Michael Moore Kathleen Glynn Hurra Amerika

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Michael Moore Kathleen Glynn Hurra Amerika
Michael Moore
Kathleen Glynn
Hurra Amerika
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Michael Moore auf der Suche nach der amerikanischen Seele.
Man kann die amerikanische Gesellschaft natürlich auch ganz ernst
nehmen, kritisch hinterfragen und knochentrockene Analysen
schreiben. Oder man kann, wie Michael Moore, völlig verrückte
Aktionen starten, ordentlich Krach schlagen und dabei eine Menge
Spaß haben. Gemeinsam mit seiner Frau und Producerin Kathleen
Glynn heuert er den KGB an und läßt ihn herausfinden, ob Richard
Nixon wirklich tot ist, bringt den Vorstandsvorsitzenden von Ford
dazu, vor laufender Kamera zu beweisen, daß er einen Ölwechsel
machen kann, und verhandelt mit der russischen Regierung, um ihr die
Atomrakete abzukaufen, die auf seine Heimatstadt Flint, Michigan,
gerichtet ist.
ISBN: 3-492-04627-4
Original: Adventures In A TV Nation
Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Norbert Juraschitz
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2004
Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Autor
Michael Moore, geboren 1954, lebt mit seiner Frau, der
Produzentin Kathleen Glynn, in New York. Berühmt
wurde er durch seinen Dokumentarfilm »Roger & Me«.
Für »Bowling for Columbine« erhielt er 2003 den Oscar.
Seine Bücher »Stupid White Men«, »Querschüsse« und
»Volle Deckung, Mr. Bush!« schufen einen völlig neuen
Typ des politischen Megasellers.
Inhalt
Einleitung ....................................................................6
1 Wer hat diese Serie ins Programm genommen?.......9
2 Liebesnacht.............................................................25
3 Invasion auf dem Strand bei Greenwich in
Connecticut................................................................36
4 Zahltag....................................................................45
5 Das Corp-Aid Concert............................................58
6 Crackers, das
Wirtschaftskriminalitätsbekämpfungshuhn...............68
7 Eine Herausforderung für Konzernchefs................87
8 Nicht gesucht: Brian Anthony Harris.....................98
9 Taxi.......................................................................104
10 Sklaven ...............................................................113
11 Ein Tag mit Dr. Tod ...........................................119
12 Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet?
.................................................................................125
13 Ich will ein Argentinier sein...............................130
14 Werbemüll ..........................................................137
15 Sabotage .............................................................150
16 Yuri, der Spion für TV Nation ...........................157
17 Mikes Rakete......................................................168
18 Den Kommunismus abschleppen .......................179
19 Die Klos der Gerechtigkeit.................................190
20 Mit solchen Nachbarn ........................................199
21 Die Krankenversorgungsolympiade ...................205
22 Cobb County ......................................................216
23 Frieden durch Pizza ............................................229
24 Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten .....236
25 Wehleidige weiße Männer..................................246
26 Die zensierte TV Nation.....................................251
27 Wenn alles gesagt und getan ist .......................262
Anhang A Die Umfragen von TV Nation ...............267
Anhang B Die Sendungen .......................................274
Anhang C Was gibt’s von uns? ...............................294
Anhang D Material für TV Nation ..........................296
Danksagung .............................................................323
Die deutsche Ausgabe folgt der amerikanischen
Originalausgabe ohne aktualisierende Zusätze oder
redaktionelle Eingriffe durch den deutschen Verlag.
Einleitung
Dieses Buch handelt davon, daß kriminelle Konzernbosse
von
einem
zwei
Meter
großen
Verbrechensbekämpfungshuhn verfolgt wurden, daß ein
früherer KGB-Agent engagiert wurde, um endgültig zu
klären, ob Nixon wirklich tot ist, und wie die
Kriegsparteien in Bosnien dazu gebracht wurden, die
Waffen niederzulegen, eine Pizza miteinander zu teilen
und einander das Familienlied des roten Dinosauriers
Barney vorzusingen.
Und das alles landete schließlich zur besten Sendezeit im
Fernsehen, ausgestrahlt von Gesellschaften, die General
Electric (NBC) und Rupert Murdoch (Fox) gehören.
Die Sendung hieß TV Nation. Sie wurde von den
Kritikern als »brillant«, als »subversiv« und als »die beste
Fernsehsendung in den letzten 30 Jahren« gelobt. Sie hatte
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jede Woche zehn Millionen Zuschauer und, solange sie
ausgestrahlt wurde, stets mehr 25- bis 54jährige Zuschauer
als die konkurrierenden Sendungen in den drei anderen
Fernsehgesellschaften. TV Nation wurde zweimal für den
Emmy Award fur die beste Sendung zur Hauptsendezeit
nominiert und erhielt für die Folgen von 1994 den Emmy
Award fur hervorragende Informationsserien.
Trotzdem war sie nach 17 Folgen weg.
Als TV Nation abgesetzt wurde, erhielt die
Fernsehgesellschaft Fox 55000 Briefe von Zuschauern, die
eine Fortsetzung der Serie verlangten. Keine Sendung von
Fox hatte je eine solche Flut von spontanen
Zuschauerbriefen ausgelöst. Freunde der Sendung
demonstrierten in über 30 Städten vor Sendern von Fox.
40000 Menschen schlossen sich im Internet dem Fanclub
von TV Nation an.
Dieses Buch soll den Verbrauchern zeigen, wie sie einen
höllischen Krach schlagen und dabei Spaß haben können.
Wer sagt denn, daß Bürgerbeteiligung und politisches
Handeln auf Politiker beschränkt bleiben sollen und auf
die Industriebosse, die diese Politiker finanzieren? Brennt
ihr nicht schon lange darauf, gegen ein System zu
kämpfen, das euch das Leben verleidet oder zumindest
dafür sorgt, daß ihr immer später zum Abendessen nach
Hause kommt? Würde es euch nicht freuen, wenn der Boß
eurer Firma, der Bürgermeister eurer Stadt oder diese
nichtsnutzige Health Maintenance Organisation mit ihrer
zweifelhaften medizinischen Versorgung endlich ihre
wohlverdiente Strafe bekämen?
Wenn ja, dann ist dies genau das richtige Buch für euch.
Auch wenn ihr TV Nation nie gesehen habt, wird euch
bestimmt gefallen, was ihr hier lesen werdet. Zum Teufel,
wir haben die Hälfte der Sendungen selbst nicht gesehen,
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weil die Fernsehgesellschaften dauernd die Sendetermine
verlegten oder sie im Sommer wegen irgendeinem
vorsaisonalen Football-Match ausfallen ließen.
Im ganzen Buch kommt ständig das Wort »wir« vor.
Dieses »wir« sind die Mitarbeiter von TV Nation, eine
engagierte, energiegeladene, intelligente, mit einem
boshaften Humor ausgestattete Gruppe, deren Arbeit
immer einsame Spitze gewesen ist. Ihre Namen sind auf S.
315 abgedruckt. Die Autoren dieses Berichts, Kathleen
Glynn und Michael Moore, haben TV Nation konzipiert
und produziert. Mike ist der, der zuviel fernsieht, und
Kathleen ist die, die eigentlich lieber lesen würde. Wir
hielten das für eine perfekte Kombination für ein Buch
über eine Fernsehsendung, die vom wirklichen Leben
handelte.
Also viel Spaß beim Lesen, und wenn ihr eine
Inspiration habt, legt das Buch aus der Hand, geht aus dem
Haus und mischt euch ein. Dann könnt ihr in eurer eigenen
Stadt euer eigenes TV-Nation-Abenteuer erleben.
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1
Wer hat diese Serie ins Programm
genommen?
Es stimmt, daß einem die besten Dinge dann widerfahren,
wenn man sie am wenigsten erwartet. Oder, wie in
unserem Fall, wenn man aktiv verhindern will, daß sie
einem widerfahren.
Im Jahr 1989 machten wir einen Low-Budget-Film mit
dem Titel Roger & Me, einen Dokumentarfilm darüber,
was General Motors mit unserer Heimatstadt Flint in
Michigan gemacht hatte. Der Film wurde ein
Riesenerfolg, und wir waren davon völlig überrascht. Wir
hatten ihn im Lauf von drei Jahren gedreht und unsere
ganze Freizeit und unser bißchen Geld in das Projekt
gesteckt. Mit dem fertigen Film wollten wir in einem
Kleinbus auf Tournee gehen und ihn im ganzen Land in
Gewerkschaftslokalen, Gemeindezentren und kirchlichen
Gemeindehäusern vorführen. Als wir den Film zum ersten
Mal auf einem Filmfestival zeigten, hatten wir ein paar TShirts dabei. Wir hatten sie selbst im Siebdruckverfahren
bedruckt und wollten sie verkaufen, um unsere Rückfahrt
zu finanzieren. Statt dessen wurde der Film von Warner
Bros. gekauft und schließlich in fast 2000 Kinos gezeigt.
Nach dem Erfolg von Roger & Me fragte uns der Leiter
des Geschäftsbereichs Fernsehen bei dem Medienkonzern,
ob wir womöglich auch Ideen für eine Fernsehserie hätten,
und lud uns zu einem Gespräch ein. Wir dachten:
»Fernsehen? Was sollen wir beim Fernsehen?«
Wir wollten Filme drehen! Das Gespräch fand nie statt.
Unser nächster abendfüllender Film Canadian Bacon
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war eine schwere Geburt. Michael hatte das Drehbuch im
Sommer 1991 geschrieben, aber Warner Bros. wollte den
Film nicht produzieren. Auch alle anderen Studios lehnten
ab. Canadian Bacon war eine Farce über den Golfkrieg.
Die meisten Manager in der Filmindustrie hielten das
Drehbuch für »zu politisch«. Michael fuhr zu zahlreichen
Besprechungen nach Los Angeles, wo er versuchte, einen
Produzenten für den Film zu gewinnen. Leider stets ohne
Erfolg.
Im November 1992 hockte Michael bei einem dieser
Besuche in Hollywood morgens in seinem Hotelzimmer,
plünderte die Minibar und sah sich im Fernsehen die
Game-Show The Price is Right an. Da klingelte das
Telefon,
und
ein
leitender
Angestellter
der
Fernsehgesellschaft NBC war am Apparat.
»Wir wollten Ihnen nur sagen, daß uns Roger & Me
wirklich gefallen hat, und wir möchten Sie gern fragen, ob
Sie nicht Ideen für eine Fernseh-Show hätten?«
»Äh, na klar!« antwortete Michael, obwohl er keine Spur
von einer Idee für eine Fernseh-Show im Kopf hatte.
»Wunderbar! Wir würden gerne einen Gesprächstermin
mit dem Präsidenten unserer Unterhaltungsabteilung
Warren Littlefield für Sie arrangieren. Wie sieht es heute
nachmittag aus?«
»Äh, Moment, lassen Sie mich nachsehen.« Mike suchte
fieberhaft nach der Fernbedienung, um den Fernseher
leiser zu stellen. »Ja, sieht so aus, als hätte ich heute
nachmittag Zeit.«
»Gut! Wir sehen uns dann um vier.«
Wir kriegten eine Riesenpanik. Wir hatten keine Ideen
für eine Fernsehsendung, und selbst wenn wir welche
gehabt hätten, wollten wir keine machen. Wir wollten
Canadian Bacon drehen.
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Auf der halbstündigen Fahrt nach Burbank an diesem
Nachmittag drehte Michael zur Inspiration den HeavyMetal-Rock im Autoradio auf, und wir telephonierten wie
verrückt, um Ideen für das Gespräch mit dem
Fernsehmann zu entwickeln. Damals, während Metallica
aus dem Lautsprecher dröhnte, wurde die Idee für TV
Nation geboren. Wir wollten ein witziges Fernsehmagazin
machen, aber mit einem ganz besonderen Merkmal, das
die Sendung von allen anderen unterscheiden sollte: Das
Magazin sollte eine Meinung vertreten. Es sollte für etwas
stehen, anstatt immer mit dem Mainstream zu
schwimmen,
wie
es
die
meisten
anderen
Nachrichtenmagazine tun. Unser Magazin sollte für die
Arbeiter und gegen die Konzerne Partei ergreifen.
Eric Tannenbaum, Präsident Columbia TriStar Television
Wer aber würde in einer solchen Sendung Werbung
machen? Niemand, dachten wir. Wir vermuteten, das
Gespräch würde nach wenigen Minuten beendet werden.
Mike wirkte erleichtert bei dem Gedanken, daß keine
Fernsehgesellschaft, und schon gar nicht NBC, TV Nation
je senden würde.
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Als Mike bei NBC ankam, wurde ihm mitgeteilt, das
Gespräch werde in der Kantine stattfinden. Ein gutes
Zeichen, dachte er. Kein großes Gedöhns. Er wurde von
seinem Agenten und von Eric Tannenbaum, einem
Manager von TriStar Television, begrüßt. Tannenbaum
erbot sich, ihm später das Studio von TriStar im
Obergeschoß zu zeigen, wo die Sendung produziert
werden sollte. Als alle Formalitäten besprochen waren,
sagte er: »Ach übrigens, wie sieht Ihre Idee für eine
Fernsehsendung nun eigentlich aus?« Da stellte ihm Mike
die Idee für TV Nation vor.
»Ich dachte, Sie hätten eine Art Ausgerechnet Alaska für
Arbeiter im Sinn«, maulte Mikes Agent (Northern
Exposure, US-Fernsehserie; A.d.Ü.). »Diese Idee wird
denen gar nicht gefallen.«
»Mir gefällt sie«, widersprach Tannenbaum. »Sie ist
witzig, und sie ist mal was anderes.«
Warren Littlefield, Präsident NBC Entertainment
Mike bekam Schiß, als Tannenbaum dem Konzept
zustimmte. Aber er sprach sich selbst Mut zu: »Was weiß
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der schon? Er führt keine Fernsehgesellschaft! Er ist nur
ein netter Kerl von einem Studio mit Sinn für Humor.
Also bleib cool.«
Dann gingen die drei nach oben zu Warren Littlefield,
dem Präsidenten von NBC Entertainment. In seinem Büro
waren verschiedene Vizepräsidenten für Programmentwicklung und -gestaltung versammelt. Nach einer
höflichen Vorstellungsrunde setzten sich alle, und Mike
begann, die geplante Sendung zu schildern.
»Wir denken an eine Kreuzung zwischen 60 Minutes
und Fidel Castro auf Lachgas.«
Die Anzugträger richteten sich in ihren Stühlen auf und
lauschten gebannt.
»Die Sendung wäre liberaler als alles, was je im
Fernsehen gekommen ist, tatsächlich wäre sie weit mehr
als ›liberal‹. Die Liberalen sind nämlich ein Haufen
Waschlappen; sie haben uns überhaupt nichts gebracht.
Unsere Sendung würde wagen, was noch niemand gewagt
hat.«
Alle im Raum lächelten. »Weiter!« sagten sie.
»Die Reporter sollen beschissen aussehen. Ich meine, sie
sollen aussehen, als ob sie auf dem Weg zu einer
Entziehungskur im Betty Ford Center wären oder als ob
sie ein Jahr bei Taco Bell gearbeitet hätten – oder beides.«
»Mit anderen Worten«, warf einer der jungen
Bereichsleiter ein, »es ist eine wirkliche Show, von
wirklichen Menschen für wirkliche Menschen.«
Die Manager in der Runde lächelten allesamt freundlich.
Was ging hier vor? Kapierten sie denn nicht, daß wir gar
nicht ins Fernsehen wollten und daß unsere Ideen für ihre
Fernsehgesellschaft glatter Selbstmord waren?
Offensichtlich nicht.
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Mike hatte keine andere Wahl, als dem Projekt den
Todesstoß zu versetzen.
»Wir suchen uns jede Woche einen von unseren
Werbekunden heraus und gehen auf ihn los wie ein
Barrakuda. Er wird nicht wissen, wie ihm geschieht. Und
dann nehmen wir uns die etablierten Kirchen vor,
angefangen bei unseren katholischen Glaubensbrüdern.
Eine Idee wäre, daß ich in 20 verschiedenen Kirchen
genau dieselbe Sünde beichte, um herauszufinden, wer die
härteste Buße verhängt. Wir würden über das Ergebnis
berichten und das Ganze ›Verbraucherberatung für
Beichtwillige‹ nennen.«
Einen Augenblick war es still, dann brachen alle in
Gelächter aus.
»Das ist die witzigste Idee, die ich je gehört habe«,
schrie Littlefield und hielt sich den Bauch vor Lachen.
»Genial!«
»Aber denken Sie doch mal an die ganzen wütenden
Briefe, die wir von unseren katholischen Zuschauern
kriegen würden«, wandte Mike ein. »Ich würde auch
schreiben! Als früherer Ministrant und Seminarschüler
würde ich Sie hassen, wenn Sie so eine ekelhafte Sendung
bringen!«
»Mike«, sagte Littlefield, »Katholiken haben Sinn für
Humor. Das wissen Sie doch. Sie werden begeistert sein!«
Alle im Raum nickten zustimmend. Dankesworte
wurden ausgetauscht. Tannenbaum klopfte Mike
anerkennend auf die Schulter und beglückwünschte ihn zu
seinem »Home Run« (Superschlag im Baseball; A. d. Ü.).
Dann fuhr Mike zurück in sein Hotel in West Hollywood
und überlegte, was schiefgelaufen war. Als er das Hotel
erreichte, hatten die NBC-Leute bereits angerufen und
eine Botschaft hinterlassen. »Grünes Licht für Pilotfilm«,
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lautete sie. »Budget etwa eine Million Dollar. Rufen Sie
Ihren Agenten an.«
Wir waren wie betäubt. Zwei Jahre lang hatten wir
erfolglos versucht, einen Produzenten für einen Film zu
finden, und jetzt kriegten wir in Burbank binnen fünfzehn
Minuten eine Million Dollar, um eine Fernseh-Show für
die Hauptsendezeit zu produzieren. Wir waren wirklich in
einem ganz absonderlichen Geschäft!
Im Januar 1993 begannen wir mit der Arbeit an dem
Pilotfilm für TV Nation. Wir hatten keinerlei Erfahrung
und wußten eigentlich nicht so recht, was wir taten. Wir
riefen ein paar Freunde an: Joanne Doroshow
(Koproduzentin eines Dokumentarfilms über die
amerikanische Invasion in Panama, die dafür einen Oscar
bekommen hatte), Pam Yates (die ebenfalls einen Oscar
bekommen hatte), Paco de Onís, Jim Czarnecki (dieser
lustige Kerl hatte bei Pee-wee’s Playhouse mitgearbeitet,
einer Fernsehsendung, die am Sonntagmorgen ausgestrahlt
wurde; damit war er der Qualifizierteste in unserem
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Haufen) und David Royle, einen Produzenten von
Dokumentarfilmen, der gerade eine Serie über die Mafia
beendet hatte. Sie sollten die einzelnen Teile der
jeweiligen Folgen produzieren. Als Supervising Producer
engagierten wir Jerry Kupfer. Er hatte schon bei Showtime
at the Apollo Erfahrungen gesammelt und mehrere
öffentliche Radiosender in Indianerreservaten eingerichtet.
Um die Berichterstatter für TV Nation zu finden,
machten wir Castings wie bei jeder normalen
Fernsehsendung. Nur, daß unsere Sendung nicht »normal«
war. Etwas wie TV Nation war noch nie über den Äther
gegangen. War es ein Nachrichtenmagazin? War es eine
Unterhaltungssendung? Nicht einmal bei NBC wußten sie,
in welche Schublade sie uns stecken sollten, und
schließlich ordneten sie TV Nation dem Bereich »Drama«
zu.
TV Nation sollte eine Kombination aus Dokumentarfilm
und Comedy werden, doch die Journalisten, die sich
bewarben, waren nicht sonderlich witzig, und die
Komiker, die zu den Castings kamen, wußten meistens
nicht, was in der Welt vorging. Deshalb war dieser Teil
der Vorbereitungen besonders schwierig.
Am Ende konnten wir Merrill Markoe, einen der
wichtigsten Macher der David Letterman Show, den
Filmemacher Rusty Cundieff, der gerade die abgefahrene
Filmsatire Fear of a Black Hat gedreht hatte, und die
Schauspielerin und Komikerin Janeane Garofalo als
»Live-Berichterstatter« gewinnen.
Wir beschlossen, daß jede einstündige Sendung (45
Minuten plus Werbung) aus fünf Acht-Minuten-Storys
und einer Einführung von Mike bestehen sollte. Unsere
Kriterien für die einzelnen Teile lauteten, daß sie dem
Zuschauer immer etwas zeigen mußten, das er noch nie
zuvor im Fernsehen gesehen hatte; daß sie aggressiv die
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Mächtigen angreifen mußten, wer immer sie auch waren;
und daß es immer eine befreiende Komik geben mußte,
auch wenn oder gerade weil das Gezeigte in Wirklichkeit
schrecklich war.
Die Crew trifft die Vorbereitungen, um die Beichtszene zu drehen.
Es dauerte nicht lange, bis wir sechs Teile hatten, die wir
drehen wollten (wobei wir hofften, daß fünf davon gut
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genug für die Sendung werden würden). Sie sollten
folgende Themen behandeln:
1. Wer hat es leichter, in New York ein Taxi zu
bekommen, ein rechtskräftig verurteilter weißer Mörder
oder ein preisgekrönter schwarzer Schauspieler?
2. Wir feuern alle Mitarbeiter der Sendung und drehen in
Mexiko, um das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) zu nutzen.
3. Wir kaufen ein Haus in der wiedereröffheten, einst auf
chemisch verseuchtem Gebiet erbauten Siedlung Love
Canal.
4. Die Stadt Appleton in Minnesota hat ein Gefängnis
gebaut, um ihre Wirtschaft anzukurbeln, aber sie bekommt
nicht genug Häftlinge zusammen.
5. Mike reist in die ehemalige UdSSR und versucht, die
Rakete zu finden, die im Kalten Krieg auf seine
Heimatstadt gerichtet wurde.
6. Mikes Idee mit der Beichte.
Wir beschlossen, die ersten fünf Teile zuerst zu drehen.
Mike hatte Bedenken, was die Verletzung des
Beichtgeheimnisses betraf, deshalb bat er Janeane, diesen
Teil zu drehen. Sie verarbeitete gerade ihre Vergangenheit
als Katholikin und war sehr gerne bereit, den Job zu
machen. Als der Teil jedoch fertig war, bekam Mike
Angst, daß er ewig in der Hölle schmoren könnte, wenn er
jemals gezeigt würde, und so strich er ihn.
Zwei kurze Zwischenteile wurden von der
Fernsehgesellschaft abgeschossen: Der eine sollte »Die
Konzernminute« heißen. Wir hatten geplant, jede Woche
eine einminütige Werbeparodie über ein bestimmtes
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Unternehmen zu bringen. Für den ersten Spot hatten wir
Dow Chemical ausgewählt. In dem Spot lobten wir zu
patriotischer Hintergrundmusik den Konzern, der wegen
Umweltverschmutzung verklagt worden war und
außerdem deshalb, weil er die Gesundheit von Frauen
gefährdet und Tod und Verderben über Vietnam gebracht
hatte. NBC und TriStar fürchteten, daß einige Zuschauer
vielleicht dächten, es könnte sich um einen echten, von
Dow Chemical finanzierten Werbespot handeln.
Der andere Zwischenteil, der abgeschossen wurde, hieß
»Lüge der Woche«. Wir wollten einen Lügendetektor an
einen Fernseher anschließen, der auf die Stimme des
Sprechers reagierte, und mit ihm eine Nachrichtensendung
überprüfen. Aber entweder funktionierte der Detektor
nicht besonders oder die Nachrichtenabteilung des
Fernsehsenders war uns einige Erklärungen schuldig, weil
unser Detektor in fast jedem Bericht eine Lüge entdeckte.
Klar wie Kloßbrühe, daß wir das nicht senden durften!
Zwischen die längeren Teile wollten wir jeweils eine
echte Meinungsumfrage bei amerikanischen Staatsbürgern
schalten (siehe Anhang A), aber nicht mit den dummen
und nichtssagenden Fragen, die in einer typischen GallupUmfrage gestellt werden. Wir engagierten Robin Widgery
aus Flint, der ebenfalls ein Meinungsforschungsinstitut
betreibt, und ließen ihn jeweils 204 Leute im ganzen Land
anrufen. Er stellte ihnen Fragen, die Ergebnisse wie die
folgenden brachten: »67 Prozent der Perot-Wähler
glauben, daß Forrest Gump ein Dokumentarfilm war.«
Oder: »51 Prozent aller Republikaner glauben, daß
Delphine auch aus diesen Fischernetzen wieder
rauskommen würden, wenn sie wirklich schlau wären.«
Wir beschlossen außerdem, auf ein Studiopublikum oder
ein künstliches Set zu verzichten und statt dessen die Anund Abmoderation jeder Folge und die Einführungen für
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die einzelnen Teile mit Mike auf dem Times Square zu
drehen.
Schließlich brauchten wir noch eine coole Titelsequenz,
mit der wir die Sendung eröffnen konnten. Wir
engagierten den Grafikdesigner Chris Harvey für die
Bilder und die Musikgruppe Tomandandy, um das Thema
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von TV Nation zu schreiben. Wir sagten ihnen, daß wir
eine Kreuzung zwischen Metallica und dem Titelsong der
TV-Serie Leave It to Beaver haben wollten.
Den Pilotfilm hatten wir nach drei Monaten im Kasten,
und wir brachten ihn zu NBC nach Los Angeles. Bei der
Vorführung
waren
alle
Topmanager
der
Fernsehgesellschaft anwesend, und sie lachten bei allen
fünf Teilen pausenlos. Doch als das Licht anging, sagte
ein Anzugträger zum anderen: »Können wir mit diesem
Ding überhaupt Werbung verkaufen?« Sie beschlossen,
den Film einer Fokusgruppe vorzuführen. Die Gruppe gab
TV Nation die besten Noten. Dann testete NBC die
Sendung in der gesamten Stadt Scranton in Pennsylvania.
Sie schnitt von allen Pilotsendungen der Saison am besten
ab. Trotzdem war im Herbstprogramm leider kein Platz
mehr für unsere Show. Die Chancen, daß TV Nation je
einem Fernsehpublikum gezeigt werden könnte, standen
schlecht.
Michael Jackson, der Mann, der es schließlich möglich machte.
Also versuchte Mike wieder Canadian Bacon zu
realisieren, doch er hatte nun ein neues Instrument, um
Hollywood zu überzeugen: den Pilotfilm von TV Nation.
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Wir liehen den Pilotfilm John Candy und Alan Alda aus,
und er gefiel ihnen sehr. Dann zeigten wir ihnen das
Drehbuch zu Canadian Bacon, und sie erklärten sich
bereit, die Hauptrollen zu spielen. Mit ihren Namen auf
der Besetzungsliste waren wir auf einen Schlag in der
Lage, das Geld für den Film aufzutreiben und ihn im
Herbst und Winter 1993 zu drehen.
Und dann passierte so etwas wie ein Wunder. Kaum zu
glauben, daß ein Topmanager von BBC in Großbritannien
ein eifriger Leser der Zeitschrift TV Guide war. Doch
Michael Jackson, der damalige Chef von BBC (weder
verwandt noch verschwägert mit dem gleichnamigen
Sänger), las eines Tages TV Guide und entdeckte in einer
Klatschkolumne eine Nachricht, die nur aus einem Satz
bestand. Michael Moore, hieß es da, habe einen Pilotfilm
für NBC gedreht. Jackson hatte Roger & Me gesehen und
war sofort interessiert. Er fragte sich, wovon der Pilotfilm
wohl handelte, rief bei NBC an und bat die Gesellschaft,
ihm eine Kopie zu schicken. Als er die Kopie gesehen
hatte, telefonierte er mit TriStar und NBC und bot ihnen
an, die Sendung für die BBC zu kaufen.
Man kann es förmlich sehen, wenn den
Fernsehgewaltigen von L. A. ein Kronleuchter aufgeht.
»Wenn die Briten das Ding mögen, muß es gut sein!«
Am Abend des ersten Weihnachtsfeiertags 1993 rief Eric
Tannenbaum von TriStar Television bei uns an.
»Was halten Sie davon, für das Sommerprogramm von
NBC TV Nation zu produzieren?« fragte er. »NBC will die
Serie produzieren und die BBC auch. Sie teilen sich die
Kosten.«
Wir waren völlig von den Socken. Wir hatten gedacht,
die Serie würde nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
Aber wir nahmen das Angebot sofort an.
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Mike arbeitet mit Kameramann Jean de Segonzac an der Beichtszene.
Einen Monat später bezogen wir unser Produktionsbüro
in New York. Fast alle, die beim Pilotfilm mitgemacht
hatten, waren auch jetzt wieder mit von der Partie. An
unserem ersten Arbeitstag versammelten wir alle
Mitarbeiter und hielten zur Aufmunterung im
wesentlichen folgende Rede:
»Wir müssen alle so handeln, als ob wir nie wieder beim
Fernsehen arbeiten würden. Wenn wir nämlich diese
Sendung richtig machen, wird uns bestimmt niemand
mehr haben wollen. Es wird zu gefährlich sein, uns zu
engagieren. ›Ah, du hast bei der Sendung mitgemacht, die
alle Sponsoren verschreckt hat!‹ werden sie sagen. Wenn
ihr also bei 20/20 oder Live with Regis and Kathie Lee
mitarbeiten wollt, wenn diese Serie vorbei ist, dann solltet
ihr euch besser gleich dort bewerben. Die werden euch
nämlich nicht mehr wollen, nachdem unsere Show
gesendet worden ist. Dies ist nicht das Projekt, um sich
gute Referenzen zu verschaffen. Wir sind hier, um eine
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Show zu produzieren, die brutal ehrlich und wahnsinnig
lustig sein wird. Damit werden wir uns im Kongreß oder
bei den Konzernen keine Freunde machen. Wir werden die
Zuschauer nicht belügen. Wir alle haben normalerweise
keine Stimme in den Medien, und hier haben wir die
seltene Chance, uns Gehör zu verschaffen. Eine Stunde
pro Woche geben wir normalen Leuten wie uns selbst die
Gelegenheit, eine Sendung zu sehen, in der eindeutig für
SIE Partei ergriffen wird. Sie werden es merken und uns
dafür lieben, aber danach werden wir nie mehr beim
Fernsehen arbeiten.«
Nur ein paar Hinweise, damit die Sache vom ersten Tag an
in die richtige Richtung lief)
Die Ergebnisse unseres Tuns werden in diesem Buch
geschildert. Dank der harten Arbeit und kompromißlosen
Haltung unseres Teams gelang es uns, ein bißchen
Fernsehgeschichte zu schreiben.
Und all das, weil wir eigentlich nie eine Fernsehsendung
machen wollten. Stellt euch das vor!
24
2
Liebesnacht
Amerika ist ein Land voll haßerfüllter Gruppen. Es
wimmelt von Organisationen, die darauf aus sind, Leuten,
die keine weiße Haut haben oder nicht protestantisch sind,
zu schaden, sie zu vertreiben, sie zu verletzen oder zu
töten.
Laut
einer
Untersuchung
der
Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League gibt
es diese Verrückten in fast allen Bundesstaaten der USA.
Zum Glück gibt es auch viele Gegner dieser
»Haßgruppen«. Sie leisten gute Arbeit. Sie geben sich alle
Mühe, die Aktivitäten dieser intoleranten Organisationen
durch Protest, Überwachung und Gesetze im Zaum zu
halten. Aber trotz ihrer Anstrengungen ist die Zahl der
Haßgruppen in letzter Zeit sprunghaft angestiegen. So gibt
es inzwischen allein in unserem Heimatstaat Michigan 50
verschiedene Bürgerwehren.
Ihr Erfolgsrezept beruht darauf, daß sie Menschen als
Anhänger rekrutieren, die am schlimmsten unter der
Wirtschaftslage leiden. Diese Menschen suchen
Sündenböcke, denen sie die Schuld für ihr Elend
zuschreiben können. Anstatt die Konzernbosse in Amerika
und unser ungerechtes Wirtschaftssystem verantwortlich
zu machen, fallen viele dieser Leute leider auf die
Propaganda der Rechten herein. Ein Spektrum, das von
Newt Gingrich, dem republikanischen Sprecher des
Repräsentantenhauses, bis zu den Gruppen von völlig
übergeschnappten weißen Separatisten reicht, liefert
einfache Antworten für Leute, deren »Amerikanischer
Traum« sich in Rauch aufgelöst hat. »Die
Sozialhilfemamas sind schuld!« schreien sie. »Die
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illegalen Einwanderer! Haß! Furcht! Gerechtigkeit für alle
WAHREN Amerikaner!!«
Wir von TV Nation beschlossen, diesen Schwachsinn zu
bekämpfen, indem wir die Haßgruppen lächerlich
machten. Wir hofften, daß unsere Zuschauer die
Rechtsextremen nach unserer Sendung für komplett
verrückt halten und nie wieder in Versuchung kommen
würden, sich ihnen anzuschließen.
Was diese Gruppen brauchten, war nicht noch mehr
Haß, sondern Liebe. Ja, Liebe. Love is all they need!
Wir wählten vier verschiedene Haßgruppen aus und
schickten ihnen, auf eine ganze Folge verteilt, als
Besucher unsere Sendboten der Liebe. Unsere Ziele waren
eine Veranstaltung des Ku Klux Klan in Georgia, eine
Versammlung der rechtsradikalen Organisation Aryan
Nations in Idaho, das Büro der Anti-Abtreibungsgruppe
Operation Rescue und Senator Jesse Helms (Helms ist
keine Gruppe, aber er ist so erfüllt von Haß, daß es für
eine ganze Bewegung reicht).
Und während im Hintergrund Minnie Rippertons
»Lovin’ You« spielte, entwickelte sich das Ganze
folgendermaßen.
Liebesnacht für den Ku Klux Klan
An einem heißen Julitag hielten die Großen Ritter des Ku
Klux Klan von Georgia auf den Stufen des Gerichts der
Stadt Cumming in Georgia eine Versammlung ab. Eltern
vermummten ihre Kinder mit weißen Leintüchern und
Kapuzen, Großeltern in Klan-Verkleidung hielten
Säuglinge auf dem Arm, während die Redner Gott lobten,
»weil er Aids geschickt hat, das alle Schwulen ausrottet«.
Sie beschimpften die Asiaten als »Gooks«, die
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Afroamerikaner als »Nigger« und die Juden als »Kikes«,
während die Menge jubelte und die amerikanische Flagge
im Wind flatterte.
Plötzlich wurde die Veranstaltung von der »Love Night
Mariachi Band« von TV Nation unterbrochen. Eine
Gruppe mexikanisch-amerikanischer Männer mit Gitarren
und Blasinstrumenten näherte sich der Bühne und spielte
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und sang »Amor«. Die Musiker wurden mit Pfiffen,
Buhrufen und rassistischen Pöbeleien begrüßt. Ein
Teilnehmer der Veranstaltung stellte sich ihnen in den
Weg und verlangte, sie sollten ihre »amerikanische
Staatsbürgerschaft« beweisen.
Dann traten die »Love Night Cheerleaders« von TV
Nation auf, eine Gruppe afroamerikanischer Studentinnen
vom Spelman College, und riefen dem Klan ihre
Liebesparolen zu:
Zwei, vier, sechs, acht,
haßt nicht, liebt mit aller Macht!
Ha! Ha! Ha!
K! K! K!
Das Leben ist zum Lieben da!
Schaut euch um, baut keinen Scheiß,
Liebt alle Menschen, schwarz wie weiß!
Seid wirklich cool, seid wirklich fein,
Und laßt das blöde Leintuch sein!
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben,
Laßt das Hassen, lernt das Lieben,
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, acht,
Vergeßt den Haß, die Liebe lacht.
Um ihnen gänzlich den Rest zu geben, stellten wir noch
eine Kußzelle auf, in der wir den kapuzentragenden
28
Kerlen einen kostenfreien Schmatz anboten. Wir hofften,
daß ein Küßchen sie vielleicht von ihrem Wahn erlösen
würde.
Natürlich reagierten die weißen Rassisten nicht gerade
positiv auf so viel Liebe. Ja, sie schürte sogar noch ihren
Haß. Sie beschimpften unsere Cheerleader schreiend als
»Nigger«, begannen die Mariachi Band herumzustoßen
und wurden furchtbar wütend. Die Zuschauer aus der
Stadt, die sich versammelt hatten, um der Veranstaltung
zuzusehen, lachten über das ganze Spektakel – auch nicht
gerade die Reaktion, die sich der Klan gewünscht hatte.
Schließlich gaben die Klanmitglieder frustriert auf,
packten zusammen und machten sich auf den Heimweg.
Unsere Liebensnachthelfer begleiteten sie zu ihren Autos
und schenkten ihnen rote Rosen und herzförmige Ballons
zum Abschied.
Es ist erstaunlich, daß niemand verletzt wurde. Die
Cheerleader hatten Angst, aber die Ortspolizei versprach,
sie zu schützen (und das tat sie dann auch). Einige sagten,
in Georgia habe es nicht mehr so viel Liebe gegeben, seit
Newt seine Frau wegen einer Jüngeren verlassen hatte.
Liebesnacht für die Aryan Nations
Jeden Sommer begraben Nazis, Neonazis, Aryans,
Klanmitglieder
und
Skinheads
ihre
kleinen
Meinungsverschiedenheiten und treffen sich in den
herrlichen Bergen von Idaho auf ihrer Jahresversammlung
– einem echten Potpourri des Hasses. Sie tauschen sich
über Ideen und Strategien aus und experimentieren mit
den neuesten Techniken zur Verbrennung von Kreuzen.
29
Die Aryans kehren der Liebe den Rücken.
Wir diskutierten eine ganze Reihe von Möglichkeiten,
wie wir den Rechtsextremen eine große Dosis Liebe von
TV Nation verabreichen konnten. Zuerst wollten wir über
ihrem Lager eine Menge Liebesbotschaften abwerfen.
Aber 19 Piloten aus der Gegend weigerten sich, für uns zu
fliegen. Einer wollte es tun – bis er den Turm mit dem
Scharfschützen erspähte.
Schließlich entschieden wir uns für eine Idee, von der
wir wußten, daß sie die Nazis entzücken würde: eine
multirassische Tanzgruppe, die zu dem großartigen
Motown-Hit »Stop! In
the
Name of Love« tanzen
würde.
Wir gingen auf dem
Feldweg
vor dem Lager in
Stellung, drehten die
Musik
voll auf, und die
jungen
Frauen einer lokalen
Tanzgruppe brachten
eine
inspirierte
30
Tanznummer.
Es dauerte nicht lange, bis die Arier die Musik hörten
und den Zufahrtsweg hinunter auf die Tänzerinnen
zukamen. Die Frauen tanzten weiter, die Nazis kamen
immer näher. Polizisten waren nirgends zu sehen, und wir
entdeckten, daß die von uns engagierten Sicherheitsleute
gegen unseren Willen Schußwaffen mitgebracht hatten.
Die Lage war sehr gespannt.
Die uniformierten Nazis auf der anderen Seite des
Feldwegs grüßten die Tänzerinnen mit ausgestreckter
Hand und riefen: »Sieg heil!« Doch die Skins aus dem
Lager waren weniger förmlich, sie überquerten den Weg
und traktierten die Kamera mit Kopfstößen. Die Frauen
tanzten weiter. Die Skinheads wurden immer wütender. In
diesem Augenblick traf die Polizei ein, und das
Gewaltpotential kam nicht zum Ausbruch.
Liebesnacht für Operation Rescue
Jede Woche tauchen überall in den USA Mitglieder von
Operation Rescue vor den Abtreibungskliniken auf und
bedrängen die Frauen, die in den Kliniken Hilfe suchen.
Sie beschimpfen sie als »Kindstöterinnen« und
»Mörderinnen«. Sie fotografieren sie. Sie halten ihnen
groteske Fotos von abgetriebenen Föten unter die Nase.
In letzter Zeit tauchen diese Botschafter des Hasses auch
vor den Häusern von Ärzten und anderen Mitarbeitern der
Kliniken auf. Sie belästigen deren Frauen und Kinder.
Mitglieder
des
extremen
Flügels
der
AntiAbtreibungsbewegung haben sogar Ärzte umgebracht, die
Abtreibungskliniken führten. 1997 kam es in den USA im
Zusammenhang mit Abtreibungskliniken zu 166 »Fällen
von Gewaltanwendung«, darunter 7 Fälle von
31
Brandstiftung, 11 Todesdrohungen, 6 tätliche Angriffe, 62
Fälle von Belästigung, 65 Fälle von Vandalismus und l
Mordversuch.
Die Liebesschwadron von TV Nation besucht die Lebensschützer.
Die Abtreibungsgegner sind vermutlich die erfolgreichste
Haßbewegung im ganzen Land. Obwohl die Abtreibung
seit über 25 Jahren legal ist, haben diese Leute den
Betreibern von Abtreibungskliniken solche Angst
eingejagt, daß es heute in 84 Prozent aller Landkreise
keine Arztpraxis und keine Klinik mehr gibt, die eine
Abtreibung vornimmt.
In der Liebesnacht drehten wir den Spieß um und
besuchten den Chef der Anti-Abtreibungsorganisation
Operation Rescue West in seinem Haus in den Bergen vor
Los Angeles. Als die freiwilligen Helfer von TV Nation
eintrafen, schrien sie den Mann nicht etwa an, sondern
erboten sich, Blumen und Sträucher in seinem Garten zu
pflanzen. Er kam aus dem Haus, aber er war gar nicht
32
erfreut. Und er verhielt sich gar nicht wie ein
Lebensschützer, denn er stampfte wütend auf ein paar
Blumen herum, bis er sie ganz zermalmt und in die Erde
getreten hatte.
Er versuchte noch, unser Team mit diversen abfälligen
Bemerkungen über »Feministinnen« zu beleidigen, dann
gab er auf und ging wieder ins Haus. Wir dagegen legten
das zertretene Blumenbeet neu an und zogen fröhlich von
dannen.
Liebesnacht für Jesse Helms
Der Schwule Männerchor von TV Nation bringt Jesse Helms ein
Ständchen.
Jesse Helms, der für North Carolina im amerikanischen
Senat sitzt, führt seit Jahrzehnten einen erbitterten Kampf
gegen die Gleichberechtigung der Homosexuellen. Selbst
Gesetze, die AIDS-Kranken helfen sollen, werden von
diesem Mann abgelehnt, der im Senat gerne und in allen
Einzelheiten zu beschreiben pflegt, was homosexuellen
33
Männern Spaß macht. Er beschreibt es vielleicht sogar ein
bißchen zu gern.
Weil wir meinten, daß Jesse ein bißchen Liebe von
seinen Geschlechtsgenossen brauchen könnte, gründeten
wir den Schwulen Männerchor von TV Nation. Wir
mieteten einen Bus und fuhren damit nach Washington
D. C. An der Ecke First Street und Constitution Avenue
(am Dirksen Building) brachte unser Chor dem Senator
vor seinem Bürofenster ein Ständchen mit dem Lied
»What the World Needs Now Is Love«. Kurz darauf
erschien die Polizei des Capitols und machte der
Gesangsdarbietung ein Ende.
»Es ist gesetzlich verboten, auf dem Capitol Hill zu
singen«, informierten uns die Beamten. »Sie brauchen
eine Genehmigung.«
Danach fuhren wir nach Arlington in Virginia, wo
Helms wohnt. Der Schwule Männerchor von TV Nation
marschierte den Gehweg vor dem Haus des Senators
entlang und sang »On the Street Where You Live«.
Die Tür von Helms’ Haus öffnete sich und heraus kam
seine Frau. Sie wirkte ganz überrascht und erfreut. Sie
dankte den Sängern und sagte, es tue ihr leid, daß der
Senator nicht zu Hause sei.
Uns tat es auch leid.
Die Ausstrahlung von Liebesnacht war nur sehr schwer
durchzusetzen. Führungskräfte von Fox Network
befürchteten, daß die rechtsradikalen Gruppen schon
durch ihre bloße Erwähnung mehr Publizität erhalten
würden, als sie verdienten. Eine andere Befürchtung war,
daß unser provokativer Stoff und Stil zu Angriffen führen
würde, die niemand wollte.
34
Am schlimmsten jedoch war etwas anderes: Die
Führungskräfte hatten das Gefühl, daß im Umfeld von
Liebesnacht keine Werbespots plaziert werden könnten.
Wir fochten einen zähen Kampf mit dem Standards and
Practices Department der Fernsehgesellschaft aus, um die
Ausstrahlung von Liebesnacht durchzusetzen, denn sie
war für die meisten Mitglieder unseres Teams inzwischen
das persönliche Lieblingsprojekt geworden. Am Ende
erlaubte die Fernsehgesellschaft die Ausstrahlung aller
Teile außer dem mit den Abtreibungsgegnern (sowohl
NBC als auch Fox hatten uns verboten, etwas über die
Abtreibungsfrage zu drehen). Außerdem wurden wir
aufgefordert, »zwei der fünf Hakenkreuze in der Szene mit
den Nazis herauszuschneiden«, und »eine von drei Stellen,
an denen das Schimpfwort ›Gook‹ vorkommt«, akustisch
zu maskieren. An dieser Stelle hört man jetzt einen Hund
bellen.
Einen Tag, bevor die Folge mit Liebesnacht ausgestrahlt
werden sollte, stellte sich heraus, daß die Episode nun
zwei Minuten zu kurz war. Wir sagten, die einzige Lösung
für das Problem sei die Ausstrahlung des zweiminütigen
Teils über die Abtreibungsgegner. Die Fernsehgesellschaft
gab nach, aber erst nachdem wir die Szene beträchtlich
entschärft und mit dem Kommentar »Von diesen
extremistischen Taten hat sich der Mainstream der
Lebensschützerbewegung distanziert« versehen hatten.
35
3
Invasion auf dem Strand bei
Greenwich in Connecticut
Stellt euch vor, die Bürger von Arizona würden eines
Tages verkünden, daß nur noch Personen, die in Arizona
gemeldet sind, den Grand Canyon besuchen dürfen. Oder
die Brooklyner würden beschließen, daß nur noch
Brooklyner nach Coney Island dürften. Oder wie wäre es,
wenn der Staat Mississippi beschließen würde, daß nur
noch Boote, die den Bürgern dieses Staates gehören, auf
dem Mississippi fahren dürften?
Die Menschen im Rest des Landes würden sich das
bestimmt nicht gefallen lassen. Als Amerikaner sind wir
der Ansicht, daß riesige Gebiete in Nationalparks, in
Waldgebieten und an der Küste der ganzen Bevölkerung
gehören und keine Privatperson sie »besitzen« darf.
Wie es den Anschein hat, würden einige Gemeinden
jedoch diese Naturwunder gerne ganz für sich allein
beanspruchen. Eine ganze Reihe wohlhabender, von
Weißen bewohnter Städte in verschiedenen Regionen der
USA hat Maßnahmen ergriffen, um »Fremde« von ihrem
Gebiet fernzuhalten.
So auch Greenwich in Connecticut, eine der reichsten
Gemeinden in den Vereinigten Staaten (laut New York
Times beträgt der durchschnittliche Kaufpreis eines
Hauses dort über 1,1 Millionen Dollar). Greenwich ist die
feudalste von allen New Yorker Vorstädten. Der Ort, in
dem der frühere Präsident George H. W. Bush seine
Kindheit verbrachte, ist fast nur von Weißen bewohnt, und
einige der reichsten Familien und Konzernbosse der USA
36
leben dort.
Wer es so gut hat, will seinen Wohlstand verteidigen. Zu
dumm, daß die USA auf dem Grundsatz »Freiheit und
Gerechtigkeit für alle« aufgebaut sind. Das stört wirklich,
wenn man sich richtig gut amüsieren will!
Eines Tages im Jahr 1994 lief Brendan Leydon, ein junger
Mann aus dem benachbarten Stamford, an den Stranden des
Long Island Sound entlang und überschritt dabei die
Stadtgrenze von Greenwich. Er joggte gerade über den
Strand von Greenwich Point, als er von einem Wachmann
angehalten und nach seiner »Einwohnerstrandkarte« gefragt
wurde. »Was ist das?« fragte Leydon, und der Wachmann
erklärte ihm, daß nur gemeldete Einwohner von Greenwich
den Strand benützen dürften und sie dafür eine
Einwohnerstrandkarte haben müßten.
Leydon wollte wissen, ob der Strand privat sei. Nein,
erhielt er zur Antwort, der Strand sei öffentlich – aber nur
für die Öffentlichkeit von Greenwich. Ja, der Strand werde
mit Steuergeldern gepflegt, aber nur mit Steuergeldern aus
Greenwich. Deshalb dürften ihn auch nur die gutbetuchten
Bürger von Greenwich nutzen.
Sehr zum Pech der Bewohner von Greenwich war Leydon
Jurastudent im sechsten Semester an der Rutgers
University. Er klagte gegen die Gemeinde und erhielt einen
befristeten Strandausweis, mit dem er den Strand benutzen
durfte, bis ein Gericht entschieden hatte, ob die Strande des
nur von Weißen bewohnten, steinreichen Greenwich nicht
für alle Amerikaner zugänglich sein müßten.
Uns fehlte noch eine Story für die nächste Folge von TV
Nation, und als wir in der Morgenzeitung von Leydons
Klage lasen, wußten wir sofort, daß wir Greenwich,
Connecticut, einen Besuch abstatten würden.
Das Problem war lediglich, daß wir nur noch vier Tage
37
Zeit hatten, um den Beitrag vorzubereiten, zu produzieren
und zu drehen, und ihn dann in fünf weiteren Tagen
schneiden mußten. Dieser ganze Prozeß dauert bei einer
normalen Story von TV Nation etwa drei bis fünf Wochen.
Doch die Gelegenheit, den guten Menschen von Greenwich
eine Dosis Realität zu verpassen, war so toll, daß wir sie auf
keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen wollten.
Wir beschlossen, die Strande von Connecticut zu
befreien. Wir wollten einen Bus mieten, in den Straßen
von New York ein paar Leute aufsammeln und uns einen
schönen sonnigen Tag am Strand machen. Außerdem
meinten wir, daß das Projekt ein hervorragender Job für
unsere freie Gastberichterstatterin Janeane Garofalo sein
würde, und sie stimmte begeistert zu.
Janeane Garofalo vor der Invasion
Für den Hintergrundbericht schickten wir einen Tag vor der
Strandaktion ein Team nach Greenwich, das die Einwohner
des Städtchens über das Strandverbot interviewte. Alle, mit
denen wir sprachen, waren für die Strandsperre. Sie
38
sprachen von »ganzen Horden«, die von »überall her«
kämen, wenn ihre Strande offen seien. (»Wo sollen die
denn alle hin?«) Ein Mann versicherte uns, daß die Reichen
sehr nett zu den Angehörigen von Minderheiten seien:
»Sehen Sie sich bloß mal an, wie viele wir als
Reinigungspersonal für unsere Häuser beschäftigen!«
Binnen 72 Stunden hatten unsere Produzenten die größte
Landungsoperation an einem Strand seit der Invasion in
der Normandie vorbereitet. Mit Hubschraubern,
Flugzeugen, Booten, Bussen und allem Drum und Dran.
Polizeitaucher aus New York opferten ihren freien Tag
und arbeiteten als Aufsicht für uns, damit niemand ertrank.
All unsere Mitarbeiter hörten auf, an den Beiträgen zu
arbeiten, für die sie eigentlich zuständig waren, und halfen
bei der Strandaktion.
Doch dann kam ein herber Rückschlag: Unser Studio
Columbia TriStar teilte uns mit, daß wir die Geschichte nicht
bringen könnten, weil dabei das Recht gebrochen würde.
»Doch nicht ›das Recht‹«, erklärten wir dem Anwalt des
Studios. »Nur das Recht von Greenwich in Connecticut!«
Wir dachten gründlich über das Problem nach und
fanden einen Weg, um TriStar zufriedenzustellen. Nach
der herrschenden Rechtsauffassung gehörte zumindest das
Wasser, wenn auch nicht der Sand, an der Küste der USA
der Bundesregierung. Wenn wir also unterhalb des
Hochwasserpegels auf dem Strand blieben, befanden wir
uns juristisch nicht auf dem Grund und Boden von
Greenwich. Das Studio war mit dieser großzügigen
Auslegung des Rechts zufrieden. Es genehmigte die
Aktion, und wir legten los.
An einem sonnigen Sonntagmorgen sammelten wir unsere
Regenbogenkoalition für den Strand zusammen und
39
verließen in unserem gemieteten Bus die Stadt. Da bei TV
Nation Gewerkschaftspflicht herrscht, mußten alle
Statisten in der Gewerkschaft sein. Als wir die
Instruktionen für den Tag austeilten, bekamen viele von
ihnen Angst und fuhren doch nicht mit. In den
Instruktionen stand unter anderem:
Wenn die Polizei Ihnen einen Strafzettel geben sollte,
bringen Sie ihn bitte sofort dem Produzenten. Es ist zwar
extrem unwahrscheinlich, daß die Polizei aus irgendeinem
Grund mit Festnahmen droht, aber bitte befolgen Sie die
Anweisungen der Polizeibeamten unbedingt, falls diese
Situation doch eintreten sollte.
Es ist verständlich, daß einige Leute bei den Dreharbeiten
nicht mehr mitmachen wollten, insbesondere, wenn sie
eine bestimmte Hautfarbe hatten. Eine Nacht im
Gefängnis von Greenwich war kein sonderlich toller
Bonus für einen Auftritt im Fernsehen.
Trotzdem nahm ein gutes Dutzend unserer Statisten das
Risiko auf sich, und wir machten uns auf den Weg zu dem
Strand. Der Bus verließ die Hauptstraße und bog auf die
Straße ein, die zum Wasser führt. An einem
Wachhäuschen wurden wir angehalten und nach unserer
Einwohnerstrandkarte gefragt. Natürlich hatten wir alle
nur unsere amerikanische Staatsbürgerschaft, und so
befahl uns der Wachmann zu wenden und wieder
wegzufahren.
