Zur Herkunft der Bedeutung:
For centuries, people have decorated eggs for Easter celebrations and a century or two ago, it became
the custom to hold egg hunts out in gardens. In 1885 the ruling family of Russia, the Romanovs, began a
tradition of commissioning Carl Fabergé to create increasingly elaborate jeweled eggs which were exchanged by
the family at Easter. Most of the known 50 eggs created contain hidden surprises such as miniature portraits,
miniature coaches, and even clock-work birds that sing. It is for these beautiful works-of-art that software and
DVD Easter Eggs are named. http://www.hiddendvdeastereggs.com/ 11.03.2010, 16:50.
20
Spieles ist, den letzten Kampf bestritten hat und siegreich war. Auch ein Vergleich mit dem
Paratext nach Genette ist hier nicht möglich46, da im Vergleich zu einem Klappentext eines
Buches ein Vorblättern im Spiel nicht möglich ist. Ein vergleichbarer Fall für ein Easter Egg
wäre das finden des versteckten PDA in Doom 347. Tendenziell ist es zwar so, dass ein Easter
Egg die Handlung sprengt, jedoch liegt es im Fall des Easter Egg, was den Programmierer
namentlich nennt und damit als Produktionsinstanz verfügbar macht anders, da die Handlung
dadurch nicht gesprengt wird, denn bei Doom 3, wird dadurch die Handlung nicht gesprengt,
da das Easter Egg (der PDA) ebenso als Informationsquelle dient, genau wie die anderen
PDA’s im Spiel.
Für die Credits in AC gilt, dass der Spieler durch das Erreichen der Credits, wie auch immer
er seine Geschichte bis dahin gestaltet, damit die Geschichte in der Logik des Spieles beendet.
Zur Logik des Spiels gehören die Credits dazu, sie markieren das Ende jeder möglichen
Narration, sie stehen als Belohnung für den Spieler, dass er das Ende des Spieles erreicht hat
und sind ein von jedem Spieler, der das Spiel beendet, gefundene Easter Eggs in der
individuellen Narration des Spiels, denn jeder Spieler muss die Credits selbst erreichen, um
sie als Produktionsinstanzen für seine Narration verfügbar zu machen.
Da sie das Ende des Spiels sind, markieren die Credits auch das Ende der Tätigkeit des
Spielers als Mitautor, weil beim Erreichen der Credits diese Tätigkeit definitiv endet, da eine
weitere Einflussnahme nun nicht mehr möglich ist. Die Credits drängen den Spieler aus der
aktiven Position des Mitautors in eine passive Position des Rezipienten. Da sie das Ende der
Mitautorschaft markieren werden sie dadurch in umgekehrter Sicht auch ein Anzeiger dafür,
dass der Spieler vor dem Erreichen der Credits aktiv gehandelt hat, also Mitautor war. Der
Bruch und die einem Abspann im Film ähnlichen Credits sind also rückwärtig betrachtet
Anzeiger dafür, dass der Spieler vorher aktiv war und machen ihm nun bewusst, dass er von
aktivem Spieler seiner Geschichte zu einem passiven Rezipienten der Credits geworden ist.
Die einzige andere Möglichkeit wäre, an einem Punkt des Spieles damit auf zu hören und nie
weiter zu spielen, und damit der Spiellogik entgegen ein Ende zu schaffen.48
Somit sind schon zwei Möglichkeiten der Mitautorschaft markiert, entweder durch das
individuelle Erreichen der Credits am Spielende oder durch das Schaffen eines eigenen Endes
in der Form es im Sinne der Spiellogik unbeendet zu lassen. Etwas Ähnliches ist bei einem
46
Vgl. Genette, Gérard: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt a. M./ New York 1989
http://www.myvideo.de/watch/5599824/Doom_3_Geheimer_PDA 16.02.2010 15:20.
48
Eine Analogie zum schließen eines Buches und dann nie weiter zu lesen wäre hier falsch, da mit dem zu
klappen eines Buches lediglich die Leserfahrung endet und der Leser eines Buches nicht die eigentliche
Geschichte dadurch beeinflusst bzw. gestaltet.
47
2
Buch auch möglich, jedoch ist es hier das selbständige beenden einer Leserfahrung. Der
Spieler wird auch erst Mitautor, wenn seine Narration als solche verstanden wird. Der Spieler
selbst nimmt sein Spiel vielleicht gar nicht als Narration war, aber weitere Rezipienten die
entweder direkte Zuschauer sind oder die Narration später als Video auf Youtube schauen
schon. Der Spieler selbst wird wahrscheinlich erst nachdem das Spiel beendet ist sein Spiel
als Narration erkennen. Dieser Effekt taucht bei Spielen mit einer Replayfunktion stärker auf.
Zwar sind diese Spiele meist aus dem Sport bzw. Rennsportbereich, jedoch wird sich der
Spieler bei diesen vor allem durch die Betrachtung des Replays seines Spiels der Interaktion
und gespielten Aktionen im Spiel wirklich bewusst. Die Narration wäre dann aber nicht mehr
mit einer literarischen Form wie beispielsweise mit einem Roman vergleichbar, sondern mehr
mit einem Sportbericht.
Die Mitautorschaft bei AC gilt aber nicht nur für die bereits angesprochenen Phänomene. Der
Spieler bei AC besitzt die Möglichkeit Mitautor der Lebensgeschichte seines Avatars im Spiel
zu sein. Jeder Spieler ist ein Mitautor der Geschichte bzw. vieler Geschichten, nicht nur auf
extratextueller Ebene, sondern auch auf der Ebene des Spieles. Es besteht zwar keine
Möglichkeit auf den Urtext, das geschriebene Programm Einfluss zu nehmen, jedoch sind
dem Spieler innerhalb des Spieles Möglichkeiten gegeben quasi-individuelle, im Rahmen der
Interaktionsmöglichkeiten die das Spiel dem Spieler gibt, Geschichten entstehen zu lassen
und diese entweder durch zeitgleiches Zuschauen oder durch das Speichern und Hochladen
auf verschiedene Internetplattformen wie z.B. Youtube für ein Publikum anschaubar,
rezipierbar zu machen.49 Diese Möglichkeiten zur Interaktion werden ihm von der realen
Produktionsinstanz des Programmiererteams zur Verfügung gestellt, welche während des
Spiels auch als implizierter Autor bzw. für das Videospiel als implizierter Programmierer
verstanden werden können.50 Wobei eine Unterscheidung in implizierten Programmierer und
implizierten Autor wieder ein Problem aufwirft:
Denn spricht man von dem Spiel als eine Geschichte, also einem Plot dem der Spieler folgt,
welcher auch als Text in Papierform sicher sinnvoll lesbar wäre, dann ist die Verwendung
eines implizierten Autors sicher gerechtfertigt.
49
Das Lesbarmachen der eigenen Geschichte im Spiel spricht für eine Mitarbeit des Spielers am Spiel, somit die
Funktion eines Mitautors. Vgl. Neitzel, Britta. Die Frage nach Gott. In: Ästhetik und Kommunikation 115.
Computerspiele. Hrsg. v. Ästhetik und Kommunikation e. V., Berlin, 2009, S. 61 – 67.
50
Die Unterscheidung in zwei implizierte Instanzen wird an dieser Stelle für ein besseres Verständnis auch
begrifflich getrennt. Neitzel spricht von zwei implizierten Autoren, diese werden hier in implizierten Autor und
implizierten Programmierer getrennt, es wird nicht der Begriff des Schöpfers übernommen, aus dem Grund
einen terminologischen Konsens zum Videospiel zu schaffen wird vom implizierten Programmierer gesprochen.
Vgl. Neitzel, Diss., S. 130 / 134. Eine weitere Unterscheidung zu Neitzel besteht darin, dass der bei ihr als
implizierter Autor II hier nicht deckungsgleich mit dem Spieler ist. Der Spieler in seiner Funktion als Autor ist
hier als Mitautor beschrieben.
22
Befindet man sich aber in der Situation, das Spiel als ein Programm zu lesen, welches durch
Programmiercodes die Geschichte als Aneinanderreihung von Interaktion mit dem SpielProgramm verstehen lässt, ist der Begriff eines implizierten Programmierers als Vertretung
für das reale Programmiererteam wohl sinnvoller.
Da aber für ein Videospiel in der Forschung immer wieder von einer Hybridform gesprochen
wird51, ist auch bei der Benennung der Produktionsinstanzen eine genaue Differenzierung im
Allgemeinen eher hinderlich.
Es scheint somit sinnvoller eine Unterscheidung dieser Art nur zu machen, wenn man sich
für die eine oder andere Lesart, entweder Spiel als Geschichte, oder Spiel als interaktives
Programm, entscheidet.
Es gibt für die Autorproblematik zu dem noch eine andere Sichtweise. Es besteht die
Möglichkeit dem Spiel selbst eine Autorenfunktion zu zugestehen. Janet Murray spricht von
einer prozeduralen Autorenschaft.52 Mit diesem Begriff wird Folgendes beschrieben:
“Procedural autorship means writing the rules by which the texts appear as well as writing the
texts themselves.”53 Somit entstehen die Regeln eines Spiels nicht schon vorher beim
gestalten des Plots, sondern beim Erspielen der Geschichte, der prozedurale Autor gibt jeweils
eine Sammlung von Möglichkeiten, um eine individuelle Geschichte zu gestalten. Wie jedoch
die verschiedenen Möglichkeiten kombiniert werden und welche Narration dabei jeweils
entsteht, ist dem Spieler überlassen. Von dem Spieler als den neuen Autor zu sprechen ist
damit nicht sinnvoll und auch nicht Ziel der Bearbeitung. Im Vergleich zu Hartmann, der den
Spieler nur als Rezipienten sieht, welcher die durch einen Autor gegebenen Möglichkeiten
annimmt54, ist m. E. dem Spieler zumindest eine Mitautorschaft zu zurechnen.
Im Folgenden soll die Möglichkeit der Mitautorschaft eines Spielers an Hand einer Sequenz
aus AC gezeigt werden. Für die Beschreibung der Sequenz wird als erstes die Struktur welche
für die Beschreibung der Sequenz nötig ist in der Theorie nach Wages (2004) dargestellt
werden und in einem zweiten Schritt die Nutzung der Struktur durch den Spieler für das
„Schreiben“ einer Geschichte erklärt werden.
III. 2. Theorie der Struktur nach Wages.
Bei der Struktur handelt es sich um eine Sequenzielle Pfadstruktur mit hierarchischen
Hypermediastruktur-Knoten, die Theorie einer solchen Struktur geht auf Richard Wages
51
Vgl. Wenz, Karin. Computerspiele. In: Cyberfiktion, S 178 – 195.
Vgl. Hartmann, S. 118.
53
Vgl. Hartmann, S. 118.
54
Vgl. Hartmann, S. 118 unten ff.
52
2
zurück.55 Es wird dabei zuerst davon ausgegangen, dass der Einfluss des Spielers die
Kontrolle des Autors reduziert.56 In der Theorie wird eine Verbindung von Kontrolle durch
den Autor und der Freiheit des Spielers in der Interaktion konstatiert. Eine gezielte Führung
des Spielers ist demnach nicht nur durch die Vorgabe einer Möglichkeit, sondern auch durch
eine nicht lineare Struktur mit mehreren Wahlmöglichkeiten zu erreichen. Dadurch werden
das Interesse und die Aufmerksamkeit des Spielers gesteuert. Dieser Fakt harmoniert mit der
Annahme Hartmanns, der Autor habe die Macht Möglichkeiten vorzugeben denen der Spieler
auf irgendeine Weise folgen muss.
Bevor ein Beispiel aus dem Spiel beschrieben werden kann, soll nun die Theorie einer
solchen Struktur nach Wages vorgestellt werden: Im Folgenden werden die Begriffe von
Wages übernommen: Narration bezeichnet danach eine Sequenz die dem Spieler präsentiert
wird. Dabei ist eine Narration stets ein möglicher Weg durch die von der Handlung
dargestellten Sequenz. Somit ist es möglich in ein und derselben Handlung für eine bestimmte
Sequenz verschiedene Narrationen entstehen zu lassen. Eine Narration ist somit immer linear
jedoch in einer nicht-linearen Handlung. Durch die Möglichkeit verschiedener Narrationen
gibt der Autor direkten Einfluss an den Spieler ab, dies kennzeichnet das Verlassen von
Linearität. Dies kommt einem Kontrollverlust über die Handlung nah und kennzeichnet das
Problem Handlung vs. Interaktivität.57
Dieser Theorie folgend stellt sich der Fall bei AC so dar, dass die Struktur dem Spieler durch
das „open-world“ Prinzip viel Freiheit lässt seine eigenen Narrationen innerhalb der
Handlung zu gestalten. Dadurch wird der Spieler selbst zum Mitautor seiner eigenen
Narration innerhalb einer Sequenz der Haupthandlung.
Wages geht bei seiner Darstellung von verschiedenen Strukturen aus. Er unterscheidet
zwischen der Sequenziellen Pfadstruktur, der Sequenziellen Pfadstruktur mit Sackgassen, der
Baumstruktur, der Baumstruktur mit erzwungenem Pfad, der Rückfaltungsstruktur, Parallelem
Streaming und der Multilinearen – oder Hypermediastruktur. Es soll an dieser Stelle nicht der
Aufsatz von Wages referiert werden. Dennoch ist es notwendig die Strukturen zu erläutern,
55
Zur Begriffsklärung komme ich weiter unten wenn es um die theoretische Darstellung der Struktur im
Einzelnen geht. Vgl. dazu: Wages. Benutzerführung und Strukturen Nichtlinearer Geschichten. In: „See? I’m
real…, S. 41 – 57.
56
Als Autor ist wird an dieser Stelle nach Neitzel von 2000 der implizierte Autor bzw. Schöpfer, für das
Videospiel also der implizierte Programmierer verstanden. Somit ist der implizierte Programmierer ebenso eine
Ableitung vom Begriff des implizierten Autors aus der Erzähltheorie, wie es auch Hartmann feststellt. Vgl.
Hartmann S. 119 f. Jedoch bleibt wie oben im Text ausgeführt die Notwendigkeit dieser begrifflichen
Unterscheidung an die Lesart des Spieles gebunden.
57
Vgl. Wages, S. 41 f.
24
die in der Folge der Bearbeitung verwendet werden. Aus den genannten Strukturen von
Wages sind dies die Sequenzielle Pfadstruktur, sowie die Hypermediastruktur.
Die Sequenzielle Pfadstruktur:
Strukturschema:
ist die einfachste Struktur. Die Kreise (Knoten) markieren dabei Punkte im Fortgang der
A
Handlung. Also einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Situation in
der sich der Spieler befindet. Die Linien zwischen den Knoten geben die
Richtung an, in die sich ein Spieler bewegen kann. Der Weg von Knoten
A zu Knoten B stellt somit eine Veränderung dar, den Übergang in eine
B
andere Situation. Diese Veränderung kann verschiedene
Erscheinungsformen haben, das Setting kann wechseln, Musik, Licht
oder Beobachtungswinkel sich verändern. Die Information, dass der
C
Spieler diese Veränderung in Gang gesetzt hat, wird durch das System
selbst getriggert. Dies kann temporal, aber auch räumlich geschehen z.B.
durch Annäherungssensitivität. Ein Beispiel dafür wäre das auftauchen
eines akustischen Signals oder eines optischen Signals wenn man sich einem Gegner nähert,
bzw. sich in Gefahr befindet.58 Bei AC wäre es zum Beispiel der Fall, wenn das Symbol
sozialer Status bei näher kommenden Soldaten eine farbliche Veränderung macht, was als
optischer Trigger für das Eintreten in eine Gefahrensituation zu sehen ist, damit verbunden
auch das akustische Signal.59 Diese Struktur legt die Vollständige Kontrolle in die Hand des
implizierten Autors, der Plot steht im Vordergrund. Der Spieler muss der Geschichte stringent
folgen um zu einem Ende zu kommen, denn Rückschritte sind nicht möglich und ein nicht
