Schiferien in Amerika

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Schiferien in Amerika
Sandra Fleischmann und Alexander Kluge
Schiferien in
Amerika
F E B RUA R 2 0 0 0
WARUM SCHIFAHREN IN DEN USA?
Im September 1999 begannen Sandra, Markus und ich unseren
Schiurlaub in Amerika zu planen. Ihr werdet jetzt denken: ”Ah,
Helikopterschifahren”. Nein, wir planten einfach in zwei bis
drei normale amerikanische Schigebiete zu fahren. “Idiotisch”,
werdet ihr denken, speziell dann, wenn man weiß, dass wir in
Genf wohnen, von wo aus wir in einer Stunde Chamonix, in
zweieinhalb Stunden Val d’Isere und in fünf Stunden den
Arlberg erreichen können. Und recht habt ihr, denn objektiv
scheint es keine Gründe zu geben nach Amerika auf Schiurlaub
zu fahren. Trotzdem wollten wir wissen, ob etwas Wahres daran
ist, wenn man mit Amerikanern über ihre Schigebiete spricht,
und sie vor Enthusiasmus überströmen. Was, wenn es doch
stimmt, und wir es nie ausprobieren, weil es ohnehin bei uns am
besten ist. Also beschlossen wir den Versuch zu wagen. Wir
betrachteten es als Experiment oder Expedition, die nicht
fehlschlagen konnte. Sollte sich herausstellen, dass die besten
Schigebiete in Europa zu finden sind, dann wüssten wir, dass
wir zu Hause am besten aufgehoben sind. Sollte sich das
Gegenteil herausstellen, würden wir einen tollen Urlaub
verbringen und könnten später wieder einmal in den Staaten
schifahren gehen.
WOHIN IN AMERIKA?
Die Frage stellte sich natürlich: wohin? Es war klar, dass wir die
Ostküste mit den niedrigen Bergen und den schlechten
Schneeverhältnissen ausschließen konnten. Es mussten die
Rocky Mountains im Westen der USA sein. Wir deckten uns
mit Büchern und Zeitschriften ein und verschlangen die
Vergleichstests der verschiedenen Schigebiete. Doch bald
stellte sich heraus, dass die angewandten Testkriterien
unbrauchbar waren, fliessen doch Familienfreundlichkeit (!),
Pistenpräparation (!) und Anfängertauglichkeit (!) in die
Bewertung ein. Für uns aber waren Steilheit, Herausforderung,
Schneequalität, Menge des Schnees und nicht zuletzt der Preis
von Bedeutung. Nachdem sich die Schigebiete der Rocky
Mountains unseren harten Testkriterien untersetzen mussten,
gingen zwei Gebiete siegreich hervor: Jackson Hole, in
Wyoming, südlich des weltbekannten Yellowstone Parks, und
Snowbird, in Utah, 15 Meilen von der Großstadt Salt Lake City
entfernt. Es sollten je vier bis fünf Schitage pro Schigebiet sein.
Das sollte uns genügend Kraft lassen, um beide Regionen
auszukundschaften. Wir buchten Flüge für den 11. Februar und
reservierten die Quartiere und ein Mietauto.
Alles schien geklärt, allerdings stellten sich Zweifel ein. Die
ersten Schwünge im ‘Grands Montets’ Schigebiet im
Chamonixtal waren schon gefahren und wir fragten uns, ob es
nicht besser wäre, lieber zu Hause zu bleiben, denn in den
Schigebieten in Amerika, also auch in den von uns gewählten,
sind 10 Lifte in einem Gebiet schon viel. Mehr als 1000 m
Höhenunterschied zwischen Berg- und Talstation sind eine
Seltenheit. Angeblich ist das Fahren abseits der Pisten stark
reglementiert oder sogar verboten. Was, wenn wir dort
ankommen und nur auf präpierten Pisten fahren dürfen?
Andererseits sprechen die Berichte über Jackson Hole von
10 m Schneefall pro Jahr, vom anspruchsvollsten Gebiet der
USA, davon, dass es kein “Schicki-Micki”-Gebiet sei, sondern
von den amerikanischen Schicracks bevorzugt würde, von
Pisten wie dem Corbet’s Couloir, in das man nur durch einen
5 m hohen Sprung gelangt. In Snowbird soll man laut Berichten
anspruchsvolles Terrain erwarten können und den sagenhaften
‘Utah-Powder’. Dieser Pulverschnee, der durchschnittlich zu
12 m im Jahr fällt, soll so leicht und trocken sein, wie wir ihn in
Europa nicht kennen. Mit Aufregung beobachteten wir die
Schneeberichte in Amerika und konnten mit Freude feststellen,
dass es wieder ein Winter mit mehr als genug Schnee in den
Rockies werden sollte. Mit einem Wort, wir waren gespannt.