Alle stöhnten vor Enttäuschung, aber Janeane hielt
unsere Leute mit Beach-Party-Slogans bei Laune und
verkündete laut, daß es nicht nur einen Weg gebe, um an
diesen verbotenen Strand zu kommen.
Der Bus fuhr zu einem nahegelegenen Jachthafen. Dort
40
stiegen alle in ein großes Boot, das ein halbes Dutzend
kleinerer Boote im Schlepptau hatte, und die Armada von
TV Nation verließ, ausgestattet mit Strandbällen,
Liegestühlen und Sonnencreme und in der Luft von
Hubschraubern begleitet, den Jachthafen und raste
Richtung Greenwich.
Dort genossen die glücklichen Bürger von Greenwich
gerade einen herrlichen Tag an ihrem Strand, als sie
plötzlich durch eine Szene aus dem Mittagsschläfchen
geweckt wurden, die aus dem Film Apocalypse Now hätte
sein können: Sie sahen das Volk mit einer
Geschwindigkeit von 75 Knoten auf sich zurasen.
Es war ein herrlicher Anblick. Janeane stand am Ruder
des Bootes und ließ stolz die Flagge von TV Notion im
Wind flattern. Sie sah aus wie George Washington bei der
Überquerung des Delaware. Wir dachten schon, wir würden
es ohne Unterbrechung bis zum Strand schaffen, doch da …
Bürger der TV Nation führen die Armada zu dem verbotenen Strand
von Greenwich in Connecticut.
… kam aus dem Süden mit Höchstgeschwindigkeit ein
Polizeiboot auf uns zugerast. Wir versuchten, es abzuhängen,
doch wir hatten keine Chance. Die Polizisten stoppten uns
41
und fragten, was wir vorhätten. Wir sagten ihnen die
Wahrheit, und sie drohten, uns zu verhaften. Zu diesem
Zeitpunkt erschien ein Boot der Küstenwache auf dem
Schauplatz, und wir wußten, daß es jetzt ernst wurde. (Wir
waren schon daran gewöhnt, daß die Ortspolizei unseren
Aktionen ein Ende setzte, aber dies war die erste Aktion von
TV Nation, bei der Angehörige der Streitkräfte eingriffen.)
Janeane und ihre Kollegen von TV Nation steigen am Strand von
Greenwich aus dem Meer.
Die Offizierin von der Küstenwache drohte sehr aggressiv,
Maßnahmen gegen uns zu ergreifen, und verlangte, an
Bord unseres Bootes zu kommen. Doch als sie auf unser
Boot hinüberspringen wollte, rutschte sie aus und fiel ins
Wasser. Das war ihr sehr peinlich, und wir rechneten fest
damit, daß sie ihren Zorn an uns auslassen würde. Sie war
jedoch so dankbar, als wir sie aus dem Wasser fischten,
daß sie ihre Drohungen beträchtlich mäßigte. Sie
inspizierte unser Boot und stellte fest, daß es in perfektem
Zustand war und ordentliche Papiere hatte.
Die Polizei sagte, wir dürften auf keinen Fall näher an
42
die Küste heranfahren, auch nicht mit unseren kleineren
Booten. Nach einer kurzen taktischen Diskussion fragten
wir die Polizisten, ob es in Ordnung wäre, »ans Ufer zu
schwimmen«. Die Polizisten sagten, wir dürften nach
Herzenslust im Meer schwimmen, aber wir dürften den
Strand von Greenwich nicht betreten. Janeane und die
anderen waren fest entschlossen, ihre Aufgabe zu erfüllen,
also nutzten sie die Gunst des Augenblicks, sprangen über
Bord und schwammen die 800 Meter ans Ufer.
Als sie ankamen, tobten die Einwohner von Greenwich
vor Zorn. Sie pfiffen und buhten, als Janeane aus dem
Wasser stieg, und schrien: »Geh zurück, wo du
hergekommen bist!«
Ein Mann brüllte: »Kauf dir doch ein Haus und ein
Grundstück, wenn es dir hier so gefällt. Dann darfst du
auch den Strand benützen.«
»Ich kann es gar nicht erwarten, hierherzuziehen, nachdem
ich so freundlich empfangen wurde«, antwortete Janeane.
Die Strandbesucher flehten die Polizei an, uns
festzunehmen. Doch die Produzentin Joanne Doroshow
hatte sich im Vorfeld mit der Rechtslage vertraut gemacht.
Sie und die Kamera-Crew hatten Presseausweise und
durften sich deshalb an dem Strand aufhalten, und nun
führte sie Janeane Garofalo und die anderen Schwimmer
unterhalb der Hochwasserpegels zum Ende des Strandes
und dann zu dem Parkplatz, wo der Bus wartete.
So kommst du an den Strand von Greenwich in
Connecticut
Du fährst ab New York auf der Interstate-95 Richtung
Norden und verläßt sie an Ausfahrt 5 in Connecticut.
Am Ende des Zubringers biegst du nach rechts auf die
Route l ein (es geht jetzt nach Osten).
43
Nach etwa 100 Metern kommst du zu einer
Verkehrsampel.
Hier biegst du nach rechts in die Sound Beach Avenue ein.
Dann fährst du durch Old Greenwich, bis du an die Küste
kommst.
Dort biegst du nach rechts auf die Shore Road ein. Sie
führt direkt zu dem Parkplatz des Strandes.
Die Stadt Greenwich drohte uns mit allen möglichen
juristischen Konsequenzen (einschließlich einer Beschwerde
bei der amerikanischen Flugsicherungsbehörde Federal
Aviation Administration, weil wir einen Hubschrauber
eingesetzt hatten), doch es wurde nichts daraus, weil wir uns
an das »Gesetz« gehalten hatten.
Die Schlußplädoyers in Leydons Verfahren gegen
Greenwich wurden Ende März 1998 gehalten. Mr. Leydon
ließ den Teil »Strände« aus TV Nation im Gericht
vorführen, um zu beweisen, daß Menschen, die den Strand
zur freien Meinungsäußerung nutzen wollten, daran
gehindert wurden. Das Video wurde vorgeführt, aber nicht
als Beweis anerkannt. Der Richter entschied, die
Vorschriften der Gemeinde schränkten das Recht auf freie
Meinungsäußerung nicht ein, da Fremde den Strand in
Begleitung eines Einwohners von Greenwich betreten
dürften. Die Einwohner von Greenwich argumentierten,
daß sie durch ihre Strandsperre den Verkehr beschränken
und Umweltschäden am Strand verhindern würden.
Mr. Leydon hat vor, in Berufung zu gehen.
44
4
Zahltag
Wir sind, wie wir alle wissen, machtlos.
Wir haben keinen oder fast keinen Einfluß auf die
Ereignisse, die unser Leben bestimmen. Wir sind auf
Gedeih und Verderb unserem Arbeitgeber und den Launen
der Wirtschaft ausgeliefert. Jeder Tag ist ein Kampf gegen
die Nackenschläge, die wir Leben nennen. Nichts
funktioniert – die Straßen, die Telefone, die Post, AOL,
die Health Maintenance Organisation, die Selbstbedienung
an der Tankstelle –, und wir finden uns ebenso resigniert
damit ab, wie wenn wir jeden Monat eine neue
Postleitzahl auswendig lernen müßten.
Der Computer, den du gerade erst gekauft hast, ist schon
wieder so veraltet, daß dein Neunjähriger angesichts der
Kapazität seines Arbeitsspeichers in hysterisches
Gelächter ausbricht.
Du sollst schon vor Sonnenaufgang an deinem
Arbeitsplatz sein und solltest besser nicht gehen, bevor die
Sonne wieder untergeht, weil du sonst vielleicht morgen
nicht mehr in deinem miesen kleinen Kabuff am
Schreibtisch sitzen darfst, wenn sie wieder aufgeht.
Du kriegst kein menschliches Wesen mehr an die
Strippe, wenn du bei einem Unternehmen anrufst.
(»Drücken Sie auf l, wenn Sie hören wollen, was Sie alles
drücken können, und auf 2, wenn es Ihnen nichts
ausmacht, eine Stunde in der Leitung zu bleiben …«)
Du hast noch eine vage Erinnerung, was ein Sparkonto
war, und hast gerade einen Weg gefunden, durch den
Monat zu kommen, nämlich indem du dir nur noch eine
45
weitere Kreditkarte zulegst: Sie ist heute mit der Post
gekommen, der Überziehungskredit kostet nur 17 Prozent
Zinsen.
Leute zwischen vierzig und fünfzig aus deinem
Bekanntenkreis haben plötzlich ein Gewächs im Gehirn,
obwohl sie seit zehn Jahren kein Fleisch und keine
Milchprodukte mehr gegessen haben!
Die Medien überfluten dich mit Informationen, die du
nicht brauchst, aber sie sagen dir nicht, was du wissen
willst. Du sollst nur das Maul halten und den neuen Jeep
Cherokee kaufen, den sie dir in einer Auszeit der Bulls
aufschwätzen wollen, in einer Auszeit, die die
Fernsehgesellschaft genommen hat, weil du in den letzten
sechs Minuten nichts gekauft hast! RUF JETZT SOFORT
AN; VISA UND MASTERCARD SIND GÜLTIGE ZAHLUNGSMITTEL.
Würde es dir Spaß machen, wenn du denen, die dich
quälen, eine ordentliche Portion von ihrer eigenen Medizin
verabreichen könntest? Würdest du es ihnen gerne
persönlich heimzahlen, mal ehrlich und ohne
Umschweife? Du hast doch garantiert eine tierische Wut
im Bauch?
Bei TV Nation beschlossen wir, uns das alles nicht mehr
gefallen zu lassen.
Ja, wir würden es ihnen heimzahlen, und zwar richtig.
Wir fragten mitten auf dem Times Square normale
Bürger, ob sie es den Leuten, die sie täglich in den
Wahnsinn trieben, nicht gerne mit gleicher Münze
heimzahlen würden. Und wir versprachen, daß wir ihnen
dabei auf jeden Fall helfen würden – ohne Einschränkung.
Wir nannten das Projekt »Zahltag«.
46
Autoalarmanlagen
Wem ist es nicht schon passiert, daß er mitten in der Nacht
von ohrenbetäubendem Lärm geweckt wurde, weil aus
unerfindlichen Gründen die Alarmanlage eines Autos
losschrillte? Was für einen Zweck haben diese Dinger?
Hast DU schon einmal die Polizei gerufen, wenn eines
loskreischte? Natürlich nicht! Kein Mensch tut das!
Ehrlich, kein Mensch! Wir fragten bei der Polizei an, wie
oft sie von besorgten Bürgern angerufen wird, weil die
Alarmanlage in einem Auto Krach macht.
»Nie«, lautete die Antwort. Die Beamten sagten, sie
bekämen lediglich Anrufe von Nachbarn, »die uns anflehen
zu kommen und das verdammte Ding zu erschießen«.
Ein vertrauter Anblick – durch die Linse einer der Kameras von TV
Nation.
Wir fuhren zum Haus des Chefs von Audiovox, dem
größten Hersteller von Autoalarmanlagen in den USA.
Dort, in einem vornehmen Viertel am Stadtrand von
47
New York, parkten wir ein Dutzend Autos an der langen,
etwas abgelegenen Einfahrt zu seinem Haus, und um sechs
Uhr morgens ließen wir die Babys losheulen: Wäh! Wäh!
Wah! Wah! WUUUU! WUUUU! Piep! Piep! Sie spielten
ihre Melodien wie schlechte Jazzmusiker in einem großen
Stadion. Doch es war herrliche Musik in unseren Ohren,
als der Konzernchef im Schlafanzug aus dem Haus trat.
Er war so wütend, daß er die Polizei rief. Die Polizisten
wollten uns wegen Ruhestörung festnehmen.
»Und was ist mit der Ruhe der Millionen Amerikaner,
die von diesem Kerl gestört werden?« fragten wir. Die
Polizisten versuchten mühsam, ihre Schadenfreude zu
verbergen, als es dem Industriekapitän mit gleicher Münze
heimgezahlt wurde.
Sie befahlen uns, die Alarmanlagen abzustellen. »Das ist
das Beste an den Dingern, Sir«, sagte unser Produzent.
»Sie machen immer weiter, mindestens fünf Minuten lang.
Man kann sie nicht einfach abstellen.«
Schließlich verstummten die Alarmanlagen, und wir
fuhren davon. Später rief der Konzernchef bei der
Fernsehgesellschaft an und drohte mit einer Klage. Nach
langwierigen Verhandlungen und nachdem wir uns
geweigert hatten, die Szene zu schneiden, wurde sie
unzensiert ausgestrahlt. Wir hatten nur eine Konzession
gemacht: Wir gaben seine Privatadresse nicht bekannt.
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Telemarketing
Gideon Evans bringt den Chef einer Telemarketingfirma zur Weißglut.
Gibt es etwas Lästigeres, als wenn du abends um acht
einen Anruf von einem wildfremden Menschen bekommst
und die Telefongesellschaft wechseln oder eine neue Versicherung abschließen sollst? Okay, ein Abend mit dem
rechten Radiomoderator Rush Limbaugh in deinem Wohnzimmer wäre wahrscheinlich noch ätzender. Aber was geht
dir eigentlich noch mehr auf den Wecker als Telemarketing?
Wir recherchierten die Telefonnummer des Chefs von
einer der größten Telemarketingfirmen der USA und
beschlossen auszuprobieren, wie ihm selbst solche Anrufe
gefallen. Immer wieder rief ihn unser Mitarbeiter Gideon
Evans an und fragte ihn: »Haben Sie schon von dieser
brandneuen, aufregenden Fernsehshow gehört, die – kaum
zu fassen – GANZ UMSONST ist. Sie heißt TV Nation!«
Beim ersten Mal hängte der Telemarketing-Guru einfach
auf. Aber als Gideon immer wieder anrief, regte er sich
mehr und mehr auf. Er zitierte diverse Gesetze über
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Telemarketing, die es den Firmen in seiner Branche
verbieten, Leute zu belästigen.
Wir hatten alle denselben Gedanken: »Ist nicht JEDER
Telemarketing-Anruf eine Belästigung?« Der Firmenchef
drohte, die Polizei anzurufen. Wir fanden das eine
großartige Idee und raten seither jedem, dem Anrufer einer
Telemarketingfirma folgendes zu sagen:
»Sehen Sie, ich weiß, daß Sie nur Ihren Job machen, aber
ich lasse diesen Anruf zurückverfolgen, und ich rufe gerade
die Polizei an, um Ihren Boß festnehmen zu lassen.«
Dumpster Trucks
Nach den Autoalarmanlagen sind Dumpster Trucks das
zweitschlimmste unter den Übeln, die uns die Nachtruhe
kosten. Wir haben nichts gegen Müllmänner. Sie haben
ganz gewiß einen der lausigsten Jobs auf Erden.
Aber die Erfindung des Dumpster Trucks hat das Faß
zum Überlaufen gebracht. Die Art, wie dieser Müllwagen
funktioniert – die Geräusche, wenn der Behälter
eingehängt und angehoben wird und dann wieder auf den
Boden knallt, und das Piepsen, wenn der Müllwagen
zurückstößt –, all das ist entsetzlicher Lärm, wenn man um
zwei Uhr nachts davon aufwacht. Obendrein muß der
Dumpster genannte Behälter, wenn er nicht genau an der
richtigen Stelle landet, ein zweites Mal hochgehievt
werden und kracht dann noch einmal auf den Boden.
Es muß eine bessere Methode geben. Warum können die
Intellektuellen, die in Denkfabriken wie Stanford sitzen
und sich neue Methoden der Kriegsführung ausdenken,
nicht statt dessen eine ästhetisch angenehmere und
umweltfreundlichere Art entwickeln, wie man große
Mengen Müll einsammelt?
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51
Mit gleicher Münze
Habt ihr vielleicht noch Ideen, wie man es den Leuten, die
es verdienen, mit gleicher Münze heimzahlen könnte?
Hier sind noch ein paar, die wir nicht umgesetzt haben:
• Wir stellen Radarfallen für Polizisten auf und lassen sie
rechts ranfahren.
• Wir errichten in der Einfahrt eines ranghohen
Verantwortlichen für Baustellen auf der Autobahn eine
Baustelle, damit er sein Auto nicht mehr bewegen kann.
• Wir laden die Türsteher einer Disko in einen neuen
Club ein, wo sie nicht reingelassen werden.
• Wir klingeln an der Tür des Chefs der Fernsehanstalt
Public Broadcasting System (PBS), die sich durch ihre
aufdringlichen Spendenkampagnen auszeichnet, und bitten
ihn penetrant um eine Spende.
•Wir benutzen einen Preßlufthammer vor dem Haus des
Mannes, der den Preßlufthammer erfunden hat.
• Wir garnieren ein Video über die Lebensgeschichte des
Mannes, der das Gelächter vom Band erfunden hat, mit
Gelächter vom Band.
• Wir ziehen die Kreditwürdigkeit des Chefs eines
Plattenclubs in Zweifel.
Wir wollten nicht darauf warten, bis sie selbst auf diese
Idee kamen, also nahmen wir die Sache selbst in die Hand.
Wir mieteten einen Dumpster Truck und fuhren mit ihm
um zwei Uhr morgens zu den Häusern, in denen die
Besitzer der Müllfirmen wohnten (nicht alle Städte lassen
ihren Müll vom öffentlichen Dienst einsammeln).
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Das einzige Problem bei der Sache war, daß einige
Müllfirmen in der New Yorker Gegend, wo wir filmten,
angeblich Beziehungen zur Mafia hatten. Das machte uns
große Sorgen. Aus dem ersten Haus, wo wir mit dem
Hochhieven und Herunterkrachen begannen, kam eine
Frau heraus und sagte, ihr Mann habe sie gerade wegen
einer jüngeren Frau verlassen, und sie sei bereit, uns über
jedes krumme Geschäft zu informieren, das er je getätigt
habe. Wir sagten: »Hey, wir sind doch nicht von 60
Minutes«, und fuhren weiter.
Als nächstes hielten wir vor dem Haus des Müllkönigs
von New Jersey. Als wir unseren Dumpster vor seinem
Fenster herunterkrachen ließen, kam er aus dem Haus
geschossen und wollte auf unseren Kameramann losgehen.
Unser Produzent kam zu der richtigen Einschätzung, daß
die Lage bedrohlich wurde, und wir packten zusammen
und suchten das Weite. Etwa eineinhalb Kilometer weiter
hielt unser kleiner Konvoi auf einem Parkplatz und
formierte sich neu. Plötzlich fuhr ein Kleinbus vor, dem
eine Horde großer kräftiger Kerle in Boxershorts und
Pantoffeln entstieg (darunter auch der Müllkönig, den wir
gerade gefilmt hatten). Sie bildeten einen Kreis um die
Crew – ein auf der ganzen Welt bekanntes Signal, daß
man gleich die Fresse poliert bekommt.
Unser Produzent erklärte den Männern, daß wir nur eine
unschuldige, kleine komische Szene hätten drehen wollen
und nicht für einen Zwanzigteiler bei Fox Blut spenden
wollten. Wie sich herausstellte, war der Vater des Mannes
im Jahr zuvor von der Mafia umgebracht worden, und die
Typen dachten, wir wollten für die Mafia eine weitere
Untat vollbringen. Seit wann filmt denn die Mafia ihre
Morde?
Unsere Leute stiegen mit zitternden Knien wieder in ihre
Autos. Sie waren körperlich völlig unversehrt, aber es
53
dauerte ein paar Stunden, bis sich ihre Nerven wieder
beruhigt hatten.
Zeugen Jehovas
Nachdem wir bei der Konfrontation mit den Müllmännern
nur knapp dem Tod entronnen waren, beschlossen wir, nur
noch pazifistische Gruppen aufs Korn zu nehmen, die trotz
ihrer Friedlichkeit unglaublich lästig sind.
Natürlich kamen wir sofort auf die Zeugen Jehovas. Die
Mitglieder dieser Sekte klingeln an deiner Haustür und
wollen dich bekehren. Sie möchten, daß du sie
hereinbittest, damit sie dir die Gute Nachricht bringen
können. Sie sind so sauber und nett und höflich, daß du
praktisch
keinen
Grund
findest,
sie
wieder
hinauszuschmeißen.
Wir stellten ein paar Nachforschungen an, wo Mitglieder
der Sekte wohnten, und Mike ging los und klopfte an ihre
Türen.
»Guten Morgen!« sagte er. »Ich habe eine Gute
Nachricht für Sie! Darf ich hereinkommen und Ihnen von
einer Fernsehshow erzählen, die mein Leben verändert hat
und die auch Ihr Leben verändern kann?«
Zugunsten der Zeugen Jehovas muß gesagt werden, daß
sie sofort begriffen, worum es ging und was der Witz an
der Sache war. Aber sie ließen es sich nicht ausreden,
diese komischen weißen Hemden und Krawatten zu tragen
und zu den unmöglichsten Zeiten bei anderen Leuten auf
der Türschwelle aufzukreuzen.
54
Das Hotel, das dich um 11.00 Uhr
morgens vor die Tür setzt
Wenn du je in einem Hotel gewohnt hast, weißt du, daß du
normalerweise um 12.00 Uhr und manchmal sogar noch
früher auschecken sollst. Sie wollen dich so schnell wie
möglich loswerden, damit dein Zimmer für den nächsten
Kunden frei wird.
Eine Art, wie sie dich rausekeln, bevor du eigentlich
gehen willst, besteht darin, daß ein Zimmermädchen deine
Zimmertür aufschließt und hereinplatzt, um zu putzen. Du
bist in der Regel noch nackt, und mitunter machst du
gerade das, was nackte Menschen tun, wenn sie zu zweit
sind. Das Zimmermädchen sagt:
»Oh, Entschuldigung!«, schließt die Tür und schreibt
irgendwo auf, was sie gerade gesehen hat, um es an den
Sonderermittler weiterzugeben.
55
Wir fragten uns, ob es den Chefs der Hilton Hotels oder
denen des Hyatt oder Marriott je passiert ist, daß eine ihrer
Angestellten am frühen Morgen einfach in ihr
Schlafzimmer platzte. Also engagierten wir ein
Zimmermädchen (mit Putzwagen und allem Drum und
Dran), und machten das Herrenhaus von Mr. Barron W.
Hilton bei Bel Air in Kalifornien ausfindig … Wir wollten
ihm lange vor der »Auscheckzeit« einen Besuch abstatten.
An einem schönen kalifornischen Morgen schob das
Zimmermädchen von TV Nation fröhlich seinen
Putzwagen Mr. Hiltons Einfahrt hinauf und verkündete am
Tor, sie sei gekommen, »um sein Bett zu machen, das
Ende der Klopapierrolle zu einem Dreieck zu falten und
ihm frische Handtücher zu bringen«. Zu unserem
Erstaunen ging das Tor auf, und sie wurde hineingelassen.
Bis sie jedoch vor der Haustür stand, hatte jemand
begriffen, was da ablief, und unser Zimmermädchen mit
seiner kleinen TV-Notion-Shampoo-Flasche und all den
anderen Utensilien wurde doch noch weggeschickt.
Muzak-Musik
Man hört sie überall, die von 101 Streichern gespielten
Versionen von »Stairway to Heaven«, »The Bitch Is
Back« oder »Revolution«. Vielen Menschen gehen sie
mindestens ebenso auf den Geist, wie wenn jemand mit
einer Kreide auf einer Tafel herumkratzt. Trotzdem kann
man dieser Geräuschkulisse nicht entrinnen.
Wir fragten uns, ob der Chef von Muzak Inc. seine
eigenen Sachen anhören muß. Wahrscheinlich nicht. Aber
wir fanden, daß er mit seiner Musik konfrontiert werden
sollte. Also mieteten wir einen Pritschenanhänger, beluden
ihn mit einer konzerttauglichen Lautsprecheranlage,
56
suchten den Weg zum Heim des Firmenchefs auf dem
Stadtplan, parkten die Riesenlautsprecher vor seinem Haus
und stellten die Muzak auf Stufe »11«.
Leider war der Konzernchef nicht zu Hause, aber seine
Nachbarn schon. Sie riefen die Polizei. Und, wie so oft bei
den Dreharbeiten für TV Nation, kam sie, um uns zum
Schweigen zu bringen, oder … Wir versuchten dieses
»Oder« stets zu vermeiden, deshalb luden wir unseren
Krempel wieder auf den Lastwagen, spulten das Band mit
Black Sabbath, gespielt von den Londoner Symphonikern,
zurück und fuhren davon. Die Aktion Zahltag war
beendet.
57
5
Das Corp-Aid Concert
Nach acht Folgen TV Nation auf NBC war es den meisten
unserer Zuschauer klar, daß wir ein Problem darin sahen,
wie die Konzerne unser Land regierten. Suchten wir doch
Woche für Woche Industriegiganten heim und versuchten,
ein bißchen Chaos bei ihnen zu stiften – wenn nicht in
ihren Vorstandsräumen, dann wenigstens in ihren
Eingangshallen.
Als wir 1994 ein Special für die Weihnachtswoche
drehen durften, rangen wir uns zu der Einsicht durch, daß
wir im Geist der Weihnachtszeit handeln und den
Unternehmen, denen wir so übel mitgespielt hatten, zur
Abwechslung auch einmal etwas Gutes tun sollten.
Wir hatten einen Brief von einem Fan bekommen, der
eine Idee für TV Nation hatte. »Ist euch klar«, schrieb er,
»daß Unternehmen keinen Modus haben, wie sie
Geschenke stilvoll entgegennehmen? Es gibt kein System,
um die Gabe eines wohlwollenden Spenders anzunehmen.
Unternehmen werden gegründet, um Produkte oder
Dienstleistungen zu verkaufen und damit Geld zu
verdienen. Wenn es sich um staatliche Unternehmen
handelt, verkaufen sie Anteile, um ihr Kapital zu erhöhen.
Sie können auch nach Investoren suchen, und denen wird,
falls das Unternehmen Erfolg hat, für jeden investierten
Dollar ein Gewinnanteil versprochen.
Aber«, hieß es in dem Brief weiter, »wenn ein ganz
normaler Menschen eines Morgens einen Scheck für
AT&T ausschreiben und zur Post bringen würde, versehen
mit der kleinen Notiz: ›Hier, das ist für euch, nur weil ihr
IHR seid!‹, dann käme der Scheck vermutlich zurück, da
58
es in der Buchhaltung kein routinemäßiges Verfahren gibt,
um solche Geldspenden anzunehmen.«
Wir beschlossen, diese Theorie auszuprobieren und
einigen der meistgeschmähten Konzerne dieses Landes
große Freude zu verkündigen.
Wir überredeten NBC, uns einen Aktenkoffer voller
Zehn- und Zwanzig-Dollarscheine im Wert von insgesamt
10000 Dollar zu geben. Dann machten wir (genau wie der
Weihnachtsmann) eine Liste der Unternehmen, die unartig
gewesen waren und sich hatten erwischen lassen. Aus
dieser Liste wählten wir die fünf Firmen aus, die (wegen
Umweltverschmutzung, Preisabsprachen, gefährlichen
Arbeitsbedingungen usw.) die höchsten Bußgelder hatten
zahlen müssen oder verklagt worden waren und vor
Gericht die schwersten Niederlagen erlitten hatten.
Mit dieser Liste in der einen und dem Geldkoffer in der
anderen Hand zog Michael los. Er wollte die zehn Riesen
im ersten der auserkorenen Konzerne loswerden, wo sie
jemand annehmen würde.
59
Der erste Versuch fand in der Zentrale der Pfizer
Corporation in New York statt. Pfizer hatte gerade einen
Vergleich über 215 Millionen Dollar geschlossen, weil es
fehlerhafte künstliche Herzklappen für BypassOperationen geliefert hatte. Außerdem hatte das
Unternehmen ein Bußgeld über 10,75 Millionen Dollar
bezahlen müssen, weil es bei der amerikanischen
Gesundheitsbehörde FDA irreführende Angaben gemacht
hatte, damit die Klappen zugelassen wurden. Die
fehlerhaften Herzklappen hatten Hunderte von Patienten
das Leben gekostet, und Pfizer wurde vom Staat und den
Verwandten der Opfer dafür verantwortlich gemacht.
Außer dem Geldkoffer hatte Mike in der Pfizer-Zentrale
noch ein Sängerquartett mit dabei, das für die leitenden
Angestellten Weihnachtslieder sang, und einen Steptänzer,
der einen großen Scheck über 10000 Dollar schwenkte
(wir hatten das Geld nicht nur in bar, sondern auch als
Scheck dabei).
Ein Vizepräsident für Öffentlichkeitsarbeit kam herunter
in die Lobby, um uns zu begrüßen und das Geld
abzulehnen. Genau wie der Fan von TV Nation uns
vorausgesagt hatte, teilte uns der Topmanager mit, daß
Pfizer »nicht die Möglichkeit hat, eine wohltätige Spende
anzunehmen«. Er erklärte uns, daß der Konzern Geld
macht, nicht »nimmt«. Dann wies er uns die Tür.
Der nächste potentielle Empfänger unseres Geschenks
war der Versicherungskonzern Prudential Securities. Er
wurde 1994 mit dem stattlichen Bußgeld von 330
Millionen Dollar belegt, weil er Investoren betrogen hatte.
Mit dieser Tat hatte er sich unser Geschenk vollauf
verdient, denn er hatte alle bisherigen Rekorde im Bereich
der Wirtschaftskriminalität gebrochen.
Der Wachmann an der Rezeption erlaubte uns nicht, dem
Chef des Unternehmens unser Geschenk zu überreichen.
60
Er sagte, wie seien »verrückt«. Und wieder wies man uns
die Tür.
Das Team von TV Nation zog weiter zum United Parcel
Service (UPS). Der Paketdienst hatte 1994 das größte
Bußgeld kassiert, das die Arbeitsschutzbehörde
Occupational Safety and Health Administration (OSHA)
in jenem Jahr verhängte. UPS hatte es versäumt, seine
Angestellten beim Umgang mit Paketen angemessen zu
schützen, die gefährliche Chemikalien enthielten. Wir
dachten, daß die Unternehmen vielleicht ungern einen
Koffer voll Geld oder einen Scheck annahmen, und hatten
diesmal Gold im Wert von 10000 Dollar mitgenommen.
Der PR-Mann von UPS fand das mit dem Gold ziemlich
witzig und spielte vergnügt mit, bis wir auf das Bußgeld
der OSHA zu sprechen kamen. Das verhagelte ihm radikal
die Stimmung: Er ließ uns stehen, zog sich in sein Büro
zurück und schloß die Tür hinter sich ab.
Vielleicht glaubte er wirklich, geben sei seliger denn
nehmen.
Als nächstes führte uns unsere Weihnachtstour zu
Kodak. Der Konzern hatte gewaltige Bußgelder bezahlen
müssen, weil sein in Rochester, New York, gelegenes
Werk zur Herstellung von Fotofilmen das Grundwasser
von Gemeinden in der Umgebung mit gefährlichen
Chemikalien verschmutzt hatte.
Dieses Mal wollten wir vermeiden, daß wir wieder vom
Wachmann in der Eingangshalle abgewiesen wurden und
abermals nichts erreichten, also verfuhren wir nach dem
Motto: »Der Weg zur Wahrheit führt durch den
Lieferanteneingang.« Wenn man so aussieht, als ob man
etwas zu liefern hätte, kommt man rein, ohne daß Fragen
gestellt werden.
Wir betraten also das Kodak-Gebäude durch den
61
Hintereingang und hatten das Stockwerk mit den Büros
der Topmanager schnell gefunden.
Niemand greift in den Geldkoffer.
»Wie sind Sie hier hereingekommen?« schrie man uns an.
Ein paar der Männer – offensichtlich Sicherheitskräfte –
gingen mit physischer Gewalt gegen uns vor. Sie
schubsten uns durch eine Tür, einen Gang hinunter und in
den Aufzug (in dem sie mit uns nach unten fuhren).
Danach brachten sie uns aus dem Gebäude und sagten, sie
hätten die Polizei gerufen.
62
63
Steven Wright und Karen Duffy führen durch das Programm von
»Corp-Aid«.
Deprimiert, weil niemand sein Geschenk annehmen
wollte, ging Michael mit weit offenem Geldkoffer auf der
Wall Street auf und ab und bat jeden, der ein
Jahreseinkommen von über 200000 Dollar hatte, in den
Koffer zu greifen und sich etwas von dem großzügig
gebotenen Bargeld zu nehmen.
Niemand tat es.
Wir hatten noch eine andere Idee. Wie wäre es, wenn
wir ein Benefizkonzert für bedürftige Konzerne
veranstalten würden? Nach dem Vorbild von Live-Aid mit
64
dem Song »We are the World« – das hatte doch wirklich
viel Geld für wohltätige Zwecke eingesammelt. Oder nach
dem Vorbild von Farm-Aid, das den schwer von der Krise
getroffenen Farmern ordentlich Geld gebracht hatte.
Warum also nicht »Corp-Aid« (Konzern-Hilfe)?
Die Meat Puppets singen unsere Hymne.
Wir mieteten einen riesigen Tieflader und stellten ihn nur
einen Block von der Börse entfernt auf. Wir engagierten
die Meat Puppets als Band, und Jay Martin, ein Autor von
TV Nation, schrieb einen Song für das Ereignis. Steven
Wright und Karen Duffy waren die Conferenciers. Die
Führungskräfte und Broker der Wall Street kamen aus
ihren Gebäuden und drängten sich um die Bühne, um an
dem geschichtsträchtigen Ereignis teilzunehmen. Viele
Zuschauer trugen Ansteckbuttons mit dem Motto »Corp65
Aid« und wiegten sich im Takt der Musik. Es waren viele
Polizisten da. Mitarbeiter von TV Nation ließen Eimer im
Publikum herumgehen. Wir gaben bekannt, daß alles
gesammelte Geld für Exxon bestimmt sei, damit der
Ölmulti die riesige Strafe wegen der Tankerkatastrophe
mit der Exxon Valdez bezahlen konnte, bei der die Küste
Alaskas durch Millionen Liter Öl verschmutzt worden
war.
Mike sammelt bei einem wohltätig gesinnten Broker in der Wall Street
eine Spende für Exxon.
Die Meat Puppets ließen die »Corp-Aid«-Hymne
erklingen und die Zuschauer griffen tief in ihre Taschen.
Sagt ja nicht, daß die Reichen nicht spendierfreudig
wären. Als wir das Geld nach dem Konzert zählten, hatten
wir sagenhafte 275 Dollar und 64 Cent für Exxon
gesammelt.
In der folgenden Woche flog Michael nach Dallas
hinunter, um den Eimer voll Bargeld, wie wir ihn nannten,
66
dem Vorstandsvorsitzenden von Exxon zu übergeben.
Leider ließen die PR-Leute und der Wachmann Michael
nicht einmal in die Nähe der Chefetage, obwohl er eigens
die weite Reise nach Texas gemacht hatte. Und sie
nahmen auch das Geldgeschenk nicht an. Nur das Buch
Wenn guten Menschen Böses widerfährt durfte Michael
ihnen schenken. Immerhin ein Anfang!
Mike ließ den Eimer auf dem Rasen vor dem Gebäude
stehen, als er ging; er hoffte, daß jemand herauskommen
und das Weihnachtsgeschenk doch noch annehmen würde.
Und tatsächlich, beim Wegfahren sah die Crew, wie sich
jemand das Geschenk holte: der Hausmeister.
»Feliz Navidad«, schrie unsere Crew aus dem Fenster
und winkte zum Abschied.
67
6
Crackers, das
Wirtschaftskriminalitätsbekämpfung
shuhn
»Warum ging das Huhn über die Straße?
Um einem KONZERNHERRN in den ARSCH zu treten.
Darum!«
Manchmal, wenn alles andere nichts geholfen hat, muß
man einen Superhelden rufen.
Wenn ein Waldbrand außer Kontrolle gerät, braucht man
Smokey, den Bären.
Wenn Umweltverschmutzer unsere Umwelt bedrohen,
ruft man Woodsy, die Eule (»Schuhu! Laß die Umwelt in
Ruh!«).
Wenn die Kriminalität überhand nimmt, nimmt
selbstverständlich McGruff, der Kriminalhund, »dem
Verbrechen den Biß«.
Was aber tut man, wenn man von Monstern bedroht
wird, die so böse sind und so schlimme Absichten haben,
daß alles danach aussieht, als hätte kein menschliches
Wesen die Macht, sie aufzuhalten?
Ja, die Rede ist von Wirtschaftskriminellen, jenen
Anzugträgern, die das Gesetz flagrant verletzen und der
ganzen Welt Schaden zufügen. Sie laufen überall auf dem
Planeten Amok, und wir gewöhnlichen Sterblichen
können sie nicht daran hindern.
68
Selbstgebasteltes Schild eines Fans.
Jedes Jahr verlieren wir in den USA 4 Milliarden Dollar
durch Einbrüche und Raubüberfälle, aber 200 Milliarden
durch Betrug bei Großunternehmen, und jedes Jahr ist die
Zahl der Amerikaner, die durch Unfälle am Arbeitsplatz
umkommen, um 45000 Menschen höher als die Zahl der
Amerikaner, die mit Handfeuerwaffen ermordet werden.
Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Trotzdem
wird nicht über sie diskutiert, und es werden keine
Gegenmaßnahmen ergriffen. Die Elf-Uhr-Nachrichten
begannen nie mit der Meldung des neuesten Toten am
Arbeitsplatz oder mit der Meldung, daß mehr Polizisten
eingestellt wurden, um an der Wall Street zu patrouillieren
und Wirtschaftskriminelle zu schnappen.
Wir bei TV Nation waren der Ansicht, unser Land hätte
etwas Besseres verdient. Wenn die normalen
Straßenkriminellen ein Tier hatten, das sie jagte, warum
sollten dann die Wirtschaftskriminellen nicht auch eins
bekommen?
Und so wurde Crackers geboren, das Wirtschaftskriminalitäts-Bekämpfungshuhn.
69
Verschiedene Entwicklungsstadien von Crackers.
Crackers wurde der erste Superheld, der zur
Hauptsendezeit ausgerechnet auf diejenigen Jagd machte,
die in seiner Serie für ihre Produkte werben sollten. Dieses
Paradoxon entging auch den Topmanagern der
Fernsehgesellschaft nicht; sie waren keineswegs begeistert
von unserem Huhn. Aber sie hielten sich mit ihrem Urteil
zurück, bis sie ihn in Aktion gesehen hatten.
Crackers war ein Zwei-Meter-Huhn. (Auch wenn manche
behaupteten, es sei nur ein Kostüm gewesen, das von John
Derevlany, einem unserer Drehbuchautoren, getragen
wurde. Doch die Gläubigen unter uns wußten, daß das
70
Huhn echt war und uns von dem Bösen erlösen sollte.)
Wir statteten es mit besonderen Vollmachten aus, damit es
Missetaten untersuchen und Wirtschaftsmagnaten die
scharfen Fragen stellen konnte, die unsere Journalisten
nicht zu stellen wagen.
Das Wirtschaftskriminalitätsmobil.
Crackers
bekam
sein
eigenes
Wirtschaftskriminalitätsmobil, ein langes Wohnmobil mit einem
Labor, Computern und Handschellen. Seine Mission
bestand darin, in dem Mobil durch das Land zu fahren und
sich die Sorgen gewöhnlicher Bürger anzuhören, die durch
die Entscheidungen von Unternehmen und ihren
Angestellten geschädigt worden waren. Crackers hatte auch
seine eigene gebührenfreie Telefonnummer, wo die Leute
Wirtschaftsverbrechen melden konnten, die gerade
begangen wurden. Am ersten Wochenende kamen über
40000 Anrufe.
71
Schon deshalb war es richtig, Crackers zu schaffen.
Die Anzahl der Anrufe ganz normaler Bürger, die echte
Fälle von Missetaten an ihrem Wohnort oder Arbeitsplatz
kannten, war erstaunlich. Wir bekamen richtig Ehrfurcht
angesichts der großen Bandbreite der Verbrechen, bei
denen man, wie Woody Guthrie einmal sagte, mit dem
Füller ausgeraubt wird statt mit der Pistole.
Wir schickten Crackers auf seine Reise, und er besuchte
Städte und Konzerne in über einem Dutzend Städten. Das
Huhn hätte genug Material für eine eigene Sendung
gehabt, aber wir hatten nur Sendezeit für fünf seiner
Ermittlungserfolge.
New York: First Boston Corp.
Die
First
Boston
Corp.,
eine
der
größten
Investmentbanken des Landes, hatte beim Bürgermeister
von New York um eine Steuerbefreiung gebeten. Die
Bank drohte, die Stadt zu verlassen, wenn ihre Steuern
nicht gesenkt würden.
War das »Erpressung«? Diese Frage wäre schon Grund
genug für Crackers gewesen, sich um die First Boston zu
kümmern, obwohl man ihr Vorgehen in der menschlichen
Gemeinschaft nicht für illegale Erpressung hielt. Für
Crackers dagegen war der Fall ein hervorragendes
Beispiel dafür, wie Konzerne den Städten große
Geldsummen abnötigen, immer mit der Drohung, daß
ihnen etwas Schlimmes passieren wird, wenn die
Konzerne abwandern. Alle Städte fürchten dann das
Schlimmste und geben nach.
72
Hunderte von Fans versammelten sich in Chicago, um das Huhn zu
sehen.
Im Januar 1995 bekam die First Boston ihre
Steuerbefreiung, die sich auf mehrere Millionen Dollar
belief, und fügte sie ihren Jahreseinnahmen hinzu. Und
was tat die Bank keine 30 Tage, nachdem sie dieses
»Geschenk« der New Yorker Steuerzahler verbucht hatte?
Sie entließ über 100 Leute, einfach so.
Ironischerweise hatte es eigentlich zu der Vereinbarung
mit der Stadt gehört, daß die Bank Arbeitsplätze erhalten
und nicht vernichten sollte. Gab sie vielleicht der Stadt das
Geld zurück, nachdem sie die Vereinbarung gebrochen
hatte?
Soll das ein Witz sein?
Crackers war empört und nicht zu Scherzen aufgelegt. Er
fuhr geradewegs zur Zentrale der First Boston in der Nähe
der Madison Avenue und verlangte, daß sie die Leute
wieder einstellte oder der Stadt das Geld zurückgab.
Sobald Crackers das Gebäude betreten hatte, kamen ihm
73
Sicherheitsleute entgegen. Aber er ließ sich nicht (wie die
normalmenschlichen Berichterstatter von TV Nation, wenn
sie in den Konzernzentralen abgewiesen wurden) von
Männern in geliehenen Uniformen aufhalten, sondern
schoß zwischen den Sicherheitsleuten hindurch, stieg in
den Aufzug und fuhr in den ersten Stock. Dort waren noch
mehr Sicherheitsleute. Sie schienen eine gewisse
Ausbildung im Umgang mit Superhühnern zu haben, denn
sie schafften es, Crackers wieder in den Aufzug zu bringen
und ins Erdgeschoß zu verfrachten.
Die New Yorker Polizei wurde gerufen und kam mit
einer Grünen Minna. Die Polizisten merkten schnell, daß
sie die falsche Grüne Minna mitgebracht hatten – eine für
Menschen. Ein Zwei-Meter-Huhn hätte auf keinen Fall in
das Fahrzeug gepaßt.
Also versuchten die Polizisten, das Huhn durch
Überredung aus dem Gebäude zu kriegen. Crackers war
glücklich, daß seine Kollegen Verbrechensbekämpfer da
waren, und sagte, sie sollten doch gemeinsam mit ihm die
Topmanager der First Boston verhören. Doch die
Polizisten rieten ihm, aufs Rathaus zu gehen und die Sache
mit dem Bürgermeister zu klären.
Genau das tat er dann auch.
Bürgermeister Ralph Giuliani wollte am Nachmittag
seine tägliche Pressekonferenz halten. Als seine Berater
ihn darauf aufmerksam machten, daß Crackers direkt vor
dem Presseraum stand, setzte er sich fast eine Stunde mit
ihnen zusammen und beriet, wie er mit der Situation
umgehen sollte. Ein Reporter von WABC Radio, einem
Sender, der dem Bürgermeister freundlich gesinnt war,
gab ihm einen Tip, warum Crackers da war. Als Giuliani
schließlich auf dem Podium erschien, hielten seine Berater
und Polizeibeamte in Zivil das Huhn vor dem
Konferenzsaal fest und umringten Mike, der sich im Saal
74
befand. Dann stahl der Giuliani wohlgesinnte Reporter
Crackers die Schau und fragte den Bürgermeister, auf
welche Weise Steuerbefreiungen wie die für die First
Boston dem Wohl der Stadt genützt hätten. Giuliani
erklärte lang und breit, warum Steuerbefreiungen New
York zu einem attraktiveren Standort für Unternehmen
machten.
Schließlich unterbrach ihn Mike und fragte, warum er
sich weigerte, mit dem Verbrechensbekämpfungshuhn zu
sprechen. »Ich rede doch nicht mit einem Huhn«,
antwortete der Bürgermeister. Crackers, der durch ein
Fenster zusah, war anscheinend traurig über diese
Zurückweisung. Er ist ein sehr sensibles Huhn. Der
Bürgermeister weigerte sich, juristisch gegen die First
Boston vorzugehen. Crackers war nicht einmal zu den
Topmanagern der First Boston vorgedrungen. Wie es
aussah, hatte das Huhn seine erste Niederlage erlitten.
Manchmal gewinnen eben auch die Bösen.
Brooklyn: Delta Enterprise Corp.
Crackers nahm sein nächstes Ziel aufs Korn: die
Gesellschaft Delta Enterprise aus Brooklyn. Sie stellt
Laufstühle her, mit denen Kleinkinder sich durch den
Raum bewegen können, bevor sie ohne Hilfe laufen
können. Bei vielen Laufstühlen ist allerdings der Radstand
zu eng, und außerdem kann es passieren, daß ein
Kleinkind im Laufstuhl versehentlich eine Treppe
hinunterfällt. Allein im Jahr 1997 mußten etwa 14000
Kleinkinder in der Notaufnahme von Krankenhäusern
behandelt werden, weil sie sich im Zusammenhang mit
Laufstühlen verletzt hatten, und seit 1973 wurden 34
Todesfälle auf den Gebrauch von Laufstühlen
75
zurückgeführt. Crackers erschien im Hauptwerk des
Unternehmens und verlangte nach dem Chef. Wieder
einmal wurde das Huhn mit dem lauten Ruf »Raus hier!«
mit körperlicher Gewalt entfernt.
Danach inszenierte Crackers eine Kampagne, in der
Eltern gewarnt wurden, welche Gefahren in Laufstühlen
lauern können. Er überzeugte eine Anzahl Mütter und
Väter, ihre Laufstühle bei ihm abzugeben. 1997 begann
Delta Enterprise Laufstühle zu produzieren, die den
Sicherheitsnormen der Juvenile Products Manufacturers
Association entsprachen. Crackers pflichtete den
Verbraucherschutzbeamten
der
amerikanischen
Bundesregierung bei, die Eltern dringend rieten, nur
Laufstühle zu kaufen, die diesen Normen entsprachen.
Philadelphia: Gebühren für geplatzte
Schecks
Crackers fuhr mit seinem Wirtschaftskriminalitätsmobil
unter dem Jubel von Hunderten von Einwohnern
Philadelphias in das Zentrum der Stadt. Die Einwohner
waren gekommen, um dem Huhn von all den
Wirtschaftsverbrechen zu erzählen, deren Zeugen sie
geworden waren. Aber eine bestimmte Missetat reizte ihn
am meisten.
1995 berechnete die CoreStates Bank ihren Kunden für
jeden geplatzten Scheck eine Strafgebühr von 25 Dollar.
Später wurde die Strafe sogar auf 30 Dollar erhöht. Für
Familien, die immer sehnsüchtig auf den nächsten Zahltag
warten, ist das verdammt viel Geld. Philadelphia hat im
ganzen Land die höchste Strafgebühr für geplatzte Schecks.
In den USA nehmen die Banken allein an Strafgebühren
für überzogene Konten jedes Jahr vier Milliarden Dollar ein.
76
Einen Scheck platzen zu lassen ist nicht mehr das, was
es mal war. In den USA ist es gesetzwidrig, einen
ungedeckten Scheck auszustellen. Doch die meisten
Bürger sind gesetzestreue Menschen und haben überhaupt
nicht die Absicht, einen Scheck platzen zu lassen. Deshalb
verlangen die Banken eine Strafgebühr für die
Überziehung des Kontos. Das Ganze funktioniert
folgendermaßen: Du trägst am Freitag den Scheck deines
Arbeitgebers auf die Bank. Dann gehst du nach Hause und
stellst am Wochenende ein paar Schecks aus, um
Rechnungen zu bezahlen. Doch die Bank hat den Scheck
deines Arbeitgebers nicht verbucht, sondern wartet, bis
seine Bank die Summe auch wirklich überwiesen hat. Das
kann bis zu zehn Tage dauern. Aber die Schecks, die du
ausgestellt hast? Oh, dieses Geld hat die Bank sofort
überwiesen. Du hast sie jedoch in der Meinung
ausgeschrieben, daß dein Lohn schon auf deinem Konto
sei. Aber die Bank hat den Scheck deines Arbeitgebers
nicht verbucht. Peng! Schon ist dein Scheck geplatzt, und
du darfst wieder mal 30 Dollar Strafe bezahlen.
Diese Praxis ist in ganz Amerika verbreitet. Uns kommt
diese Praktik wie Diebstahl vor. Aber kein Polizist würde
den Chef einer Bank deshalb wegen Diebstahl verhaften.
Und hier kommt Crackers ins Spiel.
Crackers ging in eine CoreStates Bank und forderte die
Filialleiterin auf, diese unglaublichen Strafgebühren nicht
mehr zu erheben. Sie sagte, dazu sei sie nicht berechtigt,
sie mache nur ihren Job. Da ging Crackers zur Zentrale
der Bank, aber er wurde abgewiesen.
Das Huhn hatte es satt, nicht ernst genommen zu
werden, und suchte Babette Josephs auf, die im Parlament
des Staates Philadelphia saß. Ms. Josephs versprach, ein
Gesetz vorzulegen, das es den Banken verbot, mehr als
77
7,50 Dollar Strafgebühr für einen geplatzten Scheck zu
erheben, und das sie zwang, genauer zu definieren, was
ein geplatzter Scheck überhaupt war.
Die Aktion kam bei den Fernsehzuschauern gut an.
Crackers bekam tonnenweise Post von Leuten, die die
Sendung gesehen hatten.
Crackers führt den Marsch auf die CoreStates Bank an.
St. Louis: Bleivergiftung durch Doe Run
Wir kündigten immer die nächsten Stationen von
Crackers’ Reise in TV Nation an, und wenn Crackers in
der angekündigten Stadt eintraf, wartete jeweils schon eine
Menschenmenge oder ein Demonstrationszug auf ihn. Auf
einer solchen Versammlung in St. Louis bekam Crackers
einen Hinweis auf eine Fabrik in einem Stadtviertel
78
namens Herculaneum unmittelbar südöstlich des
Stadtzentrums. Der Informant erzählte Crackers, die
Einwohner des Viertels hätten das Gefühl, von einer
Bleifabrik namens Doe Run, einem der größten
Bleiverarbeiter der Welt, vergiftet zu werden. Crackers
ging dem Hinweis nach und stellte durch Gespräche mit
Bewohnern des Viertels und Arbeitern der Fabrik fest, daß
der Hinweis korrekt war.
Nun machte sich Crackers an die Arbeit. Er versuchte, in
die Fabrik zu kommen und die Bosse mit den Vorwürfen
zu konfrontieren, wurde aber wie üblich von einem
Polizeibeamten aufgehalten. (Noch am selben Tag brachte
derselbe Polizist seinen Wagen neben Crackers zum
Stehen und fragte, ob er ihn fotografieren dürfe. Er war
nämlich ein großer Fan des Huhns und hatte alle Folgen
von TV Nation gesehen.)
Crackers nahm selbst Bodenproben und brachte sie zu
einem Labor in St. Louis. Sie wiesen einen hohen
Bleigehalt auf. Dann ließ er Kinder auf Bleivergiftung
untersuchen, und in ihrem Blut wurden viel zu hohe
Bleiwerte festgestellt. Das Huhn hatte ein Treffen mit dem
Chef von Doe Run. Er erkundigte sich beim Ministerium
für Rohstoffe von Missouri nach dem Unternehmen und
erhielt die Auskunft, daß Doe Run die USamerikanischen Luftreinhaltungsvorschriften verletze,
inzwischen allerdings nach einem staatlich überwachten
Plan seine Emissionen verringere.
Nach der Ausstrahlung der Sendung wurden zwei
Gemeinschaftsklagen
eingereicht,
eine
wegen
Sachschäden und eine wegen Personenschäden. Das
Rohstoffministerium erhielt zwischen 600 und 700 Briefe
zu dem Thema, und seit Crackers im Fernsehen auf das
Problem aufmerksam gemacht hat, ist den Menschen in
der Region die Gefährlichkeit von Blei stärker bewußt.
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Crackers bringt seine Proben ins Labor.
Detroit: Der Zeitungsstreik
Es gibt normale Wirtschaftsverbrechen, und es gibt
besondere, von denen man persönlich betroffen ist. Eines,
von dem wir uns persönlich betroffen fühlten, passierte in
unserem eigenen Hinterhof: der Zeitungsstreik in Detroit,
Michigan. Da wir Crackers in gewisser Weise geboren
hatten, ernannten wir ihn zum Ehren-Michiganer.
Die Mitarbeiter der Detroit Free Press und der Detroit
News traten im Juli 1995 in einem Konflikt um ihre
Arbeitsverträge in den Streik. Das Management beider
Zeitungen stellte sofort Streikbrecher ein, um die
Zeitungen weiter herauszubringen. Die Folge waren
gewaltsame Demonstrationen, bei denen die meiste
Gewalt von der Polizei ausging.