weitergehen in der Struktur würde ein ungewolltes Ende des Spiels bedeuten. Da dieses Ende
jedoch nicht so in der Handlung vorgesehen ist, ist es kein gültiges Ende, der Spieler beendet
zwar seine Geschichte, aber nicht das Spiel. Somit ist er zwar wieder an einem Punkt an dem
er die Kontrolle hat, jedoch nicht die Kontrolle über die Handlung, weil diese noch weiter
geht. Er kontrolliert seine Geschichte als Spieler, nicht die des Avatars.
Die Sequenzielle Pfadstruktur ist am stärksten temporal geprägt und folgt somit am stärksten
einer Handlungsstruktur des Films.
Eine weiter für unser Beispiel wichtige Struktur wird die Multilineare – oder
Hypermediastruktur sein: diese Struktur gibt dem Benutzer fast unendliche Freiheit,
58
Vgl. Wages, S. 43.
http://www.youtube.com/watch?v=8RAcJGaK77s&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=1 16.
02. 10, 17:17, Das Beispiel wurde gewählt um den Trigger zu verdeutlichen und darzustellen. Dieses Beispiel
verweist noch nicht auf die Mitautorschaft oder die narrative Struktur von AC.
59
25
die
A1
B1
C1
D1
A2
B2
C2
D2
A3
B3
C3
D3
Möglichkeiten die Knoten zu verknüpfen sind
Strukturschema
unendlich, leider ist diese Unendlichkeit grafisch nicht darstellbar, es ist der Theorie nach
möglich jeden Knoten von jedem beliebigen Knoten aus zu erreichen. Somit ist aber auch ein
Einbetten in eine fortschreitende Handlung nur schwer bis gar nicht möglich. Jedoch wird sie
durch Einengung wieder nutzbar, bzw. kann als Element in eine größere Gesamtstruktur
eingearbeitet werden. Der Wechsel zwischen den Knoten wird als Browsing bzw. Surfing
bezeichnet. Der stark explorative Charakter dieser Struktur steht im Gegensatz zum stark
temporalen Charakter der Sequenziellen Pfadstruktur.
Diese beiden Strukturschemata sind grundlegend für das spätere Beispiel, aus diesem Grund
wird auch auf die anderen Strukturschemata nicht weiter eingegangen werden. Im Folgenden
soll nun auf die Möglichkeit der Verknüpfung der Strukturen und der Hierarchisierung
eingegangen werden. Eine Verkettung ist die einfachere Möglichkeit Strukturen dieser Art zu
verbinden, dabei werden einfach mehrere Strukturen durch Pfeile verbunden.
Schematische Darstellung einer Verkettung:
2
A
B
1
C
1
D
1
B
2
C
2
D
2
B
3
C
3
D
3
E
Für die Darstellung des hier zu bearbeitenden Beispieles jedoch ist dies nicht praktikabel.
Dafür wird auf die Hierarchisierung zurückgegriffen. Dadurch wird es möglich komplette
strukturelle Einheiten wie zum Beispiel einen Hypermediastrukturknoten, in eine hierarchisch
höhere Gesamtstruktur einzupassen. Zugang zu diesem Knoten bedeutet abstieg im
hierarchischen System. Man kann also verschiedene Knoten explorativen Charakters dadurch
in eine insgesamt temporal charakterisierte Struktur einbetten. Dadurch, dass der
Hypermediastrukturknoten mit seinem explorativen Charakter durch Hierarchisierung in eine
temporal charakterisierte Struktur eingeordnet werden kann (z.B. Sequenzielle Pfadstruktur),
kann er endlich gemacht werden und wird nutzbar für die Strukturbeschreibung eines
Videospiels, in dem ein Spieler eine unendliche Freiheit suggeriert bekommt, die bei der
Betrachtung der übergeordneten Struktur aber wieder begrenzt ist. Durch die vom
implizierten Programmierer bereit gestellten Möglichkeiten. Somit ist auch auf der
Handlungsebene eine Limitation der Möglichkeiten durch den implizierten Autor
verständlicher. Durch die Einkapselung der Knoten in hierarchisch höhere ermöglicht auch
den jeweils höheren Knoten aufzurufen, dabei darf das Prinzip der Transitivität nicht
vernachlässigt werden, d.h. wenn Knoten A höher als Knoten B ist und B höher als C, dann
ist auch A höher als C.
Ein weiters Phänomen wäre der Wiedereintritt, bei dem Transitivität nicht mehr relevant ist
und dadurch die Hierarchie nicht mehr funktioniert. Dabei würde ein Knoten B einen Knoten
C enthalten, der selbst einen Knoten B enthält, bzw. der Knoten C enthält wieder einen
Knoten C. Dadurch wäre Hierarchie aufgebrochen, da eine Struktur aber nie die andere
enthalten kann, ist hier das Ende von Darstellungsmöglichkeiten markiert. Solche
27
Strukturmodelle dienen lediglich der beispielhaften Darstellung und können nie eine Struktur
komplett erfassen. Man stößt hier an die Grenzen von Darstellbarkeit.
Schematisches Beispiel für Wiedereintritt.
B
A
C
B
D
C
Für das Vorhaben, den Spieler als Mitautor seiner Geschichte bzw. der Lebensgeschichte
seines Avatars im Spiel zu definieren, sind die begrenzten Darstellungsmöglichkeiten dieser
Strukturschemata aber durchaus nutzbar.
Im Anschluss soll nun anhand eines Beispiels, unter Verwendung der erläuterten
Strukturtheorien, dargestellt werden, wie der Spieler zu einem Mitautor werden kann und
welchen Grad an Einfluss ihm dadurch im „open-world“ Spiel AC zugestanden werden kann
und was „open-world“ in diesem Fall bedeutet.
III. 2. 1. Anwendung der Theorie auf ein Beispiel aus Assassins Creed.
Das folgende Beispiel bezieht sich auf eine Sequenz in AC. Es handelt sich dabei wie gesagt
um eine Sequenzielle Pfadstruktur mit hierarchischem Hypermediastrukturknoten. Im Plot
befinden wir uns an folgender Stelle, der Spieler erreicht zum ersten Mal die Stadt Damaskus.
Das gewählte Beispiel soll keinesfalls die Gesamtstruktur des Spieles darstellen, diese
Darstellung ist die Anwendung einer Theorie, um die Anwendung sinnvoll zu machen ist
dafür das Beispiel im ersten Moment los gelöst vom Rest des Spieles zu betrachten um die
Funktionsweise für AC zu verstehen. Ein Anschluss bzw. eine Einbettung in den Verlauf des
Gesamtspieles erscheint erst am Ende der Beispielanalyse sinnvoll.
28
Altair hat Damaskus erreicht, die Stadt seines ersten Opfers.60
Hier beginnt die Beispielsequenz,
der erst Knoten (A), Inhalt des
Knotens ist Damaskus, besser
gesagt die Ankunft vor der Stadt.
Die Sequenz wurde durch
verschieden Dinge getriggert,
optisch, akustisch und auch
Änderung des Blickwinkels, es
handelt sich insgesamt um ein
kurzes Überflugsvideo61, das dem
Spieler deutlich macht, dass er sich
an einem „Point of no Return“62 befindet, denn dieses Überflugsvideo kann er nur einmal
erleben. Knoten A des Schemas wäre damit also die Ankunft vor der Stadt nun bewegt sich
der Spieler unweigerlich auf den nächsten Knoten zu. Der Knoten B stellt sich als
Hypermediastrukturknoten dar, innerhalb der gesamten Sequenzstruktur ist er hierarchisch
dem linearen Verlauf untergeordnet, dennoch besteht an dieser Stelle die erste Chance für den
Spieler die ihm gegebenen Möglichkeiten zu nutzen. In der Hypermediastruktur hat er nun
verschiedene Möglichkeiten in die Stadt hinein zu gelangen: Möglichkeit eins wäre mit Hilfe
der Gelehrten (G) an den Wachen vorbei zu kommen, Möglichkeit zwei über die Mauer zu
klettern (Kl1), Möglichkeit drei gegen die Wachen zu kämpfen (K) und Möglichkeit vier mit
dem Pferd (P) durch die Wachen hindurch zu reiten. Je nach dem welche der Möglichkeiten
der Spieler in Betracht zieht, schafft er seine Narration einer durch das Spiel vorgegebenen
Sequenz.
Hat sich der Spieler für eine der Möglichkeiten entschieden, bewegt er sich von Knoten B
weg, Er hat nun die Wahl direkt den nächsten Aussichtspunkt (Ap) zu suchen, somit wäre er
im Knoten C1, dieser Knoten ist wieder ein Knoten sequenzieller Pfadstruktur, der Spieler hat
die Möglichkeit direkt nach dem Erklimmen des Aussichtspunktes das Büro (Bü) des
Verbindungsmannes zu suchen und zu betreten. Dieser mögliche Weg würde dann direkt in
den Knoten D führen und die Sequenz wäre an ihrem Endpunkt, denn nach Erreichen und
Betreten des Büros folgt wieder eine Cutszene und die Sequenz wäre beendet, denn in der
60
http://www.computerbild.de/fotos/Bildergalerie-Assassin_s-Creed-_-Director_s-Cut-Edition-2390671.html
17.02.10, 15:17
61
http://www.youtube.com/watch?v=GJYa9HXURRc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=6
17.02.10, 15:34. 00:35.
62
Vgl. Wages, In seinem Beispiel das Finden des Schlüssels. S. 53 f.
29
Folge des Betretens im Knoten D würde wieder die nächste Sequenz getriggert, die
Interaktivität wäre unterbrochen, was auch das Ende einer Sequenz bedeuten würde, zudem
kann auch das Gespräch zwischen Altair und seinem Verbindungsmann nur beim ersten
betreten des Büros geführt werden und lässt sich nicht wiederholen. 63
Eine andere Möglichkeit wäre, wenn der Spieler beim Verlassen des Knotens B nicht direkt
den Aussichtspunkt suchen würde, sondern die weiteren Möglichkeiten nutzen würde die
Stadt zu erkunden, er würde sich damit im Knoten C2 befinden, dieser Knoten stellt wieder
eine der Pfadstruktur hierarchisch untergeordneten Hypermediastrukturknoten dar. Innerhalb
des Knoten sind es nun wieder verschiedene Möglichkeiten die der Spieler hat um die
Narration dieser Sequenz nach seinen Wünschen und den gegebenen Möglichkeiten zu
gestalten. Folgende Möglichkeiten stehen ihm zur Verfügung:
-
einen Rundgang machen (R)
Bürger retten (BR)
-
-
an bestimmten Stellen belauschen (L)
Klettertour über die Dächer machen (Kl2)
-
bei Bürgern einen Diebstahl begehen
-
oder Flaggen Sammeln (FS)
(Di)
Erster Aussichtspunkt in Damaskus64
Diese Möglichkeiten sind in eine Hypermediastruktur eingebunden, jedoch sind sie nicht
zwingend notwendig für den Fortgang der Handlung, sie stellen damit Subquests dar, die
nicht relevant sind für den Fortgang der Geschichte, aber für die Narration des Spielers, weil
sie die Entscheidungen des Spielers, wenn er denn die eine oder andere Möglichkeit nutzt,
widerspiegeln und dadurch eine für den Spieler eigene Narration entsteht.
Die im Strukturschema mit (…) gefüllten Knoten sollen verdeutlichen, dass der Spieler die
Möglichkeiten zur Interaktion nicht nur einmal hat, sondern sie im Rahmen der vom Spiel
vorgegebenen Möglichkeiten beliebig oft wiederholen kann. Wie in der Theorie erläutert, ist
es dem Spieler auch möglich die Knoten beliebig zu verknüpfen. Die Narration des Spielers
komplett anders zu gestalten wäre auch eine Möglichkeit, dafür müsste der Spieler nur einen
Ausbruch aus der Pfadstruktur der Sequenz wagen, er würde dann etwa Damaskus verlassen
63
http://www.youtube.com/watch?v=GJYa9HXURRc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=6
17.02.10, 16:07, 05:22.
64
http://www.pc-cheats.de/l/assassins_creed/ac016.jpg 17.02.10, 17:20.
3
und sich im Umland umsehen bzw. die Aussichtspunkte erklimmen. Aber alle Möglichkeiten
sich in der Welt von Altair frei zu bewegen reduzieren sich wieder auf einen
Subquestcharakter, denn für die Handlung wichtig und um den Plot voran zu treiben, ist die
Bürosuche nötig. Nach dem der Spieler in Knoten C2 den Knoten Ap gewählt hat und ihm die
Position des Büros bekannt ist, kann er entweder den Knoten C2 verlassen und in den Knoten
D wechseln, oder aber weiterhin die Möglichkeiten in Knoten C2 nutzen um seine Narration
zu weiter zu erstellen.
Ein Problem was durch diese strukturierte Vorgehensweise ausgeklammert wird, ist die
Tatsache, dass auch nach dem erklimmen des Aussichtspunktes eine Cutscene folgt, diese
muss aber nicht als Trigger gesehen werden, denn sie kommt in der selben Form bei allen
Aussichtspunkten im Spiel vor, es wäre andererseits möglich diese als Trigger zu sehen. In
diesem Fall wäre dann jedes erklimmen eines Aussichtspunktes der Auslöser einer neuen
Sequenz bzw. wäre dann die Cutscene an den Aussichtspunkten der bindende Punkt einer
Sequenzverkettung nach Wages.
Für diese Betrachtung des Spielers als Mitautor wird dieser Fakt jedoch nicht als relevant
angesehen, da der Endpunkt der Sequenz das Betreten des Büros ist. Außerdem kann es sich
ja wie erwähnt bei der Cutszene des Aussichtspunktes auch um die Verkettung innerhalb einer
hierarchisch übergeordneten Sequenz handeln.
Wie bereits erwähnt, markiert das Betreten und die Cutscene mit dem Gespräch Altair /
Verbindungsmann das Ende der Sequenz in unserem Beispiel. Eine Schematische Darstellung
des beschriebenen Schemas müsste dann wie folgt aussehen:
Legende:
Knotenbezeichnung
Ap = Aussichtspunkt
A = Anfangsknoten der sequenziellen Pfadstruktur
Br = Bürger retten
B = Knoten mit Hypermediastrukturknoten
Bü = Büro erreichen
C1 = Knoten der sequenziellen Pfadstruktur
Da = Damaskus
C2 = Knoten mit Hypermediastrukturknoten
Di = Diebstahl
D = Endknoten der sequenziellen Pfadstruktur
FS = Fahnen sammeln
G = Gelehrten retten
K = Kampf gegen Wachen
Kl1 = Mauer erklettern
Kl2 = Klettertour über Dächer
L= Lauschen
P = per Pferd in die Stadt
3
R = Rundgange
Das sich das Schema auf eine Sequenz aus der Handlung Altairs herausbildet hat rein
praktische Gründe. In der Handlung Altairs ist eine höhere Interaktion des Spielers
notwendig, bzw. mutet sie stärker an, da die Handlung Altairs im Spiel vordergründig ist, eine
Analyse nach diesem Strukturschema wäre aber auch an der Handlung Desmonds eben so gut
möglich.65
III. 3. Fazit und Diskussion eines „open-world“ Prinzips für AC.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass es für Videospiele durchaus sinnvoll ist von einem Autor
auszugehen. Je nachdem was betrachtet wird ist auch die Unterscheidung in implizierten
Autor und implizierten Programmierer durchaus sinnvoll.
In dem gezeigten Beispiel befindet man sich auf der Ebene der Handlung im Spiel AC. Somit
kann davon ausgegangen werden, dass uns der Autor bzw. implizierte Autor den Plot schon
vorgegeben hat, für die beschriebene Sequenz ist der Plot, vor der Stadt Damaskus
angekommen, zu versuchen in die Stadt zu kommen und dort das Büro des
Verbindungsmannes ausfindig zu machen.
Innerhalb dieser Sequenz wurde durch die strukturelle Darstellung gezeigt, dass der Spieler
zwar sukzessiv dahin geführt wird das Büro des Verbindungsmannes zu erreichen, auf
welchem Weg er dies tut, ist aber für ihn relativ frei wählbar, somit ist der Spieler scheinbar
frei in seinen Entscheidungen, jedoch nicht das Endziel betreffend.
Für die eingangs gestellte These der Mitautorschaft des Spielers bedeutet dies, dass er sehr
wohl Mitautor der Narration einer Sequenz ist, denn er ist es, der durch Interaktion mit vom
implizierten Autor gegebenen Plot, durch die Nutzung der vom implizierten Programmierer
gegebenen Möglichkeiten, eine Narration über Kombination von Möglichkeiten entstehen