ANKUNFT IN AMERIKA
11.2.2000 UND 12.2.2000
Endlich, am 11.2.2000 flogen wir nach Salt Lake City.
Nachdem wir dort übernachtet hatten, fuhren wir mit unserem
Mietauto 300 Meilen und 5 Stunden lang nach Jackson Hole.
Während der ganzen Fahrt regnete es entsetzlich. Wir freuten
uns, denn in den Bergen musste es natürlich schneien. Doch als
wir in der Stadt Jackson ankamen, waren wir enttäuscht. Es gab
Schneeregen, und das auf 3000 m über dem Meer im Februar,
und es lagen vielleicht 20 cm Schnee im Tal. Im Nebel war kein
Berg zu erkennen.
10 Meilen ausserhalb der Stadt Jackson liegt das eigentliche
Schigebiet Jackson Hole mit dem kleinen Hoteldorf Teton
Village. Dort bezogen wir unsere Unterkunft im Hostel X, das
direkt an der Schipiste gelegen ist. Es ist ein Schifahrerhostel,
Hostel X.
ERSTER SCHITAG, JACKSON HOLE
13.2.2000
Am Samstag, den 13.2. war es dann so weit. Wir standen um
Teton Village und die ‘63 passenger aerial tram’
Blick auf das Schigebiet. Das Wetter gönnte uns selten mehr.
das in der Qualität seinesgleichen suchen muss. Um 48 $
bekommt man hier ein Doppelzimmer mit Dusche und
Zimmerservice. Im gemütlichen Aufenthaltsraum herrschte
Aufruhr: die Schifahrer waren vom Berg zurückgekommen und
berichteten begeistert von den Ereignissen des Tages: Seit zwei
Wochen der erste Neuschnee, 13 inches (33 cm), tolle
Unterlage und es sei normal, dass im Ort nicht so viel Schnee
liege. Der Schnee würde normalerweise auf den ersten
Bergkamm fallen, der sich den Wetterfronten in den Weg stellte.
Uns sollte es recht sein, wir freuten und auf unseren ersten
Schitag.
Frühstück in Teton Village.
7:30 Uhr auf, genehmigten uns ein typisch amerikanisches
Frühstück mit Unmengen an Eiern, Kartoffeln und Pancakes
und gingen vollen Mutes und freudiger Erwartung zu den
Liftanlagen. Zielstrebig steuerten wir die Schischule an, denn
ich hatte in Erfahrung gebracht, dass ‘visiting ski instructors’
Tageskarten zum Preis von Halbtageskarten bekämen, also statt
54 $ (730 ATS) nur 40 $ (540 ATS) - für europäische Schifahrer
unglaubliche Preise. Danach eilten wir sofort zur
vielbeworbenen ‘63 passenger aerial tram’, die uns zum
höchsten Punkt des Schigebiets bringen sollte, um
festzustellen, dass es sich hierbei um eine 1965 gebaute
Luftseilbahn handelte! Obendrein wartete eine Unmenge an
Schifahrern darauf von dieser Anlage nach oben befördert zu
werden. Das Gerücht, dass man in den amerikanischen
Schigebieten nirgendwo warten muss, war also widerlegt. Wir
standen 30 Minuten in der beeindruckend organisierten
Warteschlange ohne darum kämpfen zu müssen unseren Platz
zu halten. Während dieser Zeit hatten wir Gelegenheit die
Hostel X.
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Anstellen vor der aerial tram.
Blick vom ‘Rendezvous Mountain’.
