Facharbeit - BSZ e.o.plauen
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Facharbeit Thema: Das Wilhelminische Deutschland von 1890-1914 im Fach Geschichte angefertigt von: Tino Meyer FOS T 04 LA Kauschwitz, den 04.03.2005 Betreuungslehrer: Herr Grüner Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung.………………………………………………………………....2 2. Das Reich 2.1. Aufbau...................................................................................................2 2.2. Alltagsleben & Rolle des Bürgers………………………………....3-4 2.3. Wirtschaft……………………………………………….....................4 2.4. Kunst & Kultur……………………………………………………....5 2.5. Wissenschaft & Forschung..............................................................5-6 3. Politik 3.1. politisches System.............................................................................6-7 3.2. Die Außenpolitik…………………………………………………...7-8 3.3. Kolonialpolitik………………………………………………..........8-9 3.4. Internationale Krisenherde, Mächteverhalten in Europa & Wege zum 1.Weltkrieg...................................................................9-10 4. Nationalismus, Imperialismus, Militarismus………………………11-12 5. Zusammenfassung……………………………………………………....12 6. Literaturverzeichnis.................................................................................13 7. Quellenverzeichnis...................................................................................14 8. Selbständigkeitserklärung.......................................................................15 9. Anhang……………………………………………………………….16-22 -1- 1.Einleitung: Der Deutsche Nationalstaat wurde noch während des dritten „Reichseinigungskrieges“ am 18. Januar 1871 auf französischem Boden im Spiegelsaal von Versailles gegründet. Es wurde der preußische König Wilhelm 1. zum Deutschen Kaiser proklamiert. Als Datum wurde der Jahrestag der Erhebung Preußens zum Königtum gewählt. Der Nationalfeiertag des Reiches, der 2. Sept., erinnerte als „Sedanstag“ an den militärischen Sieg über Frankreich. Die Reichsgründung 1871 war nicht die angestrebte Einigung „von unten“, sondern ein Bündnis der 22 deutschen Monarchen und der drei freien Städte. Stets in Sorge um die äußere Sicherheit des Reiches, knüpfte Reichskanzler Otto von Bismarck ein außenpolitisches Vertragssystem. Nicht weniger besorgt um die innere Einheit des Reiches, suchte er Einfluss beim politischen Katholizismus um die aufstrebende Sozialdemokratie zurückzudrängen. Schon bei der Reichsgründung war das Kaiserreich seinen Nachbarn Frankreich & Österreich – Ungarn an Bevölkerungszahl, Fläche, wirtschaftlicher Kraft & militärischer Stärke überlegen. Noch vor dem 1.Weltkrieg wurde die industrielle Produktion Englands überflügelt. Die Konkurrenz beim imperialistischen Streben nach Kolonien und die damit verbundene Aufrüstung der deutschen Flotte brachten Deutschland immer wieder in Konflikt mit den anderen europäischen Großmächten. Besonders unter dem persönlichen Regiment Wilhelms 2. nach Weltgeltung. Seine sprunghafte Außenpolitik und die Aufrüstung führten schließlich zum Schulterschluss von Frankreich, England & Russland. Am Vorabend des 1. Weltkrieges sah sich Deutschland von Feinden umgeben. 2.Das Reich: 2.1 Aufbau: Das Kaiserreich wurde von der Gesamtheit der deutschen Fürsten und drei Freien Städte als Bundesstaat gegründet, insgesamt bestand es aus 25 Bundesstaaten: vier Königreichen, sechs Großherzogtümern, fünf Herzogtümern, sieben Fürstentümern & drei Freien Städten, die zusammen den Bundesrat bildeten. Das Reichsland Elsass-Lothringen wurde von einem Stadthalter regiert und war auch im Bundesrat vertreten. Größter und einflussreichster Einzelstaat war das Königreich Preußen. Es umfasste zwei Drittel der Fläche und rund drei Fünftel der Bewohner Deutschlands. Mit seinen 67 Millionen Einwohnern stand Deutschland 1914 unter den souveränen Staaten hinsichtlich der Bevölkerungszahl weltweit an vierter Stelle. -2- 2.2 Alltagsleben & die Rolle des Bürgers: Das wilhelminische Deutschland war ein Land voller Widersprüche. Den Prachtbauten erfolgreicher Unternehmer standen die dunklen Mietskasernen mit ihren vielen Hinterhöfen gegenüber. Und während Staat und Gesellschaft von Aristokratie und Großbürgertum geprägt wurden, formierte sich die Arbeiterklasse zum Kampf um soziale und politische Emanzipation. Zugleich veränderten technisch-industrielle Errungenschaften wie die Elektrizität und das Automobil die gewohnten Lebenswelten grundlegend. Von den sich immer schneller beschleunigenden Veränderungen waren vor allem die Städte der industriellen Zentren betroffen. Von der 1895 einsetzenden und bis 1913 andauernden Hochkonjunktur profitierten nahezu alle Kreise der Bevölkerung, wenngleich in durchaus unterschiedlichem Maß. Hatten 1890 rund 30 Prozent der Bevölkerung das steuerpflichtige Mindesteinkommen erreicht, so verdoppelte sich diese Quote bis 1913 auf 60 Prozent. Der jährliche Zuwachs des Reallohns von einem Prozent lag allerdings deutlich unter dem Reallohnzuwachs anderer Industrieländer. Die ungleiche Verteilung des Einkommenszuwachses sowie der schwache Anstieg der Reallöhne veranlassten immer mehr Frauen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, um den Lebensunterhalt ihrer Familien durch ein