T_SPECTRASONICS OMNISPHERE 2

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TESTBERICHTE
SPECTRASONICS
OMNISPHERE
2
Software-Instrument
Sounds mit einer gewissen Magie — ein kostbares Gut, wenn man bei einer Produktion einen speziellen Klang oder eine Inspiration beim Songwriting sucht. All das verbunden mit einer guten Portion Sound-Overkill machte bereits die erste Version von Omnisphere zu einem der beliebtesten
Software-Synthesizer. Das Sampling-basierte Klangwunder haben Sounddesigner Eric Persing und sein Spectrasonic-Team nun gehörig aufgebohrt:
klangliche Superlative 2.0 ...
Inspirationsquelle & Sampling-Kult
Spectrasonics Omnisphere 2.0 Upgrade Software-Instrument
AUTOR: HANS SCHRAMMEK
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Es ist fast sieben Jahre her, seit Spectrasonics
mit Omnisphere einen neuen Standard im
Bereich der virtuellen Instrumente etabliert
hat. Anstatt wie viele Konkurrenten legendäre Synthesizer in Software minutiös nachzubauen, setzte Spectrasonics von Anfang an auf
eine konsequente Kombination aus SamplePlayback und selbstentwickelter, DSP-basierender Synth-Engine, in der die verschiedensten Synthesetechniken vereint werden.
Die sogenannte »Steam Engine« ermöglicht ein umfassendes Spektrum an Sounds,
die von Brot&Butter-Patches bis zu extrem
experimentellen Klanglandschaften reichen.
Dank der riesigen Auswahl an Samples
(»Sound-Sources« im Omnisphere-Jargon)
und den vielen Optionen der DSP-Engine
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dürften selbst echte Power-User bisher nur an
der Oberfläche der Möglichkeiten gekratzt
haben. Nichtsdestotrotz hat Spectrasonics in
der Zwischenzeit nicht untätig rumgesessen
und sorgt nun mit der neuen Version für ordentlich Druck auf dem Kessel.
QUELLEN DER INSPIRATION
Zu den 40 GB Samples der ersten Version
kommen weitere 20 GB hinzu, und die Anzahl aller verfügbaren Klänge steigt damit auf
über 12.000. Viele der neuen Samples sind
mit enormem Aufwand erstellte Multisamples mit mehreren Dynamik-Abstufungen
und Round-Robin-Samples. Es wurde dabei
bewusst darauf verzichtet, Standardinstrumente zu sampeln, die es eh schon zur Genü-
ge von der Konkurrenz gibt. Das Team von
Eric Persing hat sich stattdessen auf die
Suche nach ungewöhnlichen Klängen begeben und hat u. a. längst vergessene Instrumente wie das Hohner Guitaret oder Unikate
wie den Experibass oder das Arcophonico gesampelt, die der italienische Klangkünstler
Diego Stocco erdacht und gebaut hat. Diego
dürfte allen Omnisphere-Anwendern bekannt
sein, die schon einmal die »Burning Piano«Samples der Version 1.0 gespielt haben.
Eine besonders umfangreiche Kategorie
im neuen Sample-Content bildet die Kalimba. Die Auswahl lässt so manche EthnoLibrary alt aussehen. Aber natürlich hat Eric
Persing sich nicht damit begnügt, die einzelnen Varianten akribisch zu digitalisieren.
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Es gibt viele neue Klänge, die Steam-Engine hat nun zahlreiche neue Funktionen, und auch die Bedienoberfläche wurde
optimiert, um den alltäglichen Workflow zu verbessern.
01
02
03
01 Der neue Aux-Weg erweitert nicht nur die Anzahl der gleichzeitig in einem Patch verwendbaren Effekte von 12 auf 16, sondern
schafft gerade in Verbindung mit neuen Effekten wie Inner Space
einen parallelen Signalpfad, der sich fast wie ein drittes Layer verhält.