Der Streik dauerte bereits 30 Tage, als Crackers auf der
Bildfläche erschien. Das National Labor Relations Board
(Bundesbehörde, die die Beziehungen zwischen
Gewerkschaften und Arbeitgebern beaufsichtigt; A.d.Ü.)
hatte gegen die Herausgeber der Zeitungen entschieden,
80
doch diese hatten gegen seine Entscheidung Widerspruch
erhoben, statt sich mit den Streikenden zu einigen.
Crackers versuchte zu vermitteln, wurde jedoch von der
Arbeitgeberseite ignoriert. Daraufhin suchte er den
Kongreßabgeordneten
John
Conyers
auf,
den
hochrangigsten Demokraten im Rechtsausschuß des
Repräsentantenhauses. Der Abgeordnete versprach
Crackers, Anhörungen zu veranstalten, damit die Arbeiter
ihre Jobs zurückbekämen, und zu untersuchen, ob sich das
Anti-Trust-Gesetz, das es zwei Zeitungen in einer Stadt
erlaubte, mit einer gemeinsamen Geschäftsführung zu
arbeiten, nicht durch einen Zusatz verbessern ließe.
Als nächstes beschloß Crackers, seine eigene Zeitung bei
einer Gewerkschaftsdruckerei drucken zu lassen, um den
Leuten in Detroit die Wahrheit darüber zu erzählen, was
das Management der Zeitungen den Arbeitern antat. Er
versuchte sogar, seine Zeitung in die Häuser der
Herausgeber der Detroit Free Press und der Detroit News
zu liefern.
Crackers trägt die Wahrheit aus.
81
Schließlich hielt er es für notwendig, eine direkte Aktion
zu starten. Er führte eine Gruppe von Streikenden bei
einem Demonstrationsmarsch zu den beiden Zeitungsverlagen an. Die Sicherheitsleute schlossen sofort die
Türen, als sie den großen Vogel kommen sahen. Aber
Crackers zeigte Kräfte, die keiner von uns je zuvor erlebt
hatte, und stemmte mit bloßen Flügeln das Haupttor der
Detroit Free Press auf. Die Sicherheitsleute erlitten einen
Schock. Sie schrien nach der Polizei. Doch die
Demonstranten schrien noch lauter: »Laßt das Huhn
hinein!« Schließlich erschien die Polizei und forderte
Crackers auf, die Demonstranten wegzuführen.
Und das tat er auch, einen Block weiter die Straße
hinunter, zu den Detroit News. Dort sah Crackers, daß die
Türen an der Laderampe offenstanden, also ging er
einfach hinein. Aber Wachleute einer Sicherheitsfirma
packten ihn und warfen ihn in hohem Bogen wieder
hinaus auf die Straße, gut drei Meter weit. Es war für uns
alle das erste Mal, daß wir ein Huhn fliegen sahen.
Inspiriert von diesem Wunder warf sich die Menge gegen
Stahltore, die sich gerade schlossen. Ein Aufruhr entstand.
Fäuste flogen. Gummiknüppel kamen zum Einsatz. Die
Türen wurden zerstört. Unser Kameramann und unser
Tontechniker hatten blaue Flecke und bluteten. Hey, wir
waren doch nur eine Comedy Show, um Himmels willen!
82
Ach, wenn der Pressezar Rupert Murdoch uns jetzt hätte
sehen können!
Crackers und Michael Moore führen die Demonstration in Detroit an.
Erneut kam die Polizei und stellte die Ruhe wieder her.
Niemand wurde festgenommen, und wir machten uns mit
dem Filmmaterial aus dem Staub.
Am Abend dieses Tages fuhren wir mit Crackers in das
Stadion der Tigers, um ihn aufzumuntern – er hatte
tatsächlich ein Krankenhaus aufsuchen müssen. Im
Stadion sang Michael vor dem Baseballspiel gegen die
Blue Jays die kanadische Nationalhymne (als Vorspann
für die »Kanadanacht« in einer anderen Folge von TV
Notion). Während des Spiels lernte Crackers das
Maskottchen der Tigers kennen und tauschte sich mit ihm
über ihre berufliche Situation aus. (Dabei erfuhr er, daß
andere Maskottchen ein Kühlsystem im Kopf hatten; bald
darauf wollte er auch eins haben.) Die Kinder, die sich das
83
Spiel ansahen, kamen alle zu Crackers herübergerannt und
wollten Autogramme haben, die er liebend gerne gab. In
sämtlichen Wochen, in denen Crackers in TV Nation
auftrat, hatten wir bei den Zwei- bis Elfjährigen von allen
Sendungen in unserer Sendezeit die zweitbesten Quoten.
Ein Brief von Crackers
August 1995
Seid gegrüßt, Verbrechensbekämpfer,
ich war in den letzten paar Wochen kreuz und quer in
Amerika
unterwegs,
um
Wirtschaftskriminelle
aufzuspüren. Ich habe meinen großen, weichen, orangenen
Schnabel in die Machenschaften von ein paar
Umweltverschmutzern in St. Louis gesteckt. Ich war in
Detroit und versuchte, die großen amerikanischen
Medienmonopole zu brechen (wundert euch nicht, wenn
wir es nicht schaffen sollten, diesen Teil der Sendung
auszustrahlen). Selbst nach den Maßstäben eines Huhns
war Detroit eine harte Stadt. Ich wurde auf dem
Schauplatz
eines
lokalen
Zeitungsstreiks
von
Sicherheitsleuten buchstäblich drei Meter weit geworfen.
Au, das tut weh! Ich bin ein Huhn. Ich sollte eigentlich
nicht fliegen.
Im vergangenen Monat habe ich außerdem noch eine
ganze Reihe weiterer amerikanischer Städte besucht:
Indianapolis, Milwaukee, Chicago, Cincinnati, Cleveland,
Pittsburgh und Decatur in Illinois. In all diesen Städten
wurde ich jeweils von mehreren 100 oder gar mehreren
1000 Menschen erwartet, und alle hatten Hinweise auf
Wirtschaftsverbrechen für mich. In Chicago kamen 3000
Leute. Sie waren so begeistert von der Bekämpfung der
Wirtschaftskriminalität, daß die Polizei anrückte und die
Versammlung auflöste. Mein Hühnerherz riet mir, die
84
Menge mit dem Ruf:
»Ran an die Buletten!« in den Kampf zu führen, aber
leider bin nur ich durch mehrere Schichten von Federn,
Schaumstoff und Metall geschützt (von meinen stählernen
Innereien ganz zu schweigen), während ihr anderen alle
nur ein paar Schichten Haut habt, welche die
Knüppelschläge aushalten müssen. Also kürzte ich meinen
Besuch in Chicago ab.
Derzeit ist meine Reise auf der Suche nach
Wirtschaftskriminellen erst einmal zu Ende, bis wir
herausgefunden haben, wo TV Nation als nächstes
ausgestrahlt wird. In der Zwischenzeit kämpft weiter für
Wahrheit, Gerechtigkeit und eine unscheinbare Sache, die
man unternehmerische Verantwortung nennt.
Ich
bin
ein
Huhn, hört mich gackern.
GAAAAACKKKKK!
Schickt Crackers
eine
E-Mail
unter:
[email protected]
Bald war die Tournee von Crackers zu Ende, und das
Huhn ging im Colonel Sanders Museum in Kentucky in
den vorläufigen Ruhestand. Dort wartet er, bis er den
Kampf gegen das Verbrechen wiederaufnehmen kann. Es
war ein langer, heißer Sommer gewesen, und wir hatten
uns ein gutes Bild davon machen können, was die Bosse
im Schilde führten. Es war klar, daß die Amerikaner einen
Superhelden brauchten, der ihre Interessen vertrat und für
ihr Wohl sorgte. Manche Leute dachten früher einmal, daß
die Demokratische Partei das täte, aber das ist eine andere
Geschichte.
Crackers wurde der beliebteste, meistgesehene,
meistverlangte Teil von TV Nation. Das Huhn hatte
wirklich einen guten Draht zu der amerikanischen
85
Bevölkerung bekommen.
Eines Tages wird er zurückkehren.
86
7
Eine Herausforderung für
Konzernchefs
Eines Nachts sahen wir in den Abendnachrichten einen
Bericht über die japanische Autoindustrie. Direkt vor
unseren Augen stand der Vorstandsvorsitzende von
Honda, Nobuhiko Kawamoto, mit der Nietpistole in der
Hand am Fließband und baute einen Honda zusammen!
Danach aß er mit den an dem Fließband beschäftigten
Arbeitern in der Cafeteria zu Mittag. Am Ende des
Berichts fuhr er mit seinem Jahre alten Honda Accord
davon.
Für Leute, die wie wir in Autoarbeiterfamilien
aufgewachsen sind und aus der Heimatstadt von General
Motors kommen, war das ein befremdlicher Anblick. Wir
garantieren euch, so wahr der Himmel früher blau war,
daß der Chef von Buick seit dem kurzen Praktikum, das er
vor seinem Abschluß am General Motors Institute
absolvieren mußte, keine Nietpistole mehr aus der Nähe
gesehen hat. (Das General Motors Institute, das heute
Kettering University heißt, ist ein College in Flint, an dem
früher ausschließlich Manager und Ingenieure von GM
ausgebildet wurden.)
Tatsächlich haben die meisten Chefs amerikanischer
Konzerne ihren Job nicht etwa, weil sie wissen, wie man
Sachen herstellt, sondern weil sie jemanden kannten, der
jemanden kannte, und weil sie irgendwann bewiesen
haben, daß sie mit Bilanzen jonglieren können. Sie haben
an der Harvard Business School Betriebswirtschaft
studiert und sind keine Handwerker oder Erfinder oder,
87
Gott behüte, womöglich echte Arbeiter.
Vielleicht, dachten wir, werden deshalb so viele
Produkte immer schlechter, die in diesem Land hergestellt
werden. Der verantwortliche Manager hat keine Ahnung,
was sein Unternehmen eigentlich tut. Und er muß die
Produkte nur selten selbst benutzen. (Der Chef von GM
bekommt alle drei Monate ein neues Auto, also muß er nie
einen Schraubenschlüssel in die Hand nehmen.)
Das vielleicht peinlichste Beispiel dieser Realitätsferne
lieferte der oberste Boß unseres Landes George Herbert
Walker Bush am 4. Februar 1992 höchstpersönlich an der
elektronischen Kasse eines Supermarkts. Als die
Kassiererin den Brotlaib mit dem Barcode über das
elektronische Auge führte, staunte Bush Bauklötze. Es
war, als ob die Führer der Marsianer ihm gerade
vorgeführt hätten, daß sie ihre Köpfe um 360 Grad drehen
können.
Wir hatten keine Ahnung, daß die Reichen und
Mächtigen so dumm sind. Wie sind sie trotzdem an die
Spitze gekommen? Warum sind wir nicht an der Spitze?
Angesichts dieser Zustände dachten wir, daß es
interessant wäre, wie viele Konzernchefs die Produkte, die
sie verkaufen, wirklich selbst etwas herstellen oder
wenigstens selbst benutzen können.
Konnte der Chef der Supermarktkette Safeways
Lebensmittel in eine Tüte packen?
Konnte
der
Präsident
von
AT&T
eine
zusammengebrochene Leitung reparieren?
Konnte die Hotelkönigin Leona Helmsley ihre
Bettwäsche wechseln?
Auf diese Weise wurde die Idee für »Eine
Herausforderung für Konzernchefs« geboren. Wir stellten
eine Liste von Konzernen und ihren Chefs zusammen und
88
überlegten, was wir sie tun lassen wollten. Als Preis
versprachen wir jedem, der die Herausforderung meisterte,
einen vergoldeten Putter (einen zum Einlochen
verwendeten Golfschläger) und ein Kunstrasenstück mit
Loch zum Üben des Puttens.
Wir fingen an herumzutelefonieren und stellten fest, daß
die Chefs ziemlich schwer ans Telefon zu kriegen waren.
Wenn wir einen Assistenten oder einen PR-Menschen an
die Strippe bekamen, erklärten wir ihm möglichst einfach,
was sein Boß tun sollte. Sie dachten alle, wir wären
verrückt.
Wenn man wirklich ernst genommen werden will,
obwohl man verrückt ist, muß man sein Anliegen
schriftlich formulieren. Auf eine schriftliche Anfrage
bekommt man aus rätselhaften Gründen immer eine
Antwort. Wenn du dem Konzernchef einen Brief
geschrieben hast, dann hast du einen Briefwechsel
begonnen, der eines Tages vielleicht einem Untergebenen
zum Verhängnis werden könnte. Assistenten nehmen
Briefe immer ernst.
Mikes Brief lautete wie folgt:
Lieber Herr Vorstandsvorsitzender,
wenn Sie auch nur ein bißchen sind wie ich, haben Sie
bei all dem Trara über japanischen Scharfsinn und
japanische »Effizienz« nie das Vertrauen in den schlichten
alten Erfindungsgeist der Yankees verloren. Deshalb
können Sie sich wahrscheinlich auch meine Überraschung
vorstellen, die sich alsbald in Bestürzung verwandelte, die
jedoch gleich darauf in Trotz umschlug, als ich las, daß
viele japanische Konzernchefs, wie zum Beispiel der von
Honda oder der von Sony, die Produkte ihrer
Unternehmen tatsächlich selbst bauen können. Und diese
89
Manager laufen jetzt herum und prahlen, daß sie
irgendwie einen besseren Realitätsbezug hätten als
amerikanische Firmenbosse, weil sie angeblich wüßten,
wie man mit all den Dingen umgeht, die ihre Unternehmen
herstellen.
Ich glaubte es zunächst selbst nicht. Aber meine
Rechercheure, die alle Amerikaner sind, haben mir das
Filmmaterial gezeigt. Es stimmt tatsächlich!
Sie kennen mich vielleicht, weil ich bei dem Film Roger
& Me Regie geführt habe. Tja, und kürzlich habe ich mit
der Arbeit an einer neuen Fernsehsendung begonnen, die
zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. Sie heißt TV
Nation und wird diesen Sommer landesweit von der NBC
und international von der BBC ausgestrahlt. Ich weiß, daß
Sie gerne den Fehdehandschuh aufnehmen wollen, den
uns die Japaner offensichtlich hingeworfen haben, und wir
von TV Nation würden Ihnen gerne dabei helfen. Wir sind
in der einzigartigen Position, daß wir Ihnen die Mittel zur
Verfügung stellen können, um den Japanern – und der
Welt – zu zeigen, daß Sie genausoviel Bezug zu Ihren
Produkten haben wie irgendein ausländischer Konzernchef
zu seinen. Wenn Sie mich mit einem kleinen Kamerateam
in Ihr Büro, in eine in seiner Nähe gelegene Fabrik, an ein
Fließband oder in ein Labor lassen, können wir der Welt
gewiß beweisen, daß unsere Konzernchefs den
ausländischen keineswegs unterlegen sind.
Ich weiß, daß Sie die USA nicht im Stich lassen werden.
Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, und verbleibe
stolz ein Amerikaner zu sein und mit freundlichen Grüßen
Ihr Michael Moore,
Staatsbürger
90
Wir schickten diesen Brief an den Chef der Chemical
Bank und baten ihn, einen Geldautomaten zu bedienen.
Wir baten den Chef von Hershey, eine Zuckerstange für
uns herzustellen. Wir ersuchten den Chef von Estée
Lauder, Mike eine Gesichtsbehandlung zu machen.
Natürlich wurden all diese Anfragen abschlägig
beantwortet.
Also schickten wir ein weiteres Schreiben und
informierten eine Anzahl von Unternehmen, daß wir am
26. Mai vorbeikommen und den Chef persönlich bitten
würden, seine Aufgabe zu erledigen. Dann zogen wir mit
dem Kamerateam im Schlepptau los.
Mike fordert den Chef von IBM heraus.
Der erste Halt war die New Yorker Zentrale von IBM.
Aus irgendeinem Grund wollten uns die Sicherheitsleute
im Eingangsbereich nicht hineinlassen, also bauten wir
unsere Ausrüstung auf dem Gehweg vor dem Gebäude
auf. Mike richtete sein Megaphon direkt auf das oberste
Stockwerk und sprach seine Herausforderung hinein:
»LOUIS GERSTNER, CHEF VON IBM, KOMMEN
91
SIE HERUNTER UND FORMATIEREN SIE DIESE
COMPUTERFESTPLATTE!«
Keine Reaktion. Mike erläuterte die Herausforderung:
»Fürchten Sie nichts. Wir kommen in friedlicher
Absicht.«
Er hielt den goldenen Putter hoch, den Gerstner
bekommen würde, wenn er die Platte formatierte. Doch
der Boß biß immer noch nicht an. Mike versuchte es sogar
mit Schmeichelei:
»Wir verwenden nur IBM-Computer und IBMkompatible Computer«, sagte er. »Wir verabscheuen
Apple. Macintoshs sind Spielzeuge! Das sind doch gar
keine richtigen Computer!«
Man hätte meinen sollen, daß wenigstens das gewirkt hätte,
aber Mr. Gerstner wollte partout nicht herunterkommen.
Als nächstes gingen wir zur Zentrale von Philip Morris,
wo wir den Konzernchef Michael Miles aufforderten, eine
Zigarette zu drehen. Wir hatten eine Schale mit
Tabakblättern, Zigarettenpapier, Filter und »nicht im
einzelnen aufgeführte chemische Zusätze« mitgebracht.
Die Sicherheitsleute erschraken bei unserer Ankunft und
verschlossen alle Türen des Gebäudes. Fast eine Stunde
lang konnte niemand bei Philip Morris ein und aus gehen.
Wir dachten an all die Raucher in dem Gebäude, die
drinnen nicht rauchen durften und dringend ins Freie
mußten, um sich eine anzustecken. Aber wir dachten nur
eine Sekunde an sie.
92
Michael Miles, der Chef von Philip Morris
»Mr. Miles«, schallte Mikes Stimme aus dem
Megaphon, »ich weiß, daß es sich wie eine blöde Frage
anhört, aber woran ist Philip Morris genau gestorben?«
Viele Passanten erboten sich, eine Zigarette für uns zu
drehen. Sie erledigten die Aufgabe mit einer
Geschwindigkeit und Geschicklichkeit, die wir gelinde
gesagt alarmierend fanden. Mike setzte seine
Herausforderung fort:
»Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin
unbewaffnet. Bitte kommen Sie herunter und erklären Sie
den Satz: ›I’m a joker, I’m a smoker, I’m a midnight
toker.‹ (›Ich bin ein Witzbold, ich bin ein Raucher, ich bin
ein Mitternachtskiffer.‹)«
Auch Mr. Miles ließ sich nicht blicken.
Wir gingen hinüber zu den Büros von Colgate-Palmolive
in der Park Avenue und versuchten dort, Reuben Mark,
den Chef des Unternehmens, zu treffen. Wieder wurden
93
wir an der Rezeption abgewiesen und bauten unser
Equipment auf dem Gehsteig auf.
»Achtung, Achtung! Mr. Reuben Mark, wir möchten
wissen, ob Sie tun können, was Ihre Arbeiter tun. Sie
bekommen mehr Geld als sie, und das mit Recht. Wir
fordern Sie auf, herunterzukommen und Zahnpasta in eine
Tube zu füllen.«
Zwei Stunden vergingen, aber Mr. Mark erschien nicht.
Also wandten wir uns an seine Angestellten.
Reuben Mark, der Chef der Colgate-Palmolive Company
»Leute von Colgate-Palmolive. Ihr riecht alle so gut.
Kommt heraus aus dem Gebäude, damit ich euch besser
riechen kann.«
Einige Angestellte kamen tatsächlich heraus, um uns zu
sehen (und damit wir sie riechen konnten). Wir baten sie,
uns zu helfen, ihren Chef herunterzulocken. Sie sagten,
vielleicht sei die Aufgabe mit der Zahnpasta und der Tube
zu schwer. Man könne ihn doch ein paar Teller mit ein
bißchen Palmolive abspülen lassen. Tolle Idee, dachten
94
wir. Sie gingen hinein und kehrten gleich darauf mit dem
Spülmittel zurück. Wir besorgten ein paar Teller, machten
sie auf eine Weise dreckig, wie es nur die Mitarbeiter von
TV Nation können, und bereiteten ein tolles Spülwasser in
unserer tragbaren Abwaschschüssel vor. Die Mitarbeiter
von Colgate-Palmolive begannen mit dem Abwasch. Mike
ging wieder ans Megaphon. »Mr. Mark!« sagte er. »Wir
haben Ihre Angestellten kennengelernt, und die können
den Abwasch machen. Können Sie es auch?!«
Vielleicht hatte Reuben Mark Angst um seine zarten
Hände, jedenfalls beehrte er uns nicht mit seiner
Anwesenheit.
Dann bekamen wir von der Ford Motor Company die
Nachricht, daß ihr Chef Alex Trotman unsere
Herausforderung annehmen und einen Ölwechsel bei
einem Ford-Geländewagen vornehmen würde. Al
Chambers, der Chef der Kommunikationsabteilung des
Konzerns, sagte, er selbst halte die Idee für albern, aber
sein Chef, Mr. Trotman, sei »absolut bereit zu tun, was
von ihm verlangt wird, wenn einigermaßen klar ist, warum
dies ›visuell interessantes Fernsehen‹ sein soll«. Wir
flogen nach Detroit und fuhren zu dem Testgelände von
Ford im nahegelegenen Dearborn. Trotman fuhr in seinem
eigenen Auto vor, stieg aus und schüttelte allen die Hände.
Dann machte er sich an die Arbeit. Er fuhr einen Ford
Explorer auf eine Hebebühne. Er ließ das alte Öl ab, füllte
das neue Öl ein und wechselte den Filter. Und das alles in
weniger als zehn Minuten! Autoarbeiter in Amerika und
anderswo sollten später im Fernsehen den Anblick
genießen, wie ein Konzernchef auf dem Rücken lag und
sich von oben bis unten mit Öl bekleckerte, als er diese
elementare Handarbeit verrichtete.
Für die erfolgreiche Bewältigung der Herausforderung
erhielt Alex Trotman den Goldenen Putter und das Putting
95
Green.
Trotman hatte sich auch von einem eigenen Kamerateam
filmen lassen. Später ließ Ford das Video auf den
Monitoren über den Fließbändern in allen Fordwerken rund
um den Erdball laufen. Im Gegensatz zu den anderen
Konzernchefs, die Angst vor uns hatten (weil sie fürchteten,
daß wir sie mit irgendeinem Trick in Verlegenheit bringen
würden), nahm Trotman die Herausforderung einfach an. Er
bekam eine Tonne Post und viel Sympathie von den
Zuschauern der Sendung.
Alex Trotman von Ford, der einzige Konzernchef, der die
Herausforderung annahm.
Es ist vielleicht bezeichnend, daß Trotman kein
Amerikaner ist. Er kommt aus Schottland und ist in einem
System aufgewachsen, in dem man Gewerkschaften für
eine gute Sache hält und glaubt, daß Unternehmen soziale
Verantwortung übernehmen sollen. Im Jahr 1997 gab es
einen Streik bei Johnson Controls, einem Zulieferer von
Ford, und die Firma ersetzte ihre streikenden Arbeiter
durch Streikbrecher. Doch Trotman weigerte sich, dem
96
bestreikten Unternehmen Autoteile abzunehmen. Er
konnte deshalb zwei Wochen lang kein Exemplar des
beliebten Ford Expedition verkaufen. Doch Johnson
Controls gab nach und stellte die gewerkschaftlich
organisierten Arbeiter wieder ein.
Dies soll nicht heißen, daß Ford ohne Fehl und Tadel ist,
aber wenn man es mit dem Konzern vergleicht, mit dem
wir in Flint aufgewachsen sind … Hey, mit dem Thema
fangen wir lieber nicht an.
Alex Trotman, Chef der Ford Motor Company.
Als wir die Geschichte mit Trotman im Kasten hatten,
stellten wir fest, daß wir im Interesse von Fairplay und
Wahrheitsfindung noch einen weiteren Konzernchef
herausfordern mußten. Also nahm Mike pflichtbewußt das
Mega mit auf die Rockefeller Plaza und rief:
»Jack Welch, Chef von General Electric, Besitzer von
NBC … BITTE KOMMEN SIE HERUNTER UND
DREHEN SIE DIESE GLÜHBIRNE REIN!«
97
8
Nicht gesucht: Brian Anthony Harris
Es gibt eine Erfahrung, die jeder Afroamerikaner schon
einmal gemacht hat, nämlich daß er von der Polizei ohne
jeden Grund angehalten wird. Egal, ob er im »falschen
Viertel« die »falsche Straße« entlangfuhr oder einfach nur
»verdächtig aussah«, oder ob sich die Polizisten gerade
langweilten und ihnen nichts besseres einfiel, jedenfalls
kann jeder männliche Schwarze in den USA von
unheimlichen Begegnungen mit Gesetzeshütern berichten,
die stattfanden, obwohl er kein anderes Verbrechen
begangen hatte, als mit dem Auto in irgendein Restaurant
zum Abendessen zu fahren.
Wie wir alle wissen, ist der Grund für dieses Phänomen,
daß schwarze Männer Verbrecher sind.
Deshalb dachten wir, ihr würdet vielleicht gerne die
Geschichte von Brian Anthony Harris hören.
Brian ist ein junger Afroamerikaner, der schon zwanzig
bis dreißig Mal von Polizisten angehalten und eines
Verbrechens beschuldigt wurde. Das Problem ist nur, daß
er nicht einmal bei Rot über die Straße geht. Er ist ein
fleißiger Kirchgänger, der als Chefbeleuchter bei Black
Entertainment Television in Washington D.C. arbeitet,
und er hat eine blütenweiße Weste. Aber das ist der
Washingtoner Polizei nicht so wichtig.
Immer wieder hielten ihn die Cops an, um ihn wegen
einem kürzlich passierten Raub, Überfall oder Mord zu
verhören. Er wurde aus seinem blitzblanken BMW (der
eindeutig für die Kriminalität seines Besitzers spricht)
gezerrt, zu Boden gerissen und festgehalten, bis die
98
Beamten erkannt hatten, daß er der falsche Verdächtige
war.
Nach über zwanzig solchen Vorfällen wäre wohl jeder
normale Mensch ein wenig verstört gewesen. Wir erfuhren
von Brians Geschichte in einer Kolumne von Colman
McCarthy in der Washington Post und kamen zu dem
Schluß, daß Brian TV Nation brauchte. Wir riefen ihn an
und fragten, ob wir ihm helfen dürften, damit ihn die
Polizei nie wieder belästigte. Er war ungeheuer dankbar
für alles, was wir tun konnten.
Wir brauchten eine Kampagne, die dafür sorgte, daß die
Polizei von Washington nicht einmal mehr daran denken
würde, Brian anzuhalten. Und mit seiner Hilfe entwickelte
TV Nation dafür folgende Ansätze:
Wir tragen unsere Botschaft zum Establishment.
99
• TV-Spots
TV Nation kaufte im Washingtoner Kabelfernsehen Zeit
für einen Spot, in dem die Polizei dringend ersucht wurde,
Brian nicht mehr zu belästigen. In dem 30-Sekunden-Spot
sprach Brian direkt in die Kamera und bat die Polizei
100
höflich, ihn in Ruhe zu lassen.
• Plakatwände
Wir mieteten in der ganzen Stadt Werbeflächen – an
Bussen und am Straßenrand – und plakatierten überall:
»NICHT gesucht: Brian Anthony Harris.« Außerdem
ließen wir eine mobile Plakatwand auf einem Lastwagen
montieren, parkten ihn vor verschiedenen Polizeiwachen,
fuhren damit in Washington herum und machten sogar
einen Abstecher zum Weißen Haus.
• Nicht-Gesucht-Flugblätter
Wir produzierten ein paar Nicht-Gesucht-Plakate und
ebensolche Flugblätter mit einem Antifahndungsfoto von
Brian und seinen wichtigsten Daten und forderten damit
die Washingtoner Bürger auf, der Polizei zu sagen, sie
möge den abgebildeten Mann in Ruhe lassen. Auch dem
Weißen Haus statteten wir einen Besuch ab und
hinterließen einen Stapel Antisteckbriefe zum Verteilen.
• Himmelsbotschaften
Wir mieteten ein Flugzeug, das mit einem großen
Transparent Polizeireviere überflog, in denen Brian
angehalten worden war. Auf dem Transparent stand:
»NICHT GESUCHT: BRIAN ANTHONY HARRIS.«
• Weitere Maßnahmen
Wir ließen T-Shirts drucken – eines für Brian mit der
Aufschrift: »Ich war es nicht«, und mehrere andere für
seine Freunde mit der Aufschrift: »Er hat es nicht getan.«
Außerdem wurden Aufkleber mit dem Spruch »Ich bremse
101
für Brian Anthony Harris, aber ich halte ihn nicht an« auf
die Stoßstangen von Polizeiautos geklebt.
Brian Anthony Harris und sein Freund Tyler Shives.
Als die Kampagne zum Schutz von Brian Anthony Harris
in der ganzen Stadt auf Hochtouren lief, war es an der
Zeit, unseren Fall direkt den Herrschenden vorzutragen.
Brian und Michael betraten eine Polizeiwache, hängten
eines der Nicht-Gesucht-Plakate auf und sagten, sie
wollten den Chef sprechen. Man wies ihnen die Tür.
Während dies geschah, verpaßten andere Polizisten dem
Lastwagen mit unserem Plakat einen Strafzettel wegen
Falschparkens.
Aber wir von TV Nation gaben nicht so leicht auf, also
gingen wir in ein anderes Revier. Der Sergeant dort war
viel freundlicher und sagte, er wolle mit Brian über sein
Problem sprechen, aber nicht vor der Kamera. Wir waren
einverstanden, und er zog sich mit Brian in ein
Hinterzimmer zurück.
102
Eine Stunde später kam Brian wieder heraus. Er sagte,
die Polizisten hätten versprochen, ihn nicht mehr zu
belästigen. Sie hätten ihm eine spezielle Telefonnummer
gegeben, die er anrufen solle, wenn er angehalten werde.
»Angeblich brauche ich sie den Beamten nur zu zeigen,
und sie lassen mich in Ruhe«, berichtete Brian.
Er wirkte ganz glücklich und war sehr dankbar für
unsere Hilfe. Wir meldeten uns kürzlich wieder bei ihm
und fragten, wie es ihm jetzt gehe. Er sagte, seit unserer
Sendung sei er nicht mehr angehalten worden. Häufig
werde er sogar von Streifenpolizisten erkannt, die es sehr
spannend fänden, ihn kennenzulernen.
Okay, wir sind froh, daß wir wenigstens einem
Afroamerikaner helfen konnten. Aber was ist mit den
Millionen anderen, die von der Polizei belästigt werden?
Am Ende der Sendung, in der wir den Teil über Brian
Anthony Harris zeigten, bot Mike unseren männlichen,
afroamerikanischen Zuschauern seine Hilfe an. Wer ohne
jeden Grund von der Polizei angehalten wurde, konnte uns
unter einer 900er-Nummer anrufen und seinen Namen auf
ein großes Plakat setzen lassen, das wir vor dem FBIGebäude in Washington D.C. parken wollten. Auf dem
Plakat sollten die Gesetzeshüter in den USA aufgefordert
werden, DIESE MÄNNER IN RUHE ZU LASSEN.
Unsere Telefone klingelten wie verrückt.
103
9
Taxi
Habt ihr nicht auch manchmal Sehnsucht nach der guten
alten Zeit, als der Rassismus noch offen und unverblümt
war? An jeder Toilette hing ein deutlich lesbares Schild,
auf dem »Nur für Weiße« oder »Farbige« stand, und
dasselbe galt auch für Trinkbrunnen, Wartezimmer, Sitze
in Bussen und Zügen und insbesondere für die Schulen.
Das gab uns allen irgendwie ein sicheres Gefühl, man
wußte, wer dazugehörte und wer nicht. Schlichte Schilder.
Schlichte Gemüter.
Und dann, in den fünfziger und sechziger Jahren,
steckten ein paar Gutmenschen ihre Nase in die ganze
Sache rein und brachte alles durcheinander. Plötzlich
sollten die Rassen nicht mehr getrennt sein. Plötzlich
durfte niemand mehr wegen seiner Hautfarbe diskriminiert
werden. Und außerdem mußten alle Schilder entfernt
werden.
Na ja, das mit den Schildern haben sie geschafft. Sie
sind weg. Heute könnt ihr in jedes Stadtviertel ziehen. Ihr
könnt eure Kinder in eine Schule eurer Wahl mit
gemischtrassischer Schülerschaft schicken. Wenn ihr mit
einem Flugzeug fliegt, gibt es keine »Negerabteilung«
mehr im Heck der DC-10.
Aber natürlich ist das nicht die ganze Geschichte. Wann
bist du das letzte Mal geflogen und das Flugzeug war
voller Afroamerikaner? Wenn du ein Weißer bist, wie
viele Schwarze leben in deinem Stadtviertel? Wie stark ist
die Rassenintegration an der Schule deines Kindes?
Eigentlich herrscht immer noch dasselbe alte System mit
zwei Amerikas, einem schwarzen und einem weißen.
104
Als wir in Washington D.C. lebten, hatten wir recht
häufig ein unangenehmes Erlebnis, wenn wir unseren
Schneideraum in der Pennsylvania Avenue (nur vier
Blocks vom Weißen Haus entfernt) verließen: Manchmal
stand eine schwarze Person an der Straße und versuchte
ein Taxi anzuhalten, und wenn wir uns hinter sie stellten
und ebenfalls einem Taxi winkten, fuhr der Taxifahrer
IMMER an der schwarzen Person vorbei und wollte uns
mitnehmen. Wir bestanden darauf, daß der Fahrer den
Menschen mitnahm, den er ignoriert hatte, und winkten
ihm, damit er herkam und in das Taxi stieg. Aber wenn
wir nicht schnell genug die Tür öffneten und aufhielten,
raste das Taxi sehr oft davon.
Auch als wir nach der Fertigstellung von Roger & Me
nach New York zogen, erlebten wir häufig solche Szenen.
Doch dann bekamen wir grünes Licht für TV Nation und
hatten endlich die Möglichkeit, etwas dagegen zu
unternehmen.
In einem der ersten Teile, den wir für den Pilotfilm von
TV Nation drehten, stellten wir einen Afroamerikaner an
eine Straßenecke in Manhattan und 20 Meter weiter einen
Weißen. Um die Sache noch ein wenig spannender zu
machen, engagierten wir für die eine Rolle Yaphet Kotto,
einen schwarzen Schauspieler, der für einen Emmy
nominiert worden ist, und als Vertreter unserer Rasse
Louie Bruno, einen vorbestraften Verbrecher, der schon in
vier verschiedenen Gefängnissen gesessen hatte.
Für wen würden die Taxis wohl anhalten, für einen
ausgezeichneten schwarzen Schauspieler oder für einen
weißen Verbrecher? Na?
105
Yaphet Kotto, der Schwarze.
Louie Bruno, der Weiße.
106
Wie man Rassisten auf frischer Tat ertappt
Es gibt viele Möglichkeiten, Leute zu schnappen, die sich
in deiner Heimatstadt der Rassendiskriminierung schuldig
machen, auch wenn sie kein Schild aufhängen und keine
besondere Vorliebe für weiße Leintücher haben wie die
Typen vom Ku Klux Klan. Für jedes der folgenden
Experimente braucht ihr nur zwei Personen, einen
Schwarzen und einen Weißen, und ein bißchen Zeit:
1. IMMOBILENMAKLER: Sucht im Anzeigenteil der
Zeitung ein Haus, das in einem rein weißen Stadtviertel
zum Verkauf steht. Geht nacheinander hin. Nehmt einen
kleines Aufnahmegerät mit und zeichnet auf, was der
Makler oder die Maklerin sagt, um den schwarzen Kunden
vom Kauf des Hauses abzuhalten und um den weißen
Kunden zum Kauf zu bewegen. Am folgenden Tag ruft ihr
das Wohnungsamt in eurer Stadt an und spielt den
Beamten die Bänder vor. Geht zur Presse. Zwingt den
Makler, sein Geschäft aufzugeben.
2. JOGGT DURCH EIN VON WEIßEN BEWOHNTES
STADTVIERTEL: Arbeitet wieder getrennt und laßt euch
von einem Freund mit einer Videokamera aufnehmen, der
euch in 30 Metern Abstand mit einem Wagen folgt.
Irgendwer ruft immer die Polizei, wenn er einen
Schwarzen seine Straße entlangrennen sieht. Das kann
doch nur einen Grund haben: »ER HAUT MIT
IRGENDWAS AB!«
(Seid vorsichtig, wenn ihr dieses Experiment durchführt.
Im Gegensatz zu den Maklern, die nur mit ihrem dummen
Gequatsche bewaffnet sind, tragen die Polizisten Pistolen,
die sie gerne ziehen und auf schwarze »Verdächtige«
richten.)
107
3. ÜBER DEN WOLKEN: Ein Schwarzer und ein
Weißer buchen den gleichen Flug. Ihr setzt euch auf
getrennte Plätze in der ersten Klasse. Zählt die Sekunden,
bis der Flugbegleiter den Schwarzen nach seinem Ticket
fragt, um es zu »verifizieren«.
Wir stellten die beiden an die Ecke Amsterdam Avenue
und Seventy-sixth Street in der Upper West Side von New
York. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei der wir
von TV Nation mit versteckten Kameras arbeiteten: Ein
Kameramann war im zweiten Stock eines Gebäudes auf
der anderen Straßenseite plaziert, der andere in einem
geparkten Lieferwagen.
Ein Taxi nach dem anderen schoß an Yaphet vorbei und
nahm Louie mit. Klarer Rassismus zur besten Sendezeit.
Louie Bruno stieg in das Taxi und ließ sich nur fünf
Blocks weit mitnehmen. Dort wartete unser
Berichterstatter Rusty Cundieff mit einem weiteren
Kameramann und stellte dem Taxifahrer ein paar Fragen:
»Haben Sie den Schwarzen am Straßenrand gesehen,
bevor Sie diesen Fahrgast mitnahmen?«
»Äh, nö, hab ich nicht gesehen«, antwortete der
Taxifahrer.
Wir nahmen die Aussage des Taxifahrers ernst. Beim
nächsten Versuch stellten wir eine riesige Jupiterlampe an
den Randstein, die Mr. Kotto direkt beleuchtete. Trotzdem
fuhr natürlich auch der nächste Taxifahrer an ihm vorbei
und nahm Mr. Bruno mit. Rusty fragte den Taxifahrer, ob
er denn Yaphet nicht gesehen habe. Er antwortete: »Klar
doch, aber er sah irgendwie bedrohlich aus.«
Wieder nahmen wir den Taxifahrer ernst und gaben
Yaphet ein Baby auf den Arm und einen Strauß Rosen in
108
die Hand, damit er nicht mehr so »bedrohlich« aussah.
Und prompt fuhr auch das nächste Taxi vorbei.
Tatsächlich spielte es kaum eine Rolle, was wir taten.
Einmal versuchte Yaphet in einem Smoking, in dem man
die Oper oder ein Galadiner besucht, ein Taxi zu kriegen.
Doch für die Taxifahrer machte das keinen Unterschied.
Wir brachten sogar eines dieser großen, tragbaren,
beleuchteten Schilder mit, versahen es mit der Inschrift
»Ich brauche ein Taxi« und stellten es neben Yaphet. Die
Taxis rasten trotzdem an ihm vorbei und nahmen den
weißen Verbrecher mit.
Rusty fragte die Taxifahrer, ob sie wüßten, wen sie
mitgenommen hätten. Er zeigte ihnen eine Kopie von
Louies Vorstrafenregister. Sie waren schockiert. Dann
machte Rusty einen Sehtest mit den Fahrern, um
herauszufinden, ob es vielleicht an ihrem Sehvermögen
lag, daß sie einen 1,93 Meter großen, 110 Kilogramm
schweren Mann nicht sahen. Aber sie hatten einfach nur
spontan entschieden, daß Louie »ungefährlich« aussah,
weil er weiß war.
109
Erhebt eure Stimme
Wenn ihr irgendwo Rassendiskriminierung erlebt, tut was
dagegen. Mit Beschwerden kann man den Rassismus nicht
ausrotten, aber man kann die Taxiunternehmen auf das
Problem aufmerksam machen. Demonstriert außerdem
eure Solidarität, indem ihr bei jeder Gelegenheit euer Taxi
für jemanden aufgebt, der »übersehen« wurde.
NEW YORK CITY
Taxi & Limousine Commission Montag – Freitag, 9.0017.00 Uhr Tel.: 212 302 8294 oder
110
NYC-TAXI
Wählt die »l« auf dem Hauptmenu, dann erreicht ihr die
Beschwerdeabteilung.
WASHINGTON, D.C.
D. C. Taxicab Commission Tel.: 202 645 6010
Die Kommission bekommt Beschwerden allerdings
lieber schriftlich, und zwar an folgende Adresse:
D. C. Taxicab Commission
2041 Martin Luther King Jr. Ave.
SE, Room 201
Washington, D.C. 20020
BOSTON
Boston Police Taxi Department 154 Berkely Street
Boston, MA 02116 Tel.: 617 343 4475
CHICAGO
Dept. of Consumer Services Tel.: 312 744 9400
SAN FRANCISCO
San Francisco Police Dept. Taxicab Complaints Tel.: 415
553 1447
111
LOS ANGELES
Wenn dich in Los Angeles ein Taxi stehen läßt, hast du
vielleicht deine Medikamente falsch dosiert und bist in
Wirklichkeit gar nicht in L. A.
Schließlich fragte Rusty den letzten Taxifahrer, ob er sich
regelmäßig der Rassendiskriminierung schuldig mache.
Der Mann sagte: Nein, er diskriminiere überhaupt nicht.
»Gut«, sagte Rusty, »das freut mich. Ich habe ein paar
Freunde, die eine Fahrt in ein anderes Wohnviertel
brauchen.« Dann winkte er die Rap-Gruppe Run-D.M.C.
heran, und der Fahrer machte sich mit den Rappern
widerstrebend auf den Weg in die Bronx.
Zugunsten der New Yorker Taxifahrer muß gesagt
werden, daß sie nicht alle vorbeifuhren: Einige, meistens
Schwarze, nahmen auch Yaphet mit. Aber sie waren
eindeutig in der Minderheit.
Der Teil mit den Taxis wurde sofort ein Hit. Der
Showmaster Jay Leno rief an und wollte mit Branford
Marsalis, dem Leiter seiner Studioband, eine ähnliche
Szene
drehen.
Zahlreiche
Nachrichtensendungen
wiederholten das Experiment (natürlich ohne die
idiotische TV-Nation-Idee mit dem weißen Verbrecher).
Obwohl wir alle ordentlich was zu lachen hatten, war die
Sache eigentlich doch ziemlich ernüchternd, besonders als
wir hörten, daß der (schwarze) Regieassistent, der bei
»Taxi« mitgearbeitet hatte, nach den Dreharbeiten kein
Taxi bekam und Jim Czarnecki, der weiße Produzent der
Story, für ihn an die Straße treten und eines anhalten
mußte.
112
10
Sklaven
Illinois war der erste. Michigan und Rhode Island folgten
am nächsten Tag. Texas wartete 5 Jahre, und Delaware
weigerte sich über 35 Jahre mitzumachen. Kentucky
schloß sich sogar erst nach 111 Jahren an.
Schließlich jedoch tat sich Mississippi dadurch hervor,
daß es die Sklaverei als letzter Staat der Union abschaffte,
indem es das 13. Amendment der amerikanischen
Verfassung ratifizierte. Mississippi brauchte 130 Jahre,
bis es 1995 den folgenden einfachen Zusatzartikel
unterschrieb:
Abschnitt 1: Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit
darf, außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die
betreffende Person in einem ordentlichen Verfahren für
schuldig befunden worden ist, in den Vereinigten Staaten
oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit
bestehen.
Abschnitt 2: Der Kongreß hat das Recht, diesen
Zusatzartikel durch entsprechende Gesetze zur
Durchführung zu bringen.
Was war an diesen zwei Sätzen so außergewöhnlich und
mißfiel den Bürgern von Mississippi so außerordentlich,
daß sie ihnen über ein Jahrhundert lang nicht zustimmten?
Gab es vielleicht Leute, welche die vor langer Zeit
freigelassenen Sklaven ihrer Familie immer noch als ihr
Eigentum betrachteten? Hegte das Volk von Mississippi
113
vielleicht immer noch die Hoffnung, daß die gute alte Zeit
wiederkehren würde? Oder nahm es die Abschaffung der
Sklaverei einfach nur als ein weiteres Beispiel dafür, wie
die Liberalen und die große, böse Bundesregierung das
Selbstregierungsrecht der amerikanischen Bundesstaaten
mißachteten?
Egal aus welchem Grund, jedenfalls war das
Rassenproblem, genau wie heute die Entfernung der
Flagge der Konföderierten von den Dächern der
Landesparlamente im Süden, ein heikles Thema, an das
kaum jemand rühren wollte.
Aber genau wie der Gummiknüppel eines Polizisten aus
Simi Valley erhebt auch die Rassenfrage früher oder
später wieder ihr häßliches Haupt. Im Jahr 1995, als
haufenweise Kirchen von Schwarzen in Brand gesteckt
wurden, brachte die Gruppe der schwarzen Abgeordneten
im Senat von Mississippi ein Gesetz ein, das endlich die
Sklaverei in Mississippi abschaffen sollte.
Wir kamen ins Grübeln … Hey, bevor sie in Mississippi
die Sklaverei abschafften, sollten wir von TV Nation
vielleicht da runterfahren und uns schnell noch ein paar
Sklaven besorgen. Die Fernsehgesellschaft ermahnte uns
ständig, unsere Ausgaben zu kürzen, und gab es eine
bessere Art, Kosten zu sparen, als sich Leute zu besorgen,
die umsonst arbeiteten? (Solche Leute werden in der
Unterhaltungsindustrie
normalerweise
Praktikanten
genannt und im Weißen Haus … aber das lassen wir jetzt.)
Der einzige Unterschied zu unseren Sklaven war der,
daß sie alle weiß wären und unserem Berichterstatter
Rusty Cundieff gehören würden (der, wie es das Schicksal
will, schwarz ist).
Rusty fuhr nach Jackson in Mississippi, um dort von der
amerikanischen Tradition des Sklavenbesitzes zu
114
profitieren. Nach seiner Ankunft gab er folgende Anzeige
in einer Jacksoner Tageszeitung auf:
Fünfzig potentielle Sklaven bewarben sich. Wir
informierten sie, daß sie persönlich kein Geld erhalten,
aber ihre Familien entschädigt würden, damit wir sie eine
Woche lang als Sklaven halten könnten.
Wir wählten sechs Bewerber aus und legten sie in
Ketten. Dann gab Rusty jedem einen neuen
Sklavennamen: Billy Bob Cundieff, Newt Bob Cundieff,
Bob Bob Cundieff, Jesse Helms Bob Cundieff, Billy Bob
Dole Cundieff und Rush Bob Cundieff.
Nun taten die sechs Sklaven alles, was Rusty ihnen
befahl. Sie putzten seine Schuhe. Sie brachten ihm Mint
Juleps zum Trinken. Sie holten ihm die Golfbälle. Rusty
karrte sie im Kofferraum seines Wagens herum und führte
sie mit Kette und Halsfesseln durch die Innenstadt von
Jackson. Dabei folgten ihnen unzählige, neugierige Blicke.
Rusty geht mit seinen Sklaven Gassi.
115
Er ging mit seinen Sklaven in eine Country-andWestern-Bar und ließ sie mit knallender Peitsche für sich
tanzen. Einige Stammgäste der Bar nahmen Anstoß an
seinem Verhalten, und die weißen Sklaven hatten Angst,
daß sie von Bekannten gesehen und verdroschen werden
könnten, weil sie sich so von einem Schwarzen behandeln
ließen.
Die Spannung stieg, als Rusty mit seinen Sklaven im
Einkaufszentrum von Jackson erschien. Er bat einen
Verkäufer, die Kette mit den Sklaven zu halten, während
er eine Hose anprobierte. Der Verkäufer gehorchte.
Landessenator Hillman Frazier und Rusty genießen einen Mint Julep
und ihre Sklaven.
Verschiedene Bürger von Mississippi sagten, »die
Sklaverei sei zu ihrer Zeit wohl eine gute Sache gewesen«,
aber jetzt hielten sie sie nicht mehr für notwendig. Die
meisten waren überrascht, daß ihr Staat als letzter die
Sklaverei abgeschafft hatte, und keiner fand es gut, daß
ausgerechnet Mississippi diesen Rekord hielt.
116
Verschiedene Bürger von Mississippi sagten, »die
Sklaverei sei zu ihrer Zeit wohl eine gute Sache gewesen«,
aber jetzt hielten sie sie nicht mehr für notwendig. Die
meisten waren überrascht, daß ihr Staat als letzter die
Sklaverei abgeschafft hatte, und keiner fand es gut, daß
ausgerechnet Mississippi diesen Rekord hielt.
Rusty besuchte mit seinen Sklaven den Landessenator
Hillman Frazer, der der Gruppe der schwarzen Senatoren
angehörte, und fragte ihn, ob es in seinem Haus Arbeit zu
erledigen gäbe. Natürlich, sagte der Senator, und während
die beiden im Schatten saßen und Limonade tranken,
mähten die sechs Sklaven den Rasen, schnitten die Hecken
und brachten den Müll raus. Senator Frazier schien das
richtig zu gefallen.
Schließlich verabschiedete die Volksvertretung von
Mississippi das Gesetz. Damit war Mississippi der letzte
Staat, der das 13. Amendment ratifiziert hatte. Es war ein
erhebender Augenblick, als Rusty seinen Cundieffs die
Freiheit schenkte. Sie schüttelten ihm alle die Hand und
gingen zu den Klängen von »Born Free« ihres glücklichen
Weges, die Straße vor dem Landesparlament von
Mississippi hinunter.
117
Rusty winkt einem glücklichen weißen Jungen zum Abschied.
Newt Bob Cundieff machte sogar einen Salto zum
Abschied. »Da geht ein glücklicher weißer Junge«, sagte
Rusty nach dem tränenreichen Abschied, während hinter
ihm immer noch die Flagge der Konföderierten auf dem
Capitol von Mississippi wehte.
118
11
Ein Tag mit Dr. Tod
Eines Abends, wir sahen gerade die Evening News auf
CBS, überraschte uns der Moderator Dan Rather mit
einem Bericht aus Pontiac in Michigan. Der Reporter in
Pontiac begann seinen Bericht mit den Worten:
»Dan, wir wollen dem Land nicht den Eindruck
vermitteln, daß sich in Michigan alle umbringen …«
Wir wußten, daß die Lage in Michigan ganz schön übel
war, aber so schlimm doch auch wieder nicht. Wovon
sprach der Reporter?
Er sprach, wie sich herausstellte, von Dr. Jack Kevorkian
aus Michigan. Kevorkian war durch seine Anstrengungen,
Sterbenden beim Selbstmord zu helfen, bekannt geworden,
was ihm den Spitznamen Dr. Tod eingetragen hatte. Er hatte
eine Vorrichtung erfunden, mit deren Hilfe seine Patienten
einen friedlichen und schmerzlosen Tod sterben konnten. Die
Prozedur fand in der Regel in der Wohnung des Patienten, in
Kevorkians Lieferwagen oder in einem Hotelzimmer statt.
Wenn der Patient tot war, riefen Kevorkian oder sein Anwalt
Geoffrey Fieger die zuständigen Behörden an, damit sie den
Leichnam abholten. Dieser Anruf wiederum zog häufig
Kevorkians Verhaftung nach sich.
Selbst nach vier Strafprozessen war Kevorkian immer noch
fest entschlossen, weiterhin die Gesetze gegen Sterbehilfe für
Lebensmüde zu mißachten, weil er sie für verfassungswidrig
hielt. Immer wenn er vor Gericht kam, wurde er entweder
freigesprochen oder die Klage wurde abgewiesen. Also geht
der gute Doktor weiter seiner persönlichen Berufung nach,
das Leben von Menschen zu beenden, die unglaubliche
119
Schmerzen und Leiden erdulden müssen.
Dr. Tod und Michael machen zusammen wunderschöne Musik.
Er selbst schätzt, daß er bis heute bei beinahe 100
Selbsttötungen geholfen hat.
Das ist eine Menge ziemlich grausame Arbeit, und wir
dachten, sie müsse ziemlich deprimierend sein. Wir bei TV
Nation überlegten uns, was Dr. Tod wohl in seiner Freizeit
machte.
Dr. Kevorkian gibt Mike den Stoß, den er braucht.
120
Paco de Onis, der Produzent des Beitrags über Kevorkian,
nahm mit dessen Anwalt Fieger Kontakt auf und schlug
vor, daß Michael einen freien Tag mit Dr. Kevorkian
verbringen sollte. Keine Sterbehilfe, nur ein freier Tag.
Fieger war ein Fan von Roger Er Me, und die Idee gefiel
ihm ziemlich gut. Er wußte nicht, ob der Doktor an
unserem Vorschlag interessiert sein würde, da er ein sehr
ernsthafter Mann war. Doch Fieger war, buchstäblich und
figurativ, die rockige Hälfte des dynamischen Todesduos
(sein Bruder war der Sänger der Gruppe The Knack), und
er reagierte auf unser Angebot mit entschiedenem
Wohlwollen.
Ein paar Wochen später rief er an und bestätigte, daß
Dr. Kevorkian zugestimmt hatte, einen Tag mit Mike zu
verbringen. Es sollte einer der surrealsten Drehtage von
TV Nation werden.
Kevorkian lebt in einem schlichten Mietshaus in einem
Vorort von Detroit. Er ist ein schmächtiger, bescheidener
Mann und sieht aus, als wäre er am glücklichsten, wenn er
Kreuzworträtsel löst und dabei Benny Goodman hört.