zusätzliches Einkommen zu sichern. Allein zwischen 1900 und 1913 stiegen die Lebensmittelkosten um ein Drittel an. Der Anschluss an die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom, der Ausbau der Kanalisation, aber auch die langfristige Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten sowie die Auswirkungen des Arbeiterschutzes und der Sozialgesetzgebung führten zu einem bemerkenswerten Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung von 37 Jahren (1871) auf 47 Jahre (1910). Die Säuglingssterblichkeit ging drastisch zurück, der Seuchentod war nahezu gebannt. Die Gesamtbevölkerung wuchs von knapp 41 Millionen (1870) über 50 Millionen (1890) auf 67 Millionen (1913). (1) In den Großstädten vervierfachte sich die Bevölkerung zwischen 1871 und 1910 auch durch den Zuzug aus den agrarischen Gebieten Ostdeutschlands, wo die Löhne seit der Agrarkrise der 1870er Jahre weit hinter denen der Industrie zurückgeblieben waren. Die Abwanderung der ihren Herrschaften weitgehend rechtlos ausgelieferten Landarbeiter, Knechte und Mägde aus den östlichen Agrargebieten in die industriellen Zentren führte zu einer deutlichen Verschiebung des wirtschaftlichen und sozialen Schwergewichts vom Osten zum Westen, vom adligen Grundbesitzer zum Unternehmer. In den östlichen Gebieten wurde der Verlust an Arbeitskräften vor allem durch eine Zuwanderung von Wanderarbeitern aus Polen aufgefangen. Das Verhältnis von Gutsherr und Untergebenen in Pommern schildert der ehemalige Landarbeiter Rehbein so. „Etwa um 11 Uhr sahen wir einen Reiter vom Gut auf uns zukommen. Mit ungezwungener Eleganz saß er im Sattel, die rechte Hand leicht auf die Lende gestemmt..., De gnä´ Herr! murmelte es allgemein, und fleißiger noch rührten sich die Hände. Jetzt setzte der Vogt seine Kartoffelkiepe auf die Erde, wischte sich schnell die Hände an den Hosen ab und ging seinem Gebieter entgegen. Sechs Schritte vor ihm blieb er stehen, nahm kurz die Hacken zusammen und zog ehrerbietig seine Mütze. Wie der aussah! Dort der Herr, hoch zu Ross, jeder Zug aristokratische Vornehmheit, hier der Vogt, barhäuptig in urpommerscher Hölzernheit - ein Charakterbild disziplinierter Demut.“ (2) Trotz der vergleichsweise starken Arbeiterbewegung war der preußische Untertanen-Geist sprichwörtlich. Auch in Haushalten sozialdemokratischer Arbeiter fand sich das Bild des -3- Kaisers neben den Familienfotos und den Andenken an den Militärdienst. Nichts entlarvte die ehrfurchtsvolle Haltung gegenüber Uniformen so sehr wie der "Hauptmann von Köpenick", und der hochgezwirbelte Bart Kaiser Wilhelms II. war modeprägend. Mit einem solchen Bart konnte auch der "kleine Mann" ausdrücken, dass er es zu etwas gebracht hatte. Der überall wahrgenommene Anstieg von Macht und Ansehen des Kaiserreichs war eine verlässliche Klammer der bestehenden Klassengegensätze. Als diese nationale Klammer in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs zerbrach, traten die gesellschaftlichen Konflikte umso deutlicher hervor. 2.3. Die Wirtschaft: Nach der Reichsgründung nahmen Industrie und Wirtschaft einen rasanten Aufschwung. Die industrielle Produktion versechsfachte sich bis zum Ersten Weltkrieg, die Ausfuhren vervierfachten sich. Industrielle Zentren waren das Ruhrgebiet, das Saarrevier, Oberschlesien und Sachsen. Berlin entwickelte sich zum Zentrum von Handel und Gewerbe und zum wichtigsten Standort der Leichtindustrie. Doch trotz Industrialisierung und Urbanisierung blieb Deutschland eines der wichtigsten europäischen Agrarländer. Einen wesentlichen Impuls erhielt die Industrialisierung durch die 5 Milliarden Francs, die Frankreich nach 1871 als Kriegsentschädigung zu zahlen hatte. Nahezu zeitgleich entstanden große Geschäftsbanken, die den Unternehmen das für Investitionen erforderliche Geld langfristig zur Verfügung stellten und die Bildung großer Konzerne und Kartelle förderten. Vor allem die 1870 von Georg von Siemens gegründete Deutsche Bank sollte mit ihren Filialen auf allen Erdteilen die deutsche Außenwirtschaft unterstützen. In starker Konkurrenz zu den englischen Großbanken engagierte sich die Deutsche Bank bei wirtschaftlichen Großprojekten wie dem Bau der Bagdad-Bahn. Der Beitritt von Hamburg und Bremen zum Deutschen Zollverein 1888 leitete einen Aufschwung im Schiffbau ein. Im Hamburger Hafen wurden mehr Güter umgeschlagen als in den Häfen von London, Liverpool oder Marseille. Aus der zur Kennzeichnung von Waren minderer Qualität eingeführten Herkunftsbezeichnung "Made in Germany" war ein Qualitätsnachweis geworden. Vor allem bei der Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Technologien auf dem Gebiet der Elektrotechnik und der Chemischen Industrie belegte Deutschland weltweit einen führenden Platz. Jede zweite elektrische Maschine und Installation weltweit stammte 1914 von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) oder Siemens. Nicht weniger erfolgreich waren Chemiegiganten wie die Badischen Anilin- und Soda-Fabriken (BASF), Bayer und Hoechst mit ihren Farbstoffen und pharmazeutischen Produkten. Die expandierenden Betriebe zogen Arbeitskräfte aus den Agrargebieten in die industriellen Zentren, in denen zeitgleich mit den Angestellten ein neuer Typ von Arbeitnehmern entstand. Während