Schiausrüstung der Amerikaner zu begutachten und stellten
fest, dass sie teilweise extrem überaltert war. 10 Jahre alte Schi
waren keine Seltenheit, anderseits, angesichts der Schipreise in
den USA, ist das nicht verwunderlich, da sie oft fast doppelt so
teuer sind wie bei uns.
schifahren, wachsen hier immer noch Bäume, die allerdings
nicht so eng gewachsen sind wie bei uns. Plötzlich standen wir
vor einem Zaun mit einem Schild: ‘Ski Area Boundary! Acces
only through gates!’. Kurz darauf hatten wir auch schon ein
‘gate’ im Zaun gefunden und fuhren vollkommen unverspurte
Hänge ins Tal. Später erfuhren wir, dass es in den Jahren zuvor
nur an ganz speziellen Tagen erlaubt war das offizielle
Schigebiet zu verlassen, dass man aber diese Strategie
verändert hätte und man jetzt jederzeit auf eigene
Verantwortung ‘european style skiing’ betreiben könnte, sofern
man die dafür vorgesehen Gatter verwendete. Wieder unten
Endlich konnten wir in die alte Gondelbahn einsteigen. Eine
Musikanlage spielte laute Rockmusik und wir sahen erstmals
den sagenumwobenen Rendezvous Bowl. Unmittelbar vor
Ankunft der Gondel wurde die Musik abgestellt und der
Gondelführer machte uns über die Lautsprecheranlage,
allerdings auch alle darauffolgenden Male, darauf aufmerksam,
dass dieser Berg wahnsinnig gefährlich wäre und er allen
empfiehlt, die nicht ‘expert skiers’ sind, mit der Gondelbahn
wieder hinunter zu fahren.
Gatter in die Freiheit.
angekommen, fuhren wir nochmals mit der Tram und standen
ein zweites Mal vor Corbet’s Couloir. Diesmal wagten wir den
2 m Sprung auf der linken Seite und wussten natürlich nachher,
dass es einfacher war, als es ausgesehen hatte. Der Hang danach
ist schön, aber das Gebiet hat viel mehr zu bieten. Es gibt
unzählige ‘chutes’, also Rinnen, nicht enden wollende
Buckelpisten und ein wahnsinnig weitläufiges Gebiet in den
Hobacks, wo man einfach überall hinunterfahren kann. Um
allerdings unverspurte Hänge zu finden, muss man früh
aufstehen, denn die locals nehmen sich an ‘powder days’ frei
von ihrer Arbeit, um an diesem Spaß teilhaben zu können. Wir
fuhren den ganzen Tag ohne Pause und kamen abends müde,
aber sehr beeindruckt, in unser Hostel X und gingen nach einem
amerikanischen Dinner, ‘Hamburger’, noch vom Jet-Lag
geplagt, schlafen.
Warnschild in der Talstation.
Zuallerst fuhren wir zum berüchtigten Corbet’s Couloir. Wir
sahen, dass man diese Piste nur durch einen Sprung ganz rechts
von über 7 m oder durch seitliches Einrutschen und dann einen
Sprung ganz links von 2 m erreichen konnte. Wir wollten uns
aber zuerst für dieses Abenteuer aufwärmen und fuhren zur
Tensleep Bowl. Wir fanden sagenhaften, wundervollen
Pulverschnee, teilweise noch unverspurt. Man konnte überall,
auch zwischen Felsen, hinunterfahren oder über Baumstümpfe
springen. Fast keine Leute waren unterwegs, was allerdings
angesichts der geringen Förderkapazität der Gondelbahn nicht
verwunderlich war. Nirgends gab es Spuren von Pistengeräten
und das Tollste war: Tree-skiing. Obwohl wir auf über 3000 m
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Alex bereitet sich auf den Einstieg vor...
Tree skiing.
und fährt in das Couloir ein.
ZWEITER SCHITAG, JACKSON HOLE
14.2.2000
Am nächsten Tag waren wir wieder früh auf der Piste. Es hatte
nochmals 20 cm geschneit. Wir fuhren zuallererst in den
unverspurten Hängen der ‘Hobacks’. Es schneite den ganzen
Tag, aber, für uns vollkommen unerklärbar, war die Sicht
trotzdem gut. Auch in den folgenden Tagen stellten wir fest,
dass trotz der Schneefälle die Sicht sehr gut war und man
ungehindert auch mit hohem Tempo im Gelände schifahren
konnte. Leider war weiter unten die Temperatur zu hoch, es
hatte Plusgrade. Vonwegen im Februar wäre es zu kalt, um in
Amerika schizufahren: der unverspurte Schnee war teilweise
wie Zement. Am späten Vormittag wurde die ‘tram’ wegen zu
starken Windes gesperrt. Wir benutzten den ‘Thunder Lift’ und
vergnügten uns im Bereich von ‘Tower three chutes’, wo wir
tolle Rinnen und Buckelpisten fanden.
