März 2011 - Nordfriisk Instituut

Transcription

März 2011 - Nordfriisk Instituut
März 2011 � 3 Euro
pro und contra
Küstenschutzabgabe
Jakob Tholund:
100 Jahre Stadt Wyk
70 Jahre Ende der
Hooger Allmende
Seite x
Seite x
Seite x
Nr. 173
Herausgegeben
vom
Nordfriisk Instituut
Inhalt
Kommentar“
Werner Junge: Sparen um welchen Preis?
2
Nummer 173
Chronik
Biike-Empfang 2011
100 Jahre Albert Bantelmann
C.-P.-Hansen-Preis 2010 für Ommo Wilts
Tönnies-Symposion in Husum: Life Sciences
Friesisch an den Hochschulen
Üt da friiske feriine
Nordfriesland im Winter
3
4
5
6
6
7
8
Aufsätze
Juliane Rumpf, Dieter Harrsen:
pro und contra Küstenschutzabgabe
10
Jakob Tholund:
Ein Geschenk der Natur
Überlegungen zum 100-jährigen Wyker Stadtjubiläum
12
Hans Joachim Kühn:
Vom Bohls-Interessenten zum Grundeigentümer
Vor 70 Jahren endete die Allmendewirtschaft auf Hallig Hooge
21
Ferteel iinjsen!
Ellin Nickelsen: Uun a naacht
Merten Frank: En Kü fair en Kualev
25
27
Bücher
Der Elternlose und der Entehrte
Schneetage
Kiek mal rin!
Jahrbuch 2011
27
29
30
31
Gesamt-Inhaltsverzeichnis 2010 (Hefte 169–172)
Impressum
31
32
Titelbild
Backenswarft auf Hallig Hooge (Foto: Thomas Steensen)
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 2. März 2011
von NORDFRIESLAND bringt
einen Text von Jakob
Tholund über Wyk auf
Föhr, eine der wenigen
Städte der Region, die – ein
Charakteristikum Nordfrieslands – fast alle sehr jung
sind. Lediglich Tondern,
das politisch seit 1920 nicht
mehr zu Nordfriesland gehört, erhielt sein Stadtrecht
im Mittelalter (1243). Garding und Tönning wurden
1590 zu Städten erhoben,
Husum 1603. 1621 kam
Friedrichstadt als planmäßige Gründung hinzu. Zu
Beginn des 20. Jahrhunderts
folgten Bredstedt (1900),
Westerland (1905) und eben
Wyk (1910). Die jüngste ist
Niebüll (1960).
*
Während die Städte die
größte Besiedlungsdichte
aufweisen, haben die Halligen nur wenige Bewohner.
Auch die Aufhebung der
Allmendewirtschaft auf den
meisten von ihnen, von deren Anfängen Dr. Hans Joachim Kühn berichtet, konnte
deren Charakter als weltweit
einmaligen Lebensraum
nicht in Frage stellen.
Kommentar
Sparen
um welchen Preis?
Mit dem Hausrat scheint auch das
Herz des Nordfriesen Carstensen
nach Holstein gezogen zu sein.
Auffällig groß ist der „Mut“ der
schwarz-gelben Koalition, dem
Landesteil Schleswig Sparopfer aufzubürden. Wer die Uni in Flensburg
auf den Stand einer Pädagogischen
Hochschule zurückfahren will, wer
den Fortbestand des Landestheaters in Frage stellt und auch noch
überlegt, den Küstenschutz durch
Anliegerbeiträge zu finanzieren, gibt
ein zentrales Prinzip der Landespolitik auf: das nämlich, vergleichbare
Lebensverhältnisse in den Landesteilen anzustreben.
Dieses Ziel aufzugeben, weil der
Druck der Schulden unerträglich ist, kann gefährlich werden.
Schleswig-Holsteins erster gewählter Ministerpräsident legte 1948
die Denkschrift „Not eines Landes“
vor. Herrmann Lüdemann zweifelte darin an, ob das neue Bundesland überlebensfähig sei, weil es
zu klein und zu strukturschwach
ist. Das Problem besteht bis heute.
Nur mit Mut und Phantasie
kann es gelöst werden. Vieles ist
denkbar. Eines nicht: den Norden
Wü haa
dach al
om ales
snaket.
nur das Nordfriisk Instituut in seiner
Arbeitsfähigkeit gefährdet.
Deshalb ist die Sparpolitik von
Schwarz-Gelb falsch. Ein Skandal ist
der Umgang mit den Minderheiten.
Als es darum ging, EU-Mittel für
dänisch-deutsche Projekte auch nach
Holstein zu leiten, beeilte sich Carstensen, das Grenzland und die Minderheiten zur Chefsache zu erklären.
Nun kneift es im Portemonnaie und
flugs wird das mühsam erreichte Versprechen gebrochen, die dänischen
Schulen als Regelschulen der Minderheit zu behandeln. Gekürzt wird
auch bei der deutschen Minderheit
in Dänemark und last not least beim
Nordfriisk Instituut. Das Land wird
damit wortbrüchig, und es verstößt
gegen die Landesverfassung. Sie legt
im Artikel 5 fest: Minderheiten sind
zu schützen und zu fördern.
Alle Betroffenen jammern. Das
gehört zum Ritual. Zwei Rückfragen
der Politik müssen deshalb erlaubt
sein. Die erste: Was haben denn die
Besparten selber geleistet? Zumindest das Nordfriisk Instituut kann
sich diesem Test mit weißer Weste
stellen. Das Institut wird von einem
Verein getragen, wirtschaftet äußerst
sparsam, wirbt mühevoll, aber
erfolgreich um Drittmittel sowie
Sponsoren und bindet vor allem
in großem Maße und mit hoher
Qualität das Ehrenamt ein.
Dramatisch wird die Lage, weil in
Kiel lange keiner mit ja oder nein
entscheiden wollte und deshalb
alljährlich „überrollt“ wurde. Alle
wurden vermeintlich geschont, indem der Ansatz des laufenden Jahres
auf das nächste übertragen wurde.
In Wahrheit wurden damit alle
geschunden. Löhne und Sachkosten
stiegen, nur die Zuschüsse blieben
gleich. Real sinken sie dadurch seit
Jahren, haben auch das Nordfriisk
Instituut schon an den Abgrund
getrieben. Das war das „falsche“
Sparen. Nun wird also „richtig“
gespart: Den strukturell seit Jahren
Unterfinanzierten wird nun extra
etwas abgezogen. Damit ist nicht
Entscheidend bleibt Frage zwei:
Braucht Schleswig-Holstein dieses
Institut? Auch dahinter gehört ein
Häkchen. Die Bredstedter Einrichtung funktioniert als Institut
fächerübergreifender regionaler
Forschung, erfüllt den Auftrag der
Lehre in großer Breite und bietet
bürgernah Service wie wohl kein
anderes im Norden. Es wirbt damit
für die einmalige Sprache, Kultur
und Geschichte Nordfrieslands.
In der Sprache der Werber schafft
das Institut für das Land damit ein
„Alleinstellungsmerkmal“. Das hilft
auch wirtschaftlich dem ganzen
Land. Wer in Schleswig am falschen
Ort spart, der schadet auch Holstein.
Werner Junge
ist Redakteur und leitet seit April
2005 das NDR-Studio in Flensburg.
(Adresse: Friedrich-Ebert-Str. 1,
24913 Flensburg.)
Wat heer
dit diarme
tö dön?
Häägar
Wü snaki
gaar ek muar
me arküðer.
abzukoppeln. Holstein allein hat
keine Zukunft.
2
Nordfriesland 173 –– März 2011
Biike-Empfang 2011
Der Bund hat friesische Projekte inzwischen mit mehr als drei
Millionen Euro gefördert. Davon
berichtete Staatsminister Bernd
Neumann,
Beauftragter
der
Bundesregierung für Kultur und
Medien, beim Biike-Empfang des
Frasche Rädj (Interfriesischer Rat,
Sektion Nord) am 26. Februar im
Bredstedter Bürgerhaus. Erk Hassold, Vorsitzender des Friesenrates,
begrüßte dazu mehr als 120 Gäste,
darunter Besucher aus Westfriesland
und aus dem Saterland, und dankte
dem Staatsminister insbesondere für
den Sonderzuschuss in Höhe von
300 000 Euro, der die Einrichtung
der Organisations-Zentrale der
friesischen Vereine im Friisk Hüs im
Gebäude der ehemaligen Tabakfabrik Preisler in Bredstedt ermöglicht
hatte (vgl. NORDFRIESLAND 172, S. 3).
Die Politik trägt eine erhebliche
Verantwortung für die Erhaltung
der kulturellen Vielfalt, das betonte
Bernd Neumann. Der Bund habe
seine Förderung für die friesische
Arbeit auch vor dem Hintergrund
der unerlässlichen Sparbemühungen
unvermindert beibehalten. Unter
dem lebhaften Beifall der Versammlung appellierte der Staatsminister
an die Kieler Landesregierung, hier
ebenfalls nicht nachzulassen.
In einem Kurzreferat stellte sodann
Hans Jacob Paulsen, Vorsteher des
2008 im Zuge der Verwaltungsstrukturreform gebildeten Amtes
Mittleres Nordfriesland, seinen
Amtsbereich vor. 20 500 Menschen
leben in 20 Gemeinden des Amtes,
bei dem auch die Administration
der amtsfreien Gemeinde Reußenköge angesiedelt ist. Zusammen mit
dem Amt Südtondern bildet es eine
„Aktiv-Region“. Der Ausbau der
Breitbandversorgung als Grundlage
Nordfriesland 173 – März 2011
Lebensgestaltung für die vitale ältere
Generation eine wesentliche Rolle
spielen.
Mit 70 Prozent Agrarfläche ist
Schleswig-Holstein nach wie vor
ein landwirtschaftlich geprägtes
Land. Die althergebrachte bäuerliche Landwirtschaft gehört dabei
allerdings der Vergangenheit an.
Der Bauer der Gegenwart ist ein
Unternehmer, und das wird in der
weiteren Entwicklung verstärkt
zum Tragen kommen. Das waren
die zentralen Aussagen von Dr. Ju-
Foto: Harry Kunz
Chronik
für die elektronische Kommunikation stelle dabei ein ebenso wichtiges
Vorhaben dar wie die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien, sagte der Amtsvorsteher.
Uwe Hems, als Bredstedter Bürgermeister Hausherr im Bürgerhaus,
nutzte sein Grußwort, um – unter
anhaltendem Applaus – deutlich
zu machen, dass die Menschen in
Nordfriesland und ihre Repräsentanten in Kommunen und Verbänden sich einig sind in der Ablehnung
der Pläne für die Endlagerung von
Biike-Empfang 2011 (von links): Erk Hassold, Vorsitzender des Frasche
Rädj, Staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung
für Kultur und Medien, Dr. Juliane Rumpf, Landes-Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume
Kohlendioxid im Untergrund der
Region. Vor allem drückte er aber
seine Freude darüber aus, dass der
Preislersche Komplex, der zuvor
zeitweise das Kreisforstamt beherbergt hatte, mit dem Friisk Hüs
nun wieder mit Leben erfüllt werde.
Gemeinsam mit dem Nordfriisk
Instituut – das hoben mehrere Redner hervor – werde es ein Zentrum
für das Friesische bilden.
Die Zukunft des Kreises Nordfriesland, so Kreispräsident Albert Pahl
in seinem Grußwort, wird nicht zuletzt im Zeichen des demografischen
Wandels stehen. Die Älteren werden
einen wachsenden Teil der Gesellschaft ausmachen. Gerade die Pflege
der regionalen Traditionen könne
bei Überlegungen zur sinnvollen
liane Rumpf, Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche
Räume, in ihrem Festvortrag. Politik
und Gesellschaft müssen sich darauf
einstellen, die Landwirtschaft in
ihrer veränderten Rolle wahr- und
ernst zu nehmen. Die Bauern leisten dabei auch einen erheblichen
Beitrag zum Umweltschutz und zur
Erhaltung der Artenvielfalt.
Mit plattdeutschen Liedern sorgte
die Drelsdorfer Gruppe „Landlicht“
für den musikalischen Rahmen.
Abschließend war Gelegenheit, bei
einem schmackhaften Buffet die
Räume der Friisk Foriining, des
Nordfriesischen Vereins und des
Friesenrats sowie das Friisk-FunkStudio im Friisk Hüs zu besichtigen.
Red.
3
Am 8. Januar 2011 jährte sich der
Geburtstag von Dr. Albert Bantelmann zum 100. Male. Gemeinsam
mit dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein luden das
Nordfriisk Instituut und seine AG
Geschichte aus diesem Anlass unter
dem Titel „Ein Forscherleben für die
Westküste“ zu einem Vortragsnachmittag nach Bredstedt ein.
Der Name Albert
Bantelmann ist
mit der Erforschung Nordfrieslands untrennbar
verknüpft. Seine
Arbeiten gelten in
diesem Kontext
als „Meilenstein“
Albert
(vgl. NORDFRIESBantelmann
LAND
42/44).
Es war kein Zufall, dass gerade er
gebeten wurde, den vor- und frühgeschichtlichen Part der 1995
erstmals vorgelegten „Geschichte
Nordfrieslands“ zu verfassen, der
inzwischen als Einzelschrift „Nordfriesland in vorgeschichtlicher Zeit“ in
vierter Auflage vorliegt. Mit diesen
Worten begrüßte im Nordfriisk
Instituut Prof. Dr. Thomas Steensen
das äußerst interessierte Publikum,
darunter Bantelmann-Tochter Giede Eichner sowie zwei der vier Enkelinnen von Albert Bantelmann, der
1999 starb. „Wir möchten mit dieser Veranstaltung auch die Aufmerksamkeit darauf lenken“, so Steensen
weiter, „dass das Wattenmeer als
Kulturlandschaft bisher zu wenig
in den Blick genommen wurde.
Eine systematische archäologische
Erforschung des Wattenmeers wäre
dringend erwünscht. Bisher sind
aber viele Funde nicht einmal katalogmäßig erfasst, geschweige denn
wissenschaftlich ausgewertet.“
Am 8. Januar 1911 wurde Albert
Bantelmann in Hamburg geboren.
Er studierte in Hamburg und Kiel
Geografie, Ozeanografie, Geologie
sowie Vor- und Frühgeschichte. Danach war er in Westerland, Aventoft,
Breklum und Schobüll als Lehrer
4
tätig, das berichtete der Niebüller
Geschichtsforscher Albert Panten.
Bei Besuchen auf der Hallig Langeneß wurde Bantelmann sodann auf
zahlreiche Kulturspuren im Wattenmeer aufmerksam, so etwa auf
die Hinterlassenschaften des mittelalterlichen Salztorfabbaus. Im Jahre
1934 wurden die Voraussetzungen
für eine systematische Siedlungsfor-
Das 1967 erschienene Werk gehört
zu den Klassikern der regionalgeschichtlichen Literatur, so Albert
Panten abschließend.
In einem Bildvortrag arbeitete
Dr. Martin Segschneider, Leiter des
Dezernats Nord im Archäologischen
Landesamt, heraus, dass die Ergebnisse von Albert Bantelmanns prähistorischer Arbeit bis heute aktuell
Am
8.
Januar
2011 im Nordfriisk
Instituut: Dr. Christian M. Sörensen,
Vorsitzender der Instituts-AG Geschichte, die Referenten
Albert Panten und
Dr. Martin Segschneider, Hausherr Prof.
Dr. Thomas Steensen
schung in Marsch und Wattenmeer
geschaffen, und zwar im Rahmen
eines seinerzeit aufgelegten ZehnJahresplans zur Landerhaltung und
Landgewinnung an der Westküste.
Bei den Marschenbauämtern Heide
und Husum wurden entsprechende
Forschungsstellen
eingerichtet.
Davon hatte Albert Bantelmann in
der Dankrede für den Hans-Momsen-Preis des Kreises Nordfriesland
berichtet, den er 1986 als erster
erhielt (vgl. NORDFRIESLAND 77/78).
Im Zuge dieser Forschungen, für die
Bantelmann vom Schuldienst freigestellt wurde, so Albert Panten weiter,
promovierte er 1939 zum Thema
„Das nordfriesische Wattenmeer, eine
Kulturlandschaft der Vergangenheit“.
Nach dem Krieg wirkte Bantelmann
sodann als Leiter der Abteilung für
Marschen- und Wurtenforschung
im damaligen Landesamt für Vorund Frühgeschichte in Schleswig. In
dem Buch „Die Landschaftsentwicklung an der schleswig-holsteinischen
Westküste, dargestellt am Beispiel
Nordfriesland“ fasste er zentrale Ergebnisse seiner Arbeit zusammen.
Foto: Harry Kunz
Foto: Sammlung Nordfriisk Instituut
100 Jahre Albert Bantelmann
und grundlegend geblieben sind.
Der Name des Prähistorikers ist vor
allem verbunden mit den umfassenden Grabungen auf den frühgeschichtlichen Großwarften Tofting
(Gemeinde Oldenswort) und Elisenhof (Tönning). Tofting gehört
zu den frühesten Siedlungszentren
in der Eiderstedter Marsch und war
bereits im zweiten Jahrhundert nach
Christi Geburt dicht besiedelt. In
der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts wurden auf Elisenhof die
ersten Häuser gebaut. Das könnte
auf einen Zusammenhang mit der
Einwanderung der ersten Friesen
in dieses Gebiet hindeuten. Die
zahlreichen dortigen Funde sind
in einer eindrucksvollen Buchreihe
dokumentiert.
Intensiv hat sich Albert Bantelmann, so Dr. Segschneider, auch
mit den Siedlungsspuren und den
geografischen Veränderungen im
Bereich des Wattenmeeres befasst.
Ihm sei es insbesondere gelungen,
die Entwicklung der Landschaft
anhand dieser Befunde allgemeinverständlich darzustellen.
fp
Nordfriesland 173 –– März 2011
C.-P.-Hansen-Preis 2010 für Ommo Wilts
Nordfriesland 173 – März 2011
seine ganze Kraft der nordfriesischen
Spracharbeit gewidmet.
Nachdem zunächst das festländische
Frasch im Zentrum seiner sprachwissenschaftlichen Arbeit gestanden
hatte, brachte Ommo Wilts 1977
zusammen mit Dr. Alastair Walker
den Kassettenkurs „Hiir Sölring –
Liir Sölring“ heraus. 1978 erschien
dann das vorbildliche Wörterbuch
„Sölring fuar sölring Skuulen (Söl-
Foto: Linda Kupfer, Sylter Rundschau
„Wenn ich vielleicht für das Syltringische und den Spracherhalt
etwas mehr getan habe, als streng
genommen in einem rein sprachwissenschaftlichen Aufgabenbereich
lag, dann auch, weil ich damit auch
eine Dankesschuld abtragen wollte
gegenüber den Syltern, deren Gastlichkeit und Hilfsbereitschaft mir
sehr geholfen haben.“ Mit diesen bescheidenen Worten nahm der Frisist
Dr. Ommo Wilts am 12. Dezember
im Muasem Hüs in Morsum den
C.-P.-Hansen-Preis 2010 entgegen.