in England eine freihändlerische Haltung vorherrschte, war die deutsche Wirtschaftspolitik von staatlichen Subventionen und starken Tendenzen zum Schutzzoll geprägt. Der rasante Wirtschaftsaufschwung und der aggressiv geführte Kampf um Absatzmärkte und Kolonien führte das Deutsche Reich in einen Interessenkonflikt mit den anderen Industriestaaten. (3) -4- 2.4 Kunst & Kultur: Die durch eine allzuschnelle Industrialisierung und Verstädterung entstandenen tiefen Brüche in der wilhelminischen Gesellschaft, lassen sich nicht zuletzt auch im kulturellen Schaffen der Zeit ablesen. Die Kunst der Jahrhundertwende ist gekennzeichnet durch eine fast unüberschaubare Fülle verschiedener, oft in krassem Widerspruch stehender Stile und Formen, durch ein gleichzeitiges Nebeneinander von traditionellem Akademismus und künstlerischer Avantgarde. Gegen das tief im 19. Jahrhundert verhaftete Kunstverständnis Kaiser Wilhelms II. und gegen die vom kaiserlichen Hof geförderten Historienmaler wie Anton von Werner bildeten sich im Bereich der bildenden Kunst durch Abspaltung und Neugründung immer neue, zum Teil stilprägende Künstlervereinigungen. Auch das musikalische Schaffen reflektiert die Uneinheitlichkeit der wilhelminischen Gesellschaft. Stießen "moderne" zeitgenössische Komponisten wie Richard Wagner, Johannes Brahms und Anton Bruckner noch auf allgemeine Anerkennung, so begegnete man der Musik von Gustav Mahler oder Richard Strauss schon mit weniger Verständnis, ganz zu schweigen von der sich um 1910 entwickelnden atonalen Musik Arnold Schönbergs. Kaiser Wilhelm II., der sich gerne als neuer Lohengrin sah, verließ 1911 empört die Berliner Erstaufführung von Strauss' "Rosenkavalier" - einer Oper, die im Vergleich zu den 1905 und 1909 entstandenen "Salome" und "Elektra" traditionelle, fast konservative Züge aufweist - und kommentierte sein Verhalten mit den Worten: "Det is keene Musik für mich!" Der Kaiser schwärmte für Giacomo Meyerbeers (1791-1864) komische Oper "Nordstern". Ebenso wenig wie die beiden genannten Kunstrichtungen ist die Literatur auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Auch hier beherrschte und belebte die Ablehnung des offiziellen akademischen wie gesellschaftlichen Kunstbetriebes weite Strecken des literarischen Schaffens. In zum Teil gegenläufigen, sich widersprechenden oder gar ausschließenden Kunst- und Stilvorstellungen erlebte das Kaiserreich ein gleichzeitiges Nebeneinander von naturalistischen, ästhetizistisch-symbolistischen sowie gesellschaftskritischen Roman-, Gedicht- und Dramenproduktionen. Gerhart Hauptmanns naturalistische Dramen der 1890er Jahre (vom Kaiser vehement abgelehnt) sind kaum zehn Jahre getrennt von Thomas Manns Roman "Buddenbrooks" oder den expressionistischen Gedichten Georg Heyms (1887-1912). (4) 2.5 Wissenschaft & Forschung: Die Forschung an den deutschen Universitäten zeichnete sich im Kaiserreich durch beachtliches Niveau aus. Gesellschaftspolitisch hingegen waren die Universitäten Bollwerke tradierter Normen und Wertvorstellungen. Vor allem die Studierenden entwickelten starke Neigungen zum Antisemitismus. Liberale Forscher und Gelehrte wie Rudolf Virchow oder Theodor Mommsen wurden seit den achtziger Jahren immer seltener. Sozialdemokraten erhielten keine Lehrbefugnis. Die von der Hochindustrialisierung ausgelösten Umbrüche beschleunigten vor allem die Entwicklung der naturwissenschaftlichen und technisch-orientierten Fächer an den -5- Universitäten und Hochschulen. Zugleich erhielt die schulische Ausbildung einen stärkeren Praxisbezug und richtete sich an den Bedürfnissen von Wirtschaft, Industrie und Verwaltung aus. Einen Höhepunkt erreichte die Förderung von Wissenschaft und Forschung mit der 1911 in Berlin gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (heute: Max-Planck-Gesellschaft). Um die Jahrhundertwende erlangten die deutschen Universitäten mit ihrer systematischen Grundlagenforschung sowie die erstmals in großem Umfang eingeführten außeruniversitären Forschungseinrichtungen weltweiten Vorbildcharakter: Von den 42 zwischen 1901 und 1914 verliehenen naturwissenschaftlichen Nobelpreisen ging jeder dritte an einen deutschen Forscher. An den deutschen Universitäten herrschte ein stark konservativer Geist. So war für Studenten die Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung fast selbstverständlich, denn die "Alten Herren" der Burschenschaften hatten bei der Verteilung von Ämtern ein gewichtiges Wort mitzureden. Die Mitgliedschaft in einem Corps hatte ein ebenso hohes Sozialprestige wie der Status eines Reserveoffiziers; Studentinnen hatten keinen Zugang zu dieser "Männerwelt". Seit 1908 waren Frauen zur regulären Immatrikulation an den preußischen Hochschulen zugelassen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg waren 4.000 Frauen immatrikuliert; die Zahl ihrer Kommilitonen war inzwischen von 13.000 (1871) über 34.000 (1900) auf 56.000 gestiegen. Bekleideten die Absolventen der Universitäten hauptsächlich Führungspositionen im öffentlichen Bereich, so befriedigten die Technischen Hochschulen vor allem den Bedarf der großen Wirtschaftsunternehmen an wissenschaftlich ausgebildeten Technikern und Ingenieuren. (5) 3. Politik 3.1 politisches System: Das Deutsche