lässt.
Der Spieler ist zwar geführter Benutzer wie Wages schreibt, jedoch ist er in der Kombination
der Möglichkeiten frei. Diese Freiheit markiert den Spieler als Mitautor, nicht des Plots, aber
65
Auf das Phänomen der zwei Handlungen (Desmond/Altair) gehen die anderen Kapitel der Arbeit genauer ein,
speziell das Kapitel der Immersion.
3
einer Narration innerhalb des Plots. In dem gezeigten Beispiel werden
Hypermediastrukturknoten verwendet, die durch ihren stark explorativen Charakter ein hohes
Maß an Interaktion und Selbständigkeit des Spielers zu lassen, was die Mitautorschaft nur
noch stützt. Somit ist es richtig zu sagen, dass der Spieler ein Mitautor der Narration im Plot
und somit in der Lebensgeschichte seines Avatars ist.
Ein weiters Phänomen welches im Zusammenhang mit der Benutzerführung steht ist die
Frage, ob AC ein „open-world“ Spiel ist bzw. ob ein Videospiel wirklich so offen sein kann,
oder ob implizierter Autor und Programmierer immer am längeren Hebel sitzen. Folgt man
der in der Einleitung gegebenen Definition, ist AC sehr wohl ein „open-world“ Spiel. Der
Spieler ist immer frei zu erkunden, der explorative Charakter lässt eine hohe Freiheit zu, eine
Limitation findet nur dann statt, wenn sich der Spieler dem Plot widmet. Es gibt keine
Möglichkeit ein anderes Ende herbei zu führen. Ein alternatives Ende wie es z.B. bei Silent
Hill möglich ist, ist nicht gegeben.66 Aber es ist auch zu erwähnen, das man sich nicht von der
Begrifflichkeit täuschen lassen darf, „open-world“ beschreibt eine Spielprinzip die Spielwelt
frei zu erkunden, dies ist in AC auch möglich, jedoch wird nicht gesagt, dass diese Freiheit
auch für das Erreichen des Spielendes reserviert ist. Somit wäre es sinnvoller zwischen dem
Spielprinzip und dem Plot zu unterscheiden. Im Hinblick auf Spielprinzip ist AC eindeutig
„open-world“, im Hinblick auf den Plot ist es eben so linear wie andere Spiele. Selbst bei dem
in der Forschung oft als Beispiel verwendetem Spiel Myst ist das Ende nicht so offen wie die
Welt in der sich der Spieler befindet, Endziel ist es die Buchseiten zu finden, wie dies erreicht
wird, ist ebenso frei wie die Wahl der Attentate in AC, denn auch bei der Wahl der Attentate
wird dem Spieler eine Freiheit gelassen, er hat an manchen Punkten die Möglichkeit zu
wählen, welche Stadt er betritt, je nach dem wird er auch entscheiden, ob er dieses oder jenes
Attentat zuerst durchführt. Natürlich tritt an den Stellen, an denen der Plot über Interaktivität
siegt die Führung des Benutzers stärker ans Licht, jedoch wäre ein Spiel ohne jegliche
Benutzerführung auch schwer realisierbar. Auch Wages beschreibt dies, in dem er sagt, dass
die Führung des Benutzers „…das Interesse und die Aufmerksamkeit des Spielers gelenkt
werden…“67 Unumgänglich ist der Fakt, dass durch die Spiele mit „open- world“ Prinzip ein
Spieltyp geschaffen wurde, in dem der Spieler freier als in anderen Spielen interagieren kann
und er dadurch die Funktion eines Mitautors für seine Narration erhält.
Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass der Spieler seine Narration auch rezipierbar
machen kann, solche Narrationen stellen auch die hier verwendeten Videos dar, welche auf
66
Zwar besteht bei Silent Hill die Möglichkeit ein alternatives Ende zu erreichen, jedoch sind natürlich auch
diese Enden vorgegeben und nicht vom Spieler frei kreiert.
67
Vgl. Wages, S. 42.
3
der Onlineplattform Youtube zu finden sind.68 Dabei gilt es aber zu unterscheiden, welche
Rezeptionshaltung eingenommen wird. Es gibt die Möglichkeit die Videos und Walkthrougs
in Textform als Anleitung zum schnellen und präzisen Durchspielen zu lesen, andererseits
und diese Lesweise steht bei der oben vorgenommenen Betrachtung im Fordergrund, diese
Wiedergabe einer vom Spieler geschaffenen Geschichte ohne die Motivation eines
Erkenntnisgewinns zu lesen. Bei dieser Rezeptionshaltung wird das sehen (bei Videos) und
lesen (in der Form von Texten) durch das Interesse des Rezipienten an einem Inhalt motiviert
und nicht durch den Drang nach Informationen. Dieser Effekt einer „Freude am Zuschauen“,
vergleichbar etwa mit dem Zuschauen bei Filmen, kommt vor allem bei der Form der
Wiedergabe des Spiels in Videoform vor. Daher ist es sinnvoll noch einmal eine
Unterscheidung dahingehend zu machen, welche Absicht hinter der jeweiligen von einem
Spieler geschaffenen Narration eines Spiels steht. Bei Videos wäre daher eine begriffliche
Unterscheidung in Walkthrough (als Spielanleitung) und in Playthrough (als Erlebnis des
Zuschauens für den Rezipienten)69 möglich, dabei wird eine Unterscheidung nicht auf der
Seite der Produktion getroffen, sondern auf der Seite der Rezeption. In der Form der
geschriebenen Texte ist eine solche Unterscheidung auf der Produktionsseite getroffen, denn
die meisten Walkthroughs in gedruckter Textform lesen sich ohne hin wie eine Anleitung und
haben im Gegensatz zu Videos auch vorrangig diesen Effekt auf den Rezipienten, so dass ihm
die Entscheidung im Hinblick auf seine Rezeptionshaltung schon durch die Textgestaltung
abgenommen wird.
Die Tatsache, dass Videospiele also auch rezipierbar sein können und das auf verschiedene
Art und Weise, stellt sie in die Nähe von anderen Medien wie Theater und Film. Die Begründung dafür wird darin gesehen, dass auch Film – und Theaterregisseure eine Narration schaffen, auch sie verwenden eine Geschichte bzw. einen Stoff der nicht von ihnen als Autor geschaffen sein muss und verändern ihn durch ihr Eingreifen und das Arrangieren einzelner Elemente, somit schaffen auch sie Narrationen. Dem zu folge stehen auch sie als Mitproduzenten
einer Narration da und werden von den Rezipienten auch so verstanden, somit sind können sie
wie der Spieler eines Videospiels auch als Mitautoren der Werke an denen sie arbeiten verstanden werden. Wenn sich im Spiel also von einem implizierten Autor sprechen lässt, dann
wird diese Position von einem Abbild des Spielers eingenommen, denn er ist derjenige der die
Geschehnisse zusammenfügt.70 „Jedoch ist die Autorschaft des Spielers vom Spiel impliziert.
68
http://www.youtube.com/view_play_list?
p=FDF7F0EC95580221&search_query=wilhelm+von+montferrat+assasins+ceed 17.02.10, 18:08 Vgl. ebenso
Neitzel, S. 130.
69
Dieses Erlebnis ähnelt einem Film, aber mehr einem Stummfilm, da die Geschichte nicht vorrangig durch
Monologe und Dialoge vermittelt, sondern mehr durch das Agieren der Figuren.
70
Vgl. Neitzel, Diss., S. 132.
3
Die Bezeichnung des Spielers als implizierter Autor enthält damit genau den Widerspruch,
den Genette an dem Begriff implizierter Autor festmacht, und hält ihn aus. Ebenso wie der
implizierte Autor in der Literatur im Prozess des Lesens aus dem Text gebildet wird,
ist der implizierte Autor eines Videospiels durch das Spiel eingesetzt und wirkt am
Spiel mit.“71 Neitzel setzt bei ihrer Analyse den Spieler mehr als Narratär (Erzähler) einer
vorgegebenen Geschichte ein, durch die Möglichkeiten aber, die AC strukturell wie auch
interaktiv bietet wird er Spieler hier, wie oben gezeigt, nicht nur zum Erzähler seiner
Geschichte des Spiels. Durch die Möglichkeit einer Rezeption durch Dritte, wird er zu einem
Mitautor seiner quasie-individuellen (im Rahmen seiner Interaktionsmöglichkeiten) Narration
des Spiels.
Als abschließender Vergleich dieser Problematik sei auf ein weiters Spiel hingewiesen, in
dem wie auch im Beispiel Silent Hill mehrere Möglichkeiten bestehen den Weg durch das
Spiel zu finden, das „Computerspiel Fahrenheit aus dem Jahr 2005. In den USA erschien es
unter dem Titel Indigo Prophecy, um Verwechslungen mit dem Film Fahrenheit 9/11 zu
vermeiden. Es wird dem Genre der Adventurespiele zugeordnet, zudem wird es als
interaktiver Film bezeichnet. Der Spieler übernimmt abwechselnd die Rolle des Mörders
Lucas Kane und der ermittelnden Polizeibeamten Carla Valenti und Tyler Miles. Der Spieler
jagt sich also im Prinzip selbst. Wenn er als Lucas also zum Beispiel die Tatwaffe versteckt,
wird ihm das Versteck nicht gezeigt. Als Polizist sucht er dann ahnungslos. Durch diese
Spielkonstellation findet zu Beginn nicht die für Computerspiele sonst übliche Trennung
zwischen Held und Bösewicht statt. Nach und nach erfährt man das Motiv für den Mord und
kommt der Lösung des Falles näher.
Anders als bei den meisten PC-Spielen ist bei Fahrenheit nicht das Spielen an sich im
Vordergrund, vielmehr geht es darum, die Geschichte mitzuerleben und weiterzuführen.“72
Ein abschließendes Beispiel und einen Ausblick auf die zukünftige Gestaltung von narrativen
Strukturen und der Vielfalt interaktiven Gestaltens einer Narration durch den Spieler bietet
das unlängst erschienene Spiel „Heavy Rain“, das im Frühjahr 2010 veröffentlicht wurde.
Dieses Spiel stellt laut Medienberichten mehr dar, als ein Videospiel.73 Entwickelt wurde das
Spiel vom französischen Studio Quantic Dream unter der Leitung des Gründers David Cage,
der auch schon bei den beiden vorherigen Titeln The Nomad Soul und Fahrenheit die Feder
71
Vgl. Neitzel, Diss., S. 134.
http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrenheit_%28Computerspiel%29 23.02.10 11:08
73
http://www.spiegel.de/netzwelt/games/0,1518,680010,00.html 29.03.10, 11:05.
72
3
führte. In der Tradition dieser Spiele gestaltet sich auch „Heavy Rain“ mehr als ein
interaktiver Film als ein Spiel.74
IV. Erzählinstanzen in Videospielen, ein Guide/Erzähler?
In Videospielen wird ein Plot, eine Geschichte unzweifelhaft vermittelt, der Spieler erlebt,
„liest“ während des Spielens nicht den geschriebenen Programmcode, sondern durchspielt
eine Geschichte und nimmt diese demnach auch wahr. Im vorangegangenen Kapitel wurde
auch auf narrative Strukturen in Videospielen eingegangen, daran anknüpfend soll hier auf
eine weiter Instanz aus der Erzähltheorie eingegangen werden, dem Erzähler. Die Frage die
sich stellt, gibt es in Videospielen einen Erzähler, was ist seine Funktion/-en und hat er im
Vergleich zum klassischen Erzähler in Texten und Filmen im Videospiel noch Weitere.
Außerdem soll der Theorie eines Guide/Erzählers nachgegangen werden, d. h. nehmen
bestimmte Charaktere zu ihrer Funktion als Erzähler, wenn sie diese haben, noch eine weitere
Funktion ein, nämlich den Spieler durch Hinweise zu leiten und ggf. seine Fähigkeiten zu
verbessern.
Für die Beantwortung dieser Fragen soll zu erst der aus der Literaturtheorie bekannte Erzähler
noch einmal kurz dargestellt werden, und im Anschluss nach Erzählinstanzen in Filmen
gefragt werden. Danach wird versucht darüber auf eine Erzählinstanz in Videospielen zu
schließen und die Funktion für den Spieler, also den Rezipienten, herauszustellen.
IV. 1. Grundlagen der Erzähltheorie, Erzählung und Erzähler.
„Die Menge der Erzählungen ist unüberschaubar. … Träger der Erzählung kann die
gegliederte, mündliche oder geschriebene Sprache sein, das stehende oder bewegte Bild, die
Geste oder das geordnete Zusammenspiel all dieser Substanzen;“ dies charakterisiert nach
Roland Barthes in der Erzähltheorie die Erzählung.75 Des Weiteren wird in der Erzähltheorie
ein narrativer Text dadurch gekennzeichnet, dass eine Abfolge von Zeichen (ein Text), eine
Abfolge von Ereignissen (eine >Geschichte<) repräsentiert.76
Nach Barthes diente in primitiven Kulturen das Erzählen als die bloße Wiedergabe und zur
Thematisierung subjektiven Erlebens. Parallel dazu sieht er die Entwicklung literarischen
74
Nähere Informationen zur Story und dem Gameplay wurden bis kurz vor der Veröffentlichung nur
bruchstückhaft an die Öffentlichkeit getragen. Ähnliche Strategien werden auch bei der Werbung für neu
erschienene Filme und andere Medien betrieben. Etwas detaillierte Informationen zum Spiel unter:
http://www.pcgames.de/aid,478861/Heavy-Rain/PC/Vorschau/ 28.02.10,13:21.
75
Vgl. Vogt, S. 287.
76
Vgl. Vogt, S. 288.
3
Erzählens, welches auch von der Mündlichkeit ausging und zur Verschriftlichung des
Erzählten entwickelt wurde.77
Eine Erzählung kann demnach in jeglicher Form auftreten. Bekannt aus der Literatur sind
Formen wie Novelle oder Roman. Wer „erzählt“ uns aber, wer thematisiert in diesen
literarischen Formen den Inhalt?
Die Erzähltheorie setzt dafür eine Instanz ein, die Instanz eines Erzählers. Er tritt dem
Rezipienten bei der Lektüre als „Persönlichkeit“ vor sein inneres Auge, im Text selbst bleibt
er aber in vielen Fällen anonym und körperlos, Ausnahmen sind die Fälle, in denen der
Erzähler mit einer Figur des Textes zusammenfällt (immanenter Erzähler). In Texten ohne
expliziten Erzähler lässt die Darbietung des Geschehens, aus einem bestimmten Blickwinkel
(>>point of view<<), den Gedanken an eine bestimmte Erzählinstanz zu.78
In der deutschen Literaturforschung am weitesten bekannt ist die Theorie von K. Stanzel, der
das Konzept einer „typische Erzählsituation“ bekannt machte. Stanzel unterscheidet zwischen
einer auktorialen Erzählsituation (raffend, Erzählerkommentare, Souveränität über Zeit Raum
und Geschehen), eine allwissende Position des Erzählers zwischen einer personalen
Erzählsituation („point of view“ einer Romanfigur), Artikulation einer „erlebten Rede“ und
zwischen einer Ich-Erzählsituation („erzählendes“ und „erlebendes Ich).79
Dieses Konzept von Erzähler wurde in der Folge von weiteren Literaturforschern adaptiert
und weiterentwickelt, dazu gehören z.B. Dorrit Cohn (1981) oder auch Genette (1994).80 Aber
auch bei den Erweiterungen sind Reinformen selten, oft kommt es zu Mischungen und
Kombinationen.
Die verschiedenen Möglichkeiten der Kombination und dem Auftauchen von Erzählern sind
durch Wirkungsabsichten bzw. außerliterarischen Faktoren geprägt:81 Demnach ist auktoriales
Erzählen oft durch Lehrhaftigkeit und Leserlenkung bestimmt; personales Erzählen stellt sich
als Programm eines objektiven Erzählens dar; historisch gesehen, treten in Moderne und
Postmoderne immer mehr Mischformen in den Vordergrund.82
Auch Schardt geht in seinen Ausführungen zur Erzähltheorie davon aus, dass es die
Erzählinstanz des Erzählers in Texten gibt, dabei kann die Geschichte an einen Erzähler
geknüpft sein oder aber erzählerlos mit der Geschichte und ihren Figuren verschmelzen.
77
Vgl. Vogt, S. 288.
Vgl. Vogt, S. 299.
79
Vgl. Vogt, S. 300.
80