Er bezog sich dabei auf eine schwere
Zeit in seinem Leben, als 1976 seine Ehefrau Bärbel geb. Klötzke an
Krebs starb und er mit drei kleinen
Kindern zurückblieb. Gerade auf
Sylt habe Ommo Wilts damals
Hilfe und Zuspruch gefunden. Das
berichtete Prof. Nils Århammar, C.P.-Hansen-Preis-Träger des Jahres
2001, in seiner Laudatio. Weiter
sagte er unter anderem:
Geboren wurde Ommo Wilts am
20. Mai 1937 in Oldenburg in Oldenburg. Ist der Vorname Ommo
typisch ostfriesisch, so stammt der
patronymische Familienname Wilts
ursprünglich von der Insel Wangerooge, wo bis ins 20. Jahrhundert ein
Rest des altertümlichen Rüstringer
Friesisch gesprochen wurde. Ommo
Wilts ging an die Universität Marburg, wo er die Fächer Deutsch und
Englisch studierte. 1959 wechselte er
nach Kiel, wo er den Altgermanisten
und Nordisten Prof. Dr. Hans Kuhn
kennenlernte, der sein prägender
Lehrer wurde. Nach Studien- und
Lehraufenthalten auf Island und
in den USA sowie einer ersten
Tätigkeit an der von Hans Kuhn
geleiteten Nordfriesischen Wörterbuchstelle promovierte er 1969 zu
einem altgermanistischen Thema.
Es folgte ein Referendariat in Brake
an der Unterweser und darauf dann
1972 die Abordnung an die Nordfriesische Wörterbuchstelle. Von
1972 bis zu seiner Pensionierung
blieb Ommo Wilts dieser Institution
erhalten und hat hier 30 Jahre lang
auch bedeutendsten nordfriesischen
Dichter, am 7. Februar 1985 in
Keitum hielt. Viel Zeit investierte
er in das Lektorat des von Hans
Hoeg zusammengestellten, 1995
erschienenen Buches „Ströntistel en
Dünemruusen“, in dem das gesamte
lyrische Werk Jens Mungards zugänglich gemacht wird.
Es war ein Akt großer symbolischer
Kraft, so Nils Århammar abschließend, dass die feierliche Verabschiedung anlässlich der Pensionierung
C.-P.-Hansen-Preis 2010 (von links): Kuratoriums-Mitglieder Franz Grobe,
Maren Jessen und Arnold Bussius, Preisträger Dr. Ommo Wilts, Laudator
Prof. Nils Århammar, Kuratoriums-Vorsitzender Peter Schnittgard
ring – Dütsk und Dütsk – Sölring)“.
Der Philologe Ommo Wilts arbeitete daran zusammen mit Anna
Gantzel (1898–1984), einer Sylter
Sprachpflegerin von großer Bedeutung. Das Wörterbuch bildet
einen ersten Höhepunkt in Wilts’
didaktisch fundierter Wörter- und
Lehrbuchverfasserschaft. Es folgte
die Aufbereitung von Anna Gantzels
Übersetzung „Wü Jungen fan Bullerbü“ für den Schulunterricht. 1980
erschien auch bereits „Üüs sölring
Liirbok. Lehrbuch für den friesischen
Anfangsunterricht auf Sylt“. Gewissermaßen als Krönung von Ommo
Wilts’ Arbeit für das Sölring erschien
im Jahr 1983 das sylterfriesische
Sach- und Lesebuch „Üt min Denkelbok“ (Aus meinem Notizbuch)
mit 48 Texten von Anna Gantzel.
Ommo Wilts lag stets auch die friesische Literatur am Herzen. So bot
es sich an, dass er die Grundsatzrede
zum 100. Geburtstag von Jens Mungard, dem produktivsten und wohl
von Ommo Wilts am 27. September 2002 im Sylter Heimatmuseum
in Keitum stattfand. Nach außen
hin habe Ommo Wilts all die Jahre
als Botschafter für die Sylter Sprache
und Kultur gewirkt.
Wo soll, so fragte Ommo Wilts in
seiner Dankrede, in den Familien, in
denen Sölring weitergegeben wird,
die künftige Generation der Friesischsprecher noch Wohnraum und
Existenzmöglichkeiten finden auf
Sylt? Bei den Sorben in der Lausitz
hat man in DDR-Zeiten – typisch
kommunistisch-primitiv – im Interesse der Braunkohlegewinnung einen Teil des Sprachgebietes einfach
weggebaggert. Auf Sylt wird – kapitalistisch subtiler – von Investoren
einfach alles weggekauft. C. P. Hansen hat mit seinen Schriften einen
Zugang zum Friesischen eröffnet,
so Ommo Wilts abschließend. Auch
die heutige Sprach- und Kulturgemeinschaft müsse für Nichtfriesen
offen stehen.
Red.
5
Tönnies-Symposion in Husum: Life Sciences
Am 7. und 8. Mai wird in Husum
das 7. Internationale Tönnies-Symposion abgehalten. Veranstalter sind
die
Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft, Kiel, das Institut für Technikund Wissenschaftsforschung der
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
sowie das Nordfriisk Instituut,
Bredstedt. Das Thema lautet „Life
Sciences. Die Neukonstruktion des
Menschen?“ Veranstaltungsort ist
das 2010 fertiggestellte NordseeCongressCentrum (NCC) Husum.
Die Veranstaltung steht unter der
Schirmherrschaft des Husumer
Bürgermeisters Rainer Maaß.
Im Rahmen des Symposions sollen zwei Themenschwerpunkte
bearbeitet werden, nämlich die
humanmedizinischen Gen- und
Reproduktionstechnologien sowie
neuere Forschungen im Bereich der
künstlichen Intelligenz. Die Vorträge des Symposions gliedern sich
in die folgenden Themenbereiche:
„1 Von Husum in die Welt“, „2 Die
Welt als Baukasten“, „3 Genesis 2“,
„4 Denkt ein Computer wie ein
Mann oder wie eine Frau?“, „5 Ersatzteillager Mensch“, „6 Ökonomische und politische Aspekte“ sowie
„7 Pädagogik und Religion – ein anderer Zugang: nach wie vor aktuell?“
In Bereich 1 steht nicht zuletzt die
Beschäftigung mit dem Wirken des
Soziologen Ferdinand Tönnies und
des Hirnforschers Oskar Vogt auf
dem Programm, die „von Husum
in die Welt“ hinein wirkten. Die von
Tönnies in Deutschland verankerte
Soziologie befasst sich gerade auch
mit den Problemen gesellschaftlicher und politischer Teilhabe und
Verantwortung unter sich wandelnden Bedingungen. In der von Oskar
Vogt wesentlich weiterentwickelten
Disziplin geht es auch um die
Möglichkeit, Menschen und ihr
Bewusstsein technisch-genetisch zu
manipulieren.
Friesisch an den Hochschulen
An den Hochschulen in Schleswig-Holstein werden im Sommersemester 2011 voraussichtlich
folgende Lehrveranstaltungen zum
Friesischen angeboten:
Flensburg:
Seminare/Übungen:
Einführung in die Frisistik
(Steensen) 2std. Grundzüge der
friesischen Landeskunde und
Geschichte im europäischen Zusammenhang (Steensen) 2std.
Zur nordfriesischen Phraseologie
– Redewendungen und Sprichwörter im Nordfriesischen (Faltings) 2std. Friesische Literatur
im Überblick (Joldrichsen) 2std.
Das Lektorieren und Editieren
nordfriesischer Texte (Joldrichsen)
2std. Seminare im Zertifizierungsstudiengang: Die friesische Sprache
und Landeskunde im Unterricht
(Steensen) 2std. Frühe nordfriesische Sprachzeugnisse im Spiegel
ihrer sprachlichen Form (Faltings)
2std. Sprachkurse: Mooring I (Jold6
richsen) 2std. Fering I (Jannen)
2std. Friesischer Lektüre- und
Konversationskurs/Fering III (Jannen) 2std. Lektüre festlandsnordfriesischer Texte (Steensen) 2std.
Kolloquium:
Interdisziplinäres
Forschungskolloquium „Sprache“
(Jäkel) 1std.
Kiel: Proseminare: Einführung
in die Frisistik (Hoekstra) 2std.
Historische Grammatik des Friesischen (Hoekstra) 2std. Sprachsoziologie: Die friesischen Sprachen im
europäischen Vergleich (Walker)
Haben wir es mit einer gegenüber
dem 19. und 20. Jahrhundert
(Stichwort: Moderne) völlig veränderten Situation zu tun (Stichwort:
Postmoderne)? Wer übernimmt die
Verantwortung dafür, das zu realisieren, was möglich ist? Und wer
bestimmt, die Realisierung dessen,
was möglich ist, zu unterlassen?
Welches Wissen benötigen wir, um
an der Zukunft unserer Gesellschaft
in kompetenter und demokratischer Weise mitzuwirken? Welche
Herausforderungen stellen sich für
Schule, Ausbildung und Medien?
So lauten einige Leitfragen für das
abschließende Podium.
Die Symposions-Beiträge wenden
sich – das betonen die Veranstalter – nicht nur an das Fachpublikum, sondern vor allem auch an
eine breitere interessierte Öffentlichkeit. Nähere Informationen können
unter www.messehusum.de abgerufen werden.
Red.
2std. Morden im Norden. Regionalkrimis am Beispiel Nordfrieslands (Walker und Schmidt) 2std.
Lektüreübung: Jap. P. Hansen: Di
Gitshals of di Söl’ring Piðersdai
(Walker) 2std. Hauptseminar: Die
nordfriesische
Theaterliteratur
(Hoekstra) 2std. Oberseminar:
Forschungskolloquium (Hoekstra)
2std. Sprachkurse: Mooring II
(N.N.) 2std. Mooring für Fortgeschrittene (Walker) 2std. Fering
II (N.N.) 2std. Fering für Fortgeschrittene (N.N.) 2std. Westfriesisch II (Hoekstra) 2std.
Red.
Ged för‘t hood
Poche
Fölen mei hal gratem poche: Ik san en fresken!
Faan soken as miast ei föl tu ferhööbin.
Jakob Tholund
Nordfriesland 173 –– März 2011
E krouf bai e Wiidau
In dem Projekt „Der Krug an der
Wiedau“, das von den Organisationen aller drei im Grenzland
beheimateten Minderheiten (Bund
deutscher Nordschleswiger, Friisk
Foriining, Sydslesvigsk Forening
Niebüll) organisiert wird, geht es
darum, eine Comedyserie in Form
von kurzen Radiospots zu produzieren, deren Handlung sich um
die Geschehnisse an der Westküste
Südjütlands / Schleswigs dreht.
In dem fiktiven kleinen Krug in
einem kleinen Dorf an der schleswigschen Westküste, direkt an der
Wiedau und somit an der deutschdänischen Grenze gelegen, werden
fünf Sprachen gesprochen: Reichsdänisch, Süderjütisch, Friesisch,
Plattdeutsch und Hochdeutsch, und
das nicht immer nur von verschiedenen Leuten. Viele Stammgäste
kennen alle diese Sprachen, zumindest passiv. So herrscht am Tresen
und am Stammtisch von Pørksens
Kro / Pörksens Krouf ein sprachliches
Gewirr, das den Auswärtigen an babylonische Verhältnisse erinnert. Für
die Einheimischen aber stellt es eine
über die Jahrhunderte gewachsene
Notwendigkeit dar in einer Region,
in der Jüten, Friesen und Deutsche
sich denselben Dorfkrug teilen.
Auch wenn für das Projekt ein fiktiver Handlungsort gewählt wurde,
stehen diese Gaststätten immer
noch in Dörfern wie Rosenkranz,
Rudbøl, Rodenäs oder in der Hoyer
Marsch. Innerhalb der gesamten Europäischen Union stellt diese sprachliche Vielfalt auf so engem Raum ein
absolutes Unikum dar. Es zeigt die
enge historische und kulturelle Verbundenheit des alten Herzogtums
Schleswig über die deutsch-dänische
Grenze hinweg.
Jede Folge ist mehrsprachig, die
Charaktere unterhalten sich in
sämtlichen angestammten Sprachen der Region. Dabei sollen die
Dialoge so aufgebaut werden, dass
ein Verständnis der Handlung auch
ohne vorherige tiefe Kenntnisse
aller gesprochenen Sprachen und
Idiome möglich sein soll. Wichtig
ist das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten in Kultur und Mentalität.
Sprache und Kultur soll in unterhaltsamer und lustiger Form für
alle Hörer nachvollziehbar vermittelt werden.
Die einzelnen Folgen sollen jeweils
eine Gesamtdauer von drei bis vier
Minuten nicht überschreiten. Das
fertige Produkt soll interessierten
Einrichtungen wie Offener Kanal
Westküste, Radio Magic Music,
Radio Moijn kostenlos zur Ausstrahlung überlassen werden. Daneben
sollen sämtliche Folgen im Internet
als Podcast und über You Tube zum
Download zur Verfügung stehen.
Manfred Nissen
Fresen-DVD
Nordfriislon – Det san wi: so heet
‘n Film över de Nordfresen, den de
Frasche Rädj (Interfriesischer Rat,
Sektion Nord) verleden Johr produzeren laten hett. Dat is ‘n DVD, de
knapp över ‘n Stünn duern deit, un
wo ok de Beopdraagte vun de Bunnesregerung för Kultur un Medien,
BKM, Geld mit togeven hett.
Wenn een de Spegelplatt in sien
DVD-Speler starten deit, kann ‘n
sik de Spraak – Freesch oder Hoochdüütsch – utsöken. Un dat weer
goot för mi, denn ik bün jo nich
wiet weg vun Bremen an de Weser
boren worrn. Un dat Ganze is jo
wat VUN Fresen för NICH-Fresen,
also, wo Lüüd as ik wat över Nordfreesland un nordfreesche Minschen
to weten kriegen schüllt. Un wat dat
angeiht, dor kann ik Elin Rosteck,
de as Autorin un Regisseurin den
Film maakt hett, blots graleren.
Denn bi ehr Arbeit is ganz wat besünners rutsuert. Ehr Film hett mi
vun de eersten Biller, vun de eerste
Musik, vun’t eerst Woort an packt,
hett mi as so’n Well mitnahmen. Ik
kunn nich anners un möss den Film
to Enn kieken. Egentlich wull ik dor
an den Avend blots kott mol rinsnuven. Aver ik weer bang, ik kunn
welk vun de Lüüd, de se mit vörstellt
hett, wat vun jümehr Geschichten
oder aver ok wat vun de Historie
vun Nordfreesland verpassen.
Elin Rosteck vertellt allens in ehrn
Film ganz knapp, mit man blots
soveel Wöör as jüst nödig sünd. Wat
de Minschen ehr vertellt hebbt, is op
kotte Dele tosamensneden worrn un
de Biller un Kamera-Instellungen
ännert sik in een Tour. Dorto kümmt
de Musik, de mi jüst so in een Tour
jümmers wedder överrascht hett.
Mol is dat Musik, de an’n flotten
Reisebericht erinnern deit, mol een,
wo ik an’n spannend naspeelt Stück
Geschichte denken mutt, un wenn
Elin Live-Akkordeonmusik hebben
will, denn sett se de Spelersch meern
op ‘n grote gröne Wisch, wiest uns,
wo se dor speelt un nimmt de Musik
för’t Ünnermalen vun ganz anner
Fernseh-Biller.
De Film höllt sien groot Tempo, dat
Elin Rosteck vun‘n Anfang bet to’t
Enn dör. Un dat is jüst richtig so: Ik
kaam bi’t Tokieken nich ut de Puust,
nee, ik heff groten Spaass doran,
dat Tempo „mittokieken“ un föhl
mi an’t Enn vun den Film risch un
frisch un frei mi. Un ik krieg Lust,
em mi noch mol antokieken. Un dat
do ik ok. Glieks vunavend.
Hartmut Cyriacks
Üt da
friiske feriine
Nordfriesland 173 – März 2011
7
Nordfriesland
im Winter
2. Dezember 2010 –
#. März 2011
„ Mit einer bundesweiten Kampagne sollen die besonderen Werte
des Weltnaturerbes Wattenmeer
vermittelt und die Entwicklung
eines nachhaltigen Tourismus unterstützt werden. Das Thema wurde
auf der Jahres-Vollversammlung
der 68 deutschen NationalparkWattführerinnen und -führer am
15. Januar in Tönning diskutiert.
2010 begleiteten die Führer trotz einer nur kurzen Schönwetterperiode
rund 40 000 Gäste auf 1 600 Wanderungen durchs Watt. Matthias
Kundy von der Nationalparkverwaltung berichtete, dass das umfangreiche Fortbildungsangebot für die
Wattführer gut genutzt worden sei.
„Damit werden die hohe Qualität
der Führungen und die Sicherheit
der Gäste weiterhin gewährleistet.“
„ Zehn Jahre Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) Nordfriesland feierten rund 200 geladene
Gäste aus Wirtschaft, Politik, Tourismus und Kultur am 18. Januar
im Nordsee-Congress-Centrum in
Husum. Geschäftsführer Dr. Matthias Hüppauff präsentierte die zehn
„WFG-Gebote“ und hob besonders
das Basisgeschäft Tourismus, von
dem etwa 25 000 Arbeitsplätze
direkt abhängen, die WindkraftBranche sowie die Bundeswehr
hervor, die rund 5 500 militärische
und zivile Jobs in Nordfriesland
vorhält. Hans-Jörn Arp (MdL),
Mittelstandsbeauftragter der CDU,
unterstrich, dass Schleswig-Holstein
zu 98 Prozent von mittelständischen
Betrieben getragen werde. Für
Nordfriesland habe die Landesregierung in den letzten zehn Jahren
89 Maßnahmen genehmigt und
23 Millionen Euro an Zuschüssen
8
gezahlt. Landrat Dieter Harrsen lobte „das dynamische Team“ der WFG
im Husumer Torhaus.
„ Die Gemeindevertretung von
Koldenbüttel wählte am 18. Januar
einstimmig Frank Kobrow zum neuen Bürgermeister. Der 45-jährige
Diplom-Sozialpädagoge löste damit
den stellvertretenden Bürgermeister
Jan-Friedrich Clausen ab, der seit
dem Tod von Dr. Andreas Bensel
die Amtsgeschäfte führte. Kobrow
gehört der Vertretung seit 2003 an.
Am 3. Februar wählte die Mildstedter Gemeindevertretung Bernd
Heiber zum neuen Bürgermeister.
Er wurde Nachfolger von Klaus
Hinrichs, der aus Altersgründen
zurückgetreten war. Der 54-jährige
gebürtige Augsburger war Stabsoffizier der Bundeswehr und Jet-Pilot.
Er wohnt seit 1984 in Nordfriesland
und ist seit über zehn Jahren in
der Mildstedter Kommunalpolitik
engagiert.
„ In Nordfriesland ist in Kampen
auf Sylt (Index: 354,3) das Wohnen
am teuersten, in Högel (63,2) östlich
von Bredstedt am günstigsten. Dies
besagte ein im Januar veröffentlichter Wohnindex des Hamburger
Instituts F + B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und
Umwelt. 412 untersuchte Kreise
und kreisfreie Städte in Deutschland
lieferten den Durchschnittswert
100. Im Vergleich der Kreise liegt
Nordfriesland mit einem Index von
108,1 auf Platz 97 in Deutschland.
Spitzenreiter ist hier der Kreis München mit dem Wert 216, letzter der
Kreis Görlitz in Sachsen (52,8). Untersucht wurde die Preisentwicklung
von Eigenheimen kombiniert mit
der Wertentwicklung von Mehrfamilienhäusern und den Trends von
Neuvertrags- und Bestandsmieten.
„ Mit seinem Bild „Tropfenblumen“ gewann der Husumer
Hobbyfotograf Peter Gubatz den
zweiten Preis bei Europas größtem
Fotowettbewerb. „Blende 2010“
wird jährlich von deutschen Tages-
zeitungen in Zusammenarbeit mit
der
Fotografie-Fördergesellschaft
Prophoto ausgeschrieben. Freunde
drängten den 66-jährigen früheren
Berufssoldaten zur Teilnahme an
dem Wettbewerb mit dem Motto
„Die Welt der kleinen Dinge“. Gubatz siegte zunächst in der Vorausscheidung des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags und nahm im
Februar für seinen zweiten Platz im
Hauptfeld ein Preisgeld von 2 500
Euro entgegen.