Kaiserreich war eine konstitutionelle Monarchie. Der Kaisertitel war erblich und lag beim preußischen König, der als Kaiser den Oberbefehl über die gesamte deutsche Land- und Seemacht ausübte und oberster Kirchenherr der Protestanten war. Er hatte das Recht zur Einberufung, Eröffnung und Schließung des Reichstags und ernannte den Reichskanzler, der im Regelfall zugleich preußischer Ministerpräsident war und Vorsitz im Bundesrat führte. Dem Reichskanzler unterstellt waren die Staatssekretäre als Leiter der Reichsämter. Träger des Gesetzgebungsverfahrens für Reichsgesetze war der Reichstag. Seine rund 400 Abgeordneten wurden in allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen gewählt. Die Rechte des Reichstages beschränkten sich auf die Mitwirkung bei Gesetzgebungsverfahren und die Verabschiedung des Budgets. Forderungen nach Einführung einer parlamentarischen Monarchie mit einer Verantwortlichkeit der Minister gegenüber der gewählten Volksvertretung wurde von den konservativen Eliten abgelehnt. (6) Wilhelm 2. bestieg 1888 als 29jähriger den Thron, nachdem im selben Jahr sein 91jähriger Großvater Wilhelm 1. und sein Vater Friedrich der 2., der nur 99 Tage regiert -6- hatte, gestorben waren. Die Reichsregierung unter Wilhelm 2. schlug einen „neuen Kurs“ ein, um Weltmachtpolitik zu betreiben. Das „Wilhelminische Zeitalter“ war aber auch gekennzeichnet durch den Wunsch des jungen Kaisers selbst Macht auszuüben. Wilhelm 2. lebte dabei in der Überzeugung, bei seinen politischen Entscheidungen nicht den Reichstag, sondern nur seinem Lehnsherrn im Himmel“ verantwortlich zu sein. Er benutzte jede sich bietende Gelegenheit, um bei Schiffstaufen, Paraden oder Empfängen Reden zu halten, die seinen monarchischen Herrschaftsanspruch betonten und dabei wegen ihrer Taktlosigkeit oft Aufsehen erregten. (7) 3.2 Die Außenpolitik: Deutschland war die politisch, militärisch und wirtschaftlich dominierende Kraft in Mitteleuropa. Die Aufrechterhaltung des Kräftegleichgewichts zwischen den sich gegenseitig misstrauenden Großmächten war das vorrangige Ziel der deutschen Außenpolitik unter Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898). Unter Kaiser Wilhelm II. strebte das Kaiserreich nach "Weltgeltung". Sein leidenschaftlich betriebener Flottenausbau und die von ihm tatkräftig unterstützte Kolonialpolitik waren eine deutliche Abkehr von den bisherigen Maximen deutscher Politik. Mit dem Zweibund von 1879 eng an Österreich-Ungarn gebunden, sollte der 1887 zwischen dem Deutschen Reich und Russland abgeschlossene Rückversicherungsvertrag einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland verhindern. Doch kurz nach der Entlassung Bismarcks gab Wilhelm II. das sorgenvoll geknüpfte Bündnissystem auf und lehnte den Wunsch der russischen Regierung nach einer Verlängerung des Rückversicherungsvertrags 1890 ab. Die bislang ungewohnt brüske Form der Ablehnung verstärkte in Russland die antideutsche Stimmung Die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrags sowie ein von deutscher Seite begonnener Zollkrieg gegen Russland führten nahezu zwangsläufig zur Annäherung des Zarenreichs an das republikanische Frankreich. Die zwischen beiden Staaten 1893 vereinbarte Militärkonvention beendete die politische Isolierung Frankreichs, das sich nie mit der deutschen Annexion von Elsass-Lothringen abgefunden hatte. Den nun möglich gewordenen Zweifrontenkrieg betrachtete man in Deutschland als ein eher militärstrategisches Problem. Das undiplomatisch provokante Auftreten das Kaisers gegenüber England beruhte nicht zuletzt auf der Annahme, das Inselreich müsse wegen seines unüberbrückbaren kolonialpolitischen Konflikts mit Russland und Frankreich von sich aus ein Bündnis mit dem Deutschen Reich suchen. Doch angesichts der Möglichkeit eines kriegerischen Konflikts gab Frankreich überraschend nach. Da die gleichzeitigen Bemühungen Großbritanniens um ein Bündnis mit Deutschland scheiterten, war der Weg für eine britisch-französische Annäherung geebnet. Die Liste von Leichtfertigkeiten und Versäumnissen der deutschen Außenpolitik nach 1890 ist lang. Sie reicht von der rüden Zurückweisung des russischen Antrags auf Verlängerung des Rückversicherungsvertrags über die unnachgiebige Haltung des Kaisers gegenüber allen Ansätzen zu Rüstungsbeschränkungen bis zur "Kanonenboot-Politik". Insbesondere der 1897 zum Staatssekretär im Reichsmarineamt berufene Admiral Alfred von Tirpitz trug zur Verschlechterung der deutsch-britischen Beziehungen bei. Begleitet von der massiv antibritischen Propaganda des Deutschen Flottenvereins und des Alldeutschen Verbands setzte Tirpitz - mit Unterstützung des Kaisers - alles auf den Ausbau der deutschen -7- Kriegsflotte, um jedem Gegner auf den Weltmeeren Paroli bieten zu können. So setzte sich der kostspielige Rüstungswettlauf fort, der mit der Bewilligung enormer Ausgaben durch den Reichstag für den Bau von Großkampfschiffen der Dreadnought-Klasse 1906 begonnen hatte. Ein letzter Verständigungsversuch Großbritanniens scheiterte 1912, als dem kompromissbereiten Kriegsminister Lord Richard Haldane deutlich gemacht wurde, dass der Kaiser es strikt ablehne, über "seine Flotte" überhaupt zu verhandeln. Diesem Konfrontationskurs bei der