Zur genauen Erweiterung siehe Vogt Seite 301 Tabelle unten.
81
Vgl. Vogt, S. 302.
82
Vgl. Vogt, S. 302.
78
3
Er zeichnet den Weg von der Allmacht eines Erzählers (auktorialer Erzähler) bis zum völligen
Verschwinden und Aufgehen in einer personalen Erzählsituation. Der auktoriale Erzähler
erzählt nicht wertfrei, er vermischt beim Erzählen die Geschichte mit seinen eigenen
Wahrnehmungen und Urteilen,83 was nicht vergessen werden darf, dass auch die
Erzählinstanz je nach Absicht des Textes konstruiert ist.
Es muss darauf hingewiesen werden, dass der Erzähler immer in Verbindung zum Leser steht.
Er adressiert seine Ausführungen immer an ein Publikum.
IV. 2. Erzählinstanzen im Film
Für die Klärung einer Erzählinstanz in Filmen wird stark auf die Arbeit von Britta Neitzel
zurückgegriffen und ausgehend von ihrer Arbeit die Erzählinstanz im Film beschrieben
werden. Im Film sind ebenfalls verschiedene Möglichkeiten gegeben eine Erzählinstanz
auftauchen zu lassen. Nach Britta Neitzel ist der Erzähler im Film nicht so klar zu
identifizieren wie in der Literatur, da er sich meist nicht als ein Erzähler vorstellt, sondern im
Film als Stilmittel agiert.84 z.B. im Film „Sin City“, es handelt sich dabei um die Umsetzung
des gleichnamigen Comics von Frank Miller aus dem Jahr 2005. Regisseur ist Robert
Rodriguez und Frank Miller. Der Film begleitet diverse Charaktere auf ihrem brutalen Alltag
in der fiktiven Stadt Basin City. Der Plot teilt sich in mehreren übernatürlichen Geschichten
auf, die weitgehend unabhängig voneinander sind und auch so erzählt werden. Die jeweiligen
Protagonisten der Teilgeschichten tauchen auch als Erzähler auf, die einem imaginärem
Publikum, dass im Film nicht zu sehen ist ihre Geschichte in Form von Rückblenden, so wie
gleichzeitigen Erzählungen präsentieren jedoch wird der Sprechakt nicht visualisiert, denn die
Stimme des erzählenden Protagonisten ist nicht zu sehen, d.h. es handelt sich zwar um die
Stimme des Protagonisten der jeweiligen Geschichte, jedoch ist er beim Sprechakt nicht zu
beobachten. Es wird aber nicht in jeder der Geschichten gleich erzählt, in der Marv-episode
(Sin City (The Hard Goodbye)), wird in Form einer Rückblende erzählt, „homodiegetischer
intradiegetischer Erzähler, d. h. er erscheint als Erzähler in der Geschichte und erzählt dann
seine eigene Geschichte.“85 Es kommt ebenfalls in That Yellow Bastard – Teil 2 zu einer
Rückblende. Jedoch wechselt die Erzählsituation nicht nur unter den Episoden, sondern auch
in den Episoden.
83
Vgl. Schardt, Reinhold. Narrative Verfahren, S. 61.
Vgl. Neitzel, Diss., S. 122.
85
Vgl. Neitzel, Diss., S. 122.
84
3
Adressat des Films ist ein Publikum welches vom Film selbst nicht als real vermutet wird, da
es nicht direkt von der Erzählinstanz angesprochen wird. Es gibt keine Einführung wie es aus
der Literatur bekannt ist a la „Lieber Leser, die nachfolgende Geschichte …“. Somit kann von
einem implizierten Leser / Publikum ausgegangen werden. 86
Eine andere Form von Erzähler im Film wäre der character-narrators, dabei handelt es sich
um eine Figur des Films, der als Erzähler auftritt und das Publikum als Rezipienten anspricht.
Ein Beispiel dafür wäre z.B. der Film „Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ ein
Mafia-Drama von Martin Scorsese aus dem Jahr 1990. Es basiert auf Nicholas Pileggis Buch
„Wise Guy – Der Mob von innen“, das auf einer wahren Begebenheit beruht und vom
rücksichtslosen Aufstieg eines Gangsters in den fünfziger Jahren der USA erzählt. Hier wird
aus der Perspektive des Protagonisten Henry Hill (Ray Liotta) berichtet, der dem Publikum
seine Lebensgeschichte erzählt und dabei auch das Publikum anspricht. Der Protagonist ist
sich zwar nicht bewusst ein Filmpublikum anzusprechen, jedoch verfällt er mehrmals dahin
das Publikum mit Phrasen wie „Wissen sie …“ oder „Ich erzähle …“ anzusprechen.
Tom Gunning (1991) schlägt ein „Narrator System“ vor. Sein System ist aus drei Ebenen
aufgebaut: Als erstes nennt er die profilmische Ebene, auf dieser Ebene spiegeln sich die
Gegebenheiten wieder, die vorher durch das Drehbuch festgelegt wurden, dies betrifft
Charaktere, Setting, Kulissen ect. zudem noch die Handlung also der Plot des Filmes. Die
zweite Ebene nennt er „the enframed image“, zu dieser Ebene zählen alle Bestandteile der
Bildkomposition und Kameraarbeit, als dritte Eben beschreibt er die Montage, auf dieser
werden die Einstellungen ausgewählt und zusammengestellt. Durch die Beschreibung als
„Erzähler-System“ werden die technischen Komponenten in den Mittelpunkt gerückt und es
wird Abstand von einem figuralem Erzähler genommen. Diese Tatsache ermöglicht die
Anwendung auch auf andere Medien mit entsprechenden Modifikationen bzw.
medientypischen Besonderheiten. Also müsste bei der Umsetzung für das Videospiel danach
gefragt werden, welche Elemente des „Narrator Systems“ für den Film beim Videospiel
vorkommen, um dann zu klären welche Erzählinstanz vorliegt.
Angewendet auf das Videospiel muss beachtet werden, dass hier die erste Ebene fehlt, es
findet keine Abbildung statt, außer dem Programm, außerdem fehlt die dritte Ebene, ein Spiel
wird nicht wie ein Film in der Produktion aus verschiedenen Szenen zusammengesetzt, auch
86
Vgl. Neitzel, Diss., S. 121.
3
wenn das Endprodukt bei manchen Spielen diesen Anschein hat, vor allem wenn es sich bei
den Spielen um die Umsetzung von Filmen handelt.
Die Theorie Gunnings lässt den Schluss zu, dass der Spieler eine Art Montage vornimmt und
nicht wie im vorangegangenen Kapitel vermutet Mitautor einer Geschichte ist. Jedoch wurde
in diesem Kapitel dargestellt, dass der Spieler nicht die Freiheit eines realen Autors hat, der
aus seiner Fantasie eine Geschichte entstehen lässt, er kann eine Geschichte nur unter den
vom Programm vorgegebenen Möglichkeiten erspielen und gestalten. Sinnvoll wäre es also
einen anderen Begriff für die Funktionen des Spielers zu beschreiben. Er ist Mitautor seiner
Geschichte unter Verwendung der vom Spiel gegebenen Möglichkeiten. Da es sich bei den
Möglichkeiten aber nicht darum handelt kreative Arbeit zu leisten, sondern darum vom
Programm vorgegebene Aktionen in Komposition zu setzen, kann die Tätigkeit des Spielers
auch wie eine filmische Montage anmuten.
Bezeichnend für die Funktion vom Spieler ist, egal wie seine Tätigkeit verstanden wird, dass
er im Rahmen der vom Programm gegebenen Möglichkeiten eine Narration etabliert und
rezipierbar macht, die bei der mikroskopischen Betrachtung jeder Aktion im Spiel (wenn also
jede Bewegung in alle Richtungen und jedes inne halten mit einbezogen wird) als einzigartig
zu beschreiben ist. Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass es nicht Einzigartigkeit ist
die Autorentätigkeit kennzeichnet, sondern das Verständnis und die Möglichkeiten eines
Mediums zu nutzen um eine gute Geschichte entstehen zu lassen. Ob ein Spieler ein guter
oder schlechter Mitautor ist oder sein kann, war aber nicht Frage des Kapitels, denn die
Beantwortung dieser Frage ist subjektiv und nicht objektiv zu klären.
Wichtig für die Erzählung im Film ist zudem die Kamera, Eine Theorie die auf Bordwell
zurückgeht beschreibt die Kamera als Erzähläquivalent, als „unsichtbaren Beobachter“.87
Dieser Beobachter simuliert den Blick des Rezipienten, jedoch aus mehr als dem Menschen
natürlich möglichen Blickwinkeln. Dabei werden aber nach Bordwell die anderen filmischen
Techniken von Erzählung ausgeblendet. Die Kamera erzählt durch Fokussierung, sie lenkt
den Blick des Rezipienten. 88 Somit ergeben sich für den Film die Möglichkeiten der Kamera
als Erzähler, einer tatsächlichen Erzählerfigur, die direkt in das Figurensetting des Films
gehört und die des Erzählers, der nicht als Figur im Film auftaucht. Dieser trägt dann die
Merkmale eines auktorialen Erzählers aus der Literatur. Dieser Ausprägung kommt besonders
bei Literaturverfilmungen vor, da die Werke die verfilmt werden und in ihrer Vorlage stark
87
88
Vgl. Neitzel, Diss., S. 124.
Vgl. Neitzel, Diss., S. 125.
4
durch einen Erzähler geprägt sind nicht nur durch Bildkomposition erzählen können, dadurch
würde ein wesentlicher Teil der Erzählung und dadurch wichtige Informationen für den
Rezipienten verloren gehen. Als Beispiel ist hier „Das Parfum – Die Geschichte eines
Mörders“ genannt.89 Im Film ist die Stimme eines Erzählers aus dem Hintergrund (dem OffBereich) tragend für die Geschichte, er weiß alles über die Hauptfigur des Filmes und die
Umstände, damit stellt er sich als allwissende dar und kommt dem auktorialen Erzähler in der
Literatur sehr nah. Natürlich erhebt auch dieser Film nicht eine genaue Kopie der
Romanvorlage zu sein, was auch nicht nötig ist, aber die Erzähler beider Medien ähneln sich
sehr stark. Was bei diesem Film noch hinzukommt, ist die Tatsache, dass eine Kombination
der Erzählinstanzen stattfindet, denn zu der Erzählerstimme kommt noch eine starke
Einbindung der Kamera als Erzählinstanz hinzu. Die jeweiligen Szenen sind stark durch den
Einsatz von Kameraeinstellungen und Schnitttechnik geprägt, somit erzählen auch die bloßen
Bilder ohne Ton. Aber der Film ist eine Kombination von Bild und Ton90, somit ist eine
differenzierte Betrachtung möglich, jedoch um zu einem Gesamtergebnis zu kommen nur
teilweise befriedigend.
IV. 3. Die Erzählinstanzen im Videospiel.
IV. 3. 1. Der Avatar Altair als Erzählinstanz.
Im Folgenden soll es nun um die Anbindung der aus Literatur und Film dargestellten
Erzählinstanzen an das Videospiel gehen und geklärt werden ob eine Übernahme bzw. eine
Anpassung an das Videospiel möglich ist. Zuerst soll im Vergleich zu der Darstellung Britta
Neitzels, die dem Avatar, bzw. der Kamera (dem Blick den der Spieler auf den Avatar hat)
eine Erzählinstanz zuschreibt, die Frage geklärt werden, ob dies auch für den Avatar
(Desmond und Altair) in AC gilt und ob es daneben noch weiter Möglichkeiten für
Erzählinstanzen in AC gibt.
Der Erzählakt im Videospiel vollzieht sich ähnlich wie im Film vorrangig auf der visuellen
Ebene, daher muss nach Neitzel um eine Erzählinstanz zu verorten Rücksicht auf die
Elemente filmischen Erzählens im Videospiel genommen werden. Ein wichtiger Aspekt dabei
89
Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders ist ein vom deutschen Regisseur Tom Tykwer inszenierter
Spielfilm aus dem Jahre 2006. Das Drama basiert auf dem gleichnamigen Roman von Patrick Süskind.
90
Zur Technik filmischer Umsetzung sei hier auf: Kandorfer, Pierre: Lehrbuch der Filmgestaltung. Theoretischtechnische Grundlagen der Filmkunde. Köln-Lövenich: 1978. und Monaco, James: Film verstehen. Kunst,
Technik, Sprache. Geschichte und Theorie des Films. Reinbek 1980 (rororo handbuch Bd. 6271) hingewiesen,
die gute Einblicke in das Filmhandwerk vermitteln.
4
stellt die Zuschreibung einer Erzählfunktion an den Avatar dar, der den Spieler immer
begleitet, er ist omnipräsent, sobald der Spieler spielt, interagiert er über den Avatar mit der
Spielwelt und somit auch mit der Geschichte. Daher ist es wichtig, wie ein Avatar handelt,
daraus ergibt sich die Art und Weise des Erzählens. 91Im Fall von AC handelt es sich im
Vergleich zu anderen Adventure Spielen nicht um einen, sondern um zwei Avatare (Desmond
und Altair) zwischen denen der Spieler wechselt. Dieses Phänomen findet im Kapitel welches
sich mit der Immersion noch besondere Beachtung, an dieser Stelle wird diese Problematik
ausgeblendet, denn es handelt sich egal ob Desmond oder Altair im Akt des Spielens immer
um den vom Spieler gesteuerten Avatar. Denn egal ob Altair oder Desmond, der Spieler
drückt je nach Hardware eine Taste auf dem Steuergerät (Joypad, Tastatur, Maus) und der
Avatar reagiert darauf, um die jeweilige Funktion der Tasten zu bestimmen kann der Spieler
entweder in die Spielanleitung92 schauen, oder das ganze durch Probieren herausfinden, wobei
es in AC unumgänglich ist ein so genanntes Tutorial93 zu durchspielen, dabei ist dieses
Tutorial geschickt in das Spiel integriert und nicht wie bei anderen Spielen extra als
Menüpunkt vor dem Spiel angelegt, oder anderweitig aus der Geschichte ausgelagert.
Jedoch ist ein Blick in die Spielanleitung nicht zwingend notwendig, da das Interface bei
diesem Spiel sehr übersichtlich und hilfreich angelegt ist.
Das Interface von AC teilt sich in fünf gut vom Spieler zu sehende Elemente ein:
91
Vgl. Neitzel, Diss., S. 136.
Zur Steuerung siehe im Anhang die Auszüge aus dem Manual zur Xbox 360 Version, die Steuerung kann je
nach Joypad etwas abweichen, ist aber von der Anordnung der Steuertasten ähnlich.
93
Ein Tutorial (lat. tueri „beschützen, bewahren, pflegen“) ist in erster Linie eine Gebrauchsanleitung in
schriftlicher Form, die mit Hilfe von Text und Bildbeispielen Schritt für Schritt erklärt, wie man mit einem
Computerprogramm umgeht oder bestimmte Ergebnisse erzielt. Tutorials müssen nicht eigenständige
Dokumente sein. Sie können auch Teil des Programms sein und dieses durch das Prinzip Learning by Doing
erklären (häufige Anwendung in Videospielen). Bsp. für AC: http://www.youtube.com/watch?
v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0 05.03.10, 09:51, 06:31 min. bis
Videoende, + http://www.youtube.com/watch?v=8RAcJGaK77s&NR=1 05.03.10, 09:56, bis 04:39min.
92
42
Eine „…Informationstafel, um dem Spieler wichtige Informationen
zu übermitteln,
…[das] GPS, ein Radar, auf dem die Standorte der Haupt- und
Nebenquests und der Speicherpunkte zu sehen sind, damit man immer
weiß, wo es lang geht
Im oberen, rechten Quadranten findet man die HUDSteuerung94, die Aktionen, die mit den vier Tasten des XBox
360 oder Playstation 3 Controllers ausgeführt werden
können. Je nach Situation verändert sich die mögliche
Aktion einer Taste. Dabei entsprechen die Tasten den jeweiligen Körperbereichen des
Assassinen.
Links unten befindet sich ein Icon, das Waffen-Symbol, das im
Normalzustand eine Faust darstellt. Sobald man eine Waffe zieht,
beispielsweise ein Schwert, verändert sich das Icon und statt der Faust ist
eine Klinge zu sehen. Wenn man die Waffen wechseln will, werden einem mit
dem Icon auch alle Möglichkeiten aufgezeigt.
In der linken, oberen Bildschirmecke
befindet sich eine Anzeige, der DNA-SyncBalken, …Wenn man sich entgegen den