„ Auf Anfrage der CDU im Kreistag Anfang Februar veranlasste die
Verwaltung die Einführung vierstelliger Zahlen im Kfz-Kennzeichen
des Kreises Nordfriesland. Dadurch
sollen mehr Wunschkombinationen
z. B. mit dem Geburtsdatum oder
-jahr, mit alten Telefonnummern
oder Lieblingszahlen ermöglicht
werden. „Wir möchten mit diesem
Anstoß dazu beitragen, dass sich
viele Nordfriesen, Unternehmen
und Einrichtungen auf einfache Art
und Weise einen kleinen Wunsch
mehr erfüllen können“, erläuterte
Fraktions-Chef Tim Hanke. Durch
Um- und Neuanmeldungen rechnet
der Kreis mit Zusatzeinnahmen.
Anfang 2011 waren 139 903 Fahrzeuge, darunter rund 90 800 Pkw,
7 550 Lkw, 21 500 Anhänger und
8 500 Motorräder in Nordfriesland
angemeldet.
„ Am 11. Februar wurden die sterblichen Überreste von Rio Reiser
von Fresenhagen nach Berlin-Schöneberg umgebettet. Der Sänger der
Kult-Rockband „Ton, Steine, Scherben“, dessen bürgerlicher Name
Ralph Möbius lautete, hatte 1996
mit einer Ausnahmegenehmigung
der damaligen Ministerpräsidentin
von Schleswig-Holstein Heide Simonis im Garten eines alten Hofes
seine letzte Ruhe gefunden. 1975
erwarb die Band das über 230 Jahre
alte Bauernhaus in der Gemeinde
Stadum und gründete eine Landkommune. Nach dem frühen Tod
des „Königs von Deutschland“
wurde das „Rio Reiser Haus“ zum
Nordfriesland 173 –– März 2011
Treffpunkt seiner Anhänger. Mit
Konzerten, Lesungen, Wochenendseminaren und Theaterabenden huldigten sie ihrem Idol (vgl. Thomas
Steensen: Ton Steine Scherben. Rio
Reiser und die Freie Republik Fresenhagen. In: NORDFRIESLAND 170).
Nun sahen sich seine Brüder Gert
und Peter Möbius aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, das Haus
zu verkaufen.
„ Die vielleicht erste Stickbilderausstellung in Deutschland wird bis
3. April in der „Kulturstation Zollhäuser Rodenäs“ gezeigt. Ungefähr
die Hälfte der 256 Bilder kommt
aus Dänemark, erläuterte Elke
Nord, eine der beiden Vorsitzenden
des Vereins Kulturstation. „Sticken
ist keineswegs eine Handarbeit von
Gestern“, betonte ihre Kollegin
Barbara Schmidt-Tychsen und wies
weiter darauf hin, dass Sticken auch
nicht nur Frauensache sei. So wuchs
z. B. Friseurmeister Emil Botte aus
Neukirchen mit acht Geschwistern
auf, die angehalten waren, ihre Kleidung selbst in Ordnung zu bringen.
Er lernte u. a. das Stopfen, Flicken,
Nähen und Stricken. Mit 60 Jahren
begann er, Bilder zu sticken. Für
eine Arbeit mit etwa 50 000 Kreuzstichen benötigt Botte rund 1 000
Nordfriesland 173 – März 2011
Stunden. Drei große Bilder stellte er
für die Ausstellung zur Verfügung.
„ Im Alter von 67 Jahren verstarb
am 16. Februar in Niebüll der Verleger und Schriftsteller Hans Joachim
Alpers. Vor allem als Autor von
Science-Fiction- und FantasyRomanen machte er sich einen
Namen. Häufig schrieb er unter
Pseudonymen wie Jörn de Vries,
Daniel Herbst oder Mischa Morrison. Alpers sorgte u. a. für eine angemessene Übersetzung der Romane
von Philip K. Dick, die Filmen wie
„Blade Runner“ mit Harrison Ford
oder „Total recall – Die totale Erinnerung“ mit Arnold Schwarzenegger
zugrunde lagen. Jungen deutschen
Talenten stand Alpers als Literaturagent zur Seite. Für sein Wirken
im Bereich der Science-Fiction
ehrten die deutschen Science-Fiction-Schaffenden den studierten
Ingenieur, Politik- und Erziehungswissenschaftler mehrfach mit dem
Kurd-Laßwitz-Preis.
„ Der Musiklehrer Jan Hahn von
der Theodor-Storm-Schule in
Husum wurde zum besten Lehrer
Deutschlands gewählt. An der
Aktion der Internet-Schülerzeitung
spickmich.de beteiligten sich über
210 000 Schülerinnen und Schüler.
Bewertet wurden Leistungen im
Schulhalbjahr 2010/11 u. a. in den
Kategorien „guter Unterricht“, „cool
und witzig“, „fachlich kompetent“,
„faire Noten“, „faire Prüfungen“, „beliebt“, „motiviert“ und „vorbildliches
Auftreten“. Der 32-jährige Husumer
Lehrer erhielt die Gesamtnote 1,2.
Die Durchschnittsnote aller Lehrer
in Deutschland lag bei 2,8.
„ Die Zahl der Privatinsolvenzen
hat in Nordfriesland leicht abgenommen. Sie sank 2010 im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent
auf 355 neue Anträge. Die Zahlen
wurden am 23. Februar von der
Hamburger Wirtschaftsauskunftei
Bürgel veröffentlicht. Damit verlief
die Entwicklung in Nordfriesland
gegen den allgemeinen Trend in
Norddeutschland. Die Länder Bremen, Niedersachsen und SchleswigHolstein, das eine Steigerung um
2,5 Prozent aufzuweisen hat, liegen
an der Spitze des Schuldenatlasses.
Ursachen seien unwirtschaftliche
Haushaltsführung und wenig Erfahrung im Umgang mit Geld gerade
bei jungen Menschen. Alleinerziehende Frauen stellten die größte Risikogruppe, hieß es in der Studie.
Harry Kunz
9
Foto: Junge Stimmen des Nordens
„ Bravo-Rufe und stürmischer Applaus waren der
Lohn für eine überzeugende Aufführung der Musical-Revue „The Magical
World of Mary Poppins“
am 13. Februar im ausverkauften
Husumhus.
Die Begeisterung galt dem
Föhrer Ensemble „Junge
Stimmen des Nordens“
unter der Leitung von Studienrätin Doris Rethwisch.
Die Truppe setzt sich ausnahmslos aus Schülerinnen
und Schülern sowie jungen
Erwachsenen zusammen.
„Uns gefiel die Akustik im Husumhus, und die Zeit war reif, jetzt auch über die Insel hinaus aktiver zu werden“,
erklärte die Leiterin. Besonders überzeugen konnte ihre 18-jährige Tochter Lisa Rethwisch in der Hauptrolle,
die mit Stimme und Ausstrahlung das Publikum in ihren Bann zog. Für die aufwendig arrangierten Tanzszenen
zeichnete Choreografin Anna Katharina Meier verantwortlich.
pro – deerfor
In den Küstenniederungen Schleswig-Holsteins
wohnen heute fast 345 000 Menschen. Das ist das
Ergebnis eines langen Kampfes und technischer
Meisterleistungen. Jede Generation hat das Ihrige
getan, um das von Überflutung bedrohte Viertel
der Landesfläche sicherer zu machen. Über Jahrhunderte wurde der Deichbau in Eigenverantwortung geleistet und finanziert, und daraus erwuchs
in den Küstenregionen mit Recht ein Stolz auf
Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Doch die
Katastrophensturmflut 1962 hat ganz Deutschland
vor Augen geführt, dass man die Küstenregionen
nicht länger mit der Bedrohung allein lassen darf.
Das Land hat 1971 die Verantwortung für die
Landesschutzdeiche übernommen, seither wurden
für den Küstenschutz etwa 2,4 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt. In diesem Jahr wenden wir insgesamt rund 60 Millionen Euro auf, davon 18 Millionen Euro für die Unterhaltung der landeseigenen
Küstenschutzanlagen und über 41 Millionen Euro
für investive Maßnahmen. Bei den Investitionen
erhalten wir von EU und Bund Zuschüsse, die Ausdruck einer deutschland- und europaweiten Solidarität mit den Menschen in den Küstenregionen und
Niederungsgebieten sind. Hierauf sind wir weiterhin angewiesen. Auch andere Regionen müssen
mit ähnlichen oder ungünstigeren Gegebenheiten
umgehen. Auch wenn in Deutschland grundsätzlich überall gleiche Lebensbedingungen angestrebt
werden, so muss etwa in den hochwassergefährdeten Flussgebieten oder in den Gebirgsregionen von
den Betroffenen auch ein gewisser Teil der Vorsorge
in Eigenleistung erbracht werden.
Ebenso werden Bürger für bestimmte Leistungen
zu Beiträgen herangezogen, zum Beispiel beteiligen
die Gemeinden ihre Bürger an den Ausbaukosten
von Anwohnerstraßen. Die Sicherung der Vorflut im Binnenland wird über Verbandsbeiträge
ebenfalls anteilig von den Vorteilhabenden mitfinanziert. Ich halte es deshalb grundsätzlich für
vertretbar, die Vorteilhabenden des Küstenschutzes
mit etwa zehn Prozent der Gesamtkosten am Bau
von Küstenschutzanlagen, Sandvorspülungen oder
Instandhaltung von Deichen zu beteiligen.
Insbesondere an der Ostküste werden die Anwohner auch heute noch von den örtlichen Wasser- und
Bodenverbänden über Verbandsbeiträge an den
Kosten für Bau und Instandhaltung der Küsten10
schutzanlagen beteiligt. Bis 1970, als das Land
vielerorts an die Stelle der Deichverbände trat,
wurde von den Wasser- und Bodenverbänden sogar
überall an den Küsten eine Deichumlage erhoben,
die zum Beispiel in Dithmarschen 27 D-Mark pro
Hektar betrug.
Abstriche im Umfang der Aufgabenerledigung sind
aus meiner Sicht nicht möglich. Organisatorisch
und personell haben wir mit dem Landesbetrieb
für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz,
in dem sämtliche Aufgaben des Küstenschutzes
zusammengefasst sind, die Optimierungspotenziale
weitgehend ausgeschöpft.
Nach dem Generalplan Küstenschutz sind bis
2025 Investitionen in einem Gesamtvolumen von
rund 575 Millionen Euro erforderlich, um auch
im Hinblick auf den Klimawandel das erreichte
Sicherungsniveau zu halten. Unsere Aufgaben werden in Zukunft eher noch zunehmen. Notwendig
sind zum Beispiel die Verstärkung der Landesschutzdeiche (325 Mio. Euro), Vorlandarbeiten,
Halligschutz (150 Mio. Euro), Sandaufspülungen
(95 Mio. Euro) sowie Investitionen in Regionaldeiche und Verteidigungswege (105 Mio. Euro).
Auch künftig werden 90 Prozent der Kosten von
der Allgemeinheit getragen. Doch die Finanzierung
der notwendigen Maßnahmen wird durch die unumgängliche Konsolidierung des Landeshaushaltes
immer schwieriger. Hier geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Gelingt es nicht, in den
nächsten zehn Jahren jährlich wenigstens 125 Mio.
Euro einzusparen, gehen die Gestaltungsspielräume
für eine eigenständige Politik im Lande auf Null.
Vielen Gruppen im Lande müssen wir daher Kürzungen zumuten und Belastungen auferlegen. Die
Herausforderungen der Zukunft werden wir nur
dann meistern, wenn alle Beteiligten zusammenstehen und die Lasten gemeinsam tragen.
Dr. Juliane Rumpf (CDU)
ist studierte Agrarwissenschaftlerin und war
seit 1985 im Finanzministerium tätig. Seit
2009 ist sie Ministerin
für
Landwirtschaft,
Umwelt und ländliche
Räume. (Adresse: Mercatorstr. 3, 24106 Kiel)
Nordfriesland 173 – März 2011
Küstenschutzabgabe
Zu den Vorschlägen der Landesregierung zur Sanierung des Haushalts
gehört auch die Erhebung einer
speziellen Abgabe von Bürgern, die
in besonderem Maße von den Küstenschutzmaßnahmen profitieren. Dagegen erhob sich Widerstand. NORDFRIESLAND bat Dr. Juliane Rumpf, Ministerin
für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und als solche zuständig
für den Küstenschutz, und Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen, dazu
Stellung zu nehmen.
contra – deeriinj
Wenn das hoch verschuldete Land SchleswigHolstein eine ernsthafte Haushaltskonsolidierung
betreibt, ist das erst einmal eine gute Nachricht für
seine 2,8 Millionen Einwohner. Doch jede Mehreinnahme muss sachlich gerechtfertigt und verfassungsrechtlich in Ordnung sein. Beides ist bei der
geplanten Küstenschutzabgabe nicht der Fall.
Zum einen wäre sie inhaltlich ungerecht: Die
Landesregierung will die 300 000 Menschen in
den potenziellen Überflutungsgebieten zur Kasse
bitten, die Einwohner der höher gelegenen Landesteile aber nicht. Sind denn die Küstengebiete
eine Last und nicht ein Gewinn für das ganze
Land? Stellen sie nicht Arbeitsplätze auch für
Menschen bereit, die auf der Geest leben? Dienen
sie nicht als Naherholungsgebiete für alle Schleswig-Holsteiner? Trägt die Nähe zu den Küstenorten und -regionen nicht ganz erheblich dazu bei,
dass Urlaubsgäste sich im Binnenland einmieten?
Allein die Kreise Nordfriesland und Dithmarschen verzeichnen jährlich rund 16 Millionen
Tagesausflügler.
Und sind denn die 300 000 Küstenbewohner allein für den Anstieg des Meeresspiegels und damit
für die Notwendigkeit immer höherer Deiche
verantwortlich? Oder müssen nicht schon rechnerisch die 2,5 Millionen anderen Einwohner des
Landes mit ihren Pkw-Fahrten, Heizungsanlagen
Nordfriesland 173 – März 2011
und Flugreisen einen wesentlich größeren Anteil
daran tragen? Dabei ist jedem klar, dass selbst die
Bewohner unseres industriearmen Landes nur eine
geringe Rolle bei der Umweltverschmutzung spielen: Wer die Ursache für den Klimawandel sucht,
muss global denken – und dürfte nicht allein den
Küstenbewohnern die Rechnung für einen Schaden präsentieren, den sie nur zu geringsten Teilen
selbst verursacht haben.
Um auch die verfassungsrechtliche Seite abzuklären, haben die Insel Sylt, die Insel- und
Halligkonferenz und der Kreis Nordfriesland
Professor Dr. Matthias Dombert um ein Rechtsgutachten gebeten. Er kam zu dem Ergebnis, dass
die Küstenschutzabgabe verfassungswidrig wäre:
Die Landesregierung selbst hat eingeräumt, dass
sie eigentlich eine Küstenschutzsteuer erheben
und somit alle Einwohner gleichmäßig belasten
wollte. Diesen Spielraum lässt ihr die Verfassung
jedoch nicht. Erst, nachdem sie dies erkannt hatte, schwenkte die Regierung auf eine Abgabe für
die Überflutungsgebiete um. „Die Konsequenz
aus der fehlenden Steuerkompetenz kann nun
aber nicht sein, in diesem Falle dann auf eine
Vorteilsabschöpfung Weniger zurückzugreifen“,
urteilt Prof. Dombert. Er weist darauf hin, dass
der Küstenschutz jahrzehntelang als Ausdruck
des Solidarprinzips angesehen und deshalb aus
allgemeinen Steuermitteln finanziert wurde. Das
Gebot der Systemgerechtigkeit verwehre es dem
Gesetzgeber, hiervon zum Nachteil Weniger abzuweichen.
Ich bin sicher: Sollte die Regierung die Küstenschutzabgabe trotz aller Gegengründe erheben,
werden die ersten zur Zahlung Aufgeforderten
den Klageweg beschreiten. Und am Ende wird das
Verfassungsgericht die Abgabe für rechtswidrig
erklären.
Dieter Harrsen ist Diplom-Verwaltungsfachwirt und war von 1991
bis 2007 Leitender Verwaltungsbeamter
beim
Amt
Pellworm.
Am
30. September 2007 wurde er direkt zum Landrat
des Kreises Nordfriesland
gewählt. (Adresse: Kreishaus, Marktstraße, 25813
Hüsem/Husum, NF.)
11
Jakob Tholund:
Ein Geschenk der Natur
Überlegungen zum 100-jährigen
Wyker Stadtjubiläum
Im Jahre 2010 feierte Wyk auf Föhr mit zahlreichen Veranstaltungen den 100. Jahrestag der Verleihung des Stadtrechtes. Den Vortrag zur Eröffnung der zentralen
Jubiläumswoche am 14. August im Kurgartensaal hielt Jakob Tholund. Der frühere
langjährige Vorsitzende des Friesenrats und ehemalige Direktor des Wyker Gymnasiums, der aus Oevenum stammt und seit 1965 in Wyk lebt, betrachtete Stationen
der Wyker Geschichte und auch die Spannungen zwischen Wykern und Föhringern.
NORDFRIESLAND bringt den für den Druck bearbeiteten Text.
Der traditionelle Sprachgebrauch hat sich bis
heute erhalten. Man wohnt nicht „in“ Wyk, wi
waanen ,,bi de Wyk“. Die Besiedlung Wyks erfolgte größtenteils nicht von den Inseldörfern, die viel
älter sind als die Siedlung „an der Bucht“, sondern
vor allem von den Halligen und auch vom Festland aus. Anlass für die Einwanderung von den
Halligen waren zumal die verheerenden Sturmfluten. Viele Bewohner kamen von Nordstrand, viele
auch von Dagebüll, einer ehemaligen Hallig. Diese
„Immigranten“ sprachen weiter ihre Sprache, eben
nicht Fering, sondern Frasch oder Halligfriesisch.
Es gab also auch sprachliche Differenzen zwischen
den Wyker Neubürgern und der alteingesessenen
Dorfbevölkerung Föhrs. Das Bewusstsein, dass es
sich bei den Wykern und den Föhringern in gleicher Weise um Nordfriesen handelte, war wenig
ausgeprägt. Gemeinsame Verkehrssprache wurde
meist Plattdeutsch, das sich dann zunehmend auf
Osterlandföhr ausbreitete und dort in Nieblum
eine Hochburg entwickelte. Das Wyker Friesisch
ist im 19. Jahrhundert ausgestorben.
Der schwedische Friesisch-Professor Nils Århammar leitet den Namen Föhr von dem Verb „fahren“ ab. Gemeint ist damit eine Insel, zu der man
„hinfahren“, besser noch: an der man „anlanden“
kann. Und genau an dieser Stelle der Insel, bi de
Wik, bei der Bucht, lag die neue Siedlung, richtiger: Gerade deshalb haben sich die Menschen hier
angesiedelt. Damit ist die besondere Funktion
dieses Ortes für die Insel vorgegeben: Wyk ist ein
Geschenk der Natur!
Man kann sagen, dass der Wyker Hafen über
Jahrhunderte Zentrum der Ortsgeschichte war.
12
Immer wieder haben die Bewohner um ihren
Hafen gekämpft, keine Schulden gescheut – übrigens eine der hartnäckigsten Traditionen Wyks –,
zum Beispiel auf den Bau einer eigenen Kirche
verzichtet und sich lange mit einem hölzernen
Glockenturm begnügt, weil sie genau wussten,
dass der Hafen Grundlage ihrer Existenz und ihres
Wohlstandes ist.
Wyks Aufstieg von der spätesten Ansiedlung mit
wenigen Häusern zum größten Ort der Insel
verlief zwar nicht gerade rasant, aber insgesamt
doch relativ stetig. Schon 1706 erhielt Wyk die
Fleckensgerechtigkeit. Mit diesem Privileg war
die Grundlage für die Entwicklung von Handel
und Gewerbe geschaffen. Ergänzt wurde die Entwicklung 1710 durch die Verleihung der Marktgerechtigkeit, sodass Wyk eine zentrale Rolle nicht
nur für Föhr, sondern insgesamt für die Utlande
spielen konnte.