Flottenrüstung stand ein naives Werben des Kaisers um Großbritannien als Partner gegenüber: Seine Äußerungen über das deutsch-britische Verhältnis sowie seine "Ratschläge" zum britischen Vorgehen im Burenkrieg wurden von der Zeitung "The Daily Telegraph" im Oktober 1908 veröffentlicht und fügten der deutschen Politik schweren Schaden zu. Die "Daily-Telegraph-Affäre" erinnerte an die unbesonnene "Hunnenrede" des Kaisers, mit der er 1900 das deutsche Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstands verabschiedet hatte. Ihre Fortsetzung fand die Politik diplomatischer Ungeschicklichkeiten und theatralischer Drohgebärden mit der "Kanonenboot-Politik" des "Panthersprungs nach Agadir" während der Marokko-Krise im Frühjahr 1911, als Frankreich zu Zugeständnissen für sein Vorgehen in Marokko gezwungen werden sollte. Mit seiner wenig kalkulierbaren, sprunghaft durchgeführten "Weltpolitik" hatte sich das Kaiserreich selbst in eine schwierige Außenseiterrolle manövriert. Nur auf das enge Bündnis mit Österreich-Ungarn war am Vorabend des Ersten Weltkriegs noch Verlass. (8) 3.3 Die Kolonialpolitik: Die deutsche Kolonialexpansion unter Bismarck war kein enthusiastischer HurraImperialismus. Bismarck wollte das staatliche Engagement möglichst gering halten und setzte auf ein nominelles staatliches Schutzbriefsystems. Nachdem sollten private Interessen die Nutzung der Kolonien in die Hand nehmen. Kaiser Wilhelm II hatte jedoch ganz andere Ansichten was Kolonien betrifft. Auch der Historiker Heinrich von Treitschke formulierte 1890 die Situation in der Deutschland sich befand. Er hielt es für notwendig, Kolonien zu besitzen, um weiterhin als Großmacht bestehen zu können. Zwar hatte Deutschland in Afrika und in Südostasien einige kolonieähnliche Gebiete (SüdwestAfrika(heute: Namibia), Kamerun, Togo und Ostafrika (heute: Tansania) und KaiserWilhelmland und Bismarckarchipel (Neuguinea), doch das hatte wenig Bedeutung. Militärisch und wirtschaftlich waren diese Gebiete für das Reich vollkommen bedeutungslos. Wilhelm II. forderte eine koloniale Aufholjagd, die Deutschlands Gleichstellung unter den Großmächten herbeiführen sollte. (9) 1891 wurde der "Allgemeine Deutsche Verband" gegründet, deren Ansichten im scharfen Kontrast zu Bismarcks Kolonialpolitik standen. Es ging jetzt um imperialistische Politik mit dem Ziel, Deutschland in den Rang einer Weltmacht zu erheben. Zur gleichen Zeit spielten sich in Asien ähnliche Geschehnisse, wie in Afrika ab. Dort trafen die europäischen Mächte auf die Interessen Russlands, Japans und den USA. Die schwache Regierung Chinas musste z.B. den Regierungen von Deutschland, Frankreich, Russland und England Gebiete verpachten. Es kam zu dem Boxer Aufstand der chinesischen Bevölkerung, der gegen die Überfremdung Chinas war. Die "Boxer" waren eine geheime Widerstandsbewegung. Der Aufstand wurde auch mit Hilfe von deutschen Soldaten nieder geschlagen. Kaiser Wilhelm II sagte zu diesen Soldaten kurz vor ihrer Abreise folgende Worte: "Führt eure Waffen so dass auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr wagt, einen Deutschen scheel -8- anzusehen ...". (10) Dieser offizielle Teil der "Hunnenrede" zeigte Wilhelms feste Überzeugung von der Wichtigkeit deutscher Kolonien und deutscher Macht. Doch in Wirklichkeit war der deutsche Kolonialbesitz im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich gering. Es trat wirtschaftlich, strategisch und bevölkerungspolitisch gesehen nichts von dem ein, was man erhofft hatte. Die deutschen Kolonien waren weder Stützpunkte von denen man weitere Gebiete erobern hätte können, noch waren sie militärisch mit den vorhandenen Kräften bei ernsthaften gegnerischen Angriffen zu verteidigen. In wirtschaftlicher Hinsicht waren die deutschen Kolonien von fast keiner Bedeutung. Der Import-Export Anteil der Kolonien am gesamten deutschen Außenhandel betrug nur etwa 0,02% (1912/13). Auch war die deutsche Präsenz in allen deutschen Kolonien sehr gering. All diese Aspekte konnten nicht die Behauptung rechtfertigen, dass die Deutschen sich nunmehr weltweit festgesetzt hätten und daher den Anspruch erheben könnten eine Weltmacht zu sein. Trotz dieser Beweise war Kaiser Wilhelm II immer noch von Deutschlands Weltmachtstellung überzeugt. In einer Tischrede von 1896 erklärte er: "Aus dem Deutschen Reich ist ein Weltreich geworden. Überall in fernen Teilen der Erde wohnen tausende unserer Landsleute. ... Nach Tausenden von Millionen beziffern sich die Werte, die Deutschland auf der See fahren hat. .." (11) In allen Gebieten der deutschen Kolonien wehrten sich die Einheimischen. Der Widerstand nahm unterschiedliche Formen an, auch die Reaktion der Kolonialbehörden war nicht einheitlich. In Togo erfolgten begrenzte Polizeiaktionen; im Norden des Landes begnügte man sich mit einer lockeren indirekten Herrschaft. Dieses System wurde auch in Kamerun angewandt. Im Süden des Landes wurde aber mit viel mehr brutaleren Mitteln gegen die Widerständigen angekämpft. In Deutsch-Südwestafrika reagierten die Einheimischen auf die Dezimierung ihrer Rinderherden und ihre soziale und rechtliche Diskriminierung, hier wurde mit der Peitsche regiert, durch den großen Aufstand der Herero und Nama, den die Kolonialmacht mit Völkermord beantwortete. In DeutschOstafrika regierte die Kolonialbehörde ähnlich, als der Maji-Maji Aufstandes, der ebenfalls ausgelöst wurde als die Behörde verschärfte Zwangsmethoden einführten. 