Eine seiner ersten Taten bestand darin, daß er Mike
aufforderte, Platz zu nehmen und ein bißchen mit ihm zu
musizieren. Im Handumdrehen saß Mike am Keybord, und
Dr. Jack hatte seine Querflöte in der Hand. Die beiden
machten wunderschöne Musik miteinander:
Bach, Mozart, Chopin – man konnte sich vorstellen, daß
sie eine Tournee machten und in den größten
Konzerthallen der Welt spielten.
Danach bot Kevorkian an, ein Porträt von Mike zu
malen. Der Doktor ist ein talentierter Künstler. Seine
Gemälde sind ausdrucksstarke, häufig groteske
Wiedergaben seiner Sicht der Welt: abgetrennte Köpfe
von Generälen und Kriegstreibern, verrückte Bilder von
121
der Hölle und Nazideutschland, Tiere, die sich auf die
Apokalypse vorbereiten. Stellt euch Salvador Dali auf
einem LSD-Horrortrip vor und ihr habt ein ziemlich klares
Bild von Kevorkians Kunst.
Kevorkians Porträt zeigte Mike mit einem Apfel im
Mund (und läßt an Eva im Garten Eden denken).
Als nächstes schlug Mike ein gemeinsames Picknick im
Park vor. »Heute wollen wir das Wort ›Tod‹ nicht einmal
in den Mund nehmen«, sagte Mike. »Wir wollen das
Leben mit Ihnen feiern. In unserer Show werden Sie nicht
›Dr. Tod‹, sondern ›Dr. Leben‹ heißen.«
Im Park breiteten die beiden eine Decke aus, und Mike
bereitete ein fürstliches Mahl aus Mortadella-Sandwiches,
Tortilla-Chips, Käsestangen und verschiedenen anderen
kalten Speisen. Kevorkian ermahnte Mike, weil er Junk
Food aß. »Das Zeug wird Sie umbringen«, sagte er.
Die gemeinsamen Aktivitäten von Mike und Jack
reichten aus, um selbst den härtesten Sterbehilfearzt für
Lebensmüde aufzumuntern. Sie spielten Frisbee. Sie
ließen einen Drachen steigen. Sie schoben einander beim
Schaukeln an. (Mike war stets auf der Hut, damit Jack ihm
in seiner Begeisterung nicht den Gnadenstoß versetzte.)
Mike hatte ein altes Kabrio gemietet, und die beiden
machten eine sonntägliche Spritztour in die Innenstadt von
Detroit. Ihr erster Halt war das Henry Ford Hospital, wo
Kevorkian als junger Mann Assistenzarzt gewesen war. In
Übereinstimmung mit dem Vorsatz, das Leben zu feiern,
ging Mike mit Dr. Kevorkian hinein, um die
Neugeborenen zu begrüßen, die gerade auf dieser Welt
angekommen waren.
Ein Wachmann erspähte Dr. Tod und hielt die Besucher
im Eingangsbereich auf. Ein Mann von der Verwaltung
des Krankenhauses kam eine Treppe herunter und befahl
122
Dr. Kevorkian zu gehen. Der Doktor war gekränkt. Der
Vorfall war ihm peinlich, und Mike tat es leid, daß er ihn
in diese Situation gebracht hatte. Wir hatten eine solche
Reaktion in dem Krankenhaus nicht erwartet, und es war
gewiß nicht in Ordnung, jemanden so zu behandeln, der
keinen Cent dafür berechnet, Menschen zu helfen, die
ihrem Leiden ein Ende bereiten wollen. (Ganz im
Gegensatz zu den meisten Krankenhäusern und Health
Maintenance Organisations, die eine Riesenmenge Leiden
verursachen und auch noch die Frechheit haben, Geld
dafür zu verlangen!)
Mike wollte Jack aufmuntern, also machte er einen
anderen Vorschlag. Nur ein paar Blocks von dem
Krankenhaus entfernt befand sich die internationale
Konzernzentrale von General Motors. »Los, Jack«, sagte
Mike, »schauen wir mal, was dort läuft.«
Mike war seit den Dreharbeiten für Roger & Me nicht
mehr in dem Gebäude gewesen. Es war ein riskanter
Besuch, aber hey, sie waren wieder dabei, das Leben zu
feiern!
Der Wachmann traute seinen Augen nicht, als sowohl
Dr. Kevorkian als auch Michael Moore zur Tür
hereinkamen. Der Ausdruck in seinem Gesicht (und die
Hand auf seiner Pistole) sagte alles: »WELCHEN
ERLEDIGE ICH ZUERST?«
Als sie in der großen, reich verzierten Eingangshalle
standen, fragte Michael den guten Doktor, ob er vielleicht
… hmm … irgendwelche Lösungen für das Unternehmen
hätte. Kevorkian verstand zunächst nicht, was Mike
meinte, aber dann dämmerte es ihm, und er lächelte.
»Oh ja, vielleicht schon«, sagte er.
Wir machten uns auf den Rückweg zu Kevorkians Haus,
um uns weiter zu vergnügen, aber inzwischen war es kühl
123
geworden, und wir fuhren immer noch mit offenem Dach.
Vielleicht dachte Dr. Kevorkian, wir wollten ihn vor der
Zeit ins Grab bringen. Jedenfalls verschlechterte sich seine
Laune rapide, und er klagte, daß er sich eine Erkältung
holen werde. Als wir bei seinem Haus ankamen, sagte er,
für ihn sei der Lebensfeiertag zu Ende, und er wolle nicht
mehr an unserem Abenteuer teilnehmen. Sein Anwalt
versuchte zu vermitteln, damit wir weiterdrehen konnten,
aber wir wollten den Doktor nicht drängen. Es war
ohnehin ein langer Tag gewesen.
Beim Abschied hofften wir, daß Dr. Kevorkian künftig
als ein Mensch verstanden würde, der ein wichtiges
Anliegen hatte, und nicht mehr jedem hergelaufenen
Komiker als Zielscheibe dienen würde. Man kann mit ihm
übereinstimmen oder nicht, aber es gibt triftige Gründe für
sein Handeln. Wir machen einen verdammt schlechten Job
bei der Pflege unserer Todkranken. Anstatt daran zu
arbeiten, ihre letzten Tage so angenehm und schmerzlos
wie möglich zu gestalten, haben wir Methoden erfunden,
um ihr Leben noch stark zu verlängern, während sie für
astronomische Summen entsetzliche Schmerzen erleiden.
Wie human.
124
12
Seid ihr auf einen
Gefängnisaufenthalt vorbereitet?
Da heute über 1,5 Millionen Amerikaner hinter Gittern
sitzen (das ist jeder achtzigste erwachsene Mann), kamen
wir zu dem Schluß, daß wir unsere Zuschauer auf den Tag
vorbereiten sollten, an dem sie vielleicht selbst bei ihren
Freunden und Nachbarn im Knast landen.
Wir nahmen Kontakt mit dem Gefängnisberater Frank
Sweeney auf, der rechtskräftig verurteilten Menschen hilft,
sich auf die große Reise hinter schwedische Gardinen
vorzubereiten.
Frank Sweeney ist kein gewöhnlicher Experte. Er ist ein
mehrfach vorbestrafter, entlassener Strafgefangener und
saß für verschiedene Verbrechen (von der Benutzung von
Posteinrichtungen in betrügerischer Absicht bis zum
tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten) insgesamt 22
Jahre hinter Gittern. Heute berät er frisch verurteilte
Straftäter. So, und jetzt sucht euch einen Stift und macht
euren »Gefängnisvorbereitungstest«. Aber denkt dran:
Schummeln verboten! Hier die erste Frage:
FRAGE: Im Gefängnis sollte ich mich am meisten
bemühen um ein gutes Verhältnis zu:
A. den Wärtern
B. den anderen Häftlingen
C. meinem Pflichtverteidiger
125
Exhäftling Frank Sweeney.
ANTWORT: B – Laut Frank »muß man sich nicht nur
gegenüber dem Personal, sondern auch gegenüber den
anderen Gefangenen respektvoll verhalten. Letzteres ist
sogar noch wichtiger. Die Wärter würden einen nicht
töten, die Mitgefangenen schon.«
FRAGE: Man sollte seine Freunde im Gefängnis
A. selbst aussuchen
B. sich von ihnen aussuchen lassen
ANTWORT: A – Laut Frank ist es »am besten, wenn du
dir deine Freunde selbst aussuchst. Wenn dich andere
Leute zum Freund haben wollen, hat das oft den Grund,
daß sie dich für irgendwas benutzen wollen. Ich würde
meine Freunde lieber selbst aussuchen, als mich von ihnen
aussuchen zu lassen.«
FRAGE: Ich habe im Gefängnis viele Freunde gefunden.
126
Es ist eine gute Idee, ihnen die Adresse meiner Wohnung
zu geben. Richtig oder falsch?
ANTWORT: Falsch – »Den Freunden, die du im
Gefängnis gefunden hast, deine Adresse zu geben ist eine
sehr schlechte Idee. Ich würde keinem Mitgefangenen
total vertrauen. Du kriegst vielleicht später Probleme mit
dem Mann, dem du deine Adresse gegeben hast, und noch
später rächt er sich vielleicht an deiner Familie.«
FRAGE: Ich bin ein bißchen wählerisch beim Essen.
Irgendwelche Tips für mich?
ANTWORT: »Seit 1973 gibt es in jedem Bundesgefängnis
koschere Kost. Ich hatte mal einen jüdischen Freund im
Knast. Er ließ mich sein Essen probieren, und es war
köstlich. Also beantragte ich, als ich das erste Mal ins
Gefängnis kam, ein Gespräch mit dem Rabbi und
überzeugte ihn, daß ich Jude bin.«
FRAGE: Für welches Verbrechen werde ich am ehesten
mit einem selbstgemachten Messer erstochen?
A. Hochverrat
B. Benutzung von
betrügerischer Absicht
C. Sex mit Tieren
Posteinrichtungen
in
ANTWORT: C – »Ich habe während meiner ganzen
Karriere als Strafgefangener niemals gehört, daß jemand
wegen Sex mit Tieren im Gefängnis saß. Vielleicht hat es
127
einfach niemand zugegeben, aber ich habe jedenfalls nicht
davon gehört.«
FRAGE: Ich bin ein Mensch, der sich nur ungern von
seinen Mithäftlingen vergewaltigen läßt.
ANTWORT: »Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit
dafür – obwohl sie bei älteren Männern nicht groß ist. Im
allgemeinen kommen homosexuelle Vergewaltigungen
vorwiegend in Besserungsanstalten vor und weniger in
Strafanstalten für Erwachsene. Das liegt schlicht und
einfach an mangelnder Attraktivität. Wenn man
achtunddreißig und älter ist, hat man den jungenhaften
Charme längst verloren.«
FRAGE: Sexuelle Beziehungen im Gefängnis gleichen am
ehesten
A. einem heißen neuen französischen Film
B. dem Auftrieb der Stiere in Pamplona
C. Ali gegen Frazier im Thriller von Manila
D. in
gegenseitigem
Einverständnis
eingegangenen Liebesbeziehungen
ANTWORT: D – »Im allgemeinen werden homosexuelle
Beziehungen
in
gegenseitigem
Einverständnis
eingegangen. In den Anstalten für Erwachsene wird fast
nie darum gekämpft, wer zu wem gehört – oder wer wen
dominiert –, das wird in gegenseitigem Einverständnis
geregelt. Ich bin kein Hetero … Hetero … Homosexueller,
also hatte ich nie sowas, ich war an solchen Handlungen
nicht beteiligt.«
128
FRAGE: Der Begriff, der die Gesundheitsversorgung im
Gefängnis am besten beschreibt, lautet:
A. umfassende
Krankenversorgung
kanadischen Stils
B. Health Maintenance Organisation
C. nicht besonders gut
ANTWORT:
C
–
»Es
gibt
keinen
Gesundheitsversorgungsplan.
Die
medizinische
Behandlung in der Einrichtung, wo ich war, war nicht
besonders gut. Du hast einen Herzanfall? Nimm ein
Aspirin. Wir sehen uns dann morgen.«
Na, wie habt ihr abgeschnitten? Wenn ihr über 70 Prozent
richtige Antworten habt, kommt ihr im Gefängnis
wahrscheinlich gut zurecht. Wir sehen uns dann unter der
Dusche!«
129
13
Ich will ein Argentinier sein
Damals, 1982, sieben Jahre nach dem Ende des
Vietnamkriegs und lange bevor die Vereinigten Staaten
auch nur daran denken konnten, wieder in einem anderen
Land einzumarschieren, verspürten die Briten das
dringende Bedürfnis, jemand in den Arsch zu treten. Es
war schon eine ganze Weile her, daß sie jemandem eine
ordentliche Tracht Prügel verpaßt hatten. Wir in den USA
versuchten uns krampfhaft an die Zeit zu erinnern, als sie
noch niemand gebraucht hatten, der ihnen aus dem
Schlamassel half. Sehen wir der Tatsache ins Auge: Es
war lange her.
Aber 1982 wurde Großbritannien von Margaret Thatcher
mit eiserner Hand regiert. Sie war dank einer massiven
Gegenreaktion gegen die uneffektive Labor Party des
Vereinigten Königreichs an die Macht gekommen und
hatte eine enge Freundschaft mit Ronald Reagan
geschlossen, die auf einer gemeinsamen politischen
Philosophie beruhte: Besiege den Kommunismus und
mache die Welt sicher für die Konzerne.
Zur selben Zeit wurde auf der anderen Seite des Erdballs
in Argentinien die regierende Militärjunta bei der
Bevölkerung
immer
unbeliebter.
Zu
viele
»verschwundene« Staatsbürger machen die Leute einfach
ein bißchen nervös und gereizt. Und was tun die Führer
eines Landes, wenn es danach aussieht, als könnten sie
bald die Macht verlieren? Sie fangen einen Krieg an!
Für die argentinischen Generäle hätte es dafür keinen
besseren Ort geben können als die kleine, unbedeutende
Gruppe der Falkland-Inseln, 460 Kilometer südöstlich der
130
argentinischen Atlantikküste. Die Argentinier nannten die
Inselgruppe Malwinen. Diesen Namen hatten ihr die
Spanier Jahrhunderte zuvor gegeben, bevor ihnen ihr
»Besitz« von den Briten gestohlen wurde.
Die Generäle dachten wahrscheinlich, daß es den Briten
nichts ausmachen würde, wenn sie sich die Inselgruppe
zurückholten. Eines Tages schickten sie einen Haufen
Schiffe zu den Inseln, besetzten sie und informierten die
Bewohner, daß sie nun Argentinier seien.
Margaret Thatcher wurde fuchsteufelswild. Obwohl sie
(und die meisten anderen Briten auch) wahrscheinlich
Hilfe gebraucht hätte, um die Falkland-Inseln auf der
Karte zu finden, obwohl weder sie noch sonst ein
Premierminister die Inseln je besucht hatte und obwohl es
ganz so aussah, als ob die wichtigste strategische
Bedeutung der Inseln in der Schafzucht lag, erklärte
Thatcher, die Krone und das Britische Empire seien
angegriffen worden, und kündigte für diesen Angriff auf
die Untertanen der Königin Vergeltung an.
Sie schickte eine Armada von Kriegsschiffen und
Kampfflugzeugen in den Südatlantik. Da es ein paar Tage
dauern würde, bis sie dort ankamen, rechnete das britische
Militär damit, daß die Argentinier diese Zeit nutzen
würden, um sich mit heiler Haut zurückzuziehen. Aber die
Argentinier waren leider nicht schnell genug.
Nach ein paar Tagen waren die Briten da und zeigten wie
immer, wenn sie zu den Waffen griffen, keine Gnade. Es
dauerte nur zehn Wochen und kostete etwa 1000
überwiegend argentinische Soldaten das Leben, dann
gehörten die Falkland-Inseln wieder zum Vereinigten
Königreich. Die Bewohner der Inseln jubelten, Thatchers
Popularität in Großbritannien stieg auf ungeahnte Höhen,
und Reagan wurde ganz rot vor Glück angesichts der
erfolgreichen Militäraktion seiner Freundin. Ja, er entschloß
131
sich sogar schon wenige Monate später, dem Beispiel der
Königin seines Herzens zu folgen, und marschierte auf der
kleinen, unbedeutenden Insel Grenada ein.
Die Bevölkerung von Argentinien hatte endlich genug
davon, sich von ihrem eigenen Militär mißhandeln zu
lassen, und erhob sich gegen die Generäle. Bald darauf
siegte die Demokratie, und Argentinien war ein neues
Land. Jahre vergingen, aber daß eine Inselgruppe vor der
argentinischen Küste von einem 16000 Kilometer
entfernten Inselstaat beherrscht wurde, stieß vielen
Argentiniern immer noch übel auf.
Deshalb entwickelte die argentinische Regierung 1995
einen Plan, wie sie die Falkland-Inseln gewaltfrei unter
ihre Herrschaft bringen könnte. Sie machte den
Inselbewohnern ein Angebot, von dem sie glaubte, daß sie
es nicht ablehnen könnten. Wenn die Bewohner der
Falklands dafür stimmten, Argentinier zu werden, sollte
jeder einzelne Inselbewohner ein Geschenk von 100000
Dollar oder bis zu 800000 Dollar pro Familie erhalten, bar
auf die Hand und ohne weitere Bedingungen.
Es gehört sehr viel Mut dazu, so viel Geld nicht
anzunehmen. Es sei denn, man ist ein Falkländer. Die
Abstimmung fand nie statt. Die Falkländer waren nicht
einmal interessiert an dem Angebot. Ihre Haltung war:
Behaltet euer Geld und weint uns nicht nach …
Stellt euch vor, die Argentinier hätten allen Einwohnern
von Newark in New Jersey dasselbe Angebot gemacht.
Wow! Wo muß ich unterschreiben? Und was wäre
geschehen, wenn sie einer der wirtschaftlich verheerten
Regionen in Thatchers Großbritannien diesen Vorschlag
gemacht hätten? Hätten die Bewohner dieser Region das
Geld aus Buenos Aires auch so schnell abgelehnt?
Natürlich war es für die Falkländer leicht, das Angebot
abzulehnen, hatten die 2000 Bewohner der Inseln doch
132
seit 1982 fast 100 Millionen Dollar Hilfe aus
Großbritannien bekommen. Wie aber verhält es sich, wenn
man in einer Stadt lebt, der es wirtschaftlich so schlecht
geht, daß 100000 Dollar nach einem ziemlich guten
Angebot aussehen, auch wenn man dafür seine
Staatsbürgerschaft aufgeben muß?
Wir beschlossen, diese Frage durch ein Experiment zu
klären. Unsere Berichterstatterin Karen Duffy reiste nach
Maerdy in Wales um herauszufinden, ob es den Leuten
dort etwas ausmachen würde, Argentinier zu werden.
Maerdy, eine ehemalige Bergarbeiterstadt, war in einem
schlechten Zustand. In den fünf Jahren zuvor waren über
400 Arbeitsplätze verlorengegangen, der Anteil der
Arbeitslosen hatte sich mehr als verdoppelt, und das
soziale Netz, für das die Briten immer so berühmt waren,
wurde radikal zusammengeschnitten. Nur einer einzigen
Sache
verdankte
die
Stadt
einen
gewissen
Bekanntheitsgrad und ein paar zusätzliche Pfund an
Einnahmen aus dem Tourismus: Sie war der Geburtsort
des Sängers Tom Jones.
Karen spazierte durch die Straßen von Maerdy und
sprach mit den Leuten. Im Metzgerladen, im Pub, am
Blumenverkaufsstand, überall stellte sie die Frage:
»Wenn ich die argentinische Regierung dazu bringen
könnte, Ihnen 100000 Dollar zu zahlen, würden Sie dann
Argentinier werden?«
Wie erwartet reagierten die Leute begeistert auf Karens
Frage. Es war verblüffend, wie viele Leute bereit waren,
der Krone den Gehorsam aufzukündigen, wenn sie dafür
ein paar Extra-Pfund zum Überleben bekämen. Wir
fragten uns, wie groß ihre Loyalität gewesen wäre, wenn
die 1,4 Milliarden Dollar, die der Falklandkrieg
verschlungen hat, in die Rettung von Städten wie Maerdy
133
investiert worden wären.
Karen Duffy gibt den Einwohnern von Maerdy Spanischunterricht.
Um wirklich bei allen die Bereitschaft zu wecken,
argentinische Staatsbürger zu werden, und um der
argentinischen Regierung zu zeigen, wie ernst es den
Leuten damit war, gaben wir Spanischunterricht, verteilten
Gaucho-Hüte
und
Gaucho-Halstücher,
gaben
Tangostunden auf dem Rathausplatz und brachten die
Leute dazu, dem Papst Briefe zu schreiben mit dem
Ansinnen, er möge Evita Perón heilig sprechen.
Wir feierten ein großes Fest im Freien, schmückten die
Straßen mit argentinischen Flaggen und servierten
argentinisches Rindfleisch. Das Ganze wurde von unserer
Crew auf Videoband aufgenommen.
Mit dem Band in der Hand fuhr Karen nach London zu
einem zuvor vereinbarten Treffen mit dem argentinischen
Botschafter. Als sie ihm jedoch erklärte, was sie von ihm
134
wollte, nämlich Geld für die Annahme der argentinischen
Staatsbürgerschaft, war das Gespräch jäh zu Ende, und er
warf sie hinaus. Das argentinische Konsulat protestierte
offiziell bei den für die BBC zuständigen
Entscheidungsträgern in der britischen Regierung (was
eine empfindliche Schwäche staatlich kontrollierter
Medien ans Licht brachte). Der Protest war Anlaß für
einen der seltenen Fälle, bei dem TV Nation auch in den
Chefetagen der BBC auf Widerstand stieß. Den
verantwortlichen Produzenten der Show wurde mitgeteilt,
daß die Sendung so nicht ausgestrahlt werden könne.
Karen lädt alle zu unserem Fest im Freien ein.
Wir wollten auf den Bericht über Maerdy jedoch nicht
verzichten, also verhandelten wir. Die Produzenten teilten
uns mit, daß wir ein Interview mit einem Argentinier auf
US-amerikanischem Boden führen müßten. Also versuchte
Karen in New York ein zweites Interview mit einem
Vertreter der argentinischen Regierung zu führen. Auch er
verhielt sich jedoch alles andere als entgegenkommend
und forderte unsere Crew auf zu gehen. Wir hatten einen
internationalen Zwischenfall verursacht.
135
Unverdrossen hinterließ Karen das Videoband, die
Briefe der Einwohner von Maerdy und das Album Tom
Jones’s Greatest Hits auf der Türschwelle der Botschaft.
Am Ende strahlte die BBC »Falklands« als ersten Teil in
der Sendung Best of TV Nation aus.
136
14
Werbemüll
Freust du dich manchmal darauf, in deinen Briefkasten zu
schauen, wenn du nach Hause kommst? Auf welche Post
freust du dich? Auf persönliche Briefe von Freunden und
lieben Bekannten? Auf dicke Schecks mit großen Zahlen
vor dem Komma? Zum Teufel, nein! Heutzutage schreibt
doch niemand mehr Briefe, und wann hast du das letzte
Mal einen Scheck im Briefkasten gehabt? Heutzutage
verschicken Computernutzer E-Mails und alle anderen
telefonieren, wenn sie was zu sagen haben, und dann
fragen sie meistens, ob dein Scheck auf dem Weg zu ihnen
ist.
Alles, was heutzutage in unseren Briefkästen landet, sind
Rechnungen (die wir sowieso nicht gern kriegen) und
Werbemüll. Den gibt es allerdings tonnenweise:
angefangen mit dem riesigen Umschlag, der »SIE HABEN GERADE ELF MILLIONEN DOLLAR VON
AMERICAN FAMILIY PUBLISHERS GEWONNEN«
schreit, über den Packen Gutscheine für Liquid Gold, die
du nie einlösen wirst, bis zu den Katalogen mit Models,
die Kleider tragen, in die du nie reinpassen würdest. Der
gute alte, verläßliche US-Briefkasten ist zum Mülleimer
für den amerikanischen Kapitalismus geworden. Er ist die
einzige legale Möglichkeit, wie ein Unternehmen
ungestraft unerwünschten Müll auf deiner Türschwelle
abladen kann. Die Tatsache, daß ihm eine quasi-staatliche
Einrichtung dabei hilft, macht die Sache um so
empörender. Irgendwie traurig, nicht? Schließlich ist der
Briefkasten eines der wenigen Dinge, die wirklich jeder
von uns hat (wenn er nicht zu den zwei Millionen
137
Obdachlosen gehört). Nicht einmal der heißbegehrte
Fernsehapparat (der in 97 Prozent aller USamerikanischen Haushalte steht) ist in der Bevölkerung so
weit verbreitet.
Eines Tages wühlten wir uns durch den Müllcontainer,
den man früher mal Briefkasten nannte, und fanden einen
Brief von Sergeant Stacey C. Koon, Los Angeles Police
Department. Es war so ein Postwurf-Bettelbrief, wie sie an
Millionen Haushalte verschickt werden, damit man für
irgendeine verdienstvolle Organisation eine großzügige
Spende abdrückt. Dieser Brief jedoch stammte nicht von
einer der einschlägigen Gruppen. Er stammte von dem
Polizisten aus Los Angeles, der Rodney King auf den
Kopf geschlagen hatte. Der Beamte bat um Spenden bis zu
1000 Dollar, damit er die Kosten der Anwälte bezahlen
konnte, die für eine Aufhebung des gegen ihn verhängten
Urteils stritten. Hier ein Auszug aus dem Schreiben:
… vor einigen Jahren war auf unserem Revier ein
schwarzer, männlicher Prostituierter in Gewahrsam. Er
bekam einen Herzstillstand, aber keiner meiner Kollegen
wollte ihm helfen. Sie hatten Angst, daß er AIDS haben
könnte. Ich gab ihm eine Mund-zu-Mund-Beatmung, um
ihm das Leben zu retten, weil ich meinte, daß dies meine
Pflicht sei. Leider starb der Mann, und wie sich
herausstellte, hatte er tatsächlich AIDS. Verhält sich so
ein Rassist? Bitte, bitte helfen Sie mir um der
Gerechtigkeit und um meiner Frau Mary und meiner fünf
Kinder willen, das liberale Establishment zu bekämpfen
und für Gerechtigkeit zu sorgen. Ich habe sonst
niemanden, an den ich mich wenden könnte.
Bitte schicken Sie wenigstens einen kurzen Brief an
Mary und sprechen ihr Mut zu in dieser schrecklichen
Zeit. Vielen Dank und Gott segne Sie.
138
Wir waren baß erstaunt. Wie kam Sergeant Koon darauf,
daß jemand einem Kerl wie ihm auch nur einen Cent
schicken würde? Wir gingen der Sache auf den Grund und
riefen bei der Firma an, bei der er die Postwurfsendung in
Auftrag gegeben hatte. Dort erzählte man uns, daß er von
den Empfängern des Briefes bereits Tausende von Dollar
eingesackt hatte. Wow!
Ja, wir Amerikaner sind ein großzügiges Volk, und je
niedriger unsere soziale Schicht, desto mehr geben wir.
Aber rücken wir wirklich für jeden ein paar Dollar raus,
139
der uns um eine milde Gabe bittet? Haben wir denn gar
keine Maßstäbe, auf welche Bettelbriefe wir mit einem
Scheck reagieren?
Wir wollten genau das herausfinden und nahmen mit
David Litwinsky von der New Yorker Firma ALL Direct
Mail Kontakt auf. Wir baten ihn, eine Reihe von
Spendenkampagnen per Postwurfsendung für uns zu
konzipieren. Wir wollten das ganze Paket: das
»persönliche« Anschreiben, in dem der dringende Grund
für die dringende Bitte um Hilfe dargelegt wird, die
mitversandten Fotos oder wertlosen Schmuckstücke, die
potentiellen Spendern das Herz rühren sollen, und den
Umschlag, der den Empfänger dazu verführen muß, den
Brief zu öffnen, statt ihn in den Müll zu werfen.
Und für wen sollten diese Postwurfsendungen um Hilfe
bitten? Für:
- Charles Keating, den verurteilten Angestellten der
Savings and Loan Association.
- Jeffrey Dahmer, den verurteilten Mörder und
Kannibalen.
- Die Königin von England (hinreichend bekannt).
- Senator Bob Packwood, der zum Rücktritt gezwungen
wurde, weil er Frauen aus seinem Stab sexuell belästigte.
- Mohammed Salameh, der wegen der Bombe im World
Trade Center verurteilt wurde.
- Und für Roy Sekoff, einen Berichterstatter von TV
Nation.
Bei der Agentur hatten sie zu jeder unserer
geldbedürftigen Personen ihre eigene Meinung. Keating
war ihrer Ansicht nach der schwierigste Fall, weil bei dem
140
massenhaften Zusammenbruch der amerikanischen
Bausparkassen so viele Leute ihre gesamten Ersparnisse
verloren hatten. Bei der Agentur war man sich sicher, daß
die meisten Leute für einen »Betrüger« keine Sympathien
entwickeln würden. Doch wir formulierten einen Brief,
der Keating als einen Mann porträtierte, der an den
wichtigsten Grundsatz unseres Systems glaubte: Mach auf
jede erdenkliche Art so viel Geld, wie du nur kannst. Wir
hofften, daß er deshalb von manchen als Opfer gesehen
werden würde. Wir schrieben folgenden Brief:
Lieber amerikanischer Mitbürger,
… Seit seiner Kindheit wollte der kleine Charlie Keating
in seinem Leben schlicht und einfach nur das eine: sparen
und Geld verleihen. Wenn er nicht vom Sparen sprach,
sprach er vom Verleihen.
Stellt euch die große Freude vor, als der zehnjährige
Junge herausfand, daß er nicht allein war, sondern daß es
noch andere gab wie ihn, sogar Tausende, und daß sie
sogar einen stolzen Namen hatten: »Bausparkassenleiter.«
… Wenn Sie auch solche Träume haben, Träume, denen
Charles Keating hinterherzujagen wagte, weshalb er jetzt
im Gefängnis sitzt, dann, lieber amerikanischer
Mitbürger, sitzen Sie mit ihm im Gefängnis. Natürlich
nicht in Wirklichkeit, aber es ist fast so, als säßen Sie drin.
Aber wie dem auch sei, Sie wissen jedenfalls, daß
Berufungsverfahren teuer sind.
»Aber was ist mit den zwei Millionen Dollar aus seiner
Bausparkasse?« werden Sie vielleicht fragen. Nun, mein
Freund Charles Keating steht hier nicht vor Gericht,
sondem Ihre Zukunft. Und wenn Sie Kinder haben, auch
die Zukunft Ihrer Kinder, und wenn Sie Kinder haben und
Ihre Kinder haben Kinder, dann auch die Zukunft der
141
Kinder Ihrer Kinder …
Auch Dahmer war ein schwieriger Fall. Er hatte
schließlich rund ein Dutzend junger Leute getötet und
teilweise gegessen. Aber wenn sich der Brief darauf
konzentrierte, daß er auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert
hatte, würde die Öffentlichkeit, oder wenigstens ein Teil
davon, sein Anliegen schon verstehen.
Lieber amerikanischer Mitbürger,
sagen wir’s ganz deutlich: Wenn Sie der Ansicht sind,
daß der Staat das Recht hat, Ihren Speiseplan strikt auf
Fisch, Geflügel, Rind- und Schweinefleisch, Getreide,
Milchprodukte, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu
beschränken, müssen Sie diesen Brief sofort in den Müll
werfen. Wenn Sie jedoch der Ansicht sind, daß der Mensch
das Recht hat, sich an allen Kreaturen kulinarisch zu
erfreuen, die Gott geschaffen hat, also auch am zarten
Fleisch seiner Mitmenschen, dann lesen Sie bitte weiter …
Jeffrey Dahmer ist der politische Sündenbock radikaler
Vegetarier und egoistischer Magersüchtiger, die genau
wissen, daß er völlig unschuldig ist und sich nur des
Verbrechens der gastronomischen Neugier schuldig
gemacht hat …
Was den Vorwurf des Kannibalismus betrifft, der gegen
ihn erhoben wurde, also dazu kann ich nur sagen, auch
Hannibal Lecter wurde als Kannibale bezeichnet …
Die Königin von England: Hier gibt es viele
Möglichkeiten. Ihr Schloß war abgebrannt, ihre Kinder
waren alle übergeschnappt, und sie war bankrott. Die
Monarchie war praktisch am Ende, aber den meisten wäre
es lieber gewesen, wenn sich die königliche Familie mit
142
einer gewissen Würde verabschiedet hätte. Das bringt
viele Sympathiepunkte.
Herzallerliebster amerikanischer Cousin,
… Wie allgemein bekannt, trennten sich 1992 zwei
Söhne von Königin Elizabeth von ihren Frauen, und ihre
Residenz in Windsor ging in Rammen auf.
Ihre Majestät nannte das Jahr ihr »annus horribilis«.
Doch sogar wir, die Freunde der Königin, hatten kaum
eine Ahnung vom wahren Wesen der Schrecken, die ihren
Annus befallen hatten …
… wir zählen fest darauf, daß Sie Ihrer Feudalherrin
zahlen, was ihr zusteht.
Sprechen wir nicht von »Mildtätigkeit«, denn es wäre
unschicklich für eine der reichsten Monarchinnen der Welt,
wenn sie sich von der Milde eines hart arbeitenden,
einfachen Menschen wie Ihnen abhängig machen würde.
Wir verlangen nur, was fair und angemessen ist: den
gerechten Lohn für eine demokratische Galionsfigur, deren
Bildnis die Scheine von über zwölf wichtigen Währungen
und die Flaggen von mehreren Ländern der Dritten Welt
ziert und deren königliche Handlungen den gemeinen Mann
in der ganzen Welt unterhalten und fesseln, wenn sie durch
das Wunder der modernen Telegrafie an Presse, Rundfunk
und Fernsehen übertragen werden …
Der frühere Senator Bob Packwood, der zum Rücktritt
gezwungen wurde, weil er Frauen in seinem Stab sexuell
belästigte, könnte ebenfalls als Opfer dargestellt werden,
das Reue und Zerknirschung bekundet. Jeder hört gern die
Worte: »Es tut mir leid.« Wir sind nicht nur ein
großzügiges Volk, wir verzeihen auch viel. Unser Brief für
Packwood begann folgendermaßen:
143
Lieber amerikanischer Mitbürger,
wenn Sie »liebkosen« für etwas Böses halten, werfen Sie
diesen Brief weg. Aber wenn Sie glauben, daß es Gottes
Wille ist, daß Männer und Frauen einander lieben,
unterstützen und, ja, liebkosen, dann lesen Sie bitte weiter.
Denn wissen Sie, mein lieber amerikanischer Mitbürger,
mir wurde vorgeworfen, daß ich Frauen liebkost habe.
Mein Name ist Senator Bob Packwood. Vielleicht bin ich
nicht mehr auf dem laufenden, was die neuen Trends und
Modeerscheinungen dieser so schwierigen Zeiten betrifft
… Aber vielleicht sind in diesem gesegneten Land noch
ein paar anständige Amerikaner übrig, die so sind wie ich:
hart arbeitend, patriotisch, geradlinig und, ja, kleinen
Zärtlichkeiten zugeneigt, wenn der Tag zu Ende geht …
Zu Mohammed Salameh waren die Werbestrategen der
Ansicht, daß wir am meisten Geld bekommen würden,
wenn wir uns an jene Teile der Bevölkerung wendeten, die
am liebsten ganz New York in die Luft sprengen würden.
Mein lieber amerikanischer Freund,
… wenn Sie der Ansicht sind, daß es gesetzwidrig ist, als
Ausdruck der freien Meinungsäußerung an bekannten
öffentlichen Orten Bomben zu legen, brauchen Sie nicht
weiterzulesen.
Wenn Sie jedoch den Mut haben, der Wahrheit ins Auge
zu blicken, und es Ihnen wichtig ist, daß Gerechtigkeit
geübt wird, lesen Sie weiter.
… Scheich Omar Abdel Rahman hat durch die Publicity
im
Zusammenhang
mit
dem
sogenannten
»Bombenanschlag im World Trade Center« mehr gelitten,
144
als sich mit Worten ausdrücken läßt …
… Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist durch die
Verfassung unwiderruflich garantiert, und nirgendwo
steht geschrieben, daß man dieses Recht nicht durch das
Sprengen von Gebäuden ausüben dürfte …
Schließlich ließen wir auch den Berichterstatter dieses
Beitrags eine Postwurfsendung in eigener Sache
versenden. Ohne besonderen Grund, wenn man’s genau
nimmt. Er wollte einfach das Geld, und wir sagten: Okay,
zapfen wir die Amerikaner für Roy Sekoff an.
Lieber Freund des amerikanischen Traums,
Sie haben vermutlich noch nie von Roy Sekoff gehört,
und genau das ist der Grund, warum wir Ihnen heute
schreiben. Wir wollen Ihnen diesen Mann und seine
Träume vorstellen.
… Roy ist ein aufrichtiger, hart arbeitender junger
Journalist, der mit seiner wunderschönen Frau erst
kürzlich seinen ersten Hochzeitstag gefeiert hat. Sie
wollen Kinder haben und ein eigenes Haus bauen, aber
für Roy & Tammy ist unerreichbar, was so viele von uns
bereits besitzen. … Roy arbeitet sieben Tage die Woche,
und das bedeutet, daß er schon nach einem Ehejahr viel
von Tammy getrennt ist. Während Roy von einer Küste zur
anderen pendelt, muß dieses junge Paar zusehen, wie
seine Freunde, die Ärzte, Anwälte oder Börsenmäkler
geworden sind, Häuser kaufen und Kinder bekommen.
Wir meinen, daß Roy in der Lage sein sollte, seinen
journalistischen Traum weiterzuverfolgen und trotzdem
ein gutes Leben zu führen. Wir meinen, auf diese Weise
bleibt Amerika informiert. Wir meinen, das ist gut für
unser Land …
145
Großes Lob in einem Brief von der US-amerikanischen Post.
146
147
Roy Sekoff, der Berichterstatter von TV Nation, stellt David Litwinsky
von ALL Direct Mail unsere Postwurfkampagne vor.
Marty Gallanter, der bei ALL Direct Mail die
Postwurfsendungen verfaßt, nahm unsere Entwürfe und
schrieb die Briefe, die an Tausende vorher ausgewählte
Adressen im ganzen Land verschickt wurden.
Leider stellten wir fest, daß unser Geld nur für drei
Postwurfsendungen reichte, also beschränkten wir uns auf
die Briefe an die Freunde von Jeffrey Dahmer, Charles
Keating und Roy Sekoff. Um dem Gesetz zu entsprechen
mußten wir zusichern, daß alle Einnahmen aus der Aktion
direkt an die Personen gehen würden, für die wir die
Bettelbriefe geschrieben hatten.
Und so wurden über 12000 Briefe verschickt, und drei
Wochen später hatten wir die ersten Resultate.
Tja Leute, leider müssen wir berichten, daß Dutzende
von Adressaten ihr schwer verdientes Geld schickten, um
den drei armen Seelen zu helfen. Dahmer bekam das
meiste Geld, Keating war zweiter, und Roy war der letzte.
148
Die Werbeagentur rechnete die Ergebnisse wie folgt für
uns hoch: Hätten wir Briefe an alle Haushalte in den USA
geschickt, hätte Jeffrey Dahmer wahrscheinlich 1205000
Dollar bekommen, Charles Keating hätte 868000 Dollar
erhalten und Roy hätte von dem Geld einmal mit dem Taxi
nach Hause fahren können.
Warum bekam ein Serienkiller mehr Spenden als ein
hart arbeitender Berichterstatter von TV Nation mit einer
wunderschönen Frau und einem Baby?
»Tatsächlich ist die Erklärung rationaler, als man denkt«,
sagte David Litwinsky. »Jeffrey Dahmer ist eine
Berühmtheit. Sein Name weckt Aufmerksamkeit, ob
positive oder negative, das kommt aufs Gleiche raus,
berühmt ist berühmt.«
»Wollen Sie damit sagen, ich hätte besser abgeschnitten,
wenn ich ein rechtskräftig verurteilter Straftäter wäre?«
fragte Roy.
»Sie hätten besser abgeschnitten, wenn Sie ein
berühmter rechtskräftig verurteilter Straftäter wären.«
149
15
Sabotage
Der Arbeitsplatz ist der einzige Ort, wo jemand dich
anbrüllen und beschimpfen darf, man darf dich dort
zwingen, etwas zu tun, was du eigentlich gar nicht tun
willst, etwa Drogen- und Lügendetektorentests
absolvieren, man darf dich länger als üblich auf dem
Gelände festhalten, dir die Bezahlung für geleistete Arbeit
verweigern und dich überhaupt in eine Lage bringen, in
der du dir ein paar Zentimeter groß »mit Hut« vorkommst,
und dir bleibt deinem Boß gegenüber nichts weiter übrig,
als zu lächeln und brav »Danke« zu sagen.
Das Ausmaß der Unzufriedenheit mit dem Job und der
regelrechten Wut auf den Arbeitsplatz ist ein Thema, das
selten zur Sprache gebracht wird, vermutlich weil sich
heutzutage jeder glücklich schätzen kann, der einen
Arbeitsplatz hat und nicht outgesourced und
wegrationalisiert wurde. Die Angst, daß einem die
Arbeitszeit, der Lohn und die Leistungen gekürzt werden,
läßt einem den ganzen Tag über keine Ruhe. Da kann es
auch mal passieren, daß ein Arbeiter den Frust nicht länger
aushält: Er rastet aus und geht mit einer automatischen
Waffe zu seinem Chef.
Aber in der Regel fügt sich der ausgenutzte Arbeiter
einfach in sein Schicksal. Heutzutage sind in Amerika
weniger als 15 Prozent der Arbeiter in Gewerkschaften
organisiert, und deshalb haben auch die wenigsten
Beschäftigten einen Anwalt, der ihre Rechte vertritt, oder
einen Ansprechpartner, der für ihre Leiden eventuell eine
Entschädigung aushandelt. Im Grunde haben sie keine
demokratischen Mittel, eine respektvolle und gerechte
150
Behandlung durchzusetzen.
Ein neues Phänomen taucht jedoch im ganzen Land auf.
Der Trend wird Sabotage am Arbeitsplatz genannt:
Arbeiter wischen ihrem Arbeitgeber eins aus, indem sie
den ordentlichen Ablauf in der Fabrik, »so wie er sein
sollte«, stören. Sabotage kann sich in den verschiedensten
Formen äußern, von dem Mitgehen lassen eines
Schreibblocks aus dem Bürovorrat bis hin zum Löschen
von Unmengen lebenswichtiger Informationen im
Computersystem des Unternehmens. Das alles ist
gesetzeswidrig, und es geschieht doch immer häufiger.
Ben Hamper, ein waschechter Einwohner von Flint, berichtet über
Sabotage.
Martin Sprouse stellte die Geschichten von 135 Arbeitern
zusammen, die auf unterschiedliche Weise Sabotage
begangen hatten, und veröffentlichte sie in dem Buch
Sabotage in the American Workplace: Anecdotes of
Dissatisfaction, Mischief and Revenge. David Van Taylor,
151
ein Regisseur aus unserem Team, hatte die Idee, mit Hilfe
von Sprouses Buch die Welt der Sabotage zu erkunden
und einige Saboteure dazu zu bringen, uns vor der Kamera
zu erzählen, was sie bei ihren Taten empfanden. Ben
Hamper, ein ehemaliger Fließbandarbeiter, war der
Korrespondent.
Alle Sabotagegeschichten, die uns erzählt, oder
Sabotageakte, die uns vorgeführt wurden, hatten allem
Anschein nach ein gemeinsames Thema: Der oder die
Beschäftigte entdeckt eine kreative Möglichkeit, sich zu
rächen oder Gerechtigkeit zu verschaffen.
Autor Martin Sprouse
Nehmen wir zum Beispiel Harvey (sämtliche Namen
wurden geändert). Er arbeitet als Wandmaler in einem
Disney-Freizeitpark. Wie andere, die hier arbeiten, nennt
er den Ort »Mausschwitz«, weil die Vorschriften, an die
alle Beschäftigte sich halten müssen, fast von der SS
152
hätten stammen können. Zum Beispiel ist es nicht erlaubt,
die Politik von Disney in Frage zu stellen, alles muß genau
nach Vorschrift erledigt werden, abweichende Meinungen
werden nicht geduldet. Die strengen Kontrollen der
Vorgesetzten sind schon seit langem Anlaß für
Unzufriedenheit, und vor einigen Jahren haben die
Arbeiter, die Disney-Figuren wie Micky Maus spielen,
eine Gewerkschaft gegründet.
Harvey ist nicht Mitglied in einer Gewerkschaft und hat
uns von einem Manager erzählt, der ihm ständig über die
Schulter sah und vorschrieb, wie er die Wand bemalen
sollte: »Die Farbe paßt nicht, sie ist nicht fröhlich; das
Gesicht dieses Mannes sieht nicht fröhlich aus, diese
Blumen sollten leuchtender, fröhlicher sein. Alles muß
fröhlich aussehen.« Fröhlich. Fröhlich! FRÖHLICH!
Und was hat Harvey gemacht, damit sein Boß auch ganz
bestimmt fröhlich war?
In ein Wandgemälde, das ein riesiges Disney-Hotel
153
darstellte, malte er einen NS-Schergen, der die Menge
vom Balkon aus überwachte. Seinem Boß fiel das auf.
»Wer ist der Mann auf dem Erker, er sieht wie ein Soldat
aus«, fragte er. Harvey erklärte: »Oh, nein, das ist in
Wirklichkeit ein Sicherheitsbeamter. Es ist gut,
Sicherheitsleute zu zeigen, das vermittelt den Menschen
ein Gefühl der Sicherheit und gibt denjenigen mit
kriminellen Absichten zu verstehen, daß sie sich ihre
Pläne lieber noch einmal überlegen sollten.«
Dem Boß gefiel das. Also ließ er den
»Sicherheitsbeamten« auf dem Wandgemälde – auch
wenn der Wächter Handgranaten am Gürtel hatte, ein
Bajonett auf dem Gewehr aufgepflanzt war und er einen
seltsamen kleinen Schnurrbart trug.
Viele Jahre war der NS-Scherge auf dem Wandgemälde
zu sehen, doch Harvey wollte lieber nicht den genauen Ort
nennen, weil er sein Werk noch eine Weile erhalten
wollte.
Harveys Sabotageakt hatte jahrelang Bestand, doch viele
Arbeiter gehen viel impulsiver vor und rächen sich ganz
spontan. Seans Job etwa erforderte keinerlei künstlerische
Fähigkeiten. Sean arbeitete als Parkhauswächter in einem
Nobelhotel am Sunset Boulevard in Beverly Hills. Sein
Boß, der Generaldirektor des Hotels, fuhr völlig grundlos
aus der Haut, entließ die Leute, wie es ihm paßte, und ging
dann sechs Wochen in Urlaub. Dieses Verhalten zerrte
wirklich an Seans Nerven.
Eines Morgens fuhr der Generaldirektor um 6.30 Uhr ins
Hotel. Sean hatte als einziger Wächter Dienst. Der
Pförtner war noch nicht gekommen. Sean sah darin eine
Chance, mit dem Chef abzurechnen. Er stieg in den
Mercedes, fuhr ihn in die Garage, stieß dann rückwärts, so
schnell er konnte, in die Parkbox und rammte mit dem
154
Wagen die Wand. Dann legte er den Vorwärtsgang ein,
fuhr ein paar Meter, Rumms, dann wieder den
Rückwärtsgang, und noch mal mit einem Krachen gegen
die Wand. Vor und zurück, das machte er so lange, bis der
50000-Dollar-Wagen gründlich demoliert war – aber
immerhin kein Totalschaden (dann hätte sein Boß von der
Versicherung ja ein nagelneues Auto bekommen).
Sean ging nach oben, sagte dem Direktor, er habe beim
Einparken Probleme gehabt, und kündigte.
Andere Arbeiter erzählten uns, daß sie bei Aktionen
mitgemacht hätten, die als Sabotage gewertet werden
können, sie aber nicht mit dem Gesetz in Konflikt bringen.
Ein langsameres Arbeitstempo ist ein typisches Beispiel.
Wenn alle mitmachen, kann der Boß ja nicht einfach alle
entlassen, und früher oder später muß er sich mit den
Beschwerden befassen.
In manchen Fällen hat Sabotage auch politische Aspekte.
Reggie bekam eine Stelle bei der Heritage Foundation in
Washington, D. C. Die Stiftung ist ein führender rechter
Thinktank und entwickelte viele politische Konzepte, die
US-Regierungen unter Reagan und Bush senior umsetzten.
Wenn es in der Hauptstadt unseres Landes eine Brutstätte
des Bösen gibt, dann ist es die Heritage Foundation.
Reggie las einige Schriften der Stiftung und war entsetzt
über deren Haltung gegenüber den Armen, Frauen und
kleinen Malochern, wie er selbst einer war. Sein
Vorgesetzter prahlte gerne, er sei die rechte Hand
Dschingis Khans. Reggie brauchte zwar unbedingt den
Job, konnte jedoch das, was er da tun mußte, nicht mit
seinem Gewissen vereinbaren.
Dann hatte er eine Idee. Es war seine Aufgabe, die Post
zu öffnen und sämtliche Spenden an das Büro des
Kassierers weiterzuleiten. Statt dessen nahm er jedoch die
155
Spenden und steckte sie einfach in den Reißwolf.
Tausende Dollar endeten als Konfetti im Papierkorb.
Reggie stellte fest, daß die Heritage Foundation sehr stark
auf Spenden angewiesen war, und der Verlust von ein paar
Tausend Dollar konnte tatsächlich wie Sand im Getriebe
der Organisation wirken. Reggie wurde nie geschnappt
und fand schließlich einen anderen Job.
Die Verantwortlichen im Sender haßten diesen Beitrag
zu unserem Magazin von Herzen. Wir konnten noch so
viele Dementis und Distanzierungen in der Sendung
bringen und den Zuschauern immer wieder einschärfen,
daß es natürlich ganz falsch sei, Gesetze zu brechen, die
hohen Tiere wußten ganz genau, daß wir insgeheim mit
diesen Saboteuren sympathisierten. Wir verstanden,
warum sie getan haben, was sie getan haben, auch wenn
wir der Meinung waren, es sei eigentlich besser,
Gewerkschaften am Arbeitsplatz zu organisieren,
Arbeitgeber gerichtlich zu verklagen, die gegen das Gesetz
verstoßen, und auf neue Gesetze hinzuarbeiten, mit denen
die Sicherheit und Rechte der Arbeiter geschützt werden.
Aber all das kommt einem groß und entrückt vor, wenn
man der kleine Angestellte ist, der die Drecksarbeit macht,
und wenn man sich selbst ganz ohnmächtig fühlt in einer
Gesellschaft, die Habgier in den Chefetagen belohnt, aber
gleichzeitig von einem erwartet, daß man von sechs Dollar
Stundenlohn noch selbst für die Gesundheitsvorsorge
aufkommen soll.
Der Sender, seines Zeichens ebenfalls Arbeitgeber,
wollte auf keinen Fall zur Sabotage am Arbeitsplatz
ermuntern. Er war der Meinung, es sei Sabotage genug,
unsere Sendungen auszustrahlen.
156
16
Yuri, der Spion für TV Nation
Die Themen Rationalisierung und Arbeitslosigkeit sind
eine Zeitlang unsere größte Sorge gewesen. Folglich
schien es uns ganz natürlich, der weltweit wohl
verhaßtesten Gruppe arbeitsloser Menschen aus der
Patsche zu helfen: den ehemaligen KGB-Agenten.
In den knapp 50 Jahren des Kalten Krieges fungierte der
KGB als die Topspionagebehörde der ehemaligen
Sowjetunion. KGB-Agenten galten gemeinhin als die
skrupellosesten Geheimdienstagenten. Sie stahlen den
Vereinigten Staaten Atomgeheimnisse und bauten ihre
eigene Atombombe. Sie nutzten unser »offenes« System
aus und sammelten alle möglichen Informationen,
während die Vereinigten Staaten außerstande waren,
vergleichbare Informationen über die Sowjetunion zu
beschaffen. Sie bauten einen so umfangreichen Ring von
Informanten auf der ganzen Welt auf, daß sie allen eine
Heidenangst einjagten – mit Ausnahme von James Bond.
Dann, eines schönen Tages, war alles vorbei. Es gab
keine Sowjetunion mehr, keinen KGB.
Was geschah mit all den Spionen, als sie aus der Kälte
kommen mußten? Wie überlebten sie ohne ein
wöchentliches Gehalt? Wer würde denn eine so
hinterlistige
Bande
amoralischer,
konspirativer
Hurensöhne einstellen?
Wir!
Wir hielten es für absolut cool, für die Show einen
eigenen Geheimagenten zu beschäftigen. Damit wären wir
die erste Fernsehsendung mit einem eigenen KGB157
Agenten, der in unserem Auftrag unterwegs war und, nun
ja, genau das tat, was wir von ihm wollten.
Wir setzten in eine russischsprachige Zeitung in New
York eine Anzeige, da wir davon ausgingen, daß eine
ganze Reihe dieser Spione, die man in die Vereinigten
Staaten
abkommandiert
hatte,
vermutlich
hier
hängengeblieben ist, als die Sowjetunion auseinanderfiel.
In der Anzeige stand, wir würden »ehemalige KGBAgenten« suchen, die für uns in einer TV-Show zur
Hauptsendezeit arbeiten sollten. Keine Fragen zu ihrer
vorherigen Tätigkeit!