Von Wykern und Föhringern
Empfanden die Föhringer insgesamt schon
die „Friesen“ in Wyk als „Fremde“, so führte
die schnelle Entwicklung des Ortes zu neuen
Spannungen. Nach der Erteilung der Fleckensgerechtigkeit versuchten die Wyker Handel und
Handwerk auf der Insel zu monopolisieren. Man
schickte Eingaben nach Tondern und auch nach
Kopenhagen, um Handel und Gewerbe in den
Landgemeinden zu unterbinden. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg. Um 1800 gab es auf
Westerlandföhr 52 und auf Osterlandföhr sogar
101 Handels- und Gewerbetreibende, davon allein 24 Krämer in den Dörfern Osterland-Föhrs.
Nordfriesland 173 – März 2011
Abbildung: Museum Kunst der Westküste, Alkersum auf Föhr
Föhrer Strandleben am Abend. Gemälde von Otto Heinrich Engel aus dem Jahre 1911. Der Fremdenverkehr, die
wichtigste Einnahmequelle, beruht auf der Schönheit der Insel und ist letztlich auch ein Geschenk der Natur.
Was die Wyker erreichten, war für keinen ein
Vorteil: Das Verhältnis zwischen dem Flecken und
den Landgemeinden verschlechterte sich immer
mehr. Der Versuch einer „Wiedervereinigung“
des Fleckens mit der Landschaft Osterland-Föhr
scheiterte an der hohen Verschuldung Wyks.
Fremdenverkehr und Meeresheilkunde
Entscheidend für die Entwicklung Wyks in neuerer Zeit war die Gründung des Seebades im Jahre
1819. Es war ein Fremder, der die Initiative zu
diesem Projekt ergriff, der Land- und Gerichtsvogt Johann Friedrich von Colditz. Immer wieder
können wir feststellen, dass von Fremden neue
Impulse ausgingen, die Wyk voranbrachten.
Die Einrichtung des Seebades löste allerdings Widerstand aus. Nicht zuletzt in den Landgemeinden sah man die Moral gefährdet. Der damals
sehr bekannte Reiseschriftsteller Johann Georg
Kohl schrieb um 1850: „Auf Wyk ... sehen die
Binnenländer, Bewohner der Dörfer, wenn nicht
gerade wie auf Sodom und Gomorrha, doch nicht
Nordfriesland 173 – März 2011
ohne etwas Mißtrauen herab, und die Prediger
der Dörfer des Innern (Föhrs) ziehen oft gegen
Wyk, wo gespielt und getrunken wird, wo Schiffe
und fremde Badegäste die Einfachheit der Sitten
verderben, wo die jungen Mädchen in Verachtung
der alten Sitten sich mehr und mehr deutsch kleiden, zu Felde.“ Auf Amrum ging die Skepsis gegen
diese Entwicklung so weit, dass man sich durch die
Errichtung des streng christlichen Seehospizes des
Pastors Bodelschwingh Rettung des Seelenheils erhoffte. Heute wissen wir, dass die Errichtung der
Seebadeanstalt eine Entwicklung einleitete, die
über Generationen zur Existenzgrundlage Wyks
und schließlich der gesamten Insel Föhr geworden
ist. Ohne die „Friesen und Fremden“ aus Wyk
wäre das nicht möglich gewesen.
Der Aufschwung Wyks bekam nach der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 frische
Dynamik. In der Auseinandersetzung mit Dänemark hatten Wyk und Osterlandföhr schon
entschieden auf der schleswig-holsteinischen und
deutschen Seite gestanden. Man hat das auf einer
13
Das Wirken von Dr. Karl Gmelin und Dr. Carl Häberlin
war für die Entwicklung von Wyk auf Föhr von großer
Bedeutung.
der Inschriften am Wyker Glockenturm deutlich
dokumentiert. Hier wird von der „Befreiung“ von
dänischer Herrschaft gesprochen.
Ein wahrer Glücksfall für den Ort war es, dass
um 1900 zwei überragende Persönlichkeiten
aus dem Süden Deutschlands hier zu wirken
begannen: die Doktoren Karl Gmelin und Carl
Häberlin. Gmelin schuf das Nordseesanatorium
am Südstrand – ein Projekt, das man heute gewiss
nicht mehr realisieren könnte –, ließ die Gebäude
errichten von August Endell, einem der bekanntesten Architekten des Jugendstils, und zwar ohne
Rücksicht auf gewachsene Bautraditionen in unserer Landschaft, und versuchte, in einem eigens
erbauten „Pädagogium“ die lebensreformerischen
Ideen von damals zu verwirklichen.
Carl Häberlin erkannte als ein Zugereister die
Eigenheiten und den Wert der friesischen Volkskultur besser als alle Einheimischen, gründete das
Friesenmuseum, das ein Kleinod auf unserer Insel
wurde und dies auch bleiben muss. Daneben hat
Prof. Häberlin als Arzt und Wissenschaftler die
Grundlagen der Meeresheilkunde als eigene medizinischer Disziplin geschaffen. Die Haltung der
Insulaner hat er einmal so gekennzeichnet: Die
Menschen auf Föhr seien gut zu Tieren, zu Frauen und zu Alten. – Eben in der Zeit seines ersten
Wirkens, 1910, erhielt Wyk die Stadtrechte.
Kriegs- und Krisenzeiten
Mein Großvater, ein jütischer Einwanderer, der
in Toftum lebte und als Tagelöhner sein Brot verdiente, musste im Herbst, so hat er immer erzählt,
50 Mark auf der hohen Kante haben, um seine
Familie gut über den Winter bringen zu können.
14
So wertvoll war damals das Geld. Heute kann von
25 Euro ein einzelner Mensch kaum einen einzigen Tag leben! Es war aber nicht nur der Wert des
Geldes, der dazu führte, dass man mit 50 Mark
eine Familie nahezu ein halbes Jahr versorgen
konnte. Es war auch – oder sogar vor allem – die
Anspruchslosigkeit der Menschen. Vielleicht ist
es erlaubt, uns Wohlstandsbürger im Jahre 2010
einmal darauf hinzuweisen.
Diese anspruchslosen Menschen waren Untertanen einer glanzvollen Monarchie. Nur vier Jahre
genoss die junge „Stadt“ Wyk den Frieden dieses
Kaiserreiches. Dann folgten vier Jahrzehnte mörderischer Katastrophen. Voller Begeisterung marschierten die Soldaten 1914 in den Krieg. Es gab
fast keine Zweifel an einem schnellen Sieg, an eine
glanzvolle Zukunft für die Weltmacht Deutschland. 1918 musste Deutschland kapitulieren. Und
im Friedensvertrag von Versailles wurde den Verlierern eine gnadenlose Rechnung präsentiert.
Der deutsche Nationalismus blieb ungebrochen –
auch in Wyk auf Föhr. Ein Blick auf eine der
Erinnerungstafeln am Wyker Glockenturm reicht
aus, um das zu erkennen. Der Friedensvertrag von
Versailles sah Volksabstimmungen im deutsch-dänischen Grenzgebiet vor. Auch auf Föhr gab es leidenschaftliche Auseinandersetzungen, die oft Familien auf Lebenszeit entzweiten. Während es im
Westen der Insel dänisch-freundliche Stimmungen gab, die weniger nationalistisch als vielmehr
traditionell-royalistisch geprägt waren, stimmten
die Bürger Wyks und auch Osterlandföhrs mit
großer Mehrheit für eine weitere Zugehörigkeit zu
Deutschland, getreu dem Motto: „Deutschland,
Deutschland über alles, und im Unglück jetzt erst
recht.“ So kann man es auf dem Wyker Glockenturm lesen, der wahrscheinlich höchsten Litfaßsäule des deutschen Nationalismus. Damals gab
es auf Föhr noch zwei Tageszeitungen: die Föhrer
Zeitung und den Föhrer Lokalanzeiger. Die Föhrer
Zeitung trommelte lautstark für Deutschland, der
Lokalanzeiger bemühte sich um eine gewisse Offenheit – und wurde deshalb als Dänen-freundlich
angegriffen.
Um den Krieg zu finanzieren, hatten die führenden deutschen Stellen eine inflationäre Geldpolitik betrieben. Im Vertrag von Versailles wurden
Deutschland horrende Reparationszahlungen
auferlegt, wodurch die Geldentwertung nach
dem Krieg an Tempo gewann und 1923 ihren
Nordfriesland 173 – März 2011
Foto: Sammlung Heinz Lorenzen (A. Ingwersen)
Ein besonderes Ereignis in der Wyker Geschichte war die Landung des zwölfmotorigen Flugbootes Do-X vor dem
Sandwall im Jahre 1932. Am Steuer saß der Fliegerheld und gebürtige Wyker Friedrich „Fiete“ Christiansen.
Christiansen stellte sich in den Dienst des NS-Regimes und war als General der Flieger Kommandant der deutschen Besatzungstruppen in den Niederlanden.
Höhepunkt erreichte. Für die Berechnung der
Preise im Badebetrieb wurde ein sogenannter
Bädermultiplikator entwickelt, mit dem dann die
Friedenspreise multipliziert wurden. Am 25. Oktober 1923 betrug dieser Multiplikator 15 Milliarden. Am 17. September 1923 hielt Dr. Häberlin
einen Vortrag über das Thema „Land und Leute in
Nordfriesland“. In der Anzeige für diesen Vortrag
konnte man folgenden Hinweis lesen: „Eintritt
nach Belieben, aber nicht unter 3 Milliarden
Mark.“
In den wenigen Jahren der Konsolidierung der
Weimarer Republik nach der Inflationszeit entwickelte sich auch in Wyk der freie Lebensstil
der Goldenen Zwanziger Jahre: Schönheitskonkurrenzen lockten das Publikum, man ließ sich
von besonderen Ereignissen fesseln, etwa von
den Unternehmungen des Dauerschwimmers
Otto Kemmerich, von Fallschirmspringern, die
vom Himmel fielen, und schließlich 1932 von
der Wasserung der riesigen Do-X vor dem Wyker
Sandwall, einem Großflugzeug der Dornier-Werke, das durch eine Atlantiküberquerung die Weltöffentlichkeit begeistert hatte.
Aber ein weiteres Verhängnis ließ nicht lange auf
sich warten: 1929 begann mit dem Börsenkrach
in New York die Weltwirtschaftskrise, die weltweit
zu einer Massenarbeitslosigkeit führte mit verheerenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen
Folgen.
Mit der Weltwirtschaftskrise und der Massenarbeitslosigkeit begann das Vorspiel zum dunkelsten
Kapitel in der deutschen Geschichte. Für die Stadt
Nordfriesland 173 – März 2011
Wyk ergaben sich ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten. Der Ausbau der Kleinbahn von Niebüll
nach Dagebüll überstieg den Kostenanschlag von
800 000 Mark um 200 %. Als Aktionär musste
Wyk einen erheblichen Teil der Kosten tragen.
Die Unterhaltung des Schulwesens der Stadt
überstieg ihre finanziellen Möglichkeiten. Der
Plan zum Ausbau einer zentralen Wasserversorgung, für den man schon große Vorleistungen
erbracht hatte, musste aufgegeben werden. Durch
die Wirtschaftskrise ging die Zahl der Kurgäste
zurück, so dass sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter öffnete. Um die
Not vieler Menschen zu mildern, eröffnete man
Suppenküchen. Und das alles geschah in einer
Zeit zunehmender Radikalisierung des politischen
Lebens in Deutschland.
Bei den Wahlen zum Reichstag zeigte sich in
Wyk während der Zeit der Weimarer Republik
schon früh ein Trend zu den Parteien der Rechten.
1925 bei den Präsidentenwahlen erhielt hier der
ehemalige kaiserliche Generalfeldmarschall Paul
von Hindenburg fast dreimal soviele Stimmen wie
der Kandidat der linken Mitte Wilhelm Marx. In
ganz Deutschland lagen beide Kandidaten etwa
gleichauf.
Bei den Reichstagswahlen 1928 – also vor der
Weltwirtschaftskrise – erhielt die NSDAP in Wyk
15 Stimmen. Zwei Jahre später erfolgte der große
Vorstoß der Partei Adolf Hitlers ins bürgerliche
Lager der Deutschnationalen und der Deutschen
Volkspartei: 1930 entschieden sich 525 Wählerinnen und Wähler Wyks für die NSDAP. Erst
15
„Incertum, quo fata ferunt“ (ungewiss ist, was die
Schicksale tun) so steht es im „Sigillum Wieck“ aus
dem 18. Jahrhundert. Das im Siegelbild dargestellte
Schiff ziert auch das Stadtwappen.
danach wurde die Parteiorganisation richtig ausgebaut. Ein Spielmannszug der Braunen zog mit
Trommeln, Pfeifen und Fanfaren über die Insel
und wurde überall mit Begeisterung begrüßt.
Als dann 1932 die Fahnenweihe der Ortsgruppe
Wyk mit großem Aufwand und etwa 500 Gästen
vom Festland zelebriert wurde, stand die ganze
Stadt schon im Zeichen des Hakenkreuzes. Bei
den Reichstagswahlen im Juli jenes Jahres erzielte
die NSDAP mit 1 482 Stimmen in Wyk sodann
einen Anteil von 64 %.
Der Aufstieg der NSDAP in Wyk und auf der
ganzen Insel wurde vom Föhrer Lokalanzeiger
kräftig unterstützt. Die Föhrer Zeitung dagegen
verteidigte nachdrücklich einen freiheitlichen und
verantwortlichen Journalismus. Zu Leserbriefen
führender Nationalsozialisten hieß es: „Wir werden unsere Pflicht, zu sagen, was ist, – nicht mehr
und nicht weniger – nach gewissenhafter Prüfung
auch in Zukunft erfüllen. Einsendungen obiger
Art wird die Föhrer Zeitung verschlossen bleiben,
weil sie geeignet sind, das Gemeinwohl zu schädigen.“ Noch nach dem 30. Januar 1933, dem Tag
der „Machtergreifung“ durch Hitler, erschien in
der Föhrer Zeitung der Nachdruck eines längeren
Beitrags aus dem Hamburger Fremdenblatt, einer
damals sehr angesehenen überregionalen Zeitung,
in dem in einer kritischen Analyse die möglichen
16
Folgen der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aufgezeigt wurden – vom Ende der
demokratischen Freiheiten bis zur Gefahr eines
neuen weltweiten Krieges.
Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung
am 12. März 1933 wurden die neuen Machtverhältnisse in Wyk deutlich sichtbar: acht Mandate
für die NSDAP, zwei für die SPD und lediglich
noch ein Sitz für die bürgerliche Liste SchwarzWeiß-Rot. Damit begann auch in der Kommunalpolitik eine neue Zeit. Der parlamentarische
Entscheidungsweg wurde liquidiert, galten doch
die Parlamente als wirkungslose „Quasselbuden“.
Wie in der NSDAP galt auf allen politischen
Ebenen das „Führerprinzip“. Diese Entwicklung
wurde von den meisten Menschen in Deutschland
damals begrüßt: Es wurde nicht mehr endlos diskutiert und gestritten, sondern schnell entschieden und kraftvoll gehandelt. Damals ahnten die
Wenigsten, wohin die Formel „Führer befiehl, wir
folgen“ unser Volk führen würde.
Die Machtübernahme Hitlers und die Entwicklung der folgenden Jahre bis zum Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs wurde von vielen als eine
Erfolgsgeschichte erlebt, – und von einigen Unverbesserlichen wird diese Zeit wohl auch heute
noch so gesehen. In Wyk war das nicht anders.
Wichtig war vor allem, dass ein Millionenheer
von Arbeitslosen nach und nach von den Straßen
verschwand. Die Stadt Wyk, hoch verschuldet wie
stets wieder in der Geschichte, erhielt wie viele
andere Kommunen finanzielle Zuwendungen,
dies wurde wesentlich finanziert durch eine gigantische Verschuldung des Deutschen Reiches. Auch
die eigene Wirtschaftskraft der Stadt und ihrer
Bürger stieg an, weil sich die Zahl der Kurgäste erhöhte. Eine gewisse Rolle spielte dabei die Aktion
„Kraft durch Freude“, mit deren Hilfe staatliche
Erholungsprogramme finanziert wurden. Aber
der kurze Aufschwung diente letztlich nicht dem
Wohlstand, er diente vielmehr der Vorbereitung
einer kriegerischen Auseinandersetzung zur Erringung der Vorherrschaft in Europa.
Das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945 war die systematische Entrechtung der Juden bis hin zur „Endlösung der Judenfrage“, das heißt praktisch deren Ausrottung.
Auch in unserer Stadtgeschichte war dies traurige
Wirklichkeit. Offenen Antisemitismus, gesellschaftlich nicht nur toleriert, sondern politisch
Nordfriesland 173 – März 2011
Foto: Sammlung Heinz Lorenzen (H. Schneider)
nachdrücklich gefördert, gab es – ich muss sagen:
selbstverständlich – auch in Wyk wie auf ganz
Föhr. Als ein Debattenredner schon am Beginn
der Weimarer Republik auf einer Versammlung einer demokratischen Partei den Einfluss der Juden
brandmarkte, bekam er von den meisten Teilnehmern der Veranstaltung stürmischen Beifall. Nach
1933 begannen auch hier die Schikanen: Jüdische
Handelsreisende blieben ohne Aufträge, jüdische
Kurgäste waren unerwünscht – wie sie schon am
Reedereigebäude lesen konnten. Am Sandwall
hing in einem Schaukasten die schlimmste antisemitische Hetzschrift Der Stürmer. Zwei jüdische
Kinderheime mussten schließen, die Kinder marschierten durch ein Spalier Wyker Schülerinnen
und Schüler, die sie – aufgehetzt von Lehrern –
schmähten und wohl auch bespuckten; ein beschämendes Kapitel in der Schulgeschichte Föhrs.
Wir haben allen Grund, dies alles auch am Tage
des Stadtjubiläums nicht zu verschweigen.
Ein kleiner Lichtblick ist es immerhin, dass die
ortsansässigen Juden in gewisser Weise „geschont“
wurden, wenn man ein solches Wort in diesem
Zusammenhang überhaupt gebrauchen kann. Es
handelt sich vor allem um die Familie Heymann
und um Dr. Margarethe Schulz, die Frau des Wyker Arztes Dr. Friedrich Schulz. Die Heymanns
Schild am Wyker Hafen um 1938
Nordfriesland 173 – März 2011
genossen in der Bevölkerung hohes Ansehen. Sie
haben alle überlebt, aber die Ängste, die sie über
Jahre ausgestanden haben, sind für uns sicher
kaum nachvollziehbar. Außerdem haben sie Teile
ihres Besitzes eingebüßt, und zwei Mitglieder der
Familie wurden kurz vor Kriegsende in ein Arbeitslager deportiert.
Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg
mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen
begann, gab es – auch in Wyk – keinen Jubelsturm
wie 1914 beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Viele Deutsche schienen zu ahnen, jedenfalls aber
zu fürchten, dass mit dem Krieg erneut ein schweres Verhängnis hereinbrechen würde.
Es gab auf Föhr vereinzelte Bombenabwürfe, und
in den letzten Monaten auch Tieffliegerangriffe
auf Dampfer der Reederei mit Toten und Verwundeten. Ansonsten ist die Insel von unmittelbaren
Kriegsfolgen nahezu verschont geblieben. Aber
an der Fülle der Todesanzeigen in der Tagespresse
konnte jeder das Ausmaß der Katastrophe erkennen, die sich immer mehr steigerte. Ein Blick auf
die Gedenkstätten auf den Inselfriedhöfen zeigt
jedem, wie gerade im letzten Kriegsjahr die Zahl
der Opfer anstieg. Zwar haben wohl die meisten
auch auf Föhr das Kriegsende nicht als Befreiung
empfunden, aber sicher als eine Art Erlösung.