3.4. Internationale Krisenherde, Mächteverhalten & Wege zum ersten Weltkrieg: Die imperialistische Politik der Mächte führte immer häufiger zu Spannungen und Konflikten. Rivalisierende Ansprüche auf „herrenlose“ Gebiete oder Einflusszonen hatten diplomatische Verwicklungen zur Folge, die in die Beziehungen der Staaten eine bisslang unbekannte Schärfe hineintrugen. (12) Eine der gefährlichsten Krisen beim Wettlauf um Afrika entwickelte sich 1898. Großbritannien drang in den Sudan vor und versuchte, sein Kolonialreich zwischen Ägypten und Südafrika auszubauen. Gleichzeitig war Frankreich bestrebt, sein west- und nordafrikanisches Kolonialreich auszubauen. In dem Dorf Faschoda stießen britische Truppen auf ein französisches Expeditionskorps. Das Zusammentreffen führte an den Rand eines militärischen Konflikts. Man verständigte sich jedoch und bekräftigte, künftig alle Fragen im freundschaftlichen Geiste zu lösen. (13) Als Folge überschneidender französischer und deutscher Kolonialintressen stand die erste Marokko-Krise. Frankreich ging daran seine Stellung in Marokko auszubauen was im Deutschen Reich zu Spannungen führte. Man befürchtete Eingriffe in deutsche wirtschaftliche Interessen. So besuchte Kaiser Wilhelm II. 1905 Tanger und beanspruchte, -9- entsprechend dem Abkommen von Madrid (1880), ein deutsches Mitspracherecht in Marokko. In der Konferenz von Algerciras konnte das Deutsche Reich die Unabhängigkeit Marokkos sicherstellen, doch führte diese Krise zu einer Festigung des britisch-französischen Bündnisses. (14) Die 2. Marokkokrise, auch als Panthersprung nach Agadir bekannt, wurde 1911 durch die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs SMS Panther nach Agadir ausgelöst, nachdem französische Truppen Fes und Marrakech besetzt hatten. Die Krise wurde am 11. November 1911 im Marokko-Kongo-Vertrag beigelegt, in dem das Deutsche Reich auf seine Ansprüche in Marokko verzichtete und dafür mit einem Teil der französischen Kolonie Französisch-Äquatorialafrika (Neukamerun) entschädigt wurde. Durch diese Krise wurde die außenpolitische Isolation des Deutschen Reichs in Europa weiter verschärft. (15) Die größte innenpolitische Krise seiner Zeit war die so genannte „Daily-TelegraphAffäre“ (1908). Wilhelm II. hatte bei einem Besuch in England unvorsichtige politische Bemerkungen gemacht, die später in der Zeitung veröffentlicht wurden. In Deutschland rief die Affäre einen Sturm der Entrüstung gegen den Kaiser hervor, der für den erfolglosen Zickzackkurs der deutschen Außenpolitik verantwortlich gemacht wurde. Alle Parteien des Reichstages kritisierten den Monarchen und forderten eine Einschränkung seiner Reden und Gespräche. Wilhelm II. war von dieser Kritik so beeindruckt, dass er zeitweilig die Abdankung erwog. (16) Als 1908 eine Revolution die absolute Sultanherrschaft in der Türkei beseitigte, nutzt Österreich-Ungarn die Situation. Die Annexion Bosniens und Herzegowina durch die Donaumonarchie im Herbst des Jahres löst eine internationale Krise aus. Ein Beweggrund der Wiener Regierung für diesen Schritt war es, im Wettlauf der Großmächte um territoriale Erwerbungen bisher Versäumtes nachzuholen. Das Deutsche Reich stellt sich hinter Österreich. Auch Italien sah seine Chance gekommen, um auf Kosten der Türkei sein relativ kleines Kolonialreich zu erweitern. Der türkische Protest verhallte weitestgehend ungehört, denn Italien hatte sich zuvor der Rückendeckung einiger Großmächte versichert. Für die europäische Geschichte hatten die Balkankriege fatale Folgen, denn die faktische Vertreibung des Osmanischen Reiches vom Balkan und die Schwächung Bulgariens schufen einen Flickenteppich aus Regionalmächten. Durch die zahlreichen Gebietsgewinne und -abtretungen der beiden Kriege ergab sich ein undurchschaubares Geflecht von vermeintlichen Gebietsansprüchen, das den Balkan zu einem politischen Pulverfass machte. Dazu kam, dass das mit den beiden Friedensverträgen von London und Bukarest geschaffene starke und ehrgeizige Serbien nun zunehmend eine Bedrohung für das von Nationalitätenproblemen geplagte Österreich-Ungarn wurde. Eine Situation, die zum Ausbruch eines weitaus verheerenderen Krieges führen sollte. Durch die Balkankriege wurde das ohnehin schon hohe Rüstungstempo noch beschleunigt. Die Rüstungen des einen Staates lieferten den Vorwand für die Rüstungen seiner Nachbarn. Am 28. Juni 1914 wurden in Sarajewo die tödlichen Schüsse auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger abgefeuert, was in Serbien zahlreiche Bekundung der Genugtuung auslöste. Daraus leitet die Regierung und Öffentlichkeit in ÖsterreichUngarn und Deutschland eine Mitschuld der serbischen Regierung ab. Zwar war Wilhelm II. alles andere als ein Pazifist und hatte großen persönlichen Anteil an der Verschlechterung des internationalen Klimas, z. B. durch unbedachte Reden oder sein Festhalten an der Hochrüstungspolitik. Auch gab er Österreich-Ungarn am 5. Juli 1914 den so genannten Blankoscheck, als er seine unbedingte Unterstützung eines Vorgehens gegen Serbien zusagte. Dennoch