Ansichten des Assassinen verhält, zum
Beispiel grundlos Zivilisten tötet oder
andere, für Altaïr untypische Taten begeht,
verschwinden diese Blöcke. Es findet also
eine Desychronisation statt. … Links neben
der Anzeige und der Doppelhelix ist ein Icon,
das Abstergo-Symbol,… Bei dem Icon handelt es sich um eine Art Auffälligkeitsanzeige.
Wenn sie gräulich weiß… ist, hat man nichts zu befürchten … Wird das Icon gelb, bedeutet
dies, dass man beobachtet und verfolgt wird. Wenn das Icon dann schließlich rot wird,
94
Das Head-up-Display (HUD bedeutet sinngemäß übersetzt Anzeigefeld in Blickrichtung; Frontsichtdisplay)
und ist ein Anzeigesystem aus der Luft – und Raumfahrt, bei dem die für den Nutzer wichtigen Informationen
in sein Sichtfeld projiziert werden. Bei dem HUD in AC besteht zusätzlich die Möglichkeit darin angezeigten
Aktionen durch Betätigen einer Taste auszuführen, wodurch das HUD den Zusatz Steuerung erhält.
4
herrscht auch bei Altaïr Alarmstufe Rot,… Eine Lebensanzeige sucht man übrigens
vergeblich.“95
Wichtig für die Art der Erzählung ist zudem, dass sich die grafische Darstellung des Spieles
immer mehr an den Film anlehnt. Die Grafiken und Darstellungen im Spiel werden immer
wirklichkeitsnäher und nähern sich durch immer bessere Hardware dem filmischen noch
mehr an. Die kausale Beziehung zwischen der Aktion des Spielers durch das Eingabegerät
und der Reaktion des Avatars bleibt aber vordergründig, ganz einfach gesagt ist es trotz
schöner Grafik und aufwendigem Setting von entscheidender Bedeutung, dass ein Spieler
weiß welcher Tastendruck welche Aktion auslöst und ebenso, dass die Aktionen bei ein und
demselben Spiel immer die gleichen sind. Denn ist es zum Beispiel wie in vielen
Computerspielen die mit der Tastatur als Eingabegerät arbeiten so, dass die Tastenbelegung
geändert werden kann, stellt die neue Tastenbelegung im ersten Moment den Spieler vor ein
Problem, denn er muss sich neu an die Steuerung gewöhnen, daher ist es oft so, dass wenn die
Möglichkeit der freien Wahl der Tastenbelegung besteht, der Spieler die Tasten immer
ähnlich belegt, ebenfalls ist es aber so, dass die Spielhersteller bei ähnlichen Spielen auch
ähnliche Steuerungen verwenden.
Reagiert der Avatar, interpretiert dies der Spieler, die Fähigkeiten zu hören und zu sehen
können zudem auch dem Avatar in manchen Fällen zugeschrieben werden.96 Bei AC wird
diese Fähigkeit nur dann direkt dem Avatar zugeschrieben, wenn der Blick in die
Egoperspektive (hier im Speziellen „Adlersicht“) gewechselt wird.
97
In der für das Spiel vorherrschenden
Perspektive wird eine wie Neitzel es
beschreibt doppelte Art der Vermittlung
gewählt, durch das Fortbewegen des Avatars
und durch eine virtuelle Kamera,98 die jede
Handlung des Avatars verfolgt.
Die Handlungen des Avatars können als eine Übersetzung des Agierens des Spielers mit dem
Steuergerät in das Spiel betrachtet werden.
95
http://www.assassins-creed.de/ac1/interface.htm 05.03.10, 09:30.
Vgl. Neitzel, Diss., S. 138.
97
http://www.pcgames.de/screenshots/501x282/2009/11/Adlersicht.jpg 05.03.10, 10:02 Bsp. für die Adlersicht
in AC.
98
Die Kamera wird ebenso wie der Avatar vom Spieler durch das Betätigen eines Joysticks auf dem Joypad
gesteuert. Ebenso ist in den Cutscenes eine Steuerung durch verschiedene Tastendrücke möglich.
96
4
Die Aktionen, die der Avatar durchführt, können demnach als ein Akt der Narration, mit dem
Erzählen einer Geschichte verglichen werden.99 Es wird aber durch das Gehen, Reiten,
Springen und Kämpfen Altairs nicht beschrieben was erzählt wird, sondern wie, denn wenn
Altair oder auch Desmond sich in der Spielwelt hin und her bewegen, wird gezeigt ,wie das
Erzählen durch den Avatar möglich ist, jedoch wird sich in der Handlung nicht weiter bewegt.
Für ein Voranschreiten in der Handlung ist es nötig in der Geschichte voran zu schreiten, also
die gestellten Aufgaben zu lösen. Im Vergleich zu einem Text in dem ein Erzähler etwas
berichtet, wird im Videospiel eine Bewegungshandlung simuliert, diese Handlung wird aber
durch den Spieler ausgeführt, der damit eine Erzählhandlung übernimmt. Wie oben erläutert,
kann der Spieler verschiedene Funktionen für ein Spiel haben. Aber auch wie im Beispiel von
Britta Neitzel, die Lara Croft als Beispiel für den Avatar wählt, liegt die Handlungsposition
des Avatars hier Altair bzw. Desmond in der Diegese der jeweiligen Geschichte.100 Es stellt
sich aber heraus, dass die Position des Spielers und die des Avatars nicht komplett
deckungsgleich sind. Der Avatar hat seine Perspektive, welche sich wie oben bereits erwähnt
nur bei dem Wechsel in die Adlersicht mit der des Spielers deckt. Die vorherrschende Sicht
jedoch ist eine andere, somit ist auch die dominante Perspektive mehr eine
Beobachtungsperspektive. Dadurch wird eine visuelle Anlehnung an das Medium Film
erreicht.
Die virtuelle Kamera befindet sich bei AC von Anfang an in einer verfolgenden Position
hinter dem Avatar in etwas erhöhter Position, kann aber vom Spieler selbst komplett gesteuert
werden, es sind 360° Schwenks möglich sowie die Veränderung in die Frosch- und
Vogelperspektive, außerdem ist die Kamerasteuerung durch den Spieler unbedingt notwendig
und von Beginn an angelegt.101 Es findet also bei AC eine doppelte Steuerungstätigkeit des
Spielers statt, denn er steuert sowohl Altair, wie auch die virtuelle Kamera. Somit ist er nicht
wie Neitzel es beschreibt den Avatar steuernder Beobachter, sondern er ist zugleich auch
Kameramann der virtuellen Kamera, jedoch bleibt der Orientierungspunkt auch wie bei
Neitzel immer der Avatar. Diese doppelte Tätigkeit des Spielers gilt auf jeden Fall immer für
Altair, denn selbst in den Cutscenes und den Szenen in denen Altair sich mit anderen
Charakteren unterhält, bleibt die Steuerung von Avatar und Kamera in der Hand des Spielers,
jedoch immer im Rahmen der durch das Programm vorgegebenen Möglichkeiten. Gibt das
Programm nur wenige Möglichkeiten, hat auch der Spieler nur wenige Möglichkeiten, diese
99
Vgl. Neitzel, Diss., S. 139 f.
Vgl. Neitzel, Diss., S. 141.
101
Sobald der Spieler in das Spiel einsteigt wird ihm vom Programm erklärt, wie Avatar und Kamera zu steuern
sind. http://www.youtube.com/watch?v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0
05.03.10, 10:44, 00:59min. – 02:15min.
100
45
sind aber immer spielspezifisch, im Vergleich zu AC gibt es in anderen Spielen die
Möglichkeit diese Szenen durch einen Tastendruck zu überspringen, wieder andere Spiele
lassen dem Spieler keine Möglichkeit der Beeinflussung. Auffallend dabei ist, dass gerade an
den Punkten, an denen die Spiele ziemlich nah an ein filmisches bzw. literarisches Erzählen
herankommen, dass ganze für die Handlung zwar interessant ist, für den aktiven Spieler aber
eher nebensächlich, es sein denn, er erhält daraus neue Informationen, die er für das
erfolgreiche Weiterspielen benötigt. Die beschriebene doppelte Tätigkeit102 des Spielers ist in
fast allen Spielen der neueren Generation von Bedeutung, eine Steuerung der Kamera durch
den Spieler ist in allen Spielen mit großer Bewegungsfreiheit vorhanden und unbedingt
notwendig. Dazu zählen vor allem AC ähnliche Spiele, die die Selbständigkeit des Spielers
bei der Interaktion mit der Umgebung um Spiel fordern.103
Somit kann dem Avatar Altair als Orientierungspunkt für den Spieler eine Erzählerfunktion
zugerechnet werden. Er ist es, der durch seine durch den Spieler gesteuerten Bewegungen die
Handlung vorantreibt und erzählt, selbst wenn die Handlung technisch bedingt aus setzt,
bleibt die Steuertätigkeit in der Hand des Spielers. Hiermit sind die Sequenzen gemeint, in
denen man sich in einem blauen Nimbus befindet und die als eine Art Ersatz für den
Ladebalken fungieren.104 Die Tatsache, dass die Steuerfähigkeit des Spielers über Altair und
die Kamera nie völlig aussetzt, lässt die Vermutung zu, dass wie es auch für die
Mitautorschaft des Spielers veranschlagt wurde, der Spieler auf die Erzählinstanz zumindest
einwirkt, bzw. einwirken muss, denn würde er den Avatar nicht steuern, würde nichts erzählt
werden. Der Avatar wird zwar vom Programm als Erzähler eingesetzt, jedoch wird dieser
und wie beschrieben auch die Kamera vom Spieler gesteuert. Eine Erzählinstanz, die wie in
einem Film oder auch bei einem Text durch die Produktionsinstanzen eingesetzt wurde, bei
dem Avatar Altair zu veranschlagen, ist demnach durchaus sinnvoll.
Die anschließende Frage ist, ob dies auf die gleiche Weise für Desmond gilt und ob es noch
weitere Erzählinstanzen als den Avatar gibt.
102
Auch Hartmann deckt sich hier mit der Annahme einer doppelten Tätigkeit des Spielers, er ist bei ihm
Zuschauer und Schauspieler, d.h. er schau – spielt mit dem Avatar und sieht ihm dabei über die
Kameraperspektiv zu. Vgl. Hartmann, S. 81.
103
Weiter Beispiele wären z.B.: die „Halo“-Reihe, die „GTA“-Reihe (beginnend mit GTA III), also vor allem
Spiele die dem bereits beschriebenem open-world Prinzip folgen. Aber auch die Spiele deren Genre in die
Adventure Action Richtung fallen, ebenso aber auch dreidimensional gestaltete Rollenspiele und Rätselspiele.
Spiele mit durchgängiger Egoperspektive bilden keine Ausnahme nur ist dem Spieler die Kamerasteuerung hier
nicht so bewusst, da die Steuerung von Kamera und Avatar zusammenfallen, Bsp. „Call of Duty“ – Reihe.
104
Zur Frage was der blaue Nimbus ist, siehe das Kapitel zur Immersion.
4
IV. 3. 2. Der Avatar Desmond als Erzählinstanz.
Wie oben bereits erwähnt ist es an dieser Stelle sekundär, dass der Spieler zwei Avatare bei
AC steuert, da sie auch getrennt von einander zu betrachten sind. Zwar bedingen sie sich, sind
aber auch getrennt möglich zu betrachten.
An dieser Stelle soll nun Desmond in den Blick genommen werden, zwar ist sein Part als
Avatar weniger durch spielbare Abschnitte geprägt, für die gesamte Handlung jedoch nicht
weniger wichtig.
Im Prinzip, steigt der Spieler mit Desmond in die Handlung des Spiels ein, das erste was der
Spieler sieht, ist ein Display und ein Bild was dem Spieler im Verlauf des Spieles als
„Einklinken“ in den Animus bewusst wird:
105
Screenshot, erstes Bild bei Spielstart.
Somit ist Desmond also der Avatar, mit dem das Spiel genau genommen beginnt. Sein Blick
ist es, der dem Spieler als erstes präsentiert wird. Damit fällt an dieser Stelle wie in der
105
http://www.youtube.com/watch?v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0
10.03.10, 21:00, 00:42min.
4
Theorie oben bereits angesprochen dem Avatar sofort Sehen und Hören als Fähigkeit zu. Die
Tatsache, dass Desmond der Avatar ist, der das Spiel eröffnet findet wie die Frage um den
blauen Nimbus ebenfalls Beachtung im Kapitel in dem es um die Immersion geht. Die erste
tatsächliche Begegnung mit Desmond, der ihn in den Augen des Spielers erst als Avatar
greifbar macht, findet kurz nach Beginn des Spiels statt. Jedoch blickt der Spieler nicht durch
eine virtuelle Kamera, sondern durch den Blick einer Überwachungskamera, auch diese ist in
die Handlung geschickt eingebaut, denn an dieser und auch den weiteren Stellen wenn der
Spieler durch die Überwachungskamera blickt, wird dem was die Kamera bedient nicht der
Spieler direkt zugeordnet, sondern ein Sicherheitsmitarbeiter, den der Spieler aber nie zu
sehen bekommt.106
Die Beobachtungsperspektive, die für Altair durch eine virtuelle Kamera erreicht wurde, wird
hier durch eine im Spiel reale Überwachungskamera übernommen.107 Jedoch besteht auch die
Möglichkeit durch die virtuellen Kamera weniger bedeutsame Handlungen, wie das Laufen
Desmonds oder das Lesen der Emails dem Spieler dar zu bieten. Die Handlung weiter
treibende Aktionen die meist bei der Interaktion Desmonds mit einem Gegenstand erfolgen
(Bsp.: Animus oder Bett) werden dem Spieler durch die Sicht der Überwachungskamera
vermittelt. Die Sprechakte Desmonds sind wie auch die von Altair in den jeweiligen
Cutscenes nicht durch den Spieler steuerbar. Wie durch die Aktionen des Spielers wird die
Handlung auch durch das was in den Cutscenes erklärt wird weiter getrieben. Es gibt also
auch in ihnen Erzählinstanzen, die aber nicht wie der Avatar als Erzähler steuerbar sind, dazu
weiter unten.
Vorher soll noch die Position Desmonds als Erzählinstanz vollends heraus gestellt werden:
Denn trotz der Tatsache, dass die Kamera bei Desmond keine virtuelle ist, bleibt er dennoch
ein vom Spieler steuerbarer Avatar, jedoch sind die Möglichkeiten beschränkt, das einzige
was er tun kann um die Handlung zu erzählen, ist wenn er aus dem Animus geholt wird in
einen Nebenraum zu gehen und dort per Tastendruck durch den Spieler zu schlafen um dann
einen gerafften Zeitabschnitt im Spiel vergehen zu lassen um dann wieder in den Animus
eintauchen zu können. Andere Möglichkeiten die die Handlung voran zu treiben besitzt er
nicht. Die Nebenhandlungen wie Emails lesen und den Stift zu klauen, sind wie das ziellose
umherlaufen, was auch Altair beherrscht kein Erzählakt, sondern wie eben schon bei Altair
beschrieben wie erzählt wird und nicht was.
106
Der Beleg dafür ist geschickt versteckt, er findet sich in der Spielanleitung auf Seite 20. Siehe auch Anhang.
Die Tatsache, dass man während den Cutscenes mit Desmond eine Überwachungskamera steuert spricht
wieder für die Omnipräsens des Avatars, denn auch den nicht zu sehenden Sicherheitsbeamten kann man als
Avatar sehen, auch wenn er nur durch das Kamerabild verkörpert wird, dass der Spieler sieht und somit
logischerweise auch der Sicherheitsbeamte. An dieser Stelle fallen also Avatar und Kamera zusammen.
107
4
Einzige Ausnahme ist wieder die vom Spieler gesteuerte handlungstreibende Tätigkeit des zu
Bett Gehens und am Ende, wenn nach dem Sieg gegen Al Mualim Desmond die Adlersicht
erhält und der Spieler diese nutzen muss um die im Labor versteckten Symbole zu entdecken
und dadurch das Spiel zum Abschluss zu bringen. Somit ist auch Desmond ein durch den
Spieler gesteuerte Erzählinstanz in Form eines Avatars, zu dieser wird er aber erst am Ende
vollends, was durch die veränderte Kamera und die Adlersicht verdeutlicht wird.
Im nun folgenden Abschnitt soll die Theorie von Erzählinstanzen im Videospiel erweitert
werden, denn neben den Avataren tauchen in AC auch NPC’s auf, die dem Avatar und damit