Wohl das größte Problem in der unmittelbaren
Nachkriegszeit war die Unterbringung der zahlreichen Vertriebenen und Flüchtlinge. Wyk hatte vor
dem Zweiten Weltkrieg knapp 3 000 Einwohner,
1945 waren es mehr als 6 000. Die Not der Menschen war genau so groß wie ihre Bereitschaft,
alles zu tun, um zu überleben. Der politische
Neuanfang setzte auf der untersten Ebene der Gemeinden und Städte an. Das ganze deutsche Volk
sollte umerzogen werden zu guten Demokraten.
Die parlamentarische Arbeit in der Wyker Stadtvertretung lief nur mühsam an.
Die wirtschaftliche Lage der Stadt war schier
ausweglos. Am 6. September meldete Wyk einen
Vorrat von 1 360 Litern Benzin, drei Tüten Kalk,
19 Rollen Wellpappe und neun Kubikmetern
Bauholz. Überall blühte der Schwarzmarkt. Die
Föhringer sprechen noch heute von der „Bütjertidj“, der Tauschzeit. Die Situation änderte sich
gleichsam über Nacht mit der Währungsreform.
Die Zeit des Wirtschaftswunders begann – und
die Zigarre des Ministers Ludwig Erhard wurde
zum Symbol eines wiedererwachten Optimismus.
17
Sportbad gebaut werden, aber dagegen formierte
sich eine vehemente Protestbewegung. Mit dem
schlagkräftigen Slogan „Wyker Wellen wirken
Wunder“ wurde der ursprüngliche Beschluss der
Stadtvertretung gekippt. Wyk erhielt ein damals
sehr modernes Wellenbad. Auch gegenwärtig gibt
es wieder ausreichend Konfliktstoff. Es geht um
den Bau eines Vier-Sterne-Hotels auf dem Gelände des Hauses Schöneberg am Südstrand. Keiner
kann behaupten, dass unsere Bürger sich nicht für
unsere kleine „res publica“, also für die öffentlichen Angelegenheiten Wyks, interessieren.
Besonders lange beschäftigten sich die Wyker mit
den Auseinandersetzungen um das Schicksal des
Nordseekurhofs. Das Areal und auch die vielen
dazugehörigen Bauten und Baracken wurden
nach dem Krieg zunächst vorwiegend vom CarlHunnius-Internat und von der gleichnamigen
Oberschule genutzt. Ursprünglich in Lettland beheimatet, hatten Deutschbalten auf der Flucht vor
den Kommunisten das Internatsgymnasium nach
dem Ersten Weltkrieg in Misdroy in Pommern
weitergeführt. In einer weiteren Fluchtbewegung
nach dem Zweiten Weltkrieg verschlug es dann
einige von ihnen nach Wyk auf Föhr, wo es zur
Foto: Thomas Steensen
Städtische Debatten
Ein gutes Beispiel für die Aufbruchstimmung
auch in Wyk war die Diskussion über das Wyker
Stadtwappen. Für viele passte das abgetakelte
Schiff auf dem Wappen nicht mehr in die neue
Zeit. Es wurde leidenschaftlich diskutiert. Man
verlangte ein positiveres Symbol. Der Ruf nach einer „friesischen Karibik“ erklang zwar noch nicht,
aber „das alte Wrack“, so meinten viele, müsse
weg. Da erhob der langjährige Wyker Archivar
Hans Hansen seine fachkundige und besonnene
Stimme und rettete das ehrwürdige Siegel aus dem
Jahre 1708. Das Schiff wurde freilich doch ein wenig aufgefrischt.
Lebhafte Diskussionen sind überhaupt ein wichtiger Bestandteil der Stadtgeschichte. Vor allem in
den ruhigen Wintermonaten tobten in den Leserbriefspalten des Inselboten häufig die wildesten
Fehden. Als überlegt wurde, die Wyker Dampfschiffs-Reederei zu verkaufen, erhob sich ein Entrüstungssturm. Wer sich heute im Hafen umsieht,
kann sich von Herzen freuen, dass unsere Reederei
weitgehend „unsere“ Reederei geblieben ist.
Eine der hitzigsten Stadtfehden entbrannte um
den Bau eines Hallenbades. Zunächst sollte ein
Im Wyker Stadtgebiet wie hier im Park bei der Mühle gibt es viel Grün.
18
Nordfriesland 173 – März 2011
Foto: Petra Kölschbach / Der Insel-Bote
Der Wyker Strand
zweiten Neugründung der Schule kam. Dadurch
wurde für die Kinder unserer Insel eine gymnasiale Schullaufbahn bis zum Abitur eröffnet – und
für Jakob Tholund die Möglichkeit geschaffen,
seine berufliche Laufbahn auf der Heimatinsel
fortzusetzen und auch zu beenden. Der Sanatoriumsbetrieb am Südstrand wurde nicht weitergeführt, und als dann das Gymnasium als staatliche
Einrichtung in das ehemalige Pädagogium einzog
und das Internat aus wirtschaftlichen Gründen
schließen musste, verfiel der gesamte Gebäudekomplex.
Das Gelände wurde Objekt der Spekulation. Zwischen der Stadt Wyk und dem Geschäftsführer der
Kurhof-AG begann ein langjähriger Rechtsstreit,
der sich Formen einer kriegerischen Auseinandersetzung annäherte. Ein durch die Kurhof AG
abgesperrtes Stück der Strandpromenade ließ der
Wyker Bürgermeister gleichsam im Handstreich
öffnen. Wertvolle Jugendstilbauten gingen verloren, aber mit der Lösung, die schließlich für das
Gelände mit dem Park gefunden wurde, kann
man sich durchaus versöhnen.
Regelrecht aufgewühlt hat die Bürgerschaft sodann
die Frage der Umbenennung der Friedrich-Christiansen-Straße im Wyker Zentrum. Die Diskussion verschaffte Wyk über einen langen Zeitraum
eine höchst unerwünschte mediale Aufmerksamkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Stadt
die „Große Straße“ umbenannt nach einem ihrer
Söhne, einem hoch dekorierten Kriegshelden,
dem Marineflieger Friedrich Christiansen. Am
Ende der Weimarer Republik wuchs sein Ruhm
Nordfriesland 173 – März 2011
noch weiter, als er als Käpitän der Do-X, einem
zwölfmotorigen Flugboot der Dornier-Werke,
durch spektakuläre Fernflüge in der ganzen Welt
gefeiert wurde. In New York etwa wurde er mit
einer Konfettiparade geehrt. Er wasserte mit der
Do-X 1932 auch vor Wyk.
Im Dritten Reich beförderte man Christiansen
zum General und ernannte ihn zum Führer des
Nationalsozialistischen Fliegerkorps. Im Krieg war
er Befehlshaber der deutschen Truppen in den
Niederlanden. Als Vergeltung für einen Anschlag
des niederländischen Widerstandes ordnete er die
Deportation der männlichen Bewohner des Dorfes Putten an. Viele der Leute aus Putten kamen
in Konzentrationslagern um, über 100 allein im
KZ Ladelund.
Vorstöße, die Friedrich-Christiansen-Straße
wieder in „Große Straße“ umzubenennen, scheiterten mehrfach in der Stadtvertretung. Die
Anhänglichkeit an „uns Fiete“, wie Christiansen
meist liebevoll genannt wurde, war stärker als ein
gerechtes Urteil über seine aktive Mitwirkung am
nationalsozialistischen Deutschland und als eine
klare Verurteilung für sein Handeln in den Niederlanden. Es fehlte der Respekt vor den Opfern.
Quälend lange hat es gedauert, bis – übrigens auf
Wunsch der Familie – schließlich die Umbenennung der Straße erfolgte, und noch länger, bis eine
Aussöhnung der Stadt Wyk mit den Bewohnern
Puttens gelang. Die treibende Kraft in diesem Zusammenhang war der gegenwärtige Bürgermeister
Heinz Lorenzen. Er hat sich dadurch auf besondere Weise um Wyk verdient gemacht.
19
20
Foto: Thomas Steensen
Den Reichtum bewahren
Insgesamt hat die lange Friedenszeit nach 1945 zu
einer neuen Blüte Wyks geführt. Immer mehr entwickelte sich der Tourismus zur Existenzgrundlage
vieler Bürger, Wohlstand breitete sich aus. Aber
das heißt natürlich nicht, dass die Probleme verschwanden. Vielleicht ist es sogar leichter, mit den
Problemen der Armut fertig zu werden als mit denen des Wohlstands. Der rasante Wandel unserer
Welt überfordert viele Menschen. Das gilt in gleicher Weise für Fragen der Moral wie etwa für solche des Wirtschaftslebens. Wie viele eigenständige
kaufmännische Betriebe sind aus dem Straßenbild
verschwunden! Fremdes und meist anonymes
Kapital dominiert in immer mehr Bereichen. Die
Zahl und die Länge der „Ketten“ nimmt laufend
zu. Es wird viel Phantasie nötig sein, unser Wyk
als eine unverwechselbare Kleinstadt mit einem
wirklich ganz eigenen Charme zu erhalten.
Verständlich machen wollte ich Wyks Sonderstellung auf unserer Insel, den vielfältig begründeten
Gegensatz von Stadt und Land. Die Zukunft
Föhrs kann man gewiss am ehesten sichern, wenn
man die Stärken beider Lebensformen vereint:
Wir sollten den Reichtum unserer gewachsenen
Volkskultur bewahren, unsere so wunderbaren
Sprachen Friesisch und Plattdeutsch, unsere
Baukultur, die den einmaligen Reiz unserer Inseldörfer ausmacht mit der Krönung durch die drei
Inselkirchen, den heimeligen Stadtcharakter Wyks
mit seinen unverwechselbaren Gassen und mit
dem unvergleichlichen Sandwall, der den Blick
freigibt auf Meer und Halligen.
Es stimmt schon: Wir haben ein Paradies vor der
Haustür, es stimmt schon, ganz Föhr mit seiner
Hauptstadt Wyk ist ein Geschenk der Natur, so
wie es stimmt, dass unsere Insel mitten in der Welt
liegt. Wir müssen bewahren und uns gleichzeitig
öffnen, denn wir haben immer wieder erfahren
dürfen, dass nicht zuletzt Fremde, die hier auf der
Insel mit uns lebten, der Entwicklung auf Föhr
wichtige Impulse vermittelt haben. Wahrscheinlich müssen wir uns auch immer wieder streiten,
aber Friedrich Hölderlin soll recht behalten, der
dichtete: „Versöhnung ist mitten im Streit und
alles Getrennte findet sich wieder.“ Er hat sicher
nicht an Föhr-Land und Wyk gedacht, aber wir
sollten es tun. Und vielleicht müssen wir sogar
auch weiter Schulden machen, wie es Wyk in
seiner langen Geschichte geradezu virtuos immer
Die Wyker Große Straße 2010
wieder getan hat. Verwegene Pläne gibt es reichlich. Ich nehme etwa nur die „angedachte“ neue
Seebrücke, die übrigens nur einige Hundert Meter
lang werden und keineswegs bis Dagebüll reichen
soll. – Alle, die in dieser Stadt, alle, die auf dieser
Insel leben, tragen Verantwortung: Föhr zusammen mit Wyk ist der Ort, wo uns alles etwas angeht! Wir tragen Verantwortung für das Geschenk
der Natur. Wir brauchen ein „aran“, ein Zuhause,
wir brauchen Heimat.
Literaturhinweise
Karin Hansen: Der Flecken Wyk auf der Insel Föhr. Ein Beitrag
zur Geschichte der Bebauung des Fleckens und seiner Bewohner
von 1700 bis 2000, Husum 2010.
Wilhelm Koops: Wyker Gezeiten. 100 Jahre Auf und Ab in Wyk
auf Föhr, Husum 2010.
Thomas Steensen: Die Insel Föhr in der Abstimmungszeit. In:
Nordfriesisches Jahrbuch 20 (1984). Festschrift Dr. F. Paulsen,
S. 111–142.
Jakob Tholund: Wyk. Die Stadt auf der grünen Insel Föhr, Bad
Sankt Peter-Ording 1985.
Jakob Tholund: Grüne Insel im Wattenmeer: Föhr. In: Thomas
Steensen (Hrsg.): Das große Nordfriesland-Buch, Hamburg 2000,
S. 430–439.
Wyk auf Föhr. Geschichte und Bild eines Nordseebades. Mit
Beiträgen von Jakob Tholund, Ernst-Günter Schultze, Walter
Leistner und Aufnahmen von Walter Lüden, Heide 1969.
Nordfriesland 173 – März 2011
Hans Joachim Kühn:
Vom Bohls-Interessenten
zum Grundeigentümer
Vor 70 Jahren endete die Allmendewirtschaft auf Hallig Hooge
In weiten Teilen Europas bewirtschafteten die Bauern in alter Zeit die Ländereien
ihres Dorfes jeweils gemeinsam. In Schleswig-Holstein waren es Reformen des
18. Jahrhunderts, die den Weg zur modernen bäuerlichen Landwirtschaft ebneten.
Die Allmende, so eine traditionelle Bezeichnung der gemeinschaftlichen Landnutzung, blieb schließlich nur noch in Randgebieten erhalten. Auf der Hallig Gröde
ist sie nach wie vor in Kraft. Auf den nordfriesischen Halligen wurde sie ansonsten
abgeschafft, und zwar zuerst auf Hooge im Jahre 1941.
Die Hallig Hooge löste sich vor 70 Jahren als
erste der nordfriesischen Halligen von der Allmendewirtschaft. Aus Bohls-Interessenten, wie
die Berechtigten genannt wurden, die an Fennen
(Weideland) und Meedeland (Land zur Heugewinnung) in Fennebriefen und Meedeschifftebüchern niedergeschriebene Anteile hatten, wurden
in Eigenverantwortung wirtschaftende Halligbauern. Mit der „Umlegung“ genannten Übertragung
von Gemeinschaftsland in Privatbesitz ging ein
Bruch mit jahrhundertelang praktizierten Arbeitsabläufen und Bräuchen einher. Fast naturbelassenes Halligland wurde parzelliert und planiert, die
Hallig veränderte ihr Gesicht.
Mit der Ausführungsanordnung vom 2. April
1941 beendete das Kulturamt in Flensburg als zuständige Behörde das Umlegungsverfahren auf der
Hallig Hooge. Als Tag des Eintritts der rechtlichen
Wirkung wurde der 20. April 1941 festgesetzt.
Damit war, nachdem über einige Beschwerden
rechtskräftig entschieden worden war, die Übertragung des bisher gemeinschaftlich genutzten
Halliglandes in Privatbesitz abgeschlossen. Die
Voraussetzungen dafür waren bereits in den Jahren
1911 bis 1914/15 durch den Bau eines Sommerdeiches, einzelner Steindeichstrecken und von zwei
Entwässerungssielen geschaffen worden, wodurch
dem fortschreitenden Abbruch des unbefestigten
Halligufers Einhalt geboten worden war. Der Regierungspräsident in Schleswig regte daraufhin im
Jahre 1921 bei der Landeskulturbehörde die Einleitung eines Teilungsverfahrens mit dem Ziel der
Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums an.
Bei einer Befragung der Halligbauern entschieden
Nordfriesland 173 – März 2011
sich aber nur zwei Drittel der Beteiligten für eine
Aufhebung der Allmendewirtschaft. Die Ursache
dafür sah der Vorsteher des Kulturamtes in Heide
„in der Eigenart der Halligbewohner, die mit einer
dem Fernstehenden fast unbegreiflichen Zähigkeit an ihrer Heimat, den alten Wirtschafts- und
Gesellschaftsformen hängen. Dieses Gefühl ist bei
ihnen so stark entwickelt, daß sie sich selbst gegen
Neuerungen, die ihr praktischer Sinn als richtig
erkannt hat, innerlich auflehnen“.
Hallig-Sicherung als Grundlage
Der tatsächliche Grund für die Ablehnung war
allerdings die noch unvollständige Sicherung des
südlichen Halligufers. Nachdem die ausstehenden
Arbeiten Ende 1931 fertiggestellt waren und die
Verhandlungen über die Eigentumsverhältnisse an
den Küstenschutzbauwerken und über deren Unterhalt zum Abschluss gekommen waren, meldete
der Gemeindevorsteher Nanning Petersen am
19. Juni 1933, dass die Uferschutzarbeiten beendet seien, und gab damit den Weg für das Umlegungsverfahren frei. Durch Erlass des Oberpräsidenten – Landeskulturabteilung – in Kiel wurde
schließlich das Kulturamt am 18. März 1935
beauftragt, das Teilungsverfahren einzuleiten.
Bei einem Ortstermin auf Hooge am 14. Juni
1935 stimmten alle Beteiligten dem Verfahren
zu, das darauf durch Erlass des Oberpräsidenten
vom 21. Juni 1935 genehmigt wurde. Zu dem
Zeitpunkt lebten auf Hooge 186 Menschen auf
neun Warften in 43 Wohnungen, zwei Warften
waren unbewohnt. Die vom Umlegungsverfahren
betroffene Fläche war 596,17 ha groß.
21
Zu den gemeinschaftlich Bevollmächtigten der
Gesamtheit der Umlegungsbeteiligten wurden
vom Kulturamt in Flensburg fünf Halligbauern bestellt, es waren neben Peter Diedrichsen,
Friedrich Boysen und Waldemar Binge der Bürgermeister Max Kühn als Vorsteher und Nanning Petersen als stellvertretender Vorsteher der
Teilnehmergemeinschaft. Diesen Personen war
eine schwere Bürde auferlegt, da sie sich weder
auf die 1837 formulierte Vereinbarung (Beliebung), die von den „Hooger Eingesessenen“ zur
internen Schlichtung von Streitigkeiten verfasst
worden war, noch auf die in den Fennebriefen
und Meedeschifftebüchern niedergeschriebenen
Regeln stützen konnten. Diese waren in Auflösung begriffen, seit durch die Küstenschutzmaßnahmen dem Abbruch von Halligland und somit
dem ständigen Verlust von Wirtschaftsfläche
Einhalt geboten war. Die Überschwemmungen
(„Landunter“) waren zudem seltener geworden,
dadurch wurde ein Vegetationswechsel ausgelöst,
der die Erträge erheblich steigerte. Nachdem es
bis dahin üblich war, in bestimmten Abständen
durch Kantenabbruch verlorenes Weideland
durch die „Absetzung“ genannte Verringerung der
Nutzungsansprüche auszugleichen, ließ das Halligland jetzt sogar eine erhebliche Aufstockung der
Rinder- und Schafbestände zu.
Es wurden aber auch Erscheinungen zur Plage, die
bis dahin unbekannt waren. Nach dem Aussetzen
der sommerlichen Überflutungen nahmen auf
den Fennen Ameisenvölker überhand, deren zum
Teil dicht an dicht stehende Bauten die Beweidung behinderten. Auf dem Meedeland breiteten
sich Disteln und ein „Klappertopf“ genannter
Halbschmarotzer aus. Mit diesen ertragsmindernden Einflüssen ging ein Abbröckeln der Solidarität einher, das sich in der nachlässigen Pflege der
jährlich wechselnden Wirtschaftsflächen zeigte.
Warum sollte man auch in ein Flurstück Geld
und Arbeit investieren, das im nächsten Jahr
der Nachbar nutzen würde? So schrumpfte der
Viehbestand wieder, der sich nach dem Bau des
Sommerdeiches mehr als verdoppelt hatte.