Die Zuseher blicken ehrfürchig ins ‘Corbet’s Couloir’.
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verabredet. Wir stellten uns um 9 Uhr bei der ‘tram’ kurz vor,
und der Schitag, an dem Liz uns zeigen wollte, was ihr
Schigebiet und ein richtiger ‘local’ zu bieten haben, begann.
Kurze Zeit später standen wir vor dem Abgrund von ‘Corbet’s
Couloir’ und Markus und Alex waren fest überzeugt, diesmal
den 7 m hohen Sprung in die Rinne zu wagen. Markus fackelte
nicht lange, stellte sich zum Rand, holte tief Luft und sprang. Er
landete und fuhr ein Stück, um sich dann in einer Mulde zu
versenken. Alex konnte von oben nur seinen Mut bewundern.
Mittlerweile waren alle anderen über den 2 m hohen Einstieg in
die Rinne eingefahren und sahen zu ihm hoch und feuerten ihn
an, oder besser, redeten ihm gut zu. Er blickte für mehrere
Minuten hinunter. Ein anderer Schifahrer kam vorbei, schaute
kurz in die Rinne und sprang, so als würde er eine blaue Piste
befahren. In dem Moment, als Alex sich selbst davon überzeugt
hatte, dass er die Art von Erlebnis nicht brauchte und zurück
gehen wollte, überkam ihn übernatürlicher Mut und er sprang
in die Tiefe, nachdem er sich kräftig abgedrückt hatte. Er flog
und flog und “wumm”, landete genau in der Mulde, in die
Markus gefahren war. Nachdem er alle seine Sachen
DRITTER SCHITAG, JACKSON HOLE
15.2.2000
Am nächsten Tag lernten wir zwei Schweizer, Rainer und JeanPierre, kennen. Sie kamen schon jahrelang nach Amerika
schifahren und kannten das Gebiet dementsprechend gut. Wir
fuhren wieder im ‘Hoback Gebiet’, wieder in wundervollem
Tiefschnee. Es hatte die Nacht durchgeschneit. Die beiden
Schweizer zeigten uns eine neue ‘out of bound’ Variante, wo
superlange, steile Tiefschneehänge von außergewöhnlich
genialen ‘tree skiing’ Passagen abgelöst wurden. Die
Landschaft war traumhaft in dieser kleinen Schlucht und wir
genossen die Ruhe zu fünft. Am Nachmittag schloss die ‘tram’
wieder wegen des Windes und wir flüchteten in das ‘Apres
Vous’ Gebiet, das zwar relativ flach ist, dafür aber geniales ‘tree
skiing’ bietet. Für uns bis jetzt vollkommen unbekannt,
Springen im Wald.
entwickelte sich das ‘tree skiing’ zu einer tollen Beschäftigung.
Wie schon erwähnt, sind die Bäume hier in größeren Abständen
gewachsen. Wenn noch keine Schispur zwischen den Bäumen
ins Tal führt, bahnt man sich einen neuen Weg durch das
Baumlabyrinth, springt über verschneite Baumstümpfe oder
Geländewellen. Wenn allerdings die Wege zwischen den
Bäumen schon ausgefahren sind, wird das ‘tree skiing’ wie eine
Fahrt in der Achterbahn. Es entspricht noch am ehesten einer
Buckelpistenrinne, die allerdings nicht in der Fallinie ins Tal
führt. Schnelle Reaktion ist gefragt, um den auftauchenden
Hindernissen auszuweichen. Ein Amerikaner in der
Gondelbahn erklärte mir: ‘This day is sick!’ und schwärmte
von den sensationellen Schnee- und Geländeverhältnissen. Ich
konnte ihm nur beipflichten.
Sprung ins ‘Corbets Couloir’.