Dutzende von Antworten gingen bei uns ein. Es war ein
bemerkenswerter Fingerzeig, wie viele Kommies unter
uns sind. Viele Bewerber waren keine echten Agenten,
sondern »Informanten«. Aber die zählten nicht. Wir
wollten ein Original, einen Profi, der für uns im Bruchteil
einer Sekunde töten könnte, falls wir das von ihm
verlangen sollten.
Am Ende luden wir sechs KGB-Profis zu einem
Vorstellungsgespräch in unser Büro ein. Es war gewiß
nicht die typische Audienz beim Boß:
Frage: Wie viele Menschen haben Sie umgebracht?
158
Antwort: Mehr als Sie zu wissen brauchen.
Frage: Zeigen Sie uns Ihren tödlichsten Schlag.
Antwort: An Ihnen oder an Ihrem Assistenten?
Frage: Haben Sie jemals Rupert Murdoch getroffen?
Antwort: Das ist immer noch vertraulich.
Die Agenten erzählten uns unglaubliche Geschichten von
tollkühnen Heldentaten und nervenaufreibenden Fluchten.
In gewisser Weise spürten wir deutlich, daß sie die alte
Zeit vermißten, als sie noch durch die Berliner Mauer
schlüpfen oder als blinde Passagiere auf einem Frachter zu
einer Undercover-Operation in Liverpool reisen durften.
Man hatte sie für diesen Job ausgebildet und für nichts
sonst. Was sollten sie jetzt tun? Im Restaurant bedienen?
Benzin verkaufen? Sportleragent werden?
Yuri Shvets, der KGB-Spion von TV Nation.
159
Wir hatten vor ihren Fähigkeiten großen Respekt und
dachten, sie könnten uns eine Hilfe sein in einer Show, die
einen ständigen Kleinkrieg mit den Vorgesetzten im
Sender (den Kapitalistenschweinen!) führte. Unser
Überleben hing von den Programmen ab, die die
Konkurrenz auf den anderen Sendern anbot (unsere
Todfeinde!).
Wir
brauchten
etwas,
um
ein
Kräftegleichgewicht herzustellen – unsere eigene atomare
Abschreckung, wenn Sie so wollen.
Und wir fanden sie in Yuri Shvets.
Yuri arbeitete schon seit zehn Jahren nicht mehr für den
KGB. Er hatte die Vereinigten Staaten infiltriert, indem er
sich als Korrespondent ausgab. Er beantragte und erhielt
die Akkreditierung als Pressevertreter zum Kapitol, was
ihm leichten Zugang zu unserer Legislative verschaffte.
Unterdessen sammelte er die ganze Zeit Informationen
über unsere Kongreßmitglieder und deren Ziele.
(Tatsächlich hätte er sich eine Menge Arbeit sparen
können, wenn er sich einfach den Kongreßsender C-SPAN
angesehen hätte.)
Yuri hatte viele Talente, sprach gut Englisch und hatte
eine liebenswürdige Art, die jeden für ihn einnehmen
würde, der ihn kennenlernte – da waren wir ganz sicher.
Um seine Loyalität auf die Probe zu stellen, fragten wir
ihn, ob er alles für uns tun würde. »Ja, alles«, antwortete
er.
»Dann springen Sie aus einem Flugzeug!«
Einen Tag später tat er genau das. Auf unseren Befehl
hin warf er sich aus der Tür einer einmotorigen Maschine,
die in 3000 Metern Höhe flog. Keine weiteren Fragen.
Yuri war unser Mann.
160
Wir legten ihm ein paar Aufträge vor, die er sich durch
den Kopf gehen lassen sollte. Dazu zählten:
Finden Sie heraus, wieso die Kosten für den
Unterbodenschutz nie im Preis für einen Neuwagen
enthalten sind.
Finden Sie heraus, wer diese »Johannes 3,16«-Jungs
sind, und halten Sie die Truppe von allen Ballspielen fern.
Spüren Sie Yakoff Smirnoff auf und eliminieren Sie ihn.
Finden Sie heraus, wer »Jeff Craig of 60 Second
Previews« ist und warum er in jeder Kinoanzeige zitiert
wird.
Finden Sie heraus, aus welchem Material die Black Box
in einem Flugzeug hergestellt wird, und beschaffen Sie
uns eine Materialprobe.
Yuri war zu allem bereit. Am Ende erteilten wir ihm drei
voneinander unabhängige Missionen, die unserer Ansicht
nach am ehesten die Erhaltung des Planeten sichern
würden.
Mission Nr. 1: Finden Sie heraus, wer wirklich in
Nixons Grab liegt
Von uns glaubte niemand wirklich, daß Richard Nixon tot
ist. Er war schon zu Lebzeiten so trickreich, daß durchaus
die Möglichkeit besteht, daß er uns einmal mehr
ausgetrickst hat und in Wirklichkeit noch irgendwo lebt.
Allein der Gedanke war für uns kaum zu ertragen.
Auch Yuri wollte unbedingt die Wahrheit herausfinden,
weil Nixon einst sein Gegenspieler war. Er nahm den
Auftrag begeistert an.
161
Yuri begann seine Nachforschungen an dem letzten Ort,
an dem man Nixon lebendig gesehen hatte: im New York
Hospital. Nixon wurde dort am Abend vor seinem Tod
eingeliefert und noch am selben Abend wieder entlassen.
Laut Diagnose erfreute er sich bester Gesundheit. Am
nächsten
Abend
kam
er
zurück.
Viele
Krankenhausmitarbeiter sahen Nixon zwar noch lebendig,
als er aufgenommen wurde, doch Yuri fand keinen
einzigen, der gesagt hätte, er habe gesehen, wie seine
Leiche hinausgeschoben wurde. Keinen einzigen!
Yuri fuhr nach Park Ridge in New Jersey, wo Nixon in
den letzten Jahren gelebt hatte. Er fragte die Nachbarn,
was sie von der Sache wußten. »Am einen Tag sah er noch
prächtig aus, am nächsten Tag war er weg!« teilte ein
verblüffter Nachbar Yuri mit. Nur wenige Tage vor
Nixons »Tod« hatte noch jemand gesehen, wie er mit
seinem Hund spazierenging. Nichts deutete darauf hin,
daß der Mann an der Schwelle des Todes stand.
Yuri unterwegs in Südkalifornien.
162
Die Befürchtung, daß Nixon noch am Leben sein könnte, läßt einem
keine Ruhe.
Dann machte Yuri einen Abstecher zu dem Ort, wo Nixon
bekanntlich seine letzte Mahlzeit zu sich nahm:
ein italienisches Restaurant in Edgewood. Der Besitzer
sagte, Nixon habe eine ordentliche Portion Nudeln
verschlungen und kerngesund ausgesehen.
Selbst Nixons engste Freunde waren offenbar ganz
perplex über seinen plötzlichen Tod.
Nixons bester Freund Robert Abplanalp konnte nicht
begreifen, daß er so überraschend verschieden war. »An dem
Abend, als der Präsident starb, verließ ich das Krankenhaus
nur zwei Stunden vorher, und ich dachte: Mann, er sieht
großartig aus«, sagte Abplanalp der New York Post.
Yuri stimmte dem zu. Er sprach mit den Sanitätern und
dem Fahrer des Leichenwagens und der Militäreskorte, die
den »Leichnam« zu seiner letzten Ruhestätte bei der
Nixon Library in Kalifornien brachte. Kein einziger
konnte bestätigen, daß er wirklich Nixons Leiche in dem
163
Sarg gesehen hatte.
»Es war ein Begräbnis mit geschlossenem Sarg«, meinte
ein Wachsoldat. »Es ist ein wenig merkwürdig, einen
geschlossenen Sarg zu wählen, wenn der Mann nicht
durch einen schweren Autounfall oder etwas Ähnliches
ums Leben gekommen ist.«
Am Ende fuhr Yuri zu Nixons Grab im kalifornischen
Yorba Linda, um ein für alle Mal zu klären, ob dort wirklich
Nixon ruhte. Der Sicherheitsmann an der Grabstätte war sehr
energisch und erlaubte es Yuri nicht, den Leichnam zu
exhumieren, obwohl er keine Mühen und Kosten gescheut
und sogar seine eigene Schaufel mitgebracht hatte.
Er pflückte ein paar Grashalme von dem Grab und
berichtete, daß sie sich nicht anfühlten wie Gras, das in
einem Boden wächst, in dem menschliche Überreste
bestattet wurden.
Auch wenn er uns keinen endgültigen Beweis liefern
konnte, hatte er folgendes anzubieten:
»Sehen Sie sich an, wer in diesem Jahr (1996] für die
Präsidentschaft kandidiert. Bob Dole leitete für Nixon das
Republican National Committee. Pat Buchanan war Nixons
Redenschreiber. Pete Wilson war Wahlhelfer für die
Kandidatur Nixons zum Gouverneur 1962. Selbst wenn
Nixons Leichnam möglicherweise verschwunden ist, lebt
sein Geist in vieler Hinsicht weiter, in vielen Männern, die
schlechte Anzüge und einen Bartschatten tragen.«
Mission Nr. 2: Suchen Sie das Herz und die Seele der
Demokratischen Partei
Dieser Auftrag war ein wenig kniffliger. Yuri sollte
herausfinden, weshalb die Demokraten sich so große Mühe
164
geben, wie Republikaner zu klingen, und weshalb sie
vergessen haben, daß sie eigentlich die Partei der werktätigen
Bevölkerung sind. Wo war das Herz der Demokraten
geblieben? Wieso saßen in der Demokratischen Partei lauter
Waschlappen und Menschen ohne Überzeugung?
Yuri fand die Antwort darauf bei einer halbjährlichen
Sitzung des Democratic National Committee in New
Orleans. Dort hörte er sich eine Rede nach der anderen an,
in
der
Sozialhilfeempfänger
schlecht
gemacht,
Korrekturen bei der Sozialversicherung und der
Krankenversicherung Medicaid gefordert und die
Abschaffung der Förderung von Minderheiten im Rahmen
der »affirmative Action« befürwortet wurden. Moment
mal, dachte Yuri, es gibt doch schon eine Partei, die diese
Sachen predigt – sie heißt die Republikanische Partei.
Nur Clintons ehemaliger Wahlkampfleiter James
Carville widersprach all diesem Pseudo-Republikanismus.
Er sagte den Anwesenden, daß sie sich nicht beirren lassen
dürften und den Mut haben müßten, an ihren
Überzeugungen festzuhalten. Sie dürften die traditionelle
Plattform der Demokraten nicht aus den Augen verlieren.
Nur wenige schienen an seinem Rat ernsthaft interessiert.
Yuri kam zu dem Schluß, daß die Demokraten, wenn sie
eine echte Partei bleiben wollten, auch für bestimmte
Inhalte stehen müßten. Davon waren sie jedoch, so hatte
es den Anschein, meilenweit entfernt, und Yuri konnte
nichts tun, um sie zu retten.
Mission Nr. 3: Finden Sie heraus, was unsere
Konkurrenz vorhat, und stören Sie deren Pläne
In unserem Jahr bei dem Sender Fox wurden wir auf die
geniale Sendezeit 20.00 Uhr gelegt, Freitagabend. Was tun
165
Sie um acht am Freitagabend? BESTIMMT NICHT
FERNSEHEN, HABE ICH RECHT?
Wir traten an gegen Diagnosis: Murder bei CBS, Family
Matters bei ABC und Unsolved Mysteries bei NBC. Wir
wiesen Yuri an, Informationen zu sammeln und den
Betrieb der Konkurrenz zu sabotieren, wo sich ihm die
Gelegenheit dazu bot.
Er meldete, daß ihm in seinem ganzen Leben noch kein
solcher Sicherheitsapparat begegnet sei wie bei Diagnosis:
Murder und Family Matters. Die Kontrollen waren
»strenger als im Kreml«, und er war ganz frustriert, daß es
ihm nicht gelang, sich einzuschmuggeln.
Doch bei Unsolved Mysteries, mit dem Schauspieler
Robert Stack als Moderator, wurde Yuri bereitwillig ins
Studio gelassen, wo er sich mit allen unterhielt, vom
Regisseur bis hin zur Maskenbildnerin. Welches
Geheimnis erfuhr er? Man muß wirklich richtig gut
aussehen, wenn man mit einer TV-Show Erfolg haben
will. Er war verblüfft über das, was sie aus dem 70jährigen
Robert Stack machten.
»Ihr müßt unbedingt diesen Make-up-Künstler für
Michael holen«, schrieb er in seinem Bericht. »Und um
Himmels willen, kauft ihm einen neuen Anzug.«
Wir willigten ein. Am Ende der Show in dieser Woche
betrat Mike ganz in Armani gekleidet die Bühne, er trug
Kontaktlinsen und seine Haare waren ordentlich gekämmt.
Er sah nach einer halben Million Dollar aus.
166
Mikes Verwandlung.
Das Ergebnis? Die Reihe Unsolved Mysteries schlug uns
auch in dieser Woche bei den Einschaltquoten.
Als die Produzenten herausfanden, daß wir einen KGBAgenten zu ihren Dreharbeiten geschickt hatten, riefen sie
ihren Anwalt an und drohten, uns gerichtlich zu verklagen.
Wir drohten unsererseits, Yuri noch einmal zu ihnen zu
schicken – und diesmal nicht als Repräsentanten von
Glasnost.
Sie machten einen Rückzieher. Das nächste Mal sahen
wir die Produzenten von Unsolved Mysteries bei den Emmy
Awards, als wir gegeneinander in derselben Kategorie
antraten. Wir gewannen. Yuri hatte damit nichts zu tun.
Ehrenwort.
167
17
Mikes Rakete
Allem Anschein nach brauchten wir bei TV Nation eine
Menge Zeit, um mit dem Ende des Kalten Kriegs
fertigzuwerden. Wir wußten nämlich, daß die Welt
tatsächlich jeden Augenblick untergehen konnte – eine
Erkenntnis, die zwischen 1947 und 1989 alle informierten
Erwachsenen belastete. Wir hatten den größten Teil
unseres Lebens unter der Bedrohung durch das
sowjetische »Reich des Bösen« gelebt. Die gottlosen
Kommunisten, die ihrem Staat wie willenlose Roboter
dienten, hatten so viel Macht und waren so furchterregend,
daß wir Angst hatten, sie könnten jeden Augenblick den
Weltuntergang herbeiführen, nur weil sie … na ja, weil sie
eben dieses Gefühl in uns weckten.
Diese Angst wurde erfolgreich zum Eckpfeiler der
amerikanischen Außenpolitik gemacht, sie verursachte
eine tiefe Spaltung des Landes, brachte in zwei Kriegen,
die die USA in Asien führten, Millionen Asiaten und
Zehntausenden Amerikanern den Tod und führte in der
Kubakrise tatsächlich fast zum Weltuntergang.
In den Jahren 1989 bis 1990 jedoch ging der Kalte Krieg
binnen kürzester Zeit zu Ende, und zwar wegen dieses
Kerls mit dem roten Fleck auf dem Kopf. Wir wußten gar
nicht, wie uns geschah. Eines Tages beschloß Michail
Gorbatschow, daß der Rüstungswettlauf zu Ende war, und
gab ihn einseitig auf. (Die USA bauten weiter
Atombomben.) Einen Tag später beschloß Gorbatschow,
daß Demokratie eine gute Sache war; die Berliner Mauer
wurde abgerissen, und die Menschen in der ganzen
Sowjetunion und dem restlichen Osteuropa hielten freie
168
Wahlen ab. Sie bekamen Religionsfreiheit sowie das
Recht, Kapitalisten zu sein und zuzuschauen, wie die alte
Sowjetunion schnurstracks den Bach runterging. Danach
war es vorbei mit der Angst, daß wir ein atomares
Armageddon erleben könnten.
Na ja, nicht ganz!
Schließlich sind die 40000 Atombomben, die beide
Seiten in den 42 Jahren des Kalten Kriegs gebaut haben,
immer noch gesund und munter und einsatzbereit. Warum
hat sich die Regierung Clinton nicht die Vernichtung
dieser Atomwaffen als oberstes Ziel gesetzt? Wofür
brauchen wir sie noch? Um uns vor Grenada zu schützen?
Oder vor Panama? Vor dem Irak? Also bitte.
Es trifft zu, daß beide Seiten begannen, ein paar von den
Bomben zu demontieren, aber dann kam die Nachricht,
daß Behälter mit Plutonium fehlten. Andere Länder
kauften Atomtechnologie auf dem Schwarzmarkt. (Indien?
Pakistan?) Angesichts der Instabilität der früheren
Republiken der Sowjetunion muß man sich fragen, wer
eigentlich genau in dieser Sekunde den Finger auf »dem
Knopf« hat.
Mit einer gewissen Beklommenheit und einer gesunden
Dosis amerikanischen Überlegenheitsgefühls beschlossen
wir von TV Nation, nach Rußland zu reisen, um die Rakete
zu suchen, die die Sowjets im Kalten Krieg auf die Stadt
Flint in Michigan gerichtet hatten. Wo war die Rakete
heute? Wer war für sie verantwortlich? War sie
unnötigerweise immer noch auf uns gerichtet? War
jemand mit ihr abgehauen? Konnten wir sie kaufen?
Konnten wir sie einfach mit nach Hause nehmen, bitte?
169
Der Bodennullpunkt in Flint.
Jede große, wichtige Stadt, jedes Industriegebiet und jeder
Militärstützpunkt in den Vereinigten Staaten und in der
Sowjetunion waren zwecks Totalvernichtung jeweils von
der anderen Seite anvisiert. Da Flint die größte
Konzentration von Autofabriken von General Motors hatte
(die im Zweiten Weltkrieg allesamt Waffen herstellten),
konnten wir uns ausrechnen, daß unsere Stadt weit oben
170
auf der Liste der strategisch wichtigen Ziele stand. Wir
stellten uns vor, daß eine bestimmte Atomrakete speziell
für uns bestimmt war und jeden Moment gestartet werden
konnte. Ein Knopfdruck, und aus war es mit unserer
Heimatstadt.
Wir bekamen ehemals geheime Unterlagen des Pentagon
in die Hand, die unsere Vermutung bestätigten. Die
Dokumente zeigten nicht nur, daß Flint von der Landkarte
getilgt werden sollte, im Verteidigungsministerium hatten
sie sogar den genauen Ort eingezeichnet, wo die Russen
die Bombe ihrer Ansicht nach abwerfen würden. Auf dem
Dokument war die Ecke Bluff und Cadillac Street in Flint
als Bodennullpunkt eingezeichnet. Der Ground Zero
befand sich genau vor einer Motorenfabrik von GM.
Diese Fakten wurden durch John West, den
Zivilschutzleiter von Flint, bestätigt. Während wir mit ihm
auf dem Ground Zero standen, überlegten wir, warum die
Russen eigentlich immer noch einen Teil von Amerika
plattmachen wollten, den doch General Motors schon
plattgemacht hatte. Außerdem hatten die Arbeiter von
Flint genau an dieser Straßenecke die Arbeiterrevolution
von 1936 begonnen. Warum wollten unsere Genossen
ausgerechnet so ein wichtiges Stück proletarische
Geschichte ausradieren?
Wir fanden dies völlig unsinnig und beschlossen, die
Rakete wenn möglich zu kaufen. Also baten wir NBC um
10000 Dollar, um nach Rußland zu fahren und »unsere«
Rakete zu befreien. Die Fernsehgesellschaft war
einverstanden. (Ihr fragt euch wahrscheinlich, wie diese
Ausgabe bei NBC verbucht wurde? »Also, wir müssen
Seinfelds Gehalt bezahlen und das neue Set von Jay Lenos
Show und, ach ja, Michael Moore will nach Moskau
fahren und eine Atomrakete kaufen.«)
Wir fanden weitere frühere Geheimdokumente, aus
171
denen hervorging, wie man eine sowjetische Rakete
demontiert. Außerdem nahmen wir eine Karte mit, auf der
»die Häuser der Stars« in Beverly Hills in Kalifornien
verzeichnet waren. Wir dachten, wenn uns die Russen die
Rakete nicht verkaufen, können wir sie vielleicht
demontieren oder die Russen wenigstens überzeugen, sie
nicht mehr auf Flint zu richten, sondern lieber auf, sagen
wir, Brentwood in Kalifornien.
Als wir mit unserem Koffer voller Geld und ehemals
geheimen Dokumenten in Moskau ankamen, verteilten wir
ein paar »Incentives«, damit wir das Geld und die Pläne
zum Zerlegen von Raketen unbehelligt ins Land bringen
konnten. Im neuen Rußland ist der Dollar König, und
wenn ihr jemandem, der euch Steine in den Weg legen
will, mit ein paar Dollarscheinen winkt, erreicht ihr fast
alles.
Wir hatten eine Reihe von Treffen mit den Botschaftern
der Ukraine und Kasachstans arrangiert, um
sicherzugehen, daß die auf Flint gerichtete Rakete nicht in
einem dieser Länder war. Sie versicherten uns, daß sie nur
auf Westeuropa und China gerichtete Waffen besäßen.
Außerdem hätten sie keine Ahnung, wie man die Raketen
abschieße, denn die Russen hätten bei ihrem Abzug die
Startcodes mitgenommen.
Wir trafen uns heimlich mit früheren KGB-Agenten und
mit Mitgliedern oppositioneller Parteien, aber niemand
konnte uns sagen, wo sich die auf Flint gerichtete Rakete
befand.
172
Wir erfuhren, daß der neue Präsident Boris Jelzin auf
dem Roten Platz eine Rede halten würde, also gingen wir
hin, um zu klären, ob vielleicht er uns helfen könnte. Mike
stieg während der Rede auf den Pritschenwagen, der als
Bühne diente, und versuchte, an den Präsidenten
heranzukommen. Als Jelzin seine Rede nicht unterbrach,
um uns den Weg zu der auf Flint gerichteten Rakete zu
zeigen, wandte sich Mike in einem der verrücktesten
Momente, die je auf TV Nation gezeigt wurden, an die
Zuschauer und hielt, unmittelbar neben Jelzin stehend,
seine eigene Rede an das Volk.
»Bürger von Rußland, ich bin in Frieden gekommen.
Und ich bin gekommen, um die Rakete zu kaufen, die ihr
auf mich gerichtet habt. Ich habe amerikanisches Geld
dabei. Wollt ihr mir helfen? No Nukeski Flintski!«
Auf dem Platz waren Tausende versammelt, aber
anscheinend hatte keiner von ihnen eine Ahnung, wo
Mikes Rakete war.
Schließlich, als wir schon fast die Hoffnung aufgegeben
hatten, hörten wir, daß ein ehemaliger sowjetischer Oberst,
der früher eine Raketenabschußbasis kommandiert hatte,
bereit war, mit uns zu sprechen. Er wollte sich mit Mike
173
treffen, hatte aber eine ungewöhnliche Bedingung: Mike
sollte das Interview nackt führen – in einem russischen
Dampfbad.
Und so erzählte der Oberst Mike inmitten von
Dutzenden nackter russischer Männer (die alle digital
entmannt werden mußten, bevor die Sendung ausgestrahlt
werden konnte), daß er eine Abschußbasis nördlich von
Moskau kommandiert hatte, deren Raketen auf den
»mittleren Westen« der Vereinigten Staaten gerichtet
waren. Er konnte keine bestimmten Städte nennen, aber
die Ortsbezeichnung »Detroit« hatte einen vertrauten
Klang in seinen Ohren.
Diese
Information
genügte
uns,
um
der
Raketenabschußbasis
Swenejord
einen
Besuch
abzustatten. In einem Dorf in der Nähe fragten wir in
einem Haus nach dem Weg und wurden zu Wodka und
Spiegeleiern eingeladen. Die Russen sangen ein Liebeslied
für Kathleen, und alle nahmen noch einen kräftigen
Schluck. Danach waren wir genau in der richtigen
Verfassung, um eine Atomrakete zu zerlegen.
Die internationale Crew, mit der wir die Raketensuche drehten.
174
Wir fuhren ein Stück auf einer Hauptverkehrsstraße und
bogen dann auf die Landstraße ein, die zu der Basis führte.
Als wir unserem Ziel näher kamen, stießen wir auf ein
Schild mit dem internationalen Zeichen für ZUTRITT
VERBOTEN und der Aufforderung, sofort umzukehren.
Wir fuhren trotzdem weiter und kamen zu einem großen
metallenen Tor. Dort hing ein typisch amerikanisches
Schild mit englischer Beschriftung: STOP.
Es waren keine Wächter zu sehen, also stieg Mike aus
und klopfte an das Tor. Nichts passierte. Nun versuchte
Mike die Mauer zu erklimmen. In diesem Moment
tauchten zwei Soldaten auf, befahlen ihm, sich von der
Mauer zu entfernen, und forderten den Fahrer unseres
Kleinbusses auf, abzuhauen, oder …!
Wir wendeten hastig und fuhren schnell auf der
Zufahrtsstraße davon. Wir hatten eindeutig die
Vorschriften verletzt, und zu allem Überfluß raste nun
auch noch ein Feuerwehrauto hinter uns her. Obwohl wir
mitten in der Pampa waren, nahmen wir automatisch an,
daß irgendwo in der Nähe ein Brand ausgebrochen sein
mußte. Doch als uns das Feuerwehrauto eingeholt hatte
und sich über die Mittellinie bedrohlich nahe an unseren
Bus heranschob, sahen wir, daß es mit Soldaten besetzt
war. Sie hielten ihre Gewehre auf uns gerichtet und
bedeuteten uns, anzuhalten. (Wie wir später erfuhren,
befand sich Rußland damals in einem derart desolaten
Zustand, daß es kaum noch Ersatzteile für
Armeefahrzeuge gab und immer mehr Panzer und
Lastwagen stillagen. Deshalb beschlagnahmte die
russische Armee sämtliche Fahrzeuge, die sie kriegen
konnte. Der Niedergang war so weit fortgeschritten, daß
ein Militärstützpunkt mit Interkontinentalraketen von
Soldaten mit Feuerwehrautos bewacht wurde. Schöne
175
Supermacht!)
Wir verlangsamten unser Tempo und versuchten
hektisch, die Situation einzuschätzen. Schließlich hielten
wir an, und die Soldaten befahlen dem Fahrer
auszusteigen. Unser russischer Dolmetscher hatte Angst
und meinte, wir sollten aufhören zu filmen. Aber unser
polnischer Kameramann Alexander Zakrewski drehte
ungerührt weiter. »Das ist kein Problem«, sagte er mit
seinem starken polnischen Akzent. Wir versuchten, uns
alle daran zu erinnern, wann das letzte Mal jemand ein
Gewehr auf uns gerichtet hatte, und kamen zu dem
Schluß, daß dies verdammt nochmal noch nie zuvor
passiert war.
Wir verhandelten fast zwei Stunden lang mit den Soldaten.
Sie nahmen uns unsere Pässe, Fotos und »Papiere« ab. Zum
Glück hatten wir »Papiere« dabei – die wir als Requisiten
zusammengetragen hatten. Die Soldaten jedoch waren sehr
beeindruckt. Wie in einem alten Kriegsfilm studierten sie
peinlich genau jedes einzelne Dokument. Sie verlangten die
Herausgabe der Videobänder, die wir unmittelbar zuvor am
Tor gedreht hatten, und sagten, sie würden uns festnehmen.
Alexander filmte unbeirrt weiter, und Michael erzählte
Witze, um die Spannung im Bus abzubauen. Dann tat unser
Fahrer etwas, das uns alle rettete. Er überzeugte die Soldaten,
daß sie vielleicht für unsere Videobänder Schadenersatz
leisten müßten, wenn die Behörden zu dem Schluß kämen,
daß wir nichts verbrochen hätten. Dies löste bei den Soldaten
überraschenderweise beträchtliche Furcht aus. Sie lebten
ohnehin schon in Armut und wurden so schlecht bezahlt, daß
unsere Bänder jeden einzelnen von ihnen einen Wochenlohn
gekostet hätten. Deshalb machten sie einen Rückzieher und
schlossen einen Kompromiß: Wir mußten ein
Schuldanerkenntnis unterschreiben, und sie ließen uns
laufen.
176
Unsere »Papiere« erwiesen sich vor der Raketenabschußbasis
Swenejord bei Moskau als sehr nützlich.
Wir dankten ihnen für ihre Großzügigkeit, Kathleen
machte noch Polaroidfotos von uns allen, die sie ihren
Kindern mitbringen konnten, und dann machten wir, daß
wir davonkamen. Irgendwie hatte der Wodka im Verlauf
der Ereignisse seine Wirkung eingebüßt.
Wir hatten unser Leben riskiert und trotzdem keine
Rakete gefunden. Wieder in Moskau, hatten wir noch ein
letztes Treffen mit einem älteren Mann namens Sergei
Sergowitsch. Er war früher im Kreml für die Verwaltung
sämtlicher
Rakentenabschußbasen
verantwortlich
gewesen. Wir besuchten ihn, seine Frau und seinen
Enkelsohn in ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung am
Stadtrand von Moskau.
177
Genossen essen Brüderschaft mit einem Twinkie.
Michael fragte ihn sofort, wie wir zu der auf Flint
gerichteten Rakete gelangen könnten. Sergei antwortete,
das wisse er zwar, aber es sei streng geheim. Dann fragte
er Michael: »Warum machen Sie sich solche Sorgen? Wer
macht Ihnen Angst und erzählt Märchen über uns?« Sergei
erklärte, er habe den Kalten Krieg schon immer für einen
Schwachsinn gehalten und niemand in Rußland habe Lust
auf den Weltuntergang. Sie dächten nur, daß wir Lust
darauf hätten.
Falsch, sagten wir, auch bei uns sei niemand scharf auf
den Weltuntergang. Und warum dann die ganze
Aufregung? Nur die Angst hatte uns in zwei feindliche
Lager gespalten. Nun aber lachten wir miteinander, sangen
Lieder und tauschten Geschenke aus. Sergei schenkte uns
– was sonst? – noch mehr Wodka, und wir schenkten ihm
eine Schachtel Twinkies. Dann brachten wir einen Toast
aus, und Michael und Sergei kreuzten die Arme und aßen
mit ihren Twinkies Brüderschaft.
Aus alten Feinden waren gute Freunde geworden.
178
18
Den Kommunismus abschleppen
Natürlich machte uns das Ende der Roten Gefahr auch
eine Menge Spaß. Wir halfen dem Pentagon, einen neuen
Feind zu finden. Wir verschafften einem arbeitslos
gewordenen Sowjetspion einen neuen Arbeitsplatz. Aber
trotzdem war die Sache irgendwie traurig.
Sie war für uns alle so überraschend gekommen. Als die
Rockgruppe The Who sich auflöste, machte sie eine letzte
Abschiedstournee, damit sich ihre Fans ordentlich
verabschieden konnten. Große Sportler taten dasselbe.
Wer wird je vergessen, wie der Baseballstar Nolan Ryan
in seinem letzten Jahr als Aktiver in allen Städten der Liga
in randvollen Stadien seine letzten Bälle warf?
179
Und wer erinnert sich nicht an Kareems letztes Jahr in der
National Basketball Association; alle wollten den Star
spielen sehen und ihm alles Gute wünschen.
Dagegen verschwand die Sowjetunion mit ihrer
einzigartigen Spielart des Kommunismus einfach sangund klanglos von der Bildfläche, ohne uns wenigstens
noch »auf Wiedersehen« zu sagen.
Auch der Kommunismus hatte eine Abschiedstournee
verdient, und die Crew von TV Nation war fest
entschlossen, sie zu realisieren.
Wir mieteten einen gewaltigen, achtzehnrädrigen
Sattelschlepper, ließen ihn leuchtend rot lackieren und auf
beiden Seiten mit einem riesigen, goldenen Hammer-undSichel-Emblem versehen. Dann beluden wir ihn mit 10000
typisch kommunistischen Gegenständen: Hunderten von
Maobibeln, Exemplaren der Tageszeitung The People’s
Daily, Kassetten mit der »Internationale«, alten
sowjetischen Uniformen, einem Porträt von Karl Marx
und Flaggen aus der Sowjetunion, der DDR, Polen und
Nordkorea.
180
Sogar
GUS
Hall,
den
viermaligen
Präsidentschaftskandidaten der Kommunistischen Partei
der USA, luden wir ein, mit uns durch das Land zu reisen.
Wir engagierten Al Wallach, einen Lastwagenfahrer aus
Brooklyn, um mit dem Truck kreuz und quer durch die
USA zu fahren. Und dann, an einem Freitagmorgen,
tauften wir unseren großen roten kommunistischen
Lastwagen auf dem New Yorker Union Square und
wünschten Al alles Gute, als er zur »Letzten Fahrt des
Kommunismus« aufbrach. Sein Auftrag lautete, in Städten
und Dörfern, bei kirchlichen Gemeindefesten und bei
Zusammenkünften der Eltern-Lehrer-Vereinigung, der
Parent-Teacher Association, anzuhalten und dem
amerikanischen Volk die Gelegenheit zu einem
liebevollen und tränenreichen Abschied von einer Idee zu
geben, die, zumindest auf dem Papier, ganz wundervoll
gewirkt hatte:
Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen
Bedürfnissen.
Falls Al wegen eines unbedeutenden Regelverstoßes von
der Polizei gestoppt werden sollte, hatte er folgende
Erklärung dabei:
Ich bin kein Kommunist und war auch nie einer. Ich bin
ein Lastwagenfahrer, den eine Firma namens Spectre
[Gespenst, A.d.Ü.] angestellt hat, um den Kommunismus
durch das Land zu transportieren. Ich fahre in Frieden und
fordere nicht zum gewaltsamen Sturz der Regierung auf.
Ich bin nur ein Arbeiter, der Literatur transportiert, in der
zum gewaltsamen Sturz der amerikanischen Regierung
aufgefordert wird. Gott schütze Amerika.
181
Als Al den New Jersey Turnpike hinunterfuhr, brauchte er
eine Pinkelpause. Er stellte den Sattelschlepper auf dem
Lastwagenparkplatz unter dem Exxon-Emblem der
Raststätte ab, und der rote Truck wurde sofort von
neugierigen Autofahrern inspiziert. Ein Mann wollte
wissen, ob Ho Chi Minh in dem Lastwagen sei. Ein paar
Kerle tanzten wie russische Kosaken um den Truck
herum. Es sah ganz danach aus, daß die Reise glatt
verlaufen und der rote Sattelschlepper allen, die ihn sahen,
ein bißchen Freude machen würde. (Allerdings war er
noch in New Jersey, und dort freuen sich die Leute über
die kleinsten Kleinigkeiten.)
Wir verließen den Gartenstaat und kamen nach
Philadelphia in Pennsylvania, der Geburtsstätte unserer
Freiheit. Wir dachten, es wäre cool, wenn Al mit dem
Truck zur Freiheitsglocke fahren und sie ein einziges Mal
läuten würde. Die Polizei im National Park fand die Idee
jedoch nicht so gut: Tatsächlich darf die Freiheitsglocke
nicht mehr geläutet werden. Sie hat einen Riß, der
irgendwann ganz durch sie hindurchgehen könnte, und
dann wäre es aus mit der Freiheit.
Al kapitulierte vor der hochgradigen Zerbrechlichkeit
182
unserer Freiheit und fuhr nach Süden in die Hauptstadt der
USA, nach Washington D.C. Er hoffte, daß der Präsident
aus dem Weißen Haus kommen und den Sattelschlepper
des Kommunismus auf seiner Abschiedstournee begrüßen
würde.
Der große, rote, kommunistische Truck mit den
Hammer-und-Sichel-Emblemen
glitt
langsam
die
Pennsylvania Avenue entlang – die Hauptstraße unserer
Demokratie. Al parkte den Sattelschlepper vor dem
Weißen Haus und sprang aus dem Führerhaus. Sofort war
er von einer Horde von Sicherheitsleuten umringt, die ihn
fragten, was zum Teufel er da mache.
»Ich transportiere nur ein Stück Kommunismus, meine
Herren«, antwortete Al und fingerte nervös an der
Erklärung in seiner Hosentasche.
»Hier darf kein Lastwagen parken, ob mit oder ohne
Kommunismus«, sagte einer der Sicherheitsleute streng.
»Fahren Sie das Ding hier weg, oder Sie kriegen einen
Strafzettel.«
Mehr brauchte es tatsächlich nicht, um Washington
D. C.
von
dem
Sattelschlepper
und
seiner
kommunistischen Ideologie zu befreien. Die Drohung mit
einem Strafzettel für falsches Parken! Warum waren wir
darauf nicht schon während des Kalten Krieges
gekommen? Wir hätten die Milliarden für den
Rüstungswettlauf komplett sparen können.
Al stieg ein und fuhr davon. Seltsamerweise wurden
einen Monat später Barrikaden errichtet und das Stück
Pennsylvania Avenue vor dem Weißen Haus für den
Verkehr gesperrt. Es hätte uns geschmeichelt, wenn die
Maßnahme etwas mit unserem großen, roten,
kommunistischen Sattelschlepper zu tun gehabt hätte,
doch sie war wohl eher auf die fünf Angriffe
183
zurückzuführen, die verrückte Mitbürger (darunter ein
Sturzkampfbomberpilot) mit leicht beschaffbaren Waffen
auf das Weiße Haus verübt hatten.
Nun begann Al mit dem riskantesten Teil seiner Reise:
Er fuhr in den tiefen Süden der USA, wo nicht gerade die
Stammlande des Sozialismus liegen. Schon auf dem
Highway wurde Al von anderen Truckern scheel
angesehen, und bald schon war die Nachricht von dem
»großen Kommie-Truck« auf der Interstate-Autobahn im
CB-Funk ein heißes Thema. Mehrere Trucker überlegten
sich Strategien, wie sie mit dem Sattelschlepper
»umgehen« sollten. Ein CB-Funker brachte die Hoffnung
zum Ausdruck, daß der Lastwagen auch Hillary Clinton
enthalte. All dieses Geschwätz machte Al immer nervöser.
Im Süden Virginias fuhr er zur Kirche des
fundamentalistischen Fernsehpredigers Jerry Falwell in
Lynchburg. Er fuhr mehrmals um die Kirche herum in der
Hoffnung, Falwell mit den Abgasen auszuräuchern, doch
der blieb in seiner Kirche und sagte dem Kommunismus
nicht »Lebewohl«.
An den Raststätten wurde Al zu einer kleinen
Berühmtheit, aber auch zum Ziel diverser Angriffe.
Mehrere Trucker kamen auf ihn zu und fragten: »Was hast
du da drin?«
Al antwortete stets: »Nur einen Haufen Kommunismus.«
An einer Raststätte öffnete Al den Laderaum des
Sattelschleppers und nahm etwas zum Lesen mit. Er fragte
sich allmählich, was zum Kuckuck dieses kommunistische
System eigentlich war. Da saß er nun, mampfte einen
Hamburger mit Fritten und brütete dabei über der
Maobibel und dem Kommunistischen Manifest. Ein Kerl
am Nachbartisch wurde schrecklich wütend und sagte zu
Al, er würde lieber den schlimmsten Giftmüll
184
transportieren als diesen bolschewistischen Scheiß.
»Ich fahre niemals mit kommunistischem Scheiß«,
knurrte der Trucker.
Al steckte seine Maobibel lieber weg.
Die Spannungen wuchsen, als Al durch Nord- und SüdCarolina, Georgia und Alabama fuhr. Polizisten folgten
dem Truck. Kerle in Pick-ups zeigten ihm den
Stinkefinger. Obwohl der Kommunismus keine
Bedrohung mehr darstellte, war der bloße Anblick des
roten Trucks manchen zu viel.
Und so kam es, daß auf den Sattelschlepper ein
Brandanschlag verübt wurde, als er vor dem Best Western
der Stadt Demopolis in Alabama geparkt war. Al hatte in
einem Laden in der Nähe ein paar Snacks gekauft, und als
er zurückkehrte, stand das Führerhaus des Sattelschleppers
in Flammen. Die Feuerwehr war bereits da und löschte
den Brand. Die Polizei ermittelte.
Ein Feuerwehrmann löscht das brennende Führerhaus.
185
Es ist immer noch möglich, ein Kommie zu sein
Auch wenn du ein bißchen zu spät geboren bist, um noch
Teil der Roten Gefahr zu werden, sei nicht traurig und
fürchte nichts, die Kommies sind immer noch unter uns!
Die Kommunistische Partei der USA ist nicht nur
gesund und munter, sie geht auch mit der Zeit. Um mit
dem Computerzeitalter Schritt zu halten, hat sie ihre
eigene Website im Internet. Sie veröffentlicht die
hervorragende Zeitung People’s Weekly World und die
Zeitschrift Political Affairs, und sie verkauft immer noch
das Kommunistische Manifest und andere bewährte
Klassiker von Marx und Engels.
Schau dir die Partei mal an. Vielleicht unterstützt sie in
Zukunft auch nicht mehr Regime, die ihr eigenes Volk
unterdrücken.
800-Nummer
1-800-923-8601 (wenn das FBI dein Gespräch unterbricht,
wähle 1-212-989-4994)
Website
http://www.cpusa.org/
E-Mail
[email protected]
186
E-Mail-Adresse
[email protected]
der
People’s
Weekly
World
Abteilung für Kuba-Interessierte
1-202-797-8518
Sie kam zu dem Schluß, daß es sich wahrscheinlich um
Brandstiftung gehandelt hatte, aber sie konnte den Täter
nicht ermitteln.
Es war ein Rückschlag, aber wir bestellten ein neues
Führerhaus für Al, und einen Tag später war er wieder
unterwegs, um seine Reise mit dem »Marsch ans Meer«
des Kommunismus zu beenden. Tatsächlich ging uns
allmählich das kapitalistische Geld aus, es reichte nur
noch, um Al direkt nach New Orleans zu schicken, anstatt
ihn weiter kreuz und quer durchs Land fahren zu lassen.
Und wir hatten noch ein weiteres Problem. Wir hatten bei
unseren Nachforschungen entdeckt, daß der Transport von
kommunistischem Material nach Paragraph 14358 im
Strafgesetzbuch von Louisiana, dem »Subversive
Activities and Communist Control Law«, immer noch
illegal ist. Um Al wirklich umfassend zu informieren,
hatten wir ihm ein Exemplar der offiziellen politischen
Kursbestimmung Louisianas geschickt, und Al war so
klug gewesen, sie zu überfliegen. »Worte sind wie
Gewehrkugeln«, hieß es da. »Die Kommunisten wissen
das und benützen sie als solche.« Und weiter hieß es: »…
Dieser Staat ist ein Zwischenaufenthalt oder eine
›Wegstation‹ für beträchtliche Lieferungen mit
gefährlicher kommunistischer Propaganda, die für den
187
Rest der Vereinigten Staaten und viele andere Länder
bestimmt sind.« Obendrein las Al, daß jede Person, die die
Bestimmungen
gegen
den
Transport
von
kommunistischem Propagandamaterial verletzte, mit einer
Geldstrafe von bis zu 10000 Dollar oder schwerer
Zwangsarbeit von bis zu sechs Jahren bestraft werden
konnte.
Weil Al ein gesetzestreuer Bürger ist, weil er bereits die
Staatsgrenze von Louisiana überschritten hatte und weil er
möglichst wenig Zeit in einem louisianischen Gefängnis
verbringen wollte, hielt er es für das beste, zum
nächstgelegenen Polizeiposten zu fahren und sich mitsamt
dem Lastwagen und dem ganzen Kommie-Krempel zu
stellen.
Der Sergeant am Empfang war verwirrt. Al zeigte ihm die
Fotokopie eines louisianischen Gesetzes:
Wenn irgendwo größere Mengen kommunistisches
Material entdeckt werden, hat der Sheriff der betreffenden
Gemeinde die Pflicht, sich Zugang zu dem Grundstück zu
verschaffen, wo das Material gefunden wurde. Er muß alle
Bewohner aus dem Anwesen evakuieren und es mit einem
Vorhängeschloß verschließen, bis der Zugang durch eine
richterliche Verfügung wieder erlaubt wird.
Der Sergeant ließ seinen Blick von Al zu dem
Gesetzestext, zu dem großen, roten Kommie-Truck vor
seinem Fenster und dann wieder zu Al schweifen. »Also,
ich reg’ mich nicht auf wegen dem Ding«, sagte er. »Und
Sie sollten sich auch nicht aufregen.«
Al schaffte es schließlich an den Golf von Mexiko, wo
die 10000 kommunistischen Gegenstände auf einen
188
Frachtkahn geladen und aufs Meer hinausgeschickt
wurden. Al stand am Ufer und winkte zum Abschied. Er
hatte sich auf seiner Reise mit der kommunistischen
Ideologie angefreundet und war traurig, als sie in der
untergehenden Sonne verschwand.
Wie ihr euch vorstellen könnt, war es nicht leicht zu
erreichen, daß der Beitrag über den roten Kommie-Truck
gesendet wurde. Als die Manager die sehr lange,
achtzehnminütige Fassung sahen, waren sie überzeugt, daß
wir Werbung für den Kommunismus machten. Weil wir
merkten, daß sie uns ans Leder wollten, schnitten wir den
Beitrag auf neun Minuten zusammen, indem wir unter
anderem die Szene mit dem Frachtkahn wegließen, und
brachten ihn durch die Zensur. Er wurde einer der
beliebtesten Kurzfilme von TV Nation. Und er wird schon
deshalb in die Geschichte eingehen, weil in ihm das erste
und einzige Mal Gus Hall zur Hauptsendezeit in einer
Fernsehsendung gezeigt wurde, die von mehr Menschen
gesehen wurde, als ihn bei den letzten vier
Präsidentschaftswahlen zusammen gewählt hatten.
Manchmal gibt es noch Gerechtigkeit.
189
19
Die Klos der Gerechtigkeit
Du kennst die Szene. Du bist in einem Konzert, in einem
Film oder auf einem Ball, und die Männer, die »mal kurz
müssen«, gehen in Rekordzeit aufs Klo: keine Wartezeit,
keine Streitereien, keine Notwendigkeit zu putzen nach
erledigter Verrichtung.
Beim WC der Damen sieht das bekanntlich ganz anders
aus. Die Schlange kommt aus der Tür und zieht sich den
ganzen Gang entlang. Und sie bewegt sich so langsam
vorwärts, daß man meinen könnte, bei den Frauen
bestünde die Blase aus einem anderen, stärkeren Material
als bei den Männern. Was ist schlimmer, der Kampf, daß
»es« nicht in die Hose geht, oder daß »der Kampf«
scheinbar zu Ende ist! Der Feminismus ist ja so passé
heutzutage. Oh, nur noch 32 Frauen, bis ich mich
erleichtern kann.
Natürlich, ein paar tapfere Frauen sagen ab und zu
»scheiß drauf« und benutzen einfach die Herrentoilette.
Den Männern gefällt es, wenn sich die besiegte weibliche
Blase dem Königreich des Pissoirs beugen muß. Die
Frauen müssen nicht nur die Demütigung ertragen, daß sie
zuvor zehn Minuten in einer Schlange standen, die aussah
wie ein Stück von »Hands Across America«, jener quer
über den Kontinent reichenden Menschenkette, die Mitte
der achtziger Jahre unter Beteiligung Ronald Reagans
gebildet wurde, um Geld für die amerikanischen Armen zu
sammeln. Sie müssen auch noch das Feixen und die Pfiffe
der Männer ertragen.
Gelegentlich wird sogar die Polizei geholt und nimmt
Übeltäterinnen in der Herrentoilette fest. Natürlich sollten
190
die Beamten eigentlich diejenigen festnehmen, die für den
Mangel an Damentoiletten verantwortlich sind: die Planer,
die Architekten, die Bauunternehmer, die Klempner.
Moment mal, haben die nicht alle etwas gemeinsam?
Schauen wir mal. Wann kam das letzte Mal eine
Klempnerin, als eure Toilette verstopft war? Wann hattet
ihr es das letzte Mal mit einem Architekten oder
Bauunternehmer zu tun, der ein doppeltes X-Chromosom
hatte?
Tatsache ist, es gibt wenig weibliche Architekten,
Bauunternehmer und Klempner, also sind Leute, die noch
nie in einer Schlange vor der Toilette gestanden sind,
dafür verantwortlich, daß Frauen in dieser Schlange stehen
müssen.
Wir riefen einen Architekten und einen Klempner an und
fragten, warum sie grundsätzlich nicht genügend
Damentoiletten einplanten und einbauten. Hier ist eine
Zusammenfassung ihrer Antworten:
»Es läßt sich einfach nicht leugnen, daß Frauen auf dem
Örtchen länger brauchen, deshalb ist dort auch die
Schlange länger. Sie müssen das Kleid öffnen, die
Strumpfhalter aufmachen, den Slip herunterziehen und
sich hinsetzen. Männer holen ihr Ding einfach raus und
los! Und wenn die Frauen fertig sind, machen sie noch vor
dem Spiegel herum, tragen neuen Lippenstift auf, bessern
ihren Lidschatten aus und nehmen sich einfach insgesamt
viel Zeit. Und sie reden gern miteinander. Männer haben
sich im Pissoir nichts zu sagen. Sie gehen einfach nur rein
und raus.«
191
Die Klos der Gerechtigkeit rollen durch das Land.
Jungs, das klingt vernünftig, stimmt’s? Letztlich läuft alles
auf dasselbe hinaus: Es kostet mehr Geld, eine Toilette mit
Kabinen zu bauen als ein Pissoir, deshalb müssen die
Frauen warten.
Wir fanden es angebracht, in einer Zeit des schwächelnden
Feminismus (eine Schwäche, die wenigstens teilweise
dadurch verursacht ist, daß sich manche Feministinnen nicht
um die Probleme der Arbeiterklasse kümmern) nicht zu
einem abstrakten politischen Problem Stellung zu beziehen,
sondern uns für ein grundlegendes Bedürfnis einzusetzen,
das so allgemein war, daß alle Frauen unserer politischen
Bewegung Beifall spenden würden. Wir wollten uns für das
Recht der Frauen einsetzen, »zu pinkeln, wann immer sie
wollten und so schnell sie wollten«.
Also mieteten wir einen Pritschenwagen und ein halbes
Dutzend transportabler Klohäuschen und schufen die Klos
der Gerechtigkeit. Unser Ziel: Frauen sollten sich mit
Stolz und in Würde – aber ohne Wartezeit! – erleichtern
können.
192
Karen Duffy winkt der Menge.
Die Klos der Gerechtigkeit wurden von Karen Duffy,
einer Berichterstatterin von TV Nation, kreuz und quer
durch Amerika gefahren. Sie hielt vor Konzertsälen,
Baseballstadien, Kinos und Theatern am Broadway und
verkündete den Frauen an diesen Orten, daß sie an diesem
Tag nicht warten mußten: SIE KONNTEN HIER UND
JETZT AUFS KLO.
Karen animierte die Frauen per Megaphon mit dem
Spruch »Give me a P(ee)!« und mit folgendem Gedicht,
ihr Angebot zu nutzen:
Frauen und Mädchen,
seid nicht scheu,
kommt an Bord
und pißt euch frei!
Wir schrieben sogar unsere eigene Hymne »Die Klos der
193
Gerechtigkeit« und sangen sie, wohin wir auch kamen.
Zu Dutzenden verließen die Frauen die Schlangen der
Unwürdigkeit und strömten hinaus auf die Straße, wo sie
unsere sauberen, gut beleuchteten, wohlriechenden,
transportablen Klohäuschen benutzten. Sie waren
begeistert. Befreit! Und wenn sie aus der Toilette kamen,
schenkte ihnen Karen auch noch ein heißes Handtuch.
Die Klos der Gerechtigkeit machten mit Sicherheit
Eindruck und bewirkten etwas, aber das ist keineswegs die
ganze Geschichte.
In vielen Betrieben ist der Mangel an Toiletten für das
weibliche Personal gesundheitsschädlich, und in einigen
Fällen hat er dazu geführt, daß Frauen ihren Arbeitsplatz
verloren.
Karen erklärt dem Polizisten, »daß sie einfach mal muß«.
Pro Line, ein Hersteller von Baseballkappen und anderen
Kopfbedeckungen für Sportler in der Nähe von Dallas in
Texas, hatte von der Behörde für Sicherheit und
194
Gesundheit am Arbeitsplatz (OSHA) eine Vorladung
erhalten, weil das Unternehmen nicht genügend Toiletten
für sein weibliches Personal bereitstellte. Die
Geschäftsführung analysierte das Problem und kam zu
dem Schluß, daß es billiger war, alle Frauen zu feuern, als
eine weitere Frauentoilette zu bauen. Die Entlassung der
Frauen hatte zur Folge, daß die Kommission für
Chancengleichheit in der Arbeitswelt (EEOC), die mit zu
wenig Personal und einem dürftigen Budget für die
amerikanische Zentralregierung über die Bürgerrechte
wacht, Pro Line verklagte.
Wir suchten einige der gefeuerten Frauen auf und
interviewten sie. Sie berichteten von ihrem Kampf um
elementarste Rechte. Bei Pro Line hatten fast 150 Frauen,
aber nur 6 Männer gearbeitet, und trotzdem hatte es für
Männer und Frauen gleich viele Toiletten gegeben: jeweils
eine. Pro Line aber machte die OSHA für die
Entlassungen verantwortlich.
Wir führen mit den Klos der Gerechtigkeit nach Dallas
und stellten den Lastwagen auf dem Parkplatz von Pro
Line ab. Karen verkündete, daß wir dem Unternehmen
kostenlos Toiletten zur Verfügung stellten. Das
Management rief sofort die Polizei. Minuten später waren
die Beamten da und drohten, Karen und die Crew
festzunehmen und die Toiletten zu beschlagnahmen.
Karen erklärte ihnen, wer die eigentlichen Schuldigen
waren, und die Beamten hatten großes Verständnis für
unser Anliegen. Trotzdem sagten sie, daß wir uns unbefugt
auf gesetzlich geschütztem Privatbesitz befänden. Sie
forderten uns ein zweites Mal auf, das Grundstück zu
verlassen. Und die Klos der Gerechtigkeit rollten von
dannen.