Da aber durchaus erkannt worden war, was bei
entsprechendem Arbeitseinsatz erwirtschaftet werden könnte, stabilisierte sich der Wunsch, die Nutzungsansprüche an dem Gemeinschaftsland gegen
konstanten Grundbesitz zu tauschen. Bedenken
gab es wegen nicht einschätzbarer finanzieller
22
Belastungen, denn es mussten zuerst feste Wege
gebaut und Grenz- und Entwässerungsgräben in
dem bis dahin nur durch natürliche Wasserläufe
parzellierten Halligland gezogen werden.
Es folgte für die Verantwortlichen ein kompliziertes Verfahren der Landzuweisung. Zuerst mussten
die nach Notsgras (= Gräsung für eine Kuh, halligfries. nuat = Rind), Kalbsgras und Lammsgras
überlieferten Nutzungsrechte am Weideland in
Hektar und Ar umgerechnet werden. Auf Hooge
einigte man sich auf folgende Formeln: ein Notgras = 0,8624 ha, ein Kalbsgras = 0,1437 ha und
ein Lammsgras = 0,1069 ha.
Auch bei der Verteilung des für die Heugewinnung
bestimmten Halliglandes hatte man stets an den
alten überlieferten Maßen festgehalten. Gemessen
wurde mit Hilfe des „Rutenstockes“, der in acht
Ellen, 32 Quartiere und 192 Daumen unterteilt
war. Nach dem Rutenstock der Ockelützwarft
entsprach eine Rute 4,58 m, der Rutenstock der
Hanswarft war sechs Millimeter länger.
Neuer Landwert und neue Nutzungen
Wegen der Qualitätsunterschiede des Halliglandes war es trotz der Einigung auf Anwendung
gebräuchlicher Flächen- und Längenmaße nicht
ohne Weiteres möglich, den Berechtigten ihre Anteile an den Wirtschaftsflächen zuzuweisen. Erst
musste noch die Bonität der einzelnen Parzellen bestimmt werden. Diese Bestimmung wurde im Juni
1935 von unabhängigen Schätzern, dem Bauern
Carl Ehlers aus dem Cecilienkoog und dem
Bauern und Bürgermeister Hermann Johannsen
von der Hallig Langeneß, nach den Schätzeranweisungen des Kulturamtes vorgenommen. Es
wurde nach mehreren Qualitätsstufen unterschieden, und so konnte es durchaus geschehen, dass
ein Halligbauer je nach der Bonität seines neuen
Landeigentums mehr oder auch weniger an Fläche
bekam, als es ihm nach den verbrieften Ansprüchen zugestanden hätte. Die Landzuweisung wurde auch noch dadurch verkompliziert, dass jeder
Berechtigte eine Fenne beanspruchte, die an die
Warft und möglichst auch an sein Warftgrundstück grenzte, damit er sein Vieh bei überraschend
einsetzendem Landunter in Sicherheit bringen
konnte. Das hatte zur Folge, dass bis zum Meedeland weitere Wege zurückgelegt werden mussten.
Nachdem das Land einvernehmlich verteilt worden war, wurden die Arbeiten zur Parzellierung
Nordfriesland 173 – März 2011
Abbildung: Sammlung Nordfriisk Instituut
Beilage der Arbeit „Zur Rechstgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge“ aus dem Jahre 1931:
Fennen- und Meede-Einteilung der Hallig Hooge
und Entwässerung des Halliglandes in Angriff
genommen. Durch die bisher nur durch natürliche Wasserläufe getrennten Flurstücke wurden
Grenz- und Entwässerungsgräben gezogen. Mit
dem Bodenaushub wurden Senken und kleinere
Wasserläufe verfüllt, was zu einer erheblichen
Nivellierung der Landoberfläche führte, die damit
ihr halligtypisches Relief weitgehend verlor. Weitere Veränderungen des gewohnten Landschaftsbildes wurden durch den Bau von befestigten Wegen, die Abdämmung des großen Prieles bei der
Kirchwarft und den Einbau eines Kammersieles
ausgelöst. Der Arbeitsaufwand war von den Halligbauern und den Mitarbeitern des Marschenbauamtes allein nicht zu leisten. Das Gros der
Erdarbeiten verrichteten seit dem 27. November
1937 etwa 100 Männer des Reichsarbeitsdienstes.
Untergebracht waren sie auf der Westerwarft in
Baracken, die zum Schutz vor Sturmfluten auf
Pfählen errichtet worden waren.
Um den Halligbauern für das erfolgreiche privatwirtschaftliche Handeln Richtlinien an die Hand
zu geben, wurde ein Musterbetrieb eingerichtet,
der in den Jahren 1938 bis 1941 unter Anleitung
eines Diplom-Landwirtes bewirtschaftet wurde.
Eigentümer war Nanning Petersen von der BaNordfriesland 173 – März 2011
ckenswarft, dem 13,6 ha Weide- und Meedeland
zugewiesen worden waren. Diese Fläche reichte
für einen Viehbestand von fünf Milchkühen, vier
zwei- und vier einjährigen Rindern, vier Kälbern,
einem Pferd, 14 Schafen und 20 Lämmern. Es
war ein Halligbetrieb mittlerer Größe und sollte
ausreichen, um die Existenz einer Familie zu sichern.
Nachdem schon von 1933 bis 1935 im Hanswarftkoog und südlich von Ipkenswarft Hafer und
Gerste angebaut worden waren, wurden ab Herbst
1937 aus heutiger Sicht mit etwas übertriebenem
Optimismus mehrere Versuchsfelder angelegt,
auf denen der Anbau von Hafer, Sommergerste,
Steck- und Runkelrüben, Kartoffeln, Möhren,
Erbsen und Septemberkohl probiert wurde. Trotz
einiger guter Erträge erwies es sich auf Dauer als
schädlich, den Halligrasen aufzubrechen – zu groß
war die Gefahr, dass die Ackerkrume bei den jährlich eintretenden winterlichen Überschwemmungen fortgespült oder die Ernte durch überraschend
eintretende Sommerüberflutungen vernichtet
wird. So blieb die Viehwirtschaft einzige Einnahmequelle der Halligbauern.
Am 9. Mai 1939 wurde schließlich eine vorläufige
Übertragung von Wirtschaftsland in Privatbesitz
23
Foto: Sammlung Hans Joachim Kühn
Graben- und Straßenbau am östlichen Fuß der Backenswarft, 1938
verfügt, rechtskräftig abgeschlossen wurde das
Umlegungsverfahren am 20. April 1941. Das alles gab es natürlich für die Halligbewohner nicht
geschenkt. Obwohl die Gemeinde noch mit dem
Abtrag der anteiligen Kosten für Deichbau und
Uferschutz belastet war, musste sie jetzt auch noch
für einen Teil der Umlegungs-Kosten aufkommen
und verschuldete sich mit weiteren 50 000 Mark.
„Hilligengeld“ als letztes Zeugnis
Eine letzte Spur aus der Zeit der Allmendewirtschaft blieb noch bis 1956 erhalten. In dem
zwischen Backenswarft und Kirchwarft gelegenen
Backenswarftmeedeland befand sich vor der Parzellierung ein „Hilligen“ genanntes Flurstück. Diejenigen Halligbauern, die dieses Flurstück nutzten,
mussten jeweils zu Ostern einen bestimmten Betrag an den Pastor der Alten Kirche von Pellworm
abführen. Diese „Ostergeld“ oder „Hilligengeld“
genannte Abgabe dürfte bis in die Zeit zurückzuführen sein, als die Landschaft Hooge nach dem
Verlust ihrer während der großen „Mandränke“
des Jahres 1362 zerstörten Kirche zur Alten Kirche
von Pellworm eingepfarrt war. Auch nachdem auf
Hooge seit 1637 wieder in einer eigenen Kirche gepredigt werden konnte, blieb die Abgabe erhalten.
24
Urkundlich lassen sich die Zahlungen bis 1763 zurückverfolgen. Klagen gegen die Abgaben wurden
stets abgewiesen, auch nachdem das Wissen um
den Zahlungsgrund längst verloren gegangen war.
Erst am 15. August 1955 beschloss der Kirchenvorstand der Alten Kirche, die Zahlungsverpflichtung
gegen eine einmalige Zahlung des 12,5-fachen
Jahresbetrages aufzuheben. Nach Eingang des Ablösungsbetrages erklärte der Kirchenvorstand am
15. August 1956 die Forderungen an die Hooger
Grundbesitzer für erloschen.
Seither erinnert auf der Hallig nichts mehr an
die Zeit, in der das Weideland gemeinschaftlich
genutzt und das Land zur Heugewinnung jährlich
getauscht wurde, in der wirtschaftliches Handeln
nur in engem Kontakt mit den Nachbarn möglich
war, in der Streitigkeiten intern geregelt wurden
und in der sich niemand der Verantwortung für
die Allgemeinheit entziehen konnte. Gerätschaften wie die Rutenstöcke sind nicht bewahrt und
mit der Allmende verbundene Begriffe sind aus
dem Wortschatz der Halligleute verschwunden.
In Privatbesitz geblieben sind nur einige Fennebriefe und Meedeschifftebücher. Wenn auch viele
Eintragungen heute nicht mehr verständlich sind,
so lassen sie doch erahnen, wie kompliziert die
jährliche Neuverteilung des Meedelandes war und
der Betrachter des Fennebriefes des Hanswarfter
Süderbohls wird sich sicher fragen, wie es der
Teilhaber Harro J. Diedrichsen wohl geschafft
hat, nach einer im Jahre 1901 vereinbarten Kürzung der verbrieften Ansprüche um 1/16 neben 3
Kühen und 3 Lämmern auch ein 343/512 Lamm
auf das gemeinschaftlich genutzte Weideland zu
treiben.
Dr. Hans Joachim Kühn stammt von der Hallig Hooge. Er ist Archäologe und war bis zu seiner Pensionierung Dezernatsleiter im Archäologischen Landesamt.
(Adresse: Holpuster Weg 3, 24850 Lürschau.)
Literaturhinweise
Hans Joachim Kühn: Feldgemeinschaft und Umlegungsverfahren
auf der Hallig Hooge. In: Kieler Blätter zur Volkskunde 8 (1976),
S. 63–71.
Friedrich Müller: Das Wasserwesen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Erster Teil: Die Halligen. Zwei Bände, Berlin
1917.
Guntram Riecken: Die Halligen im Wandel, Husum 1982.
Karl Weber: Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der
Hallig Hooge, Leipzig 1931.
Nordfriesland 173 – März 2011
Wat kaam ’ar auer jo? Wat kaam
a naist stünjen a dör iin? Kaam ’ar
bööd faan Boy? An wat wiar do? An
wat, wan ei?
Ik san fiiw, bal haa ik gebuursdai.
Uun April! An do kem ik tu skuul.
Ik wal tu skuul! Ik harke efter a winj.
Hi as gratem daaling. Hi smat a rin
jin a rütjen, hi rödelt bi a busemdör.
Ik hual min hegen feest. Man bruler
leit uun’t öler baad. Kuul as’t. Of’er
noch sleept? Of hiart hi uk sin hart
klopin an at blud uun a uaren rüüsin.
Ik teenk a hiale tidj am Jonne-smas,
de hömerk, wat deeI gungt. Letj
Ferteel
iinjsen!
Uun a naacht
„Wat en naacht!“, toocht hat bi ham
salew. Hat hed uun hör leewent
noch ei fölsis beedigd, man das
naacht wiar hat kurt diarföör. Sant
trii stünj seed hat nü al alianing bit
wöning an luket ütj uun’t jonken.
Nian laacht tu sen, oonjonk, bluat
a winj hüület trinj am’t taag, faaget
at jaat ap an deel, leet de ual peerenbuum föör’t dörnsk wöning bit
deel tu a wortler knare an knak. Hi
klangd üüs en sial, wat faan a düüwler plaaget wurt.
„Wan de ual buum det auerstäänt,
auerstun wi det uk“, toocht hat.
A jongen slep, det wiar uk gud so.
Wat skul hat jo fertel? Wreekend
maden uun a naacht? Ütj a baaden
töset, kluaser uun an do? Hat wost,
wan’t hard üüb hard kaam, skul hat
jo wreekne, man noch ei. Hinne an
Hanne, Boys aalern, wenet jinauer.
Diar wiar’t uk jonk, jüst so jonk üüs
uun’t hiale taarep. Struatenlampen?
Diar hed’s üüb’t eilun nian meening
tu. Of dach: Det ded nemelk „ei
nuadig“. Hü hat detdiar wurd grem
küd: „Ei nuadig!“
So üüs manig, wat hat faan aran wen
wiar, ei nuadig den hed. En hok, wat
ei bluat en bualk beeft uun a kuul
kübusem wiar, en baaserüm, wat
am heitse küd. Naan, det hed hat
ales ütj „a freem“ mäbroocht. Boy
hee ham diarbi holpen. Diar wiar
hat uu so toonkboor för, dan uk
sin aalern wiar ualmuudsk iinstääld.
En grup tu pasin, en pomp uun
moolkrüm tu tauen, det wiar leewen
gudenooch weesen – muar „ded ei
nuadig“. Man nü, nü wiar a nuad
grat – an hat wost ham nian riad.
Uun’t jonken sat, ütj wöning luke an
teew. Teew üüb wat?
Nordfriesland 173 – März 2011
Foto: Harry Kunz
Faan Ellin Nickelsen
Ellin Nickelsen stammt aus Oldsum
auf Föhr, Fering ist ihre Muttersprache. Sie ist eine der erfolgreichsten friesischen Autorinnen
und gibt ihre Erfahrungen etwa
in Schreibwerkstätten gerne an
Interessierte weiter. Beim Schreibwettbewerb „Ferteel iinjsen!“,
den die NDR 1 Welle Nord 2010
zum sechsten Mal gemeinsam mit
der Nord-Ostsee Sparkasse, der
Spar- und Leihkasse zu Bredstedt
AG und dem Nordfriisk Instituut
ausrichtete — das Thema lautete
„Uun a naacht“ —, gewann sie
mit ihrer Geschichte über eine
Sturmflutnacht auf Föhr den zweiten Preis. (Adresse: Brahmsstr. 3,
27616 Beverstedt.)
belken sat uun min uaren an hömre.
Wan ik a uugen tacht maage, sä ik
bruket laachten. Do trak ik a uugen
noch feester tacht an a laachten
wurd ruad. A sturem schongt bütjen. Gratmer üüs uun min druumer.
Ik schong jin uun: „Winj, winj, kem
tu rau, winj winj sliap nü gau, sat di
deel uun a peerenbuum, drem en
luuwenen somerdruum ...“ Ik liaw,
ik hiar a sarkklooken ring. Det as
nüürig. Hat as dach nian söndai.
„Marrin, Janne, stun’em ap!“
– „Mam?“ – „Jam skel apstun an
jam uuntji, sai ik, oober dali!“ Mam
stäänt uun a dör, mä en lochter uun
a hun. Sin hun redeIt. Mam as was
kuul. Man huaram maaget hat nian
laacht uun? Janne fu wi tu iarst goor
ei uun a gang. Hi brükt loong, bit’er
ham bedaarigd hee. Wi tji üs uun an
gung hen uun köögem. Klook tau
uun a naacht. Wat en üntidj! Wat
as mä Mam? An huar as Aatj? Mam
hee en kofer üüb boosel.
„Wat rede ik üüs iarst wech?“, hat
wiar gans uun hup. Det fering, det
salwer, dön papiaren, det gud serwiis – hat paaket ales iin uun de ual
kofer. Tu swaar moost’r ei wees, hat
skul ham jo was alianing slebe. An
kluaser, kluaser för a jongen. A kol
wiar gewaldig, a winj ging troch ales,
diartu a rin, wat sküüns faan a sidj
üübsten. Letj Marrin skul hat was
feestbinj, diarmä hat ei wechfloog.
Janne skul slebin halep. Hat hed
a sarkklooken hiard an wost nü
beskias: „Marrin, Janne, tji jam jau
waremst kluaser uun an paake’m jau
best spelkroom tup.“
„Huar as Aatj?“ – „Hi as bütjen!
Oober wi skel nü paake.“ – „Huar
gung wi hen?“ – „Ei widj wech!
Bluat efter boownen!“ – „Oober det
weder? Huar skel wi hen uun so’n
weder? “ – „Jüst diaram, jüst diaram
skel jam nü paake!”
Fiiw an njüügen wiar dön tau. Hü
küd hat jo rauelk hual, huar hat dach
salew rian ütj a tüüt wiar? Wat, wan
Boy ei welerkaam? Hü ging ham det
diar bütjen wel? Hat harket ütj uun
a naacht. A tiaren uun a busem wiar
ünrauelk, so üüs wan’s det ünlok
aanet. Dön kwiigen brolet, a hings25
26
Foto: Harry Kunz
ter skupt jin a boksenwoger. A swin
skreid üüs letj jongen.
Tjiin minuten tuföören hed a lampen tu flakrin begand, an do ging’s
ütj. Man gud, hat hed noch en ual
pitrooleum-lamp uun mataalem
an en lochter. Nü seed hat mä a
jongen uun en kuulen köögem an
luuret üüb dön gelüten faan bütjen,
hööbet üüb de feest straal faan BOY,
wat uun steewel a dör iinkaam.
Hat wiar noch ens troch ale rümen
gingen, hed ufskias nimen faan dön
mööbler, wat’s tu bradlep fing, dön
reiluken, wat hat salew seid hed.
Uun’t mataalemwöning saat hat det
ual pitrooleum-lamp ap. För Boy,
det’r tüs foon uun’t jonken. Slaidören
klapet – man det wiar bluat a winj.
Hi roket imer muar ap, tüüset det
raid faan’t taag, maaget at tjüch gans
bister. En stak blek hed ham luasrewen an sküüret bütjen jin a müür.
Skul hat a ki, a swin, a hingster luasbinj an ütjleet? Ded ’am det uun so’n
faal? Mänem küd hat jo jo ei.
Mam hee saad, wi skul nü gud
harke: Wi skul mä sak an pak efter
boownen gung – ap uun’t fooder.
Det finj ik gud. Ik wul al imer
ens uun’t fooderrüm sliap. Man
wi moost det nimer. „Diar fu jam
fooderIüs!“, fertääld Ualmam. An
nü, üüb’t mool, maden uun a kuul
naacht, skel wi ap üüb böön an mut
sogoor at speltjüch mänem! Janne
hee sin legoo-stian al tup, ik nem
min beebi-pöpe mä. An do hen uun
a stianem an ap troch at lük! Janne
an ik, wi frööge üs.
Am klook elwen hed a maaner bööd
fingen. At feuerweer-autu saameld
jo ap. Kalwen, Madels twäärswai, a
kanaal, Oon, Sörens wai – neemen
maad wat sai.
A winj hüület so gratem, ham skul
men, hi hed en aanj stem. Hi orgelt
gratmer üüs Hagge PIüsch söndais
uun’t hööw. Sim skul at stjüür orntelk
feesthual, a winj kaam faan nuurdwaast an am so naier jo a dik kaam,
am so ariger fersoocht a sturem, det
letj autu faan a struat tu traken. A
naacht wiar jonk, oonjonk. Neen
muun, nian stäär bi a hemel. Lachterhun, bi Dunsem, küd jo laachten
Moderatorin Elin Rosteck und Merten Frank. Der damals siebenjährige
Sylter gewann mit der Geschichte En Kü fair en Kualev (s. S. 27) einen
Sonderpreis und las sein Werk unter dem Beifall der Finalgäste in Leck am
27. November 2010 vor.
faan en öler skööl sä. Det wiar was
a dunsembüüren an a halpern ütj a
sölertaarpen. Boy toocht am sin wüf
– dön tau letj jongen – sin ual aalern.
Wost jo, wat tu dun wiar? Hed’r sin
wüf fertääld, wat tu dun as, wan at
weeder komt? Hat wiar so wen, dat
hi ales reegelt. An nü seed hat alian
aran mä a jongen an a ualen.