zusammengesucht hatte, ging unsere Tour unter der Führung
von Liz weiter. Unser nächstes Ziel war ‘head wall’. Es stand
uns ein Anstieg von 150 m bevor. Die dünne Luft nahm uns den
Atem. Oben angekommen, fuhren wir zu einer wundervollen
‘back country’ Abfahrt. Einem Mann von der ‘ski patrol’
versprach Liz wegen der anhaltenden Schneefälle vorsichtig zu
sein und ‘a lot of cutting’ zu machen. Das ist die amerikanische
VIERTER SCHITAG, JACKSON HOLE
16.2.2000
Natürlich schneite es auch am darauffolgenden Tag. Wir hatten
uns mit den beiden Schweizern und einer Bekannten von ihnen,
Liz, die in Jackson wohnt, zum gemeinsamen Schifahren
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Art mit Schneebrettern umzugehen: am Anfang des Hanges
traversiert der Führer den Hang, um ihn gegebenenfalls
abzuschneiden und so das Schneebrett auszulösen. Ein ‘one
nachher öffnete, lag vor uns. Wir genossen die Fahrt im
unverspurten Gelände. Es war für uns ungewohnt, um 11 Uhr
noch eine unverspurte Abfahrt vor uns zu haben, und wir
dachten, dass das in Europa vollkommen unmöglich wäre, so
spät noch unverspurtes Gelände vorzufinden. Nach dieser
wundervollen Abfahrt gingen und fuhren wir 40 Minuten
zurück zur Talstation durch abenteurlichste Landschaft. Um 12
Uhr stieß noch Gretchen, eine ebenfalls in Jackson lebende
Amerikanerin, zu unserer Truppe und wir fuhren den ganzen
Tag ohne Pause auf allen denkbaren und undenkbaren Varianten
des Gebietes. Unzählige Rinnen rasten wir hinunter. Thunder,
Three Tower, Sublette, Hobacks, Thunder, Sublette, Expert
Chute, ... hießen die Abfahrten und Rinnen die wir bestritten.
Liz und ihre Freundin Gretchen legten ein gehöriges Tempo vor
und machten keine Anstalten bei den Liftstationen zu warten.
Allerdings, angesichts der unerhört hohen Preise, die auch die
‘locals’ für die Lifte zahlen müssen, 1500 USD für eine 100
Tage dauernde Saison, war das kein Wunder. Durch den
weichen Neuschnee liessen sich die steilsten und
ausgesetztesten Rinnen befahren. Am Abend waren wir bei Liz
eingeladen, um von ihr und ihrem Mann selbst erlegtes
Hirschsteak zu verspeisen. Zufrieden liessen wir den Tag
ausklingen.
FÜNFTER SCHITAG, JACKSON HOLE
17.2.2000
An unserem letzten Schitag in Jackson Hole wollte Liz uns auf
einen 500 Höhenmeter über den Teton Pass liegenden Gipfel
führen, um dann Richtung Idaho abzufahren. Wir trafen uns um
9 Uhr bei ‘Hungry Jacks’ mit Liz. Die beiden Schweizer kamen
später nach, denn sie hatten ihren Truck in den Graben
gefahren. Wir brauchten 70 Minuten, um die 500 Höhenmeter
bis auf 3150 m über dem Meer zu bewältigen. Auf dem Gipfel
Liz erklärt uns die Route.
Aufstieg durch den Märchenwald.
fanden wir ein Iglo und recht viele Schifahrer, die es hier hinauf
treibt, um die ‘Ruhe’ gegenüber dem kommerziellen Schigebiet
oder den einen oder anderen Joint zu genießen. Während der
Abfahrt wechselten sich freie Hänge mit schönen
Waldpassagen durch wundervolle Landschaft ab und wir
wurden wehmütig, als wir die Teton Passstrasse sahen, denn es
bedeutete für uns von Jackson Hole Abschied zu nehmen. Mit
einem vorher bereit gestellten Truck fuhren wir wieder zu
Sandra im unverspurten Tieflschneehang.
mile’ langer, steiler Hang durch eine kleine Schlucht, die sich
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Nahe dem Gipfel.
Blick in die Ebene.
Sandra im Wald.
Die Luft ist dünn auf über 3000 m über dem Meer.
Alex auf Kollisionskurs.
pro Person und Tag zu finden. So begnügten wir uns mit dem
Appartment 15 Meilen entfernt von Snowbird. Das gab uns
auch die Möglichkeit näher an den anderen Schigebieten der
Umgebung zu sein.
Markus und sein Kompagnon.
unserem Auto am Pass. Dort trennten wir uns von den anderen,
und machten uns auf den Weg nach Snowbird.
SNOWBIRD I
18.2.2000
Wir frühstückten direkt im Schigebiet von Snowbird. Im
Vergleich zu Jackson Hole konnte man sofort eine
unterschiedliche Athmosphäre spüren. Das Publikum wirkte
viel städtischer und unnahbarer. Das Prunkstück der
Liftanlagen in Snowbird ist die 125 passenger tram, wieder eine
Am Abend des 17. Februar erreichten wir Salt Lake City und
bezogen unser Appartment am Eingang des ‘Little Cottonwood
Canyon’. Natürlich hätten wir ein Quartier direkt im Schigebiet
bevorzugt, allerdings war das billigste nicht für unter 100 USD
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Abfahrt, die dann folgte, werde ich sicher lange nicht
vergessen. Wir hatten den sagenumwobenen ‘Utah Powder’
Cool.