195
196
Kurz darauf hörten wir von einer Konservenfabrik in
Oxnard, Kalifornien, wo die Frauen das Fließband nicht
197
verlassen durften, um sich zu erleichtern. Wir machten uns
natürlich sofort auf den Weg in den Goldenen Staat. Acht
Arbeiterinnen hatten wegen sexueller Diskriminierung
gegen Nabisco Foods Klage erhoben, weil sie sich nur in
den Pausen erleichtern durften, die Männer aber jederzeit.
Einige Frauen hatten Blaseninfektionen bekommen,
andere trugen Windeln bei der Arbeit.
Wieder fuhren wir mit unseren Klos der Gerechtigkeit
auf das Firmengelände, und wie erwartet rief auch diese
Firma die Polizei. Wieder wurde uns mit Festnahmen
gedroht. Diesmal jedoch befand sich unter den Polizisten
eine Frau und naja, sagen wir einfach, daß
Schwesterlichkeit ein durchaus mächtiger Faktor sein
kann, wenn es um ein elementares Bedürfnis geht. Die
Polizistin mußte sich mächtig anstrengen, um ein Grinsen
zu unterdrücken, und wir gaben ihr eine Baseballkappe
und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Klos der
Gerechtigkeit«. Danach fuhren wir weg, aber erst,
nachdem wir den Managern der Dosenfabrik den GospelKlassiker »Let Your Women GO!« vorgesungen hatten.
Wenn ihr also das nächste Mal eine Frauenschlange seht,
die sich den ganzen Korridor entlangzieht, weil Mann
nicht genug Toiletten gebaut hat, stellt euch einfach vor
die Frauen hin und intoniert mit ihnen den fröhlichen
Sprechchor »Klos der Gerechtigkeit!«
198
20
Mit solchen Nachbarn
Als Jeffrey Dahmer aus seiner Wohnung in Milwaukee
abgeführt wurde, weil er 16 Menschen abgeschlachtet und
zum Teil gegessen hatte, sagten alle Nachbarn, er habe
immer wie ein netter Junge gewirkt. Nein, sie hätten nicht
bemerkt, daß er mitunter ein 200-Liter-Faß in seine
Wohnung schleppte. Auch von dem verrottenden Fleisch
hätten sie nichts gerochen. Auch bei der Polizei hatte man
sich nichts gedacht, als ein 14jähriger Junge nackt und
schreiend aus Dahmers Wohnung gelaufen kam. Man
hatte den Jungen sogar wieder bei Dahmer abgeliefert,
damit er die Hinrichtung des Kindes vollstrecken konnte.
Es ist immer das gleiche: Die Polizei fängt einen
Serienmörder, und die Nachbarn tun total überrascht. Nie
haben sie mehr wahrgenommen, als daß er vielleicht »ein
bißchen seltsam« war oder daß er »lieber für sich blieb«.
John Wayne Gacy vergrub 27 Kinder unter den
Bodenbrettern seines Hauses. Natürlich hörten die
Nachbarn die Kettensäge um 3.00 Uhr morgens kreischen.
Aber wir leben schließlich in Amerika, und wir haben
verdammt noch mal das Recht, morgens um drei ein
bißchen Holz zu sägen, ohne daß sich gleich jemand
einmischt.
Joel Rifkin trug mehrmals einen Leichensack aus dem
Haus, wenn er um 8.00 Uhr zur Arbeit ging. Niemand
schien das aufzufallen. Die Nachbarn dachten
wahrscheinlich, er hätte in seinem Büro ein großes Projekt
laufen. John Esposito hielt die kleine Katie in einem
Bunker gefangen, den er in seinem Hinterhof gegraben
hatte, und die Nachbarn fanden es sympathisch, daß er so
199
viel in seinem Hinterhof werkelte.
Das FBI schätzt, daß in den USA heute annähernd 100
Serienmörder am Werk sind. Einer wohnt vielleicht neben
dir. Aber woher sollst du das wissen? Stell dir mal
folgende Frage: Weißt du überhaupt, wer in dem Haus
neben dir wohnt? Und wie steht es mit denen, die zwei
Häuser weiter wohnen? Womit verdienen sie ihren
Lebensunterhalt? Wie heißen ihre Kinder? Es ist noch
nicht lange her, daß wir alle in Stadtvierteln aufwuchsen,
wo man von jeder einzelnen Person im Block den Namen
kannte. Man kannte seine Nachbarn persönlich und hatte
eine Beziehung zu ihnen.
Heute ist das nicht mehr der Fall. Wir tun unser
möglichstes, um unseren Nachbarn auszuweichen. Wir
wollen gar nicht wissen, wer sie sind, weil wir so
verdammt müde von der Arbeit kommen und nur noch in
Ruhe gelassen werden wollen. Du willst eine Tasse
Zucker borgen? Geh doch in den scheiß Supermarkt!
Um unsere Theorie zu testen, daß die Leute es nicht
merken würden, wenn ein Serienmörder in ihrer
Nachbarschaft lebte – und daß sie absolut nichts
unternehmen würden, falls sie doch Verdacht schöpfen
sollten –, fuhren wir nach Westbury auf Long Island. Wir
mieteten ein Haus in einem netten Vorstadtviertel und
engagierten einen Schauspieler, der wie einer der Papis in
der Heimwerkerserie Hör mal, wer da hämmert aussah.
200
Dann ließen wir unseren Schauspieler all die
schrecklichen Dinge tun, die ein erstklassiger
Serienmörder auch tut. Wir rüsteten ihn mit Metallsägen,
Äxten, Spitzhacken, Anleitungen zum Bombenbau und
Frauenkleidern aus. Er vergrub nicht nur ein 200-LiterFaß, sondern zehn 200-Liter-Fässer im Garten vor und
hinter seinem Haus. Er arbeitete um 2.00 Uhr morgens mit
Maschinen. Er feuerte um 4.00 Uhr morgens eine
Schußwaffe ab. Außerdem waren im Haus und in seiner
Umgebung überall Blutflecken zu sehen.
201
All diese Dinge erregten nicht die geringste
Aufmerksamkeit. Unser Mann änderte die Nummer seines
Briefkastens von 6 auf 666, und es störte niemanden, nicht
einmal den Briefträger. Er ließ laute satanische Musik
laufen. Er ging im Haus auf und ab und stieß in
unregelmäßigen Abständen ein lautes Geheul aus. Er goß
falsches Blut auf eine Matratze und legte sie als Sperrmüll
an den Straßenrand. Niemand fiel etwas auf, niemand
kümmerte sich um ihn. Nur ein Hund aus der
Nachbarschaft schnüffelte an der Matratze, weil sie ihm
seltsam vorkam. Aber sein Herr achtete nicht darauf und
zog das Tier einfach weiter.
Wir machten tagelang so weiter, aber in der gemütlichen
kleinen Schlafstadt ging alles seinen normalen Gang, ohne
daß die Aktivitäten unseres Mannes jemandem aufgefallen
wären.
Gegen Ende der Woche entschlossen wir uns zu einer
weiteren Provokation. Unser Mann hängte ein großes
Transparent an seine Veranda und kündigte für Samstag
um 13.00 Uhr ein »Picknick nur für Kinder« an – ohne
Eltern. Wir waren sicher, daß nun etwas passieren würde,
202
aber überraschenderweise rief niemand die Polizei.
Schließlich, am Sonntag, ließen wir unseren
Gastberichterstatter Jonathan Katz bei den Nachbarn die
Runde machen. Er fragte, ob sie drüben bei Nr. 666 nichts
Seltsames wahrgenommen hätten. Die meisten Nachbarn
gaben zu, daß sie etwas gemerkt hatten, aber sie hatten
nicht reagiert, weil sie der Ansicht waren, das Leben ihres
Nachbarn gehe sie nichts an. Eine Nachbarin sagte, sie
habe die Polizei gerufen, weil sie laute, unheimliche
Musik gehört habe. Doch die Polizei war nicht gekommen,
und sie habe danach nichts weiter unternommen.
Als wir die Leute in dem Viertel über unser Experiment
aufklärten, bekamen sie eine große Wut auf uns. Die Stadt
Westbury engagierte einen Anwalt, der uns wegen
»psychischer Nötigung« verklagen sollte. Als Jim
Czarnecki, der Produzent des Beitrags, in das Haus
zurückkehren mußte, um aufzuräumen, stieß er auf einige
sehr feindselige Nachbarn. Er machte das Haus sauber und
suchte so schnell wie möglich das Weite.
Um die Lage zu beruhigen, fuhr unser Supervising
Producer Jerry Kupfer nach Westbury, trank Cocktails mit
den Nachbarn und versuchte, ihnen unsere Sicht der Dinge
zu erklären. Die meisten hatten Verständnis, und wer
keines hatte, erhielt einen druckfrischen Hundertdollarschein, weil wir ihm solche Angst eingejagt hatten.
Bei NBC fand man den Beitrag ausgesprochen
geschmacklos und erwog, ihn nicht zu senden. Schließlich
wurde er doch ausgestrahlt, aber wir mußten das
Transparent mit dem »Kinderpicknick« herausschneiden.
Auch die Idee, eine Ziege im Vorgarten anzubinden und
zu opfern, hatten wir nicht verwirklichen können.
Sie war an unserer Angst vor militanten Tierschützern
gescheitert. Eigentlich hätten wir ja vor den Satanisten,
203
deren Religion wir verspotteten, mehr Angst haben
müssen, aber wir können euch versichern, daß bei einer
Fernsehgesellschaft, die General Electric gehört, niemand
Angst vor dem Teufel hat.
Einige Jahre später informierte uns der Regisseur Quentin
Tarantino, daß »Nachbarn« sein Lieblingsbeitrag in TV
Nation gewesen sei. Dank dieses Lobs verkrafteten wir
den Verzicht auf die Enthauptung der Ziege viel besser.
204
21
Die Krankenversorgungsolympiade
Vierzig Millionen Amerikaner haben keinerlei Krankenversicherung, aber das schert niemanden einen feuchten
Kericht. Die Wall Street ist gesund, nur darauf kommt es an!
In anderen Ländern ist man über diese Zahl entsetzt.
Kein Kanadier, Brite, Deutscher oder Kenianer kann
verstehen, daß unsere nationale Gesundheitspolitik nach
dem Motto funktioniert: »Du bist krank? Pech gehabt!«
Fast noch schlimmer ist, daß die Personen, die versichert
sind, ihrer Health Maintenance Organisation, auch Hand
The Money Over (her mit dem Geld) genannt, unglaublich
viel Geld zahlen müssen. Bei einer HMO bekommt man
keine Hilfe, man wird abgezockt und verwaltet.
Derweil werden die Leute an der Spitze dieser HMOs
stinkreich. 1996 kassierte der Chef des HMOUnternehmens U. S. Healthcare fast eine Milliarde Dollar
Aufwandsentschädigung für sich persönlich.
Ganz recht, eine Milliarde.
Ist es bei diesen Zuständen ein Wunder, daß die USA bei
der Kindersterblichkeit im Vergleich mit allen Nationen
auf dem 23. Platz liegen? Wir können binnen weniger
Stunden ein Dutzend Schlachtschiffe an den Persischen
Golf schicken, aber wenn du Angst hast, daß aus den
Halsschmerzen deines Kindes etwas Schlimmeres werden
könnte, mußt du eine Nummer ziehen und so lange in
einer Ambulanz warten, bis alle Leute mit Schußwunden
behandelt worden sind.
Laut unseren Volksvertretern im Kongreß – die sich
während beider Amtszeiten eines Präsidenten, der sich die
205
Gesundheitsreform auf die Fahnen geschrieben hatte,
strikt weigerten, auch nur das Geringste zur Verbesserung
der Krankenversorgung zu unternehmen – ist unser
Gesundheitssystem in einem wunderbaren Zustand und
dem aller anderen Länder um Lichtjahre voraus. Die
einzigen Probleme, die diese Abgeordneten sehen, sind
erstens: Sozialhilfeempfänger, die zuviel Steuergelder
verschlingen, weil sie die Frechheit haben, krank zu
werden. Zweitens: Rechtsanwälte, die Ärzte wegen
Untätigkeit verklagen.
Bob Costas und Ahmad Rashad, die Moderatoren der
Krankenversorgungsolympiade von TV Nation.
Wir sehen uns gern als die Nummer Eins, also beschlossen
wir, unser Gesundheitssystem mit den Systemen von
Kanada und Kuba zu vergleichen. Wir nannten das Ganze
Krankenversorgungsolympiade und dachten, es wäre
interessant, jeweils einen Patienten mit einem
gebrochenen Knochen in Kanada, in Kuba und in den
guten alten USA von der ersten Untersuchung in der
Ambulanz bis zu dem Moment zu begleiten, in dem er die
Rechnung des Krankenhauses bekommt.
206
Das kanadische Team im Sunnybrook Health Science Center.
Wir baten die Sportjournalisten Bob Costas und Ahmad
Rashad, über den Wettbewerb zu berichten. Sie hielten uns
in unserem New Yorker Studio über die Geschehnisse auf
dem laufenden, bis feststand, wer in der ersten je im
Fernsehen übertragenen Krankenversorgungsolympiade
die Goldmedaille gewonnen hatte.
Schauen wir uns einfach an, was Costas und Rashad
berichteten, als die Olympiade bereits begonnen hatte:
Bob Costas: Beteiligt sind folgende Länder: USA,
Kanada
und
Kuba,
sowie
folgende
Krankenversorgungssysteme: ein privatwirtschaftliches,
eines mit staatlicher Krankenversicherung und ein
sozialistisches. Die Disziplin: Beine, Sprunggelenke,
Füße. Heute abend treffen einige der besten
Krankenversorgungsexperten der Welt in dem überaus
harten Wettbewerb der Krankenversorgungsolympiade
von TV Nation zum zweiten Mal aufeinander.
Erleben Sie, wie unser Team in Florida mit den
Widrigkeiten eines auf privaten Krankenversicherungen
207
beruhenden Systems kämpft, um Amerikas führende
Position in Forschung und Technik zu verteidigen.
Amerikanischer Arzt: Ich finde, wir leisten großartige
Arbeit hier in Amerika, wir liegen wirklich ganz vorn.
Costas: Und nun nach Toronto in Ontario. Wird Kanada
auch weiterhin mit der leichten Zugänglichkeit und
Unkompliziertheit
seiner
allgemeinen
Krankenversicherung punkten?
Kanadische Krankenschwester: Sie können einfach
kommen, ohne daß Sie sich über die Bezahlung Sorgen
machen müssen.
Costas: Und nun schalten wir um in die kubanische
Hauptstadt Havanna. Kann dieses Land der Dritten Welt
trotz schwerer wirtschaftlicher Probleme immer noch mit
den medizinischen Großmächten der industrialisierten
Welt konkurrieren?
Kubanische Krankenschwester: Wir haben ein sehr
gutes System.
Costas: Guten Abend, liebe Zuschauer, ich bin Bob
Costas. Auch heute war wieder ein aufregender Tag im
Wettkampf der drei Länder in der Disziplin Versorgung
der unteren Extremitäten, auch Beine genannt. Heute
abend werde ich gemeinsam mit meinem langjährigen
Kollegen
Ahmad
Rashad
über
die
Krankenversorgungsolympiade von TV Nation berichten.
Ahmad Rashad: Vielen Dank, Bob. Du weißt schon,
immer wenn zwei starke staatliche Systeme und ein
solides marktwirtschaftliches System miteinander in den
Clinch gehen, wird es mit Sicherheit sehr spannend, und in
dieser Beziehung war auch der heutige Tag keine
Ausnahme.
Costas: Das finde ich auch. Nach welchen Kriterien
haben die Schiedsrichter hauptsächlich geurteilt?
208
Rashad: Also, die Leistung der Ambulanzen wurde
nach
folgenden
Kriterien
bewertet:
Zugang,
Behandlungsqualität, Kosten.
Costas: Okay, dann beginnen wir unseren Bericht mal hier
in den USA, wo strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen
wurden und der Wettbewerb mit einem Sprechchor begann.
Das Team in der US-amerikanischen Ambulanz: Die
USA sind Nummer Eins!
Costas: Ort des Wettkampfs war das Broward General
in Florida. Der Patient betrat das Krankenhaus ohne
fremde Hilfe, setzte sich auf einen Stuhl und wartete
gespannt, was als nächstes passieren würde.
Rashad: Das ist interessant, Bob. Lange Wartezeiten
sind doch eigentlich eher typisch für Kanada, weil dort die
Krankenversorgung wegen begrenzter Ressourcen
rationiert ist. Aber wie wir gesehen haben, ist der Patient
im Sunnybrook Health Science Center in Ontario völlig
reibungslos aufgenommen worden.
Costas: In Kuba dagegen, im Colesto General, ist der
Patient mit dem Krankenwagen eingeliefert worden. Seine
Verletzung dürfte also schwerer sein.
Rashad: Stimmt genau, Bob. Also, wenn wir uns das
mal kurz ansehen können: Hier kommt der Patient schon
mit einem behelfsmäßigen Gips und ersten Röntgenbildern
in die Ambulanz. Das liegt daran, daß er zuerst bei seinem
Hausarzt war.
Costas: In den USA wurde der Patient einer Triage
unterzogen, bei der über den Dringlichkeitsgrad seines
Behandlungsbedarfs entschieden wurde. In Kuba dagegen
wurde der Patient sofort versorgt. Dort war keine Triage
erforderlich.
Nach der Aufnahme wurden die Patienten in Kanada und
den USA jeweils in eine Art Wartebereich verbannt.
209
Rashad: Das ist nicht unbedingt ein schlechter Ort, Bob.
Wie wir gesehen haben, versorgen einige Teilnehmer
sogar ihre Kranken auf dem Gang.
Costas: Klar. Aber konnte das Sprunggelenk des
Kanadiers dort nicht noch mehr Schaden nehmen, als
wenn er wie in den USA in einer Kabine gewartet hätte?
Rashad: Ja, das entspricht wirklich den Tatsachen, weil
nämlich ein harmloser, aber unachtsamer Mitpatient
ausgerechnet auf das verletzte Bein trat. Wenn wir uns das
Band nochmal ansehen, darauf sieht man den
unabsichtlichen Zusammenstoß – JA, GENAU HIER. AU
WEIA! Zum Glück hat der Patient keinen zusätzlichen
Schaden erlitten, aber das war trotzdem ein ziemlich übler
Moment in Sunnybrook.
Costas: Und es ist gut, daß er erst auf dem Weg zum
Röntgen war, genau wie die Patienten in Kuba und den
USA. Der Wettkampf wird jetzt wirklich spannend, finde
ich. Ahmad, wie würden Sie die erste Hälfte des
Wettbewerbs zusammenfassen?
Das Team der USA am Broward General in Florida.
210
Rashad: Nun, Bob, wie wir gesehen haben, hatten die USA
wirklich zu kämpfen, was den Zugang zur Krankenversorgung betraf. Aber das ist ein Gebiet, auf dem sie
schon lange einen gravierenden Nachteil haben, weil ja 40
Millionen ihrer Bürger nicht krankenversichert sind. Was
die Behandlungsqualität betrifft, haben alle drei Länder ihre
Patienten etwa gleich schnell und effizient aufgenommen.
Costas: Zum Glück für Kanada spielt die Existenz von
Wartelisten bei der Notaufnahme keine Rolle. In anderen
Bereichen jedoch müssen die Kanadier wegen der
begrenzten Budgets der Krankenhäuser manchmal
monatelang warten. Die USA sollten nun, in der zweiten
Hälfte des Wettbewerbs, mit ihrer überlegenen
Technologie und Ausrüstung eigentlich Boden gutmachen.
Kuba dagegen könnte jetzt ins Hintertreffen geraten. Dort
sind nämlich bestimmte Medikamente und wichtiges
medizinisches Material Mangelware, wegen des seit 33
Jahren bestehenden Handelsembargos der USA und weil
die Sowjetunion das Inselvolk nicht mehr unterstützt.
Rashad: Aber Kuba wird bestimmt bei den Kosten einen
großen Vorsprung herausholen, weil man dort den Patienten
überhaupt nichts berechnet. Und Kanada ist in dieser Kategorie ebenfalls stark, weil der Staat fast alle Kosten trägt.
Costas: Wie haben die Trainer die Leistung ihrer Teams
in der ersten Hälfte des Wettbewerbs beurteilt?
Rashad: Es war sehr interessant. Alle drei wirkten recht
optimistisch. Sie haben sich wie folgt geäußert:
Will Trower (USA): Ich würde nicht unbedingt sagen,
daß ich der Trainer bin. Ich bin einer der Trainer.
Jose Lara Tunon (Kuba): Die Krankenversorgung
kostet unsere Patienten nichts, weil sie bei uns ein
Bürgerrecht ist.
Peter Ellis, der Chef von Sunnybrook (Kanada):
211
Wenn 30 Prozent des Landeshaushalts für die
Krankenversorgung ausgegeben werden, wird man zur
absolut bevorzugten Zielscheibe, wenn die Regierung
versucht, die Staatsverschuldung abzubauen.
Will Trower (USA): In einer so großen und komplexen
Einrichtung wie der unseren gibt es eine ganze Reihe von
Teams, wie Sie sich sicher vorstellen können. Wir
versuchen, möglichst gut zu kooperieren und einander zu
unterstützen.
Costas: Und wir nähern uns dem Ende der ersten
Halbzeit mit einer schönen Aufnahme unseres
Kamerateams aus dem kubanischen Wettkampfort. Danke
Jungs! Diese Leute arbeiten hart. Bestimmt gibt es eine
spannende zweite Halbzeit, Ahmad.
Rashad: Darauf kannst du wetten, Bob.
Costas: Und nun zurück zum Geschehen. Die
Radiologen und die anderen Ärzte haben die Patienten
genauer untersucht und in Kanada einen haarfeinen Riß im
Knochen, in den USA eine böse Verstauchung und in
Kuba einen ausgewachsenen Beinbruch diagnostiziert.
Rashad: Nachdem das gebrochene Bein in einer
Operation gerichtet worden war, interviewten wir das
kubanische Team in der Garderobe.
Dr. Rafael Piorno Rermoselle: Ich bin völlig zufrieden,
weil ich wieder einmal ein Problem im Zusammenhang
mit dem menschlichen Körper gelöst habe.
Costas: Wie unsere letzte Zeitmessung beweist, war die
Wartezeit der Patienten in den industrialisierten Ländern
länger, bis sie ihren Gips bekamen. In Kanada betrug die
Wartezeit vor dem Gips 2 Stunden und 15 Minuten …
… und in den USA l Stunde und 15 Minuten. In dieser Zeit
sorgten die Kubaner dafür, daß es ihrem jungen Patienten
wieder gut ging. Er hatte ja im Gegensatz zu den Patienten in
212
Kanada und den USA einen echten Bruch, so daß eine
Operation nötig war, um das Bein zu richten. Die Behandlung war also ein großer Erfolg für das Colesto General.
Rashad: Im kanadischen Team tat sich beim Eingipsen
vor allem ein Arzt als Star hervor, während sich in den
USA alle Mitglieder des Teams als sehr kompetent
erwiesen. Am Ende waren die Patienten in allen drei
Ländern gut versorgt.
Costas: Mann, das war vielleicht aufregend, fast als
wäre ich selbst dabeigewesen.
Rashad: Hervortagendes Filmmaterial.
Costas: Dem kann ich nur zustimmen. Also, der
Punktestand ist gerade gemeldet worden, und wie wir alle
schon geahnt haben, läuft alles auf das große »K« hinaus:
die Kosten. In Kuba …
Arzt: muß der Patient nichts bezahlen.
Costas: In Kanada …
Krankenschwester: bezahlt er 15 Dollar für die
Krücken, die er gerade erhalten hat. Das ist alles.
Costas: Und in den USA …
Leiter der Krankenhausverwaltung: wird dem
Patienten folgendes in Rechnung gestellt: 80 Dollar für
den Besuch in der Ambulanz des Krankenhauses; 137
Dollar für die Röntgenaufnahme von einem Fuß; 44 Dollar
für die elastische Binde; 118 Dollar für die
Röntgenaufnahme von einem Sprunggelenk; 16,90 Dollar
für die beim Röntgen verwendeten Chemikalien und 46
Dollar für Krücken. Gesamtkosten: 441,90 Dollar.
Rashad: Es kann leider noch eine Weile dauern, bis die
USA ihr Krankenversicherungsproblem gelöst haben, aber
immerhin kamen sie mit einer soliden Leistung auf den
dritten Platz. Kuba hatte einige wirklich großartige
213
Momente und konnte mit seinem umfassenden
Krankenversorgungssystem punkten, aber wenn es keinen
Weg aus seiner wirtschaftlichen Isolation findet, wird es
schwer sein, das System aufrechtzuerhalten. Kuba kam auf
den zweiten Platz.
Das kubanische Team im Colesto General.
Costas: Es ist unser Nachbar im Norden, der mit seinem
über 20 Jahre alten, allgemeinen Krankenversicherungssystem den Sieg davongetragen hat. Kanada bekommt die
Goldmedaille für das Jahr 1994 in der Disziplin untere
Extremitäten. Ja, hier sehen wir das kanadische Team, wie
es die Siegesfahne schwenkt, während wieder einmal ein
Bericht von TV Nation über die Krankenversorgungsolympiade dem Ende zugeht.
Und jetzt noch eine wichtige Einschränkung: Der
Wettkampf bezog sich nur auf Verletzungen der unteren
Extremitäten. Wer weiß, wie das Ergebnis in Disziplinen
wie Gallenblase, Mandelentzündung oder Fettabsaugen
214
ausgesehen hätte. Danke fürs Zuschauen, Ihr Bob Costas.
Rashad: Und Ihr Ahmad Rashad. Gute Nacht.
Beide: Und bleibt gesund, Leute.
Wie ihr wißt, war TV Nation eine nicht fiktionale,
dokumentarische Sendung. Wir arbeiteten mit Humor und
inszenierten bestimmte Situationen, um unseren Standpunkt
zu verdeutlichen, aber alles, was in der Sendung zu sehen
war, wurde aufgenommen, als es tatsächlich passierte.
Außer bei diesem Beitrag. Zum ersten und einzigen Mal
in der Geschichte von TV Nation zwangen uns die
Zensoren von NBC, das Ende eines Beitrags zu verändern.
Tatsache ist, daß bei fairer Anwendung der
Beurteilungskriterien Kuba gewonnen hätte. Es bot die
beste Versorgung in der kürzesten Zeit, und sie kostete
den Patienten keinen Cent. Die Zensoren jedoch erklärten
uns, daß es politisch völlig unmöglich sei, Kuba in der
Hauptsendezeit siegen zu lassen. Wir sollten Kanada zum
Sieger erklären. Wir verhandelten bis unmittelbar vor
Beginn der Sendung und argumentierten, daß eine solche
Entscheidung sowohl unaufrichtig als auch ziemlich
dumm sei. Wir fragten die Zensoren, ob sie glaubten, es
werde eine neue Kubakrise geben, wenn wir zeigten, daß
die Kommies gesiegt hatten. Oder ob sie eine neue
Massenflucht über das Meer fürchteten, diesmal jedoch in
umgekehrter Richtung mit Hunderten von Amerikanern,
die wegen einer anständigen und erschwinglichen
Krankenversorgung nach Kuba flohen?
Wir konnten uns nicht durchsetzen, und der Beitrag wurde
mit Kanada als Sieger gezeigt. Da fragt man sich doch
automatisch, was im Fernsehen sonst noch »verändert« wird,
wenn nicht einmal ein so harmloser Beitrag in seiner
ursprünglichen Form ausgestrahlt werden darf.
215
22
Cobb County
Im November 1994 gewannen die Republikaner unter
Führung von Newt Gingrich die Mehrheit in beiden
Häusern des Kongresses. Sie hatten mit einem Programm
kandidiert, das die Zentralregierung demontieren wollte.
Sie waren ganz entschieden gegen praktisch alles, wofür
diese Regierung stand. Sie versprachen, die
Bundesausgaben radikal zu kürzen, angefangen bei der
Sozialhilfe und anderen Programmen, die sie der
linksliberalen Agenda zurechneten.
Diese Haltung warf natürlich zwei Probleme auf. Erstens
waren die Republikaner dafür verantwortlich, daß die
amerikanischen Staatsschulden unter den Regierungen
Reagan und Bush um satte drei Billionen Dollar gestiegen
waren. Die Erwartung, daß ausgerechnet sie die
Staatsausgaben kürzen würden, war deshalb mindestens
genauso abwegig wie die Erwartung, daß im Jahr 2000 Al
Gore Präsident werden würde. Wir wissen inzwischen,
daß beides nicht passiert ist.
Das zweite Problem bestand darin, daß das
amerikanische Volk seine Regierung eigentlich liebte. Als
die Republikaner 1994 alle Bundesbehörden dichtmachen
wollten, reagierte die Öffentlichkeit mit massiver
Ablehnung. Die Leute wußten, daß der Scheck mit der
Sozialhilfe am ersten des Monats von der Zentralregierung
finanziert wurde, genau wie die Studienbeihilfen des
Student Loan Office und die Flugsicherung, die dafür
sorgte, daß die Oma gesund aus dem Urlaub zurückkam
und nicht am Mount St. Helens zerschellte. Ja, es stellte
sich tatsächlich heraus, daß wir, das Volk, die
216
Bundesregierung doch nicht haßten. Die Republikaner
hatten sich in dieser Hinsicht eine schwere
Fehleinschätzung geleistet. Ihre Politik war vollends
desavouiert, als das Gebäude der Bundesbehörden in
Oklahoma City in die Luft gesprengt wurde, weil die Täter
einen blinden, irrationalen Haß auf die Zentralregierung
hegten. Der häßliche Ton, den die Republikaner
angestimmt hatten, fand seinen logischen Abschluß in dem
Bombenanschag auf das Murrah Building, bei dem 168
Menschen ums Leben kamen.
Dies alles hielt Newt Gingrich jedoch nicht davon ab,
weiter seiner Anti-Washington-Rhetorik zu frönen.
Deshalb war es höchste Zeit, daß sich TV Nation um ihn
kümmerte.
Wir recherchierten ein bißchen (vor allem in der
Zeitschrift Common Cause) und entdeckten, daß Newts
Wahlbezirk Cobb County in Georgia mehr Bundesmittel
erhielt als alle anderen suburbanen Countys mit Ausnahme
von Arlington in Virginia, wo sich das Pentagon befindet,
und von Broward County in Florida (wo der
Weltraumhafen Cape Canaveral liegt).
Wirklich und wahrhaftig, fast vier Milliarden von
unseren sauer verdienten Steuergeldern gingen jedes Jahr
an einen Burschen, der sie gar nicht haben wollte! Dies
brachte uns auf die Idee, daß Newt die Bundeszuschüsse,
die er so scharf mißbilligte, doch einfach zurückgeben
könnte. Sollte er doch dem Rest des Landes ein Beispiel
geben, indem er die Verschwendung zuerst in seinem
eigenen Wahlkreis bekämpfte.
Wir flogen nach Cobb County hinunter und eröffneten
dort ein Büro für eine neugegründete Organisation, die
Newt helfen sollte, das böse Geld an Washington D. C.
217
zurückzugeben. Wir nannten unsere Initiative GOBAC –
Get Government Off Our Backs. (Haltet uns die
Regierung vom Hals.) Diese Organisation zur Befreiung
der Bürger von der Belastung durch die Bundesregierung
fand schnell heraus, was genau Newts Wähler in Cobb
County umsonst bekamen und wieviel es uns Steuerzahler
jeweils kostete:
Altenheime 261000$
Blinkanlagen an Bahnübergängen 74000$
Marihuanaforschung im Kennesaw State
600000 $
Bibliotheken 22000 $
Kläranlagen 6000000$
Stoßdämpfer für Polizeiautos 2100 $
Colleges für Chiropraktiker 270000 $
Lake Allatoona
350000 $
Lockheed
3000000000 $
College
Eine wirklich erstaunliche Liste angesichts der
Schlaglöcher in den Straßen eurer Heimatregion und vor
allem angesichts der 40 Millionen Amerikaner, die keine
Krankenversicherung haben, und der miserablen
Bewertung unserer Schulen, die von allen Ländern der
westlichen Welt am schlechtesten abschneiden.
Eine der ersten Aktionen von GOBAC bestand in der
Teilnahme an dem Umzug zum Amerikanischen
Unabhängigkeitstag, der jedes Jahr in der Hauptstadt von
Cobb County, Marietta in Georgia, stattfindet. Star des
Umzugs war niemand anderes als Newt Gingrich, der im
Kreise seiner Anhänger mitmarschierte.
218
Mike erkundet das von Land umschlossene Cobb County.
Vor dem Umzug bekam Mike Gelegenheit, mit Newt zu
sprechen und ihm für seinen Kampf um die Kürzung der
Staatsausgaben zu danken. Das gefiel Newt. Dann fragte
ihn Mike, welche unnötigen Regierungsbeihilfen er in
Cobb County streichen wolle. Newt sagte, darüber müsse
er noch nachdenken. Aber Mike hatte eine Liste. Er zog
ein Blatt Papier mit einer detaillierten Aufstellung der
Zuschüsse heraus, die Cobb County aus Washington D. C.
bekommt, und machte einige Kürzungsvorschläge.
»Wie wär’s mit Lockheed?«
»Wenn man Systeme verkleinert, braucht man meines
Erachtens Umschulungsmaßnahmen«, antwortete Newt.
»Wie wäre es mit dem Mittagessen in den Schulen?«
»Ich bin dafür, die Zuschüsse für das Mittagessen in den
Schulen zu erhöhen.«
Erhöhen? Wir dachten, Newt wolle die Ausgaben
kürzen? Er bewegte sich eindeutig in die falsche Richtung.
»Was ist mit den 17000 Dollar für die Küstenwache?«
fragte Mike. »Hier gibt es doch gar keine Küste. Wir sind
219
hier doch überall von Land umschlossen.«
Newt warf Mike einen bösen Blick zu und beendete das
Interview. Seine Berater geleiteten ihn davon.
Mike nahm die Zurückweisung persönlich und beschloß,
die Scharte bei dem Umzug auszuwetzen. Er wartete mit
den Zuschauern, bis Newt mit seinen jubelnden
Anhängern in Sicht kam, und schloß sich dann
uneingeladen Newts Block an.
Er stieß weit hinten zu dem Block und arbeitete sich
dann langsam vor in die Reihen, wo Newt das Geschehen
beherrschte. Plötzlich, bevor Newt noch so recht wußte,
wie ihm geschah, marschierte Mike direkt neben ihm und
winkte genau wie er lächelnd den Zuschauern.
Newt Gingrich wurde sofort wütend. Er beugte sich zu
Mike hinüber und sagte: »Ich muß Sie warnen, da drüben
auf dem Dach ist ein Scharfschütze, der mit seinem
Gewehr auf Sie zielt.«
Mike blickte zu den Dächern auf der anderen
Straßenseite hinüber und erspähte tatsächlich einen Mann
in Uniform, der ein Gewehr mit Zielfernrohr auf ihn
gerichtet hielt.
»Ich habe nicht das Bedürfnis zu sterben, damit Fox
einen Zuschaueranteil von 40 Prozent bekommt«, sagte
Mike in einem Ton, der darauf schließen ließ, daß er
gleich eine Windel für Erwachsene brauchen würde. Und
er zog sich hastig aus Newts Block zurück.
Weiter hinten ging der Kongreßabgeordnete Bob Barr,
dessen Wahlbezirk neben dem von Newt Gingrich lag. (Er
wurde nicht von Scharfschützen bewacht, da er neu im
Repräsentantenhaus und ein ziemlich ätzender Typ war.)
Mike fragte Bar, was er von der hohen Staatsverschuldung
halte. Barr sagte, man müsse kürzen und einsparen auf
Teufel komm raus. Was er denn in seinem Wahlkreis
220
streichen wolle? Barr gab keine Antwort. Ob er nicht mit
einer Milliarde weniger auskommen könne? Schweigen im
Walde. Barr winkte weiter in die Menge, entfernte sich
dabei von Mike und ignorierte seine simplen Fragen.
Wir verteilten Flugblätter an die Schaulustigen, in denen
stand, wie sie die schmutzigen Bundesmittel zurückgeben
konnten. Wir ließen ein Flugzeug über dem Umzug kreisen.
Es zog ein Transparent mit der Aufschrift: WEG MIT DEN
BUNDESMITTELN AUS COBB COUNTY, UND ZWAR
SOFORT! hinter sich her. Wir verteilten Autoaufkleber mit
der Aussage: WENN DU DAS LIEST, KASSIERST DU
ZUVIEL STAATSKNETE. Mike dankte der Menge per
Megaphon, daß sie dem Land Newt Gingrich geschenkt
hatte, und sagte, wir wollten unsere Dankbarkeit beweisen,
indem wir alle Bundesgelder zurücknähmen, durch die sich
Cobb County so belastet fühle.
Es dauerte nicht lange, und die Leute wandten sich
gegen uns. Einige buhten uns aus. Ordner nahmen uns mit
Gewalt unsere Schilder weg. Schließlich wurden wir
aufgefordert zu gehen.
221
Nein, Sie haben keine Halluzinationen …
Wir hörten, daß der Ortsverein der Republikaner nach dem
Umzug den Unabhängigkeitstag mit einem Grillfest
feierte, also gingen wir hin und überredeten die Gastgeber,
uns teilnehmen zu lassen. Die fleischessenden
Konservativen dort gaben uns ein Interview nach dem
anderen, wie die Sozialhilfe abgeschafft werden sollte.
Aber keiner kam auf den Gedanken, daß auch die
Sozialhilfe, die sie selbst bekamen, abgeschafft werden
könnte.
Dann erschien zu unserer Überraschung Newt Gingrich
auf der Party. Er erspähte uns sofort und schrie: »Oh nein,
nicht ihr schon wieder.«
Wir versprachen, daß wir ihn in Ruhe lassen würden, sobald
er ein bißchen Werbung für unsere Sendung gemacht hätte.
Bevor er groß überlegen konnte, schnappte sich Mike seine
Hand und schüttelte sie. Dabei blickte er direkt in die
Kamera und sagte: »Nein, Sie haben keine Halluzinationen,
ich bin Michael Moore, das ist Newt Gingrich, und heute
nacht in TV Nation retten Newt und Mike Amerika.«
222
GOBAC sperrt die 1-75.
Newt ging es wie einem Hirsch im Scheinwerferlicht.
Sein gezwungenes Lächeln, als er auf Mikes Anweisung
in die Kamera blickte, sagte nur das eine: »HOLT MICH
HIER RAUS, VERDAMMT NOCH MAL!« Doch es war
zu spät.
Mike hatte Newt nicht dazu bewegen können, ihm bei
der Rettung seiner republikanischen Revolution zu helfen,
also mußte er selbst handeln. Er wollte um jeden Preis
dafür sorgen, daß der Staatshaushalt ausgeglichen wurde
und Cobb County mit gutem Beispiel voranging.
Zunächst einmal appellierte er an die Arbeiter bei
Lockheed, nach Hause zu gehen, damit keine
Bundesmittel mehr für den Bau von Waffen ausgegeben
würden, die Amerika ohnehin nicht brauchte. Leider
blieben Mikes Anstrengungen am Haupttor der LockheedWerke vergebens.
Als nächstes versuchte Mike das örtliche Stück der
Interstate-Autobahn zu sperren. »Verzichten Sie darauf,
diese Bundesautobahn zu benützen«, forderte er die
Autofahrer an der Auffahrt der 1-75 auf. »Sie ist mit dem
223
bösen Geld aus Washington erbaut worden.« Doch die
Autos fuhren einfach die Pylone um, mit denen Mike die
Auffahrt gesperrt hatte.
Dann kam die öffentliche Bibliothek an die Reihe:
»Hören Sie auf, diese Bücher zu lesen«, sagte Mike zu
den Besuchern der Bücherei. »Diese Bibliothek ist von
den Bürokraten im District of Columbia erbaut worden.
Schicken Sie die Bücher zurück!« Doch die Leute lasen
einfach weiter.
Wohin Mike auch ging, er fand keinen einzigen
Einwohner von Cobb County, der künftig Dinge nicht
mehr benutzen wollte, die ihm dank der Bundesregierung
kostenlos zur Verfügung standen. »Warum fangen Sie
nicht bei anderen Leuten an?« fragte ihn ein Mann in der
Bücherei. »Auf Kosten anderer leben, das ist es doch,
worum es geht, oder nicht?«
Der Mann hatte recht. Soll der andere ruhig in die Röhre
blicken, solange er nur für mich bezahlt. Das ist der
American Way.
Offensichtlich haßten die Menschen, die uns Newt
geschenkt hatten, die Bundesregierung überhaupt nicht.
Als wir wieder in New York waren, stellten wir den
Beitrag fertig und schickten ihn an die Fernsehgesellschaft
Fox. Die zuständigen Manager waren entsetzt. Die Presse
war damals voller Geschichten über einen ominösen
Vorschuß, den Rupert Murdochs Verlag Harper Collins
(bei dem auch die amerikanische Ausgabe dieses Buchs
erschien) Newt Gingrich für ein Buch geboten hatte.
(Kurze Zeit darauf sagten Vertreter von Murdochs News
Corporation, der Dachgesellschaft, der Harper Collins
gehört,
vor
dem
Disziplinarausschuß
des
Repräsentantenhauses aus, daß Murdoch mit dem
Vorschuß nichts zu tun gehabt hätte, und der Ausschuß
224
konnte an dem Geschäft nichts Anrüchiges entdecken.)
Wie dem auch sei, die Verantwortlichen bei Fox lehnten
den Beitrag unverzüglich ab.
Mike verhandelte etwa drei Wochen möglichst konstruktiv
mit der Fernsehgesellschaft. Aber schließlich sagte man uns,
die Führung der Gesellschaft sei endgültig zu dem Schluß
gelangt, daß sie die heiße Kartoffel nicht anfassen wolle. Der
Beitrag war gestorben. Es war aus und vorbei.
Am folgenden Tag erschien Mike nicht zur Arbeit. Er blieb
drei Tage weg. Die Mitarbeiter von TV Nation fragten sich,
was los sei. Die Manager bei Columbia TriStar wollten
wissen, warum ihre Anrufe nicht beantwortet wurden.
Schließlich teilte Mike dem Studio mit, daß er nicht
mehr an der Sendung mitwirken werde. Noch am selben
Abend riefen die Fernsehgewaltigen an und teilten ihm
mit, sie hätten ihre Meinung geändert: »Cobb County«
könne ausgestrahlt werden. Mike bedankte sich und ging
wieder an die Arbeit.
Obwohl der Beitrag nicht wie geplant an den Anfang der
Sendung gestellt werden durfte, sondern irgendwo in der
zweiten halben Stunde versteckt werden mußte, wurde er
ein großer Hit bei unseren Zuschauern, und Fox bekam
viele positive Zuschauerbriefe.
GOBAC in Zusammenarbeit mit dem Ortsverein der
Anonymen Staatsknete-Süchtigen von Cobb County:
Die 12 Schritte zur Überwindung der Abhängigkeit
von Staatsknete I
1. Ich gebe zu, daß ich nach Staatsknete süchtig und an
der untragbaren Aufblähung unseres Bundeshaushalts
mitschuldig bin.
225
2. Nicht die Sozialhilfemamas, die Krise der Innenstädte,
die Nahrungsmittelmarken oder der Lehrer- und
Elternverband National Education Association sind das
Problem. Ich bin das Problem.
3. Ich glaube, daß ich viel dafür tue, daß die Regierung
mir nicht mehr auf der Tasche liegt, wenn ich endlich
einsehe, daß ich nach Staatsknete süchtig bin.
4. Ich bin bereit, eine gründliche und schonungslose
Inventur aller Zuschüsse und Dienstleistungen der
Regierung zu machen, von denen ich derzeit profitiere.
5. Nur wenn ich sofort auf den Gebrauch sämtlicher
Mittel und Dienstleistungen der Bundesregierung verzichte,
darf ich hoffen, mich von meiner Sucht zu befreien.
6. Ich werde keine vom Bund finanzierten Ruhegehälter,
Arbeitsplätze, Baukredite oder sonstige Leistungen mehr
annehmen.
7. Ich werde nie mehr auf Bundesautobahnen fahren,
Briefe der Bundespost annehmen oder mit meiner Familie
in Parks picknicken, die mit Staatsknete gepflegt werden.
8. Ich vertraue darauf, daß Gott mir die Fähigkeit
verleiht, die Bundesausgaben zu verhindern, die ich
verhindern kann, mit denen zu leben, die ich nicht
verhindern kann, und daß er mir hilft, den Unterschied zu
erkennen.
9. Ich habe eine Liste aller Personen gemacht, denen ich
durch die exzessive Nutzung von Mitteln und
Dienstleistungen des Bundes geschadet habe, und sie um
Verzeihung gebeten, darunter auch meine eigenen Söhne
und Töchter, die nie einen ordentlichen Sozialhilfe-Scheck
bekommen werden.
10. Ich werde weiterhin wachsam bleiben und nicht
einmal einen vom Bund geförderten Zahnstocher in den
Mund nehmen.
226
11. Da die amerikanischen Geldscheine ebenfalls mit
Bundesmitteln gedruckt werden, vermache ich hiermit
meinen gesamten Besitz an Bargeid der oben genannten
hervorragenden Organisation.
12. Nachdem ich durch diese Schritte eine spirituelle
Erweckung erlebt habe, werde ich diese Botschaft auch an
die anderen, von Staatsknete abhängigen Einwohner von
Cobb County weitergeben, auch an die LockheedArbeiter, an die Offiziere der Küstenwache und an die
Kongreßabgeordneten. Amen.
Einige Monate später erhielten wir Post von Dale Kildee,
unserem Kongreßabgeordneten aus Flint. Er kam gerade
von einer Besprechung der wichtigsten demokratischen
Kongreßmitglieder auf dem Capitol Hill, wo der Beitrag
über Cobb County mit Newt Gingrich in der Starrolle
gezeigt worden war.
»Sie werden es nicht glauben, wie die Anwesenden
reagierten«, schrieb Kildee. »Der ganze Saal jubelte. Wir
hatten uns alle besiegt gefühlt, nachdem die Republikaner
die Mehrheit in beiden Häusern bekommen hatten. Dieser
Beitrag war eine große Ermutigung für uns. Es war das
erste Mal seit langem, daß wir wieder richtig lachten.
Danach hielt Dick Gephardt (der Fraktionschef der
Demokraten) eine mitreißende Rede und forderte uns auf,
Mut zu fassen und uns wieder in die Schlacht zu stürzen.
Vielen Dank Leute, daß ihr diesen Beitrag gemacht habt.«
227
23
Frieden durch Pizza
In Bosnien wird seit dem Jahr 1054 gekämpft. Allein in
diesem Jahrzehnt sind dort eine Viertelmillion Menschen
getötet worden. 1994, als TV Nation von NBC ausgestrahlt
wurde, war das zentrale Thema in den Abendnachrichten
erstens Bosnien und zweitens Bosnien und drittens
Bosnien. Da erschien es uns ganz natürlich, daß auch TV
Nation einen Beitrag über das Thema bringen sollte, und
wir machten der Fernsehgesellschaft einen entsprechenden
Vorschlag.
»Nein«, lautete die Antwort der Fernsehgesellschaft, die
mit dem Slogan »Fernsehen, das Sie sehen müssen« für
sich wirbt. »Bosnien ist der reinste Quotenkiller.«
»Ja, genau deshalb sollten wir ja einen Beitrag darüber
machen«, antworteten wir. »Vielleicht schalten die Leute
nur deshalb alle um, wenn etwas über Bosnien kommt,
weil hier niemand versteht, was dort eigentlich vorgeht.
Vielleicht können wir es erklären. Vielleicht können wir
die Sache interessanter machen?«
»Ich wette 100 Dollar, daß die Quoten während des
gesamten Beitrags jede Minute fallen«, forderte uns einer
der Manager heraus. (Man kann heute tatsächlich die
Einschaltquoten Sekunde für Sekunde verfolgen.)
»Okay, die Wette gilt.«
Unsere Idee war ganz einfach. Wir wollten uns mit den
Botschaftern der Kriegsparteien – den Serben und den
Kroaten – treffen, sie an einen Tisch bringen und mit
ihnen eine Pizza essen und ein paar Lieder singen.
228
Unsere Produzentin Joanne Doroshow überzeugte sowohl
den jugoslawischen Generalkonsul (die Serben bestehen
darauf, ihr Land auch weiterhin Jugoslawien zu nennen,
obwohl es nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem früheren
Jugoslawien hat) als auch den kroatischen Botschafter,
sich mit Mike zu treffen. Aber zunächst ein bißchen
Hintergrundwissen: Die Serben, die Kroaten und die
Muslime behaupten alle, daß Bosnien ihnen gehört. Die
Muslime sind in der Mehrheit, hatten aber in den letzten
Jahren nur wenig Macht. Im Zweiten Weltkrieg
verbündeten sich die Kroaten und die Muslime mit Hitler
und töteten gemeinsam 500000 Serben. Aber in den
neunziger Jahren wendete sich das Blatt. Seit 1992 haben
die Serben etwa 200000 Muslime getötet, während die
Kroaten vergleichsweise zurückhaltend waren und nur
20000 Serben und Muslime töteten.
229
Als symbolische Geste fuhren wir zu den Serben in einem
alten Yugo, dem grauenvollsten Auto, das je von
Menschenhand gebaut wurde. Wir dachten, diese Geste
würde ihnen gefallen, und so war es auch. Alle Mitarbeiter
der Botschaft kamen heraus, um einen Blick unter die
Haube zu werfen und den Reifen einen Tritt zu versetzen.
Zum Glück fiel das Auto trotz dieser Behandlung nicht
auseinander.
Wir hörten uns ihre Begründung an, warum sie 200000
Menschen hatten umbringen müssen. Schließlich machten
wir eine Fernsehsendung und wollten wenigstens den
Eindruck von Ausgewogenheit erwecken, wie dies ja auch
die Fernsehnachrichten tun. Tatsächlich jedoch hatten wir
bereits entschieden Partei ergriffen. Wir konnten
überhaupt keinen objektiven Bericht drehen, weil wir zu
Regierungen, die den Tod so vieler Menschen für
notwendig halten, keine neutrale Einstellung haben.
230
Mike fragt, warum die Serben blau sind.
Nebojsa Vujovic, der Sprecher des Konsulats, machte mit
Mike eine Führung durch die Botschaft. Mike fragte ihn,
auf welche Territorien die Serben ihrer Ansicht nach ein
Anrecht hatten. Herr Vujovic breitete eine Karte aus und
zeigte ihm die Gebiete. Sie waren alle blau schraffiert.
Danach plauderten sie ein bißchen, und Vujovic erzählte
von seinen privaten Interessen. Seine Lieblingssendung im
Fernsehen war Mord ist ihr Hobby und sein Lieblingslied
war »Knockin’ on Heaven’s Door« von Bob Dylan. (Nein,
wir haben ihm nicht den Text geschrieben! TV Nation ist
eine dokumentarische Sendung.)
Wir bestellten eine Pizza zum Mittagessen, und als wir
uns an den Tisch setzten, erschien auch der Generalkonsul
Dusan Paunovic und aß mit uns. Er war ein leutseliger
Mensch, und als Michael ihn fragte, ob er nicht so tun
könne, als ob die Pizza das frühere Jugoslawien sei,
machte er mit. Michael gab Herrn Vujovic ein großes
Messer und bat ihn, die Pizza aufzuteilen, wie er es für
richtig hielt. Vujovic entsprach fröhlich seinem Wunsch.
231
Herr Paunovic nimmt sich ein Stück von Slowenien.
»Dieses Stück ist Kroatien«, sagte er und schnitt ein
kleines Stück Pizza ab. »Das ist Serbien.« Er schnitt ein
riesiges Stück ab. »Und das ist Bosnien. Es besteht aus
drei Ingredienzen: Der Schinken sind die Kroaten, die
Peperonis sind die Muslime, und der Käse sind die
Serben.«
Michael nahm das Bosnien genannte Stück und
überreichte es großzügig Herrn Paunovic. »Hier«, sagte er,
»essen Sie ein Stück Bosnien.«
»Nein, das ist zuviel, aber ich hätte gern ein Stück
Slowenien«, sagte der Generalkonsul, griff zum Messer
und schnitt sich ein anderes Stück von der Pizza ab.
»Meine Mutter stammt nämlich aus Slowenien, müssen
Sie wissen.«
In diesem Augenblick fragte ihn Michael, ob er nicht
den kroatischen Botschafter anrufen und zu einer Pizza
einladen wolle. »Nein, wir rufen die nicht als erste an«,
sagte Paunovic fest. »Die sollen uns zuerst anrufen.«
Die Serben machten bei allem mit, was Michael
232
vorschlug. Sie hielten ihn vielleicht für ein wenig seltsam,
aber sie legten ihm keine Steine in den Weg und sagten
nichts Negatives über das Treffen. Wir verabschiedeten
uns sehr freundlich.
Mike stieg wieder in den Yugo und fuhr zur kroatischen
Botschaft hinüber. Er hoffte, die Kroaten würden
vielleicht etwas zugänglicher sein und vielleicht bereit,
den ersten Schritt zur Beendigung des verhärteten
Konflikts zu tun.
Aber dem war nicht so. Die Kroaten hatten ihre eigene
Karte, auf der genau verzeichnet war, wem im früheren
Jugoslawien was gehörte, und natürlich war ihr Anteil auf
dieser Karte größer als auf der Karte der Serben. Und ihre
Gebiete waren ebenfalls blau schraffiert.
»Hey, Sie können doch nicht beide blau haben«, sagte
Mike zu Petar Sarcevic, dem kroatischen Botschafter.
Aber Sarcevic bestand darauf, daß die Kroaten die
einzigen seien, die ein Recht auf die Farbe Blau hätten.