auch dem Spieler Informationen weiter geben, die für das Spiel und die Handlung relevant
sind. Diese Annahme stützt sich auch auf den Fakt, dass die Cutscenes in denen die NPC’s
auftauchen vom Spieler nicht übersprungen werden können und zudem der Spieler auch in
den Cutscenes die Möglichkeit der Interaktion mit dem Avatar hat. Sie sind also nicht aus
dem Spielverlauf heraus gehoben, in Form von Videosequenzen, wie in anderen Spielen.
Beispielsweise ist es in der GTA-Reihe für den Spielverlauf unrelevant ob man die
Videosequenzen wahr nimmt oder nicht. Bei AC sind sie jedoch von höherem Wert, da erst
daraus beispielsweise Informationen für den Spieler ersichtlich werden, welches sein nächster
Auftrag ist und wie er diesen erreicht, verstärkt wird das ganze bei AC durch die sozusagen
interaktiven Cutscenes, die vollständig in die Handlung integriert sind. Anhand der NPC’s
und einem Vergleich mit bekannten Erzählinstanzen soll versucht werden auch dem
jeweiligen NPC’s eine solche Funktion zuzuweisen. In einem weitern Schritt soll im
Vergleich mit andern Spielbeispielen versucht werden, den NPC’s noch eine neue Funktion
zuzuweisen. Dadurch, dass sie dem Spieler Informationen geben und ihn sozusagen in
Handlung der Geschichte und auch in seinen Aktionen leiten, kann den NPC’s auch die
Funktion eines Guides zuerkannt werden, die Form welche sich daraus ergibt wäre dann ein
Guide/Erzähler.
IV. 3. 3. Die NPC’s als Erzählinstanz und Guide, ein Guide/Erzähler.
Die Idee eines Erzählers, der auch die Funktion eins Guides für den Spieler übernimmt,
stammt in der Theorie von Karin Bruns.108 In der Theorie wird davon ausgegangen, dass
schon das Intro eines Spiels eine Erzählinstanz bzw. Erzählerfigur etabliert. Die Aufgaben
dieser Erzählerfigur liegt in einer Art Moderation und der Einführung in das Spiel, dabei
108
Bruns, Karin. Game over? Narration und Spannung im Computerspiel. In kultuRRevolution – Zeitschrift für
angewandte Diskurstheorie (45/46),
hg. von Jürgen Link in Verbindung mit der Diskurswerkstatt Bochum, Essen, 2003, S. 85 – 89.
4
werden wichtige Spielmodalitäten erklärt und es findet eine Überführung vom Erzähl- in den
Zeigegestus statt, der übertritt in die interaktive (spielbare) Phase des Spiels.109
Des Weiteren rechnet Bruns auch den NPC’s ergänzend zum Intro erzählende bzw. den
Spieler leitende Funktion zu. Dadurch wird dem Spieler das „lesen“ des Plots ermöglicht.
Der oder die Guides können eine Art Meisterfigur für den Avatar sein und sich im
Spielverlauf vom Meister zum Gegner verändern.
An dieser Stelle soll die Theorie erweitert werden, denn um ein besseres Verständnis zu
ermöglichen soll die Funktion die Bruns den NPC’s beimisst als Guide/Erzähler bezeichnet
werden. Denn wie unten am Beispiel von AC gezeigt werden wird, ist beides möglich. Ein
NPC kann demnach die Funktion einer klassischen Erzählfigur haben, d.h. dem Avatar und
somit dem Spieler den Plot und inhaltliche Informationen zukommen lassen aber in einer
zweiten Funktion als Guide durch diese Informationen fungieren. Denn wird dem Avatar
etwas erzählt, was in der Handlung eher als banale Information gelten kann, so wird diese
Information für den Spieler vielleicht später wichtig um ein Rätsel bzw. einen Auftrag zu
löse. Es kann aber auch eine klare Trennung zwischen dem Guide und dem Erzähler geben,
sie können aber dennoch im gleichen NPC vorhanden sein.
Ein Beispiel für eine solche scharfe Trennung liegt im Videospiel The Legend of Zelda:
Ocarina of Time vor,110
111
Die Fee Navi.
„während des gesamten Spiels [wird man] von einer
Fee begleitet. In Ocarina of Time von Navi […]. Sie
[kann] Links Energie nicht regenerieren, [gibt] aber
nützliche Hinweise und [vermittelt] an Links Stelle
zwischen anderen Personen.“112 Zudem wird dem
Protagonisten durch sie in einer Cutscene, in der
beide aber nicht zu sehen sind und die wie eine
Rückblende funktioniert, enthüllt um was es in dem
Spiel geht. Navi hat somit die Funktion eines
Erzählers, der dem Avatar (Link) und dadurch dem
109
Vgl. Bruns, S. 87.
The Legend of Zelda: Ocarina of Time ist ein Videospiel vom Genre der Action-Adventure, entwickelt von
Nintendo. Es wurde am 11. November 1998 als fünfter Teil der The-Legend-of-Zelda-Reihe veröffentlicht und
ist der erste Titel in dieser Serie, der auf der Nintendo-64-Plattform erschien. Protagonist ist Link, der in Hyrule,
einem Kontinent, lebt. Link bekommt die Aufgabe, den Antagonisten Ganondorf zu stoppen, der versucht, das
Triforce, ein magisches Item, das die Wünsche seines Besitzers erfüllt, zu erlangen.
110
111
112
http://cdn-www.cracked.com/articleimages/wong/annoyingg/navi.jpg 12.03.10, 12:14.
http://www.zeldapendium.de/wiki/Fee 12.03.10, 12:03.
50
Spieler die Vorgeschichte des Gameplots erzählt. Zusätzlich wird sie zu einem optionalen
Guide für den Spieler, optional deswegen, weil er sie bei Bedarf in Anspruch nehmen kann.
Der Spieler hat nämlich die Möglichkeit durch einen Tastendruck an bestimmten Stellen mit
Navi zu sprechen, kommt man beispielsweise an Gegenstände oder Orte im Spiel an denen
man interagieren kann und es ist nicht im ersten Moment ersichtlich, macht sich Navi durch
ein akustisches Signal einen „He“-Ruf bemerkbar und durch die Veränderung ihrer Farbe,
man kann sie bei Bedarf durch das Betätigen der Taste zum Erklären aufrufen. Auch wenn
man auf Gegner trifft ist diese Option möglich, dann erklärt Navi dem Avatar und darüber
dem Spieler um was für einen Gegner es sich handelt und wie er wahrscheinlich zu besiegen
ist. Jedoch muss der Spieler ihre Hilfe nicht in Anspruch nehmen und kann sie einfach
ignorieren.
Die Funktion der Fee bleibt aber die Selbe, sie hilft dem Spieler sich in der Spielwelt zu Recht
zu finden und stellt daher einen Guide dar. Zusätzlich zu der informierenden Tätigkeit mahnt
sie den Protagonisten auch bei zu langem Stillstand sich weiter auf den Weg zu machen und
die ihm gestellte Quest zu erledigen. Sie ist aber nicht übergeordnet sondern in die Spielwelt
eingebettet, denn das Vorhandensein der Fee erklärt das Spiel daraus, dass jeder der zu dem
Dorf gehört aus dem der Protagonist Link stammt eine Fee hat die ihn begleitet. 113 Auffallend
ist auch, dass der Name der Fee (Navi) die gängige Abkürzung für Navigationssystem ist und
sie ja als Guide für Link eine ähnliche Funktion erfüllt. Somit ist ihre Funktion auch schon im
Namen angelegt. Navi ist somit ein Beispiel für einen Guide/Erzähler, mit dem der Spieler
zudem interagieren kann, wenn das Aktivieren ihrer Stimme durch Tastendruck als
Interaktion verstanden wird. Dennoch zeigt sich an ihr gut die Funktion als Guide/Erzähler für
das Spiel. Das Beispiel der Fee ist auch in der Theorie Bruns erklärbar, denn sie wird im Intro
als Guide/Erzähler eingeführt und hat Züge eines Moderators. Diese Züge sind am Anfang
stark ausgeprägt, treten aber mit steigender Erfahrung des Spielers in den Hintergrund. Navi
ist es, die den Spieler vom Intro in die Interaktion überführt, in dem sie Link auffordert zum
Deku-Baum zu gehen. Die moderatorischen Züge der Fee treten am Anfang stärker auf und
werden weniger, die Guide-Züge sind immer gleich stark, werden vom Spieler aber im
Spielverlauf immer weniger wahrgenommen. Dennoch stellen sie nach Bruns auch eine Art
Turorial dar, denn der Spieler lernt über Navi die ersten Kampfbewegungen und wie man
Gegner besiegt.
Somit qualifiziert sich die Fee Navi als Beispiel für einen Guide/Erzähler im Sinne der oben
dar gelegten Theorie. Erzählperspektive dabei ist der personalen werkimmanenten Position
113
http://www.youtube.com/watch?v=dBfb3Qs2W4I 12.03.10, 12:24, 02:05min – 06:15min.
5
eines Erzählers vergleichbar. In Bezug auf das Medium Film ist der Fall ähnlich dem von
Neitzel gewählten Beispiel der „Üblichen Verdächtigen“114, denn auch in diesem Beispiel
gehört die Erzählerfigur zum Personal des Gesamtwerkes Film. Navi als Erzähler ist eine
Figur im Text/Plot, sie steht laut der von ihr und über sie im Spiel gegebenen Beschreibung
nicht außerhalb als allwissende auktoriale Erzählerfigur und kann auf Grund der von ihr im
Spiel getroffenen Aussagen auch nicht als Ich-erzählende Figur beschrieben werden. Somit
kommt sie einem personalem Erzähler am nächsten, wenn sie in der Funktion eines Erzählers
auftritt, werden im Vergleich zu einem personalem Erzähler in einem gedruckten Text hier
Videosequenzen zur visuellen Unterstützung hinzugenommen. Dieses Erzählen hat
Ähnlichkeit mit dem Erzählen, das weiter oben im Text bei der Beschreibung des Erzählens
im Film Anwendung findet und arbeitet ebenso wie es auch im Film möglich ist mit
Rückblenden.
Es soll nun im Folgenden an verschiedenen NPC’s aus AC versucht werden, ob diese Theorie
des Guide/Erzählers auch hier möglich ist. Dafür wird so vorgegangen, dass zuerst der die
Figur des NPC und sein Auftauchen im Spiel als Erzählfigur beschrieben wird und
anschließend überprüft wird, ob sich die Theorie des Guide/Erzählers auf den entsprechenden
NPC anwenden lässt.
IV. 3. 3. 1. Prof. Vidic:
Professor Warren Vidic ist Leiter des Projekts bei Abstergo Industries, das sich mit der
Forschung nach den restlichen Teilen des Edensplitters, einem Artefakt zur Massenhypnose
beschäftigt. Den Fundort der Splitter versucht der Prof. in der Erinnerung seiner Probanten
mit Hilfe des Animus115 zu finden. Dabei ist Desmond nicht der erste mit dem das Experiment
vollzogen wird, er wird beim Eintritt als Subjekt 17 betitelt und auch in den Akten im Spiel
auf diese Weise bezeichnet.
Vidic taucht im Spiel zuerst als körperlose Stimme auf, als zu Beginn der Spieler durch eine
noch verzerrte Spielwelt irrt und rät einem ruhig zu bleiben. Zudem ist er neben Lucy, welche
später in diesem Abschnitt gesondert behandelt wird, der erste NPC, den der Spieler zu sehen
bekommt und direkter Ansprechpartner in der ersten Cutscene für Desmond. Es wird hier
schon klar herausgestellt, dass der Prof. keine Vertrauensfigur für Desmond bildet, er hat
Desmonds Leben in den Händen und ist die Figuration des Feindes für Desmond. Er stellt klar
114
115
Vgl. Neitzel, Diss., S. 122 f.
Zur Frage was der Animus ist, siehe Kapitel Immersion
52
seine übermächtige Person dar116, in dem er das Leben Desmonds sozusagen in der Hand hat.
In Bezug auf die Figuren kann man klare Parallelen zwischen Prof. Vidic für Desmond und
Al. Mualim für Altair erkennen. Beide sind den jeweiligen Avataren an Hintergrundwissen
überlegen und stellen eine Art Lehrmeister dar, der sie mit einer Art von Regelen der
jeweiligen Handlungsorte des Spiels (Abstergo Labor und Animus / Vergangenheit, Heiliges
Land) vertraut macht zudem halten beide das Leben des jeweiligen Avatars sozusagen in der
Hand.
Für Prof. Vidic als Meisterfigur bedeutet dies, er erklärt Desmond warum er zu dem
Durchleben der Erinnerungen gezwungen wird und wie es weiter geht. Jedoch verschweigt er
ihm nach was in den Erinnerungen gesucht wird. Zudem erschafft er sozusagen auch eine
Identität für Desmond, nämlich die, dass Desmond ein Assassine ist. Immer wieder kommt
der Plot an Stellen, in den Vidic auch beruhigend auf Desmond einredet um ihn zur weiterhin
„freiwilligen“ Mitarbeit zu überreden. Ähnlich tut dies für Altair sein Meister Al Mualim vor
jedem Auftrag.
Als Figur eines Guide/Erzählers tritt Vidic immer wieder in Erscheinung. Er führt den Spieler
in den Plot ein. Er erklärt Desmond beispielsweise was es mit dem Animus auf sich hat, somit
erfährt auch der Spieler, worum es sich dabei handelt. Nach Bruns wäre das ein klares
Beispiel für einen Guide.
Vidic ist ein eindeutiges Beispiel für einen Guide/Erzähler, er tritt als personale Erzählerfigur
in Erscheinung,117 indem er die Handlung vorantreibt. Er beruft sich in seinen Ausführungen
immer wieder darauf, dass er und Abstergo Desmond in der Hand haben und ihn töten werden
wenn er nicht kooperiert, er eröffnet Desmond und dadurch dem Spieler die Umstände warum
Desmond tun muss, was er tut und veranlasst dadurch den Spieler dementsprechend weiter zu
spielen und in der Gesamthandlung fortzufahren.118 Somit erfüllt er die Funktion eines
Erzählers, die Handlung durch die Weitergabe von Inhalten voran zu treiben und die eines
Guides, in dem er als Schöpfer des Animus und somit der Interaktionsmöglichkeiten steht,
zudem ist er es, der Desmond sagt bzw. deutlich macht wann er schlafen soll, um im
Anschluss wieder in den Animus zu können. Man könnte auch sagen, dass Vidic durch die
Schaffung des Animus der Schöpfer des Tutorials und für das gesamte Spiel ist. Denn die
Anweisungen, die gleichermaßen für Desmond und für den Spieler in Bezug auf bewegen im
116
Beim ersten Erwachen Desmonds aus dem Animus ist das erste was Vidic zu Desmond sagt: „Na, na ich
habe gerade ihr Leben gerettet.“
117
Die Erzählperspektive ist stark mit der der Fee Navi im vorangegangen Beispiel vergleichbar. Daher wird hier
nicht noch einmal der Unterschied zwischen personalem, auktorialem und IchErzähler erklärt.
118
Beispiele für die Erzählhandlungen Vidics sind: http://www.youtube.com/watch?
v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0 14.03.10, 17:48, 02:45min. –
06:30min.; http://www.youtube.com/watch?
v=Gezy20fiwEc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=8 14.03.10, 18:04, 03:21min. – 06:15min.;
5
Animus gemacht werden, sind als Tutorial beschrieben. Dadurch das Vidic auf der Ebene des
Plots den Animus geschaffen hat, hat er auch das Tutorial geschaffen, das über den Animus
vermittelt wisrd, diese Tatsache macht ihn zum Guide für Spieler aber auch für Desmond
gleichermaßen.119 Vidic ist als Figur also Erzähler, weil er Desmond und damit dem Spieler
Inhalte vermittelt, in der typischen Weise eines Erzählers in diesem Falle auch nicht wie im
Beispiel der Fee Navi mit der Unterstützung durch Rückblenden, sondern in einer Face to
Face Situation, zudem erreicht er die Funktion eines Guides. Denn er leitet sowohl als
Erzähler durch die Handlung, gibt aber auch an entsprechender Stelle hinweise was der
Spieler zu tun hat, besonders in der Rolle als Schöpfer des Animus.
Er bleibt sogar ein Guide/Erzähler über das Medium des Spiels hinaus, denn auch das Manual
zum Spiel ist so gestaltet, dass es scheint, als ob Vidic es erstellt hat120 und zudem mit