Luftseilbahn. Davor stand eine circa 20 minütige
Warteschlange. Oben angekommen, fuhren wir ins Mineral
Basin, das laut Werbung gerade diese Saison eröffnet hatte und
durch einen ‘high speed quad’, einen HochgeschwindigkeitsVierersessellift erschlossen wird. Obwohl es die Nacht zuvor
40 cm geschneit hatte, war kein unverspurter Schnee mehr zu
finden. Unglücklicherweise musste man bei dem Sessellift auch
recht lange warten. Wieder oben angekommen, sahen wir aber,
Auf dem Weg zum Paradies.
Mineral Basin und wieder Warten.
dass das Baldy Terrain geöffnet war. Dabei handelt es sich um
ein Gebiet innerhalb des offiziellen Schigebietes, das aber nicht
präpariert ist und das man durch einen 10 minütigen Aufstieg
erreichen kann. Also - nichts wie hin! Dort erlebten wir zum
ersten Mal fehlende Disziplin in einem amerikanischen
Schigebiet. Die ‘locals’ drängelten und schubsten, nur um
möglichst schnell oben zu sein. Wir waren gespannt, warum.
Doch schon während des Anstiegs hatten wir Vermutungen. Die
Luft war recht kühl und der Neuschnee unter unseren Füssen
ungewohnt locker. Er hielt auch nicht zusammen, wenn man
einen Schneeball formen wollte, sondern bröselte wie
Kristallzucker aus der Hand. Oben angekommen, suchten wir
uns unverspurtes Gelände, das gerade noch zu finden war. Die
Fantastisches Tiefschneefahren.
gefunden. Jeder Schwung war so einfach wie auf Watte, der
Schnee staubte wie Staubzucker, der Pulver spritzte bis zum
Oberkörper, eine leichte Gischtwelle bis zum Kopf des
Schifahrers war zu sehen. Es war wie im Traum. Wir genossen
das Spektakel noch zwei weitere Male, bevor wirklich kein
Fleckchen Schnee mehr unberührt war. Nun wussten wir mehr
um das Geheimnis des ‘Utah Powder’ und warum so viel
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Der Schnee ist kaum zu spüren, so leicht ist er.
Wenn es nur immer so wäre.
BRIGHTON
19.2.2000
Am Tag darauf spürten wir unsere Kräfte schwinden und
beschlossen ein weniger anspruchsvolles Schigebiet zu
erkunden: Brighton. Das Schigebiet ist ein Snowboarder- und
Familienparadies, hat aber für anspruchsvolle Schifahrer eher
wenig zu bieten. Aber nachdem wir ohnehin müde waren,
genossen wir die Sonne und die schöne Aussicht in dem Gebiet.
Hektik ausgebrochen war, um diese Hänge zu befahren. Ich
muss auch zugeben, dass ich in Europa noch nirgends in
solchem Schnee gefahren bin. Wir waren begeistert. Unsere
Expedition war gelungen! Nach diesem Erlebnis schauten wir
uns noch das restliche Snowbird an. Wir fanden schöne steile
Hänge und Rinnen, jedoch waren oft Steine darunter zu spüren,
also auch das konnte passieren in dem so schneereichen Utah.
Die off-piste Möglichkeiten sind allerdings nicht so ausgedehnt
wie in Jackson Hole. Abends besuchten wir Salt Lake City und
träumten noch von unserem Erlebnis mit dem ‘Utah Powder’.
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Snowbird.
Brighton.
ALTA
20.2.2000
Snowbird.
Geordnetes Anstellen.
An unserem vorletzten Schitag fuhren wir nach Alta, das
ebenfalls bekannt ist für seinen tollen Schnee und seine
anspruchsvollen Pisten, aber auch dafür, dass Snowboarden
verboten ist und die Liftanlagen veraltet sind. Obwohl das
Gebiet nur eine Meile von Snowbird entfernt ist und man mit
Schiern von einem Gebiet ins andere wechseln kann, gilt der
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Schihütte auf amerikanisch.
Anruf nach Hause.