A ualen! Bal hed hat jo ferjiden,
maad’r ei am teenk, am det dramatisk gesicht an am det „O-hauahaua-ha, wi-aarem-lidj“-gerooft faan
Hanne. Nian halep wiar detdiar wüf,
wooraftig ei. Uun kuup nimen üüs
swiigermam, so üüs hat uun kuup
nimen wurden wiar, domools – tjiin
juar sant.
„Ik san geliks weler diar! Ik gung
bluat ens gau auer tu Ualmam
an Ualaatj. Jam teew fein heer!“
A winj reew ham a dör bal ütj a
hun, mä meut fing hat at weler
slööden. Do wiar hat uun a naacht
ferswünjen.
Dön maaner maad ei föl snaake.
Arkeneen wiar ring tu mud. Wat
kaam diar üüb jo tu? Maden uun
a naacht ap üüb a dik, sunseeker
skofle, hööl tacht maage an hööbe.
Üüs mä pitsgern sluch a rin jo
uun’t gesicht. Knaap küd’s a uugen
eebenhual. Man huartu uk, at wiar
so jonk, ham küd alikwent ei sä,
wat bütj a lampen faan’t autu wiar.
Oober hiar küd’s am so beeder: Det
weeder beeft a dik. Üüs en skööl arig
holin brolet a sia, hüület üüs wilj
hünjer an smeed dön maaner saaltig
an klewig sküm uunjin.
Det weeder, ölers so rauelk, a
hualew dai goor ei diar, hed ales
auernimen, a sunwaal, at föörlun, a
stiandik – sten nü knaap en meeter
oner a kruun faan a dik. Hög huuger
waagen slaket al ma hongrig tongen
auer a dik henwech. Ocke fersoocht,
boowen auer tu lukin an wurd miast
geliks weler deelweid.
„Det schocht ei gud ütj!“, skreid’r
jin a winj uun. An do begand jo
tu skoflin, skofelt jin a winj, a rin
an a tidj, üüs wan det wat halep
küd. Efter tjiin minüuten wiar’s
altermaal njosktrochwiat an uun
iane sweet. Werkin holep jin a
angst. „Oober eentelk“, toocht
Boy, „eentelk hed’s uk aran bliiw
küden an beedige. Jin detdiar weeder komt nian mensk jinuun.“ Do
hiard hi at. Wat wiar det? En stem?
En letjem schongen? En jongens
liidje? Hi racht ham ap an luuret:
„Harke’m dach ens!“
An do hiard’s at altermaal. Faan
fiarens klangd a sarkklooken. Enkelt
gelüten bluat, ütjenöler rewen faan a
sturembööien. Man dach, diar ringd
klooken. Wat skul det bedüüde?
Dön maaner sten tu püstin.
Nordfriesland 173 –– März 2011
„Ik liaw“, skreid Henjer, „a winj
saket uf. Ik liaw, a springflud as auerstenen.“ „Dom tjüch“, jolet Joope,
„bi Ödersem as was a dik breegen,
an nü gnaade üs God.“ Jo kreeb, mä
lochtern uun a hun, gemiansoom de
slobrig dik huug, een hääl de öler
feest. Wilj suart weeder saner aanj,
saner kiming ging auer uun hemel
an rin. Ei ens muar a salring ialtörn
skiind. A wäält, so kaam at jo föör,
wiar uun’t grat weeder onergingen.
„Leet’s tüs“, saad een tu de öler.
„Wan a dik heer breecht, kem’f ei
muar wech.“ „Ja“, rooftet Boy, „nü
kön üs bluat en woner halep. Leet’s a
wüfen an a jongen ap tu böön fu an
ufteew, wat a maaren brangt.“
Üüs Boy faan bütjtaarep sin jaat
huug kaam, wiar sin hüs jonk. Bluat
en ual pitrooleum-lamp skiind troch
at mataalemwöning an wiset ham a
wai. Do siig’r, hü de ual peerenbuum
uun guard üüs en skaad uun a winj
daanset. „Na, ual sleef, häälst di jo
noch gud“, saad’r letjem an maaget a
jaadör eeben. „Beest dach en tuchen,
ualen düüwel, ei?“
Werden Sie Mitglied!
Werben Sie Mitglieder!
Unterstützen Sie die wissenschaftliche Arbeit für die nordfriesische Sprache, Geschichte
und Kultur!
Als Mitglied haben Sie Vorteile:
— Sie erhalten die Zeitschrift
NORDFRIESLAND und das Nordfriesische Jahrbuch kostenlos.
— Weitere Veröffentlichungen
des Instituts können Sie zum
Vorzugspreis erwerben.
— Sie werden zu Veranstaltungen eingeladen, können sich
an Arbeitsgruppen beteiligen
und die Arbeit des Instituts
mitbeeinflussen.
— Beiträge und Spenden sind
steuerlich absetzbar.
Nordfriisk Instituut
Süderstr. 30; 25821 Bräist/
Bredstedt, NF; Tel.: (04671)
60120; Fax: (04671) 1333
E-Mail: [email protected]
www.nordfriiskinstituut.de
Nordfriesland 173 – März 2011
En Kü fair
en Kualev
Faan Merten Frank
Hat es Nacht. Di güül Muun skintj
hiil leecht. Ön di Guart becht di
suurt Graavki sin Graavkistaker, di
Rot becht sin junk Hööler en di Ree
freet di fiin Knopen fan di Ruusen.
Tö liker Tir es di Puk ön di Kööken
en et dit aurblewen Iit. Iartapel fent
hi sa leker. Fan boowen jert hi bluat
dit Snārken fan di Familji.
Diar gairt en Kat fol Kneepen iin ön
di Knek en fangt en gre Müs.
Oo, hur stakels es dit fuar di gre
Müs! Man diar fraaget di Müs di
Kat: „Weest dü, hur di Puk uunet?
Bi di Buurenstair mung di Eekern
fair di Kü Elsa en Kualev, man dit
stat fast. Di Puk skel waker tö Help
kum.“ Di Kat kent di Buurenstair,
omdat sin Kusine Lotta diar uunet.
Uk di Kü Elsa her hi al sen, üs’er dit
leest Mol tö Bisjuk wiar. „Jaa, weet
ik, teev, gliks ön diderem Hüs diar
fuar“, swaaret di Kat. Da haalet di
Kat di Puk en fortelt, wat di gre Müs
sair heer.
Da kumt di Puk sa waker üt dit Hüs,
dat hi aur di Graavki falt. Diar uur
di Rot en di Ree niisgirig, en wel
weet, wat luas es. Di Puk birochtet
om di Kü, wat en Kualev fair en
Help brükt en sair: „Waker, kum,
wi skel diarhen! “ „Ik bliiv lewer jir“,
sair di Graavki, „ik ken dach ek fuul
help, sa blinj üs ik sen.“ Da laap di
Rot, di Ree en di Puk hen tö di Müs.
Diar raaki ja uk di Kat weðer, wat al
fuarof löpen wiar.
Da nemt di Ree ali trii üp sin Rech
en rent hen tö di Buurenstiar. Di
Kat lapt lewer bisir fan ön sin ain
Tempo.
Di Puk sjocht di Kü en hekset
di Kualev üðer Wai om me en
Heksenspröök „Kuli, fuli, mik, mak,
muk. Rocht Wai dit Kualev, da gair
dit uk!“
Nü ken di Kualev sener Swiirighairen
ütkum. Di Kü Elsa neemt dit Kualev
Paul en sair „fuul Toonk“ tö di Puk
en di Helper. Ali Dirter sen lekelk en
juubiliari.
Bücher
Der Elternlose
und der Entehrte
Was wäre die nordfriesische Kulturgeschichte ohne die Dorfschullehrer? Ohne Persönlichkeiten wie
Christian P. Hansen (1803–1879),
den Chronisten der Insel Sylt, oder
die Föhrer Heimatforscher Ocke
Nerong (1852–1909) und Hans
Philippsen (1866–1926)? Die Liste
der Lehrer, die sich als Naturkundler, Historiker und Sprachpfleger
um ihre Heimat verdient gemacht,
aber auch, wie der Keitumer Komödiendichter Jap Peter Hansen
(1767–1855) oder der Maler Oluf
Braren (1787–1839) aus Oldsum
auf Föhr, auf künstlerischem Gebiet
Außerordentliches geleistet haben,
ist lang. Jetzt muss ihr ein weiterer
Name hinzugefügt werden: Mumme Christian Hansen (1814–1868)
aus Poppenbüll in Eiderstedt.
Dass selbst Kenner der nordfriesischen Literaturgeschichte von diesem M. C. Hansen noch nie etwas
gehört haben, hat einen einfachen
Grund: Sein einziger Roman „Der
Elternlose und der Entehrte“ ist erst
im vergangenen Jahr, rund 170 Jahre nach der Niederschrift, im Druck
erschienen:
M. C. Hansen: Der Elternlose und der
Entehrte. Aus der Handschrift getreu
übertragen und herausgegeben von
Tim Voß. 118 S. 11,90 Euro. Verlag
Reinecke & Voß, Leipzig 2010.
Dass es dazu kam, war reiner Zufall.
Denn eigentlich hatte der Leipziger
Germanist und Verleger Tim Voß,
ein gebürtiger Dithmarscher, im
Klaus-Groth-Archiv in Heide nach
plattdeutscher Literatur gefahndet.
In einer abgelegenen Ecke fand
er neben den Putzmitteln einen
Karton, in dem ein Konvolut lag:
Hansens Manuskript. Voß erkannte
sofort, dass er auf etwas Besonderes
27
gestoßen war. Da Hansen als Lehrer
über eine sehr gut lesbare Handschrift verfügte, machte die Entzifferung wenig Mühe. Voß transkribierte den Text und veröffentlichte ihn
in dem kleinen Verlag, den er kurz
zuvor mit seinem Kompagnon, dem
Mecklenburger Bertram Reinecke,
gegründet hatte.
M. C. Hansen selbst nennt sein
Werk „eine Erzählung“, doch was
in dem Buch von nicht einmal
120 Druckseiten erzählt wird, ist
eine Romanhandlung par excellence. Irgendwann zu Beginn des
19. Jahrhunderts strandet bei Tönning ein Schiff, dessen Besatzung
und Passagiere offenbar umgekommen sind. An Bord wird nur ein
Kind gefunden. Der Junge mit dem
Namen Ludwig, den wegen seiner
vielfältigen Talente jedermann bald
„Tausendfach“ nennt, erzählt nun
sein Schicksal rückblickend in der
Ersten Person.
Ludwig wird in eine arme Pflegefamilie gegeben. Dort leidet er nicht
nur unter den harten Lebensbedingungen und der Lieblosigkeit der
Pflegeeltern, sein Pflegevater zwingt
ihn auch zum Diebstahl. Als man
ihn beim nächtlichen Schlachten
fremder Schafe auf frischer Tat
ertappt, wird ihm wegen seiner Jugend eine Strafe erlassen, und man
übergibt ihn Pflegeeltern, „deren
Rechtschaffenheit keinem Zweifel
unterlag“. Nach Schule und Konfirmation will sich der vielseitig begabte Junge als Laufbursche verdingen,
aber aufgrund seiner kriminellen
Vorgeschichte nimmt niemand ihn
in Dienst. So endet der erste Teil.
Der zweite Teil der Erzählung beginnt damit, dass ein offenbar sehr
reicher Fremder nach Tönning zieht
und Ludwig als Diener einstellt.
Der geheimnisvolle Unbekannte
macht sich als Wohltäter der Armen
einen Namen, lebt aber weiterhin
zurückgezogen, was allerlei dunklen
Gerüchten Nahrung liefert. Diese
Gerüchte scheinen sich zu bestätigen, als der Fremde eines Nachts
bei einem Raubüberfall am Kopf
verletzt wird. Dabei kommt zutage,
28
dass er auf der Stirn als Verbrecher
gebrandmarkt ist. Als sich darauf
alle von seinem Herrn – der erklärt,
unschuldig verurteilt worden zu
sein – abwenden, hält Ludwig ihm
die Treue. Erst als der Fremde unter
Einsatz des eigenen Lebens ein Kind
aus einem brennenden Hause rettet,
schlägt die allgemeine Stimmung
wieder um. Aber bei der Rettung hat
er schwere Verbrennungen erlitten.
Auf dem Sterbebett kommt endlich
heraus, was der Leser schon lange
geahnt hat: Der Fremde ist Ludwigs
Vater.
Die Wiedervereinigungs- ist zugleich eine Abschiedsszene. Immerhin findet der Vater noch die Zeit,
das Rätsel der Herkunft unseres
Helden aufzulösen. Ludwigs Vater
ist ein französischer Graf namens
„Ferdinand von S...“, der einem
Fürsten einst die schöne Braut weggeschnappt hat: Ludwigs Mutter. Bei
Ausbruch der Französischen Revolution schickte er Frau und Kind ins
sichere Dänemark, während er selbst
sich dem Kampf gegen die französische Republik anschloss. Doch dann
nahm das Unheil seinen Lauf. Der
ehemalige Nebenbuhler ließ Ferdinand mittels gefälschter Briefe als
Verräter ins Gefängnis werfen. Das
Schiff, mit dem Frau und Kind nach
Kopenhagen gebracht werden sollten, erlitt unterdessen Schiffbruch
und strandete an der nordfriesischen
Küste. Nach drei Jahren Kerkerhaft
begab sich der französische Graf
auf die Suche nach ihnen, wobei er
ganz nebenbei gewaltige Reichtümer erwarb. Irgendwann gelangte
er schließlich nach Tönning. Das
Weitere ist bekannt.
Der Roman schließt mit einem
bittersüßen Happy End: Ludwig
trauert um den gefundenen und
gleich wieder verlorenen Vater, aber
er wird auch als dessen rechtmäßiger
Erbe bestätigt und kann die Güter
des Grafen, die nach der Restauration der Bourbonenherrschaft in
Frankreich zurückerstattet worden
waren, in Besitz nehmen. Am Ende
erfährt Ludwig auch noch, dass
der Bösewicht, der seinen Vater
seinerzeit in den Kerker gebracht
hatte, inzwischen auf dem Schafott
gestorben ist.
Schon die Zusammenfassung der
Romanhandlung verdeutlicht, dass
es sich bei „Der Elternlose und der
Entehrte“ nicht wirklich um ein
literarisches Meisterwerk handelt.
Die Handlung folgt einem konventionellen, tausendfach verwendeten
Muster und ist ziemlich vorhersehbar, manche Schilderung, etwa die
Sterbeszene gegen Schluss, nicht
frei von Sentimentalität. Zudem
spart der Ich-Erzähler nicht mit
moralischen Belehrungen, gerne
auch, indem er seine Leser direkt anspricht. All das wirkt reichlich, nun
ja, schulmeisterlich und altbacken,
sogar für eine Erzählung aus der
Mitte des 19. Jahrhunderts. „Der Elternlose und der Entehrte“ war schon
in der Epoche seiner Entstehung ein
unzeitgemäßes Werk.
Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass Hansens Poetologie
und Erzählweise sich der Lektüre
populärer aufklärerischer Schriften
aus dem 18. Jahrhundert verdanken, etwa denjenigen des Moralphilosophen und Dichters Christian
Fürchtegott Gellert (1715–1769).
Wir wissen, dass Gellerts Schriften
auch im ländlichen Raum verbreitet
gewesen sind. Einen Beleg dafür
Nordfriesland 173 –– März 2011
liefert ein anderer nordfriesischer
Autor, nämlich Jens Jacob Eschels
(1757–1842), der in seiner Anfang
des 19. Jahrhunderts geschriebenen
und 1835 erschienenen „Lebensbeschreibung eines alten Seemannes“
immer wieder und in extenso Passagen aus Gellerts Werken zitiert. Aber
solche Überlegungen bleiben spekulativ, solange nicht durch genaue
Textvergleiche Hansens literarische
und moralphilosophische Vorlagen
ermittelt sind.
Auch wenn Hansen einem bereits
zu seiner Zeit als veraltet geltendes Literaturmodell folgt, muss
man ihm doch lassen, dass er sein
Handwerk souverän beherrscht.
Der Poppenbüller Lehrer schreibt
nicht nur ein tadelloses Deutsch,
auch sein präziser, detailgenauer
Stil ist mustergültig. Die Darstellung der elenden Lebensumstände
Ludwigs bei der Pflegefamilie gerät
ihm sehr eindrücklich, dramatische
Szenen wie die Feuersbrunst wirken
sogar mitreißend. Hansen versteht
es auch, Spannung zu erzeugen.
Obwohl einem der ungefähre Ausgang der Geschichte schon bald
klar ist, will man doch immer weiter
lesen, um die genaue Auflösung zu
erfahren. Ein bisschen schade ist,
dass Hansen auf Lokalkolorit weitgehend verzichtet, seine Erzählung
könnte beinahe in jeder Hafenstadt
spielen. Aber das spricht nicht gegen
die literarische Qualität des Romans.
Insgesamt wirkt „Der Elternlose und
der Entehrte“ keineswegs wie die Arbeit eines Anfängers. Hansen muss
viel und gründlich gelesen haben,
und offenbar war er im Schreiben
geübt.
Wer war dieser M. C. Hansen?
Über sein Leben ist wenig bekannt.
Hansen wurde 1814 als Sohn eines
Lehrers in Tating geboren, besuchte
das Lehrerseminar in Tondern und
wurde nach einer Zwischenstation
als Hilfslehrer in Sankt Peter 1838
Lehrer, Organist und Küster in dem
kleinen Dorf Poppenbüll. Auffällig
ist, dass Hansen erst im Jahre 1849,
also mit 35 Jahren, heiratete. Vermutlich lag das an seinen EinkomNordfriesland 173 – März 2011
mensverhältnissen. Wir wissen, dass
Hansen zwar schon 1846 Hauptlehrer in Poppenbüll geworden war,
sein Gehalt aber mit den Erben
seines Vorgängers teilen musste.
Erst als der letzte Hinterbliebene des
ehemaligen Hauptlehrers gestorben
war, bezog Hansen das volle Gehalt
und konnte es sich leisten, die Ehe
einzugehen. Was ihn dazu bewog,
sich zwischen dem Frühjahr 1841
und April 1843 literarisch zu betätigen, ob er an eine Veröffentlichung
seiner Erzählung je gedacht hat, werden wir wahrscheinlich nie erfahren.
Weil er aber in seinem Manuskript
genau vermerkt hat, wann er an seinem Roman gearbeitet hat, wissen
wir, dass er hauptsächlich während
der Ferienzeiten geschrieben hat.
So erklärt sich auch die angesichts
der Kürze der Erzählung recht lange
Periode der Niederschrift.
Vielleicht lässt das Wissen um den
Entstehungsprozess des Romans
sogar Rückschlüsse auf Hansens
Selbstbild als Schriftsteller zu. Wenn
Hansen ausschließlich während der
Schulferien geschrieben hat, könnte
das darauf hindeuten, dass er die
Schreiberei eher als Zeitvertreib
ansah und eine Veröffentlichung seiner Arbeit gar nicht im Sinn hatte.
Dabei war Hansen durchaus willens
und in der Lage, Texte von sich
drucken zu lassen. Im Jahre seines
Todes, 1868, erschien von ihm im
Selbstverlag die kleine (nur 27 Seiten umfassende) Schrift „100 Räthsel
zur Weckung des Nachdenkens für die
reifere Jugend“. Ob Hansen glaubte,
ein solches pädagogisches Werk sei
eher eine Veröffentlichung wert als
sein Roman, oder welche Umstände
sonst dafür verantwortlich sind, dass
„Der Elternlose und der Entehrte“
damals nicht als Buch erschienen
ist – auch das bleiben offene Fragen.