handschriftlichen Notizen und Anmerkungen versehen hat. Somit wird das Manual selbst
nutzbar als Bestandteil des Spiels, wenn man eine Lesart wählt, die beides verbindet. Diese
Tatsache der Gestaltung des Manuals ist ebenfalls interessant in Bezug auf die Immersion und
findet an entsprechender Stelle Beachtung.
Somit ergibt er die Figur eines Guide/Erzählers für das Spiel.
Sein Auftreten als Guide/Erzähler in Form eines NPC’s könnte aber auch als für das Spiel an
sich nebensächlich abgetan werden, da vor allem die Cutscenes im Labor relativ Kurz im
Vergleich zum Rest des Spiels ausfallen, dies liegt aber an der Gesamtkonzeption des Spiels
und darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Cutscenes, in denen Vidic als Figur in seiner
Funktion auftaucht nicht übersprungen werden können und dadurch für das Spiel zu einem
elementarem Bestandteil nicht der Interaktion, aber des Plots und damit auch der Narration
jeden Spielers werden. Sie können nicht übersprungen werden, es sind Bestandteile die im
Vergleich zur Interaktion weniger spannend für das Spielen an sich, jedoch wichtig im
Hinblick des Gesamtgebildes AC als Medium, das eine Geschichte vermittelt, sind. Da nur
mit Hilfe von ihnen, der Spieler erfahren kann worum es in dem Spiel geht, sie sind somit
auch Bestandteil der Motivation für den Spieler.
Vergleichbares gilt für die im Vergleich häufiger auftauchenden Cutscenes in denen Al
Mualim mit Altair auftaucht, da dafür bereits eine Parallele zu den Cutscenes mit Vidic und
Desmond weiter oben konstatiert wurde, ist es Al Mualim und die entsprechenden Cutscenes
welche als nächstes Beachtung finden.
119
Zu diesem Zusammenhang speziell, siehe das Kapitel zur Immersion.
Siehe dazu die beigefügten Seiten des Manual (S. 3 – 20), besonders die handschriftlich gestalteten
Informationen, die so gestaltet sind als hätte Vidic sie eingetragen.
120
54
IV. 3. 3. 2. Al Mualim:
Er ist die Lehrmeisterfigur für Altair, in der Welt der Erinnerung stellt er die Parallele Figur
zu Prof. Vidic dar.
Al Mualim ist der Führer des Assassinen Ordens und wird im Spiel von den Mitgliedern auch
nur als „Meister“ angesprochen. Über seine Absichten und sein Leben als Figur wird nur
wenig deutlich. Was von Anfang an klar ist, ist dass er es ist der die Macht über Altair hat.
Ähnlich wie Vidic über Desmond, hat er die Macht über Altair. Zu Beginn des Spiels nutzt er
diese Macht auch aus, in dem er Altair ein Messer in den Bauch rammt und ihn dadurch
tötet.121 Das Altair dadurch nicht stirbt, verdeutlicht nur noch mehr, dass Al Mualim die
Macht über Leben und Tot besitzt. Selbst in den Motiven sind sich Al Mualim und Vidic sehr
ähnlich, AL Mualim spricht davon, dass bestimmte Menschen durch Altaïr getötet werden
müssen und auch der Professor verwendet eine ähnliche Begründung.122
Er funktioniert auf die gleiche Weise wie Vidic als Guide/Erzähler. Er ist zu Beginn
Moderator und ist redeführend in den für den Plot wichtigen Cutscenes, vor allem in denen
am Anfang, welche durchaus zum Intro des Plots gezählt werden können. Erst nach diesen
beginnt die eigentliche Haupthandlung des Spiels für den Spieler in Form von starker
Interaktion.123 Nach dem in der Fußnote angeführten Abschnitt beginnt die eigentliche
Hauptaufgabe für Altair und somit auch für Desmond und natürlich für den Spieler.
Bezeichnend für die Parallele Vidic und Al Mualim ist, dass kurz vorher Vidic seine
Interpretation des Ziels der Assassinen für seine Zwecke anpasste, ein Punkt massiver
Annäherung.
Nach der in Fußnote 50 beschriebenen Cutscene ist nach Bruns die Überführung von Erzähl
in Zeigegestus vollständig abgeschlossen, das einführende Kapitel sozusagen abgeschlossen
und die Haupthandlung beginnt. Al Mualim wurde ebenso wie der Professor im Sinne des
121
http://www.youtube.com/watch?v=bMo5ZRszMvQ&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=3
15.03.10, 11:04, 03:00min. - 05:30min.
122
http://www.youtube.com/watch?v=bMo5ZRszMvQ&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=3
15.03.10, 11:50, 08:55min.- 09:45min.
123
http://www.youtube.com/watch?v=IoS6AqBMpao&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=2
15.03.10, 11:07, 02:40min. – 05:12min. und auch die vorhergehende Fußnote ist dazu zu rechnen.
http://www.youtube.com/watch?v=nX8TexoUhuM&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=4
15.03.10, 11:52, 00:15min.- 02:55min. und http://www.youtube.com/watch?
v=IKZkAY5NlYY&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=5 15.03.10, 12:21, 01:10min. –
02:45min.
55
Spiels als Moderator etabliert und als personale Erzählfigur innerhalb der Handlung situiert.
Zudem nimmt nun auch er die Funktion eines Guides an, noch mehr als der Professor, da er es
ist, der nach jedem Auftrag und dadurch vor dem nächsten Altair und dadurch den Spieler
immer wieder auf den Weg der Haupthandlung holt, in dem er den nächsten Auftrag erteilt
und Avatar und darüber dem Spieler neue Informationen zukommen lässt. Zusätzlich ist er es,
der Altair und dadurch dem Spieler neue Items und Interaktionsmöglichkeiten als Belohung
gibt, dadurch steht er als ein Guide, der durch das Ausrüsten Altairs dem Spieler neue
Möglichkeiten zur Interaktion und damit verbunden auch dem entsprechenden Training in
Form von sozusagen Kurz-Tutorials im Trainingsring vor dem Gebäude gibt. Nach Bruns
wird seine Funktion als Guide vor allem dadurch gestärkt, dass er am Ende der
Altairhandlung vollends zu dessen Gegner wird, der Meister wird zum Endgegner, zur letzten
Prüfung für den Spieler und seinen Avatar.
Al Mualim ist also ein Beispiel für einen NPC der als Guide/Erzähler funktioniert. Das Vidic
ein solcher Endgegner nicht für Desmond ist, ist durch das Spiel bedingt, er ist als Meister
und auch als Gegner Desmonds konstruiert, dass kein abschließender Kampf zwischen beiden
stattfindet, liegt an der Konstruktion beider Figuren als nicht physisch gewaltfähig veranlagt.
IV. 3. 3. 3. Weiter NPC’s:
Neben den erwähnten stark vertretenen Figuren Prof. Vidic und Al Mualim gibt es noch
weitere NPC’s die auf den Plot als Erzählfiguren einwirken. Jedoch sind ihre Anteile zu
gering ausgeprägt, als dass sie als Erzählinstanzen in massivem Maße gelten können.
Beispielsweise Lucy, die Assistentin des Professors. Sie versucht Desmond zu helfen und
enthüllt ihm auch worum es wirklich geht.124 Sie aber als einen Guide/Erzähler zu
charakterisieren, dafür ist m. E. ihre Erzählleistung zu gering. Ebenso steht es mit den
Informanten, die Altair im Laufe des Spiels befragen muss um Informationen über seine Ziele
zu erhalten. Sie geben zwar mehr Informationen an Altair bzw. den Spieler weiter als Lucy an
Desmond. Hinzukommen die Verbindungsmänner in den Assassinenbüros der einzelnen
Städte. Sie geben Altair Informationen über das jeweilige Ziel125, daher sind die
Verbindungsmänner mehr zu einem Guide als zu einem Erzähler zu rechnen, sie geben
weniger Informationen zum Plot als zu Möglichkeiten das Spiel zu bestehen. Sie sind zwar
vor allem am Anfang, wenn der Spieler noch nicht weiß wie er Beispielsweise Informationen
124
http://www.youtube.com/watch?v=_gZzD-ktChw&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=29
15.03.10, 12:51, 09:35min. – 11:00min.
125
http://www.youtube.com/watch?v=GJYa9HXURRc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=6
15.03.10, 12:29, 05:30min. - 07:00min.
5
über ein Ziel beschafft wichtig, sind aber für den Inhalt nicht so elementar wie Vidic und Al
Mualim. Das Gegenteil zu den Büroinformanten bilden die Ziele Altairs selbst, während die
Büroinformanten zu Anfang wichtig als Guide für den Spieler sind um sich mit den Methoden
der Attentatsausführung vertraut zu machen und im Verlauf des Spiels immer nebensächlicher
in ihrer Funktion werden, werden die Ziele Altairs in den Cutscenes nach ihrer Ermordung
immer wichtiger als Erzähler für die Handlung, denn durch sie erfährt man immer mehr
darüber, dass man sich als Altair in einer großen Verschwörung befindet. Sie sind somit nicht
vorrangig Guide, um nicht zu sagen gar nicht, sondern Erzähler, die dem Avatar und dadurch
dem Spieler auf der Ebene der Geschichte, helfen diese zu verstehen und nicht darin zu
interagieren.
IV. 4. Fazit
Es hat sich in diesem Kapitel gezeigt, dass es neben den in der Theorie bereits von Neitzel für
Tomb Raider beschriebenen Erzählinstanzen der Avatare in Videospielen noch weitere gibt,
in diesem Fall die NPC’s. Sie nehmen einen beträchtlichen Anteil an der Erzählung.
Zusätzlich fungieren sie je nachdem wie stark sie vertreten sind und wie ihre Rolle sozusagen
angelegt ist auch als Guide. Eine Kombination ergibt dann somit den beschriebenen
GuideErzähler, der aus einer personalen Perspektive erzählt und dadurch Informationen an
Avatar und darüber dem Spieler weiter gibt und aber gleichzeitig dadurch auch als Guide für
den Spieler fungiert und ihm die Regeln der Spielwelt und somit der
Interaktionsmöglichkeiten weiter gibt.
Im Anschluss an die Erzähltheorie im Film, gestaltet sich die Erzählperspektive ähnlich der
Erzählperspektive aus dem Beispiel von Neitzel „Die üblichen Verdächtigen. Denn der
entsprechende NPC erzählt vorrangig dem Avatar der als impliziertes Publikum126 verstanden
werden kann und ist sich eines realen Publikums in Form des Spielers nicht bewusst, was der
NPC erzählt, nimmt jedoch auch der Spieler als Erzählung war, somit wird er NPC auch für
den Spieler zu einem Erzähler. Des Weiteren sind die Informationen die aus den Erzählungen
der NPC für den Avatar und dadurch für den Spieler gewonnen werden in bestimmten
Situationen als Hilfestellung zur Bewältigung des Spiels zu verstehen (wie am Beispiel der
Verbindungsmänner in den Büros deutlich wurde), dadurch ergibt sich die Funktion eins
Guides. Somit ist die Funktion eines Guide/Erzählers in Form der NPC’s in AC klar zu
erkennen.
126
Vgl. Neitzel, Diss., S. 121 f.
57
Es hat sich gezeigt, dass bei AC vor allem Al Mualim und Prof. Vidic in einer dominanten
Position für NPC’s mit Guide/Erzähler Funktion stehen.
Ebenso wie bei Vidic ist die Erzählperspektive bei Al Mualim mit der in Neitzels Beispiel für
den Film vergleichbar, eine Figur die in der Geschichte als Charakter auftaucht erzählt aus
personaler Perspektive einem zur Geschichte gehörigem Publikum (hier Altair) und dadurch
den Rezipienten des Mediums (Spieler/Zuschauer), eine Geschichte bzw. Teile davon, im
Spiel ist es nur so, dass für die Vollständigkeit zusätzlich zu den von NPC’s erzählten
Geschichten, noch die interaktiven Abschnitte benötigt werden, in denen der Spieler massiv
auf das Spiel über den Avatar einwirkt. Wie oben beschrieben ist aber auch dies ein Akt des
Erzählens durch den Avatar und die herrschende Kameraperspektive. Somit ist es möglich für
das Videospiel im speziellen hier AC von Erzählinstanzen zu sprechen, die durchaus mit Hilfe
von Modifikationen an die aus Literatur und Film bekannten Erzählinstanzen anknüpfen. Wie
bei vielen anderen Bestandteilen muss aber auch hier der hybride Charakter des Mediums
beachtet werden, wodurch eine vollständige Zuordnung zu der Tradition aus dem einen bzw.
anderen Medium nicht möglich ist.
V. Abschlussbetrachtung.
Die hier angestrebte Analyse von Immersion, Mitautorschaft des Spielers und Erzählinstanzen
im Videospiel, haben gezeigt, dass insgesamt das Medium in seiner Erforschung noch sehr
am Anfang steht. Es wurde versucht über bekannte Theorien aus der Literatur- und
Filmanalyse anschlussfähiges Wissen zu erarbeiten. Wie gezeigt wurde gibt es zwischen den
Medien viele Berührungspunkte, was m. E. nicht verwunderlich ist. Buch, Film und
Videospiel sind definitiv als eigenständige Medien zu betrachten, jedoch darf dabei nicht
vergessen werden, dass alle drei einen gemeinsamen Ursprung haben, wenn man so will und
zwar sind sie alle drei von Menschen geschaffene Medien um Geschichten bzw.
Informationen zu transportieren. Demnach hat sich in der Analyse gezeigt, dass in Bezug auf
die drei angesprochenen Hauptaspekte eine Verbindung zwischen den Medien gesehen
werden kann, jedoch ebenso eine medienspezifische Analyse notwendig ist, um eine
oberflächliche Betrachtung zu vermeiden und das Videospiel als bloße Weiterentwicklung der
bekannten Medien zu sehen. Auch bei allen Berührungspunkten, etwa wie beim Beispiel der
Immersion gezeigt, muss die Eigenständigkeit des Videospiels als Kunstform nochmals
betont werden.
58
Es darf bei der Analyse nicht sein, dass ein Videospiel als interaktiver Film o. ä. gesehen
wird. Videospiele sind eigenständig.
Das für die Analyse herangezogene Beispiel Assassins Creed zeigt, dass auch innerhalb der
Spielentwicklung ein Voranschreiten auszumachen ist.
Auf eine detaillierte Zusammenfassung der Einzelkapitel wird an dieser Stelle verzichtet, da
bereits nach jedem Kapitel ein Fazit gegeben wurde.
Es sei an dieser Stelle nur noch einmal gesagt, dass in Bezug auf Immersion, Mitautorschaft
und Erzählinstanzen das Spiel AC neue Pfade eingeschlagen hat und ebenso bestehende Pfade
weiter ausgebaut wurden.
Zum Abschluss soll ein Ausblick gegeben werden, wie eine weitere Analyse der
angesprochenen Aspekte aussehen könnte. Dabei wäre ein interessanter Punkt die hier
aufgestellten Theorien zu Immersion, Mitautorschaft und Erzählinstanzen am Nachfolger von
AC dem gleichnamigen Spiel Assassins Creed II zu untersuchen. Dabei könnten verschiedene
Schlüsse gezogen werden. Einerseits könnte es sein, dass sich die gewonnen Erkenntnisse an
das Spiel AC II anfügen, was nicht ganzheitlich geschehen müsste, bzw. könnte es passieren,
dass die Ergebnisse die hier gewonnen wurden für das Spiel überhaupt nicht zutreffen bzw. so
marginal anzutreffen sind, dass sie nicht ins Gewicht fallen. Demnach wäre die Analyse nur
für das hier verwendete Einzelbeispiel maßgebend, sollten aber doch auffallende Analogien
auftreten wäre es in einem weiteren Schritt möglich Aussagen zu dem gesamten Genre an
Videospielen zu treffen, denen AC und AC II zugerechnet werden und darüber eventuell auch
über das gesamte Feld der Videospiele in verschiedenen Abstufungen, die dann je nach Spiel
und Spielgenre einzeln überprüft werden müssten.
59
VI Literatur und Quellen
Monographien