wollte Wilhelm II. den Krieg nicht - schon deshalb nicht, weil er sich den damit verbundenen Anforderungen an ihn nicht gewachsen fühlte. Im letzten Moment unternahm er noch Versuche, den Frieden zu bewahren. - 10 - 4. Nationalismus, Imperialismus, Militarismus: Nach der Gründung des Deutschen Reiches wurde der nationale Gedanke in Europa immer stärker. Es begann das Streben nach ausgedehnten Herrschaftsgebieten und um die Neuaufteilung der Welt. Außerdem wollten die europäischen Länder Rohstoffe anderer Völker ausbeuten. In der wilhelminischen Zeit wurde auf dem Sozialdarwinismus und verwandten Ideologien beruhende Vorstellungen von einer Überlegenheit des deutschen Volkes über allen anderen Völkern und Rassen zum dominierenden Motiv. So vertrat der Alldeutsche Verband die Auffassung, "dass unser Volk, indem es die Erhaltung und Ausbreitung deutschen Geistes auf der Erde betreibt, damit am wirksamsten auch den Bau der Weltgesittung fördert. Denn unsere deutsche Kultur bedeutet den idealen Kern menschlicher Denkarbeit, und jeder Schritt, welcher für das Deutschtum errungen wird, gehört demnach der Menschheit als solcher und der Zukunft unseres Geschlechts." (17) Man forderte unserm Volk eine Weltstellung zu geben, wie sie dem Rang einer europäischen Großmacht entspricht. Die Ansicht Deutschlandes war, es solle „am deutschen Wesen die Welt genesen“. (18) Nachdem das Ausdehnungsbestreben zwölf Jahre lang zwar in der Publizistik eine Rolle gespielt, nicht aber zu konkreten politischen Ergebnissen geführt hatte, erfolgte 1897 der erneute Übergang zu überseeischer Expansions- und „Welt“-Politik mit der Besetzung und späteren Pachtung des chinesischen Hafens Tsingtao. Zur Begründung dieses Schrittes führte der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und spätere Reichskanzler, Bernhard v. Bülow, in seiner Rede am 6.12.1897 in erster Linie ökonomische Argumente an, denn angesichts der drohenden Aufteilung des als zukunftsträchtiger Markt betrachteten China in Interessensphären der einzelnen imperialistischen Mächte hielt er es für entscheidend, sich gleichwertige Handels- und Exportchancen zu sichern: "Wir müssen verlangen, dass der deutsche Missionar und der deutsche Unternehmer, die deutschen Waren, die deutsche Flagge und das deutsche Schiff in China geradeso geachtet werden, wie diejenigen anderer Mächte. Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, dass unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden. Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne." (19) Deutlicher wurde Wilhelm II., der die deutsche Öffentlichkeit aufforderte, "sich der festen Überzeugung hinzugeben, dass unser Herrgott sich niemals so große Mühe mit unserem deutschen Vaterlande und seinem Volke gegeben hätte, wenn er uns nicht noch Großes vorbehalten hätte. Wir sind das Salz der Erde." (20) Die insbesondere vom Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Alfred v. Tirpitz, propagierte und seit 1898 in Angriff genommene Schlachtflotte sollte dabei den deutschen Weltmachtanspruch unterstreichen und realisieren, die Sicherheit des Handels in Übersee gewährleisten und damit die krisengeschüttelte Wirtschaft unterstützen. Wilhelm II. liebte alles Militärische. Das große Ansehen des Militärs entsprach preußischer Tradition. Nicht gedient zu haben, galt als erheblicher Makel im Leben eines Mannes. Der Rang eines Reserveoffiziers bildete die Voraussetzung für eine berufliche und gesellschaftliche Karriere. Immer mehr junge Männer aus bürgerlichen Verhältnissen strebten eine Offizierslaufbahn an. Denn durch die Verstärkung der Streitkräfte, war der Adel immer weniger in der Lage, alle Offizierstellen zu besetzen. Das durch Handel und Gewerbe zu Wohlstand gekommene Bürgertum versuchte häufig den Lebensstil des Adels nachzuahmen. Dabei forderte es Achtung und Respekt seitens der sozial unter ihnen stehenden Bevölkerungsgruppen. Die militärischen und wirtschaftlichen Erfolge des Deutschen Reiches führten bei vielen seiner Bewohner zum Glauben an die - 11 - Überlegenheit der eigenen Kulturnation gegenüber anderen Volksgruppen. Disziplin und Gehorsam wurden den Kindern schon im Elternhaus und Schule als wichtigste deutsche Tugend vermittelt. Ein Beispiel für die Überbetonung militärischen und obrigkeitsstaatlichen Denkens war ein Vorgang in der elsässischen Gemeinde Zabern 1913. Hier hatte ein forscher Offizier, unter Missachtung aller Rechtsvorschriften, zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung eine Reihe von Bürgern verhaften lassen, die mit seinen Soldaten einen Streit gehabt hatten. Schlimmer als diese Fehlverhalten war, dass der Kaiser und der Reichskanzler sich nicht von dem Rechtsbruch distanzierten, sondern den Offizier öffentlich in Schutz nahmen und somit seine Autorität höher bewerteten als das geltende Recht.