Disziplin in der Liftschlange.
Das
war
sogar
der
Fall
Hochgeschwindigkeitssessellift.
bei
einem
neuen
SNOWBIRD II
21.2.2000
An unserem letzten Schitag wollten wir wieder nach Snowbird,
da es in Salt Lake City während der Nacht geschneit hatte und
wir auf Neuschnee hofften. Leider erreichte die Feuchtigkeit
den Little Cottonwood Canyon nicht; es hatte dort nicht
geschneit. Dafür fanden wir aber coole Rinnen und agressive
Buckel und genossen unseren letzten Schitag trotzdem.
Während der Heimfahrt zum Appartment am Abend begann es
zu schneien. Am folgenden Morgen machten wir uns auf den
Weg zum Flughafen, um in den europäischen Winter
zurückzufliegen.
Veraltete Liftanlagen.
Liftpass nicht in beiden Gebieten. Wir empfanden die Hänge als
schön und anspruchsvoll, allerdings recht kurz. Die Lifte waren
teilweise abenteuerlich, da die Sessellifte keine Bügel zum
Verschließen hatten, man also einfach über dem Abgrund saß.
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• Der Schnee in den USA ist besser! - Richtig, der Schnee in
Utah war einzigartig.
ABREISE UND RESUMEE
22.2.2000
• Schifahren in den USA ist teuer! - Richtig, ein Eintagespass
kostete in den von uns besuchten Schigebieten bis zu 54
USD. Die Schiausrüstung, obwohl immer im Angebot, war
mindestens 50% teurer als in Europa, was natürlich auch mit
dem hohen Dollarkurs zusammenhing.
• Man kann auch bei schlechtem Wetter schifahren! - Richtig,
obwohl es in Jackson Hole dauernd schneite, konnten wir
ungehindert schifahren.
• Die Berge sind zu klein, der Höhenunterschied ist zu gering!
- Falsch, in den von uns besuchten Gebieten (Jackson Hole
und Snowbird, 1000 m Höhenunterschied) reichte das
vollkommen.
• Man wartet bei den Liften nirgends! - Falsch, wir standen in
Europa schon seit vielen Jahren nicht mehr so lange in der
Schlange wie in den USA.
Appartment in Salt Lake City.
Im Flugzeug lassen wir das Erlebte Revue passieren. Unsere
‘Expedition’ war sehr erfolgreich. In Jackson Hole fanden wir,
was wir gesucht hatten: steile Hänge, extreme Rinnen,
Tiefschnee, cliffs, ‘tree skiing’, jumps. Die Atmosphäre war
stimulierend, überall ski-cracks und freundliche, fröhliche
Leute. Der Schitag in Snowbird, an dem wir ‘Utah Powder’
hatten, war unvergesslich. Das war ja ein Mitgrund, warum wir
dort hingefahren waren. Leider hatten wir dieses Erlebnis nur
einen Vormittag lang und sonst immer Sonne! Aber auch die
breiten, steilen Hänge, Rinnen und Buckel von Snowbird waren
sehenswert. Das Klima war viel großstädtischer und die
Hysterie nach Neuschnee beeindruckend.
• Alle Amerikaner haben gute Schiausrüstung, alle haben
Carving Schi! - Falsch, wir sahen sehr viele veraltete Schier.
• Es gibt immer genügend viel Schnee! - Das trifft nicht ganz
zu, denn zumindest in Snowbird war die Schneelage nicht
auf allen Pisten zufriedenstellend.
• Off-piste ist nicht möglich! - So ist das nicht richtig, denn in
manchen Schigebieten ist ‘out of boundary skiing’ verboten,
jedoch fanden wir unpräpariertes Gelände innerhalb des
Gebietes. In Jackson Hole war auch ‘out of boundary skiing’
erlaubt.
Mittlerweile saßen wir schon seit einiger Zeit im Flugzeug und
die cracks hatten sicher schon jeglichen Neuschnee zerfahren.
Die Frage nun, wo das Schifahren besser ist, in Europa Chamonix, Arlberg, Val d’Isere, ... oder in den USA, können
wir trotz unserer erfolgreich abgelaufenen Expedition nicht
beantworten. Jedes Schigebiet hat seinen eigenen Charakter
und bietet einzigartige Möglichkeiten, die woanders nicht zu
finden sind.
Wir fragten uns, was von den Vorurteilen, die wir hatten,
übriggeblieben war?
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