02 Die Möglichkeit, einzelne Steps zu transponieren, macht aus
dem Arpeggiator einen Step-Sequenzer, und der modulierbare
Speed-Control-Parameter ermöglicht Amplituden-Modulation.
03 Die neuen Phrasen-Samples in Omnisphere 2 sind das ideale
Ausgangsmaterial für die Granular-Funktion. Selbst einen bayrischen
Jodler verwandelt man damit in nullkommanix in eine esoterische
Klangwolke.
04 Der Orb bietet eine multidimensionale Echtzeitkontrolle des
Klangverlaufs. Die neue Attractor-Funktion bewegt dabei die aktuelle Cursor-Position zwischen zwei Punkten ähnlich einem Pendel.
04
Mehr über die ungewöhnlichen SamplingSessions von Omnisphere unter:
www.sound-and-recording.de/omnisphere2
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NEBEN DEN KLANGLICHEN
MÖGLICHKEITEN WURDE AUCH DER
WORKFLOW VERBESSERT.
Vielmehr kamen allerlei ungewöhnliche Mittel zum Einsatz, um den Instrumenten sprichwörtlich bisher unerhörte Klänge zu entlocken.
Wie wär’s mit einer elektrischen Zahnbürste,
Zuckertütchen (!!!) oder einer Angelschnur?
Die daraus resultierenden Samples haben
ausgeprägte Transienten, die sich wunderbar
mit anderen Sounds kombinieren lassen, um
Klänge zu erzielen, die mitunter wie eine
21st-Century-Version des legendären Roland
D-50 klingen. Kein Wunder, wenn man weiß,
dass Eric Persing seinerzeit der Chefsounddesigner bei Roland war und für die meisten
der D-50-Factory-Presets verantwortlich
zeichnet.
Ein weiteres Highlight der neuen SoundSource-Library ist die Hang Drum. Dieses in
der Schweiz handgefertigte Percussion-Instrument erzeugt einen inspirierenden Klang, der
irgendwo zwischen Steeldrum und Glockenspiel angesiedelt ist. Die Kategorie »Circuit
Bending« wiederum liefert ideales Ausgangsmaterial für Glitch und Experimental. Die mit
Abstand aufwendigste Sampling-Session
dürfte der Ausflug in eine radioaktive Tropfsteinhöhle in Osteuropa gewesen sein, bei
der die Töne aufgezeichnet wurden, die ent-
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stehen, wenn man die Stalagmiten mit einem
Hammer anschlägt.
Unter den über 2.000 neuen SoundSources befinden sich auch eine Auswahl aus
älteren Spectrasonics-Libraries wie Vocal Planet, Heart of Africa und Heart of Asia. Viele
dieser Samples sind in der Phrases-Kategorie
zu finden und umfassen sowohl instrumentale als auch gesungene Phrasen, die das ideale
Ausgangsmaterial für die Granularsynthese
in Omnisphere 2 sind. Dass gute Samples
zeitlos sind, beweisen diese teilweise 20 Jahre
alten Sounds in beeindruckender Weise.
WELLENREITEN INKLUSIVE
Eigene Audiodateien in Omnisphere verwenden zu können dürfte ein lang gehegter
Wunsch vieler Omnisphere-User sein. Genau
das ist in Omnisphere 2.0 auf die sprichwörtlich einfachste Art und Weise realisiert worden. Dazu werden die gewünschten Audiodateien im WAV- oder AIFF-Format auf den
geöffneten Useraudio-Browser gezogen und
automatisch in Sound-Sources umgewandelt. Loop-Punkte werden berücksichtigt,
Echtzeit-Crossfade-Loops, wie sie z. B. in
Kontakt-Samples zum Einsatz kommen, lei-
ÜBER OMNISPHERE
Die Instrumente von Spectrasonics sind aufgrund ihrer
Klangqualität und der praxisorientierten Patches äußerst beliebt. Dabei ist die Anzahl der Instrumente von
Spectrasonics eigentlich recht übersichtlich — nicht
aber deren Inhalt: Das umfangreichste Instrument ist
ohne Zweifel Omnisphere, aber die beiden anderen
Software-Tools haben es ebenfalls in sich: Der Drumund Percussion-Baukasten Stylus ist ein extrem vielseitiges Produktionswerkzeug mit Abertausenden von
Groove-Elementen und Beat-synchronen Loops. Bei
Trilian wiederum dreht sich alles ums Thema Bass.