(21) 5. Zusammenfassung: Die wilhelminische Gesellschaft wurde in ihrem Kern vom Bürgertum bestimmt, von Unternehmern, Kaufleuten, Handwerkern, Beamten und Angestellten, von Professoren und Lehrern, Ärzten, Rechtsanwälten, von Journalisten und Schriftstellern, Künstlern und Kritikern, von Ingeneuren und Architekten. Alter und neuer Mittelstand verbanden sich zu einer nicht etwa schrumpfenden, sondern im Gegenteil rasch wachsenden Schicht. Und erstmals gehörte zu ihr nicht nur der Traum, sondern die Realität eines zwar meist bescheidenen, aber gesicherten Wohlstands, der sich in Spitzenpositionen bald in Reichtum verwandelte. Sosehr die Sparsamkeit noch zu den ererbten Tugenden zählte, so durften sich jetzt viele leisten, was die Eltern und erst die Großeltern sich verbieten mussten, von Rentenpapieren bis zur Sommerfrische. Eines allerdings konnten sich diese Bürgergesellschaft nicht leisten, weil es nicht käuflich war: ein bürgerliches Selbstbewusstsein. Angelpunkt aller Orientierung blieb der Staat, er lockte mit Orden, Titeln und der Uniform. Sie galt als ein Ausweis des Dazugehörens zur führenden, „staatstragenden“ Schicht, zur „guten“ Gesellschaft. Das Dazugehören, uneingestanden von der Frage bedrängt, ob es wirklich erreicht sei, der Traum vom Geborgensein überm Bodenlosen. Die bestimmende Schicht herrscht nicht, sondern ordnet sich ein und unter. Sie fügt sich in den Obrigkeitsstaat, der Ansehen und Verhaltensformen vom Adel und vom Militär her bestimmte. (22) - 12 - 6. Literaturverzeichnis: Bücher: 1. Peter Bachmann u. Kurt Zeisler, Militärverlag der DDR: Der deutsche Militarismus Band 1 2. Willibald Gutsche u. Baldur Kaulisch, Urania Verlag Leipzig, Jena, Berlin: Bilder aus der Kaiserzeit 3. Klaus Dorst u. Wolfgang Wünsche, Militärverlag der DDR: Der erste Weltkrieg 4. Weltgeschichte nach Leopold v. Ranke, Eigenbrötler Verlag 1921 5. Diether Raff Deutsche Geschichte, Max Hueber Verlag München 1985: Vom alten Reich zur zweiten Republik 6. Gerhart Maier, Ernst Klett Verlag für Wissen & Bildung: Zeitalter des Imperialismus (1870-1914/18) 7. Wolfgang Reinhard, Band 4 Dritte Welt Afrika: Geschichte der europäischen Expansion 8. Klaus J. Bade, Imperialismus und Kolonialmission: Das kaiserliche Deutschland und sein koloniales Imperium 9. Meyer, Wolfgang, Schwarz-Weiss-Rot. Die deutschen Kolonien 1883-1918 10. Wilhelm Treue, Weltbild Verlag 1990: Deutsche Geschichte 11. Christian Graf von Krockow, Rowohlt Verlag GmbH Hamburg: Die Deutschen in ihrem Jahrhundert 1890 – 1990 12. Jürgen Kochendörfer & Erhard Rumpf, Schulbuchverlag Ernst Klett: Geschichte und Geschehen 13. Michael Fröhlich, Deutscher Taschenbuchverlag: Deutsche Kolonial- & Weltpolitik 1880-1914 Zeitschriften: Peter Moosleitners Magazin, Welt des Wissens, Ausgabe Okt. 2004: Unsere Kolonien von Patricia Bröhm Internetquellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Alawiden http://www.battlefield1918.de/history/213/ http://www.ggrs.com/essays/imperialismus.html http://www.lsg.musin.de/Geschichte/Karikaturen/karikaturen_imperialismus.htm http://www.deutscher-kolonialismus.de/kolonialgeschichtestart.html http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/ http://www.deutsche-schutzgebiete.de/ http://mitglied.lycos.de/TicoFluck/kolo/kolo19.html http://www.marx-forum.de/geschichte/deutschland/kolonien.html http://www.lsg.musin.de/Geschichte/lkg/intern/Bürgertum-Militarismus.htm http://www.lsg.musin.de/Geschichte/Deutsches%20Reich/main.htm http://www.krref.krefeld.schulen.net/referate/geschichte/r0678t00.htm - 13 - 7. Quellenverzeichnis: 1) Die Deutschen in ihrem Jahrhundert 1890 – 1990: S.19 2) Geschichte und Geschehen: S. 228 3) http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/industrie/index.html 4) http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/index.html 5) http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/wissenschaft/index.html 6) http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/innenpolitik/index.html 7) Geschichte und Geschehen: S. 228 8) http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/aussenpolitik/index.html 9) lfd. S. Vom alten Reich zur zweiten Republik 10) http://www.boxeraufstand.de/ 11) http://www.ggrs.com/essays/imperialismus.html 12) Geschichte und Geschehen: S. 246 13) lfd. S. Vom alten Reich zur zweiten Republik 14) http://de.wikipedia.org/wiki/Erste_Marokkokrise 15) http://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Marokkokrise 16) http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_II._%28Deutsches_Reich%29 17) lfd. S. Vom alten Reich zur zweiten Republik– 18) http://www.krref.krefeld.schulen.net/referate/geschichte/r0678t00.htm 19) http://www.ggrs.com/essays/imperialismus.html#2. 20) http://www.ggrs.com/essays/imperialismus.html#2. 21) Geschichte und Geschehen: S. 228 22) Die Deutschen in ihrem Jahrhundert 1890 – 1990: S. 36-42 - 14 - 8. Selbständigkeitserklärung: Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen Hilfsmittel als angegeben verwendet habe. Insbesondere versichere ich, dass ich alle wörtlich und sinngemäßen Übernahmen aus anderen Werken als solche kenntlich gemacht habe. Kauschwitz, den 3. März 2005 9. Anhang: - 15 - 1. Deutschlandkarte (zu 2.1): 2. Parteien nach der Wahl 1903 (zu 3.1): - 16 - 3. Berliner Wohnungselend (zu 2.2): - 17 - 4. Reservesoldaten (zu 4.): 5. Manöver der Hochseeflotte (zu 4.): 6. Postkarten (zu 3.3): - 18 - 7. Kindergarten in Dresden um 1900 (zu 2.2): - 19 - 8. Landarbeit damals (zu 2.2): 9. AEG Produktionsstätten (zu 2.3): 10. Einzug des Kaisers in Damaskus (3.4): - 20 - 11. Postkarte (zu 4.): 12.Karikaturen über den Kaiser (zu 3.2): - 21 - 13. - 22 -