Nichts spricht jedoch dafür, dass
sich Hansen etwa als verkanntes
Genie gefühlt und unter seiner
bescheidenen Existenz als Dorfschullehrer besonders gelitten hätte.
Wahrscheinlich – seine „Weckung des
Nachdenkens für die reifere Jugend“
kann als ein Beleg dafür genommen
werden – versah er sein Amt mit
Fleiß und Leidenschaft und schrieb
nur zu seinem eigenen Vergnügen.
Mit einem Wort: Hansen war ein
reiner Freizeitschriftsteller. Aber als
solcher hat er Beachtliches geleistet. Dass wir heute seinen Roman
„Der Elternlose und der Entehrte“ als
gedrucktes Buch in Händen halten,
hätte er sich wohl nicht träumen
lassen.
Olaf Schmidt
stammt von Föhr, ist promovierter
Germanist, arbeitet als Literaturredakteur des Leipziger Stadtmagazins
Kreuzer und hat 2006 mit „Friesenblut“ einen erfolgreichen Debütroman
vorgelegt. (Adresse: Schnorrstr. 40,
04229 Leipzig.)
Schneetage
Nordfriesland als literarischer Ort
ist kanonisiert (vgl. Nordfriesland,
Nr. 172, S. 2). Auch einhergehende
Themen wie Naturkatastrophen,
Landverlust und Landgewinn, Überlebenskampf der Küstenbewohner
sowie nordfriesische Geschichte
gelten als literarisch etabliert. Dass
Nordfriesland auch heute einen
spannenden Erzählraum abgeben
kann, beweist Jan Christophersen
mit seinem Debütroman:
Jan Christophersen: Schneetage. 368 S.
22,00 Euro. Mareverlag, Hamburg
2009. Taschenbuchausgabe: 266 S.
9,95 Euro. Fischer Taschenbuch Verlag,
Frankfurt am Main 2010.
Im Roman erinnert sich der IchErzähler Jannis im Winter 1978/79
in karger, lakonischer Sprache seiner
Nachkriegskindheit in einer Pflegefamilie im Grenzkrug von Vidhof,
einem fiktiven Ort an der deutschdänischen Grenze. Diese Kindheit
wird durch die obsessive Suche des
Pflegevaters Paul Tamm nach Fundstücken des sagenumwogenen Ortes
Rungholt bestimmt. Während die
Schneemassen das gesamte Land
zudecken, deckt der Erzähler all die
familiären Probleme, Wünsche und
Suchbewegungen auf, die letztlich
in einem Kollaps des Pflegevaters
29
Paul und in einer Identitätssuche von
Jannis münden.
Der Handlungsverlauf wechselt
immer wieder zwischen Gegenwartsbeschreibungen des Jahreswechsels
1978/79 – sie tragen stets die
Kapitelüberschrift „Schnee“ – und
Jannis’ Kindheitserinnerungen. Der
gesamte Roman bewegt sich zwischen einem sich abwechselnden
Zu- und Aufdecken, das der Bewegung von Ebbe und Flut entspricht.
Letztlich werden deshalb auch nicht
alle Fragen geklärt, sondern auch
Aspekte und Erinnerungen wegspült,
wodurch der Leser selbst Leerstellen
auszufüllen hat.
Jan Christophersen, dem stilistisch
eine Nähe zu Theodor Storm und
Siegfried Lenz nachgesagt wird,
schlägt in seinem Debütroman etliche Brücken zu anderen Texten wie
etwa der „Deutschstunde“ von Lenz.
Insbesondere durch die Kindperspektive, durch den Verweis auf Emil
Nolde und durch einen Schulaufsatz
von Jannis über die eigene Geschichte wird diese Verbindung sichtbar.
Der Beginn der Geschichte erinnert
allerdings an einen anderen berühmten Romananfang: an Robert Musils
„Mann ohne Eigenschaften“. Genau
wie Musils Jahrhundertroman beginnt auch „Schneetage“ mit einer
nüchternen Wettervoraussage, die die
hereinbrechende Schneekatastrophe
ankündigt. Im Laufe des Romans
zeigt sich jedoch, dass das Erzählen
die diversen menschlichen und naturbedingten Katastrophen besser zu
fassen weiß als eben eine nüchterne
Prognose. In der literarischen Verarbeitung der sehr unterschiedlichen
Themen bei Christophersen gewinnen die Schneekatastrophe und die
Geschichte Rungholts eine ganz
eigene Dimension. Diese kann für
Nordfrieslandkenner zwar manchmal etwas lehrbuchartig wirken, doch
wird letztlich auch für Insider ein unterhaltendes Mosaik nordfriesischer
Geschichte dargeboten.
Der gebürtige Flensburger Christophersen, der am Leipziger Literaturinstitut studiert hat und der
mittlerweile mit seiner Familie
30
wieder in Schleswig-Holstein lebt,
hat für seinen Debütroman insgesamt sechs Jahre lang recherchiert.
Mit einschlägiger Sachkenntnis
der Rungholt-Literatur verarbeitet
er nordfriesische Kulturgeschichte
zu einer eindrucksvollen Familienund Heimatgeschichte. Diese Geschichte ist allerdings vor allem durch
Brüche und Risse gekennzeichnet,
welche sich durch die Figuren und
die Handlungen ziehen. Insbesondere die Heimatverortung verläuft
nicht eindeutig. Durch die dargestellten Nachkriegsschicksale wird
deutlich, dass eine nordfriesische
Identität nicht zwangsläufig durch
Geburt oder Sozialisation vor Ort
bedingt sein muss, sondern sich für
Hinzukommende auch durch selbsttätige Verortung und den Wunsch
nach Zugehörigkeit ergeben kann.
Christophersen führte dazu im NDR
Kulturjournal am 25. Mai 2009
aus: „Ich habe einen Heimatroman
geschrieben, weil er sich damit beschäftigt, weil es wirklich Thema ist,
was Heimat bedeutet, was Herkunft
bedeutet [...]. Ich nehme es nicht
zum Anlass, Heimat zu feiern. Es gibt
ja durchaus Brüche im Heimatbild.“
Es sind vor allem die Figuren mit
ihren Schicksalen und persönlichen
Schwächen, die beeindrucken und
die dem Leser ein Verstehen von
unterschiedlichen Identitäten ermöglichen. Indem durch Erinnerungen,
Zeitsprünge und vor allem durch die
Kindperspektive des Ich-Erzählers
Heimat- und Familienschichtungen
langsam abgetragen und verarbeitet
werden, erscheint gleichsam ein Bild
nordfriesischer
Geschichte – von
Rungholt bis zu den deutsch-dänischen Auseinandersetzungen in
der Nachkriegszeit. Christophersen
schreibt sich mit „Schneetage“ in eine
bestehende
Nordfriesland-Literatur ein, ohne zu kopieren oder gar
plump nachzueifern. Dieser Roman
lohnt nicht nur für jeden Nordfriesland-Liebhaber und Geschichtsinteressierten, sondern ist all denjenigen
zu empfehlen, die ein ruhiges und
intensives Erzählen jenseits aller Action schätzen.
Ada Bieber
Kiek mal rin!
Kaum zu glauben, aber wahr. Es gab
bislang keine halbwegs benutzbare
Gebrauchsgrammatik des Plattdeutschen. Jetzt liegt sie endlich vor und
Bauer Brakelmann aus Büttenwarder
könnte sagen: „Das kann man gar
nicht hoch genug verherrlichen!“
Heinrich Thies: Plattdeutsche Grammatik. Formen und Funktionen. Hrsg.
von der Fehrs-Gilde. 367 S. 19,90
Euro. Wachholtz Verlag, Neumünster
2010.
Der mühseligen und deshalb so
verdienstvollen Arbeit, die heute
gültigen Formen und Funktionen
des Plattdeutschen zu erfassen, hat
sich mit Heinrich Thies aus Glinde
nicht ein Sprachwissenschaftler,
sondern ein Jurist unterzogen. Thies
war zehn Jahre lang Vorsitzender
der Fehrs-Gilde und hatte sich mit
der kompletten Überarbeitung des
Sass’schen Wörterbuchs schon einen
guten Ruf erarbeitet. Jetzt aber krönt
er seine Arbeit mit einem Buch, das
schon bei seinem Erscheinen als
Standardwerk gelten muss.
Thies’ Anliegen war nicht eine
wissenschaftliche Abhandlung. Er
wollte ein Handwerkszeug bereitstellen, das Antworten auf häufig
auftretende Fragen gibt. Das ist ihm
voll und ganz gelungen. Er traut sich
auch, mit „unwissenschaftlichen“
Kategorien wie „kennzeichnend
niederdeutsch“ die Aufmerksamkeit
des Benutzers auf strukturelle
Unterschiede zwischen Hoch- und
Plattdeutsch hinzuweisen.
Thies musste selbstverständlich
Leitformen setzen, denn wenn er alle
regionalspezifischen
Unterschiede
des Plattdeutschen gleichrangig hätte
dokumentieren wollen, wäre das
Ergebnis wohl kaum benutzbar. Er
fand dafür in der Regel einen guten
Weg. Wenn Abweichungen vom
Grundmuster großräumig gelten,
etwa für den ganzen Landesteil
Schleswig, dann werden sie vermerkt
und erläutert. Das macht Thies’
Grammatik auch für Nutzer in
Nordfriesland einsetzbar.
Peter Nissen
Nordfriesland 173 –– März 2011
Neu im
Nordfriisk
Instituut
Jahrbuch 2011
Mit Theodor Storms literarischer
Überformung von Elementen der
nordfriesischen Landschaft befasst
sich der Germanist Prof. Dr. Heinrich Detering in einem Aufsatz in
Nordfriesisches Jahrbuch 46 (2011).
160 S. 9,80 Euro. Verlag Nordfriisk
Instituut, Bräist/Bredstedt 2010.
Der Historiker Dr. Paul-Heinz
Pauseback berichtet von der überaus
erfolgreichen Integration des gebürtigen Husumers Ludwig Nissen
in New York um 1900. Prof. Dr.
Jarich Hoekstra, Kiel, publiziert und
kommentiert eine Ansprache des aus
Fahretoft stammenden Pastors Peter
Petersen, die dieser 1819 an der damaligen Husumer Gelehrtenschule
auf Friesisch hielt. Wie es zur Zeit
der Aufklärung in der führenden
Schicht in Koldenbüttel zuging,
schildert der frühere dortige Pastor
Johann-Albrecht Janzen. Von dem
Husumer Juristen Johannes Paul Ipsen, der 1749 in Wobbenbüll starb,
berichten die Chronistin Tatjana
Hetzel und der Stadtarchivar Holger
Borzikowsky.
Perspektiven des Friesischen im
Schulunterricht und an der Universität Flensburg beleuchten Flensburger Studierende. Der Erlanger
Germanist Prof. Dr. Horst Haider
Munske schildert die wissenschaftlichen Lebensläufe von Sprachforschern, die sich mit Leidenschaft
dem Friesischen zuwandten, ohne
selbst Friesen zu sein.
Eine Bibliografie zur Geschichte,
Sprache und Kultur der Insel Amrum hat Prof. Dr. Martin Rheinheimer, Esbjerg, zusammengestellt.
Buchbesprechungen und eine
Aufstellung der im Jahre 2009 in
Zeitungen und Zeitschriften erschienenen nordfriesischen Texte runden
das Jahrbuch ab.
NfI
Nordfriesland 173 – März 2011
NORDFRIESLAND
Gesamt-Inhaltsverzeichnis 2010
Hefte 169–172
Bahnsen, Bahne: Der „American dream“ des Heintich Lütjens.
Von der Hauptstraße in Leck zum Harvard Faculty Club. . . . . . . . . . . 169
Bammé, Arno: Lars Clausen – ein Querdenker und Kämpfer † (Chronik) 171
Botter, Frank: Cassen Eils 1923– 2010 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Bremen, Silke v.: Von der inneren Gefangenschaft eines Freiheitskämpfers.
Uwe Jens Lornsens seelische Not. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Frank, Johann: Üüs Sölring Lön? (Reaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Hansen, Jon Hardon: C.-P.-Hansen-Pris 2009 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . 169
Hölscher, Andrea: Biakin uun a jongensguard (Chronik) . . . . . . . . . . . . . 169
Jessen, Rike: Jü tååscheklook (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Junge, Werner: 40 Jahre auf gutem Weg (Kommentar) . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Von der Schlammschlacht zum Weltkulturerbe.
25 Jahre Nationalpark Wattenmeer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Karschin, Sibylle: Ansprache zur Einweihung des Gedenkortes für
Mirjam Cohen bei der TSS in Husum am 19. November 2010. . . . . . 172
Kunz, Harry: Nordfriesland im Winter (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Nordfriesland im Frühling (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Nordfriesland im Sommer (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Nordfriesland im Herbst (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– 81 Menschen pro qkm, 463 Höfe von über 100 ha, 10 436 381
Übernachtungen. Zahlen und Daten zu 40 Jahren Kreis Nordfriesland 171
Lohmeier, Dieter: Prof. Dr. Karl Ernst Laage 90 (Chronik). . . . . . . . . . . . 171
Mit Selbstvertrauen in die Zukunft. Antworten von Landrat
Dieter Harrsen zum 40-jährigen Bestehen des Kreises Nordfriesland . . 171
Nissen, Peter: Benotet (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Ermutigung (Kommentar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Ich auch nicht (Bücher). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Gut un hemm (Bücher). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Grothens Stolz (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Nordfriisk Instituut: Jahrbuch 2010 (Neu im Nordfriisk Instituut) . . . . . 169
– Friesisches auf Russisch (Bücher). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Glücklicher Matthias (Neu im Nordfriisk Instituut). . . . . . . . . . . . . . . 170
– Der kleine Prinz auf Friesisch (Neu im Nordfriisk Instituut) . . . . . . . . 170
– Nordfriesland und die Friesen (Neu im Nordfriisk Instituut) . . . . . . . . 170
– Jarling 2011 (Neu im Nordfriisk Instituut). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Olaf Braren (Neu im Nordfriisk Instituut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Friesische Straßennamen (Neu im Nordfriisk Instituut) . . . . . . . . . . . . 171
Frederik Paulsen: Vier Nordfriesen aus vier Jahrhunderten.
Regionalität und Weltbürgertum –
Freiheitsdrang und Heimatverbundenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Pauseback, Paul-Heinz: Für ein paar Stunden Auswanderer sein.
Auswandererhaus in Bremerhaven und BallinStadt in Hamburg . . . . . 169
Pingel, Fiete: Üt da friiske feriine (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Sylt-Büchlein (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Zwischen Landschaft und Sehnsucht (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Hans-Momsen-Preis für Dr. Christian M. Sörensen (Chronik) . . . . . . 172
– Stolpersteine, Schicksal einer Schülerin
und ein engagiertes Theaterprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– und Thomas Steensen: Nordfriesischer Kanon (Kommentar) . . . . . . . . . 172
Püttger-Conradt, Armin: Das Erbe eines Gutsherrn.
Sönke Nissen in Glinde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
17
5
6
22
32
5
4
28
2
15
29
10
8
8
7
22
5
20
30
2
30
31
30
31
30
32
32
32
31
31
31
9
14
7
30
30
4
27
2
19
31
Redaktion: Biike-Empfang im Andersenhaus (Chronik). . . . . . . . . . . . . . 169
– Bekenbrennen in Drage (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Friesisch an den Hochschulen (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6; 171
– H. P. Rickmers 90 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– 100 Jahre Vogelwarte Helgoland (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Gedenken an Jens Mungard (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Feddersen-Preis 2009 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Friesische Filme (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Üt da friiske feriine (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 9; 171 7; 172
– Musiikweedstrid (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Kulturpreis für Prof. Dr. Dieter Lohmeier (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . 170
– Jungbauern zu Gast (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
– Ferteel iinjsen! „Uun a naacht“ (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Reimer Kay Holander wurde 85 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Landtagsprospekt auf Friesisch (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Fest der Vielfalt (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Friesische Adjektiva (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
– Friisk Hüs (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– Friisk Funk (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– Momsen-Haus gekauft (Chronik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– Fest der nordfriesischen Vielfalt (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– 100 Jahre Dr. Hugo Krohn (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– Thema „Uun a naacht“ (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Riecken, Claas: Von Kuhstall bis Reichstag.
Friesische Filme für Nordfriesland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Seidel, Brigitta: Dr.-Ing. Marcus Petersen 100 Jahre (Chronik) . . . . . . . . 170
Steensen, Thomas: Provinz (Kommentar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Paulsen und das Kaiserreich (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Hirnforscher aus Husum (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Begegnung mit Horst Joachim Frank (Bücher). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Hinweis (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
– Ton Steine Scherben. Rio Reiser und die Freie Republik Fresenhagen . 170
– „Doppelt hält besser!“ Das Nordfriisk Instituut und „seine“ IGB . . . . . 170
– Der Kreis Nordfriesland – ein historisch-kulturelles Porträt.
Festvortrag zum 40-jährigen Bestehen des Kreises Nordfriesland
am 26. April 2010 im Rittersaal des Schlosses vor Husum . . . . . . . . . . 171
– Ansprache zur Verlegung des „Stolpersteins“ für Andreas Carlsen
am 23. November 2010 in Bredstedt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
– und Fiete Pingel: Nordfriesischer Kanon (Kommentar). . . . . . . . . . . . . 172
Tadsen, Antje: Tante Lisbeth ütj Amerikoo (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . . . . 172
Thormählen, Carl-Friedrich: 50. Interfriesisches
Bauerntreffen (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Undeutsch, Dieter: Stoff für gute Stunden. Museum der Landschaft
Eiderstedt neu gestaltet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Üüs Söl’ring Lön? Zur Entwicklung des Friesischen auf Sylt . . . . . . . . . . 170
Vanselow, Wendy: Plattdeutsch für Nordfriesland (Bücher). . . . . . . . . . . . 170
– Die Zaubermühle – A Troolmaln (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Vielleicht sollte man einfach hinschauen lernen!
Der Kreis Nordfriesland und die Friesen aus studentischer Sicht . . . . . 171
Weinbrandt, Britta: Det ual hüs (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Wilts, Ommo: Friesische Lyrik als Widerstand.
Werk und Schicksal von Jens Mungard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Wrege, Dieter: Ein Bretone radelt
zu europäischen Minderheiten (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
3
4
4
7
7
8
8
8
6
3
5
6
3
4
4
6
30
3
3
4
5
5
30
10
4
2
29
29
30
30
15
25
10
27
2
30
6
12
20
31
32
27
29
21
6
Herausgegeben vom
Nordfriisk Instituut
Redaktion:
Peter Nissen, Fiete Pingel,
Thomas Steensen
Schlusskorrektur: Harry Kunz
Verlag: Nordfriisk Instituut,
Süderstr. 30,
D-25821 Bräist/Bredstedt, NF,
Tel. 04671/60120,
Fax 04671/1333,
E-Mail:
[email protected]
Internet:
www.nordfriiskinstituut.de
Druck: Husum Druckund Verlagsgesellschaft,
D-25813 Hüsem/Husum, NF.
Preis je Nummer 3,00 Euro,
Jahresabonnement
(4 Nummern) 12,00 Euro.
Für Mitglieder des Vereins Nordfriesisches Institut e. V. ist der Bezug der
Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten.
Bankverbindungen:
Spar- und Leihkasse
zu Bredstedt AG
(BLZ 217 512 30) 737,
Nord-Ostsee Sparkasse
(BLZ 217 500 00) 31 161.
NORDFRIESLAND ist ein Forum
freier Meinungsäußerung; alle Beiträge
geben die persönliche Meinung ihrer
Verfasserinnen und Verfasser wieder.
Wiedergabe in jeglicher Form nur mit
Genehmigung der Redaktion.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.
ISSN 0029-1196