Neben Synth-Bässen aus berühmten Analog-Synthesizern gibt es E-Bässe und den unangefochten besten
Kontrabass, den man bisher von einem SamplingInstrument hören durfte.
Kopf des Spectrasonics-Teams ist der Firmengründer und CEO Eric Persing, der bereits als Soundprogrammierer bei Roland arbeitete und für etliche
Patches und Samples verantwortlich zeichnet, die in
den 90ern Soundgeschichte geschrieben haben. Seine langjährige Erfahrung steckt in jedem Patch der
Spectrasonics.
r www.spectrasonics.net
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gigantische Klangauswahl
+++
verbesserter DSP-Synth (400
Wavetables)
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Import von User-Audio
–
kein Import von Multisamples
–
keine Anpassung von PhraseSamples an das DAW-Tempo
Omnisphere 2.0 Hersteller/Vertrieb Spectrasonics
Preis 399,— Euro / Upgrade 199,— Euro r www.spectrasonics.net
der nicht. Ferner wird der Import von Multisamples nicht unterstützt. Der Selbstversuch
mit eigenen Audiodateien beweist: Das Feature macht Spaß, und Aufnahmen von Wavetables lassen sich mit den richtigen Einstellungen im Granularmodul fast wie echte
Wavetables verwenden.
Bereits Omnisphere 1 bietet zusätzlich
zur samplebasierten Klangerzeugung auch
Synth-Oszillatoren, welche Wellenformen
verwenden, die in Echtzeit vom DSP berechnet werden. Omnisphere 2.0 erhöht die Anzahl dieser Wellenformen von 4 auf stattliche
400, und jede einzelne davon ist jetzt ein echter Wavetable, der wie bei einem PPG-Synthesizer mit beliebigen Modulatoren durchfahren werden kann. Viele der Wellenformen
basieren auf Vorbildern klassischer analoger
und digitaler Synthesizer der letzten 40 Jahre.
Abgesehen vom visuellen Erscheinungsbild
lassen sich damit in Verbindung mit den acht
neuen Filtertypen die typischen Klänge der
Originale wunderbar nachbilden.
dewegs erschlagen), so ist Omnisphere dennoch ein Eldorado für Soundtüftler, die gerne
selber an den Sounds kreativ herumschrauben möchten. Die Sound-Engines lassen vielseitige Manipulationen zu, um das Basismaterial in die unterschiedlichste Form zu
bringen. So kann jedes der zwei Layer in
einem Omnisphere-Patch frequenz- und ringmoduliert werden. In der neuen Version verfügen beide Module über einen Boost-Modus,
der extremere Modulationen zulässt. Außerdem kann jede der 400 DSP-Wellenformen als
Modulator zum Einsatz kommen, und deren
Obertöne lassen sich verändern.
Die Unison-Funktion vervielfacht die Anzahl der Oszillatoren und wurde um den Parameter Drift erweitert, der eine Verstimmung
wie bei einem typischen Analogsynthesizer
erzeugt.
Auch die Granular-Funktion wurde verbessert und bietet jetzt einen Wild-Modus für
noch krassere Ergebnisse. Ein Legacy-Modus
garantiert, dass Patches, die mit der alten
Version erstellt wurden, unverändert klingen.