Mike war fest entschlossen, beide Parteien des Konflikts
zusammenzubringen. Er machte einen Vorschlag. Dank
moderner Schnitttechnik konnten die beiden Diplomaten
Seite an Seite auf dem Bildschirm erscheinen und einander
ein Lied vorsingen. Der Kroate und der Serbe waren
einverstanden, und jeder sang für sich den Barney-Song.
Es war ein herrlicher Augenblick, der einen Preis der
Vereinten Nationen verdient gehabt hätte:
»I love you.
You love me.
We’re a happy fam-i-ly …«
233
Mike animiert Petar Sarcevic zu einer hinreißenden Version des
Barney-Songs.
Kaum zu glauben, daß es in den USA auch Zuschauer gab,
die nicht vor Rührung weinten, als dieser Beitrag
ausgestrahlt wurde. Die Quoten gingen nicht herunter, und
wir bekamen unsere 100 Dollar nicht. Warum die
Vertreter der beiden Staaten bei der Sache mitmachten, ist
eine offene Frage.
Nach der Ausstrahlung erhoben die Serben einen
formalen Protest bei der NBC. Aber sie verschafften ihren
Drohungen keine Glaubwürdigkeit, indem sie versuchten,
ein Massaker unter unseren Mitarbeitern anzurichten.
Feiglinge!
234
24
Wir engagieren unseren eigenen
Lobbyisten
Alle Konzerne, Industriegruppen und rechtsgerichtete
Bewegungen (und auch ein paar linksliberale) haben ihre
eigenen Lobbyisten in Washington D.C. Von der National
Snack Foods Association bis zum National Pork Board hat
praktisch jede Organisation ein Büro auf dem Capitol Hill,
das engagiert ihre Interessen vertritt, die sich leider fast
nie mit unseren Interessen decken. Männer und Frauen in
maßgeschneiderten Anzügen streichen im Kongreß durch
die Korridore und stellen sicher, daß Gesetze, die ihr
Unternehmen durch eine Ausnahmeregelung von den
bestehenden Umweltgesetzen befreien oder ihre
Geschäftsjacht von der Steuer befreien oder ihnen
Subventionen für den Bau einer Fabrik in Indonesien
verschaffen, so schnell und unauffällig verabschiedet
werden, daß wir meistens gar nichts davon mitkriegen.
Dieser Lobbyismus wird jedes Jahr mit Millionen Dollar
finanziert. Und zwar mit Millionen, die in die Taschen der
Abgeordneten im Repräsentantenhaus und in die Taschen
der Senatoren fließen. Unsere Demokratie ist von denen
usurpiert worden, die das meiste Geld besitzen. Wir
bekommen keine allgemeine Krankenversicherung, kein
gebührenfreies Studium, keine größere Arbeitssicherheit
und keine allgemeine Kinderbetreuung, weil wir nicht
über das Geld verfügen, um die für diese Reformen
erforderlichen Stimmen zu kaufen.
Wir kamen ins Grübeln: Was würden wir tun, wenn wir
auch Geld hätten? Könnten wir in der Hauptstadt unseres
235
Landes etwas erreichen, das endlich einmal der ganzen
Bevölkerung nützen würde, und nicht nur den Reichen?
Nehmen wir an, wir hätten 5000 Dollar. Wieviel
Demokratie kann man für 5000 Dollar kaufen?
Wir beschlossen, es auszuprobieren.
Bewaffnet mit dem harten, sauberen Geld der
Fernsehgesellschaft – und ein paar »Souvenirs«, die wir
unseren gewählten Volksvertretern überreichen wollten –
fuhren wir nach Washington. Wir wollten in der
Hauptstadt der USA ausprobieren, ob wir ein Gesetz
durchbringen konnten, das uns etwas nützte.
Bill Chasey, Lobbyist
Zunächst einmal brauchten wir einen registrierten
Lobbyisten. Wir schauten in den Gelben Seiten nach und
fanden genau den richtigen. Bill Chasey führte seine
eigene Lobbying-Firma nur ein paar Blocks vom Capitol
entfernt. Er hatte offenbar gute Verbindungen; alle
Abgeordneten, die wir trafen, schienen ihn zu kennen. Er
war ein sympathischer Mann mit viel Sinn für Humor und,
was uns am wichtigsten war, er wollte ein Gesetz für uns
durchbringen – für mickrige 5000 Dollar.
Wir erklärten Bill, daß wir eine Ergänzung zum
Steuergesetz verabschiedet haben wollten, die für »alle
236
Personen, die für TV Nation arbeiten« einen Steuernachlaß
vorsah. Da wir der Ansicht sind, daß jeder einen fairen
Anteil der Steuerlast tragen sollte, beantragten wir nur
eine
50prozentige
Reduzierung
der
Bundeseinkommenssteuer.
Bill erklärte uns, daß es schwierig sei, eine so hohe
Steuererleichterung
zu
erreichen.
Die
meisten
Abgeordneten würden prompt folgende Frage stellen:
»Warum sollten wir ausgerechnet der Crew von TV Nation
einen 50prozentigen Steuernachlaß gewähren?«
Wir sagten Bill, er solle einfach nur antworten: »Weil sie
mir fünf Riesen gezahlt haben und es mein verdammter
Job ist, ihnen zu besorgen, was sie wollen.«
Bill erklärte uns, daß der Beruf des Lobbyisten ein
bißchen anders funktioniert. Wir würden auch den
Abgeordneten etwas geben müssen, unter anderem eine
bessere Begründung für den Steuernachlaß. Wie Bill uns
erklärte, würden sich die Abgeordneten folgende Frage
stellen: »Warum sollen wir nur den Mitarbeitern von TV
Nation einen Steuernachlaß gewähren und nicht allen
Steuerzahlern?«
Von dieser Idee waren wir restlos begeistert.
»Aber es würde sehr viel mehr kosten als 5000 Dollar,
ein solches Gesetz durchzubringen«, sagte Bill.
Schade! Mehr als 5000 hatte NBC nicht herausrücken
wollen, um unsere Abgeordneten zu »überzeugen«, das
Steuerrecht zu unseren Gunsten zu ändern.
Bill hatte eine andere Idee. »Warum beantragen Sie im
Kongreß nicht Ihren eigenen, bundesweit anerkannten
Tag?« sagte er.
»Meinen Sie, daß es dann jedes Jahr einen TV-NationTag geben würde?«
237
»Genau! Solche Tage werden dauernd eingeführt.«
Hmmm. Ein TV-Nation-Tag. Das klang nicht schlecht.
Die Vorstellung, daß im ganzen Land ein Tag zu unseren
Ehren festlich begangen werden würde, mit Umzügen,
Picknicks und halbierten Preisen bei Wal-Mart, ließ unsere
Herzen vor Stolz und Rührung höher schlagen. Ein TVNation-Tag war genau das, was das Land in dieser
schweren Zeit brauchte. Wir sagten Bill, er solle sein
möglichstes tun.
Wir entschieden uns für den 16. August als offiziellen
TV-Nation-Tag. Es gab keinen besonderen Grund für die
Wahl dieses Datums, außer daß eine Folge unserer Serie
an diesem Tag ausgestrahlt würde und daß der 16. August
Madonnas Geburtstag war und der Todestag von Elvis und
der Tag, an dem die Produzentin des Beitrags Joanne
Doroshow geboren war. Abgesehen davon hatte der Tag
für uns keine besondere Bedeutung.
Bill nahm uns mit auf den Capitol Hill und führte uns an
den Sicherheitsleuten vorbei in das Kongreßgebäude. Wir
schlenderten durch die Korridore der Macht, schüttelten
eine Menge Hände und baten um Unterstützung für unser
Gesetz. Außerdem verteilten wir eine Reihe von
Geschenken, weil wir dachten, daß die Abgeordneten
unser Anliegen dann eher unterstützen würden.
Wir verschenkten Röhrensocken, Knabberkrusten aus
Schweinespeck, Schlüsselanhänger, Rasierapparate der
Marke
Lady
Remington,
Salad
Shooters
(Küchenmaschinen zum Schneiden und Reiben von Salat)
und Karten für die Conan O’Brien Show. Es war
herzerwärmend, das glückliche Lächeln auf den
Gesichtern der Abgeordneten zu sehen, wenn sie die
Geschenke erhielten. Man bekam das Gefühl, daß im
Kongreß der Vereinigten Staaten jeden Tag Weihnachten
war.
238
Doch als wir endlich das Büro des Abgeordneten im
Repräsentantenhaus Howard Coble betraten, eines
konservativen Republikaners aus North Carolina, wußten
wir, daß wir das große Los gezogen hatten. Mr. Coble war
überglücklich, uns zu sehen. Er war ein netter älterer Herr,
der mindestens die Hälfte unserer Scherze verstand. Er
war ganz begeistert von den Röhrensocken und den
Knabberkrusten, und er wußte zwar nicht genau, was man
mit einem Salad Shooter anfängt, bedankte sich aber
trotzdem herzlich für das elektrische Haushaltsgerät.
Als wir ihm eine Dankeskarte gaben, in die wir einen 20Dollar-Schein gelegt hatten, reagierte er verstimmt und
weigerte sich höflich, das Geld anzunehmen.
Howard Coble nimmt die Geschenke von TV Nation an.
Am Ende gelang es Bill, zwei Abgeordnete dafür zu
gewinnen, das Gesetz im Kongreß vorzulegen: Howard
Coble und Floyd Flake, einen Pfarrer aus New York.
Am 10. Mai 1994, im 103. Kongreß der Vereinigten
Staaten, verlasen Coble und Flake in einer der bizarrsten
Szenen, die sich je im Sitzungssaal des Repräsentantenhauses abgespielt haben dürften, Wort für Wort die Reden,
239
die wir als Plädoyers für den TV-Nation-Tag für sie
geschrieben hatten. Und die Kabelfernsehgesellschaft CSPAN übertrug die Reden live.
Wir waren so aufgeregt, daß wir nicht warten konnten, bis
der Kongreß das Gesetz verabschiedet hatte. Nach der
Ausstrahlung des Beitrags erhielten wir Hunderte Briefe
von Fans, die den TV-Nation-Tag in ihren Heimatorten
feiern wollten. Stadträte, wie der von Orlando in Florida,
faßten Beschlüsse, die den 16. August für ihre Gemeinde
zum TV-Nation-Tag erklärten. Der Landtag von Kansas
verabschiedete drei Proklamationen zu Ehren des TVNation-Tags. Überall im Land wurden Forderungen nach
einem TV-Nation-Tag erhoben.
240
Wir waren der Ansicht, daß zu einem solchen Tag ein
eigener, vom überregionalen Fernsehen übertragener
Umzug gehörte, und die Stadt Fishkill im Staate New
York erklärte sich bereit, einen Tag freizumachen und am
16. August 1994 den ersten TV-Nation-Tag zu feiern.
Die städtischen Ämter schlossen, und die Angestellten
bekamen einen Tag frei. Manche Geschäfte hängten ein
Schild mit der Aufschrift »Wegen TV-Nation-Tag
geschlossen« an die Tür. Es gab ein großes Stadtfest und
einen ganz unglaublichen Umzug mit Marching Bands,
Cheerleadern, einer Fahrradparade, Plattformwägen und
einem mitmarschierenden Fernsehapparat.
Das erste Baby, das an diesem Morgen in Fishkill auf die
Welt kam, wurde von unserer Berichterstatterin Karen
Duffy als das erste »TV-Nation-Baby« getauft, und für alle
Bürger unserer gesegneten TV Nation fanden besondere
ökumenische Gottesdienste statt.
241
Dank
der
unglaublichen
Schnelligkeit
und
Geschicklichkeit der Crew von TV Nation wurden die
Ereignisse in Fishkill – teilweise sogar live – auf NBC
übertragen. Bei der Fernsehgesellschaft war man
ausgesprochen nervös, weil man uns ohne vorherige
Zensurmöglichkeit und ohne Zustimmung der Sponsoren
über den Äther schickte.
Die Einwohner von Fishkill nehmen mit ihren Fernsehgeräten stolz
am Umzug teil.
242
243
(Tatsächlich zog ein Sponsor, McDonalds, seinen Spot
zehn Minuten vor Beginn der Sendung zurück, weil das
Unternehmen nicht die Zeit gehabt hatte, zu beurteilen,
welche der 17 vorbereiteten Werbesendungen zum »Ton«
der Show paßten. Es war recht unterhaltsam, wie der Typ
von McDonalds bei NBC im Rockefeller Center in New
York den Gang hinunterrannte und schrie, daß wir ihm
keine Chance gelassen hätten, seine Werbespots
unterzubringen. Wir haben an diesem Abend bestimmt
vielen Rindern das Leben gerettet.)
Es ist ein seltsames, unheimliches Gefühl, im
Hauptkontrollraum von NBC zu sitzen und zu wissen, daß
man nur einen Schalter umzulegen braucht, und schon
sehen Millionen und Abermillionen Zuschauer etwas
anderes. Es war das erste Mal, daß wir in das Mutterschiff
gelassen wurden. Voller Ehrfurcht dachten wir darüber
nach, was für ein großer Tag dies war und was das
Schicksal wohl weiter für uns bereithielt. Warum hatten
sie uns in den Kontrollraum gelassen? Warum waren wir
im Fernsehen?
Aber wir mußten die Betrachtung dieser existentiellen
Fragen unterbrechen, denn ausgerechnet in diesem
bedeutungsschwangeren Augenblick hatte sich der Mann
von McDonalds versehentlich auf dem Herrenklo
eingeschlossen.
Zuerst das Wichtigste. Einen glücklichen TV-NationTag, Amerika!
244
25
Wehleidige weiße Männer
Über zwei Jahrhunderte lang waren die Vereinigten
Staaten von Amerika geprägt von einer starken,
aggressiven Politik zur Förderung einer bestimmten
Bevölkerungsgruppe. Seit den Tagen der Gründungsväter
hielten die Führer unserer Regierung, unserer
Unternehmen und unserer Bildungseinrichtungen das
Festsetzen von Quoten für diese Gruppe und die
bevorzugte Vergabe von Ämtern an ihre Vertreter für
einen Grundpfeiler unseres Systems.
Vorausgesetzt die Personen, welche von dieser Art der
Affirmative Action profitierten, waren weiße Männer.
Dann jedoch, in den siebziger Jahren, wurden Gesetze
verabschiedet, die die bestehenden Ungleichheiten ein
wenig verringern sollten. Frauen und Minderheiten
bekamen einen kleinen Vorteil im System eingeräumt, und
Colleges und Unternehmen wurden ermutigt sich auch um
die qualifizierten Schwarzen, Latinos und Frauen zu
kümmern, die sie traditionell übersehen hatten, weil diese
Leute nicht die richtigen Beziehungen hatten.
Beziehungen sind es nämlich, auf die es im alten System
der Bevorzugung ankommt: Papa geht nach Princeton,
weil Großpapa nach Princeton gegangen ist, und nun geht
auch das Söhnchen nach Princeton, weil die Universität
die Kinder ihrer Absolventen bevorzugt. Oder: Fred in der
Bank weiß genau, daß Soundso kreditwürdig ist, weil Fred
und Soundso beide im Rotary Club sind. Auf diese Weise
profitiert Soundso von der Affirmative Action alten Stils.
Frauen durften vor den zwanziger Jahren noch nicht
245
einmal wählen. Afroamerikaner haben heute noch unter
den Folgen der Tatsache zu leiden, daß ihre Ur-UrGroßeltern Sklaven waren, und ihr sozialer Status hat sich
in den 130 Jahren ihrer »Freiheit« praktisch nicht
verändert. Das System von Privilegien und Macht wird
von einer Generation an die nächste vererbt, und jede sorgt
dafür, daß alles so bleibt, wie es ist. Wer nicht von
vornherein Macht besitzt, hat Pech gehabt.
Einige dachten, es sei eine neue Art der Bevorzugung
notwendig. Doch die Mächtigen haben diese neue Art der
Affirmative Action erfolgreich gestoppt. Heute wirkt das
Konzept, eine Institution für alle zugänglich zu machen, so
altmodisch wie Schlaghosen.
Warum haben die weißen Männer so viel Angst davor,
ihre Macht zu teilen? Was haben Frauen und Schwarze
bloß an sich, das männliche Weiße zittern läßt vor Angst?
Wissen sie denn nicht, wie lächerlich sie sich machen,
wenn sie darüber jammern, daß »diese Leute« alle guten
Jobs kriegen?
Ihr braucht euch nur die weinerlichen jungen Rotznasen
an der Virginia Military Academy ansehen, die keine
Frauen in ihre Militärakademie aufnehmen wollten, dann
wißt ihr, wie kläglich dieses Verhalten ist. Oder die
Burschen in der Militärakademie »The Citadel« in South
Carolina. Sie haben gegen die Aufnahme von Frauen
prozessiert und verloren. Und dann behandelten sie die
ersten Frauen an ihrer Akademie so schlecht, daß die
ersten zwei wieder gingen. Warum hatten sie so Angst vor
der Integration? Hatten sie Angst vor den Frauen? Hatten
sie Angst, daß sie vielleicht klüger oder, Gott behüte,
stärker sein würden? Das wäre eine wahrhaft unerträgliche
Demütigung gewesen!
Unsere Frage lautet: Wollen wir wirklich solche Männer
in den Streitkräften haben, die unser Land verteidigen?
246
Was passiert, wenn sie einmal einem echten Feind
gegenüberstehen?
Ehrlich gesagt, wir finden das alles ziemlich peinlich. In
unserem Land wimmelt es von wehleidigen weißen
Männern, die Angst davor haben, mit Minderheiten um
Jobs, Ausbildungsplätze und Macht zu konkurrieren. Das
alte System der Bevorzugung garantierte, daß weder
Frauen noch Schwarze mit um den Knochen raufen
durften. Als Schwarze endlich im Sport etwas werden
durften (eines der ersten Experimente der neuen
Bevorzugung), haben sie uns den Arsch versohlt. Oh je!
Was passiert, wenn sie und die Frauen in unseren Büros
und Seminarräumen dasselbe mit uns tun?
Unserer Ansicht nach jammern die weißen Kerle deshalb
so, daß sie nun die »neue Minderheit« seien, der weiße
Mann, der kaum noch einen Job findet, obwohl er »am
besten qualifiziert« ist, und das nur, weil ihm ständig
Frauen oder Afroamerikaner vorgezogen werden. Dieses
Schmollen ist typisch für den weißen Amerikaner von
heute, und es gibt nichts Lächerlicheres als einen
erwachsenen Mann, der schmollt. Und das insbesondere,
solange der Senat nur zu neun Prozent aus Frauen besteht,
solange nur fünf Prozent aller Journalisten schwarz sind
und solange in vielen der größten amerikanischen
Unternehmen noch keine Schwarzen im Vorstand sitzen.
Wir bei TV Nation beschlossen, eine Ode an den wehleidigen
weißen Mann zu schreiben. Also verfaßten wir im Stil jener
deprimierenden Dokumentarfilme im Public Broadcasting
System, die vor der Ausrottung einer ganzen Insektenart
warnen, einen dringenden Appell an das amerikanische
Volk, den weißen Mann um jeden Preis zu retten. Schützt
ihn und seinen Lebensraum, bevor es zu spät ist!
247
ÖFFENTLICHE BEKANNTMACHUNG
von Jay Martel
Der weiße Mann. Er ist überall.
Große weiße Männer sind Führer, Unternehmer,
Künstler und vieles mehr.
Im Laufe der Jahrhunderte hat der weiße Mann seinen
Lebensraum bis auf den letzten Winkel der Erde
ausgedehnt. Er hat alles erfunden, von der Atombombe bis
zur Zamboni-Eismaschine. Dieses leuchtende Beispiel für
die menschliche Rasse wird doch bestimmt ewige
Gültigkeit besitzen, oder etwa nicht?
Vielleicht nehmen wir die Existenz des weißen Mannes
wie einst die des mächtigen Büffels allzu
selbstverständlich als gegeben hin? Jetzt schon gibt es
beunruhigende Anzeichen dafür, daß der weiße Mann, wie
wir ihn kennen, eine gefährdete Art ist.
TV-Nation-Autor Jay Martel spricht mit Michael Moore Ideen durch.
248
Der Angriff auf den weißen Mann hat seinen Preis
gefordert, wo man auch hinschaut, überall ist er im
Niedergang begriffen. Noch vor zehn Jahren bestand der
US-Senat zu 96 Prozent aus weißen Männern. Heute ist ihr
Anteil auf mickrige 89 Prozent gesunken! In den letzten
paar Jahren haben die Vorstandszimmer großer
Unternehmen, die zuvor der ausschließliche Lebensraum
weißer Männer waren, eine beispiellose Invasion von
Außenseitern erlebt. Heute ist die Zahl der weißen Männer
in den Vorständen so gesunken, daß sie nur noch 30
Prozent mehr sind als alle anderen Bevölkerungsgruppen.
Ja, der weiße Mann ist von allen Seiten durch seine
natürlichen Feinde bedroht: von Frauen, von
Minderheiten, ja genaugenommen von allen Menschen,
die nicht selbst weiße Männer sind. Und der weiße Mann
wehrt sich auf die einzige Art, die er gelernt hat. Doch er
ist müde geworden, und wer weiß, wie lange er noch
durchhält, wenn wir ihm nicht helfen. Umweltschützer
demonstrieren für den amerikanischen Fleckenkauz und
für ein Fischlein wie den Snail Darter, aber sie haben
immer noch Hemmungen, sich für den weißen Mann
einzusetzen. Und doch, ohne den weißen Mann sind wir
alle schlechter dran. Wer erfindet ohne ihn die
Atombomben und Zambonis von morgen? Und wer malt
sich noch das Gesicht bei Football-Spielen an? Der weiße
Mann braucht eindeutig unsere Hilfe. Unterstützt die
Bemühungen von TV Nation, den weißen Mann als
gefährdete Art einstufen zu lassen, durch Briefe an den
U. S. Fish and Wildlife Service. Und denkt daran: Nur ein
lebender weißer Mann kann ein guter weißer Mann sein.
249
26
Die zensierte TV Nation
Beim Lesen dieses Buches ist euch bestimmt aufgefallen,
daß es bei vielen von unseren Beiträgen gar nicht so
einfach war, die Fernsehgesellschaften zur Ausstrahlung
zu bewegen. In gewisser Weise sind wir nämlich die
Antithese zu allem, wofür die Konzerne stehen, die die
großen Networks besitzen. Wir glauben, daß eine Vielfalt
von Stimmen in den Medien gut für die Demokratie ist.
Die Konzerne aber wollen diese Vielfalt abschaffen und
streben danach, daß nur noch ein paar Unternehmen alle
Medien und die »Nachrichten« kontrollieren, mit denen
die Öffentlichkeit gefüttert wird. Wir glauben, daß die
wahre Macht in Amerika bei den Superreichen liegt und
wir das eine Prozent der Bevölkerung, das über fünfzig
Prozent des gesellschaftlichen Reichtums verfügt,
unermüdlich kritisieren und bekämpfen sollten. Die
Konzernchefs meinen, daß die Medien diese Reichen
feiern und ihre Kritiker schweigen sollten und daß dem
arglosen Verbraucher alle sieben Minuten eine Biermarke
oder eine bestimmte Art von Tortilla Chips angepriesen
werden sollte. Wir glauben, daß Humor ein mächtiges
Werkzeug ist, um über die Probleme aufzuklären, die uns
am Herzen liegen. Die Konzerne dagegen finden uns
lustig und – in der Regel – harmlos.
Da es den Fernsehgesellschaften vor allem um schwarze
Zahlen und um Gewinnmaximierung geht, durften wir TV
Nation weitgehend frei gestalten, solange unsere Sendung
die erwartete Menge von Dorito-Chips-Tüten und
Budweiser-Dosenbier verkaufte.
Deshalb antworten wir auf die Frage: »Wie zum Teufel
250
habt ihr bloß hingekriegt, daß das ausgestrahlt wurde?«
mit der Antwort: »Fernsehgesellschaften sind nicht wie
wir. Sie haben keine ›Gefühle‹ oder ›politische Ansichten‹. Sie haben eine Bilanz. Und unsere Bilanz bei den von
ihnen bevorzugten Altersgruppen war ausgesprochen gut.«
Natürlich gibt es von jeder Regel Ausnahmen, auch von
dieser. Wir machten Beiträge bei TV Nation, die für die
Fernsehgesellschaften das erträgliche Maß überschritten.
Wenn wir das taten, schlug der starke Arm des Zensors zu,
und zwar mitleidslos und ohne sich um unser hilfloses
Gestammel von der verfassungsmäßig garantierten
Meinungsfreiheit zu kümmern.
Von den 105 Beiträgen, die wir für TV Nation drehten,
wurden
nur
fünf
von
den
amerikanischen
Fernsehgesellschaften nicht gesendet. (Alle fünf wurden
von der BBC in Großbritannien und in 20 weiteren
Ländern außerhalb der USA ausgestrahlt.)
Die Saison bei NBC war tatsächlich am leichtesten für
uns. Wir kamen durch den ganzen Sommer, ohne daß ein
einziger Beitrag zensiert worden wäre. Sogar unseren
Besuch im mexikanischen Büro von General Electric, dem
Mutterkonzern von NBC, und unsere Versuche,
Kongreßmitglieder zu kaufen, brachten wir durch.
Im Dezember bat uns die NBC, eine Sondersendung zum
Jahresende zu machen. Zu dieser Sendung gehörten die
Beiträge über das Corp-Aid Concert für Exxon, die
Anstellung eines Privatpolizisten für Bill Clinton und die
Suche nach einem neuen Feind für die Vereinigten
Staaten. (Frankreich machte das Rennen.)
Doch der wichtigste Beitrag in unserer Sondersendung
war ein beunruhigender Einblick in jenen Teil der AntiAbtreibungsbewegung, die es für angemessen hält, daß
Ärzte bedroht werden, die Abtreibungen vornehmen.
251
Unser Berichterstatter Louis Theroux verbrachte ein
Wochenende mit dem Anti-Abtreibungsaktivisten Roy
MacMillan in Jackson, Mississippi. Roy nahm Louis mit
zu der Abtreibungsklinik, wo er die Frauen beschimpft,
die das Gebäude betreten. Roy erklärte, er halte es
moralisch für richtig, alles zu tun, was notwendig sei, um
»die Rechte der Ungeborenen« zu schützen. Als Louis ihn
fragte, ob er »auch die Ermordung des Präsidenten« für
gerechtfertigt halte, sagte MacMillan:
»Ich glaube, er ist in Gefahr, weil er die Tötungen zuläßt
und unterstützt … Es wäre wahrscheinlich eher zu
rechtfertigen, die, äh, Verfassungsrichter umzubringen.«
Verstoßen diese Äußerungen gegen das Gesetz? Ist es
ein Verbrechen, eine direkte oder indirekte Drohung gegen
den Präsidenten der Vereinigten Staaten auszustoßen? Wir
meinten, daß die Leute vom Sicherheitsdienst des
Präsidenten Roy MacMillan hätten verhaften müssen,
nachdem sie den Beitrag über ihn gesehen hatten.
Wir hatten von der NBC kurz nach Produktionsbeginn
grünes Licht für den Beitrag erhalten, obwohl sich die
zuständigen
Führungskräfte
wegen
seines
konfliktträchtigen Inhalts Sorgen machten. Nur wenige
Tage
vor
dem
Sendetermin
rief
uns
die
Fernsehgesellschaft jedoch an und teilte uns mit, daß sich
sämtliche Sponsoren zurückgezogen hätten. Keiner von
ihnen wollte seinen Werbespot neben einem Beitrag mit
dem Thema Abtreibung schalten. NBC hatte nach
anderen, risikofreudigeren Sponsoren gesucht, aber keinen
einzigen gefunden. Es war eine Woche vor Weihnachten,
und wir mußten uns eingestehen, daß der Beitrag nicht
mehr zu retten war. Bei NBC wollten sie die Sendung auf
keinen Fall ohne Werbung ausstrahlen. (Obwohl man zu
ihren Gunsten sagen muß, daß sie Jahre zuvor den Mut
aufbrachten, den Fernsehfilm Roy vs. Wade über das
252
Thema Abtreibung ohne Werbung auszustrahlen.) Wir
gaben nach, und der Beitrag wurde aus der Sondersendung
herausgeschnitten.
Zwei Tage nach ihrer Ausstrahlung betrat ein junger
Mann namens John Salvi III., der zum extremen Flügel
der Anti-Abtreibungsbewegung gehörte, zwei Kliniken in
Brookline, Massachusetts, schoß auf vier Angestellte der
Krankenhäuser und tötete zwei von ihnen.
Louis Theroux steht neben Roy MacMillan, als dieser Frauen beim
Betreten der Abtreibungsklinik beschimpft.
Wäre dieser Mann genauso brutal vorgegangen, wenn er
am Abend zuvor im Fernsehen gesehen hätte, wie ein
Vertreter seiner Bewegung in Handschellen abgeführt
wurde? Das ist doch die Wirkung, die man sich von der
Festnahme eines Verbrechers erhofft: Sie soll andere
potentielle Verbrecher abschrecken.
Der Secret Service, der für die Sicherheit des
Präsidenten verantwortlich ist, bat um eine Kopie des
Abtreibungsbeitrags. Doch wir sammeln gewiß nicht
253
Beweise für Strafverfolgungsbehörden und gaben den
Beitrag nicht heraus. Wenn die Inserenten in unserem
Rundfunk- und Fernsehsystem nicht so viel Macht hätten,
daß sie einen Beitrag zensieren können, dann hätte der
Secret Service den Beitrag einfach mit einem Videogerät
aufnehmen können.
In Großbritannien wurde die Sondersendung unzensiert
übertragen, also nahm der Sicherheitsdienst zur BBC
Kontakt auf, die offensichtlich stolz darauf war, der
amerikanischen Regierung helfen zu dürfen.
Der Skandal um die Savings and Loan Associations
Habt ihr euch jemals gefragt, was eigentlich mit all den
Männern passierte, die in den achtziger Jahren die Savings
and Loan Associations, eine Art Bausparkassen, führten?
Ihr schlampiges und häufig kriminelles Treiben bescherte
ihren Kunden – und den Steuerzahlern – Verluste in
Milliardenhöhe.
Was wir wissen wollten: Kamen diese Leute ins
Gefängnis? Mußten sie Entschädigungen zahlen?
Wir entdeckten, daß die meisten von ihnen nicht ins
Gefängnis kamen, sondern wieder wohlhabend wurden,
während ihre Kunden bankrott gingen. Diese Leute
gründeten sogar eine Selbsthilfegruppe, um negativen
Reaktionen der Öffentlichkeit entgegenzutreten.
Pam Yates, eine Produzentin von TV Nation, bekam von
der Unterstützergruppe die Erlaubnis, ein Treffen dieser
Leute zu filmen und die ehemaligen Bausparkassenleiter
an ihren neuen Arbeitsplätzen zu besuchen. Viele hatten es
schon wieder zum Millionär gebracht.
Der Beitrag war ein unglaubliches Stück Fernsehen:
254
Entweder man lachte, oder man wollte mit den Fäusten auf
den Fernseher losgehen. Es gab nur ein Problem. Die
amerikanische Öffentlichkeit bekam den Beitrag nie zu
sehen. Fox teilte uns ohne Begründung mit, daß er nicht
ausgestrahlt
werden
könnte.
Der
einzige
Erklärungsversuch war, daß der Savings-and-LoanSkandal »Schnee von gestern« sei und die von uns
erwähnten früheren Präsidenten Reagan und Bush unser
junges Stammpublikum nicht interessierten.
Wir fragten uns, ob die früheren Bausparkassenleiter
nach den Dreharbeiten Bedenken bekommen und bei Fox
angerufen hatten, um den Beitrag zu stoppen.
Columbia TriStar hatte sich verpflichtet, alle zensierten
Beiträge auf den verschiedenen Videos mit der Sendung
zu plazieren. Der Sender informierte uns, daß dieser eine
zensierte Beitrag in keinem Video zu sehen sein werde.
Schwulenhatz in Topeka
Dafür gab es in der Schule Extrapunkte.
255
Wie in Michaels Buch Querschüsse geschildert, erhielt der
Schüler einer Highschool in Topeka Extrapunkte in der
Schule, weil er die Beerdigungen von Menschen, die an
AIDS gestorben waren, mit dem Schild »GOTT HASST
SCHWULE« besuchte. Wir schickten unsere Crew nach
Topeka, um einen Beitrag über diesen Schüler und seine
Familie zu drehen. Der ganze Clan demonstriert mit
Schildern gegen alle Personen, die er im Verdacht hat,
schwul zu sein, und belästigt sie auf diese Weise. Der
Beitrag war komisch und furchterregend zugleich. Doch
die Verantwortlichen von Fox teilten uns mit, das Thema
»Schwule« schrecke Sponsoren ab. Sie strahlten eine
»Schwulenstory« aus (unser Ständchen für Jesse Helms in
der Liebesnacht), aber mehr war nicht drin.
Kleine Kondome
Bis vor ein paar Jahren hatten alle Kondome dieselbe
Größe – normal oder »eine Größe für alle«.
Dann kam ganz plötzlich ein neues Kondom auf den
Markt: Es war EXTRAGROSS, MAGNUM, MAXIMUM.
Vielleicht lag es daran, daß das Produkt von Männern für
Männer gemacht war, daß es nur in den Größen normal
und EXTRAGROSS, MAGNUM, MAXIMUM verkauft
wurde.
Was aber war mit der mindestens ebenso wichtigen
Größe – klein? Warum gab es keine extrakleinen
Kondome?
Wir schickten unseren Gastberichterstatter und alten
Freund aus Flint, Ben Hamper (den Autor von Rivethead:
Tales from the Assembly Line), in verschiedene Drogerien
in New York, wo er nach kleinen Kondomen fragte.
256
Die Verkäufer reagierten schockiert, hysterisch, ungläubig
oder verwirrt. Nachdem wir uns das Material angesehen
hatten, waren wir der Ansicht, das Thema Kondome werde
in dem Beitrag auf sehr unterhaltsame Weise behandelt.
NBC und Fox waren anderer Ansicht. Als wir den
Anzugträgern von NBC den fertigen Beitrag vorführten,
sagten sie: »Wenn wir das zeigen, verlieren wir Zuschauer
in den Südstaaten.«
»Warum im Süden?« fragten wir.
»Weil man von einem Südstaatler nicht verlangen kann,
daß er sich eine Fernsehsendung ansieht, in der ganze
sieben Minuten lang von einem kleinen Penis die Rede
ist.«
»Aber«, protestierte Michael, »die BBC in England wird
es doch auch senden.«
»Das ist es ja gerade!« antwortete der zuständige
Manager, der seine ganz eigene Logik hatte.
Außerdem hieß es, unsere Serie werde im
»Familienprogramm« ausgestrahlt, da dürfe man das Wort
Kondom nicht so oft sagen.
Wir meinten, daß man gerade im Familienprogramm
über
Kondome
sprechen
sollte.
Bei
beiden
Fernsehgesellschaften war man anderer Ansicht, obwohl
inzwischen jeder Hundertste Mensch auf diesem Planeten
mit dem HIV-Virus infiziert ist.
Die Wiederaufführung der Unruhen in Los
Angeles
Wart ihr je auf einem Fest zum amerikanischen
Unabhängigkeitstag und habt zugesehen, wie erwachsene
Männer in originalgetreuen Kostümen Schlachten des
257
Amerikanischen Bürgerkriegs nachspielen? Alle scheinen
sich ganz toll zu amüsieren, wenn sie für die Blauen oder
die Grauen Partei ergreifen und ihrer Gruppe zujubeln.
Vielleicht macht die Sache deshalb so viel Spaß, weil
der Bürgerkrieg schon so lange her ist und keiner von uns
die 600000 Leute mehr kennt, die damals ihr Leben
ließen. Aber würden wir es ähnlich unterhaltsam finden,
wenn ein Krieg aus der jüngeren Vergangenheit
nachgespielt würde?
Wir fragten eine Gruppe, die Bürgerkriegsschlachten
nachspielte, ob sie auch Schlachten aus der jüngeren
Vergangenheit in voller Uniform nachspielen würde? Sie
war einverstanden und spielte vor einer Gruppe fröhlich
picknickender Zuschauer den Abwurf der Atombombe auf
Hiroschima. (Wir mieteten einen Bomber aus dem
Zweiten Weltkrieg. Er flog über die Soldaten hinweg, und
sie fielen alle tot um.) Dann baten wir sie, den
Atombombenabwurf aus Nagasaki nachzuspielen, mit dem
gleichen Ergebnis. Danach spielten sie den Fall Saigons
nach.
Bei Fox stieß dieser Beitrag auf heftige Ablehnung. Aber
nach harten Verhandlungen und nachdem die Manager
Michael das Versprechen abgerungen hatten, bei seiner
Einführung zu dem Beitrag zu sagen, daß er das
nachgespielte Sterben ebenfalls pervers finde, erlaubten
sie uns schließlich, drei Teile zu senden.
Aber die letzte Wiederaufführung durften wir nicht senden
– die Unruhen in Los Angeles, nachgespielt von den
»Veteranen« des Bürgerkriegs. Wir drehten das Ding in drei
Teilen: Zuerst zeigten wir, wie Rodney King zusammengeschlagen wurde, dann, wie die beteiligten Polizisten von
den Geschworenen in Simi Valley freigesprochen wurden,
und schließlich zeigten wir den Aufstand im Gefolge der
Freisprüche.
258
Laienschauspieler in Kostümen aus der Zeit des amerikanischen
Bürgerkriegs helfen Verletzten während der Unruhen von L. A.
Bei der Simulation dieses Ereignisses wurde es den
Fernsehgewaltigen sehr unbehaglich. Sie leben natürlich
alle in L. A. Eine Satire über den Tod von ein paar
Hunderttausend Japanern war durchaus drin, aber eine
über die Rassenprobleme in Los Angeles … Oh je! Mach
bloß die Glotze aus.
Dieser Teil unseres Beitrags mit den nachgespielten
Kriegen wurde nicht ausgestrahlt.
In der Regel stellten wir jedoch fest, daß wir nur
beharrlich genug darauf bestehen mußten, daß unsere
Beiträge unverstümmelt gebracht wurden, um genau dies
zu erreichen. Vielleicht geben die Produzenten in
Hollywood einfach schneller nach, als unbedingt sein
müßte. Nicht, daß sie Angst vor den Managern hätten, es
geht nur darum, daß die Anzugträger einen furchtbar
nerven können, und Nachgeben ist dann der bequemste
Weg.
259
Unsere wichtigste Erfahrung beim Fernsehen bestand
darin, daß jede Sendung, die bei den großen
Fernsehgesellschaften läuft, zuvor von einem Inserenten
gesehen wurde, der in der Sendung Zeit für seine
Werbespots kauft. Diese Werbekunden stimmen
tatsächlich einer Sendung zu (oder zensieren sie), lange
bevor sie ausgestrahlt wird.
Wir machten außerdem die Erfahrung, daß im Fernsehen
nicht nur Sex und Gewalt und anstößige Sprache zensiert
werden. Manchmal geht es auch um Ideen, die einfach zu
gefährlich sind, um sie dem Publikum vorzutragen.
260
27
Wenn alles gesagt und getan ist
Am 8. September 1995 lief die letzte Folge von TV Nation.
Am folgenden Abend erhielt die Serie bei der Verleihung
der Emmys für Sendungen in der Hauptsendezeit im Shrine
Auditorium in Los Angeles den Emmy für die beste
Informationsserie. Als wir die kleine Figur annahmen,
dankten wir »General Motors, General Electric und General
Murdoch – denn ohne sie wären wir nicht hier«.
Es besteht das weitverbreitete Mißverständnis, daß TV
Nation abgesetzt worden wäre. Dies ist nicht der Fall. Von
der Serie waren nur zweimal acht Folgen als
Ersatzprogramm für die Sommersaison eingekauft worden.
Wir brauchten jeweils acht Monate, um die acht Folgen zu
produzieren, also wäre es ziemlich schwierig gewesen, die
Qualität wenigstens einigermaßen zu halten, wenn die Serie
das ganze Jahr über wöchentlich ausgestrahlt worden wäre.
Die Produzenten von TV Nation: Senior Producer David Wald,
Executive Producer Michael Moore, Produzentin Kathleen Glynn und
Supervising Producer Jerry Kupfer.
261
Trotz der beispiellosen Menge Fanpost, die NBC und Fox
bekamen, gaben beide Gesellschaften keine weiteren
Folgen von TV Nation in Auftrag. Es wurden allerdings
andere Projekte ins Auge gefaßt. Im November 1997
drehten wir den Pilotfilm für eine Serie, die für das
Nachtprogramm von Fox vorgesehen war. Sie enthielt
ähnliche Beiträge wie TV Nation (Mike versucht Bill
Gates ein Geschenk zum Einzug in seine neue Villa zu
überreichen, wir versuchen einen neuen Job für Joe Camel
zu finden) und Interviews mit der Sängerin Sheryl Crow,
mit dem Schauspieler Jon Stewart, dem Regisseur Kevin
Smith (Clerks, Chasing Amy) und mit O. J. Simpson.
Ja, genau.
Mit O.J.!
Es war das erste Mal, daß er in den dreieinhalb Jahren,
die seit dem Mord an seiner Ex-Frau vergangen waren,
wieder live vor einem Publikum stand. Es wurde eine
spannende Stunde, und als dieses Buch in Druck ging, war
noch unklar, ob die Sendung je ausgestrahlt werden
würde.
Im März 1998 bekamen wir eine gute Nachricht.
Channel Four Television, eine der wichtigsten britischen
Fernsehgesellschaften, war bereit, 16 Folgen einer neuen
Comedy-Reality-Show im Stil von TV Nation zu
finanzieren. Michael Jackson, der frühere Chef von BBC l
und 2, der sich ganz zu Anfang für uns eingesetzt hatte,
war der neue Chef von Channel Four geworden und hatte
sofort angeboten, unsere Serie wieder zu bringen. Wir
sagten ja. Er war außerdem einverstanden, eine neue
Talkshow für das Nachtprogramm mit uns zu produzieren,
plus eine Serie über Independent-Filme, die Michael
Moore moderieren sollte, und unsere nächsten zwei Filme,
einen Spiel- und einen Dokumentarfilm. Wir sind
natürlich überglücklich über diese Aufträge. Channel Four
262
verhandelt im Augenblick mit amerikanischen Fernsehgesellschaften über die Ausstrahlung der geplanten Programme. Eine coole Art umgekehrter Entwicklungshilfe
für die USA.
Wie es war, an TV Nation zu arbeiten? Im Krieg
zwischen Kunst und Kommerz gewinnt fast immer der
Kommerz. Uns jedoch gelang es zwei Sommer lang, fast
allen blauen Bohnen auszuweichen, und wir konnten das
Projekt beenden, ohne unseren Sinn für Humor und unser
moralisches Rückgrat zu verlieren.
Im Rückblick fragen wir uns, warum nicht mehr
Fernsehleute etwas Besseres anstreben, als mit ihren
Sendungen die Menschen nur in ihren Vorurteilen zu
bestärken. Warum stellen sie den Status quo nicht in
Frage? Warum produzieren sie nur für die Hirntoten unter
den Zuschauern? Kennen die TV-Manager die Quoten
ihrer eigenen Sendungen nicht? Die zehn führenden
Sendungen sind jede Woche Produktionen wie ER,
Seinfeld, 60 Minutes, The Simpsons, Frasier, also die
intelligenteren Shows. Die Leute wollen kein dummes
Fernsehen. Hollywood sollte sich das zu Herzen nehmen
und riskanteres, subversiveres Fernsehen machen.
TV Nation schnitt in ihrer Sendezeit nicht besser und
nicht schlechter ab als die anderen Sendungen, die vor
oder nach ihrer Ausstrahlung ihren Platz einnahmen. Wir
haben es zwar nie in die Liste der 40 besten Sendungen
geschafft, aber wir schnitten sehr viel besser ab als
Cheers, M*A*S*H oder Seinfeld – alles Sendungen, die ihr
erstes Jahr am unteren Ende der Quotenskala beendeten.
Wir beendeten unsere letzte Folge mit der ersten Idee,
die Mike den Managern von NBC in jenem ersten Treffen
im
Jahr
1993
vorgestellt
hatte:
mit
der
»Verbraucherberatung für Beichtwillige«. Da Mike glaubt,
daß unser aller Chancen, dereinst von Petrus am
263
Himmelstor empfangen zu werden, recht gut stehen, hatte
er Angst davor, seine Sünden bei 20 verschiedenen
Priestern zu beichten. Also bat er seine gerade vom
Katholizismus genesene Glaubensgenossin Janeane
Garofalo das Experiment durchzuführen. Weil sie
überzeugt war, daß sie ohnehin in der Hölle schmoren
würde, stimmte sie dem Beichtmarathon begeistert zu.
Sie beichtete ihre Sünden und wurde nicht vom Blitz
erschlagen. Statt dessen wurde sie bald darauf ein Star.
Die Quoten für diese Folge gehörten zu unseren besten.
Die Mitarbeiter kamen wie auch bei den vorherigen 16
Folgen zusammen, sahen sich die Sendung an und feierten
in die Nacht hinein. Wir lachten wie immer, wenn wir
sahen, wer die jeweilige Folge sponserte (diesmal waren
es AT&T, Coca-Cola, Burger King und Sara Lee), und wir
stießen darauf an, daß wir die harte Arbeit gut bewältigt
hatten.
An jenem Abend hatten wir alle das Gefühl, daß TV
Nation vielleicht die beste Arbeit war, die wir je gemacht
hatten, und wir fragten uns, ob die Sendung etwas
264
bewirken würde. Für uns war sie nicht bloß eine
Fernsehserie. Sie war ein filmischer Molotowcocktail, den
wir in das Medium geworfen hatten, um es ein wenig
aufzurütteln. Hat es funktioniert? Es hat funktioniert,
wenn du jetzt gern das Buch aus der Hand legen und
rausgehen und selbst ein bißchen Krach schlagen
möchtest.
265
Anhang A
Die Umfragen von TV Nation
Die folgenden Meinungsumfragen wurden von dem
Meinungsforschungsinstitut Widgery and Associates
tatsächlich in der US-amerikanischen Öffentlichkeit
durchgeführt. Die Fehlergrenze beträgt plus minus 9%.
Erste Sendung bei NBC
65 % aller Amerikaner sind der Ansicht, daß tiefgefrorene
Pizza nie etwas taugen wird und die Wissenschaft daran
nichts ändern kann.
10% der Amerikaner würden fünf Dollar bezahlen, um
Senator Orrin Hatch (aus Utah) im Bezahl-Fernsehen mit
einem großen bissigen Hund kämpfen zu sehen.
86% aller Zuschauer wären für den Hund.
100% der Zuschauerinnen wären für den Hund.
45 % der Amerikaner sind der Ansicht, daß im Regen zu
stehen im wirklichen Leben nicht so angenehm ist, wie es
im Film dargestellt wird.
16% der Wähler des unabhängigen amerikanischen
Präsidentschaftskandidaten Ross Perot glauben, daß
»Delphine aus diesen Netzen wieder rauskommen würden,
wenn sie wirklich klug wären«.
266
Zweite Sendung bei NBC
65 % der amerikanischen Frauen sind der Ansicht, daß
»ein
großer
Unterschied«
zwischen
einer
Wahlkampfspende und Bestechung besteht.
Nur 35% der Männer meinen, es gebe diesen
Unterschied.
70% aller amerikanischen Frauen haben noch nie eine
befriedigende Beziehung mit einem Republikaner gehabt.
Dritte Sendung bei NBC
Im vergangenen Jahr hielten 36% der Amerikaner ihr
Land für »die Nummer Eins«. Nur 22% der Bush-Wähler
teilten diese Ansicht.
62% der Amerikaner glauben, daß der Besuch eines
großen Themenparks für sie eine größere Bereicherung
wäre als ein Besuch in der Reagan Library.
Vierte Sendung bei NBC
39% der Amerikaner glauben, daß Waffen nicht »so
gefährlich sind, wie behauptet wird«.
15% der Amerikaner wünschen sich, daß Dennis Hopper
wieder Drogen nimmt.
267
Fünfte Sendung bei NBC
29% der Amerikaner meinen, daß Elvis mit guten
Gründen auf Fernsehgeräte schoß.
29% der Perot-Wähler sagen: »Der Kandidat, für den ich
stimme, verliert in der Regel.«
Sechste Sendung bei NBC
11% der Amerikaner, die an Verdauungsstörungen leiden,
würden lieber noch einmal eine Aufnahmeprüfung
ablegen, als zuzusehen, wie Jesse Helms durch
Dauerreden eine Abstimmung zu verhindern sucht.
12,5% der Amerikaner, die für Clinton stimmten, glauben,
daß man ihnen eines Tages sagen wird, »was genau das
Geheimnis von Victoria’s Secret (einer Wäschefirma) ist«.
98% der Bush-Wähler glauben, daß sie das nie erfahren
werden.
Siebte Sendung bei NBC
88% der Bush-Wähler »haben keine Ahnung, wovon
Rapper reden«.
14% der befragten Amerikaner teilen die Ansicht, daß
Puerto Rico nicht der 51. Staat sein sollte, weil »wegen
des zusätzlichen Sterns die Flagge schlechter aussieht«.
268
Sondersendung zum Jahresende von
1994 bei NBC
35 % der Amerikaner glauben, daß Richard Nixon in den
Himmel kam. 59% glauben, daß er »anderswohin kam«.
34% der Wähler der letzten Wahl glauben, daß der
Spielfilm Forrest Gump ein Dokumentarfilm war.
Erste Sendung bei Fox
60% der Amerikaner sagen, wenn sie einen Knopf
drücken könnten, damit der Talkmaster Larry King
verschwindet, würden sie »ihn drücken und nicht mehr
damit aufhören«.
37% der Amerikaner wollen auf keinen Fall Briten sein,
hätten aber nichts dagegen, einen britischen Akzent zu
haben.
Eine Mehrheit der Amerikaner würde lieber mit dem CBSModerator Dan Rather als mit dem NBC-Moderator Tom
Brokaw in einem Jacuzzi (Unterwassermassagebecken)
sitzen.
Von denen, die lieber mit Dan baden würden, haben
10% keine Krankenversicherung.
Zweite Sendung bei Fox
11% der Personen, die schon einmal das Anti269
Depressivum Prozac genommen haben, wäre es recht,
wenn Dan Quayle ein Comeback hätte, weil »Al Gore
einfach nicht witzig genug ist«.
36% der College-Absolventen sind der Ansicht, daß es
praktisch keine weiblichen Serienkiller gibt, weil Frauen
»einfach nicht aggressiv genug sind«.
Dritte Sendung bei Fox
12% der Befragten glauben, daß der Erfolg des
Schauspielers David Hasselhoff als Star der Fernsehserie
Baywatch wenigstens zum Teil auf »Absprachen mit dem
Teufel« beruht.
45% der Amerikaner glauben, daß Außerirdische, wenn
sie C-Span empfangen und eine Rede von Sonny Bono im
Kongreß hören könnten, nie die Erde besuchen würden.
17% der College-Absolventen würden sich für 50 Dollar
richtig hart mit der Faust ins Gesicht schlagen.
28% derjenigen, die sich selbst als »normale Amerikaner«
bezeichnen, wären gerne König von Großbritannien, aber
nur, wenn sie nicht die Queen heiraten müssen.
Vierte Sendung bei Fox
44% der Republikaner sagen, sie würden sich die
Nachrichtensendung Nightline ansehen, wenn sie eine
eigene Band und einen komischen Eröffnungsmonolog
270
hätte.
Wenn Jesus wiederkehrte und erkennen müßte, daß der
fundamentalistische Fernsehprediger Pat Robertson sein
Sprecher ist, würden wir nach Ansicht von 46% der
Amerikaner alle großen Ärger bekommen.
42 % der Amerikaner sind der Ansicht, daß Kato Kaelin
beim nächsten Flug des Spaceshuttles mitfliegen sollte, ob
er will oder nicht (durch Aussage im Simpson-Prozess
bekannt gewordener Schauspieler).
Fünfte Sendung bei Fox
26% der Amerikaner, die eine Feuerwaffe besitzen, sind
der Ansicht, daß der zweite Zusatzartikel der
amerikanischen Verfassung das Recht garantiert,
hochexplosiven Kunstdünger zu kaufen.
81% derjenigen, die einen oder mehrere der Police
Academy-Filme gesehen haben, sind der Ansicht, daß O. J.
Simpson unschuldig ist.
29 % der Befragten sind der Ansicht, daß der Kerl, der als
erster das Adjektiv »Groß« vor »Britannien« setzte,
wahrscheinlich einen Witz machen wollte.
Sechste Sendung bei Fox
16% der Amerikaner glauben, daß der Rest der Welt ihnen
Böses will. 46% dieser Gruppe sind Waffenbesitzer.
271
Ein Drittel der amerikanischen Frauen teilt die Ansicht,
daß Baseball aufregender war, als die Baseballsaison
1994/95 durch einen Spielerstreik ausfiel.
40% der Amerikaner können sich daran erinnern, wo sie
waren, »when JFK the movie was shot«.
Siebte Sendung bei Fox
Von denen, die sagten, daß sie in den vergangenen sechs
Monaten einmal so richtig geweint hätten, waren 42 %
Demokraten, 27% Republikaner, und 54% glaubten an die
Existenz von UFOs.
28% der Amerikaner sind der Ansicht, daß die High-TechAusrüstung unserer Armee zu teuer ist, um in einem Krieg
ihren Verlust zu riskieren.
272
Anhang B
Die Sendungen
Wir drehten 105 Einzelbeiträge für TV Nation. Hier eine
Liste aller in Amerika ausgestrahlten Sendungen.
Erste Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 19. Juli 1994
Nafta
TV Nation reist nach Mexiko und profitiert vom
Nordamerikanischen
Freihandelsabkommen:
Wir
engagieren für 80 Cent pro Stunde Mexikaner, um die
Sendung zu produzieren.
Taxi (Siehe S. 105)
Appleton
Appleton in Minnesota hat es kürzlich schwer getroffen.