Genette, Gérard: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt a. M./ New
York 1989.

Hartmann, Bernd. Literatur, Film und das Computerspiel. (Beiträge zur Medienästhetik und Mediengeschichte 22 ), Berlin, 2004.

Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache. Geschichte und Theorie des
Films(Handbuch Bd. 6271). Reinbek, 1980.

Neitzel, Britta: Gespielte Geschichten, Struktur- und prozessanalytische Untersuchungen der Narrativität von Videospielen.(Diss.) Weimar, 2000.

Kandorfer, Pierre: Lehrbuch der Filmgestaltung. Theoretisch-technische Grundlagen
der Filmkunde. Köln-Lövenich: 1978.
Aufsätze

Bartels, Klaus. Körper ohne Gewicht. Über Götter, Spieler und Avatare. In: Ästhetik
und Kommunikation 115. Computerspiele. Hrsg. v. Ästhetik und Kommunikation e.
V., Berlin, 2009, S. 69 – 74.

Bruns, Karin. Game over? Narration und Spannung im Computerspiel. In kultuRRevolution – Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie (45/46),
hg. von Jürgen Link in Verbindung mit der Diskurswerkstatt Bochum, Essen, 2003, S.
85 – 89.
6

Furtwängler, Frank. Computerspiele am Rande des metakommunikativen Zusammenbruchs. In: Das Spiel mit dem Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion. Zur
Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel (Schriftreihe der Gesellschaft
für Medienwissenschaften), hrsg. v. Britta Neitzel, Rolf F. Nohr, Marburg, 2006, S.
154 – 169.

Gunzenhäuser, Randi. Spielkultur: Stichwort zur kulturwissenschaftlichen Computerspielanalyse. In: Computerspiele – Eine Provokation für die Kulturwissenschaften?
Hrsg. v. Evelyne Keitel u. a., Lengerich, 2003, S. 49 – 68.

Neitzel, Britta. Die Frage nach Gott. In: Ästhetik und Kommunikation 115. Computerspiele. Hrsg. v. Ästhetik und Kommunikation e. V., Berlin, 2009, S. 61 – 67.

Neitzel, Britta / Nohr, Rolf F. Das Spiel mit dem Medium. Partizipation – Immersion
– Interaktion. In: Das Spiel mit dem Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion.
Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel (Schriftreihe der Gesellschaft für Medienwissenschaften), hrsg. v. Britta Neitzel, Rolf F. Nohr, Marburg,
2006, S. 9 – 17.

Schardt, Reinhold. Narrative Verfahren. In: Einführung in die Literaturwissenschaft,
hrsg. v. Miltos Pechlivanos et al, Weimar Stuttgart, 1995, S. 49 – 65.

Schweinitz, Jörg. Totale Immersion und die Utopien von der virtuellen Realität. Ein
Mediengründungsmythos zwischen Kino und Computerspiel. In : Das Spiel mit dem
Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von
Kunst bis Computerspiel (Schriftreihe der Gesellschaft für Medienwissenschaften),
hrsg. v. Britta Neitzel, Rolf F. Nohr, Marburg, 2006, S. 136 – 153.

Vogt, Jochen. Grundlagen narrativer Texte. In: Grundzüge der Literaturwissenschaft,
hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold und Heinrich Detering, München 2001, S. 287 – 307.

Wages, Richard: Benutzerführung und Strukturen nichtlinearer Geschichten. In: ‚See?
I’m real…’ Multidisziplinäre Zugänge zum Computerspiel am Beispiel von >Silent
Hill<, hrsg. v. Britta Neitzel, Matthias Bopp, Rolf F. Nohr. Münster, 2004, S. 41 – 57.
6

Wenz, Karin. Computerspiele. Hybride Formen zwischen Spiel und Erzählung In:
Cyberfiktionen, Jörn Glasenapp, München, 2002, S 178 – 195.
Quellen:

YouTube:
o http://www.youtube.com/watch?v=qwr5tWimbeU&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=0
o http://www.youtube.com/watch?v=xO8evIg2ojQ
o http://www.youtube.com/watch?v=zSKSIp93Cfk&feature=related
o http://www.youtube.com/watch?v=fIJmRxnsrIshttp://de.wikipedia.org/wiki/Assassins_creed
o http://www.youtube.com/watch?v=CSwBZvW0NBU
o http://www.youtube.com/watch?v=8RAcJGaK77s&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=1
o http://www.youtube.com/watch?
v=GJYa9HXURRc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=6
o http://www.youtube.com/watch?
v=GJYa9HXURRc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=6
o http://www.youtube.com/view_play_list?
p=FDF7F0EC95580221&search_query=wilhelm+von+montferrat+assasins+ce
ed
o http://www.youtube.com/watch?v=8RAcJGaK77s&NR=1
o http://www.youtube.com/watch?v=dBfb3Qs2W4I
o http://www.youtube.com/watch?v=Gezy20fiwEc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=8
o http://www.youtube.com/watch?v=bMo5ZRszMvQ&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=3
o http://www.youtube.com/watch?v=IoS6AqBMpao&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=2

Weitere Internetquellen:
o http://de.wikipedia.org/wiki/Assassin%E2%80%99s_Creed
6
o http://www.gamasutra.com/view/feature/1902/game_design_essentials_20_ope
n_.php
o http://www.spiegel.de/netzwelt/games/0,1518,680010,00.html
o http://de.wikipedia.org/wiki/Jade_Raymond
o http://www.myvideo.de/watch/5599824/Doom_3_Geheimer_PDA
o http://www.computerbild.de/fotos/Bildergalerie-Assassin_s-Creed-_Director_s-Cut-Edition-2390671.html
o http://www.pc-cheats.de/l/assassins_creed/ac016.jpg
o http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrenheit_%28Computerspiel%29
o http://www.spiegel.de/netzwelt/games/0,1518,680010,00.html
o http://www.pcgames.de/aid,478861/Heavy-Rain/PC/Vorschau/
o http://www.assassins-creed.de/ac1/interface.htm
o http://www.pcgames.de/screenshots/501x282/2009/11/Adlersicht.jpg
o http://cdn-www.cracked.com/articleimages/wong/annoyingg/navi.jpg
o http://www.zeldapendium.de/wiki/Fee
o http://www.youtube.com/watch?v=nX8TexoUhuM&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=4
o http://www.youtube.com/watch?v=IKZkAY5NlYY&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=5
o http://www.youtube.com/watch?v=_gZzD-ktChw&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=29
o http://www.youtube.com/watch?
v=GJYa9HXURRc&feature=PlayList&p=FDF7F0EC95580221&index=6

Filme:
o 2012, DVD, Sony Pictures, 2010.
o Ben X, DVD, ARTHAUS, 2007.
o Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders, DVD, Constantin Film, 2006.
o Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia, Warner, 1990.
o Matrix, DVD, Warner, 1999.
o Strange Days, DVD, Lighstorm Entertainment, 1995.
o Sin City, DVD, Troublemaker Studios, 2005.

Spiele:
6
o Assassins Creed, PS3, Ubisoft, 2007.
o Call of Duty, PC, Activision, 2003
o DOOM 3, Xbox, Activision, 2004.
o Fahrenheit, Xbox, Atari, 2005.
o GTA IV, Xbox 360, Rockstar Games, 2008.
o Halo, Xbox, Bungie, 2001
o Heavy Rain, PS3, Sony Computer Entertainment, 2010.
o Myst, PC, Brøderbund, 1993.
o Silent Hill 2, PS2, Konami, 2001.
o The Legend of Zelda: Ocarina of Time, N64, Nintendo, 1998.
o World of Warcraf, PC, Blizzard Entertainment, 2004.
6