DAMPFMASCHINE 2.0
Auch wenn Omnisphere weitgehend Samplebasiert arbeitet und die Library den Löwenanteil ausmacht (und die Presets einen gera-
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ARPEGGIATOR RELOADED
Die lang ersehnte Möglichkeit, die Schritte in
einem Arpeggio individuell transponieren zu
können, macht aus dem Arpeggiator eine Art
Step-Sequenzer, mit dem sich auf einfache
Art und Weise interessante Basslines zaubern
lassen, die man dann bequem mit einem Finger durch die Tonarten bewegen kann. Aber
auch Akkord-Arpeggios bekommen einen
modernen Touch, wenn man zwischendurch
mal den Akkord um 12 oder 19 Halbtöne
nach oben transponiert.
Als die absolute Geheimwaffe im Arpeggiator entpuppt sich aber der eher unspektakulär erscheinende Speed-Regler. Damit lässt
sich die Geschwindigkeit des Arpeggios-Patterns unabhängig vom Host-Tempo regeln.
Das lässt sich sogar so weit schrauben, dass
bei hoher Drehzahl aus dem Arpeggio eine
Wellenform wird, deren Obertonverlauf durch
die gespielten Noten im Arpeggio und die
Ausgangswellenform des Patches bestimmt
wird − einfach genial!
FUNKTIONSERWEITERUNG
Neben den klanglichen Möglichkeiten wurde
auch der Workflow verbessert. Was nützen
einem tausende von Sounds, wenn man im
entscheidenden Moment nicht das passende
Patch findet. Dabei hilft zunächst ein übersichtlicher Browser. Richtig praktisch ist die
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Sound-Match-Funktion, die ähnlich klingende Patches auflistet. Was aber, wenn man nur
einen bestimmten Aspekt eines Sounds gut
findet, wie z. B. den Arpeggiator? In dem Fall
hilft die Sound-Lock-Funktion, mit der man
verschiedene klangliche Eigenschaften eines
Patches verriegeln kann. Beim Patch-Wechsel
bleibt der verriegelte Teil erhalten.
Alte Projekte, die mit Omnisphere 1.x erstellt wurden, lassen sich problemlos abspielen. Die neuen Soundlock- und SoundmatchFunktionen machen in Verbindung mit der
überarbeiteten Kategorisierung im Browser
das Auffinden von geeigneten Sounds um ein
vielfaches einfacher, und der Workflow profitiert von den vielen Verbesserungen der Benutzeroberfläche und Funktionen wie Global
Half und Doublespeed, die das Arbeiten mit
rhythmisch-animierten Klängen, die im Fall
von Omnisphere oft viele verschiedene Modulationsquellen gleichzeitig verwenden,
extrem erleichtern
um im Club die Tanzfläche zu rocken. Die
Sounds springen einem förmlich direkt aus
der Kalotte ins Gesicht.
EDM
FAZIT
Viele Musiker halten Omnisphere für ein Instrument, das in erster Linie für die Filmvertonung geeignet ist. Dass man mit den
DSP-Oszillatoren und Filtern allerdings auch
ohne Weiteres amtlich klingende EDMKlänge erzeugen kann, beweist die gleichnamige Library, die im Lieferumfang von
Omnisphere 2 enthalten ist. 784 Patches
decken dabei einen großen Bereich zeitgenössischer Tanzmusik ab. Von bitterbösen
Supersaw-Leads, die wie ein Schwarm wildgewordener Killerbienen klingen, bis hin
zum unvermeidlichen Wobblebass ist so
ziemlich alles vertreten, was man braucht,
Der Synth der Superlative wird noch einmal
deutlich verbessert mit dem 2.0-Update. Ein
so vielseitiges Angebot an hochwertig klingendem Klangmaterial in einem einzigen
Synthesizer ist einzigartig. Omnisphere 2
ist unverändert kein Tool für klassische
Keyboard-Sounds der Brot&Butter-Kategorie,
dafür aber umso mehr ein Synthesizer mit
einem hohem Inspirations- (und Sucht-)
Potenzial.
Die Patches beweisen durch die Bank,
dass das Spectrasonics-Team in Sachen modernen Sounddesigns im wahrsten Sinne des
Wortes den Ton angibt. n
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