Die Stadt baute ein Gefängnis, um Einnahmen zu erzielen
– doch es fehlt an Häftlingen. Wir finden heraus, warum.
Love Canal
Erinnert ihr euch noch an den giftigen Ort Love Canal in
der
Nähe
der
Niagara-Fälle?
Umtriebige
Immobilienmakler wollen jetzt Menschen dazu bewegen,
wieder in die neue, weniger vergiftete Gemeinde zu
ziehen.
273
Mikes Rakete (Siehe S. 168)
Zweite Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 26. Juli 1994
Eine Herausforderung für Konzernchefs (Siehe S. 88)
Der Handel mit Lebensversicherungen von AIDSKranken
Wir
recherchieren
über
Makler,
die
die
Lebensversicherungen
von
AIDS-Kranken
zu
Billigpreisen an Investoren vermitteln. Wenn der Patient
stirbt, hat der Investor Anspruch auf die gesamte
Versicherungsprämie und macht einen riesigen Profit.
PR-Kosmetik beim Ku Klux Klan
TV Nation sucht den »Nationalen Direktor« des neuen,
medienbewußten Ku Klux Klan auf, um herauszufinden,
wie die Öffentlichkeitsarbeit des Klans ansprechender
gestaltet werden kann.
Kuwait
Erinnert ihr euch noch an den Golfkrieg, als alliierte
Truppen in Kuwait einmarschierten, um die Iraker zu
besiegen und die Demokratie wiederherzustellen? TV
Nation reist in das befreite, demokratische Kuwait, um
herauszufinden, ob der Golfkrieg das Land wirklich
demokratisiert hat, in dem Frauen zum Beispiel immer
noch nicht wählen dürfen.
274
Haustiere auf Prozac
TV Nation sucht eine Anzahl von Haustieren auf, denen
ihr Tierarzt das Anti-Depressivum Prozac verschrieben
hat. Wir wollen wissen, ob das Medikament half.
Karen Duffy friert in Fargo.
Dritte Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 2. August 1994
Ein Tag mit Dr. Tod (Siehe S. 119)
Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten
(Siehe S. 236)
Avon am Amazonas
TV Nation reist an den Amazonas und besucht AvonVertreterinnen, die tief im Regenwald Kosmetika an
Frauen verkaufen. Ein Avon-Produkt kann dort bis zum
Dreizehnfachen eines Tageslohns kosten.
North Dakota
275
North Dakota ist der am wenigsten besuchte Bundesstaat
der Vereinigten Staaten. TV Nation besuchte bei
Temperaturen unter dem Gefrierpunkt Attraktionen wie
das Lawrence Welk Museum und den geographischen
Mittelpunkt Nordamerikas.
Klärschlamm
Was passiert, wenn ein New Yorker die Klospülung
betätigt? TV Nation folgte dem Klärschlammzug bis in die
Stadt Sierra Bianca in Texas. Dorthin wird der
Klärschlamm geliefert und in der Umgebung verteilt.
Vierte Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 9. August 1994
O. J./Schleichwerbungsabend
TV Nation will auch mal so richtig schleichwerben. Wir
besuchen den Ford-Bronco-Händler von O. J. Simpson
und lassen uns über den »O. J. Special« informieren.
Außerdem treiben wir Schleichwerbung, indem wir
während der ganzen Sendung an strategisch wichtigen
Stellen verschiedene Produkte plazieren.
Billigtourismus
Wir besuchen ein Gefängnis, dessen Insassen vom
Tourismusministerium des Bundesstaats als billige
Arbeitskräfte genutzt werden.
Hot Springs
TV Nation besucht die Stadt, wo Präsident Clinton
276
aufgewachsen ist, einen seltsamen Kurort in Arkansas
namens Hot Springs.
Lord Mike
Wie wird man in den Adelsstand erhoben? Durch
familiäre
Beziehungen?
TV
Nation
besucht
Großbritannien, um herauszufinden, was es wirklich
kostet. Schlappe 8000 Dollar, und man kann mit einer
Diners-Club-Karte bezahlen!
Die Krankenversorgungsolympiade (Siehe S. 205)
Fünfte Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 16. August 1994
Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten
(Siehe S. 236)
Millennium
Über 2 500 Gruppen in den Vereinigten Staaten glauben,
daß die Welt, wie wir sie kennen, mit der
Jahrtausendwende enden wird. TV Nation besucht vier
dieser Gruppen, um herauszufinden, ob wir das Jahr 2000
277
überleben.
Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet?
(Siehe S. 125)
Den Kommunismus abschleppen (Siehe S. 179)
Frieden durch Pizza (Siehe S. 229)
Sondersendung zum 5. Geburtstag bei
NBC
Erstausstrahlung: 21. August 1994
Beiträge aus den ersten fünf Folgen der Serie.
Sechste Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 23. August 1994
Waffenabend
Die Berichterstatter von TV Nation tun sich mit dem
Schauspieler Christian Slater, dem Schnulzensänger Harry
Connick jr., dem Trainer der Dallas Cowboys Barry
Switzer und den Ehefrauen von Kongreßmitgliedern
zusammen und tragen Waffen! Wir üben unser Recht aus,
nicht nur Waffen zu tragen, sondern sie auch abzufeuern!
Mit solchen Nachbarn (Siehe S. 199)
278
Wer schmiert besser, New York oder New Jersey?
TV Nation wirft sein ganzes Gewicht als populäre Serie
in die Waagschale, um für seine Produktionen in New
York eine Steuerbefreiung zu bekommen, indem es droht,
künftig in New Jersey zu produzieren. Wir gehen bis ganz
nach oben, zu dem New Yorker Bürgermeister Rudolph
Giuliani, um zu erfahren, was wir kriegen können.
Talkshow
TV Nation versucht folgende häufig gestellte Frage zu
beantworten: Wo genau kommen eigentlich die Leute in
den tagsüber ausgestrahlten Talkshows her?
Siebte Sendung bei NBC
Erstausstrahlung: 30. August 1994
Golfabend
TV Nation läßt sich von Golfprofi Rodger Tabara Tips
geben, wie die Sendung aufgemöbelt werden könnte und
wie dieser fürchterliche Slice verbessert werden könnte.
Prügelstrafe
Worauf war das Britische Weltreich aufgebaut? Einige
Briten behaupten: auf der Züchtigung mit dem Stock. TV
Nation riskiert die Ärsche seiner Mitarbeiter und besucht
Großbritannien, um diese Geschichte zu recherchieren.
Sabotage (Siehe S. 150)
Werbemüll (Siehe S. 137)
279
Unternehmensberater
Viele Unternehmen engagieren doch tatsächlich Berater,
um effektiver Personal abbauen zu können, also
engagierten wir auch einen Unternehmensberater, um
unsere Lohnkosten zu senken.
Sondersendung zum Jahresende (1994)
bei NBC
Erstausstrahlung: 28. Dezember 1994
Jacuzzi
Während der ganzen Folge spendiert TV Nation
Mitgliedern der meistgehaßten Bevölkerungsgruppen der
USA, darunter Vermieter, Angestellte von TelemarketingFirmen und Satanisten, Fahrten in der Jacuzzi-Limousine.
Das Corp-Aid Concert (Siehe S. 60)
Ein Wachmann für das Weiße Haus
280
Wie es den Anschein hat, wurde das Weiße Haus öfters
angegriffen in letzter Zeit – ein Mann zerschellte mit
seinem Privatflugzeug auf dem Rasen vor dem Gebäude,
ein anderer schoß auf das Weiße Haus. TV Nation
engagiert einen privaten Wachmann, um das wichtigste
Gebäude der freien Welt bewachen zu lassen.
Starben nicht 1994
In den Sondersendungen zum Jahresende wird immer
von Leuten erzählt, die im Lauf des Jahres gestorben sind.
Wir bei TV Nation finden das deprimierend. Also rücken
wir den ganzen Abend Personen ins Rampenlicht, die
1994 nicht gestorben sind.
Die Invasion des Jahres 1995
In den letzten paar Jahren hatte das amerikanische
Militär viel zu tun: Ausflüge nach Haiti, Somalia und
Kuwait. TV Nation läßt die amerikanischen Bürger
darüber abstimmen, wo die Truppen 1995 einmarschieren
sollen.
Lernt die Republikaner kennen
TV Nation sieht sich die Karrieren und Äußerungen der
Männer und … Männer genauer an, die in überwältigender
Anzahl gewählt wurden, um unser Land zu regieren: die
Republikaner.
Voraussagen für das neue Jahr
Steven Wright fragt eine Reihe von Experten, welche
wichtigen Ereignisse 1995 passieren oder nicht passieren
werden.
281
Neue Arbeitsplätze
TV Nation spricht mit einer Reihe von Leuten in
Scranton in Pennsylvania, um herauszufinden, was sie für
»neue« Arbeitsplätze bekommen haben und wie sich ihr
Leben verbessert hat, seit diese Arbeitsplätze während
Clintons Amtszeit geschaffen wurden.
Erste Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 28. Juli 1995
Bruno for President
An einen Präsidenten werden keine hohen
Anforderungen gestellt. Er muß lediglich mindestens
fünfunddreißig und in den USA geboren sein. Warum
stehen trotzdem immer nur so wenige Kandidaten zur
Wahl? TV Nation nominiert seinen eigenen Kandidaten,
den vorbestraften Verbrecher Louie Bruno, damit er am
demokratischen Prozeß teilnimmt.
Wir sind die Nummer Eins
TV Nation besucht Städte in Amerika und feiert mit
ihnen, daß sie in verschiedenen Bereichen die Nummer
eins sind: zum Beispiel in der Anzahl der Playboy-Abos
(Des Moins in Iowa) oder der Entführung von Autos
einschließlich der Insassen (Tampa in Florida).
282
Invasion auf dem Strand bei Greenwich in Connecticut
(Siehe S. 37)
Tatortsäuberung
TV Nation interviewt Mr. und Mrs. Barnes. Das Ehepaar
hat eine Firma, die Tatorte nach Gewaltverbrechen
säubert. Wenn die Leichen abtransportiert sind und die
Polizei den Tatort verlassen hat, kommen Mr. und
Mrs. Barnes, machen ihre Arbeit und kassieren eine
stattliche Summe dafür.
Crackers,
das
WirtschaftskriminalitätsBekämpfungshuhn (Siehe S. 69)
Zweite Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 4. August 1995
Zahltag (Siehe S. 47)
Yuri, der Spion für TV-Nation (Siehe S. 157)
Nea
Viele Kongreßmitglieder wollen die Finanzmittel für das
National Endowment for the Arts (NEA) streichen und
Privatunternehmen für unsere Künstler und Museen zahlen
lassen. »Keine schlechte Idee!« dachten wir bei TV Nation
und machten eine Rundreise durch die Museen, die zur
Zeit ohne einen Cent vom NEA gedeihen: das Kentucky
Fried Chicken Museum, das Tobacco Art and History
283
Museum und das Sacred Arts Museum.
Atombombe
TV Nation besucht einen Mann aus Idaho, der bei einer
staatlichen Versteigerung 750 Tonnen Metallschrott
kaufte. Als er die Teile zu Hause inspizierte, entpuppten
sie sich zu seiner Überraschung als Bauteile einer
Atombombenfabrik.
Das Jerusalem-Syndrom Von den Millionen Touristen, die
das Heilige Land besuchen, glauben immer wieder
welche, daß sie Jesus sind, wenn sie aus dem Reisebus
steigen. Ärzte in Jerusalem haben dieses Phänomen das
»Jerusalem-Syndrom« getauft. TV Nation beschreitet den
Pfad der Propheten und recherchiert zu diesem Phänomen.
Die Klos der Gerechtigkeit (Siehe S. 190)
Dritte Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 11. August 1995
Wiederaufgeführte Kriege
TV Nation schließt sich den Burschen an, die sich an
Wochenenden
verkleiden
und
Schlachten
des
Amerikanischen Bürgerkriegs nachspielen. Diesmal
jedoch lassen wir sie in ihren Bürgerkriegskostümen
Schlachten aus der jüngeren Vergangenheit aufführen:
Den Fall Saigons, die Schlacht von Hiroschima und den
Scheidungskrieg zwischen Tom Arnold und Roseanne.
284
Stadt des Teufels
Die Southern Baptist Church hat eine Karte von
Alabama veröffentlicht. Sie zeigt die Countys, in denen
die meisten Einwohner noch nicht »gerettet« sind und
deshalb nach ihrem Tod in der Hölle schmoren müssen.
TV Nation reist in die Countys mit den meisten
»verlorenen« Seelen und versucht, sie vor der ewigen
Verdammnis zu retten.
Crackers in Philadelphia (Siehe S. 77)
Der elektronische Riecher
Gerade dachten wir, die Maschinen hätten endlich alle
Menschen ersetzt, die sie ersetzen können, da taucht die
elektronische Nase auf. Rund um die Welt werden
Tausende Menschen beschäftigt, um die – angenehmen
oder unangenehmen – Gerüche neuer Produkte zu testen.
TV Nation besucht zwei Unternehmen in Großbritannien,
die menschliche Riechkolben durch elektronische ersetzen
wollen.
Cobb County (Siehe S. 217)
School of the Americas
Die USA haben in Georgia eine Schule gegründet, die
lateinamerikanischen
Soldaten
die
Kunst
der
»Bevölkerungskontrolle« beibringen soll. Sie heißt School
of the Americas. Eine Anzahl lateinamerikanischer
»starker Männer« (wie zum Beispiel Manuel Noriega) hat
dort ihre Ausbildung erhalten – auf Kosten des
amerikanischen Steuerzahlers.
285
Widgery
Habt ihr euch je gefragt, ob die Umfragen, die in TV
Nation gezeigt werden, echt sind? Viele Zuschauer
möchten das gerne wissen. Deshalb stellen wir unseren
Zuschauern Widgery and Associates vor, das anerkannte
Meinungsforschungsinstitut, das die Umfragen für TV
Nation durchführt.
Vierte Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 18. August 1995
Nicht gesucht: Brian Anthony Harris (Siehe S. 99)
Liebesnacht (Siehe S. 26)
Aquarium
Orte wie Camden in New Jersey, Long Beach in
Kalifornien und Tulsa in Oklahma, die um ihr Überleben
kämpfen, haben große Aquarien gebaut, um Touristen
anzuziehen und womöglich ihre Innenstädte zu retten. TV
Nation untersucht das Phänomen.
Mikes Bürgerwehr
Seit der Bombe in Oklahoma City ist der Michigan
Militia viel Aufmerksamkeit geschenkt worden, einer
bewaffneten Gruppe wütender Bürger, denen Timothy
McVeigh und die Brüder Nichols 1993 freundschaftlich
verbunden waren. TV Nation verbringt einen Tag bei der
Bürgerwehr. Wir wollen ihre Mitglieder dazu bringen, daß
sie ihre Waffen niederlegen, ihre Tarnanzüge ausziehen
286
und sich am demokratischen Prozeß beteiligen.
Die Konkurrenz: der KGB (Siehe S. 166)
Fünfte Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 25. August 1995
Kanada-Abend
Der Sondergruß von TV Nation an unsere Nachbarn im
Norden. Wir schmuggeln die ganze Nacht illegal Kanadier
über die Grenze, bieten den Kanadiern frei verkäufliche
Waffen an und wollen herausfinden, wieviel die Kanadier
über Amerika wissen.
Wir helfen Washington auf die Sprünge
In Newt Gingrichs Contract with America steht, daß der
Kongreß an alle Gesetze gebunden ist, die auch für die
amerikanischen
Staatsbürger
gelten.
Wie
sich
herausgestellt hat, spielt und lebt der Kongreß jedoch
immer noch nach seinen eigenen Regeln. Deshalb reist die
TV Nation nach Washington D.C., klagt ihr vertraglich
zugesichertes Recht ein und fordert für sich dieselben
Privilegien, die die Kongreßmitglieder genießen.
Nugent
TV Nation besucht das neueste Vorstandsmitglied der
National Rifle Association, die Rock ’n’ Roll-Legende
Ted Nugent. Ted zeigt unserem Berichterstatter Louis
Theroux seine Farm in Michigan und äußert sich zu
verschiedenen Themen, vom Sturmgewehr bis zu
(Justizministerin) Janet Reno. Dabei gelingt es ihm, seinen
287
neuen Status als Rush Limbaugh des Rock ’n’ Roll zu
festigen.
Crackers in St. Louis (Siehe S. 79)
Ich will ein Argentinier sein (Siehe S. 130)
Sechste Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 1. September 1995
Umarme einen Gouverneur
Die Mehrheit im neuen Kongreß behauptet, sie wolle
mehr Macht an die Bundesstaaten abtreten. Wenn die
Macht jetzt dort angesiedelt ist, wollen wir von TV Nation
hingehen und sie berühren. Also erhält Mike folgenden
Auftrag: Umarme alle 50 Gouverneure.
Psychologische Operationen
Die Berichterstattung über den Prozeß von O.J. Simpson
war wichtig, aber brauchte es wirklich jeden Tag 300
Reporter? Gab es keine anderen wichtigen Ereignisse,
über die man berichten mußte? Wir von TV Nation
engagierten unseren eigenen Experten für psychologische
Operationen, einen pensionierten Offizier der US-Armee,
um eine psychologische Operation durchzuführen, die die
massive Berichterstattung über O. J. destabilisieren und
reduzieren soll.
Rosemont
Teile von Rosemont in Illinois, einer sehr wohlhabenden
288
Vorstadt von Chicago, sind von der Außenwelt
abgeschottet. Die öffentlichen Zugangsstraßen sind von
Polizisten bewacht, die nur die Einwohner des Stadtteils
hineinlassen. TV Nation stellt am Stadtrand von Rosemont
seine eigenen Wachposten auf und hindert die Einwohner
von Rosemont daran, nach Chicago zu fahren.
Gewerkschaften
Wie jeder weiß, liegen die Gewerkschaften im Sterben
oder sind bereits tot. Aber es gibt ganz neue Gruppen von
Arbeitnehmern da draußen, die sich zum ersten Mal
gewerkschaftlich organisieren, Buffalo Bills Cheerleading
Squad zum Beispiel oder die Oben-Ohne-Tänzerinnen in
einer Bar in New Jersey oder die lebensgroßen
Comicfiguren in Disneyland. TV Nation sagt: »Zeigt uns
euren Gewerkschaftsausweis.«
Wehleidige weiße Männer (Siehe S. 246)
Nicht gesucht: Brian Anthony Harris, Teil 2
(Siehe S. 99)
Fanpost
Der Präsidentschaftskandidat von TV Nation Louie
Bruno und sein Wahlkampfmanager Lucky beantworten
die Post unserer Zuschauer.
289
Louie Bruno und Lucky Dellacaprini lesen die Post.
Siebte Sendung bei Fox
Erstausstrahlung: 8. September 1995
Highschool-Tyrannen
Alle Berichterstatter von TV Nation werden wieder mit
dem Schüler zusammengebracht, der sie an der
Highschool tyrannisiert hat. Die Tyrannen werden für ein
besonders vergnügtes Wochenende nach New York
eingeflogen. Sie fahren zusammen mit ihren früheren
Opfern in der Kutsche durch den Central Park und auf
dem Tandem und bekommen nebenbei ein bißchen was
heimgezahlt.
Beichte
Einmal im Jahr sollen alle Katholiken zur Beichte gehen
und alle Sünden des Jahres beichten. Interessanterweise
geben keine zwei Priester dieselbe Buße für dieselben
Sünden. Als Kundendienst für ihre katholischen
290
Zuschauer
bietet
TV
»Verbraucherberatung für
Menschheitsgeschichte.
Nation
die
erste
Beichtwillige« in der
Der New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani überreicht Mike
seine Nominierung für den Emmy, nur wenige Wochen nach dem
Besuch von Crackers.
291
Fernsehverbrecher
TV Nation reist mit den »TV Cops« durch Großbritannien,
und sie lochen britische Staatsbürger ein, die ihr Fernsehgerät ohne Erlaubnis der britischen Regierung betreiben.
Crackers in Detroit (Siehe S. 81)
KGB und die demokratische Partei (Siehe S. 165)
Weatherman
TV Nation engagiert einen Meteorologen, der gefeuert
wurde, weil er sich weigerte zu lügen, und Regen
voraussagte für den Tag, an dem die Republikaner ein
großes Picknick veranstalteten.
Zensierte Beiträge
Schwulenhatz in Topeka (Siehe S. 257)
Der Skandal um die Savings and Loan Associations
(Siehe S. 256)
Abtreibung (Siehe S. 254)
Kleine Kondome (Siehe S. 258)
Die Wiederaufführung der Unruhen in Los Angeles
(Siehe S. 260)
292
Anhang C
Was gibt’s von uns?
Bücher
Stupid White Men
Stupid White Men
Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W.
Bush
Aus dem Amerikanischen von Michael Bayer, Helmut
Dierlamm, Norbert Juraschitz und Heike Schlatterer, 335
S., broschiert Piper Verlag, ISBN 3-492-04517-0
Querschüsse
»Downsize This«
Aus dem Amerikanischen von Heike Schlatter und Helmut
Dierlamm, 314 S., broschiert, Piper Verlag, ISBN 3-49204564-2
Volle Deckung Mr. Bush
»Dude, Where’s my Country?«
Aus dem Amerikanischen von Michael Bayer, Helmut
Dierlamm, Thomas Pfeiffer und Heike Schlatterer, 316 S.,
293
broschiert, Piper Verlag, ISBN 3-492-04614-2
Als Hörbuch sind erhältlich
Stupid White Men
2 CDs, Verlag Antje Kunstmann, ISBN 3-88897-334-1
Volle Deckung Mr. Bush
2 CDs, Verlag Antje Kunstmann, ISBN 3-88897-361-9
Als DVD sind in deutscher Sprache erhältlich
Bowling for Columbine
Roger & Me
The Big One
Ab Juli 2004 in den Kinos Fahrenheit 9/11
294
Anhang D
Material für TV Nation
Im folgenden interessante Adressen, Telefonnummern und
Websites. Werdet aktiv und nutzt sie nach Belieben.1
Wer hat diese Serie ins Programm genommen?
TriStar Television
10 202 West Washington
Blvd., Culver City, CA
90232,310-244-4000
www.spe.sony.com/tv
BBC Television
Viewer and Listener Correspondence
The Broadway
Ealing
London W5 2PA
ENGLAND
0181-743-8000
www.bbc.co.uk
Channel Four Television
124 Horseferry Road
1
Nicht alle dieser Adressen sind noch gültig. Aufgrund
des dokumentarischen Weites wurden sie in die deutsche
Ausgabe übernommen. (A. d. dt. Verlages)
295
London SW1P 2TX
ENGLAND
0171-306-8333 www.channel4.com
NBC Television
30 Rockefeller Plaza
New York, NY 10112
212-664-4444
www.nbc.com
Fox Television
PO Box 900, Beverly Hills,
CA 90213, 310-395-2294
www.fox.com
Liebesnacht
Anti-Defamation League
823 UN Plaza New York, NY 10 017
212-885-7700
www.adl.org
National Abortion and Reproductive Rights Action
League (NARAL)
1156 15th Street, NW,
Suite 700
Washington, DC 20005 202-973-3000
202-973-3096 fax
www.naral.org
296
Southern Poverty Law Center
PO Box 548
Montgomery, AL 36101 334-264-0286
334-264-0629 fax
www.splcenter.org
Überwacht Haßgruppen und Bürgerwehren mit den
beiden Organisationen Militia Task Force und Klanwatch.
Refuse and Resist!
305 Madison Avenue, Suite 1166
New York, NY 10165
212-713-5657
www.walrus. com/~resist
Eine Gruppe von Unruhestiftern, die gegen alles kämpft:
Sexismus, Rassismus, Homophobie, Zensur und
»Zwangspatriotismus«.
Senator Jesse Helms
U.S. Senate
Washington, DC 20510
www.senate.gov/~helms/
E-Mail: [email protected]
Jesse Helms a.k.a. Jersse Herlms
www.BigBangCom.com/herlmspg.htm
Anti-Jesse-Helms-Website mit Audio-Clips einer AntiJesse-Radiosendung zum Downloaden.
Gay and Lesbian Alliance Against Defamation
297
(GLAAD)
150 West 26th Street, Suite 503
New York, NY 10 001
212-807-1700
212-807-1806 fax
www.gload.org
Invasion auf dem Strand bei Greenwich in Connecticut
Die besten Sträde in den USA:
www.petrix.com/beaches/index.html
Town of Greenwich Department of Parks and Recreation
Edward Bilek jr., Director PO Box 2540
Greenwich, CT 06836 203-622-7814
203-622-6494 fax
Greenwich Chamber of Commerce
45 East Putnam Avenue Greenwich, CT 06830
203-869-3500 www.greenwichchamber. Com
Zahltag
Revenge Unlimited
www.revengeunlimited.com
»Rache ist süß.«
Bietet Ideen, Chatrooms, Werkzeuge, Modetips und eine
ganze Bibliothek mit Material für Racheakte.
Crackers,
das
Bekämpfungshuhn
Wirtschaftskriminalitäts-
298
E-Mail: [email protected]
Schickt eure Hinweise auf Wirtschaftsverbrechen an
Crackers! Er ist zwar immer noch im Ruhestand, aber er
kriegt gern Post.
Corporate Crime Reporter
Russell Mokhiber, Editor 1209 National Press Building
Washington, DC 20045 202-737-1680
Public Citizen 1600 20th Street, NW Washington, DC
20009 202-588-1000
www.citizen.org
Augen und Ohren des Verbrauchers in Washington.
Gegründet von Ralph Nader, um für sicherere
Medikamente und medizinische Geräte, sauberere und
sicherere Energiequellen, eine sauberere Umwelt, fairen
Handel und eine offenere und demokratischere Regierung
zu kämpfen.
Eine Herausforderung für Konzernchefs
Corporate Watch
www.corpwotch.org/home.html
Corporate Watch prangert die Habgier transnationaler
Konzerne an, indem es die sozialen, politischen,
wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen ihres
Vorgehens dokumentiert. Die Organisation versucht mehr
demokratische Kontrolle dieser Unternehmen zu
erreichen.
Executive Paywatch
www.paywatch.org
299
Anleitung für Arbeiterfamilien, um die exzessiven
Gehälter,
Bonusse
und
Vergünstigungen
von
Konzernchefs zu kontrollieren und zu beschränken.
Ford Motor Company
313-322-3000
www.ford.com
Homepage des Unternehmens, dessen Chef Alex
Trotman die Herausforderung von TV Nation annahm und
bei einem Ford Explorer das Öl wechselte.
Colgate-Palmolive
300 Park Avenue New York, NY 10022
212-310-2000
www.colgate.com
Philip Morris
120 Park Avenue New York, NY
10017 212-880-5000
www.philipmorris.com
Nicht gesucht: Brian Anthony Harris
The Sentencing Project
www.sentencingproject.org
Bietet Personen, die sich für strafrechtliche Probleme
interessieren, Informationen und Entscheidungshilfen.
Federal Bureau of Investigation (FBI)
935 Pennsylvania Avenue Washington, DC
300
20535-0001, 202-324-3000
www.fbi.gov
Taxi
National Association for the Advancement of Colored
People (NAACP),
Washington Bureau
10 025 Vermont Avenue, NW, Suite 1120 Washington,
DC 20005 202-638-2269 410-521-4939
www.naacp.org
Sklaven
Die
US-amerikanische
Verfassung:
www.house.gov/Constitution/Constitutton.html
Zusatzartikel
der
www.house.gov/Constitution/Amend.html
Verfassung:
Die Emanzipationserklärung
www.nps.gov/ncro/anti/ emancipation.html
Museum of African Slavery
Pier M. Larson Department of History
108 Weaver Building
The Pennsylvania State University University Park, PA
16 02-5500
814-863-8950
814-863-7840 fax
http://squash.la.psu.edu/~plarson/smuseum
301
Informationen und Lehrmaterial zum Thema Sklaverei
sowie Links zu anderen Websites, die das Thema
behandeln.
The Underground Railroad
www.nps.gov/undergroundrr/
Studie des National Park Service über die sogenannte
Underground Railroad, die Sklaven zur Flucht verhalf,
und darüber, wie man ihrer gedenken sollte.
Ein Tag mit Dr. Tod
Dr. Jack Kevorkian 4870 Lockhart West Bloomfield, MI
48323
Informationen über den Oregon Death with Dignity Act
www.ortl.org/suicide.htm
Oregon ist der einzige Bundesstaat der USA, wo die
Beihilfe zum Selbstmord legal ist.
Project on Death in America
Open Society Institute 400 West 59th Street New York,
NY 10019 212-548-0100
www.soros.org/initiatives/pdia
Forschungsinstitut und philanthropische Organisation,
die den Umgang mit dem Tod in Amerika erforscht und
versucht, Todkranken das Sterben zu erleichtern.
Seid ihr auf einen Gefängnisaufenthalt vorbereitet?
U. S. Bureau of Prisons
www.bop.gov
302
Abolish Capital Punishment Now
www.abolition-now.com
Die Website enthält Informationen über Hinrichtungen
nach Fehlurteilen, enthält Links zu anderen Websites über
die Todesstrafe, bietet ein Diskussionsforum über die
Todesstrafe und erklärt, was an dem Grundsatz »Auge um
Auge« falsch ist.
The Smoking Gun
www.thesmokinggun.com
Sogar aus der Personengruppe der Prominenten landen
erstaunlich viele im Gefängnis (auch wenn sie nicht
unbedingt auf den Knast vorbereitet sind). Auf dieser
Website finden sich juristische Unterlagen ECHTER
Prominenter.
Ich will ein Argentinier sein
Falkland Islands Tourist Board
www.tourism.org.fk
Wales Tourist Board
www.tourism.wales.gov.uk
Consulate General of the Republic of Argentina in
Chicago
205 North Michigan Avenue,
Suite 4209
Chicago, IL 60601
312-819-2610
303
312-819-2612 fax
www.uic.edu/orgs/argentina/
E-Mail: [email protected]
Argentine Embassy
1600 New Hampshire Avenue, NW
Washington, DC 20009 202-939-6400
www.embajadaargentinaeeuu.org
Tom Jones
www.cotch.com/snack/tomjones
Fansite des Sängers Tom Jones, auf der man einen Loop
mit seinem Song »It’s Not Unusual« hören kann.
Werbemüll
U. S. Postal Service
www.usps.gov
Privacy Rights Clearinghouse
5384 Linda Vista Road, #306
San Diego, CA 92110
619-298-3398
619-298-5681 fax
www.privacyrights.org
E-Mail: [email protected]
Umfassende Informationen über das Thema; vom
Werbemüll über die Identität von Werbeanrufern bis zu
gutem Rat, was man tut, wenn einem die Brieftasche
gestohlen wird.
304
Sabotage
The Steward
www.thesteward.net
Online-Magazin über Arbeiter- und Menschenrechte in
Kanada and den USA.
AFL-CIO (American Federation of Labor-Congress of
Industrial Organizations)
815 16th Street, NW Washington, DC 20006
202-637-5000
202-637-5058 fax
www.aflcio.org
Hier kannst du herausfinden, wie man sich
gewerkschaftlich organisiert, findest eine Liste mit
Unternehmen, die boykottiert werden sollten, und
bekommst die neusten Gewerkschaftsnachrichten.
Dr. Katz, Therapeut
www.comedycentral.com/katz/index.html
Mach eine Agressionstherapy bei Dr. Katz.
Yuri, der Spion für TV Nation
Rußland lebt!
www.alincom.com/russ/index.htm
Bietet Informationen über alle Aspekte der russischen
Gesellschaft, von der Kunst über das Geschäftsleben und
die Politik bis zum Reisen.
Die Virtuelle Welt der Spione und Geheimdienste
305
www.dreamscape.com/frankvad/covert.html
Informiert euch über Verschwörungen, meistgesuchte
Verbrecher, Geheimdienste, Verbrechen im Internet,
Strafverfolgung, Militär, Terrorismus, über die geheime
Luftwaffenbasis Area 51 und andere Geheimnisse.
Paranoia.com
www.paranoia. com
Befaßt sich vor allem mit der im ersten Zusatzartikel der
US-Verfassung enthaltenen Religions-, Rede- und
Versammlungsfreiheit,
aber
auch
mit
Verschwörungstheorien und verschiedenen anderen
Problemen, die in einer Informationsgesellschaft auftreten.
Mikes Rakete
Rußlandreisen
www. russiatravel. com
Der Kreml
www.online.ru/sp/cominf/kremlin/kremlin.html
Eine Online-Führung durch den Kreml.
American Civil Defense Association
PO Box 1057
118 South Court Street Starke, FL 32 091
800-425-5397
904-964-5397
904-964-9641 fax
www.tacda.org
Auch wenn der Kalte Krieg vorbei ist, gibt es immer
306
noch Katastrophen, auf die man sich vorbereiten muß!
Der Transport des Kommunismus
Das Kommunistische Manifest
http://www.vulturebookz.de/marx/archive/volltext/Marx-Engels_1848--90~
Das_Kommunistische_ Manifest.html
Klassischer Text von Karl Marx und Friedrich Engels
über die Ungerechtigkeit des Kapitalismus und den
unmittelbar bevorstehenden Klassenkampf.
Das Trucker-Netz
www.truck.net
Umfassende Informationsquelle für Lastwagenfahrer mit
Stellenangeboten und Raststättenverzeichnis.
Die Klos der Gerechtigkeit
Occupational Safety and Health Administration (OSHA)
U.S. Department of Labor
200 Constitution Avenue, NW
Washington, DC 20210
202-576-6339
202-576-7579 fax
www.osha.gov
Porta-John of America
50 633 Ryan Road Utica, MI 48 317
888-PORTA-JOHN (767-8256)
www.toilets.com
307
E-Mail: [email protected]
Liefert transportable Toiletten, nur für den Fall, daß du
deine eigenen Klos der Gerechtigkeit haben willst.
National Kidney Foundation
30 East 33rd Street, Suite 1100
New York, NY 10 016
212-889-2210
212-779-0068 fax
www.kidney.org
Mit solchen Nachbarn
Serienkiller
www.mayhem.net
(dann weiter zu einer Website mit Serienkillern)
Website mit einer Rangliste der Serienkiller nach Anzahl
der Opfer.
Welcome Wagon
http://www.welcomewagon. com/
Das Unternehmen hilft neuen Hausbesitzern, sich in
ihrer Gemeinde einzuleben, indem es Kontakte mit der
lokalen Geschäftswelt herstellt.
Die Krankenversorgungsolympiade
Fragt Dr. Weil
cgi.pathfinder. com/drweil
Gesundheits-Guru Dr. Weil beantwortet E-Mails zum
Thema Gesundheit und berät live im Web.
308
Überlebenshilfe im Internet
login.samart.co.th/~hps/tbhealth.htm
Die ultimative Website für alternative Medikamente,
Association for Responsible Medicine
PO Box 270 986
Tampa, FL 33 688
813-933-6236
www.a-r-m.org
E-Mail: [email protected]
Online-Magazin und Organisation, die versucht,
Patienten
vor
schädlichen
Behandlungen
nach
Fehldiagnosen zu schützen.
Doctors Without Borders USA
6 East Ninth Street, 8th Floor
New York, NY 10 016
212-679-6800
212-679-7016 fax
www.dwb.org/
Ärzte ohne Grenzen USA hat in Kuba ein Projekt, das
junge Leute zwischen 15 und 24 Jahren für die AIDSGefahr sensibilisieren und die Wasserqualität verbessern
soll.
Project InfoMed United Services Agency, Inc.
PO Box 450 Santa Clara, CA 95 052
www.igc.ape.org/cubasoli/
309
Liefert medizinische Informationen und Mittel zur
Informationsbeschaffung wie Computer und Modems an
das kubanische Gesundheitswesen.
Reiseziel Kuba
www.lonelyplanet.com/dest/car/cub.htm
Nützliche Website mit allen Informationen für eine
Reise nach Kuba.
Sehenswürdigkeiten in Kanada
www.canada.worldweb.com
Website mit Neuigkeiten, allgemeinen Informationen,
Wettervorhersagen und Links bezüglich Kanada.
Cobb County
Common Cause
www.commoncause.org/
Unparteiische Bürgerinitiative mit dem Ziel, eine offene,
ehrliche, verantwortliche und effektive Regierungsarbeit
auf lokaler Ebene sowie Länder- und Bundesebene zu
erreichen.
Official Friends of Newt
www.newt.org
Fanclub von Newt Gingrich. Es lohnt sich, hier mal
reinzuschauen, damit man weiß, was die eigentlich im
Schilde führen.
Newts Website
www.house.gov/gingrich
310
Finde heraus, was Newt auf seiner Website als
Kongreßmitglied vertritt.
Frieden durch Pizza
Amnesty International 322 Eighth Avenue New York,
NY 10 001
1-800-AMNESTY (266-3789)
212-807-8400
212-627-1451 fax
www.amnesty.org
Amnesty ist nur am Schutz der Menschenrechte
interessiert und ergreift weder für bestimmte Länder noch
für eine bestimmte Ideologie Partei.
Human Rights Watch 350 Fifth Avenue, 34th Floor
New York, NY 10118
212-216-1200
212-736-1300 fax
www.hrw.org
Human Rights Watch versucht, die Menschenrechte zu
schützen, indem es auf der ganzen Welt mit Opfern und
Aktivisten zusammenarbeitet, um die politische Freiheit
zu erhalten, Menschen vor Kriegsverbrechen zu schützen
und die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
Pizza Hut
www.pizzahut. com
Bosnia 101
www.taponline.com/tap/life/newz/bosnia/index.html
311
Diese Website hilft dem Laien zu verstehen, was genau
in Bosnien vorgeht.
Informationen des amerikanischen Außenministeriums
www.state.gov/www/regions/eur/bosnia/index.html
Seite des US-Außenministeriums mit der Bezeichnung:
»Die Herstellung eines dauerhaften Friedens in BosnienHerzegovina.«
Yugo Next
home.stlnet.com/~jimpotts/yugonext.htm
Diese Seite enthält Fotografien von Kunstwerken mit
Autos der Marke Yugo.
Wir engagieren unseren eigenen Lobbyisten
National Lobbyist Directory
PO Box 18416
Capitol Hill Station Denver, CO 80218-0416
www.lobbyistdirectory.com
Nach Bundesstaaten gegliedertes Verzeichnis von
Lobbyisten, damit du weißt, wer bei deinen Abgeordneten
Gehör findet.
Repräsentantenhaus
www.house.gov
Senat
www.senate.gov
Telefonnummer des
312
Kongresses
202-225-3121
Sitzungsprotokolle des Kongresses
thomas.loc.gov/home/r105query.html
Wehleidige weiße Männer
Natural Resources Conservation Service 14th and
Independence Avenues, SW, Room 6218S Washington,
DC 20250 202-720-5626
www.nrcs.usdo.gov
National Coalition of Free Men
PO Box 129 Manhasset, NY11030
www.ncfm.org
Auf dieser Website finden sich männerfreundliche
Interpretationen der Rechtslage und Informationen über
die Sammelklage zugunsten geschiedener Männer, die die
Organisation in Erwägung zieht.
National Organization for Men
11 Park Place, Suite 1116 New York, NY 10 007 212686-6253
www.tnom.com
»Um die Rechte der Männer zu schützen und ein
weiteres Absinken ihres Status zu verhindern.«
Die zensierte TV Nation
The Free Speech Policy Group
11 Peabody Terrace, Suite 2003
313
Cambridge, MA 02138
www.policygroup.com
E-Mail: [email protected]
Gemeinnütziges Forschungsinstitut, das für den Schutz
der im ersten Verfassungszusatz garantierten Religions-,
Meinungs- und Versammlungsfreiheit eintritt. Es kritisiert
die Gesetzgebung der Zentralregierung und der
Bundesstaaten sowie Gerichtsentscheidungen, wenn sie
diese Rechte beschneiden.
Fairness and Accuracy in Reporting (FAIR)
130 West 25th Street New York, NY 10 001
212-633-6700
212-727-7668 fax
www.fair.org
Findet heraus, was euch die Medien nicht mitteilen,
indem ihr diese Website besucht und das Magazin Extra!
lest.
Die Homepage der FCC über den V-Chip
www.fcc.gov/vchip
E-Mail: [email protected]
Die Website der Federal Communication Commission
über einen Chip, mit dem man den Empfang bestimmter
Fernsehprogramme blockieren kann. Enthält außerdem
Information über das System zur Erhebung der ZuSchauerquoten im Fernsehen.
Sonstiges
American Civil Liberties Union (ACLU)
314
125 Broad Street, 18th Floor New York, NY 10 004
212-549-2500
212-344-3318 fax
www.aclu.org
Vereinigung zum Schutz der Bürgerrechte und des
Rechts auf gleichen Schutz durch das Gesetz und das
Recht auf einen fairen Prozeß.
Boycott Nike! Just Do It!
www.geocities. com/athens/acropolis/5232
Kanadische Website, auf der die Boykottaktionen und
andere
Aktivitäten
gegen
die
unfairen
Beschäftigungspraktiken von Nike ausführlich diskutiert
werden. Mit einem Protestbrief zum Ausdrucken, den man
an den Nike-Chef Phil Knigh schicken kann.
Bureau of Labor Statistics Division of Information
Services
2 Massachusetts Avenue, NE, Room 2860 Washington,
DC
20212 202-606-5886
202-606-7890 fax
stats.bls.gov
Amt der Zentralregierung für statistische Erhebungen in
den Bereichen Arbeitsmarkt und Wirtschaft.
Campaign for Labor Rights
247 E Street, SE Washington, DC 20003
www.clrlabor.org/local_com.html
Die Organisation mobilisiert lokale Unterstützung für
315
gewerkschaftliche Anliegen, indem sie in den Vereinigten
Staaten und Kanada Kontakte zwischen lokalen Aktivisten
und wichtigen Organisationen auf der ganzen Welt
herstellt.
Citizens for Corporate Accountability and Individual
Rights (CCAIR)
1750 Ocean Park Boulevard Santa Monica, CA 90405
310-392-0522
310-392-8874 fax
E-Mail: [email protected]
US-weit aktive Organisation, die die Öffentlichkeit
gegen die Gefahren der Zivilrechtsreform mobilisieren
will. Sie versucht die Verabschiedung neuer Gesetze zur
Zivilrechtsreform zu verhindern und die Aufhebung
bereits bestehender Gesetze zu erreichen. Und sie will in
der Öffentlichkeit neue Wertschätzung für das
Zivilrechtssystern unseres Landes wecken.
Co-op America
1612 K Street, NW, Suite 600
Washington, DC 20006 800-58-GREEN
202-872-5307
202-331-8166 fax
www.coopamerica.org
Liefert wirtschaftliche Strategien, organisatorisches
Know-how und praktische Methoden an Unternehmen und
Einzelpersonen, mit denen die sozialen und
wirtschaftlichen Probleme unserer Welt bekämpft werden
können und mit denen im Rahmen des bestehenden
Wirtschaftssystems beträchtliche Verbesserungen zu
316
erreichen sind.
Equal Employment Opportunity Commission (EEOC)
1801 L Street, NW Washington, DC
20507 202-663-4900
202-663-4994 fax
www.eeoc.gov
US-Regierungsbehörde
mit
der
Aufgabe,
für
Chancengleichheit bei der Arbeitssuche zu sorgen.
Electronic Activist
www.berkshire.net/~ifas/activist
Mit
einem
Verzeichnis
der
Adressen
von
Kongreßabgeordneten, Regierungsbeamten, Bundesstaaten
und Medien – Informationen, die jeder Online-Aktivist
benötigt!
Global Exchange
2017 Mission Street, #303 San Francisco, CA 94110
415-255-7296
415-255-7498 fax
www.globalexchange.org
Gemeinnützige Organisation in San Francisco, die für
die Menschenrechte und wirtschaftliche Gerechtigkeit
eintritt.
Green Party
PO Box 100
Blodgett Mills, NY 13738
317
607-756-4211
www.greens.org
Im Jahr 2000 Nader wählen? Vielleicht. Diese Website
liefert Informationen zur Gründung von Wählerinitiativen
und Ortsvereinen der Grünen und für den Kampf gegen
lokale Umweltprobleme.
Institute for Global Communications
www.igc.org/igc
Vor zehn Jahren gegründet, um progressive Bewegungen
durch
die
Entwicklung
und
Lieferung
von
Computernetzwerkund
Publikationstechniken
zu
unterstützen. Links zu progressiven Gruppen durch
PeaceNet, EcoNet, ConflictNet, LaborNet und WomensNet.
International Brotherhood of Teamsters
25 Louisiana Avenue, NW Washington, DC 20001
1-888-IBT-1111 (528-1111)
202-624-6832 fax
www.teamster.org;
Die Teamsters sind die Gewerkschaft, die jeder kennt.
Sie kämpfen für bessere Arbeitsplätze und eine bessere
Zukunft für alle arbeitenden Menschen.
National Labor Relations Board
1099 14th Street, NW
Washington, DC 20570
202-273-3890
202-273-4266 fax
318
www.nlrb.gov
Bundesbehörde zur Umsetzung des Gesetzes, das die
Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und
denjenigen Arbeitgebern regelt, deren Aktivitäten
Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben.
Project Vote Smart
129 NW 4th Street, Suite 204
Corvallis, OR 97330
541-754-2746
541-754-2747 fax
1-800-622-SMART (622-7627) (Voter’s Research
Hotline)
www.vote-smart.org
Überwacht die Leistungen gewählter Volksvertreter in
den Bundesstaaten und auf Bundesebene. Enthält
außerdem wertvolle Informationen über diverse politische
Probleme und kostenlose Publikationen und Berichte der
Regierung.
Sweatshop Watch
720 Market Street, 5th Floor San Francisco, CA 94102
www.sweatshopwatch.org
Diese Organisation hat das einzige Ziel, die Verbraucher
auf verschiedene Arten über Sweatshops aufzuklären. Ihr
Ziel ist es, die Ausbeutung der Textilarbeiter in diesen
Betrieben zu beenden, die Hungerlöhne zahlen und den
Beschäftigten
unmenschliche
Arbeitsbedingungen
zumuten.
UNITE!
319
1710 Broadway New York, NY 10 019 212-265-7000
www.uniteunion.org
Gewerkschaft, die Arbeiter in Kanada, in den USA und
in Puerto Rico vertritt. Sie spielt bei der
gewerkschaftlichen Organisation von Arbeitern und im
Kampf gegen Sweatshops und die Habgier der Konzerne
eine fuhrende Rolle.
United Auto Workers (UAW)
8000 East Jefferson Detroit, MI 48 214
1-800-2-GET-UAW (1-800-243-8829)
313-926-5000
1-800-387-0538 Canada
www.uaw.org
Gewerkschaft, deren Mitglieder eine Vielzahl von
Produkten wie Flugzeuge, Spielzeuglokomotiven und
Autos herstellen. Sie vertritt außerdem Arbeiter und
Angestellte von Bundesstaaten, Countys und Gemeinden
sowie
Beschäftigte
von
Krankenhäusern
und
Universitäten.
The White House
1600 Pennsylvania Avenue Washington, DC 20500
202-456-1414
www.whitehouse.gov
Michael Moore und Kathleen Glynn sind zu erreichen
320
bei:
Dog Eat Dog Films
PO Box 831
Radio City Station New York, NY 10101
www. dogeatdogfilms.com
E-Mail: [email protected]
321
Danksagung
Dieses Buch wäre ohne die harte Arbeit vieler Menschen
nicht möglich gewesen.
Unsere größte Dankbarkeit gilt Michelle Johnston, weil
sie Ordnung ins Chaos brachte. Obwohl sie nie zu den
Mitarbeitern von TV Nation gehörte, ist jede einzelne
Folge in ihrem enzyklopädischen Gedächtnis genau
gespeichert. Wir fanden das beängstigend, aber es war für
uns natürlich sehr hilfreich.
Melanie Neilson war Associate Producer und Segment
Producer bei TV Nation. Sie kehrte mit Begeisterung
zurück und half uns, das Material und die Unterlagen über
unsere Recherchen so zu sortieren, daß eine umfassende
Bibliothek mit Informationen über die Serie entstand.
Um unserem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen,
interviewte Joanne Doroshow, die bei der Serie als
Coordinating Producer gearbeitet hatte, einige Mitarbeiter
und zeichnete deren abenteuerliche Geschichten über die
Dreharbeiten für verschiedene Beiträge von TV Nation auf.
Unsere Mitarbeiter bei Dog Eat Dog Films unter der
Leitung von Barbara Moss trugen durch die Überprüfung
von
Informationen,
durch
Internetrecherchen,
Kopierarbeiten, Botendienste und viele andere Arbeiten
zur Entstehung dieses Buches bei.
Wir danken auch unserem Agenten Mort Janklow und
allen Mitarbeitern in seinem Büro. Und wir sind Fiona
Hallowell, unserer Lektorin bei HarperCollins, sehr dankbar
für die Ruhe, die sie äußerlich bewahrte (obwohl sie
bestimmt innerlich tobte). Außerdem danken wir Susan
Weinberg, der Leiterin des Verlags HarperPerennial, die sich
322
als unser wichtigster Fan sehr für das Buch eingesetzt hat.
Bei der Sendung selbst hatten wir großes Glück, daß wir
mit so vielen hervorragenden Leuten zusammenarbeiten
konnten, darunter dem außerordentlichen Supervising
Producer Jerry Kupfer und den Autoren Ann Cohen, John
Derevlany, Frances Gasparini, Jay Martel, Steve Sherrill
und Eric Zicklin. Vieles, was in diesem Buch steht, beruht
auf ihrer Arbeit. Wir können ihnen gar nicht genug für
ihre brillanten Ideen danken. Ihr solltet in Zukunft auf ihre
Namen achten, denn dies wird bestimmt nicht das letzte
Mal sein, daß ihr die Früchte ihrer Begabung genießen
könnt. Herzlichen Dank auch an Randy Cohen, Chris
Kelly und Jeff Stilson, die uns gezeigt haben, daß jede
Tragödie über kurz oder lang in die Komödie umschlägt.
Das Heer der talentierten Produzenten, die diese Ideen
ausführten, umfaßt: Andy Aaron, Frances Alswang, Kent
Alterman, Jim Czarnecki, Patrick Farrelly, Paco de Onis,
Immy Humes, Natalie Jason, Kate O’Callaghan, Geoff
O’Connor, David Van Taylor, Pam Yates, David Wald,
Subrata De, Helen Demeranville, Gideon Evans, Holley
Knaus, Tia Lessin, Pearl Lieberman, Peri Muldofsky,
Brooke Runnette, Haydeé Sabogal, Adrienne Salisbury,
Robert Wilhelm und Roger Williams. Ihre unglaubliche
Arbeit hinter der Kamera verlieh jedem Beitrag
unschätzbaren Wert.
Wie die meisten dokumentarischen Sendungen entsteht
auch TV Nation letztlich im Schneideraum. Für diese
Arbeit danken wir unseren exzellenten Cuttern Pamela
Scott Arnold, Paula Heredia, Kristen Huntley, Jay Keuper,
Peter Kinoy, Tim Squyres, Wendey Stanzler, Daisy
Wright, David Zieff und anderen.
Brian Danitz und Francisco Latorre waren der
Kameramann und der Tontechniker unseres Teams, doch
es gab im ganzen Land noch viele andere, die Material für
323
uns filmten und Tonaufnahmen machten, wobei sie den
Auftrag oft nur einen Tag und manchmal sogar nur eine
Stunde vorher erhielten. Veronica Moore beantwortete
unsere Fanpost (normale Briefe und E-Mail) und tut dies
auch heute noch auf [email protected]. Kathleen
Egan, Wendy Rowland, Susan Shorey und Gretchen
Schwarz arbeiteten als persönliche und organisatorische
Assistentinnen der Produzenten und hielten uns die
untergeordneten Führungskräfte der Fernsehgesellschaften
effektiv vom Leib.
Vielen Dank auch den »Anzugträgern«, die dafür
sorgten, daß TV Nation Wirklichkeit wurde: Jon
Feltheimer, Eric Tannenbaum, Jocelyn Freid und Steve
Tann bei Columbia TriStar Television; Michael Jackson
(heute Chef von Channel Four Television in
Großbritannien); Warren Littlefield, Kevin Reilly und
David Nevins bei NBC und John Matoian (heute Chef von
HBO Films) bei Fox.
Schließlich sprechen wir den Berichterstattern von TV
Nation unsere Anerkennung und unseren Dank für ihre
Arbeit aus:
Rusty Cundieff, weil er seine Sklaven zum Tanz führte;
Janeane Garofalo, weil sie ins Meer sprang und ihre
Sünden beichtete; Karen Duffy, weil sie unser guter Geist
war und über eine Energie verfügte, wie wir sie noch nie
erlebt hatten; Ben Hamper für seine »Kleinheit«; Merrill
Markoe für ihren unglaublichen Witz; Louis Theroux für
seine Bereitschaft, auch mal vor der Kamera zu stehen;
Steven Wright, weil er uns immer zum Lachen brachte;
Jonathan Katz, weil er ein guter Zuhörer war; Roy Sekoff,
weil er auf dem Zug mit dem Klärschlamm mitfuhr; und
natürlich Louis Bruno und Luciano Dellacaprini aus der
Bronx für ihr (ganz natürliches) komisches Talent.
All diesen Personen und 300 weiteren, die bei der
324
Sendung mitgewirkt haben, bezeugen wir hiermit unsere
Hochachtung und unseren Dank, weil sie an einer
Sendung beteiligt waren, die in vieler Hinsicht
bahnbrechend war.
Schließlich schulden wir noch unserer Tochter Natalie
besonderen Dank. Sie mußte oft aufs Essen warten, ertrug
endlose Diskussionen über die Sendung, das Studio und
die Mitarbeiter und blieb in den letzten Produktionsstadien
dieses Buches lange auf, um ihrer Mutter Gesellschaft zu
leisten.
Michael Moore & Kathleen Glynn
Juli 1998
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